#auf_deutsch

  • Die NATO und ihre Geschichte – Die North Atlantic Treaty Organization

    https://www.geschichte-lernen.net/geschichte-der-nato


    Die verschiedenen Phasen der Nato Erweiterungen von 1945 bis 2017 | Autor: Patrickneil | Lizenz: CC BY-SA 3.0

    Inhaltsverzeichnis

    1. Geschichte der Nato Gründung

    2. Was ist die Nato? Die Nato Strukturen

    Zivile Organisation der Nato
    Militärische Organisation der Nato

    3. Die NATO während des Kalten Krieges
    4. Glasnost, Perestroika, Wiedervereinigung und die Auflösung des Warschauer Paktes
    5. Der Wendepunkt: Der Krieg in Ex-Jugoslawien
    6. Die NATO im Zeichen der Bekämpfung des Terrors
    7. Der „Kalte Frieden“: Die NATO-Osterweiterung und Russland

    Die Nato Mitgliedsstaaten als Liste

    8. Der Krieg in der Ukraine und der Georgien-Konflikt
    8. Ausblick

    #OTAN #histoire #auf_deutsch

  • Die faschistische Ideologie des israelischen Staats und der Genozid in Gaza
    https://www.wsws.org/de/articles/2023/12/20/pylj-d20.html

    Diesen Vortrag hielt David North, Leiter der internationalen Redaktion der World Socialist Web Site, am 14. Dezember 2023 an der Humboldt-Universität in Berlin.

    Wer an der Humboldt-Universität ankommt und die Eingangshalle des Gebäudes betritt, erblickt das berühmte Zitat von Marx: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern.“ Dieser grundlegende Aufruf von Marx sollte jeden Redner leiten, wenn er vor einer Versammlung spricht. Wie wird das, was er sagt, dazu beitragen, die Welt zu verändern?

    Zunächst möchte ich meinen Genossinnen und Genossen von der deutschen Sektion der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) dafür danken, dass sie mich eingeladen haben, heute Abend an der Humboldt-Universität zu sprechen. Soweit ich weiß, gab es gewisse Probleme bei der Festlegung des Vortragsthemas, und sie wurden darüber informiert, dass der Titel keinen Hinweis auf den derzeitigen Völkermord durch die israelische Regierung in Gaza enthalten darf. Nun, sie haben sich an diese Regel gehalten, und im Titel findet sich kein Hinweis auf dieses immens wichtige Ereignis. Diese offenkundige Einschränkung der Meinungsfreiheit ist Teil der Bestrebungen der deutschen Regierung, der Medien und der unterwürfigen akademischen Einrichtungen, Widerstand gegen die Verbrechen der Netanjahu-Regierung zu unterbinden und zu diskreditieren.

    Nachdem wir uns nun an die Auflagen zum Vortragstitel gehalten haben, werde ich dennoch über die Ereignisse in Gaza sprechen. Wie wäre es möglich, dies nicht zu tun?

    In den letzten zwei Monaten hat die Welt miterlebt, wie die israelische Regierung mit ungeheurer Brutalität Krieg gegen eine wehrlose Bevölkerung führt. Die Zahl der Todesopfer nähert sich der Marke von 20.000 oder hat sie vielleicht schon überschritten. Mehr als die Hälfte der Getöteten sind Frauen und Kinder. Die Gesamtzahl der Opfer beträgt ein Vielfaches dieser Zahl. In den ersten sechs Wochen dieses Krieges hat Israel 22.000 von den Vereinigten Staaten gelieferte Bomben auf Gaza abgeworfen. Das war nur in den ersten sechs Wochen, seitdem ist eine beträchtliche Zeitspanne vergangen. Um eine Vorstellung vom Ausmaß dieses Angriffs zu gewinnen, sollte man bedenken, dass der Gazastreifen insgesamt 365 Quadratkilometer groß ist, also weniger als die Hälfte der Fläche Berlins (891,3 Quadratkilometer).
    Aufsteigender Rauch nach einem israelischen Bombardement im Gazastreifen, 16. Dezember 2023 [AP Photo/Ariel Schalit]

    Die israelischen Streitkräfte verschonen keinen Teil des Gazastreifens und keinen Teil seiner Bevölkerung. Krankenhäuser, Schulen, Bibliotheken, Flüchtlingslager und andere öffentliche Gebäude werden bombardiert. Journalisten, Ärzte, Lehrer, Schriftsteller und Künstler werden gezielt ins Visier genommen. Der Mord an dem Dichter Refaat Al-Ar’eer ist nur das bekannteste Beispiel für die Tötungen, die auf Geheiß der israelischen Regierung verübt werden.

    Dieses Gemetzel muss gestoppt werden. Und alle, die für die Verbrechen gegen die Bevölkerung im Gazastreifen und gegen die gesamte palästinensische Bevölkerung, die unter der Besatzung lebt, verantwortlich sind, müssen gemäß den in den Nürnberger Prozessen von 1945–1946 aufgestellten Grundsätzen in vollem Umfang zur Rechenschaft gezogen werden. Und wenn es dabei nach mir ginge, würden sie die gleichen Strafen erhalten.

    Die Einschränkung für den Titel dieses Vortrags enthält ein Element der Ironie. Vor fast genau zehn Jahren, im Februar 2014, wurde ich von Sicherheitskräften daran gehindert, an einem Kolloquium teilzunehmen, auf dem der Geschichtsprofessor Jörg Baberowski hier an der Humboldt-Universität eine neue Biografie über Leo Trotzki vorstellen wollte, die Professor Robert Service von der Universität Oxford verfasst hatte. In der Einladung zu der öffentlichen Veranstaltung hieß es, dass Service die Fragen der Teilnehmer beantworten werde.
    Baberowski (olivfarbene Jacke, Hintergrund) und seine Sicherheitsleute versperren David North 2014 den Zutritt zu einem Kolloquium

    Services Trotzki-Biografie ist eine schamlose Geschichtsfälschung. Die Verleumdungen gegen Trotzki darin sind so eklatant, dass führende deutsche Historiker öffentlich dagegen protestierten, weshalb die deutsche Ausgabe erst mit einem Jahr Verzögerung erscheinen konnte.

    Einer meiner Einwände gegen Services Biografie, die ich in mehreren Rezensionen detailliert dargelegt habe, bezog sich auf die antisemitischen Stereotypen, deren sich der britische Historiker in seiner Denunziation von Trotzki ausdrücklich bediente. Dazu gehörten unter anderem Anspielungen auf die Form von Trotzkis Nase und die Änderung seines russischen Vornamens von „Lew“ in „Leiba“ – eine jiddische Variante, die ausschließlich von antisemitischen Feinden des jüdischstämmigen Trotzki verwendet wurde.

    Wie sich bald herausstellte, beruhte das Bündnis der Professoren Baberowski und Service auf einer gemeinsamen antikommunistischen Agenda. Genau an dem Tag, an dem ich von dem Kolloquium an der Humboldt-Universität ausgeschlossen wurde, brachte Der Spiegel in seiner neuesten Ausgabe einen langen Essay, in dem die Verbrechen der Nazis mit dem Argument gerechtfertigt wurden, dass Hitlers Politik eine legitime Antwort auf die „Barbarei“ der bolschewistischen Revolution gewesen sei.

    Neben anderen Interviewpartnern zitierte der Spiegel in diesem Beitrag auch Baberowski, der erklärte: „Hitler war kein Psychopath, er war nicht grausam. Er wollte nicht, dass an seinem Tisch über die Judenvernichtung geredet wird.“[1] Im Weiteren verteidigte Baberowski die nazifreundlichen Ansichten des inzwischen verstorbenen Professors Ernst Nolte, der damals Deutschlands führender Hitler-Apologet war.

    Während die Studierenden der Humboldt-Universität über die Aussagen im Spiegel entsetzt waren, stellten sich die Verwaltung der Humboldt-Universität und die Medien hinter Baberowski. Dies änderte sich auch nicht, nachdem ein deutsches Gericht entschieden hatte, dass Baberowski als Rechtsextremist bezeichnet werden darf. Baberowski genoss und genießt die uneingeschränkte Rückendeckung der Humboldt-Universität. Deshalb konnte er auch einen wissenschaftlichen Mitarbeiter an den Lehrstuhl für die Geschichte Osteuropas berufen, der vor seiner Berufung an die Humboldt-Universität an einer Neonazi-Demonstration gegen die Aufdeckung von Gräueltaten der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg teilgenommen hatte.

    Vor zehn Jahren wurde ich von der Teilnahme an einem Kolloquium an der Humboldt-Universität ausgeschlossen, weil ich beabsichtigte, die Fälschungen von Service und seine Verwendung antisemitischer Verunglimpfungen zu anzuprangern. Heute verbietet die Universität, die sich als unversöhnlicher Gegner des Antisemitismus aufspielt, im Namen der Bekämpfung des Antisemitismus die Erwähnung des Völkermords in Gaza.

    Ich erinnere an diesen Vorfall aus der nicht allzu fernen Vergangenheit, weil er beispielhaft ist für den Zynismus, die Heuchelei, die Demagogie und die hemmungslose Verlogenheit hinter der Kampagne, Opposition gegen Israels Angriff auf Gaza als „antisemitisch“ zu diskreditieren. Diese Verleumdung ist eine wichtige Waffe in den Bemühungen Israels und seiner imperialistischen Komplizen, all diejenigen einzuschüchtern und zu isolieren, die gegen den Völkermord an den Palästinensern protestieren.

    Plötzlich und von vielen überraschenden Seiten sind Kämpfer gegen Antisemitismus aufgetaucht. Letzte Woche wurden in den Vereinigten Staaten Universitätspräsidentinnen nach Washington D.C. vorgeladen, weil sie es versäumt hatten, angeblich antisemitische Proteste auf amerikanischen College-Campussen zu unterbinden. Angeführt wurde die inquisitorische Befragung von der Kongressabgeordneten Elise Stefanik, einer Republikanerin aus einem Bezirk im Bundesstaat New York. Sie wollte wissen, warum die Präsidentinnen der University of Pennsylvania, von Harvard, des Massachusetts Institute of Technology und anderer großer Universitäten Aufrufe zum „Völkermord“ dulden würden – worunter die Kongressabgeordnete jeden Studentenprotest versteht, der ein Ende des Apartheidregimes fordert, das den Palästinensern demokratische Rechte vorenthält.
    Die Abgeordnete Elise Stefanik, eine Anhängerin der faschistischen „Bevölkerungstausch-These“ und Unterstützerin des Aufstands vom 6. Januar 2021, ist auch eine führende Vertreterin der Behauptung, Antizionismus sei Antisemitismus [AP Photo/Mark Schiefelbein]

    Aber was sind die Referenzen von Frau Stefanik als Kämpferin gegen Antisemitismus? Sie ist eine bekannte Verfechterin der so genannten „Bevölkerungsaustausch-Theorie“, wonach die Juden die Vernichtung der weißen Christen planen, um die Weltherrschaft zu übernehmen. Mit anderen Worten, sie ist eine ausgewiesene Antisemitin, im klassischen Sinne des Wortes.

    Das Bündnis von Kräften der extremen Rechten mit dem israelischen Regime ist ein internationales politisches Phänomen. Wie ihr wisst, hat sich die Alternative für Deutschland (AfD), in der ein Politiker den Holocaust als „Vogelschiss“ in der Geschichte abtut, dem Kreuzzug gegen den Antisemitismus angeschlossen. Und würde er noch leben, würde sich zweifellos auch der Führer anschließen.

    Eine Delegation der ukrainischen Asow-Brigade, deren Kämpfer vielfach Nazi-Symbole als Tattoos tragen, besuchte im vergangenen Dezember Israel, um ihre Solidarität mit dem Netanjahu-Regime zu bekunden. All dies sind keine vereinzelten und abstrusen Zerrbilder ansonsten legitimer Bemühungen zur Bekämpfung des Antisemitismus. Vielmehr basiert die gesamte Kampagne auf einer Verfälschung der historischen Ursprünge und der politischen Funktion des Antisemitismus. Die aktuelle Kampagne steht für einen Prozess, den man als „semantische Umkehrung“ bezeichnen könnte. Hierbei wird ein Wort auf eine Weise und in einem Kontext verwendet, die das genaue Gegenteil seiner eigentlichen und seit langem akzeptierten Bedeutung sind.

    Durch die schiere Kraft der Wiederholung, verstärkt durch alle dem Staat und den Leitmedien zur Verfügung stehenden Mittel, wird die Bedeutung eines Begriffs grundlegend verändert. Das angestrebte Ergebnis dieser Verfälschung besteht darin, das politische Bewusstsein in der Bevölkerung zu senken und die Fähigkeit zur Erkenntnis der Realität zu mindern.

    Ein bezeichnendes Beispiel dafür, wie der Begriff „Antisemitismus“ zur Verfälschung der Geschichte, zur Verzerrung der politischen Realität und zur Desorientierung des öffentlichen Bewusstseins verwendet wird, findet sich in der jüngsten Ansprache des überaus redegewandten Robert Habeck, Vizekanzler der Ampel-Regierung in Berlin. In einer Schlüsselpassage erklärte dieser politische Tartuffe:

    Sorge macht mir aber auch der Antisemitismus in Teilen der politischen Linken und zwar leider auch bei jungen Aktivistinnen und Aktivisten. Anti-Kolonialismus darf nicht zu Antisemitismus führen.

    Kann jemand auch nur ansatzweise erklären, wie Anti-Kolonialismus einen antisemitischen Charakter annehmen soll? Habeck weiter:

    Insofern sollte dieser Teil der politischen Linken seine Argumente prüfen und der großen Widerstandserzählung misstrauen.[2]

    In dieser Passage offenbart sich der zentrale Zweck der semantischen Umkehrung des Wortes Antisemitismus. Ein Phänomen, das historisch mit der politischen Rechten assoziiert wurde, wird in ein zentrales Attribut der politischen Linken umgewandelt. Der reaktionäre Zweck dieses Verfälschungsverfahrens zeigte sich in der politischen Vernichtung von Jeremy Corbyn in Großbritannien. Ich bin kein Anhänger von Herrn Corbyn, dessen auffälligster politischer Charakterzug das Fehlen eines Rückgrats ist. Aber ungeachtet aller opportunistischen Sünden, die er begangen hat, ist der Vorwurf des Antisemitismus gegen Corbyn und seine Anhänger in der britischen Labour Party eine üble Verleumdung, die von seinen rechten Gegnern ausgeheckt wurde, um ihn politisch zu vernichten.

    Ein weiteres, noch schmutzigeres Beispiel für diese Verleumdung ist die bösartige Hexenjagd auf Roger Waters. Ein Künstler, der sein Leben und seine Kunst der Verteidigung der Menschenrechte gewidmet hat, wird in einer international orchestrierten Kampagne verfolgt, um ihn als Antisemiten abzustempeln. Hier in Deutschland, in Frankfurt und Berlin, wurden Versuche unternommen, seine Konzerte abzusagen. Und was ist die Motivation für seine Verfolgung? Roger Waters setzt sich für die demokratischen Grundrechte der Palästinenser ein und spricht sich gegen deren Unterdrückung aus.

    Die völlige Entkopplung des Begriffs „Antisemitismus“ von seiner eigentlichen historischen und politischen Bedeutung ist erreicht, wenn er gegen jüdische Menschen gerichtet wird, die zu Tausenden gegen die verbrecherische Politik des israelischen Regimes protestieren. Gegen sie wird ein besonders abscheulicher Ausdruck verwendet: „jüdischer Selbsthass“. Der Kern dieser Beleidigung besteht darin, dass Widerstand von Jüdinnen und Juden gegen die israelische Politik und gegen das gesamte zionistische Projekt nur als Ausdruck eines psychologischen Problems erklärt werden könne, einer pathologischen Ablehnung der eigenen Identität.

    Diese Diagnose geht von der Voraussetzung aus, dass das Judentum als besondere religiöse Identität vollständig im israelischen Staat und der nationalistischen Ideologie des Zionismus aufgegangen ist. Die religiöse Zugehörigkeit eines Individuums – die im Leben des einen oder anderen jüdischen Menschen eine geringe oder gar keine besondere Rolle spielen mag – wird mit einer enormen metaphysischen Bedeutung aufgeladen.

    Dieses ideologische Gebräu beruht nicht auf der Geschichte, sondern auf der biblischen Mythologie. Tatsächlich beruht die Legitimität des zionistischen Projekts auf der Behauptung, dass die Gründung Israels vor gerade einmal 75 Jahren die so genannte „Rückkehr“ des jüdischen Volkes nach 2.000 Jahren Exil in die ihm „von Gott versprochene“ Heimat seiner Vorfahren markiert.

    Dieser mythologische Unsinn entbehrt jeder Grundlage in der historischen Realität. Mehr als 350 Jahre sind vergangen, seit Spinoza in seiner theologisch-politischen Abhandlung die Behauptung widerlegt hat, der Pentateuch sei Moses von Gott diktiert worden. Die Bibel war das Werk vieler Autoren. Wie der Historiker Steven Nadler, eine Autorität in Sachen Spinoza, erklärt:

    Spinoza bestreitet, dass Moses die gesamte oder auch nur den größten Teil der Thora geschrieben hat. Die Verweise im Pentateuch auf Moses in der dritten Person, die Schilderung seines Todes und die Tatsache, dass einige Orte mit Namen benannt werden, die sie zur Zeit Moses nicht trugen, machen ‚ohne jeden Zweifel deutlich‘, dass die Schriften, die gemeinhin als ‚die fünf Bücher Mose‘ bezeichnet werden, in Wirklichkeit von jemandem geschrieben wurden, der viele Generationen nach Mose lebte.[3]

    Ausgehend von seiner Missachtung der Autorität der Bibel erzürnte Spinoza die oberste Geistlichkeit der Rabbiner von Amsterdam weiter und provozierte seine Exkommunikation, indem er die für das Judentum als Religion und den Zionismus als politische Ideologie zentrale Behauptung leugnete, die Juden seien das „auserwählte Volk“. Nadler schreibt:

    Wenn die Ursprünge und die Autorität der Heiligen Schrift heute in Zweifel gezogen werden, dann gilt das auch für ihre vollmundigen Behauptungen über die ‚Berufung‘ der Hebräer. Es ist ‚kindisch‘, so Spinoza, wenn jemand sein Glück auf die Einzigartigkeit seiner Gaben gründet; im Falle der Juden wäre es die Einzigartigkeit ihrer Auserwähltheit unter allen Menschen. In der Tat übertrafen die alten Hebräer andere Völker weder in ihrer Weisheit noch in ihrer Nähe zu Gott. Sie waren den anderen Völkern weder geistig noch moralisch überlegen.

    Spinozas Abtrünnigkeit war durch den rasanten Fortschritt der Wissenschaft im 17. Jahrhundert geprägt und im philosophischen Materialismus verwurzelt. Er ebnete den Weg für die fortschrittlichsten und radikalsten politischen Tendenzen. Damit zog er den Zorn der rabbinischen Hüter der Orthodoxie auf sich. Die Exkommunikation Spinozas wurde in einer Sprache verkündet, die in ihrer Schärfe ohne Beispiel war. Die Exkommunikation lautete auszugsweise:

    Verflucht sei er bei Tag und verflucht sei er bei Nacht; verflucht sei er, wenn er sich niederlegt, und verflucht sei er, wenn er sich erhebt. Verflucht sei er, wenn er hinausgeht, und verflucht sei er, wenn er hereinkommt. Der Herr wird ihn nicht verschonen, sondern dann wird der Zorn des Herrn und sein Eifer über diesen Menschen rauchen, und alle Flüche, die in diesem Buch geschrieben sind, werden auf ihm liegen, und der Herr wird seinen Namen auslöschen unter dem Himmel.[4]

    „Exkommunizierter Spinoza“, Gemälde von Samuel Hirszenberg, 1907 [Photo: Samuel Hirszenberg]

    Obwohl Spinoza auf diese Weise gebrandmarkt wurde, konnte sein Name nicht ausgelöscht werden. Der Einfluss seiner ketzerischen Ideen hat Jahrhunderte überdauert und wesentlich zur Entwicklung des aufklärerischen Denkens – einschließlich der als Haskala bekannten jüdischen Aufklärung – und ihrer revolutionären politischen Folgen im 18., 19. und sogar 20. Jahrhundert beigetragen.

