• Deutsche Bahn sucht Admin für Windows 3.11 for Workgroups
    https://www.heise.de/news/Deutsche-Bahn-sucht-Admin-fuer-Windows-3-11-for-Workgroups-9611543.html

    Depuis les années 1990 il faut renouveler tous les deux ans ses compétences en matière de systèmes informatiques si on veut trouver des jobs. Les services de la Deutsche Bahn sont moins exigeants. On y trouve toujours des postes avec ses connaissances d’il y a 30 ans.

    29.1.2024 von Dirk Knop - Eine Stellenanzeige der Deutschen Bahn wirkt auf den ersten Blick wie ein irrlaufender Wiedergänger aus der Vergangenheit. Darin suchte das Unternehmen nach Administratoren für Windows 3.11. Das Betriebssystem Windows 3.11 wird in wenigen Tagen 30 Jahre alt, es erschien im Februar 1994. Windows for Workgroups 3.11 erschien ein Quartal früher und tauchte in der Stellenanzeige ebenfalls auf. „Tauchte“, weil etwa gegen 11:30 Uhr am heutigen Montag die Stellenanzeige aus nicht näher erläuterten Gründen vom Netz genommen wurde, auch in anderen Job-Portalen, wo sie geschaltet war. Eine Anfrage von heise online zu den Details der Stellenanzeige bei Gulp blieb bisher unbeantwortet.


    Stellenanzeige für Windows-3.11-Admin

    Die Bahn sucht nach Administratoren für Windows 3.11. (Bild: Screenshot / dmk / gulp.de)

    Windows 3.11 for Workgroups ergibt deshalb Sinn, da die Stelle als „Remote“ ausgeschrieben war. Daher sollte ein TCP-IP-Stack für Fernwartung vorhanden sein. Das Aufgabenspektrum, das die Bahn sich vorstellte, umfasste die Aktualisierung von Treibern sowie die Pflege des Altsystems. Bewerber sollen Kenntnisse in Windows 3.11 haben, präziser in den „Legacy-Betriebssystemen und Windows-Managern (insbesondere MS DOS und Windows for Workgroups)“.
    Bahn: unglückliche Stellenbeschreibung

    Die Stellenbeschreibung war etwas unglücklich formuliert. Möglicherweise kam eine KI zur Ausformulierung zum Einsatz, was ebenfalls auf die Aktualität der Meldung deutet. Das könnte auch der Grund für den Rückzug der Ausschreibung sein.

    „Das Ergebnis Ihrer Arbeit ist eine hochwertige Display-Software, deren Schnittstellen zur Fahrzeugsteuerung bzw. Fahrzeugleittechnik reibungslos funktionieren“, forderte die Bahn. Das Anzeigesystem in den Führerständen von Hochgeschwindigkeits- und Regionalzügen zeige dem Fahrer die wichtigsten technischen Daten in Echtzeit an, erklärte das Unternehmen weiter. Das gewünschte Ergebnis lässt sich bei genauer Betrachtung eigentlich nur sicherstellen, wenn man gegebenenfalls selbst Hand an den Programmcode anlegt.

    Allerdings sagte die Aufgabenbeschreibung lediglich, dass die Administratoren „Treiber aktualisieren“ sollen. Auch das könnte schwer sein: Anbieter „normaler“ Produkte bieten keine Treiber für ein derart altes System mehr an. Selbst programmieren wäre auch da eine Lösung. Womöglich hat die Bahn aber entsprechende Wartungsverträge mit Hardware-Anbietern von damals, die die Software-Pflege auf viele Jahrzehnte sichern. Explizit erläuterte die Stellenanzeige das jedoch nicht. Es war auch nicht ersichtlich, welche Pflege die Altsysteme benötigen würden. Beim Auswerten von Daten könnten temporäre Dateien anfallen, sodass Systemreinigungen und Defragmentierungen alter Festplatten noch sinnvoll sein könnten. Auch hier blieb die Stellenbeschreibung oberflächlich.

    Gerne sollten Bewerber jedoch bereits Kenntnisse von Systemen der Deutschen Bahn wie Sibas (Siemens Bahn Automatisierungs System) haben, auch seien „Kenntnisse mit bildgebenden Systemen oder im Bahnbereich von Vorteil“.

    Systeme sind bei der Bahn oft viele Jahrzehnte im Einsatz, was mit modernen und gewohnten Produkt-Lebenszyklen nicht viel gemein hat. Neue Entwicklungen für die Bahn haben auch langen Vorlauf. Erst 2015 wurde die ICE-Flotte etwa mit einer Sitzplatzreservierung ausgestattet, die per DFÜ die Informationen ausliefert. Bis dahin war es üblich, die Daten auf Disketten zu liefern.

    Wer Windows 3.11 for Workgroups noch einmal anfassen möchte, muss dafür keine alte Hardware entstauben oder erst Installationsmedien suchen. Das Internet Archiv stellt eine im Browser lauffähige Version für die Zeitreise zurück nach 1993 bereit.

    #Allemagne #chemins_de_fer #Deutsche_Bahn #Microsoft #Windows #travail #wtf

  • „Dauerkolonie“ im Afrikanischen Viertel in Berlin: Führung erklärt deutschen Kolonialismus
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/afrikanischen-viertel-in-berlin-fuehrung-erklaert-deutschen-kolonia


    Justice Mvemba will über die deutsche Kolonialgeschichte aufklären. Foto: Sabine Gudath

    27.1.2024 von Maria Häußler - Warum sollten manche Straßen umbenannt werden? Was ist problematisch an den Kleingartenkolonien in Wedding? Und was hat das alles mit Edeka zu tun?