    Die politische Theologie des heutigen Zionismus ist die extreme konterrevolutionäre Antithese und Zurückweisung der fortschrittlichen, demokratischen und sozialistischen Tradition, die sich aus dem an Spinoza und später am Marxismus angelehnten Denken von Generationen jüdischer Arbeiter und Intellektueller herleitet. Durch die Neuinterpretation des religiösen Mythos im Geiste eines extremen Nationalchauvinismus verleiht die zeitgenössische zionistische Theologie der Vorstellung des „auserwählten Volks“ einen durch und durch rassistischen und faschistischen Charakter.

    Die Tatsache, dass sich die israelische Regierung aus Parteien der extremen Rechten zusammensetzt, wird zwar weithin anerkannt, wird jedoch als nebensächliches Detail behandelt, das keinen besonderen Bezug zu den Ereignissen des 7. Oktober und der Reaktion des israelischen Staates hat. Der Einfluss einer apokalyptischen „Theologie der Rache“, die ausdrücklich die Vernichtung aller Feinde Israels fordert, auf die Politik der Netanjahu-Regierung wird in der politischen Berichterstattung über den Krieg praktisch nicht erwähnt.

    Eine zentrale Figur in der Entwicklung der „Theologie der Rache“ war Meir Kahane, der 1932 in Brooklyn geboren wurde und mittlerweile verstorben ist. Sein Vater, Charles Kahane, war ein Freund und Mitarbeiter von Zeev Jabotinsky, dem Führer eines erklärtermaßen faschistischen Flügels der zionistischen Bewegung. Meir Kahane wurde zunächst als Gründer der neofaschistischen Jewish Defense League (JDL) in den Vereinigten Staaten berüchtigt. Die JDL hatte es auf schwarze Organisationen in New York abgesehen, die Kahane als Bedrohung für die Juden verteufelte.

    1971 siedelte Kahane nach Israel über und gründete die vehement anti-arabische Kach-Partei. Seine Anhänger in den Vereinigten Staaten blieben aktiv. Die Workers League, die Vorgängerin der Socialist Equality Party in den Vereinigten Staaten, wurde zur Zielscheibe der JDL, die 1978 in Los Angeles durch einen Bombenanschlag versuchte, eine vom Internationalen Komitee organisierte Vorführung des Dokumentarfilms „The Palestinian“ zu stören.
    Meir Kahane im Jahr 1984 [Photo: Gotfryd, Bernard]

    Kahanes Rolle und Einfluss in Israel wird in einem Essay mit dem Titel „Meir Kahane and Contemporary Jewish Theology of Revenge“ analysiert, der 2015 veröffentlicht wurde. Die Autoren sind zwei israelische Wissenschaftler, Adam und Gedaliah Afterman. Sie erklären, dass die Theologie Kahanes

    um die Behauptung kreiste, dass der Staat Israel von Gott gegründet wurde, als Racheakt gegen die Ungläubigen für deren Verfolgung der Juden, insbesondere für die systematische Ermordung der Juden während des Holocausts.

    Kahanes Kach-Partei forderte die Annexion aller im Krieg von 1967 von Israel eroberten Gebiete und die gewaltsame Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung. Kahane wurde 1984 in die Knesset, das israelische Parlament, gewählt. Die Kach-Partei wurde bei den Wahlen von 1988 verboten, doch ihr Einfluss dauerte an, obwohl Kahane im Jahr 1990 während einer Reise nach New York ermordet wurde.

    Das Essay der Aftermans fasst die drei Grundpfeiler von Kahanes Rachetheorie zusammen.

    Erstens:

    Das Volk Israel ist ein kollektives mythisches Wesen, das ontologisch in der Göttlichkeit verwurzelt ist und sich seit frühesten Tagen zusammen mit Gott einem mythischen Feind gegenübersah. Dieser mythische Feind, „Amalek“, wird im Laufe der jüdischen Geschichte durch verschiedene tatsächliche Feinde verkörpert, und die verschiedenen Verfolgungen und Qualen, die die Juden im Laufe der Geschichte erlitten haben, sind Ausdruck ein und desselben mythischen Kampfes. Darüber hinaus gibt es einen ontologischen Unterschied zwischen der mythischen Nation Israel und den Ungläubigen, insbesondere den Feinden Israels. Der ontologische Unterschied zwischen der jüdischen und der nichtjüdischen Seele setzt den jüdischen Grundsatz außer Kraft, dass die gesamte Menschheit nach dem Bild Gottes geschaffen wurde. Der Glaube, dass Nichtjuden minderwertig seien und die dämonischen Mächte der Geschichte verkörpern, rechtfertigt tödliche Gewalt und Racheakte.

    Zweitens:

    ...Daher, so die Argumentation, trägt das Volk Israel eine religiöse Pflicht, alle möglichen Mittel einzusetzen, um sich an seinen gemeinsamen Feinden zu rächen und seinen gemeinsamen Stolz und Status zu rehabilitieren. Ob sie sich dessen bewusst sind oder nicht, die Palästinenser und andere Kräfte, die Israel bekämpfen, sind Teil eines mythischen, religiösen Kampfes, der die Zerstörung des Volkes Israel und seines Gottes zum Ziel hat. Diese Faktoren erlauben den Einsatz aller Mittel, um die Feinde zu besiegen.

    Drittens:

    Die Gründung des Staates Israel im Jahr 1948, kurz nach dem Holocaust, muss einem einzigen Zweck dienen: die erlösende Rache an den Ungläubigen zu ermöglichen. Die Gründung des modernen jüdischen Staates im historischen Land Israel ist eher ein Instrument, den Erlösungsprozess in Gang zu setzen, als ein Ergebnis oder ein Zeichen eines solchen Prozesses.

    Die drei Säulen zusammenfassend, erklären die Aftermans:

    ...Kahane argumentiert, dass die Ausübung von Rache an dem metaphysischen Feind ‚Amalek‘ (feindliche Ungläubige) von grundlegender Bedeutung ist, um Gott und sein Volk zu erretten, die beide infolge des Holocausts beinahe umgekommen wären. Die Gründung des jüdischen Staates mit seiner institutionalisierten Macht und militärischen Stärke sollte nach Kahanes Ansicht in den Dienst der Erlösung versprechenden Rache gestellt werden. Kahane geht so weit, dass er Racheakte auch an unschuldigen Menschen mit dem Argument rechtfertigt, sie gehörten zum mythischen Feind, der als Voraussetzung für die Erlösung Israels und seines Gottes ausgerottet werden müsse. Seiner Ansicht nach ist der Verlust von unschuldigem Leben, wenn nötig, ein gerechtfertigtes Opfer.[5]

    Kahane interpretierte die Doktrin des „auserwählten Volkes“ so, dass jegliche Verbindung mit traditionellen westlichen Werten völlig abgelehnt wird. In seinem Buch Or Ha’Raayon schrieb er:

    Dies ist ein jüdischer Staat. Er verneigt sich vor dem Judentum und widerspricht ihm nicht. Er handelt nach jüdischen Werten und jüdischen Geboten, auch wenn diese dem Völkerrecht und der Diplomatie widersprechen, auch wenn sie im Gegensatz zum normalen westlichen und demokratischen Lebensstil stehen; dies ist so, auch wenn es seine Interessen gefährdet und ihn von den zivilisierten Nichtjuden zu isolieren droht … Die Aufgabe des Judentums ist es, getrennt, einzigartig, anders und auserwählt zu sein. Dies ist die Rolle des jüdischen Volkes und seines Instruments, des Staates … Wir haben keinen Anteil an den normierten Werten der Nationen. Assimilation beginnt nicht mit Mischehen, sondern mit dem Kopieren und Übernehmen fremder Werte, fremder und nicht-jüdischer Begriffe und Ideen.

    Kahanes Theorie der Rache wurde im Hebräischen mit dem Konzept dessen identifiziert, was er Kiddusch Haschem nannte. Er schrieb:

    Eine jüdische Faust im Gesicht einer verblüfften ungläubigen Welt, die sie seit zwei Jahrtausenden nicht mehr gesehen hat, das ist Kiddusch Haschem. Jüdische Herrschaft über die christlichen heiligen Stätten, während die Kirche, die unser Blut gesaugt hat, ihre Wut und Frustration erbricht – das ist Kiddusch Haschem.

    Tatsächlich kann man Kahanes Kiddusch Haschem – trotz seiner halbherzigen Beschwörung einer angeblich einzigartigen jüdischen Philosophie – als eine hebräischsprachige Variante der Philosophie von Adolf Hitlers Mein Kampf bezeichnen, wobei der Hauptunterschied darin besteht, dass Kahanes hasserfüllte und rassistische Hetzschrift auf Hebräisch von rechts nach links und nicht von links nach rechts geschrieben wurde.

    Kahanes Einfluss blieb auch nach seiner Ermordung in dem zunehmend reaktionären politischen Umfeld Israels bestehen. Am 25. Februar 1994 ermordete einer von Kahanes Studenten, Baruch Goldstein, bei einem Anschlag auf eine Moschee in Hebron 29 Palästinenser und verwundete 150 weitere. Dieses Verbrechen wurde von Kahanes Anhängern gepriesen – darunter der äußerst einflussreiche Rabbiner Yitzchak Ginsburgh, der verkündete, dass der von Goldstein verübte Massenmord ein Akt des Kiddusch Haschem sei.

    Was hat das nun mit heute zu tun? Itamar Ben-Gvir, der Führer der fremdenfeindlichen Partei Otzma Jehudit, ist jetzt Minister für nationale Sicherheit in Netanjahus Koalitionsregierung. Er war Mitglied der Kach-Partei, bevor diese verboten wurde. Er ist nach wie vor ein entschiedener Verfechter der faschistischen Theologie und Politik von Meir Kahane. Im April dieses Jahres hielt Ben-Gvir – flankiert von einem Sicherheitsdienst aus dem Büro des Ministerpräsidenten – eine Rede, in der er sowohl Kahane als auch Baruch Goldstein lobte.
    Präsident Joe Biden (links) und der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu auf dem internationalen Flughafen Ben Gurion, Tel Aviv, 18. Oktober 2023 (AP Photo/Evan Vucci)

    Seit Beginn des Krieges kommt es immer häufiger vor, dass israelische Führer sich auf Kahanes Doktrin der Rache berufen. Letzten Monat erklärte Netanjahu in einer öffentlichen Rede: „Ihr müsst euch daran erinnern, was Amalek euch angetan hat, sagt unsere Heilige Bibel. Und wir erinnern uns.“ Die Tragweite von Netanjahus Verweis auf Amalek wurde in einer Erklärung des israelischen Verteidigungsministers Yoav Gallant deutlich gemacht: „Wir kämpfen gegen menschliche Tiere, und wir handeln entsprechend. Wir werden alles eliminieren – sie werden es bereuen.“ Seit Beginn des Krieges haben führende israelische Politiker zahlreiche Erklärungen gleichen Inhalts abgegeben, die in den genozidalen Taten der israelischen Regierung und des Militärs ihren Ausdruck gefunden haben.

    Inmitten der Verbrechen, die das israelische Regime begeht, gibt es keine größere und heimtückischere Lüge als die Behauptung, dass Widerstand gegen den Zionismus antisemitisch sei und sein müsse. Diese Lüge wird durch die lange Geschichte der Opposition gegen den Zionismus vor 1948 widerlegt. Zigtausende jüdische Arbeiter und Intellektuelle leisteten diesen Kampf über mehrere Generationen hinweg und wiesen den auf einem Mythos beruhenden Ruf nach einer Rückkehr nach Palästina zurück.

    Die Opposition gegen den Zionismus wurde mit größter politischer Klarheit von der sozialistischen Bewegung zum Ausdruck gebracht, die den politisch reaktionären Charakter der Perspektive, einen jüdischen Staat in Palästina zu errichten, erkannte und verurteilte. Man verstand, dass dieses Projekt ein kolonialistisches Unterfangen war, das nur im Bündnis mit dem Imperialismus und auf Kosten der palästinensisch-arabischen Bevölkerung verwirklicht werden konnte, die seit 2.000 Jahren in diesem Gebiet lebt.

    Darüber hinaus strebte die große Mehrheit der Jüdinnen und Juden in ihrem Kampf gegen die traditionelle religiöse Verfolgung und den seit dem späten 19. Jahrhundert aufkommenden politischen Antisemitismus nach politischer und sozialer Gleichberechtigung innerhalb der Länder, in denen sie lebten. Das war vor allem in Deutschland eine wahrhaftige Tatsache. Sie wollten Teil der Massenbewegung gegen Unterdrückung sein. Bei den politisch bewusstesten Teilen der jüdischen Jugend, der Arbeiter und Intellektuellen führte dieses Streben dazu, dass sie aktiv an der sozialistischen Bewegung teilnahmen.

    Die heutige Behauptung, wonach der Zionismus der notwendige und wahre Ausdruck der jüdischen Identität sei, entbehrt jeder historischen Grundlage. Das Fortbestehen demokratischer Überzeugungen und ein Mitgefühl für die Unterdrückten, das in der Erfahrung antisemitischer Vorurteile und Verfolgung wurzelt, kommt auch in der großen Zahl jüdischer Jugendlicher zum Ausdruck, die sich an den Demonstrationen gegen den israelischen Angriff auf die Bewohner des Gazastreifens beteiligen.

    Aller Propaganda zum Trotz wecken die Bilder der Massentötung wehrloser Palästinenser zwangsläufig historische und familiäre Erinnerungen an das Schicksal der Juden unter den Händen der Nazis. Der Krieg gegen die Bevölkerung des Gazastreifens ruft damit nicht nur ein Gefühl der Solidarität mit den Opfern der israelischen Gräueltaten hervor, sondern auch tiefen Zorn, dass die Tragödie des Holocausts für die Rechtfertigung dieses Krieges missbraucht wird.

    Natürlich werden die Zionisten und ihre Apologeten behaupten, dass alles, was ich gesagt habe, nur ein Beweis für meinen eigenen tief verwurzelten Antisemitismus ist, den sie – wie ich bereits erklärt habe – als ein in der sozialistischen Bewegung weit verbreitetes Vorurteil bezeichnen. Je weiter links jemand steht, je nachdrücklicher er oder sie sich gegen Kapitalismus und Imperialismus ausspricht, desto unversöhnlicher ist die Ablehnung des jüdischen Staates und damit der Antisemitismus dieser Person.

    Diese Behauptung ist ebenso absurd wie politisch reaktionär. Da ich seit mehr als einem halben Jahrhundert in der sozialistischen Bewegung aktiv bin, bin ich persönlich wahrhaftig nicht verpflichtet, auf die Behauptung zu antworten, dass ich oder meine Genossen in der trotzkistischen Bewegung Antisemiten seien. Wie man so schön sagt, spricht meine Laufbahn für sich selbst.

    Doch leider trifft das nicht immer zu. Der Vorwurf des Antisemitismus erfordert, dass der politische Werdegang der angegriffenen Person ignoriert und verzerrt werden muss.

    Daher werde ich zum ersten Mal auf diesen Vorwurf reagieren, indem ich meiner bekannten öffentlichen politischen Bilanz Informationen über meinen persönlichen Hintergrund hinzufüge. Da ich nun ein eher fortgeschrittenes Alter erreicht habe und in etwas mehr als einem Jahr meinen 75. Geburtstag feiern werde, halte ich die Zeit für gekommen, dies zu tun. Und zwar nicht, weil es irgendeine Wirkung auf die Verleumder haben würde, sondern weil es in meiner persönlichen Erfahrung Elemente gibt, die bei einer jüngeren Generation Widerhall finden und sie ermutigen könnten, ihren Kampf zur Verteidigung der Palästinenser und gegen alle Formen der Unterdrückung zu verstärken.

    Der prägende Faktor in der Entwicklung eines jeden Menschen ist das soziale und politische Umfeld seiner Zeit, das auf der grundlegendsten Ebene durch die sozioökonomischen Strukturen der Gesellschaft, in die er hineingeboren wurde, bestimmt wird. Die Persönlichkeit eines Menschen wird durch das geformt, was Marx als „Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse“ bezeichnet hat. Aber diese gesellschaftlichen Verhältnisse werden durch persönliche Erfahrungen gebrochen, sowohl durch eigene als auch durch solche, die durch Familie, Freunde, Lehrer, Bekannte usw. vermittelt werden.

    Ich bin ein Amerikaner der ersten Generation, geboren 1950. Der Ort meiner Geburt – ja, meine Existenz – wurde durch die Ereignisse bestimmt, die zum Zweiten Weltkrieg geführt hatten, der nur viereinhalb Jahre zuvor zu Ende gegangen war. Meine Eltern waren beide aus Europa geflohen, um der Verfolgung der Juden durch die Nazis zu entgehen. Meine Mutter Beatrice wurde am 18. Dezember 1913 in Wilmersdorf geboren – genau am selben Tag, an dem Herbert Frahm, auch Willy Brandt genannt, geboren wurde. Das Wohnhaus, in dem sie zur Welt kam, steht noch heute in der Konstanzer Straße. Ihr Vater – mein Großvater – nahm eine bedeutende Stellung im kulturellen Leben Berlins ein. Sein Name war Ignatz Waghalter. 1881 in Warschau in eine sehr arme Musikerfamilie hineingeboren, machte sich Waghalter im Alter von 17 Jahren auf den Weg nach Berlin, um eine ordentliche musikalische Ausbildung zu erhalten.
    Die Familie Waghalter 1889 in Warschau

    Mein Großvater war das 15. von 20 Kindern. Von diesen 20 Kindern starben 13 im Kindesalter, vier davon an einem Tag während der Typhusepidemie von 1888. Von den 20 Kindern überlebten sieben – vier Jungen und drei Mädchen. Mein Großvater war von frühester Kindheit an musikalisch sehr begabt. Im Alter von sechs Jahren trat er bereits im Warschauer Zirkus auf. Im Alter von acht Jahren schrieb und komponierte er eine Revolutionshymne, die so beliebt war, dass die Polizei nach dem Namen und der Identität des rebellischen Musikers forschte. Die Polizei war ziemlich schockiert, als sie feststellte, dass es sich um einen Achtjährigen handelte. Die Familie Waghalter hatte tiefe Wurzeln im revolutionären demokratischen Kampf des polnischen Volkes. Kürzlich entdeckte ich in einer Bibliothek einen revolutionären Marsch, den der Großvater meines Großvaters im Jahr 1848 komponiert hatte.

    Mein Großvater wollte eine echte Ausbildung erhalten. Er wollte nicht nur ein Wandermusiker sein, er wollte in die musikalische Welthauptstadt Berlin ziehen und lernen, wie man ein richtiger Komponist wird. Im Jahr 1897 wurde er mittellos über die Grenze geschmuggelt. Er lebte unter großen Entbehrungen, als der große Geiger und Freund von Johannes Brahms, Joseph Joachim, auf ihn aufmerksam wurde. Auf Joachims Empfehlung wurde mein Großvater in die Akademie der Künste aufgenommen. Im Jahr 1902 wurde seine Sonate für Violine und Klavier mit dem begehrten Mendelssohn-Preis ausgezeichnet. Zwei Jahre später wurde Ignatz‘ jüngerer Bruder Wladyslaw, der ihm nach Berlin gefolgt war, mit demselben Preis für seine Leistungen als Geiger ausgezeichnet.

    Nach dem Studienabschluss erhielt Ignatz eine Stelle als Kapellmeister an der Komischen Oper. Einige Jahre später folgte eine Berufung an das Essener Opernhaus. Der entscheidende Wendepunkt in seiner musikalischen Laufbahn kam jedoch 1912, als er zum Ersten Kapellmeister am neu erbauten Deutschen Opernhaus in der Bismarckstraße in Charlottenburg berufen wurde, heute als Deutsche Oper bekannt. Das ursprüngliche Gebäude wurde natürlich im Zweiten Weltkrieg zerstört und später wieder aufgebaut, befindet sich aber heute noch in derselben Straße. Wladyslaw Waghalter wurde zum Konzertmeister des neuen Opernhauses ernannt, das am 7. November 1912 mit einer Aufführung von Beethovens „Fidelio“ eröffnet wurde. Trotz des lautstarken Widerstands von Antisemiten und zahlreicher Morddrohungen dirigierte Ignatz Waghalter die Uraufführung.

    In den folgenden zehn Jahren behielt mein Großvater seine Position als Erster Kapellmeister am Deutschen Opernhaus. Drei seiner Opern, „Mandragola“, „Jugend“ und „Sataniel“, wurden am Opernhaus uraufgeführt. Waghalter war bekannt dafür, dass er sich für die Opern von Giacomo Puccini einsetzte, dessen Musik ein auf Richard Wagner fixierter Musikbetrieb zuvor abgelehnt hatte. Waghalter dirigierte im März 1913 die deutsche Uraufführung von Puccinis „La Fanciulla del West“ [Das Mädchen aus dem goldenen Westen], bei der Puccini selbst anwesend war. Es war ein Triumph, der Puccinis Ruf als großer Komponist in Deutschland begründete.
    Ignatz Waghalter mit Giacomo Puccini, Berlin, März 1913

    Während seiner langjährigen Tätigkeit am Deutschen Opernhaus hatte Waghalter mit antipolnischen und antisemitischen Vorurteilen zu kämpfen. Obwohl er selbst keine religiösen Rituale pflegte und keine Synagoge besuchte, weigerte sich Waghalter – im Gegensatz zu vielen anderen jüdischstämmigen Dirigenten – zum Christentum zu konvertieren. Der Gedanke, seine Religion zu wechseln, um seine Karriere zu fördern und sich damit den antisemitischen Vorurteilen anzupassen, war ihm zuwider.

    1914, bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs, erhielt Waghalter ein Dirigierverbot, weil er im Russischen Reich geboren war, mit dem sich das kaiserliche Deutschland im Krieg befand. Proteste des opernbegeisterten Publikums in Charlottenburg führten jedoch zu seiner Wiedereinstellung.

    Waghalter blieb am Deutschen Opernhaus, bis dieses 1923 inmitten der katastrophalen Inflationskrise in Konkurs ging. Er verbrachte ein Jahr in den Vereinigten Staaten als Leiter des New York State Symphony Orchestra. Anschließend kehrte er nach Deutschland zurück, wo er zum Generalmusikmeister der Filmgesellschaft UFA ernannt wurde. Eine Rückkehr an die Städtische Oper, wie das reorganisierte und wiedereröffnete Deutsche Opernhaus damals hieß, war für ihn jedoch nicht möglich.

    Die Machtergreifung Hitlers beendete seine Karriere und die seines Bruders als Musiker in Deutschland. Meine Mutter, damals noch keine 20 Jahre alt, hatte eine Vorahnung, dass das Dritte Reich Juden nicht nur die Karriere, sondern auch das Leben kosten könnte. Beatrice drängte ihre Eltern, Deutschland zu verlassen, ehe eine Flucht nicht mehr möglich sein würde. Sie folgten ihrem Rat und verließen Deutschland, reisten zunächst in die Tschechoslowakei und dann nach Österreich.

    Meine Mutter, eine hochbegabte Musikerin, blieb in Deutschland. Sie trat dem Jüdischen Kulturbund bei, wo sie als Sängerin in jüdischen Privathäusern in ganz Deutschland auftrat. Im Jahr 1937 erhielt sie ein Visum für die Einreise in die Vereinigten Staaten. Es gelang ihr, Einreisevisa auch für ihre Eltern zu besorgen. Meine Großeltern trafen im Mai 1937 in New York ein. Schon wenige Tage nach ihrer Ankunft initiierte Ignatz ein Projekt von historischer Bedeutung: die Gründung des ersten klassischen Musikorchesters, das aus afroamerikanischen Musikern bestand.

    Dieses radikale Projekt stieß in dem rassistischen Umfeld der damaligen Zeit auf erbitterten Widerstand. Waghalter lud häufig schwarze Musiker zu Proben in seine Wohnung ein. Dies führte dazu, dass eine Petition in Umlauf gebracht wurde, die von fast allen weißen Bewohnern des Appartementhauses unterzeichnet wurde, und in der sie forderten, Waghalter aus der Wohnung zu werfen , falls er dieses Gebahren fortsetzte.
    Ignatz Waghalter bei einer Probe mit dem Nego Symphony Orchestra. Rechts ein Artikel darüber: „Musik kennt weder Glaubensbekenntnis noch Nationalität“

    Mein Großvater wurde von der afroamerikanischen Zeitung von Baltimore interviewt. Er drückte die Überzeugung aus, die ihn zur Gründung des Symphonieorchesters inspiriert hatte: „Musik, die stärkste Festung der universellen Demokratie, kennt weder Hautfarbe noch Glaube oder Nationalität.“

    Trotz Waghalters immenser Bemühungen machte das reaktionäre Umfeld es unmöglich, das Orchester aufrechtzuerhalten. In den letzten zehn Jahren seines Lebens wurde Waghalter zusehends isoliert. Er verlor den Kontakt zu seiner Familie. Erst nach dem Krieg erfuhr er, dass sein Bruder Wladyslaw (der Deutschland nicht hatte verlassen können) 1940 nach einem Besuch im Gestapo-Hauptquartier plötzlich verstorben war. Seine Frau und eine Tochter kamen 1943 in Auschwitz ums Leben. In der Brandenburgerstraße 49, der Adresse, an der mein Großonkel Wladyslaw gewohnt hatte, sind Stolpersteine eingelassen, die an das Leben und den Tod Wladyslaws und seiner Familie erinnern.
    Stolpersteine für Wladyslaw Waghalter und seine Familie an der Brandenburgerstraße 49, Berlin

    Glücklicherweise gelang einer Tochter Wladyslaws, Yolanda, die Flucht. Sie schaffte es nach Südamerika, lebte in Peru, wo sie erste Geigerin im Symphonieorchester von Lima wurde. Ihr Sohn Carlos, mein Cousin zweiten Grades, lebt heute in New Orleans, und wir sind, praktisch seit wir erwachsen sind, eng befreundet. Ignatz‘ Bruder Joseph starb im Warschauer Ghetto. Zwei der drei Schwestern kamen ebenfalls in Polen ums Leben. Nur sein ältester Bruder, der große polnische Cellist Henryk Waghalter, überlebte den Krieg. Mein Großvater starb unerwartet im April 1949 in New York, im Alter von 68 Jahren.
    Portrait von Toni und Ignatz Waghalter, April 1949. Links: Nachruf der New York Times für Waghalter, 8. April 1949

    Während seines kurzen Exils in der Tschechoslowakei in den Jahren 1935–1936 schrieb mein Großvater seine Memoiren, die mit einem Bekenntnis seine Ideale als Künstler schließen. Er wusste, dass die Nazis eine tödliche Bedrohung für die Juden darstellten, aber er gab seiner Überzeugung Ausdruck, dass die Verbrecher des Dritten Reiches nicht über das ethische und moralische Engagement des jüdischen Volks für Gerechtigkeit siegen würden. Waghalter gab zu, dass er noch nicht wusste, wo er Zuflucht finden würde. Und so beendete er seine Memoiren mit den Worten:

    Wo immer es auch sein mag, ich möchte der Kunst und der Menschheit dienen, gemäß den Worten von Moses: „Du bist aus der Sklaverei befreit worden, um deinen Brüdern zu dienen.“

    Die Auffassung meines Großvaters von der jüdischen Ethik unterschied sich eindeutig von derjenigen, die in der Netanjahu-Regierung und dem heutigen zionistischen Staat vorherrscht. Er wäre entsetzt und erschüttert, wenn er wüsste, was im Namen des jüdischen Volks getan wird. Es gibt keine größere Verleumdung, kein größeres Geschenk an die wahren Antisemiten, als das jüdische Volk mit den Verbrechen in Verbindung zu bringen, die gegenwärtig jeden Tag gegen das unterdrückte palästinensische Volk begangen werden.

    Die Geschichte von meines Großvaters Leben und seiner Beziehung zu der Katastrophe, die das europäische Judentum überrollt hatte, war ein ständiges Gesprächsthema in meinem Elternhaus. Meine Großmutter, Ignatz‘ Witwe, die wir Omi nannten, lebte bei uns. Ich verbrachte unzählige Stunden in ihrem Zimmer, wo sie mir vom Leben in Berlin erzählte, von den Freundschaften mit so vielen großen Künstlern, davon, dass Giacomo Puccini sie in den Hintern gekniffen hatte, von all den Freunden, die sie kannte, von den Schriftstellern und sogar von Wissenschaftlern wie Albert Einstein, der häufig in der Wohnung in der Konstanzerstraße zu Gast war. Gern spielte er dort mit seiner Geige in einem Streichquartett mit. Die Mitbewohner hatten nichts dagegen.

    Die Geschichten meiner Großmutter wurden durch die Erzählungen meiner Mutter ergänzt, die ein besonders enges Verhältnis zu ihrem Vater gehabt hatte. Die meisten Geschichten wurden auf Deutsch erzählt, das bei uns zu Hause gleichberechtigt neben dem Englischen stand.

    Zumindest in der Straße, in der ich wohnte, war das nicht ungewöhnlich. Viele unserer Nachbarn waren Flüchtlinge: Dr. Jakobius, Frau London, Frau Spitzer, Frau Rehfisch, Walter und Uschi Bergen, Dr. Hartmann und Dr. Gutfeld. Es gab noch andere, an deren Namen ich mich nicht erinnere, aber es war, als ob ein beträchtlicher Teil Charlottenburgs in einem Vorort von New York City neu entstanden wäre. Und dann waren da noch die vielen Freunde, die in anderen Teilen der Stadt lebten, aber häufig zu Besuch kamen: Greta Westman, Dela Schleger, Kurt Stern ...

    Viele der Gespräche, in denen das Leben in Berlin geschildert wurde, endeten mit dem Satz: „Und dann kam Hitler.“ Das war das Ereignis, das alles veränderte. In meinem jungen Kopf führte das zu vielen Fragen. „Wie kam Hitler?“ „Warum kam Hitler?“ „Hat ihn jemand vor 1933 kommen sehen?“ „Wann haben meine Großeltern und meine Mutter zum ersten Mal von Hitler gehört und erkannt, dass er kommen könnte?“ Und schließlich die wichtigste Frage von allen: „Warum haben die Menschen Hitlers Kommen nicht verhindert?“

    Das war eine Frage, auf die niemand, den ich kannte, eine vollständige und überzeugende Antwort hatte. Immerhin waren die Antworten, die ich zu Hause erhielt, in einigen Punkten hilfreich. Erstens wurden die Nazis eindeutig als rechtsgerichtete Bewegung gekennzeichnet. Die Trennlinie zwischen Gut und Böse verlief in meiner Familie also nicht zwischen Deutschen und Juden, sondern zwischen links und rechts. Diese Trennung, so betonte meine Mutter, gab es nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt und natürlich auch in den Vereinigten Staaten. Gelegentlich schaute sie sich bestimmte amerikanische Politiker an und sagte: „Ich traue dieser Bande nicht.“

    In diesem Punkt war meine Mutter besonders nachdrücklich. Sie hasste den Faschismus. Wenn sie eine bestimmte, besonders anstößige soziale und politische Haltung feststellte oder ihr begegnete, neigte sie dazu, die betreffende Person als „einen echten Faschisten“ zu bezeichnen.

    Sie war sich der Existenz von Antisemitismus in Deutschland vor Hitler durchaus bewusst. Solchen Tendenzen begegnete sie schon vor Hitlers Aufstieg unter den Lehrern ihrer Schule. Aber über diese Tendenzen sagte sie oft, dass sie nie geglaubt hätte, dass sie sich zwangsläufig bis zum Massenmord entwickeln würden. Sie glaubte nicht an eine solche Unvermeidbarkeit. Außerdem hat sie nie eine Spur von Hass oder Bitterkeit gegenüber den Deutschen gezeigt. Sie war stolz darauf, dass ihre Kenntnisse der deutschen Sprache auch 60 Jahre nach ihrer Flucht aus Deutschland nicht verblasst waren.

    Es sollte noch viele Jahre dauern, bis ich eine politisch überzeugende Antwort finden konnte, die erklärte, wie der Faschismus in Deutschland an die Macht gekommen war. Wie viele meiner Generation habe ich die Bürgerrechtsbewegung, die Ghettoaufstände und den Vietnamkrieg miterlebt. Die explosiven Ereignisse der 1960er Jahre regten mich zum Geschichtsstudium an und förderten mein Bedürfnis, aktuelle Ereignisse in einen größeren zeitlichen Rahmen einzuordnen. Darüber hinaus trieben mich die Wut über den nicht enden wollenden Vietnamkrieg und die stetig wachsende Desillusionierung über die Demokratische Partei und den amerikanischen Liberalismus weiter in Richtung Sozialismus. Dieser Prozess führte schließlich dazu, dass ich im Herbst 1969 erstmals die Schriften von Leo Trotzki entdeckte.

    Ich vertiefte mich in das Studium seiner verfügbaren Schriften: seine monumentale „Geschichte der Russischen Revolution“, seine Autobiographie „Mein Leben“, „Der neue Kurs“, „Die Lehren des Oktober“ und „Die verratene Revolution“. Alle diese Werke bildeten die Grundlage für meine Entscheidung, mich der trotzkistischen Bewegung anzuschließen. Aber der Band, der mich am meisten beeindruckte, war eine Sammlung von Trotzkis Schriften, die dem Kampf gegen die Machtergreifung der Nazis zwischen 1930 und 1933 gewidmet waren.

    Während dieser entscheidenden Jahre lebte Trotzki im Exil auf der Insel Prinkipo, vor der Küste Istanbuls. Das stalinistische Regime hatte ihn dorthin verbannt. Von dort, aus einer Entfernung von über 2.000 Kilometern, verfolgte er die Ereignisse in Deutschland. Seine Artikel, seine Warnungen vor der Gefahr, die von Hitler und der Nazipartei ausging, sind in der politischen Literatur ohne Beispiel.
    Leo Trotzki an seinem Schreibtisch in Prinkipo

    Trotzki erläuterte nicht nur das Wesen des Faschismus – seine Klassenbasis und seine wesentliche Funktion als Instrument des politischen Terrors gegen die sozialistische und die Arbeiterbewegung –, sondern er erklärte auch, wie die Nazis besiegt werden könnten. Er entlarvte die Politik der stalinistischen Kommunistischen Partei, der so genannten Dritten Periode, die behauptete, dass Sozialdemokratie und Faschismus identisch seien. Dieser bankrotten ultralinken Politik setzte er den Aufruf zu einer Einheitsfront aller Parteien der Arbeiterklasse entgegen, um die faschistische Gefahr zu besiegen. Seine Warnungen wurden ignoriert. Der Stalinismus und der Verrat der Sozialdemokratie machten den Sieg der Nazis möglich.

    Aber Hitlers Aufstieg zur Macht, die darauf folgende Katastrophe des Zweiten Weltkriegs und der Holocaust waren nicht unvermeidlich. Sie waren das Ergebnis des politischen Verrats der reformistischen und stalinistischen Führungen der Arbeiterklasse. Das zu verstehen, zu begreifen, was Faschismus war – und, wenn ich daran zurückdenke, die Erkenntnis, dass ich nur wenige Jahrzehnte nach all dem aufgewachsen bin – hatte eine tiefgreifende Wirkung auf mich. Die Überzeugung, dass es nie wieder Faschismus geben darf, und die Einsicht, dass es möglich ist, diesen politischen Horror zu besiegen, verpflichteten mich, in der sozialistischen Bewegung aktiv zu werden, insbesondere in jener politischen Organisation, die die größte Bedrohung der Menschheit richtig analysiert und eine Antwort darauf gegeben hatte.

    Trotzki sah den Grund für den Aufstieg des Faschismus nicht in der deutschen Psyche, sondern in der historischen Krise des Kapitalismus und des Nationalstaatensystems. Hitler und das faschistische Regime stellten letztlich den verzweifelten Versuch des deutschen Kapitalismus dar, durch Krieg und Massenmord eine Lösung für die Schranken zu finden, die ihm durch das bestehende nationalstaatliche System auferlegt worden waren. Er war gezwungen, „Europa neu zu ordnen“. Aber dies war kein ausschließlich deutsches Problem. Die Krise hat den amerikanischen Imperialismus vor eine noch größere Herausforderung gestellt, die ihn bis heute beschäftigt: die Aufgabe, die Welt neu zu ordnen.

    In späteren Schriften, die er nach Hitlers Machtübernahme verfasste, warnte Trotzki davor, dass dem europäischen Judentum durch den Sieg des Faschismus und den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs die Vernichtung drohte. Diese Gefahr, so schrieb er, könne der Zionismus nicht abwenden, weil er eine nationale Lösung für ein Problem anstrebe, das in den globalen Widersprüchen des kapitalistischen Systems wurzelt.

    Nach dem Sieg der Nazis betonte Trotzki, dass das Schicksal der Juden mehr denn je mit dem Schicksal des Sozialismus verbunden sei. In einem Brief vom 28. Januar 1934 schrieb er:

    Die jüdische Frage ist nun, als Ergebnis des ganzen historischen Schicksals des Judentums, eine internationale Frage geworden. Sie kann nicht durch den „Sozialismus in einem Land“ gelöst werden. Unter den gegenwärtigen Bedingungen der übelsten und niederträchtigsten antisemitischen Verfolgungen und Pogrome können und müssen die jüdischen Arbeiter revolutionären Stolz aus dem Bewusstsein schöpfen, dass die Tragik des jüdischen Volkes nur durch einen vollständigen und endgültigen Sieg des Proletariats überwunden werden kann.[6]

    Diese Perspektive hat sich in der Geschichte bestätigt. Diejenigen, die behaupten, die Gründung Israels sei ein politischer Triumph gewesen, haben eine merkwürdige Vorstellung davon, was ein politischer Triumph ist. Die Schaffung eines Staates, der auf dem unverhohlenen Diebstahl von fremdem Land beruht, der auf rein rassistischer Grundlage die demokratischen Grundrechte, die allen Bürgern zustehen sollten, verweigert, der Hass und Rache als Grundlage der Staatspolitik etabliert, der seine eigenen Bürger systematisch darauf abrichtet, die Menschen zu töten und zu quälen, denen er das Land gestohlen hat, und der sich zum meistgehassten Staat der Welt gemacht hat – das kann kaum als „politischer Triumph“ bezeichnet werden. Es ist eine politische Degradierung.