    An diesem Freitagnachmittag im Januar zieht sich eine dünne Schneeschicht über den Gehsteig der Swakopmunder Straße im Wedding, in der sich eine Gruppe von etwa fünfzehn Menschen für eine „Dekoloniale Stadtführung“ trifft. Sie haben eine private Führung gebucht, die Kosten werden von einer Stiftung übernommen. Untereinander sprechen die Teilnehmer über kalte Zehen und wünschten sich, sie seien wärmer gekleidet. Trotzdem stellen sie so viele Fragen, dass die Führung, die auf zwei Stunden ausgelegt ist, eine halbe Stunde länger dauert.

    Warum sollten manche Straßen im Afrikanischen Viertel in Wedding umbenannt werden und andere nicht? Was ist daran problematisch, eine Kleingartenkolonie „Dauerkolonie Togo“ zu nennen? Und welche Folgen hatte die Afrika-Konferenz in Berlin? Mit solchen Fragen beschäftigt sich Justice Mvemba. Die 32 Jahre alte Frau bietet eine „Dekoloniale Stadtführung“ an, in der all diese Fragen beantwortet werden. Sie ist damit auch an der Frontlinie eines Kulturkampfes: Während manche von einer „woken“ Bewegung sprechen, die nur spalte, sehen andere darin eine überfällige gesellschaftliche Änderung, die ihrer Meinung nach zu mehr sozialer Gerechtigkeit führt.

    Die Stadtführerin Justice Mvemba führt auch Gruppen durchs Humboldt-Forum, heute aber soll es das Afrikanische Viertel sein. An sieben Orten von der U-Bahnstation Afrikanische Straße bis zur Haltestelle Rehberge spricht die Stadtführerin über deutschen Kolonialismus und seine Folgen. Das beginnt schon beim Namen des Viertels: Carl Habenbeck wollte im Volkspark Rehberge einen Zoo mit afrikanischen Tieren aus den Kolonien gründen. Auch Menschen sollten in einer sogenannten Völkerschau ausgestellt werden. Die Völkerschau fand nie statt, das Afrikanische Viertel sollte trotzdem die kolonialen Errungenschaften würdigen.

    Davon erzählt Justice Mvemba gleich zu Beginn der Führung. Sie hält Fotos und Landkarten hoch, mal um zu zeigen, wie viele Staaten in den Kontinent Afrika passen, mal um über den Marterpfahl auf einem Spielplatz im Volkspark Friedrichshain zu sprechen. Die Teilnehmer der Tour stellen kaum kritische Fragen, stattdessen tragen sie ihr Wissen über rassismussensible Sprache und die deutschen Kolonien bei.

    „Kritische Fragen sind selten“, sagt Justice Mvemba der Berliner Zeitung. „Diese Gruppe ist aber besonders interaktiv.“ Dann spricht sie vom Handel mit Kolonialwaren, einen deutschen Kolonialwarenhändler gebe es immer noch. „Du grinst schon so. Kennst du ihn?“, fragt sie eine Frau mit Puschelmütze. „Edeka“, antwortet die. Die Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler nennt sich tatsächlich immer noch so. „Während der Holocaust als Verbrechen gilt, ist die Kolonialzeit bis heute positiv besetzt“, erklärt Mvemba.

    Ist das eine Dauerkolonie oder kann das weg?

    Eine Deutschlandflagge weht über einer der Hütten des „Dauerkleingartenvereins Togo e.V.“, der inzwischen nur noch „Dauerkleingartenverein“ heißt. Vor Ort ist die Änderung nicht sichtbar, ein Schild zeigt daneben auch den Namen „Dauerkolonie Togo“. Dass Kleingärten auch Kolonien genannt werden, verharmlose laut Mvemba die Kolonialzeit. Sie zieht sogar eine Verbindung zwischen dem Hissen von Flaggen in den Kleingärten und auf jenen Gebieten, die Siedler in den Kolonien einst besetzten.

    Ein Großteil der Kleingärtner wolle die Umbenennung nicht. Sie selber habe nichts damit zu tun gehabt, sagt Mvemba, trotzdem führe sie Gespräche mit einzelnen Mitgliedern: Der Name sei Tradition, sagen die. Mvemba ist der Ansicht, der Name „Dauerkolonie Togo“ führe nicht dazu, dass Kleingärtner sich kritisch mit der Kolonialgeschichte auseinandersetzen. „Davon kann man nicht ausgehen“, sagt sie der Berliner Zeitung nach dem Stopp vor dem Kleingartenverein. „Nach einer Umbenennung beschäftigen sich die Leute eher damit.“

    Einige aus der Gruppe sehen das ähnlich. „Warum steht das Schild immer noch da?“ Die Person, die die Führung gebucht hat, klingt erstaunt. In der Petersallee fragt dann doch jemand genauer nach: „Wie siehst du das denn, sollte zum Beispiel die Swakopmunder Straße auch umbenannt werden?“, fragt ein junger Mann, der selbst im Afrikanischen Viertel lebt. Es klingt zögernd. Swakopmund ist eine Stadt in der ehemals deutschen Kolonie Namibia. „Das Afrikanische Viertel soll erhalten bleiben“, sagt Mvemba und schaut auf das Schild der Petersallee. „Es wäre fatal, wenn das ausradiert wird. Der Unterschied ist, dass hier ein Mensch geehrt wird.“

    Die Kolonisierten im ehemaligen Deutsch-Ostafrika (heute Tansania) nannten Carl Peters wegen seiner Brutalität auch „Blutige Hand“. Nach ihm ist die Straße benannt, in der die Gruppe jetzt stehen bleibt. Die Stadt hat sie offiziell schon 1986 dem Berliner Stadtverordneten Peters gewidmet – doch das ist am Straßenschild nicht erkennbar. Das reicht den Initiativen nicht, die sich für Straßenumbenennungen einsetzen: Für einen Perspektivwechsel in der Erinnerungspolitik soll ihrer Ansicht nach ein Widerstandskämpfer geehrt werden, wie am Manga-Bell-Platz und der Cornelius-Fredericks-Straße.