    Der anhaltende Krieg hat trotz all seiner Schrecken einen wichtigen politischen Beitrag geleistet. Er hat die Jugend wachgerüttelt. Er hat der Welt die Augen geöffnet. Er hat das zionistische Regime und seine imperialistischen Komplizen als die Verbrecher entlarvt, die sie sind. Er hat eine Flutwelle der Empörung in Bewegung gesetzt, die sich weltweit ausbreitet. Sie wird auch die Verantwortlichen für diesen Völkermord überschwemmen.

    Aber die große Herausforderung, vor der unsere Bewegung steht, besteht darin, die Empörung mit einem revolutionären sozialistischen Programm zu verbinden, das die globale Arbeiterklasse in einem gemeinsamen Kampf gegen die imperialistische Barbarei vereinen kann. Unsere Bewegung – und nur unsere Bewegung – ist in der Lage, diese Herausforderung zu meistern. Sie verkörpert eine große politische Geschichte und eine große politische Erfahrung, die nun ein ganzes Jahrhundert umspannt. Es gibt keine andere Partei, die in einer Krise, wie wir sie jetzt erleben, ein Verständnis für ihre Dynamik und eine Perspektive vorlegen kann, um in die Situation einzugreifen und sie im Interesse der Arbeiterklasse zu ändern.

    Auch wenn dieser Vortrag kein formeller Bericht über den 100. Jahrestag des Trotzkismus war, hoffe ich doch, dass er zum Verständnis dessen beigetragen hat, was die trotzkistische Bewegung ist und in welchem Verhältnis sie zu den aktuellen Kämpfen steht, mit denen wir konfrontiert sind.

    #Pologme #USA #Israël #Palestine #Allemagne #Berlin #Charlottenburg #Konstanzer_Straße #Bismarckstraße #opéra #musique #nazis #antisemitisme #sionisme #fascisme #auf_deutsch

  • Auf zum Letzten Gefecht
    https://kulturhaus-loschwitz.de/edition-buchhaus/edition-buchhaus-loschwitz

    Thomas Naumann, Essays zu Bertolt Brecht und Friedrich Wolf, Klappenbroschur, 264 Seiten , ISBN 978-3-9822049-8-7, 17 €

    Anhand von zwei Exil-Schriftstellern, Bertolt Brecht und Friedrich Wolf, setzt sich Thomas Naumann mit der immer währenden Utopie, dem Stre- ben nach dem Neuen Menschen auseinander. Das Heilsversprechen, grün- dend auf der christlichen Idee, zeigt er entlang des Werkes Brechts, der sich sehr großzügig aus dem Reichtum der Bibel bediente, auf. Beim Kommunisten und Dramatiker Friedrich Wolf sieht er dessen messianischen Eifer, der antreibt und gläubig irreführt. Der Ruf nach einer besseren, einer guten Neuen Welt war immer der Boden für Knechtschaft, Unterdrückung und Totalitarismus – das blutige 20. Jahrhundert steht hier nur beispielgebend.

    Rezension bei Amazon
    https://www.amazon.de/gp/customer-reviews/R63DAI5X8L10F/ref=cm_cr_srp_d_rvw_ttl?ie=UTF8&ASIN=3982204984

    Michael Dienstbier

    „Nicht mehr die Religion ist das Opium des Volkes - es ist das Gift des Moralins.“ (238)

    Rezension aus Deutschland vom 4. April 2021
    Jede Zeit hat ihren utopischen Ungeist. Jede Utopie wiederum hat denselben Feind: die Wirklichkeit. Oder genauer: die noch nicht vom Geist der Utopie durchdrungenen Menschen der alten Zeit, die der goldenen Zukunft im Wege stehen. Diese Menschen müssen im Namen des Fortschritts, des Guten, der Wahrheit etc. pp. beseitigt werden - zugunsten des Neuen Menschen für die Neue Zeit. Dem utopischen Wahn verfallen auch immer die Klügsten ihrer jeweiligen Generation. Zweien davon hat der Naturwissenschaftler Thomas Nauman sein Buch „Auf zum letzten Gefecht“ gewidmet, welches neu in der Exil-Reihe der Edition Buchhaus Loschwitz erschienen ist: Berthold Brecht und Friedrich Wolf, Naumanns Vater.

    Die Darstellung ist klar strukturiert: 140 Seiten Brecht, 100 Seiten Wolf. Ausgehend von Brechts bekannter Aussage, kein Buch habe ihn mehr inspiriert als die Bibel, durchforstet Naumann das Werk des Dramatikers nach christlich-religiösen Einflüssen. Diese Mischung aus utopisch-kommunistischem Impetus und christlicher Heilslehre, so der Autor, durchziehe das gesamte Werk Brechts: „Die Oh-Mensch-Dramatik seiner Zeit ist ihm fremd. Er will provozieren. Dazu schlägt er unerhört neue Töne an: zynische, anarchische, expressionistische, nihilistische. Aber inmitten alles Schrillen und Neuen kehrt ein Ton immer wieder – der Ton der Bibel.“ (29) In germanistischer Fleißarbeit reiht Naumann nach Stücken sortiert Zitat an Zitat, um seine These zu untermauern. Dieser Menge hätte es nicht gebraucht; eine exemplarische Auswahl wäre ausreichend gewesen, um das Offensichtliche zu zeigen, zumal sich einige Zitate wiederholen. Zielführender wäre eine genauere Untersuchung von Brechts Reaktionen auf den stalinistischen Terror oder seiner anhaltenden Popularität bis zum heutigen Tage gewesen, was nur in Ansätzen geschieht.

    Friedrich Wolf war Dramatiker, Mitgründer der DEFA, Herausgeber der Zeitschrift „Kunst und Volk“ und bis 1951 erster Botschafter für die DDR in Polen. Naumann spürt in der Biographie seines Vaters den Ursprüngen dessen utopischen Glaubens nach. Seit 1928 KPD-Mitglied, 1933 in die Sowjetunion emigriert und 1937 vor den stalinistischen Säuberungen nach Spanien geflohen, um im dortigen Bürgerkrieg gegen Franco zu kämpfen, sei er bis zu seinem Tod 1953 zutiefst überzeugt von der vom Kommunismus prophezeiten goldenen Zukunft gewesen. Auch hier betont Naumann das irrationale Element, welches das religiöse mit dem säkularen Heilsversprechen verbinde: „Glaube und Kommunismus haben einen gemeinsamen Kern: Der revolutionäre Kern des Glaubens ist der gläubige Kern der Revolution.“ (230)

    Und heute? Das Zeitalter der säkularen Heilsversprechen sei vorbei, so Naumann. Es wimmele allerdings von kollektiven und individuellen Surrogaten, die nicht minderer destruktiv wirkten: „Dazu gehören einerseits von politischer Korrektheit und Aktivistentum geprägte Bewegungen und andererseits die Selbstoptimierung. Letztere hat das Kollektiv durch das Individuum ersetzt und die Gesellschaft atomisiert. Der neue Mensch will immer besser und fitter, immer gesünder und glücklicher werden. Sein Antrieb ist nicht mehr die Verbesserung der Welt, sondern Körperkult und Sport, Schönheit und Sex.“ (236) Hier ließe sich diskutieren, ob es sich bei global vorangetrieben utopischen Projekten wie den Kämpfen gegen Virus und Klimawandel nicht doch um die alten quasi-religiösen Heilsversprechen in neuen Schläuchen handelt.

    Der zweite Teil liest sich flüssiger als der erste: weniger Zitate, weniger Redundanzen. Den auf der Hand liegenden Gegenwartsbezug utopischen Denkens und dessen Gefahren behandelt Naumann nur ganz knapp am Ende des Buches. Hier hätte man sich etwas mehr Ausführlichkeit gewünscht. Alles in allem dennoch eine ergiebige Lektüre zum großen Thema unserer Zeit.

    #auf_deutsch

  • Goethe, Faust, 1790, Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein !
    https://www.projekt-gutenberg.org/goethe/faust1/chap005.html


    Carl Spitzweg, Der Sonntagsspaziergang

    En 1790 une énorme distance sépare Weimar et Constantinople. C’est la perspective des citadins dans le Faust de Goethe. Dans la scène de balade du dimanche un bourgeois se montre très content de ce fait. En province on voudrait encore aujourd’hui revenir à cette époque dorée quand rien ne dérangeait son calme. Ce sentiment est au coeur de toute politique réactionnaire. La peinture de Carl Spitzweg reprend le même sujet 50 ans plus tard.

    Bürger:

    Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
    Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
    Wenn hinten, weit, in der Türkei,
    Die Völker aufeinander schlagen.
    Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
    Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
    Dann kehrt man abends froh nach Haus,
    Und segnet Fried und Friedenszeiten.

    Dans le même acte un exemple d’image pastorale qui exprime la nostalgie verte d’une époque perdue. Goethe ne cesse de fournir les éléments incontournables pour comprendre le caractère allemand profondément anxieux et conservateur.

    ... encore six mois ...

    Faust:

    Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
    Durch des Frühlings holden, belebenden Blick;
    Im Tale grünet Hoffnungsglück;
    Der alte Winter, in seiner Schwäche,
    Zog sich in rauhe Berge zurück.
    Von dorther sendet er, fliehend, nur
    Ohnmächtige Schauer kornigen Eises
    In Streifen über die grünende Flur;

    Aber die Sonne duldet kein Weißes,
    Überall regt sich Bildung und Streben,
    Alles will sie mit Farben beleben;
    Doch an Blumen fehlt’s im Revier
    Sie nimmt geputzte Menschen dafür.

    Kehre dich um, von diesen Höhen
    Nach der Stadt zurückzusehen.
    Aus dem hohlen finstern Tor
    Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
    Jeder sonnt sich heute so gern.

    Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
    Denn sie sind selber auferstanden,
    Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
    Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
    Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
    Aus der Straßen quetschender Enge,
    Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
    Sind sie alle ans Licht gebracht.

    Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge
    Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
    Wie der Fluß, in Breit und Länge
    So manchen lustigen Nachen bewegt,
    Und bis zum Sinken überladen
    Entfernt sich dieser letzte Kahn.
    Selbst von des Berges fernen Pfaden
    Blinken uns farbige Kleider an.

    Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
    Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
    Zufrieden jauchzet groß und klein:
    Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!

    #auf_deutsch #poésie #théâtre #printemps #petite_bourgeoisie

    • il est à noter que Goethe ne fait pas mention du faust dans Campagne de France ; on y trouve la trace du maire de Varenne qui proceda à l’arrestation de Louis xvi - dans la prison de Verdun - Huffer présente il les documents relatifs à cet extraordinaire personnage dans Quellen zur Geschichte etc ?

  • Wolf Biermann zu Gast bei Wolfgang Neuss (1965)
    https://www.youtube.com/playlist?list=PL76F6F6BF188016A1

    Après cette soirée Wolf Bierman. a perdu l’autorisation de se présenter à l’Ouest et Wolfgang Neuss eté obligé à fermer sa salle après avoir collecté des dons pour le vietcong pendant ses conférences.

    Die reaktionäre Tante Tagesspiegel macht beim lesen weiße Finger, so rieselt der Kalk.

    A propos de la communication au sein de l’hierarchie militaire

    Innere Führungs-Kettenreaktion!

    Der Oberst sagt zum Adjudanten:
    – Morgen früh, neun Uhr ist eine Sonnenfinsternis. Etwas, was nicht alle Tage passiert! Die Männer sollen im Drillich auf dem Kasernenhof stehen und sich das seltene Schauspiel ansehen! Ich werde es ihnen erklären. Falls es regnet werden wir nichts sehen, dann sollen sie in die Sporthalle gehen!

    Adjudant zum Hauptmann:
    – Befehl vom Oberst: Morgen früh um neun ist eine Sonnenfinsternis. Wenn es regnet, kann man sie vom Kasernenhof aus nicht sehen, dann findet sie im Drillich in der Sporthalle statt. Etwas, was nicht alle Tage passiert. Der Oberst wird’s erklären, weil das Schauspiel selten ist!

    Hauptmann zum Leutnant:
    – Schauspiel vom Oberst: Morgen früh neun Uhr im Drillich, Einweihung der Sonnenfinsternis in der Sporthalle! Der Oberst wird’s erklären, warum es regnet! Sehr selten so was!

    Leutnant zum Feldwebel:
    – Seltener Schauspielbefehl! Morgen um neun wird der Oberst im Drillich die Sonne verfinstern, wie es alle Tage passiert in der Sporthalle, wenn ein schöner Tag ist. Wenn’s regnet: Kasernenhof!

    Feldwebel zum Unteroffizier:
    – Morgen! Um neun! Verfinsterung des Obersten im Drillich wegen der Sonne! Wenn es in der Sporthalle regnet, was nicht alle Tage passiert, antreten auf’m Kasernenhof. Sollten Schauspieler dabei sein, soll’n sich selten machen!

    Gespräch unter den Soldaten:
    – Haste schon gehört, wenn’s morgen regnet?
    – Ja, ick weeß – der Oberst will unser’n Drillich vafinstan!
    – Dit dollste Ding: Wenn die Sonne keinen Hof hat, will er ihr einen machen
    – Schauspieler soll’n Selter bekommen, typisch
    – Dann will er erklären, warum er aus rein sportlichen Gründen die Kaserne nicht mehr sehen kann
    – Schade, dass das nich alle Tage passiert!

    Wundern Sie sich jetzt noch, warum auf den Truppenübungsplätzen die Manöverbeobachter nie voll getroffen werden?

    #humour #parodie #satire #politique #armée #auf_deutsch

  • Berliner Plansche-Prozess : Zu Unrecht verwiesen
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1176686.antidiskriminierung-berliner-plansche-prozess-zu-unrecht-verwiese
    Pendant le procès que mène une ne jeune femme devant la plus haute instance de justice pour obtenir une compensation à cause de l’intervention illégale des forces de l’ordre contre elle l’avocat qui représente le Land de Berlin tente de présenter la plaignante comme responsable du préjudice subi.

    https://youtube.com/watch?v=hmMFx4OfYOc

    L’équipe du Browser Ballet parodie les préjugés et partis pris rendus visibles par cette affaire

    1.10.2023 von Thuy-An Nguyen

    Weil Gabrielle Lebreton sich mit nacktem Oberkörper auf einem Spielplatz aufhielt, wurde sie des Ortes verwiesen. Darauf folgten eine Welle der Solidarität, eine Klage gegen das Land Berlin und zähe Gerichtsprozesse. Mittlerweile zehren die Verhandlungen an der Frau, die am Freitag im Berufungsverfahren am Kammergericht sitzt.

    Sicherheitsdienst und Polizei hatten Lebreton im Juli 2021 auf dem Wasserspielplatz Plansche im Plänterwald wegen »ungehörigen« Verhaltens gerügt, weil sie zum Sonnen ihr Oberteil ausgezogen hatte. Sie musste den Platz mit ihrem Kind verlassen. Gleichzeitig hielten sich auf dem Platz viele Männer mit nacktem Oberkörper auf. Ihr Fall weckte viel Aufmerksamkeit, unter anderem in den sozialen Medien. In Berlin demonstrierten Frauen mit nackten Oberkörpern oder Männer mit BHs, während sie mit dem Fahrrad durch die Stadt fuhren. Die Betroffene Lebreton verklagte das Land wegen Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts. Doch ihre Klage scheiterte in erster Instanz vor dem Landgericht. Begründung: Die Klägerin habe das »geschlechtliche Schamgefühl« in Teilen der Gesellschaft verletzt. Lebreton ging mit ihrer Anwältin Leonie Thum in Berufung.

    Die Klage beruft sich auf das Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG), welches erst im Juni 2020 vom Berliner Abgeordnetenhaus verabschiedet wurde. Es gilt als Meilenstein, denn es ist das erste und bisher einzige Gesetz seiner Art auf Landesebene in Deutschland. Kern des LADG ist, Diskriminierung durch öffentliche Stellen und Behörden des Landes wie Schulen, Bürgerämter, Polizei oder Gerichte zu verbieten. Betroffenen gibt es die Möglichkeit zu klagen, und es schließt eine Rechtslücke des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, denn das gilt nur für Diskriminierung im privaten Bereich wie bei der Arbeit oder auf dem Wohnungsmarkt.

    Bereits in der ersten Instanz habe das Landgericht die verfassungsrechtlichen Maßstäbe im LADG übergangen, meint Anwältin Thum. Nach Artikel 3 des Grundgesetzes darf kein Mensch wegen seines Geschlechts bevorzugt oder benachteiligt werden. Thum legt dar, dass das Land Berlin mit aufwendigen Mitteln eine Ombudsstelle eingerichtet habe, welche die Umsetzung des LADG überprüfe. Nach dem Verweis Lebretons von der Plansche schaltete sich die Ombudsstelle ein und bewirkte, dass der Bezirk Treptow-Köpenick und sämtliche Berliner Bäder ihre Nutzungsordnungen anpassten. Seitdem ist es allen Geschlechtern offiziell erlaubt, ihren Oberkörper unbekleidet zu lassen – auch in der Plansche. Es ist eine Entwicklung, die den weiteren Verlauf des Plansche-Prozesses wesentlich bestimmt.

    Nun steht die Forderung der Klägerin auf Entschädigung offen: Die vom Gericht vorgeschlagene Summe von 500 Euro Schadensersatz sei nicht genügend, sagt Thum. »Diese Summe hat über einen längeren Zeitraum keinen Effekt, da sie keinen Sanktions- oder Präventionscharakter hat«, sagt die Anwältin. Um zu verhindern, dass es künftig zu vergleichbarer Diskriminierung komme, fordert Thum 10 000 Euro Entschädigung. Sie verweist dabei insbesondere auf die Folgeschäden Lebretons: »Im ganzen Verfahren wurde ihr Fall nicht als Diskriminierung anerkannt. Das Verhalten und die Behandlung der Mandantin im Nachgang ist besonders wichtig, da es ihre Belastung verschlimmert hat.«

    Unterdessen argumentiert Rechtsanwalt Eike-Heinrich Duhme, der das Land vertritt, Sicherheitsdienst und Polizei seien im Fall Plansche nicht als behördliche Vertreter anzuprangern: Der Sicherheitsdienst habe nicht öffentlich-rechtlich gehandelt und die Polizei sei lediglich zur Amtshilfe verpflichtet gewesen. Sie habe kein »tiefgreifendes Prüfungsrecht gehabt« und den Sicherheitsdienst lediglich beim Ausführen seines Auftrags unterstützt. Zudem habe der Bezirk das Verhalten der Klägerin gar nicht als ordnungswidrig nach Paragraf 118 beanstandet und »viel dafür getan, ihr entgegenzukommen«. Dass die Klägerin im Nachgang schwer belastet gewesen sei, wäre jedoch vermeidbar gewesen, indem sie der »höflichen Bitte des Sicherheitsdienstes Folge geleistet hätte«, ihr Oberteil wieder anzuziehen.