    Die Führung endet an einer Informationsstele, auf der der Kampf um Sprache in Bezug auf postkoloniale Perspektiven noch einmal deutlich wird: Nach mehr als sechs Jahren Diskussion über die Formulierung eines Textes über das Afrikanische Viertel haben sich die Stadt Berlin und die afrodiasporische Gemeinschaft auf einen Kompromiss geeinigt: Auf einer Seite ist der Text der Stadt zu lesen, auf der anderen Seite der der afrodiasporischen Gemeinschaft.

    Die Teilnehmer wechseln von einer Seite zur anderen, sie sollen identifizieren, welcher Text von wem geschrieben wurde. An den Anführungsstrichen um das „Afrikanische Viertel“ und der Bebilderung erkennen sie es: Laut Mvembas Interpretation werden auf der Seite der Stadt nach wie vor die Täter in den Vordergrund gerückt. Die Kolonisierten seien dagegen herabwürdigend dargestellt: Auf einem der Fotos hocken einige von ihnen halbnackt auf dem Boden.

    #Berlin #Wedding #Swakopmunder_Straße #Afrikanische_Straße #Petersallee #Rehberge #Dauerkolonie_Togo #Stadtführung #Deutsch-Ostafrika #Tansania #Kolonialismus

  • BVerfG zur Versammlungsfreiheit - Kein Demo-Verbot am Frankfurter Flughafen
    https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/bverfg-zur-versammlungsfreiheit-kein-demo-verbot-am-frankfurter-flughafen

    22.2.2011 von Dr. jur. Alfred Scheidler22.02.2011 - Karlsruhe spricht mal wieder ein Machtwort. Das BVerfG hat ein von der Fraport AG ausgesprochenes Demonstrationsverbot am Flughafen Frankfurt aufgehoben. Die Entscheidung ist nicht nur ein Sieg für die Demonstranten. Sie definiert auch die Reichweite der Versammlungsfreiheit und die Grundrechtsbindung privater Unternehmen in öffentlicher Hand.

    Der Flughafen Frankfurt wird von der Fraport AG betrieben, in deren Eigentum auch das Flughafengelände steht. Die Anteile der Fraport AG werden mehrheitlich von der öffentlichen Hand gehalten. Im Jahr 2004 demonstrierten elf Aktivisten an einem Abfertigungsschalter des Flughafens gegen die Abschiebung von Ausländern.

    Gestützt auf ihr Hausrecht und die Flughafenbenutzungsordnung sprach die Fraport AG gegenüber den Demonstranten ein Demonstrations- und Meinungskundgabeverbot aus. Alle zivilgerichtlichen Instanzen bestätigten das Verbot. Gegen diese zivilgerichtlichen Entscheidungen legte eine Demonstrantin Verfassungsbeschwerde ein, der nun das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit nur einer Gegenstimme stattgegeben hat (Urt. V. 22.01.2011, Az. 1 BvR 699/06).

    Das Urteil hat grundsätzliche Bedeutung, weil die Verfassungsrichter sich erstmals detailliert mit der Frage auseinandersetzen mussten, ob und inwieweit das Grundrecht der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Grundgesetz, GG) auch das Recht gewährt, Privateigentum Dritter in Anspruch zu nehmen. Der 1. Senat beantwortet sie deutlich: Der Staat ist „unabhängig davon, in welcher Rechtsform er gegenüber dem Bürger auftritt“, an die Grundrechte gebunden, so der Vorsitzende des Ersten Senats, Ferdinand Kirchhof, in der mündlichen Urteilsbegründung.

    Die überragend wichtige Bedeutung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit für ein demokratisches Gemeinwesen hat das BVerfG immer wieder betont (grundlegend im Brokdorf-Beschluss vom 14. Mai 1985, Az. 1 BvR 233/81). Dabei stellte Karlsruhe stets heraus, dass das Grundrecht aus Art. 8 GG auch das Interesse des Veranstalters schützt, einen Beachtungserfolg nach seinen Vorstellungen zu erzielen. Der Veranstalter einer Demonstration kann also den Ort einer Versammlung grundsätzlich frei wählen (BVerfG, Entscheidung vom 6. Juni 2007, 1 BvR 1423/07, NJW 2007, 2168).
    Die Versammlung: Zwischen Freiheit und Eigentum

    Dieses Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters über Gegenstand, Zeitpunkt und Ort der Versammlung ist allerdings beschränkt, soweit seine Ausübung zur Kollision mit Rechtsgütern anderer führt (BVerfG, Entscheidung v. 2. Dezember 2005, 1 BvQ 35/05). Es hätte also auch nicht sonderlich verwundert, wenn der 1. Senat das Demonstrationsverbot auf dem Frankfurter Flughafen unter Hinweis auf das Eigentumsrecht der Fraport AG bestätigt hätte.

    Immerhin hat auch schon das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) ausgeführt, dass die Entscheidung über Ort und Zeit einer Versammlung die rechtliche Verfügungsbefugnis über den Versammlungsort voraussetzt. Auch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit begründet also kein Benutzungsrecht, das nicht schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen besteht: „Das Recht der freien Ortswahl umfasst mit anderen Worten nicht das Recht, fremdes Grundeigentum nach Belieben in Anspruch zu nehmen“ (BVerwG, Urt. v. 29. Oktober 1992, 7 C 34/91).

    Im selben Sinne hat das Oberverwaltungsgericht Schleswig bezogen auf den in privater Trägerschaft betriebenen Lübecker Herrentunnel entschieden, dass ein Demonstrationszug durch den Tunnel verboten werden kann, wenn der private Betreiber sein Einverständnis nicht erklärt hat (Urt. v. 19. Februar 2008, 3 A 235/07).