    Diese Darstellung, wendet Anwältin Thum umgehend ein, sei eine klassische, retraumatisierende Täter-Opfer-Umkehr. »Die Auswirkungen der Diskriminierung sind nicht ihre Schuld«, sagt Thume. Zu argumentieren, ihre Mandantin hätte sich den Prozess ersparen können, wenn sie den Anweisungen gefolgt wäre, verstärke nur die Diskriminierung. Am Ende der fast dreistündigen Verhandlung am Freitag legt die Vorsitzende Richterin Cornelia Holldorf der Klägerin nahe, über eine einvernehmliche Lösung ohne Urteil nachzudenken. Schließlich würde ein solches Ereignis aufgrund der vorgenommenen Änderungen heute nicht mehr so passieren, betont Holldorf. Nachdem die Nutzungsordnung geändert wurde, »bleibt nicht viel zu kompensieren«, stellt sie fest.

    Doch Klägerin Lebreton schließt den vorgeschlagenen Vergleich aus. »Ich habe nach zwei Jahren kein Vertrauen mehr, dass die diskriminierende Behandlung anerkannt wird«, sagt die 39-Jährige. »Ich möchte, dass das Gericht eine Entscheidung trifft.« Da Lebreton einen Vergleich ablehnt, schlägt Richterin Holldorf ein sogenanntes Anerkenntnis vor. Dieses stellt im Zivilrecht eine Erklärung dar, mit der der Beklagte im Gerichtsprozess die an ihn gestellten Ansprüche ganz oder in Teilen anerkennt. Damit würden sich die Forderungen der Klägerin erübrigen. Anwalt Duhme zeigt sich am Ende offen, darüber nachzudenken. Die Verhandlung soll an einem Folgetermin fortgesetzt werden.

    #Berlin #femmes #discrmination #justice #auf_deutsch

  • Frag Cäsar
    https://www.frag-caesar.de


    Tu sera encore plus cultivée si tu te mets au latin après avoir perfectionné ta maîtrise de l’allemand ;-)

    Salve lieber Besucher,
    in diesem Lateinwörterbuch stehe ich Ihnen post mortem bei allen Fragen zur wundervollen Sprache Latein zur Seite.
    Bitte geben Sie oben Ihr Suchwort auf Lateinisch oder Deutsch ein, und ich erzähle Ihnen alle Deklinationen, Konjugationen und Übersetzungen.
    Ihr Julius Cäsar
    Staatsmann, Feldherr und Autor
    ... und Hilfe beim Lateinlernen

    frag-caesar.de ist ein Projekt von mir, Stefan Schulze Steinmann, Schillerstraße 6 in 48612 Horstmar (erreichbar per E-Mail an stefan@frag-caesar.de oder telefonisch unter 02558/997437).
    Was war die Motivation?

    Im Jahr 2005 nutzte ich ausgiebig Online-Lateinwörterbücher und war stets enttäuscht, dass diese keine Deklinationen oder Konjugationen verstehen und ausgeben konnten, und keines der Wörterbücher Nutzen von modernen Technologien macht.
    Zudem haben Latein und ich eine Art Vergangenheit. So sehr ich Latein beim Erlernen verflucht habe, so sehr würde ich es niemals missen wollen. Obwohl man auf den ersten Blick denken könnte, dass man es nicht häufig braucht, kann ich von mir nur bestätigen, dass Latein den Horizont fürs tägliche Leben auf sehr schöne Weise erweitert, und man (im Nachhinein) das Gefühl nicht los wird, dass es gut war diesen manchmal „trockenen“ Stoff zu erlernen.

    Mein größtes Hobby - die Entwicklung von (Online-) Anwendungen - und das Gefühl eine Gute Idee umsetzen zu können, sowie eine gewisse emotionale Verbundenheit zu Latein, waren schließlich die ausschlaggebenden Kräfte frag-caesar.de zu entwickeln.
    Warum der Name?

    Ich stellte mir das Erlernen von Vokabeln mittels einer Unterhaltung mit einem „alten Freund“ als viel angenehmer vor, als mit einem klassischen Wörterbuch. Als diesen „alten Freund“ wählte ich jemanden den jeder (wenn auch nur durch Asterix und Obelix Filme) kennt - Gaius Iulius Caesar oder auf Deutsch: Julius Cäsar

    Enfin une méthode pour anoblir les choses les plus essentielles de la vie par une belle expression latine : https://www.frag-caesar.de/lateinwoerterbuch/cacare-uebersetzung-1.html

    Moins sympa mais définitivement plus professionnel : https://www.navigium.de/latein-woerterbuch.html

    #latin #langue_latine #auf_deutsch #dictionnaire

  • Seine Exzellenz der Android
    https://www.nachdenkseiten.de/?page_id=7726
    Ce roman de science fiction de 1907 est à la fois une parodie de la société austro-hongroise sous le dernier empereur, une utopie et une réflexion sur ce qu’on allait appeller plus tard les robots, les hommes cybernétiques ou androïdes. C’est une jolie lecture d’été.

    Lire gratuitement en ligne
    https://www.projekt-gutenberg.org/gilbert/automat

    Seine Exzellenz der Automat. Ein phantastisch-satirischer Roman. Mit einem Geleitwort von Rudolf Goldscheid. Schuster & Lößler, Berlin & Leipzig 1907.

    Biographie de Leo Silberstein-Gilbert
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Leo_Gilbert

    Im Jahr 1907, mitten in der Belle Époque, auch als Fin de Siècle bezeichnet, veröffentlichte der Wiener Wissenschaftsjournalist Leo Silberstein-Gilbert einen „phantastisch-satirischen Roman“, der heute als eines der ersten Science-Fiction-Werke gelten kann. 1933 geriet er in die Zensur und wurde aus den Bibliotheken im Herrschaftsbereich des NS-Regimes aussortiert. Die von Nathanael Riemer unter dem Titel „Seine Exzellenz der Android“ herausgegebene Neuauflage will das eliminierte Buch und die Erinnerung an seinen Autor neu beleben, denn es nimmt gut 100 Jahre, bevor KI hier ein großes Thema wurde, die Gefahren der Künstlichen Intelligenz klug, erschreckend sowie humorvoll vorweg. Der Protagonist des Romans, der geniale Physiker Frithjof Andersen, konstruiert den vollkommenen Androiden Lars. Dessen Körperbau, seine Gesichtszüge, Pulsieren der Adern und selbst Gefühlsregungen imitieren den Menschen auf so natürliche Weise, dass die perfekte Täuschung gelingt. Doch das Geschöpf emanzipiert sich von seinem Schöpfer Andersen – der Android Lars macht als Großindustrieller Karriere und wird vom König zum Minister ernannt. Als er schließlich einen Krieg vorzubereiten beginnt und das Volk seine Misere in Hurrapatriotismus ertränkt, sieht sich Andersen in der Pflicht, sein eigenes Geschöpf zu zerstören… Ein Auszug.

    Der Eindruck, den Lars machte, war durchaus der eines Mannes von Geltung. Er saß bequem im Lehnstuhl, hielt Zeitung und Zigarre in den Händen, lächelte mit dem zuvorkommenden Lächeln, das ihm Andersen beigebracht hatte, und erwiderte auf alle Fragen je nach den Stichworten. Frithjof gewann die Überzeugung: Sein Android war gelungen, ganz Mensch! Er unterschied sich durch nichts von den anderen als durch den Mangel von Herz und Gemüt. Und vielleicht nicht einmal dadurch. Lars machte auf Frithjof ganz den Eindruck eines vornehmen Mannes. Die einladende Handbewegung, das entgegenkommende Lächeln, das nicht in Grinsen ausarten darf, die Bereitschaft, mit Frithjof stets einer Meinung zu sein, die Kunst, gedankenlos zu versprechen. Der Doktor freute sich, alles wiederzusehen, was er in seinen Automaten hineingesteckt. Lars bedauerte ihn, Lars tröstete ihn, Lars versprach, ihm eine bescheidene Sekretärstelle zu verschaffen, und Frithjof lachte innerlich darüber. Er sah das Werk seiner Hände, das er Rädchen für Rädchen zehn Jahre lang unter den Fingern gehabt, nach und nach sein Gönner werden. Sein Automat protegierte ihn! Er dachte an das schöne Goethesche Wort: „Am Ende hängen wir noch ab von Kreaturen, die wir machten.” Und er hatte nicht übel Lust, auf Lars zuzuspringen und ihn zu zertrümmern. Aber der linke Ellbogen schmerzte ihm noch von jenem Vorfall, als er den Androiden verkaufen wollte.

    Er suchte sich einzureden, daß sein Zorn unberechtigt sei, daß es nur eine Maschine wäre, das Werk seines Geistes, auf das er schließlich stolz sein könne; daß Lars nur einem Naturgesetz folge, freilich einem Naturgesetz, das noch von keinem Professor entwickelt und in keiner unserer Schulen gelehrt wird, das aber einst den Mittelpunkt der wichtigsten aller Wissenschaften bilden werde, der Gesellschafts-Wissenschaft: Lars war mit tausend anderen das Produkt der Verhältnisse. Man schob ihn, er ließ sich schieben, man hob ihn, er ließ sich heben. Freilich gehört dazu eine Art Geschicklichkeit; man muß beim Geschobenwerden immer eine Lage einzunehmen wissen, die für sich und die Hebenden nicht unbequem ist. Einfach wie das Schwimmen! Wer es gelernt hat, wundert sich, daß sich von der Flut tragen zu lassen erst gelernt werden müsse. Doch gibt es störrische Leute, Phlegmatiker, die auch von den besten Verhältnissen sich nicht heben lassen. Ihre Wehleidigkeit verträgt diesen oder jenen Griff nicht, oder sie machen sich zu schwer. Lars, der berechnete und berechnende Lars, widersprach niemals, weil er weder sentimentale Anwandlungen noch ein reizbares Temperament besaß, weil er sich wahrhaft jenseits von Gut und Böse befand.

    Frithjof hätte auch aus einem anderen Grunde nicht den zertrümmernden Faustschlag ausgeführt: Er schauderte zurück, es war ihm, als ob er ein Menschenleben vernichten sollte, wie ihn Lars herablassend mit den grau-grünen Reptilaugen anblickte, die so nichtssagend naiv waren, daß sich dahinter alles Denkbare verstecken konnte. Lars, der eben den Rauch seiner Zigarre – wie man am Duft spürte, eine der feinsten Sorten – in die Luft blies, Lars mit den frischen, roten, natürlichen Wangen war ihm eine zu lebendige Persönlichkeit, als daß er nicht gefürchtet hätte, einen Mord zu begehen. Und schließlich, wer beweist ihm, daß er sich nicht täuscht? Daß er, Andersen, nicht wirklich im Wahn herumwandelt? Daß dieser Mann wirklich kein Mann, sondern ein Android ist? Allerdings kannte er Stück für Stück und Härchen für Härchen an ihm. Diese nichtssagenden Augen, die grasgrüne Glashülle für jede Tücke, die natürlichsten, die er beim Optiker gefunden, hatte er ihm selbst mit diesen seinen eigenen Händen eingesetzt. Die Haut mit den vollen Wangen und dem elastischen Muskelspiel hatte er selbst monatelang zwischen diesen seinen eigenen Fingern gehabt, ehe sie vollkommen täuschend funktionierte. Er kannte die Gelenke dieser Arme und sah bei jeder Handbewegung im Geist unter dem feinen Kammgarnrock die Stahlsehnen, die anzogen. Er wußte, daß unter diesem üppigen Haarwuchs sich das komplizierteste Räderwerk verbarg, die beste Rechenmaschine der Neuzeit. Er wußte, daß in der linken Seite dieser Brust, wo bei anderen Menschen sich das Herz befindet, nichts lag als eine gewöhnliche metallene Pumpe, die durch Elektrizität in Bewegung gesetzt, die rote Flüssigkeit dirigierte, die den Menschen, ohne daß er weiß, warum, erröten und erblassen macht. Ein künstliches Schamgefühl, eine rein physikalische Erscheinung!

    Und doch, wer bürgt ihm dafür, daß dies alles nicht Einbildung, nicht das Produkt eines hitzigen Fiebertraumes ist? Vielleicht haben die Leute wirklich recht, wenn sie von seiner ausbrechenden Tollheit munkeln?

    Leo Gilbert: „Seine Exzellenz, der Android“, ein phantastisch-satirischer Roman, herausgegeben von Nathanael Riemer, 318 Seiten, Edition W, 13. März 2023

    #sciene_fiction #auf_deutsch #Autriche #histoire #parodie #capitalisme #robots

  • Tolstoi-Friedensbibliothek – Ein pazifistisches Editionsprojekt
    https://www.tolstoi-friedensbibliothek.de

    Schriften von Tolstoi zum kostenlosen Dowload
    Herzstück des Bibliotheksprojekts ist die allgemeine Zugänglichkeit von Tolstois pazifistischen, sozialethischen und theologischen Schriften.

    Buchreihe zu ausgewählten Tolstoi-Schriften
    Hier können alle Angebote der Digital-Bibliothek auch in Buchform bestellt werden.

    Publikationen zu Leben & Werk von Leo N. Tolstoi
    Auf dieser Seite sind digitale und gedruckte Veröffentlichungen über Tolstois Biographie und sein Werk aufrufbar.

    #pacifisme #christianisme #religion #Russie #auf_Deutsch

  • Das Lexikon der Filmbegriffe
    https://filmlexikon.uni-kiel.de/doku.php/start

    Das Lexikon der Filmbegriffe ist glossarisch angelegt und als Nachschlagewerk für den wissenschaftlichen Gebrauch gedacht. Die Einträge geben einen verlässlichen Aufblick auf den Gegenstandsbereich und dienen zugleich seiner Feingliederung. Neben der Sacherläuterung beinhalten die Lemmata Hinweise auf ästhetische, stilistische und/oder historische Besonderheiten des jeweiligen Teilbereichs sowie Literaturangaben zu jeweils grundlegenden Forschungsbeiträgen und ggf. divergierenden Positionen.

    Angesichts der Vielsprachigkeit der Filmwissenschaft und -Praxis und der Unübersetzbarkeit mancher Termini, versammelt das Lexikon Schlagwörter verschiedensprachiger Herkunft. Im besonderen Fall werden auch im Deutschen gebräuchliche fremdsprachige Termini als Verweise geführt, im Einzelfall auch begriffsgeschichtliche bzw. etymologische Erläuterungen beigefügt. Ebenso werden Nachbargebiete wie Fernsehen und Radio, Kommunikations- und Medientheorie, Werbung oder Rezeptionsforschung dokumentiert, wenn auch nicht mit demselben Anspruch auf Vollständigkeit wie die Terminologie des Films.
    Das Lexikon trägt Begriffe aus fünf verschiedenen Bereichen zusammen:

    Gattungen, Genres, Stoffe, Motive, Tropen
    Technische und handwerkliche Redeweisen und Bezeichnungen
    Begriffe der Kinopraxis, Produktion und Aufführungsweisen
    Institutionen, Produktionsfirmen, Studios, Archive, Gesellschaften, Preise etc.
    Theoretische Konzepte und Terminologien der Filmwissenschaft

    Das Lexikon der Filmbegriffe ist das größte Sachlexikon des Films weltweit und wird in Kooperation der Universitäten Kiel, Münster, Hagen, Luxemburg und Zürich herausgegeben und von Kiel aus betrieben.

    #cinéma #auf_deutsch

  • Starkdeutsch - Matthias Koeppel liest das Gedicht vom Nilkrokodil
    https://www.youtube.com/watch?v=prwTYGQ23FE

    Le peintre et poète Matthias Koeppel a inventé pour ses amis buveurs de bière une parodie de la langue allemande appellée #Starkdeutsch ou #Starckdeutsch

    Dans cette vidéo il récite le poème sur l’histoire abominable du crocodile du Nil. Ce poème est le produit d’une croisière sur le Nil en 2010 ce qui explique pourquoi il se termine par un appel aux crocodiles de compter sur la destitution du dictateur Moubarak qui finira dans leurs ventres comme les touristes coupables du délit de profanation de sépulture dans la vallée des Rois.

    La transcription est un test pour le traducteur automatique dont les connaissances en Starckdeutsch sont évidemment limitées.

    Matthias Koeppel: Nun zum Abschluß das aktuelle Gedicht, das du im Internet entdeckt hast, das über das Nilkrokodil. das ich schon angekündigt habe. Wie gesagt haben wir eine Kreuzfahrt gemacht, und die Enttäuschung, daß im Nil keine Krokodile mehr schwimmen, war doch für mich sehr beträchtlich. Gleichzeitig haben wir das volle touristische Programm mitgemacht, im Tal der Köige, was ja im Grunde ein Großfriedhof der Pharaonen ist, wo die TUI-Neckermann-Touristen die Grabesruhe mißachten und da gewaltig zugange sind. Dieses alles als Empfehlung an die Nilkrokodile, doch mal Ordnung zu schaffen, und da ist folgendes Gedicht entstanden.

    Das Nilkrokodil, im Starckdeutschen

    Intraduisible

    Das Nionulkriaukidul

    Nionulkriaukidul
    deine Heumat war der Nul
    und die hat man Dür genommen
    Krautsfahtschöffe sind gekummen
    Wu bist Du jetzt hingeschwummen ?

    Kömmt zurück Ihr Kraukidulen
    könnt Euch die Turasten hulen.
    Krauchut narlz in die Karbulen
    wo se zwischenzeitlich wuhnen
    schnaubt se Euch und schlockt se rontur
    und dann daucht Ihr wieder ontur

    Harbt Ihr denn nix mehr zu frassen
    mösst Ihr kurz den Nul verlassen
    kraucht ins Tal der Keunigen
    krauch holt in die steunigen
    Sarkuphargen Katakumben
    frasst die korzbehusten Tumben

    Grabbesruhes Auchtenden
    und erschrucken flauchtenden
    TUI Nakurman Turasten
    Darnach mösst Ihr erstmal fasten
    Und Ihr wartet noch den Dag
    dann kümmt auch der Mubarak.

    Pour les buveurs pratiquants Matthias Koeppel propose une boisson particulière pour chaque mois. Le but du jeux linguistique est d’identifier les noms des mois et boissons.

    Starckdeutsch - »Die zwölf Monate« 
    https://www.youtube.com/watch?v=Ml7bi0qQiLw

    #auf_deutsch #poésie #lol #Égypte

  • Kabelbelegungen - die Kabel FAQ !
    http://netware-server.de/download/tipps/kabelfaq.htm

    Quelques explications sur des câbles et connecteurs toujours d’actualité, surtout quand on doit connecter des appareils d’avant l’ère sans fil ;-)
    #auf_deutsch , désolé.

    Die Kabel-FAQ
    Version: $Id: faqkabel.htm,v 1.60 2000/10/02 17:29:40 hifi Exp $

    Da immer wieder Fragen zum Thema „Wie muss ich ein Kabel fuer xxx loeten?“ auftauchen, habe ich hier diverse Steckerbelegungen, Kabeldaten, Signalbezeichnungen, -spannungen und -stromstaerken sowie spezielle Schaltungen zusammengestellt.
    Soweit moeglich jeweils mit der Bedeutung der Signale, denn es kann fuer spezielle Zwecke noetig sein, Bruecken einzubauen oder Pins „falsch“ zu beschalten, um einen bestimmten Effekt zu erzielen. Das Ganze traegt weniger den Charakter eines klassischen FAQ mit Frage: Antwort. Das ist aufgrund der Komplexitaet mancher Sachverhalte nicht zweckmaessig, es schadet nie, etwas rechts und links des eigentlichen Themas zu finden.

    https://en.wikipedia.org/wiki/Registered_jack

    about the registered jack (RJ) wiring standard

    #vidéo
    #Modem
    #Nullmodem #Drucker
    #Adapter #Pruefstecker
    #seriell
    #Parallel
    #Parallel-Rechner-Rechner
    #Twisted_Pair #Arcnet #Ethernet
    #SCSI
    #PC-Keyboard #Monitor #Maus #Joystick #USB
    #Midi
    #Audio
    #Telefon
    #ISDN
    #ADSL
    #Kabellaengen

  • Belsazar
    https://www.textarchiv.com/heinrich-heine/belsazar


    Nous sommes le premier jour ouvrable de l’an 2022. C’est le moment de nous rappeller la tâche qui nous attend depuis 200 ans.