    Für den Frankfurter Flughafen kommt das BVerfG in seiner am Dienstag verkündeten Entscheidung zu einem anderen Ergebnis: Entscheidend ist, dass die Anteile der Fraport AG im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, nämlich aufgeteilt auf das Land Hessen und die Stadt Frankfurt. Die Fraport AG unterliegt damit einer unmittelbaren Grundrechtsbindung. In solchen Bereichen des Flughafens, die als Orte allgemeinen kommunikativen Verkehrs ausgestaltet sind, muss sie also Versammlungen zulassen.
    Keine Flucht ins Privatrecht

    Beiläufig machen die Bundesrichter in diesem Zusammenhang die interessante Bemerkung, dass Versammlungen an solchen Orten allgemeinen kommunikativen Verkehrs solche unter freiem Himmel sind. Das soll unabhängig davon gelten, ob sie in der freien Natur oder in geschlossenen Gebäuden stattfinden.

    Trotz dieser Entscheidung steht nicht zu befürchten, dass der Flughafenbetrieb in Frankfurt künftig durch groß angelegte Demonstrationen spürbar beeinträchtigt wird. Der Senat hat nämlich auch auf die besondere Störanfälligkeit eines Flughafens hingewiesen. Seine primäre Funktion ist die Abwicklung des Luftverkehrs. Diese Funktion erlaubt Einschränkungen der Versammlungsfreiheit, wie sie im öffentlichen Straßenraum nicht möglich wären. Diese Kernaussage der Entscheidung ist auch auf die Bahnhöfe der privatisierten Deutschen Bahn AG übertragbar.

    Für beide Örtlichkeiten dürfte aber auch gelten, was Kirchhof bei der Urteilsverkündung betonte: Die Versammlungsfreiheit könne eingeschränkt werden, wenn das für die Sicherheit und Funktionsfähigkeit des Flughafenbetriebs erforderlich sei. Dies gelte jedoch nicht, um lediglich „ein angenehmes Konsumklima zu erhalten“.

    Einmal mehr bestätigt Karlsruhe seinen Ruf als Hüter der Freiheitsrechte. Die Richter stärken erneut das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, Gleichzeitig gewähren sie Demonstranten aber kein unbeschränktes Zutrittsrecht zu beliebigen Orten. Der Senat macht deutlich, dass Versammlungen auch zukünftig nicht ohne Weiteres auf frei gewählten Privatgrundstücken durchgeführt werden können. Wie so oft ist damit das Urteil des höchsten deutschen Gerichts auch ein salomonisches.

    Der Autor Dr. Alfred Scheidler ist Oberregierungsrat in Neustadt an der Waldnaab und Autor zahlreicher Publikationen zum öffentlichen Recht, u. a. zum Versammlungsrecht.

    Mehr auf LTO.de:

    BVerfG: Unterbliebene Anmeldung lässt Grundrechtsschutz für Versammlung nicht entfallen
    https://www.lto.de/de/html/nachrichten/2330/bverfg-unterbliebene-anmeldung-laesst-grundrechtsschutz-fuer-versammlung-nicht-e

    Alfred Scheidler, BVerfG zur Versammlungsfreiheit: Kein Demo-Verbot am Frankfurter Flughafen . In: Legal Tribune Online, 22.02.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2603 (abgerufen am: 24.10.2023 )

    #Deutschland #Bundesverfassungsgericht #BVG #Versammlungsfreiheit #Flughafen

  • German politician Beck apologizes for drug scandal – DW – 04/13/2016
    https://www.dw.com/en/german-lawmaker-volker-beck-apologizes-for-drug-scandal/a-19184941

    Ein typischer Grüner : Rebellisch und ökologisch vor laaanger Zeit, dann angepasst, dass verkokst und nun nur noch liberal. Die Bürgerkinder wurden selber Bürger. Wen wunderts.

    High-profile Greens politician Volker Beck has paid a 7,000-euro fine for drug possession, effectively ending the case in the investigation stage. The lawmaker lamented his actions, calling them “wrong and dumb.”

    https://static.dw.com/image/19184629_605.webp
    Image: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

    German authorities ended the probe against Beck, describing the possession charges as a “minor offense,” a spokesman for Berlin prosecutors said on Wednesday.

    The long-time Bundestag member was arrested in early March with 0.6 grams of a “suspicious substance,” which the media claimed to have been crystal meth.

    On Wednesday, Beck confirmed that the officials had ended the preliminary proceedings after agreeing on a 7,000 euro ($7,900) fine.

    “My behavior was wrong, and dumb,” the lawmaker said, reading out a statement to reporters in Berlin.

    Beck also apologized for a statement he made after the arrest, where he referred to his liberal political attitudes towards drug use. His colleagues have since accused the politician of trying to justify breaking the law with party policy.

    Marijuana vs. meth

    Like many members of the Greens party, Beck has called for legalization of cannabis and drug consumption in general. Crystal meth, however, is a highly addictive and damaging drug.


    Beck is a well-known fighter for minority rightsImage: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

    In his address on Wednesday, Beck said that he did not mean to say that his behavior had been harmless.

    The earlier statement “could have been misconstrued, and I apologize for it,” he told reporters.

    Still in Bundestag

    After the arrest, Beck resigned from several of his posts, including his role as Chair of the German-Israeli Parliamentary Friendship Group, and the Greens party spokesman for internal and religious affairs.

    At the same time, Beck did not give up his parliamentary mandate and remains on sick leave.

    According to sources cited by the AFP news agency, Beck now intends to discuss his political future with other Greens party lawmakers. His return to the spokesman post, however, remains unlikely.

    #Deutschland #Politik #Grüne #Drogen

  • Taxigewerbe: Tarifverhandlungen zu Mindestlohn gescheitert
    https://www.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++ce297188-3bec-11e4-a942-5254008a33df
    Die erfolglosen Tarifverhandlungen anlässlich der Einführung des Mindestlohns war das letzt Engangement des ver.di Bundesverbands für die Taxifahrer Deutschlands.

    Der gesetzliche Mindestlohn betrug zum Zeitpunkt seiner EInführung 1. Januar 2015 € 8,50 brutto pro Stunde und beläuft sich seit dem 1. Oktober 2022 auf € 12,00.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Mindestlohngesetz_(Deutschland)#H%C3%B6he_des_Mindestlohns

    Mindestlohngesetz
    https://www.gesetze-im-internet.de/milog/index.html

    Pressemitteilung vom 14.09.2014

    Die Verhandlungen über einen Mindestlohntarifvertrag im deutschen Taxigewerbe sind gescheitert. Das hat die zuständige Tarifkommission der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) nach intensiven Beratungen am Wochenende beschlossen. „Die Arbeitgeber wollten schlechte Arbeitsbedingungen tarifvertraglich festschreiben und gleichzeitig an Löhnen deutlich unter 8,50 Euro pro Stunde festhalten. Das lehnen wir ab. Mit uns gibt es nur klare, nachvollziehbare Regelungen, die Verbesserungen für die Beschäftigtenin der Branche bringen", stellte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Christine Behle klar.

    „Unser Ziel war es, eine bislang völlig unzureichend geregelte Branche erstmalig bundesweit einheitlich zu tarifieren und den Beschäftigten verlässliche Löhne und Arbeitsbedingungen zu sichern“, sagte Behle: „Das ist an der Blockadehaltung der Arbeitgeberseite gescheitert.“ Sie seien darauf fixiert gewesen, deutlich niedrigere Stundenlöhne als die ab 1. Januar 2015 gesetzlich geltende Vergütung in Höhe von 8,50 Euro zu vereinbaren. Gleichzeitig hätten sie aber jegliche kostenwirksame Verbesserung bei den Arbeitsbedingungen abgelehnt. Demnach wollten die Taxi-Unternehmen bei Schichtlängen von zwölf Stunden mehr als 40-Wochenstunden ebenso festschreiben wie eine Sechs-Tage-Arbeitswoche. Als Einstieg in den Mindestlohn hätten ihnen 6,80 Euro je Stunde vorgeschwebt. „Dabei wollten sich die Arbeitgeber jegliche Erhöhungen durch Absenkungen an anderer Stelle von den Arbeitnehmern bezahlen lassen“, kritisierte Behle.

    Zudem hatte ver.di gefordert, dass eine individuelle Arbeitszeitdokumentation der Fahrer verbindlich vorgeschrieben werden muss. Dies sollte über geeignete Taxameter geschehen. Auch das hatten die Arbeitgeber aus Kostengründen abgelehnt. Ein verbindlicher Arbeitszeitnachweis sei für die Beschäftigten unverzichtbar, erklärte Behle weiter. Die Verweigerungshaltung der Arbeitgeber sei vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelungen im kommenden Jahr völlig unverständlich: Mit dem Mindestlohngesetz werde die Arbeitszeiterfassung ohnehin zur Pflicht.

    Ohne Tarifvertrag gilt für angestellte Taxifahrer künftig der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro je Stunde. ver.di bietet allen angestellten Gewerkschaftsmitgliedern an, sie bei der Durchsetzung ihres Anspruchs auf den gesetzlichen Mindestlohn zu unterstützen.

    Pressekontakt

    Jan Jurczyk
    ver.di-Bundesvorstand
    Paula-Thiede-Ufer 10
    10179 Berlin
    Tel.: 030/6956-1011 bzw. -1012
    E-Mail: pressestelle@verdi.de

    #Deutschland #Taxi #Gewerkschaft #ver.di #Tarifvertrag

  • In Kreuzberg liegen jetzt die ersten Stolpersteine für Schwarze NS-Opfer
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/in-kreuzberg-wurden-die-ersten-stolpersteine-fuer-schwarze-ns-opfer

    Vor der Alten Jakobstraße 134 liegen nun diese fünf Stolpersteine für die Familie Boholle. Photo : Emmanuele Contini

    Plan / Openstreetmap
    https://www.openstreetmap.org/node/2468915167

    9.10.2023 von Elizabeth Rushton - Das Verfahren zur Verlegung neuer Stolpersteine ist für den Künstler Gunter Demnig inzwischen Routine: Die Messingsteine werden behutsam in das Straßenpflaster eingefügt, sodass ihre golden glänzenden Oberflächen und die Geschichten der Opfer des Nationalsozialismus vor den Häusern, in denen diese einst lebten, zum Vorschein kommen. Mehr als 1000 solcher Steine befinden sich auf den Bürgersteigen in Berlin-Kreuzberg, mehr als 96.000 gibt es in ganz Europa.

    Doch als Gunter Demnig sich am Sonntagmorgen mit seinem vertrauten Werkzeug vor dem Haus Alte Jakobstraße 134 über fünf neue Stolpersteine beugte, war diese Verlegung anders als alle anderen im Bezirk zuvor: Damit wurden die ersten Stolpersteine in Kreuzberg für Schwarze Opfer des NS-Regimes verlegt. In dem Haus wohnte Joseph Bohinge Boholle, der 1880 in Kamerun geboren wurde und im Rahmen der Berliner Kolonialausstellung nach Berlin kam, zusammen mit seiner Frau Stefanie. Joseph und Stefanie brachten drei Kinder zur Welt – Josefa Luise, Rudolf Bohinge und Paul Artur. Im Jahr 1939 wurde der Enkel Peter, der Sohn Josefas und des niederländischen Varieté-Artisten Cornelis van der Want, geboren.