    Die Mitternacht zog näher schon;
    In stiller Ruh’ lag Babylon.

    Nur oben in des Königs Schloß,
    Da flackert’s, da lärmt des Königs Troß.

    Dort oben in dem Königssaal
    Belsazar hielt sein Königsmahl.

    Die Knechte saßen in schimmernden Reihn,
    Und leerten die Becher mit funkelndem Wein.

    Es klirrten die Becher, es jauchzten die Knecht’;
    So klang es dem störrigen Könige recht.

    Des Königs Wangen leuchten Glut;
    Im Wein erwuchs ihm kecker Mut.

    Und blindlings reißt der Mut ihn fort;
    Und er lästert die Gottheit mit sündigem Wort.

    Und er brüstet sich frech, und lästert wild;
    Die Knechtenschar ihm Beifall brüllt.

    Der König rief mit stolzem Blick;
    Der Diener eilt und kehrt zurück.

    Er trug viel gülden Gerät auf dem Haupt;
    Das war aus dem Tempel Jehovas geraubt.

    Und der König ergriff mit frevler Hand
    Einen heiligen Becher, gefüllt bis am Rand.

    Und er leert ihn hastig bis auf den Grund,
    Und rufet laut mit schäumendem Mund:

    »Jehova! dir künd ich auf ewig Hohn –
    Ich bin der König von Babylon!«

    Doch kaum das grause Wort verklang,
    Dem König ward’s heimlich im Busen bang.

    Das gellende Lachen verstummte zumal;
    Es wurde leichenstill im Saal.

    Und sieh! und sieh! an weißer Wand
    Da kam’s hervor wie Menschenhand;

    Und schrieb, und schrieb an weißer Wand
    Buchstaben von Feuer, und schrieb und schwand.

    Der König stieren Blicks da saß,
    Mit schlotternden Knien und totenblaß.

    Die Knechtenschar saß kalt durchgraut,
    Und saß gar still, gab keinen Laut.

    Die Magier kamen, doch keiner verstand
    Zu deuten die Flammenschrift an der Wand.

    Belsazar ward aber in selbiger Nacht
    Von seinen Knechten umgebracht.

    Heinrich Heine

    #auf_deutsch #poésie #révolution

  • Anleitung: Wie Sie ein Audio-Netzteil reparieren | heise online
    https://www.heise.de/ratgeber/Anleitung-Wie-Sie-ein-Audio-Netzteil-reparieren-6276209.html?seite=all

    Die Stromversorgung ist die Achillesferse jedes elektronischen Geräts. Fehler im Netzteil führen deshalb meist zum Totalausfall, bei Audiogeräten machen sich altersschwache Bauelemente dort auch oft durch ein starkes Brummen bemerkbar. In CD-Playern und ähnlichem kann sich eine unsaubere Stromversorgung in einem Ausfall der Gerätesteuerung äußern. Die Digitaltechnik zeigt ab einem gewissen Punkt keinerlei Reaktion mehr. Deshalb muss so ein Gerät keineswegs sofort auf den Schrott. Ein Blick in das Gehäuse schadet nichts – schließlich kann man sich später immer noch für die Entsorgung entscheiden. Doch mit ein wenig Know-How, dem richtigen Blick und einem systematischen Vorgehen sind Netzteilfehler oft schnell aufgespürt und behoben, sodass eine Neuanschaffung erspart bleibt.

    Im Folgenden beschreiben wir den Aufbau klassischer Netzteile, wie sie in älteren Audio-Geräten vorkommen. In neueren Geräten sorgen meist modernere Schaltnetzteile für den nötigen Strom, die wir hier nicht im Speziellen behandeln wollen. Viele der besprochenen Bauteile haben sie aber gemeinsam, sodass man mit dem hier vermittelten Wissen auch in neueren Geräten auf Fehlersuche gehen kann.

    #électronique #make #diy #audio #électricité #réparation #auf_deutsch

  • Ist das (die Zukunft der) Kunst oder kann das weg?
    https://ada-magazin.com/de/ist-das-die-zukunft-der-kunst-oder-kann-das-weg

    Endlich haben Künstler:innen einen Weg gefunden, ihre Rechte an digitalen Bildern, Liedern und Schriften zu wahren: Non Fungible Tokens. Ob die sich durchsetzen, hängt vor allem davon ab, ob unser Geldsystem auf Dauer über Krypto-Technologie funktioniert.

    Mit der Kunst ist es im Digitalen bisher ja so einfach wie unerfreulich: Künstler:innen haben unbegrenzten Platz, ihre Kunst zu verbreiten. Und brauchen unendlich viel Frustrationstoleranz, um daran etwas zu verdienen. Entweder gibt es gar kein Geld. Oder sie treten ihre Rechte an Plattformen ab, dann gibt es sehr wenig Geld.

    Ersteres liegt an einem sehr einfachen ökonomischen Grundsatz: da sich Kunst digital nicht verknappen lässt, Verknappung von Gütern aber Voraussetzung für deren Bepreisung ist, gibt es eben nichts außer Spenden.

    Zweiteres liegt am ungleichen Größenverhältnis: Weil die Plattform, die über Zugang zu Musik oder Text entscheiden kann, in der Regel sehr groß ist, gibt sie den Preis vor. Man kennt das von Spotify. Oder iTunes. Oder Amazon. Plattformen, die Kunst ungeahnte Reichweiten bescherten, von denen aber nur extrem wenige Künstler:innen profitierten.

    Für beide Probleme gibt es nun eine Lösung: Non Fungible Token. Ein über die Blockchain laufendes Verschlüsselungssystem, das auch Kunst eindeutig als Besitz erkennbar macht, so verknappt und Künstler:innen die Kontrolle über ihre Kunst ermöglicht.

    Und was haben die NFTs nicht schon für Euphorie erzeugt: So verkaufte Twitter-Erfinder Jack Dorsey seinen ersten Tweet für 2,9 Millionen Dollar als NFT. Die NBA wiederum verkauft mit dem Projekt „Top Shot" Basketball-Sammelkarten als NFT, denen wiederum jeweils eine spezifische Spielszene als Video zugeordnet ist. Den bisher größten Erlös schaffte der Künstler Mike Winkelmann, alias Beeple. Anfang März zahlte ein Kunde für eine von ihm erstellte Collage aus 5000 Grafiken 69,3 Millionen Dollar. Mike Winkelmann ist nun der drittwertvollste lebende Künstler.

    Der Künstler und Forscher Mat Dryhurst sieht deswegen schon eine Revolution der Kunst im Internet auf uns zukommen: „Wir sind es gewohnt, uns in einem zentralisierten Internet zu bewegen, dem Web 2, in dem ein paar Designer in Kalifornien Entscheidungen treffen, die eigentlich nur zum Vorteil von Facebook oder Twitter sind“, sagt er. Und entwirft als Gegenmodell dazu gleich ein Web 3, das mit Hilfe der NFT-Kunst entstehe. Ein dezentrales Internet, bei dem nicht mehr wenige Plattformen über Bezahlung oder Nicht-Bezahlung entscheiden. Sondern jede:r. Es wäre fast ein alter Traum der Arbeiter:innen-Bewegung ins digitale Jahrhundert übertragen: diejenigen, die etwas erschaffen, bekommen nicht nur den entstandenen Wert – sondern bestimmen auch, wo es künftig lang geht.

    Aber ist das wirklich realistisch? Zeugen die Millionen, die derzeit in das Geschäft mit NFT-codierten Werken fließen, wirklich von einem Epochenwandel – oder erleben wir einen erneuten Hype?

    Nun: Die Wahrheit wird wohl irgendwo in der Mitte liegen: NFT-Kunst wird Künstler:innen, die bisher schon keine Reichtümer ersungen, erdichtet oder ermalt haben, auch künftig keine bescheren. Sie werden gleichzeitig aber auch aus der Welt der Kunst nicht einfach wieder verschwinden. Ersteres liegt an einer ziemlich plausiblen ökonomischen Betrachtung. Zweiteres an einem größeren technologischen und wirtschaftlichen Trend: der zunehmenden Kryptisierung der weltweiten Geld- und Anlagemärkte.

    Wie NFTs funktionieren

    Treten wir einen Schritt zurück und schauen, wie sich im Kunstmarkt bisher Preis und Wert bildeten. Da stellen wir zum einen fest: den Kunstmarkt gibt es überhaupt nicht. Während sich bei Musik und Literatur eher eine Art Angebot-und-Nachfrage-Logik bildete, die am Ende über den Wohlstand der Erschafferin dieser Kunst entscheidet, ist es bei gemalter Kunst schwieriger: Über ein schwer zu definierendes System, bei dem Geschmack, Verfügbarkeit, Zeitgeist und einiges mehr eine Rolle spielen, bildet sich in der analogen Welt am Ende ein Preis heraus.

    Und das scheint vor allem das Anwendungsfeld auch für NFT-codierte Kunst zu sein. Mit NFTs lässt sich zunächst einmal alles handeln, was virtuell verfügbar ist. Nicht nur Bilder und Videokunst, auch Szenen aus dem Sport, virtuelle Gegenstände aus Computerspielen, Cartoons. Selbst simple Twitter-Nachrichten lassen sich in Token verwandeln – und zu Geld machen. NFT ist letztlich eine „nicht austauschbare Wertmarke“, ein Besitzzertifikat für etwas Digitales. Sie werden fälschungssicher in einer Wallet auf einer Blockchain hinterlegt. Die Zertifikate beziehen sich auf die jeweilige Originaldatei. Diese jedoch sind dadurch, anders als die Zertifikate, nicht kopiergeschützt. Die zertifizierten Dateien lassen sich so vervielfältigen wie jede digitale Datei, aber nur den NFT-Besitzerinnen und -besitzern „gehört“ das jeweilige Original. Wobei „gehört“ angesichts der Flüchtigkeit des Objektes ein noch zu definierender Begriff in diesem Zusammenhang wäre.

    Die Tücken der Technologie

    Die Technologie sollte es Künstler:innen ermöglichen, die Kontrolle über ihre Werke auszuüben und sich stärker gegen andere zu schützen. Man muss sich das ein wenig so vorstellen, wie einen Auktionskatalog in der herkömmlichen Welt: Es gibt ein gewisses Maß an Sicherheit über die betrachtete Arbeit. Mit einem gravierenden Unterschied: Aus dem Auktionskatalog kann ich als Sammler:in das Werk im Original kaufen. Bei NFTs geht das schon technisch nicht. Wer ein NFT kauft, erhält nicht das eigentliche digitale Kunstwerk. Er oder sie kauft einen Link, der wiederum auf eine Datei verweist, die im Prinzip kryptotechnisch abgesichert digital codiert ist. Was passiert aber, wenn die Domain dieses Links in zehn Jahren verschwunden ist? Was, wenn Erb:innen in vier Jahrzehnten auf das Kunstwerk zugreifen wollen?

    Alle gängigen NFT-Plattformen teilen heute einige dieser Schwächen. Sie hängen davon ab, dass ein Unternehmen im Geschäft bleibt. Sie hängen ebenfalls davon ab, dass sich die Blockchain-Technik auf Dauer hält, damit ein Kunstwerk nicht plötzlich verschwindet. „Im Moment bauen NFTs auf einem absoluten Kartenhaus auf, das von den Verkäufern konstruiert wurde", schreibt der Softwareentwickler Jonty Wareing auf Twitter.

    Werte in einer abgeschotteten Blase

    Weswegen sich ein anderer Verdacht aufdrängt: die hohen Werte für NFT-codierte Kunst entstehen, weil diese Kunst in einem sehr begrenzten, aber sehr werthaltigen Raum stattfindet. In den letzten zehn Jahren hat sich die Blockchain zu einem Zufluchtsort für Menschen entwickelt, die einen anderen Ort für ihre – wie auch immer erwirtschafteten - Vermögen suchen. Für Milliardär:innen weltweit ist dies nur eine Alternative zum Parken ihres Geldes in Immobilien, Wein, Oldtimer oder ähnliches. Sie können stattdessen Geld in Blockchain-basierten Kryptowährungen belassen, die an Wert gewinnen, solange Menschen Bitcoin oder Ethereum schneller kaufen, als das Gesamtangebot und die Möglichkeiten, diese Kryptowährung wiederum auszugeben, steigen. Denn eine große Herausforderung besteht darin, dass die Blockchain – neben ungelösten ökologischen Problemen wegen der energieaufwendigen Verschlüsselung – derzeit kaum praktische Anwendungsfelder hat. Theoretische Anwendungen gibt es zuhauf, aber wer nutzt wirklich eine Blockchain-Technologie im Alltag? Mehr als ein Jahrzehnt, nachdem die Technik zum ersten Mal die Aufmerksamkeit von Technikfreaks auf sich gezogen hat, ist keine einzige populäre Anwendung auf diese Technologie angewiesen. Mit einer Ausnahme: Apps für den Handel mit Kryptowährungen. Das Ergebnis ist eine fast hermetisch abgeschlossene Wirtschaft, deren Währungen nur existieren, um gehandelt zu werden und zu Derivaten ihrer selbst zu werden.

    Es gibt also sehr viele Menschen, die Krypto-Milliardär:innen sind, außerhalb der Kryptowelt aber quasi kein Geld zur Verfügung haben. Sie können ihre Krypto-Werte kaum irgendwo einlösen. Sie können keine Immobilien mit Kryptowährung kaufen. Sie können damit keine Yachten kaufen. Das einzige Hobby für Reiche, an dem sie mit ihrem Kryptowealth teilnehmen können, ist der Kauf von Kunst.

    Oder anders formuliert: Bisher sind in dieser Welt die gesammelten Guthaben an Kryptowährungen größer, als die Möglichkeiten sie einzusetzen. Es passiert, was auch in der analogen Welt seit einigen Jahren passiert: Weil zu viel Geld da ist, das keine sinnvolle Verwendung findet, fließt es eben in Kunst. Sprich: Die exorbitanten Preise für Krypto-Kunst hängen 1:1 an der Nicht-Massenverfügbarkeit von Kryptowährungen. So viel zum demokratisierenden Effekt der Technik in der Kunst.

    Das sagt im übrigens nichts über die Zukunftsfähigkeit der NFT-Technologie aus. Sowie die Zukunft der Blockchain etwa nicht am Bitcoin hängt, der ja nur eine Anwendungsmöglichkeit ist, hängt die Zukunft der NFT nicht unbedingt am Einsatz der Technologie im Kunstmarkt. Kryptoabgesicherte Verschlüsselung von digitalen Gütern ergibt nicht nur für Kreative einen Wert. Nicht umsonst sagt Sebastian Blum vom Krypto-Investor Greenfield One aus Berlin: „NFT-basierte Geschäfte sind immer mehr im Kommen.“ Die Frage ist eben nur: Als Demokratisierungs-Tool der Kunst-Szene?

    „Ich möchte das optimistische Ideal hinter NFTs nicht loslassen“, fasst Anil Dash, der an der Entwicklung früher NFTs beteiligt war, zusammen. „Aber in meiner Arbeit als Technologe wurde mein Optimismus oft von Opportunisten zunichte gemacht, die nach dem Start einer Technologie hereinstürmten. In den Anfängen der digitalen Musik sollte das Aufkommen von MP3s und neuen Vertriebssystemen es Künstlern ermöglichen, direkt an Fans zu verkaufen. In den Anfängen der sozialen Medien entwickelten Unternehmen Blogging-Technologien mit dem Versprechen, dass Autoren direkt mit ihren Lesern kommunizieren können. Dieses Muster spielte sich in der Industrie nach der Industrie ab.“

    Krypto-Kunst auf Dauer nur mit Krypto-Werten

    Es spricht also einiges dafür, dass der Effekt von NFTs auf die analoge Kunstwelt nach einem kurzen Hype womöglich überschaubar bleiben wird. Man sollte die NFTs in der Kunst aber dennoch nicht abtun – das liegt allerdings eher an der systemsprengenden Kraft der Krypto-Technik als an ihrem künstlerischen Wert. Denn tatsächlich ist es ja derzeit so: Während Kryptowährungen zwar den Durchbruch in die breite Masse des Geschäftslebens nicht schaffen, explodiert zum einen dennoch der Wert der weltweit gehandelten Kryptowährungen und zum anderen entsteht ein komplettes Krypto-Wertesystem.

    Derzeit wirkt das vor allem wie eine Spiegelung der „realen“ Finanzarchitektur: Es gibt Krypto-Währungen, Krypto-Börsen, Krypto-Anlageklassen und in der Schweiz arbeitet derzeit das Börsen-Start-up SDX sogar gemeinsam mit verschieden Zentralbanken an Krypto-Zentralbankgeld. „Wir reden darüber, neue Märkte zu bilden“, sagt dessen Vorstandschef Tim Grant über die verschiedenen Möglichkeiten, mit Hilfe von Krypto-Technologie die Geld-Welt zu verändern. Es ist also sozusagen nur die Vervollständigung dieses Krypto-Wertesystems, wenn es nun auch Krypto-Kunst als Anlageklasse gibt.

    Die Frage wird also nicht sein: Setzt sich Krypto-Kunst, wie NTFs sie garantiert, durch? Sondern die Frage wird sein: Werden dauerhafte Krypto-Technologien wie die Blockchain den internationalen Werte-Austausch und Handel organisieren? Dann hätte die NFT-Kunst tatsächlich eine große Zukunft – als Anlage- und Liebhaberobjekt, wie wir es schon aus der heutigen Welt kennen. Mit Demokratisierung von digitaler Kunst aber hätte das wenig zu tun.

    #NFT #art #capitalisme #auf_deutsch

  • Karl Liebknecht - Was will der Spartakusbund?
    http://www.mlwerke.de/kl/kl_005.htm

    Rede in einer Versammlung in der Hasenheide in Berlin, 23. Dezember 1918

    Wir müssen uns in diesem Augenblick vor allem völlige Klarheit über die Ziele unserer Politik verschaffen. Wir bedürfen eines genauen Einblickes in den Gang der Revolution; wir haben zu erkennen, was sie bisher gewesen ist, um zu begreifen, worin ihre zukünftige Aufgabe bestehen wird.

    Bis jetzt ist die deutsche Revolution nichts anderes gewesen als ein Versuch zur Überwindung des Krieges und seiner Folgen. Ihr erster Schritt war daher der Abschluß eines Waffenstillstandes mit den feindlichen Mächten und der Sturz der Führer des alten Systems. Die nächste Aufgabe aller entschiedenen Revolutionäre besteht darin, diese Errungenschaften aufrechtzuerhalten und sie zu erweitern.

    Wir sehen, daß der Waffenstillstand, über den die gegenwärtige Regierung mit den feindlichen Mächten verhandelt, von diesen zur Erdrosselung Deutschlands benutzt wird. Das aber ist mit den Zielen des Proletariats unvereinbar; denn eine solche Erdrosselung würde weder mit dem Ideal eines dauernden noch eines menschenwürdigen Friedens übereinstimmen.

    Nicht ein Friede des Augenblicks, nicht ein Friede der Gewalt, sondern ein Friede der Dauer und des Rechts, das ist das Ziel des deutschen wie des internationalen Proletariats. Aber es ist nicht das Ziel der gegenwärtigen Regierung, die, ihrem ganzen Wesen entsprechend, mit den imperialistischen Regierungen der Entente lediglich einen Frieden des Augenblicks zu schließen vermag; und zwar deshalb, weil sie es verabsäumt, an die Fundamente des Kapitals zu rühren.

    Solange der Kapitalismus besteht, sind - das wissen alle Sozialisten sehr wohl - Kriege unvermeidlich. Welche Ursachen sind es gewesen, die zum Weltkriege getrieben haben? Die Herrschaft des Kapitalismus bedeutet die Ausbeutung des Proletariats; sie bedeutet eine ständige und ungehemmte Ausdehnung des Kapitalismus auf dem Weltmarkt. Hier stoßen in scharfem Kontrast die kapitalistischen Mächte der verschiedenen nationalen Gruppen zusammen. Und dieser wirtschaftliche Zusammenstoß führt mit Notwendigkeit zuletzt zu einem Zusammenstoß der politischen und militärischen Waffen - zum Kriege. Man will uns jetzt mit der Idee des Völkerbundes zu beruhigen suchen, der einen dauernden Frieden zwischen den verschiedenen Staaten herbeiführen soll. Als Sozialisten sind wir uns völlig klar darüber, daß ein solcher Völkerbund nichts anderes ist als ein Bündnis der herrschenden Klassen der verschiedenen Staaten untereinander - ein Bündnis, das seinen kapitalistischen Charakter nicht verleugnen kann, gegen das internationale Proletariat gerichtet ist und einen dauernden Frieden nie zu garantieren vermag.

    Die Konkurrenz, das Wesen der kapitalistischen Produktion, bedeutet für uns Sozialisten Brudermord; wir aber fordern im Gegensatz dazu die internationale Gemeinsamkeit der Menschen. Nur der Wille des Proletariats ist auf einen dauernden und menschenwürdigen Frieden gerichtet; nie und nimmer kann der Imperialismus der Entente dem deutschen Proletariat diesen Frieden geben; ihn wird es von seinen Arbeitsbrüdern in Frankreich, Amerika und Italien erhalten. Den Weltkrieg durch einen dauernden und menschenwürdigen Frieden abzuschließen, das also allein vermag die Tatbereitschaft des internationalen Proletariats. So lehrt es uns unsere sozialistische Grundauffassung.

    Jetzt, nach diesem ungeheuren Morden, gilt es fürwahr ein Werk aus einem einzigen Guß zu schaffen. Die ganze Menschheit ist in den glühenden Schmelztiegel des Weltkrieges geworfen worden. Das Proletariat hält den Hammer in der Hand, um daraus eine neue Welt zu formen.

    Nicht nur unter dem Kriege und seiner Verwüstung leidet das Proletariat, sondern im Prinzip an der kapitalistischen Gesellschaftsordnung, der wahren Ursache dieses Krieges. Die kapitalistische Gesellschaftsordnung zu beseitigen, das ist die einzige Rettung des Proletariats aus dem dunklen Verhängnis seines Schicksals.

    Wie aber kann dieses Ziel erreicht werden ? Zur Beantwortung dieser Frage ist es nötig, sich völlig klar darüber zu sein, daß nur das Proletariat selbst in eigener Tat sich aus seiner Knechtschaft erlösen kann. Man hat uns gesagt: Die Nationalversammlung ist der Weg zur Freiheit. Die Nationalversammlung bedeutet aber nichts anderes als eine formelle politische Demokratie. Sie bedeutet durchaus nicht diejenige Demokratie, die der Sozialismus stets gefordert hat. Der Wahlzettel ist sicherlich nicht der Hebel, mit dem die Macht der kapitalistischen Gesellschaftsordnung aus den Fugen gehoben werden kann. Wir wissen, daß eine Reihe von Staaten diese formale Demokratie der Nationalversammlung seit langem besitzt, Frankreich, Amerika, Schweiz. Aber gleichwohl herrscht auch in diesen Demokratien das Kapital.

    Es ist keine Frage, daß sich bei den Wahlen zur Nationalversammlung der Einfluß des Kapitals, seine wirtschaftlich organisierte Überlegenheit in höchstem Maße geltend machen wird. Große Massen der Bevölkerung werden sich unter dem Druck und Einfluß dieser Überlegenheit in Gegensatz zu sich selbst, in Gegensatz zu ihren eigenen und wahren Interessen setzen und ihre Stimmen ihren Feinden geben. Schon aus diesem Grunde wird die Nationalversammlung niemals ein Sieg des sozialistischen Willens sein. Es ist völlig verkehrt, zu glauben, daß in der formalen Demokratie des Parlaments die sichere Voraussetzung und Bedingung für die Verwirklichung des Sozialismus gegeben sei. Vielmehr ist gerade umgekehrt erst der verwirklichte Sozialismus die grundlegende Voraussetzung für eine wahre Demokratie. Das revolutionäre deutsche Proletariat kann von einer Wiedergeburt des alten Reichstages in der neuen Form der Nationalversammlung nichts für seine Ziele erwarten; denn diese Nationalversammlung wird den gleichen Charakter tragen wie die alte »Schwatzbude« am Königsplatz. Wir werden in ihr sicherlich alle die alten Herrschaften wiederfinden, die dort vor dem Kriege und während des Krieges die Geschicke des deutschen Volkes in so verhängnisvoller Weise zu bestimmen suchten. Und wahrscheinlich ist es auch, daß die bürgerlichen Parteien in dieser Nationalversammlung die Mehrheit haben werden. Aber selbst, wenn das nicht der Fall sein sollte, wenn die Nationalversammlung mit einer sozialistischen Mehrheit die Sozialisierung der deutschen Wirtschaft beschließen sollte, so wird ein solcher parlamentarischer Beschluß ein papiernes Dekret bleiben und an dem energischsten Widerstand der Kapitalisten scheitern. Nicht im Parlament, nicht mit seinen Methoden kann der Sozialismus verwirklicht werden; hier ist einzig und allein der außerparlamentarische, revolutionäre Kampf des Proletariats entscheidend. Nur durch ihn ist das Proletariat imstande, die Gesellschaft nach seinem Willen zu formen.

    Die kapitalistische Gesellschaft ist ihrem Wesen nach nichts anderes als die mehr oder minder verhüllte Herrschaft der Gewalt. Ihre Absicht geht jetzt dahin, zu den gesetzlichen Zuständen der früheren »Ordnung« zurückzukehren und die Revolution, die das Proletariat gemacht hat, als einen ungesetzlichen Vorgang, gleichsam als ein geschichtliches Mißverhältnis zu diskreditieren und zu beseitigen. Aber nicht umsonst hat das Proletariat die schwersten Opfer in dem blutigen Kriege gebracht; wir, die Vorkämpfer der Revolution, werden uns nicht von unserem Platz verdrängen lassen. Wir bleiben so lange am Leben, bis wir die Macht des Sozialismus fundiert haben.

    Die politische Macht, die sich das Proletariat am 9. November erobert hat, ist ihm zum Teil schon wieder entrissen worden; entrissen worden ist ihm vor allen Dingen die Macht, die entscheidenden Stellen in der Staatsverwaltung durch die Männer seines Vertrauens zu besetzen. Auch der Militarismus, gegen dessen Herrschaft wir uns erhoben, ist noch am Leben. Wir kennen sehr wohl die Ursachen, die dazu geführt haben, das Proletariat aus seinen Positionen zu verdrängen. Wir wissen, daß die Soldatenräte zu Beginn der revolutionären Entwicklung die Situation nicht immer klar gesehen haben. Es haben sich in ihre Reihe zahlreiche schlaue Rechner eingeschlichen, Konjunkturrevolutionäre, Feiglinge, die nach dem Niederbruch der alten Macht sich an die neue anschlossen, um hier ihre bedrohte Existenz zu salvieren. In zahlreichen Fällen übergaben die Soldatenräte solchen Leuten verantwortungsvolle Stellungen und machten dadurch den Bock zum Gärtner. Andererseits hat die gegenwärtige Regierung die alte Kommandogewalt wiederhergestellt und auf diese Weise den Offizieren die Macht zurückgegeben.

    Wenn jetzt allenthalben in Deutschland ein chaotisches Durcheinander herrscht, so trägt die Verantwortung dafür nicht die Revolution, die die Macht der herrschenden Klassen zu beseitigen suchte, sondern diese herrschenden Klassen selbst und der Brand des Krieges, der von den herrschenden Klassen entzündet worden ist. »Ordnung und Ruhe muß herrschen&rlquo;, so ruft uns die Bourgeoisie zu, und sie meint damit, daß das Proletariat vor ihr kapitulieren solle, um diese Ordnung und Ruhe wiederherzustellen; daß das Proletariat seine Macht in die Hände derjenigen zurückgeben solle, die jetzt unter der Maske der Revolution die Gegenrevolution vorbereiten. Gewiß, eine revolutionäre Bewegung läßt sich nicht auf glattem Parkettboden durchführen; es setzt Splitter und Späne in dem Kampfe um eine neue und höhere Ordnung der Gesellschaft und einen dauernden Frieden der Menschheit.

    Dadurch, daß die Regierung den alten Generälen und Offizieren die Kommandogewalt zu dem Zwecke der Demobilisation der Armee zurückgegeben hat, hat sie die Demobilisation erschwert und zerrüttet. Sicherlich hätte sich die Demobilisation weit ruhiger und ordnungsmäßiger gestaltet, wenn sie der freien Disziplin der Soldaten überlassen worden wäre. Dagegen haben die Generäle, mit der Autorität der Volksregierung ausgerüstet, auf alle Weise versucht, die Soldaten mit Haß gegen die Regierung zu erfüllen. Sie haben die Soldatenräte eigenmächtig abgesetzt, sie haben schon in den ersten Tagen der Revolution das Tragen von roten Fahnen verboten und die roten Fahnen von öffentlichen Gebäuden herunterreißen lassen. Alle diese Vorgänge kommen auf das Schuldkonto der Regierung, die, um die »Ordnung« der Bourgeoisie aufrechtzuerhalten, in Wahrheit die Revolution erstickt, wenn es sein muß, in Blut.

    Und da wagt man, uns anzuklagen, daß wir es seien, die den Terror, den Bürgerkrieg und das Blutvergießen wollen; da wagt man, uns zuzumuten, wir sollten auf unsere revolutionäre Aufgabe verzichten, damit die Ordnung unserer Gegner wiederaufgerichtet werde! Nicht wir sind es, die Blutvergießen wollen. Aber sicher ist es, daß die Reaktion, sobald sie die Macht dazu hat, sich keinen Augenblick besinnen wird, die Revolution im Blut zu ersticken. Erinnern wir uns doch ihrer grausamen und niederträchtigen Schandtaten, mit denen sie sich noch vor wenigen Wochen und Monaten besudelte. In der Ukraine hat sie Henkersarbeit verrichtet, in Finnland hat sie Tausende von Arbeitern gemordet - das sind die Blutspuren an den Händen des deutschen Imperialismus, dessen Wortführer uns revolutionäre Sozialisten jetzt der Propaganda des Terrors und des Bürgerkrieges in ihrer lügenhaften Presse verdächtigen.

    Nein! Wir wollen, daß sich der Umbau der Gesellschaft und der Wirtschaft ohne Unordnung und in aller Friedlichkeit vollziehe. Und wenn Unordnung und Bürgerkrieg entstehen sollten, so werden einzig und allein diejenigen die Schuld tragen, die ihre Herrschaft und ihren Profit stets mit Waffengewalt befestigt und erweitert haben und die auch jetzt wieder versuchen, das Proletariat unter ihr Joch zu beugen.

    Also nicht zur Gewalt und nicht zum Blutvergießen rufen wir das Proletariat auf; aber wir rufen es auf zu revolutionärer Tatbereitschaft und zur Entfaltung all seiner Energie, auf daß es den Neubau der Welt in seine Hände nehme. Wir rufen die Massen der Soldaten und Proletarier dazu auf, an dem Ausbau der Soldaten- und Arbeiterräte tatkräftig fortzuwirken. Wir rufen sie dazu auf, die herrschenden Klassen zu entwaffnen, sich selbst aber zu bewaffnen zum Schutze der Revolution und zur Sicherung des Sozialismus. Das allein gibt uns die Gewähr für die Erhaltung und für den Ausbau der Revolution im Sinne der unterdrückten Volksklassen. Das revolutionäre Proletariat darf keinen Augenblick mehr zögern, die bürgerlichen Elemente aus allen ihren politischen und sozialen Machtstellungen zu entfernen; es muß die ganze Macht selbst in seine Hände nehmen. Gewiß, wir werden zur Durchführung der Sozialisierung des Wirtschaftslebens die Mitwirkung auch der bürgerlichen Intelligenz, der Fachmänner, der Ingenieure brauchen; aber sie werden unter Kontrolle des Proletariats ihre Arbeit verrichten.

    Von allen diesen dringendsten Aufgaben der Revolution hat die gegenwärtige Regierung noch nicht eine einzige in Angriff genommen. Dagegen hat sie alles getan, um die Revolution zurückzubremsen. Jetzt hören wir, daß unter ihrer Mitwirkung draußen auf dem Lande Bauernräte gewählt werden, Räte derjenigen Bevölkerungsschicht, die stets zu den rückständigsten und erbittertsten Feinden des Proletariats gehört hat und die bis auf den heutigen Tag der heftigste Feind des ländlichen Proletariats geblieben ist. All diesen Machenschaften müssen die Revolutionäre fest und entschlossen entgegentreten. Sie müssen von ihrer Macht Gebrauch machen und vor allem mit der Sozialisierung energisch und sicher beginnen.

    Der erste Schritt wird darin bestehen, daß die Waffenlager und die gesamte Rüstungsindustrie vom Proletariat mit Beschlag belegt werden. Dann müssen die industriellen und landwirtschaftlichen Großbetriebe in den Besitz der Gesellschaft überführt werden. Es kann kein Zweifel bestehen, daß sich diese sozialistische Umschaltung der Produktion bei der hohen und stark zentralisierten Form dieser Wirtschaftsgebilde in Deutschland verhältnismäßig leicht und schnell vollziehen läßt. Wir besitzen ferner ein bereits hochentwickeltes Genossenschaftswesen, an dem vor allem auch der Mittelstand interessiert ist. Auch dies ist ein geeignetes Mittel zu einer wirksamen Durchführung des Sozialismus.

    Wir sind uns völlig klar darüber, daß es sich bei dieser Sozialisierung um einen langen und großen Prozeß handelt. Wir verhehlen uns keineswegs die Schwierigkeiten, die dieser Aufgabe entgegenstehen, zumal in der gefährlichen Situation, in der sich unser Volk jetzt befindet. Aber glaubt jemand allen Ernstes, daß sich die Menschen den geeigneten Zeitpunkt für eine Revolution und für die Verwirklichung des Sozialismus nach ihrem Gutdünken und Belieben auszusuchen vermögen? So ist der Gang der Weltgeschichte wahrlich nicht! Jetzt geht es nicht an zu erklären: Für heute und morgen paßt uns die sozialistische Revolution nicht in unseren sorgfältig ausgerechneten Plan; aber übermorgen, wenn wir besser dazu vorbereitet sind, wenn wir wieder Brot und Rohstoffe haben und unsere kapitalistische Produktionsweise sich wieder in vollem Gang befindet, dann wollen wir über die Sozialisierung der Gesellschaft mit uns reden lassen. Nein, das ist eine grundfalsche und lächerliche Auffassung von dem Wesen der geschichtlichen Entwicklung. Man kann sich weder den geeignet erscheinenden Zeitpunkt für eine Revolution aussuchen noch die Revolution nach eigenem Ermessen vertagen. Denn was sind Revolutionen ihrem Wesen nach anderes als große und elementare gesellschaftliche Krisen, deren Ausbruch und Entfaltung nicht von dem Willen einzelner abhängt und die sich, über die Köpfe einzelner hinweg, gleich gewaltigen Gewittern entladen ! Schon Karl Marx hat uns gelehrt, daß die soziale Revolution in eine Krise des Kapitalismus fallen muß. Nun wohl, dieser Krieg ist nichts anderes als eine solche Krise; und darum hat jetzt, wenn irgendwann, die Stunde des Sozialismus geschlagen.

    Am Vorabend der Revolution, in jener Nacht vom Freitag zum Samstag, da hatten die Führer der sozialdemokratischen Parteien noch keine Ahnung, daß die Revolution schon vor der Tür stand. Sie wollten nicht daran glauben, daß die revolutionäre Gärung in den Massen der Soldaten und Arbeiter bereits so weit fortgeschritten sei. Als sie aber dann erfuhren, daß die große Schlacht bereits begonnen habe, da liefen sie alle eilig herbei, weil sie sonst hätten befürchten müssen, daß die gewaltige Bewegung über sie hinwegfluten werde.

    Der entscheidende Augenblick ist gekommen. Töricht und schwächlich sind alle diejenigen, denen er als ungeeignet erscheint und die darüber jammern, daß er gerade jetzt erschienen ist. Auf unsere Tatbereitschaft, auf unseren revolutionären Ernst und Willen kommt es jetzt an. Die große Aufgabe, auf die wir uns so lange vorbereitet haben, drängt der Lösung entgegen. Die Revolution ist da. Sie muß sein! Es handelt sich nicht mehr darum ob, sondern nur noch wie! Die Frage ist gestellt; und aus der Schwierigkeit der Situation, in der wir uns befinden, darf nicht der Schluß gezogen werden, daß jetzt keine Revolution sein solle.

    Ich wiederhole, daß wir diese Schwierigkeit nicht verkennen. Vor allem sind wir uns jener Schwierigkeit bewußt, die darin besteht, daß das deutsche Volk noch keine revolutionäre Erfahrung und Überlieferung besitzt. Andererseits ist aber gerade dem deutschen Proletariat die Aufgabe der Sozialisierung durch mancherlei Umstände wesentlich erleichtert. Die Gegner unseres Programms geben uns zu bedenken, daß es in einer so bedrohlichen Lage, jetzt, wo Arbeitslosigkeit, Mangel an Nahrungsmitteln und Rohstoffen vor der Türe stehen, unmöglich sei, mit der Vergesellschaftung der Wirtschaft zu beginnen. Aber hat die Regierung der kapitalistischen Klasse nicht gerade im Verlauf des Krieges, also in einer mindestens ebenso schwierigen Lage, wirtschaftliche Maßnahmen der durchgreifendsten Art getroffen, Maßnahmen, welche Produktion und Konsumtion grundlegend umgestalteten? Und alle diese Maßnahmen geschahen damals im Dienste des Krieges, zum Zwecke des Durchhaltens, im Interesse des Militarismus und der herrschenden Klasse.

    Die Maßnahmen der Kriegswirtschaft konnten nur durch die Selbstdisziplin des deutschen Volkes durchgeführt werden. Damals stand diese Selbstdisziplin im Dienste des Völkermordens, sie war zum Schaden des Volkes wirksam. Jetzt aber, wo sie im Interesse des Volkes, zu seinem eigenen Nutzen wirken soll, wird sie imstande sein, noch weit größere Leistungen und Umwandlungen zu vollbringen als je zuvor. Im Dienste des Sozialismus wird sie das Werk der Sozialisierung schaffen. Waren es doch gerade die Sozialpatrioten, die jene tief einschneidenden kriegswirtschaftlichen Maßnahmen als Kriegssozialismus bezeichneten, und Scheidemann, dieser gefügige Diener der Militärdiktatur, trat voller Begeisterung dafür ein. Nun, wir dürfen jedenfalls diesen Kriegssozialismus als eine Umbildung unseres Wirtschaftslebens betrachten, die wohl geeignet ist, als Vorbereitung der echten, im Zeichen des Sozialismus stehenden Sozialisierung zu dienen.