    Nachdem 1943 ein Bombenangriff der Alliierten das Familienhaus in der Alten Jakobstraße zerstört hatte, zogen Josefa, Cornelis, Peter und Stefanie nach Bromberg (heute das polnische Bydgoszcz). Ende 1944 wurden allerdings die drei Erwachsenen verhaftet. Stefanie Boholle kam entweder im Gestapo-Gefängnis in Bromberg oder im KZ Stutthof ums Leben. Josefa, ihre Brüder Paul und Rudolf sowie ihr Mann Cornelis und ihr Sohn Peter überlebten den Nationalsozialismus – Josefa wurde aber während ihrer Gefangenschaft zwangssterilisiert und starb 1955 an den chronischen Erkrankungen infolge ihrer Zeit im Konzentrationslager.


    Frank Boholle (M.) verfolgt mit seiner Familie die Stolpersteinverlegung für ihre Vorfahren. Photo : Emmanuele Contini

    Vor Nachbarn, Aktivisten und Kommunalpolitikern wie Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne) sprach Frank Boholle, der Urenkel von Joseph und Stefanie, bei der Zeremonie am Sonntag von einer „großen Ehre“ für seine Familie. „Jetzt werden unsere nachfolgenden Generationen immer einen Ort haben, wo wir dieser Geschichte gedenken können“, sagte er. Er bedankte sich insbesondere bei dem Historiker Robbie Aitken, der nach der Verlegung eine Biografie der Familie Boholle vorlas, sowie bei Christian Kopp vom Verein Berlin Postkolonial, auf dessen Initiative die Verlegung erfolgt war.

    In ihrem Redebeitrag begrüßte Simone Dede Ayivi von der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland den Schritt, der einen oft vergessenen Aspekt der NS-Geschichte näher beleuchtet. „Um die Verfolgungsgeschichte des Nationalsozialismus komplett zu erzählen, müssen alle betroffenen Gruppen miteinbezogen werden – und da sind wir noch lange nicht fertig“, sagte sie; es gebe noch große Wissenslücken zu füllen. Eine Erfahrung, die auch die Familie Boholle während der Vorbereitung auf die Stolpersteinverlegung gemacht hat. „Unsere Familiengeschichte bestand lange Zeit aus vielen Puzzlestücken“, sagte Frank Boholle. „Erst jetzt konnten wir sie zusammensetzen und die Lücken füllen.“


    https://de.m.wikipedia.org/wiki/N%C3%BCrnberger_Gesetze

    Siehe auch https://seenthis.net/messages/927660

    Berliner Kolonialausstellung 1896
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Berliner_Kolonialausstellung

    Kolonien des deutschen Kaiserreichs
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Kolonien

    #Deutschland #Kamerun #Berlin #Kreuzberg #Alte-Jakobstraße #Geschichte #Kolonialismus #Rassismus #Nazis

  • Über die allmähliche Verfertigung
    der Gedanken beim Reden
    Heinrich von Kleist an R[ühle] v. L[ilienstern]
    http://www.zeno.org/Literatur/M/Kleist,+Heinrich+von/%C3%84sthetische,+philosophische+und+politische+Schriften/%C3%9Cber+die+allm%C3%A4hliche+Verfertigung+der+Gedanken+beim+Reden?hl=kleist+

    A propos de la relation de la pensée et du discours public, avec des références à Honoré-Gabriel Riqueti de Mirabeau et Jean de La Fontaine