    Die Verwirklichung des Sozialismus ist unvermeidlich; sie muß kommen, gerade weil wir die Unordnung, über die man sich jetzt so aufregt, endgültig überwinden müssen. Aber diese Unordnung ist unüberwindlich, solange die Machthaber von gestern, die wirtschaftlichen und politischen Gewalten des Kapitalismus, am Ruder bleiben; denn sie haben dieses Chaos verursacht.

    Die Pflicht der gegenwärtigen Regierung wäre es gewesen, zuzugreifen und schnell und entschieden zu handeln. Aber sie hat die Aufgabe der Sozialisierung nicht um einen Schritt gefördert. Was hat sie in der Ernährungsfrage geleistet? Sie spricht zum Volke: »Du mußt hübsch artig sein und Dich gesittet benehmen, dann wird uns Wilson Lebensmittel schicken.« Das gleiche ruft uns Tag für Tag die gesamte Bourgeoisie zu, und diejenigen, die sich noch vor wenigen Monaten nicht genug darin tun konnten, den Präsidenten von Amerika zu beschimpfen und mit Kot zu bewerfen, sie begeistern sich jetzt für ihn und fallen ihm voller Bewunderung zu Füßen - um Lebensmittel von ihm zu erhalten. Ja freilich! Wilson und seine Genossen werden uns vielleicht helfen, aber sicherlich nur in dem Maße und in der Form, als es den imperialistischen Interessen des Ententekapitalismus entspricht. Jetzt beeilen sich alle offenen und heimlichen Gegner der proletarischen Revolution, Wilson als den guten Freund des deutschen Volkes anzupreisen, aber gerade dieser menschenfreundliche Wilson ist es ja gewesen, der den grausamen Waffenstillstandsbedingungen Fochs seine Billigung erteilt und dadurch dazu beigetragen hat, die Not des Volkes ins unermeßliche zu steigern. Nein, wir revolutionären Sozialisten glauben keinen Augenblick lang an den Schwindel von der Menschenfreundlichkeit Wilsons, der nichts anderes tut und tun kann, als die Interessen des Ententekapitals in kluger Berechnung zu vertreten. Doch wozu dient jener Schwindel, mit dem die Bourgeoisie und die Sozialpatrioten jetzt hausieren gehen, in Wahrheit? Um das Proletariat zu überreden und zu verleiten, die Macht, die es sich durch die Revolution erobert hat, preiszugeben.

    Wir werden nicht darauf hereinfallen. Wir stellen unsere sozialistische Politik auf den granitenen Boden des deutschen Proletariats; wir stellen sie auf den granitenen Boden des internationalen Sozialismus. Wir halten es weder mit der Würde noch mit der revolutionären Aufgabe des Proletariats für vereinbar, daß wir, die wir mit der sozialen Revolution begonnen haben, an die Barmherzigkeit des Ententekapitals appellieren, sondern wir rechnen auf die revolutionäre Solidarität und die internationale Tatbereitschaft der Proletarier Frankreichs, Englands, Italiens und Amerikas. Die Kleinmütigen und Ungläubigen, die jedes sozialistischen Geistes bar sind, rufen uns zu, daß wir Toren seien, auf den Ausbruch einer sozialen Revolution in den Ländern zu hoffen, die siegreich aus diesem Weltkrieg hervorgegangen seien. Wie steht es mit diesem Einwurf? Selbstverständlich wäre es völlig verkehrt, zu glauben, daß schon im nächsten Augenblick, gleichsam auf ein Kommando, die Revolution in den Staaten der Entente ausbrechen wird. Die Weltrevolution, die unser Ziel und unsere Hoffnung ist, ist ein viel zu gewaltiger historischer Prozeß, als daß sie sich Schlag auf Schlag, in Tagen und Wochen entfalten könnte. Die russischen Sozialisten haben die deutsche Revolution vorausgesagt als notwendige Konsequenz der russischen. Aber noch ein volles Jahr nach dem Ausbruch der russischen Revolution war alles bei uns still, bis schließlich doch die Stunde schlug.

    Jetzt herrscht bei den Völkern der Entente begreiflicherweise ein mächtiger Siegestaumel, und die Freude über die Zertrümmerung des deutschen Militarismus, über die Befreiung Belgiens und Frankreichs ist so laut, daß wir ein revolutionäres Echo von seiten der Arbeiterschaft unserer bisherigen Feinde in diesem Augenblick nicht erwarten dürfen. Und außerdem wird die Zensur, die in den Ententeländern noch gebietet, jede Stimme, die zum revolutionären Anschluß an das revolutionäre Proletariat auffordert, gewaltsam unterdrücken. Auch ist nicht zu übersehen, daß die verräterische und verbrecherische Politik der Sozialpatrioten dazu geführt hat, während des Krieges den internationalen Zusammenhang des Proletariats zu zerreißen und zu zerstören.

    Und was für eine Revolution ist es denn eigentlich, die wir jetzt von den Sozialisten Frankreichs, Englands, Italiens und Amerikas erwarten? Welches Ziel und welchen Charakter soll diese Revolution haben? Die Revolution vom 9. November stellte sich in ihrem ersten Stadium die Aufrichtung einer demokratischen Republik zur Aufgabe, sie hatte ein bürgerliches Programm; und wir wissen sehr gut, daß sie diesen Standpunkt auch auf der Stufe ihrer gegenwärtigen Entwicklung in Wahrheit noch nicht überwunden hat. Aber eine Revolution von solcher Art erwarten wir keineswegs von dem Proletariat der Entente, und zwar deswegen nicht, weil Frankreich, England, Amerika und Italien sich seit Jahrzehnten und Jahrhunderten bereits im festen Besitz dieser bürgerlich demokratischen Freiheit befinden, um die wir hier am 9. November gerungen haben. Sie besitzen die republikanische Staatsverfassung, also gerade dasjenige, was uns die gepriesene Nationalversammlung erst bescheren soll; denn das Königtum in England und Italien ist nur eine belanglose Äußerlichkeit, eine Dekoration und eine Fassade. Also wir können von dem Proletariat der Ententestaaten mit Fug gar keine andere als eine soziale Revolution erwarten. Doch wie sind wir zu einer solchen Erwartung berechtigt, wie können wir an das Proletariat der anderen Länder die Forderung einer sozialen Revolution stellen, solange wir selbst sie noch nicht gemacht haben ! Wir müssen also den ersten Schritt dazu tun. Je schneller und entschiedener das deutsche Proletariat mit dem guten Beispiel vorangeht, je schneller und entschiedener wir unsere Revolution zum Sozialismus hin entwickeln, je schneller wird uns das Proletariat der Entente folgen.

    Damit uns aber der große Wurf des Sozialismus gelingt - dazu ist es unbedingt erforderlich, daß die politische Macht dem Proletariat erhalten bleibe. Denn jetzt gibt es kein Schwanken und Zögern mehr, sondern nur noch ein klares Entweder - Oder. Entweder der bürgerliche Kapitalismus fährt fort zu leben und die Erde und die gesamte menschliche Gesellschaft zu beglücken mit seiner Ausbeutung und Lohnsklaverei und der Verewigung der Kriegsgefahr, oder aber das Proletariat besinnt sich auf seine weltgeschichtliche Aufgabe und auf sein Klasseninteresse, das es dazu aufruft, alle Klassenherrschaft für immer aufzuheben.

    Jetzt versucht man von sozialpatriotischer und bürgerlicher Seite, das Volk von dieser seiner geschichtlichen Mission abspenstig zu machen, indem man ihm die Gefahren der Revolution schwarz und gruselig an die Wand malt; indem man in den blutigsten Farben die Not und Zerstörung, den Aufruhr und Schrecken schildert, von denen die Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse angeblich begleitet sein wird. Aber diese Schwarzmalerei ist vergebene Liebesmüh ! Denn die Verhältnisse selbst, die Unfähigkeit des Kapitals, das Wirtschaftsleben, das von ihm zerstört wurde, wiederaufzubauen, sie sind es, die das Volk mit eiserner Notwendigkeit auf den Weg der sozialen Revolution treiben werden. Wenn wir die großen Streikbewegungen der letzten Tage mit Aufmerksamkeit betrachten, so erkennen wir deutlich, daß selbst mitten in der Revolution der Konflikt zwischen dem Unternehmertum und der Lohnarbeiterschaft lebendig ist. Der proletarische Klassenkampf ruht nicht, solange sich die Bourgeoisie auf den Trümmern ihrer ehemaligen Herrlichkeit behauptet; er wird erst ruhen in dem Augenblick, wo die soziale Revolution zum siegreichen Ende gelangt ist.

    Das ist es, was der Spartakusbund will.

    Jetzt greift man die Spartakusleute mit allen erdenklichen Mitteln an. Die Presse der Bourgeoisie und der Sozialpatrioten, vom »Vorwärts« bis zur »Kreuz-Zeitung«, strotzt von den abenteuerlichsten Lügen, von den frechsten Verdrehungen, von Entstellungen und Verleumdungen. Was schimpft man uns nicht alles nach? Daß wir den Terror verkünden; daß wir den blutigsten Bürgerkrieg entfesseln wollten; daß wir uns mit Waffen und Munition ausrüsten und den bewaffneten Aufstand vorbereiten. Mit einem Wort: daß wir die gefährlichsten und gewissenlosesten Bluthunde der Welt seien. Diese Lügen sind leicht zu durchschauen. Als ich gleich im Beginn des Krieges ein kleines, mutiges, opferbereites Häuflein von revolutionären Genossen um mich scharte und es dem Krieg und dem Kriegstaumel entgegenwarf, da wurden wir von allen Seiten niedergebrüllt, verfolgt und in den Kerker geworfen. Und als ich es offen und laut aussprach, was damals niemand auszusprechen wagte und was damals noch die wenigsten erkennen wollten: daß Deutschland und seine politischen und militärischen Leiter am Kriege schuldig seien - da hieß es, ich sei ein gemeiner Verräter, ein bezahlter Agent der Entente, ein vaterlandsloser Geselle, der den Untergang Deutschlands wolle. Wir hätten es bequemer haben können, wenn wir geschwiegen oder in den allgemeinen Chor des Chauvinismus und Militarismus eingestimmt hätten. Aber wir zogen es vor, die Wahrheit zu sagen, ohne auf die Gefahr zu achten, in die wir uns dadurch begaben. Jetzt sehen alle, auch diejenigen, die damals gegen uns wüteten, ein, daß das Recht und die Wahrheit auf unserer Seite waren. Jetzt, nach der Niederlage und nach den ersten Tagen der Revolution, sind dem ganzen Volk die Augen geöffnet worden, so daß es erkennt, daß es von seinen Fürsten, seinen Alldeutschen, seinen Imperialisten und Sozialpatrioten in diesen Abgrund seines Unglücks hineingestoßen worden ist. Und gerade jetzt wieder, wo wir abermals unsere Stimme erheben, um dem deutschen Volke den einzigen Weg zu zeigen, der es aus diesem Unglück zur wahren Freiheit und zum dauernden Frieden zu führen vermag, in diesem Augenblick kommen dieselben Menschen, die damals uns und die Wahrheit niederschrien, und nehmen ihren alten Feldzug der Lüge und der Verleumdung gegen uns wieder auf. Mögen sie auch jetzt geifern und schreien, mögen sie wie bellende Hunde hinter uns herlaufen - wir werden unseren geraden Weg, den Weg der Revolution und des Sozialismus, unbekümmert verfolgen, indem wir uns sagen: Viel Feind, viel Ehr! Nur zu wohl wissen wir es, daß die gleichen Verbrecher und Verräter, die im Jahre 1914 das deutsche Proletariat mit der Phrase des Sieges und der Eroberung, mit der Aufforderung zum »Durchhalten« und mit dem niederträchtigen Abschluß des Burgfriedens zwischen Kapital und Arbeit betrogen, daß diejenigen, die auf solche Art den revolutionären Klassenkampf des Proletariats zu ersticken suchten und jeden Streik als wilden Streik während des Krieges mit Hilfe ihres Organisationsapparates und der Behörden niederknebelten - daß sie die gleichen sind, die jetzt, im Jahre 1918, abermals vom Nationalfrieden sprechen und die die Solidarität aller Parteien zum Zweck des Aufbaues unseres Staates proklamieren.

    Dieser neuen Einigung von Proletariat und Bourgeoisie, dieser verräterischen Fortsetzung der Lüge von 1914 soll die Nationalversammlung dienen. Das soll ihre wahre Aufgabe sein. Mit ihrer Hilfe soll der revolutionäre Klassenkampf des Proletariats zum zweiten Male erstickt werden. Aber wir erkennen, daß hinter dieser Nationalversammlung in Wahrheit der alte deutsche Imperialismus steht, der trotz der Niederlage Deutschlands nicht tot ist. Nein, er ist nicht tot; und bleibt er am Leben, so ist das deutsche Proletariat um die Früchte seiner Revolution geprellt.

    Niemals darf das geschehen. Noch ist das Eisen warm, jetzt müssen wir es schmieden. Jetzt oder nie! Entweder wir gleiten zurück in den alten Sumpf der Vergangenheit, aus dem wir in revolutionärem Anlauf versucht haben, uns zu erheben, oder wir setzen den Kampf fort bis zum Sieg und zur Erlösung, bis zur Erlösung der ganzen Menschheit von dem Fluche der Knechtschaft. Damit wir dieses große Werk, die größte und erhebendste Aufgabe, die der menschlichen Kultur je gestellt worden ist, siegreich vollenden, dazu muß das deutsche Proletariat zur Aufrichtung der Diktatur schreiten.

    #auf_deutsch #histoire #politique #révolution #Allemagne #communisme

  • Sonderzug nach Pankow
    https://www.nthuleen.com/teach/lyrics/sonderzug.html

    Udo Lindenberg, 1983

    Entschuldigen Sie, ist das der Sonderzug nach Pankow?
    Ich muss mal eben dahin, mal eben nach Ost-Berlin.
    Ich muss da was klären mit eurem Oberindianer:
    Ich bin ein Jodeltalent ...
    Und will da spielen mit ’ner Band.

    Ich hab ’ne Flasche Cognac mit und das schmeckt sehr lecker,
    das schlürf’ ich dann ganz locker mit dem Erich Honecker.
    Und ich sag’ »Hey Honey, ich sing’ für wenig Money
    im Republikpalast, wenn ihr mich lasst.«
    All die ganzen Schlageraffen dürfen da singen
    dürfen ihren ganzen Schrott zum Vortrage bringen.
    Nur der kleine Udo, nur der kleine Udo
    der darf das nicht und das verstehen wir nicht.

    Ich weiß genau, ich habe furchtbar viele Freunde,
    in der DDR ...
    Und stündlich werden es mehr.
    Oh, Erich, eh, bist du denn wirklich so ein sturer Schrat?
    Warum lässt du mich nicht singen im Arbeiter- und Bauernstaat?

    Ist das der Sonderzug nach Pankow?
    Ist das der Sonderzug nach Pankow?
    Entschuldigung, der Sonderzug nach Pankow?

    Ich hab ’ne Flasche Cognac mit und das schmeckt sehr lecker,
    das schlürf’ ich dann ganz locker mit dem Erich Honecker.
    Und ich sag’ »Hey Honey, ich sing’ für wenig Money
    im Republikpalast, wenn ihr mich lasst.«
    All die ganzen Schlageraffen dürfen da singen
    dürfen ihren ganzen Schrott zum Vortrage bringen.
    Nur der kleine Udo, nur der kleine Udo
    der darf das nicht und das verstehen wir nicht.

    Honey, ich glaub’, du bist doch eigentlich auch ganz locker.
    Ich weiß, tief in dir drin, bist du doch eigentlich auch ein Rocker.
    Du ziehst dir doch heimlich auch gerne mal die Lederjacke an
    Und schließt dich ein auf’m Klo und hörst West-Radio.
    Hallo, Erich, kannst mich hören? Hallo, Hallöchen, Hallo!
    Hallo, Honey, kannst mich hören? Hallo, Hallöchen, Hallo!

    (Towarischtsch Erich! Meshdu protschim, werchownij sowjet ne imejet nitschewo protiw gastrolej Gospodina Lindenberga w GDR! = Genosse Erich, im übrigen hat der Oberste Sowjet nichts gegen ein Gastspiel von Herrn Lindenberg in der DDR)

    #auf_deutsch #Songtext #DDR #musique

  • 11 Udo Lindenberg Zitate, die dein Leben bereichern | Mit Vergnügen Hamburg
    https://hamburg.mitvergnuegen.com/2017/udo-lindenberg-zitate

    Nach den Weisheiten des Hamburger Urgesteins Udo Lindenberg zu leben, wird euch entweder neue geistige Horizonte aufzeigen oder euch völlig verkatert an irgendeinem Tresen aufwachen lassen. Was ihr lieber mögt, ist eure Sache – sucht euch aus den folgenden elf geistigen Ergüssen des Altmeisters aus dem Atlantic Hotel die schönsten heraus.

    1.
    Ich trinke gezielter, aber ich bin immer an der ’WiWi-Fakultät" eingeschrieben – als Student für Wirkstoff-Wissenschaften.
    Udo Lindenberg, Akademiker

    2.
    Dann geb ich einen aus und werd’ ne Pipeline für den Eierlikör verlegen.
    Udo Lindenberg, Kanalisations-Experte

    3.
    Die Spinner von gestern sind die Erfinder von morgen.
    Udo Lindenberg, Visionär

    4.
    Ich bin Abenteurer, bis es mich wegreißt und ich auf der Bühne sterbe, in den Armen einer schönen Frau oder eines schönen Mannes. Ich bin ja von den flexiblen Betrieben.
    Udo Lindenberg, lebendig

    5.
    Ich bin von Beruf Udo Lindenberg. Meinen Job gibt es nur einmal auf der Welt.
    Udo Lindenberg, Udo Lindenberg

    6.
    Ich fiel direkt vom Himmel auf ein Doppelkornfeld.
    Udo Lindenberg, Skydiver

    7.
    Realität ist nur eine Illusion, die sich durch Mangel an Alkohol einstellt.
    Udo Lindenberg, Realist

    8.
    Andere denken nach, wir denken vor.
    Udo Lindenberg, Pionier

    9.
    Große Ereignisse werfen ihre Schatten unter die Augen
    Udo Lindenberg, gut geschminkt

    10.
    Natürlich können Drogen die künstlerische Arbeit befeuern, das weiß man von Goethe, Freud, Bukowski und vielen anderen. Aber die haben auch die Regel befolgt: Im Rausch schreiben, nüchtern gegenlesen.
    Udo Lindenberg, vielleicht nüchtern

    11.
    Jeder Tag ist gleich lang, aber nicht gleich breit.
    Udo Lindenberg, Poet

    #auf_deutsch #musique #culture

    • Klaus, tu sais que quand tu te mets soudainement à référencer (plusieurs fois, en plus) quelqu’un dont on n’a jamais entendu parler, la première idée qui nous vient, c’est de penser qu’il est mort.

      (Donc je l’ai googlé. Mais on va dire que cette fois ce sera ta faute.)