    Wenn du etwas wissen willst und es durch Meditation nicht finden kannst, so rate ich dir, mein lieber, sinnreicher Freund, mit dem nächsten Bekannten, der dir aufstößt, darüber zu sprechen. Es braucht nicht eben ein scharfdenkender Kopf zu sein, auch meine ich es nicht so, als ob du ihn darum befragen solltest: nein! Vielmehr sollst du es ihm selber allererst erzählen. Ich sehe dich zwar große Augen machen, und mir antworten, man habe dir in frühern Jahren den Rat gegeben, von nichts zu sprechen, als nur von Dingen, die du bereits verstehst. Damals aber sprachst du wahrscheinlich mit dem Vorwitz, andere, ich will, daß du aus der verständigen Absicht sprechest, dich zu belehren, und so könnten, für verschiedene Fälle verschieden, beide Klugheitsregeln vielleicht gut nebeneinander bestehen. Der Franzose sagt, l’appétit vient en mangeant, und dieser Erfahrungssatz bleibt wahr, wenn man ihn parodiert, und sagt, l’idée vient en parlant. Oft sitze ich an meinem Geschäftstisch über den Akten, und erforsche, in einer verwickelten Streitsache, den Gesichtspunkt, aus welchem sie wohl zu beurteilen sein möchte. Ich pflege dann gewöhnlich ins Licht zu sehen, als in den hellsten Punkt, bei dem Bestreben, in welchem mein innerstes Wesen begriffen ist, sich aufzuklären. Oder ich suche, wenn mir eine algebraische Aufgabe vorkommt, den ersten Ansatz, die Gleichung, die die gegebenen Verhältnisse ausdrückt, und aus welcher sich die Auflösung nachher durch Rechnung leicht ergibt. Und siehe da, wenn ich mit meiner Schwester davon rede, welche hinter mir sitzt, und arbeitet, so erfahre ich, was ich durch ein vielleicht stundenlanges Brüten nicht herausgebracht haben würde. Nicht, als ob sie es mir, im eigentlichen Sinne sagte; denn sie kennt weder das Gesetzbuch, noch hat sie den Euler, oder den Kästner studiert. Auch nicht, als ob sie mich durch geschickte Fragen auf den Punkt hinführte, auf[453] welchen es ankommt, wenn schon dies letzte häufig der Fall sein mag. Aber weil ich doch irgendeine dunkle Vorstellung habe, die mit dem, was ich suche, von fern her in einiger Verbindung steht, so prägt, wenn ich nur dreist damit den Anfang mache, das Gemüt, während die Rede fortschreitet, in der Notwendigkeit, dem Anfang nun auch ein Ende zu finden, jene verworrene Vorstellung zur völligen Deutlichkeit aus, dergestalt, daß die Erkenntnis, zu meinem Erstaunen, mit der Periode fertig ist. Ich mische unartikulierte Töne ein, ziehe die Verbindungswörter in die Länge, gebrauche auch wohl eine Apposition, wo sie nicht nötig wäre, und bediene mich anderer, die Rede ausdehnender, Kunstgriffe, zur Fabrikation meiner Idee auf der Werkstätte der Vernunft, die gehörige Zeit zu gewinnen. Dabei ist mir nichts heilsamer, als eine Bewegung meiner Schwester, als ob sie mich unterbrechen wollte; denn mein ohnehin schon angestrengtes Gemüt wird durch diesen Versuch von außen, ihm die Rede, in deren Besitz es sich befindet, zu entreißen, nur noch mehr erregt, und in seiner Fähigkeit, wie ein großer General, wenn die Umstände drängen, noch um einen Grad höher gespannt. In diesem Sinne begreife ich, von welchem Nutzen Molière seine Magd sein konnte; denn wenn er derselben, wie er vorgibt, ein Urteil zutraute, das das seinige berichten konnte, so ist dies eine Bescheidenheit, an deren Dasein in seiner Brust ich nicht glaube. Es liegt ein sonderbarer Quell der Begeisterung für denjenigen, der spricht, in einem menschlichen Antlitz, das ihm gegenübersteht; und ein Blick, der uns einen halbausgedrückten Gedanken schon als begriffen ankündigt, schenkt uns oft den Ausdruck für die ganze andere Hälfte desselben. Ich glaube, daß mancher große Redner, in dem Augenblick, da er den Mund aufmachte, noch nicht wußte, was er sagen würde. Aber die Überzeugung, daß er die ihm nötige Gedankenfülle schon aus den Umständen, und der daraus resultierenden Erregung seines Gemüts schöpfen würde, machte ihn dreist genug, den Anfang, auf gutes Glück hin, zu setzen.

    Mir fällt jener »Donnerkeil« des Mirabeau ein, mit welchem er den Zeremonienmeister abfertigte, der nach Aufhebung der letzten monarchischen Sitzung des Königs am 23. Juni, in welcher dieser den Ständen auseinanderzugehen anbefohlen hatte, in den Sitzungssaal, in welchem die Stände noch verweilten, zurückkehrte, und sie befragte, ob sie den Befehl des Königs vernommen hätten? »Ja«, antwortete Mirabeau, »wir haben des Königs Befehl vernommen« – ich bin gewiß, daß er bei diesem humanen Anfang, noch nicht an die Bajonette dachte, mit welchen er schloß: »ja, mein Herr«, wiederholte er, »wir haben ihn vernommen« – man sieht, daß er noch gar nicht recht weiß, was er will. »Doch was berechtigt Sie« – fuhr er fort, und nun plötzlich geht ihm ein Quell ungeheurer Vorstellungen auf – »uns hier Befehle anzudeuten? Wir sind die Repräsentanten der Nation.« – Das war es was er brauchte! »Die Nation gibt Befehle und empfängt keine« – um sich gleich auf den Gipfel der Vermessenheit zu schwingen. »Und damit ich mich Ihnen ganz deutlich erkläre« – und erst jetzo findet er, was den ganzen Widerstand, zu welchem seine Seele gerüstet dasteht, ausdrückt: »so sagen Sie Ihrem Könige, daß wir unsre Plätze anders nicht, als auf die Gewalt der Bajonette verlassen werden.« – Worauf er sich, selbst zufrieden, auf einen Stuhl niedersetzte. – Wenn man an den Zeremonienmeister denkt, so kann man sich ihn bei diesem Auftritt nicht anders, als in einem völligen Geistesbankrott vorstellen; nach einem ähnlichen Gesetz, nach welchem in einem Körper, der von dem elektrischen Zustand Null ist, wenn er in eines elektrisierten Körpers Atmosphäre kommt, plötzlich die entgegengesetzte Elektrizität erweckt wird. Und wie in dem elektrisierten dadurch, nach einer Wechselwirkung, der ihm inwohnende Elektrizitätsgrad wieder verstärkt wird, so ging unseres Redners Mut, bei der Vernichtung seines Gegners, zur verwegensten Begeisterung über.

    Vielleicht, daß es auf diese Art zuletzt das Zucken einer Oberlippe war, oder ein zweideutiges Spiel an der Manschette, was in Frankreich den Umsturz der Ordnung der Dinge bewirkte. Man liest, daß Mirabeau, sobald der Zeremonienmeister sich entfernt hatte, aufstand, und[455] vorschlug: 1) sich sogleich als Nationalversammlung, und 2) als unverletzlich, zu konstituieren. Denn dadurch, daß er sich, einer Kleistischen Flasche gleich, entladen hatte, war er nun wieder neutral geworden, und gab, von der Verwegenheit zurückgekehrt, plötzlich der Furcht vor dem Chatelet, und der Vorsicht, Raum. – Dies ist eine merkwürdige Übereinstimmung zwischen den Erscheinungen der physischen und moralischen Welt, welche sich, wenn man sie verfolgen wollte, auch noch in den Nebenumständen bewähren würde. Doch ich verlasse mein Gleichnis, und kehre zur Sache zurück. Auch Lafontaine gibt, in seiner Fabel: Les animaux malades de la peste, wo der Fuchs dem Löwen eine Apologie zu halten gezwungen ist, ohne zu wissen, wo er den Stoff dazu hernehmen soll, ein merkwürdiges Beispiel von einer allmählichen Verfertigung des Gedankens aus einem in der Not hingesetzten Anfang. Man kennt diese Fabel. Die Pest herrscht im Tierreich, der Löwe versammelt die Großen desselben, und eröffnet ihnen, daß dem Himmel, wenn er besänftigt werden solle, ein Opfer fallen müsse. Viele Sünder seien im Volke, der Tod des größesten müsse die übrigen vom Untergang retten. Sie möchten ihm daher ihre Vergehungen aufrichtig bekennen. Er, für sein Teil gestehe, daß er, im Drange des Hungers, manchem Schafe den Garaus gemacht; auch dem Hunde, wenn er ihm zu nahe gekommen; ja, es sei ihm in leckerhaften Augenblicken zugestoßen, daß er den Schäfer gefressen. Wenn niemand sich größerer Schwachheiten schuldig gemacht habe, so sei er bereit zu sterben. »Sire«, sagt der Fuchs, der das Ungewitter von sich ableiten will, »Sie sind zu großmütig. Ihr edler Eifer führt Sie zu weit. Was ist es, ein Schaf erwürgen? Oder einen Hund, diese nichtswürdige Bestie?« Und: »quant au berger«, fährt er fort, denn dies ist der Hauptpunkt: »on peut dire«, obschon er noch nicht weiß was? »qu’il méritoit tout mal«, auf gut Glück; und somit ist er verwickelt; »étant«, eine schlechte Phrase, die ihm aber Zeit verschafft: »de ces genslà«, und nun erst findet er den Gedanken, der ihn aus der Not reißt: »qui sur les animaux se font un chimérique empire.« –[456] Und jetzt beweist er, daß der Esel, der blutdürstige! (der alle Kräuter auffrißt) das zweckmäßigste Opfer sei, worauf alle über ihn herfallen, und ihn zerreißen. – Ein solches Reden ist ein wahrhaftes lautes Denken. Die Reihen der Vorstellungen und ihrer Bezeichnungen gehen nebeneinander fort, und die Gemütsakten für eins und das andere, kongruieren. Die Sprache ist alsdann keine Fessel, etwa wie ein Hemmschuh an dem Rade des Geistes, sondern wie ein zweites, mit ihm parallel fortlaufendes, Rad an seiner Achse. Etwas ganz anderes ist es wenn der Geist schon, vor aller Rede, mit dem Gedanken fertig ist. Denn dann muß er bei seiner bloßen Ausdrückung zurückbleiben, und dies Geschäft, weit entfernt ihn zu erregen, hat vielmehr keine andere Wirkung, als ihn von seiner Erregung abzuspannen. Wenn daher eine Vorstellung verworren ausgedrückt wird, so folgt der Schluß noch gar nicht, daß sie auch verworren gedacht worden sei; vielmehr könnte es leicht sein, daß die verworrenst ausgedrückten grade am deutlichsten gedacht werden. Man sieht oft in einer Gesellschaft, wo durch ein lebhaftes Gespräch, eine kontinuierliche Befruchtung der Gemüter mit Ideen im Werk ist, Leute, die sich, weil sie sich der Sprache nicht mächtig fühlen, sonst in der Regel zurückgezogen halten, plötzlich mit einer zuckenden Bewegung, aufflammen, die Sprache an sich reißen und etwas Unverständliches zur Welt bringen. Ja, sie scheinen, wenn sie nun die Aufmerksamkeit aller auf sich gezogen haben, durch ein verlegnes Gebärdenspiel anzudeuten, daß sie selbst nicht mehr recht wissen, was sie haben sagen wollen. Es ist wahrscheinlich, daß diese Leute etwas recht Treffendes, und sehr deutlich, gedacht haben. Aber der plötzliche Geschäftswechsel, der Übergang ihres Geistes vom Denken zum Ausdrücken, schlug die ganze Erregung desselben, die zur Festhaltung des Gedankens notwendig, wie zum Hervorbringen erforderlich war, wieder nieder. In solchen Fällen ist es um so unerläßlicher, daß uns die Sprache mit Leichtigkeit zur Hand sei, um dasjenige, was wir gleichzeitig gedacht haben, und doch nicht gleichzeitig von uns geben können, wenigstens so[457] schnell, als möglich, aufeinander folgen zu lassen. Und überhaupt wird jeder, der, bei gleicher Deutlichkeit, geschwinder als sein Gegner spricht, einen Vorteil über ihn haben, weil er gleichsam mehr Truppen als er ins Feld führt. Wie notwendig eine gewisse Erregung des Gemüts ist, auch selbst nur, um Vorstellungen, die wir schon gehabt haben, wieder zu erzeugen, sieht man oft, wenn offene, und unterrichtete Köpfe examiniert werden, und man ihnen ohne vorhergegangene Einleitung, Fragen vorlegt, wie diese: was ist der Staat? Oder: was ist das Eigentum? Oder dergleichen. Wenn diese jungen Leute sich in einer Gesellschaft befunden hätten, wo man sich vom Staat, oder vom Eigentum, schon eine Zeitlang unterhalten hätte, so würden sie vielleicht mit Leichtigkeit durch Vergleichung, Absonderung, und Zusammenfassung der Begriffe, die Definition gefunden haben. Hier aber, wo diese Vorbereitung des Gemüts gänzlich fehlt, sieht man sie stocken, und nur ein unverständiger Examinator wird daraus schließen daß sie nicht wissen. Denn nicht wir wissen, es ist allererst ein gewisser Zustand unsrer, welcher weiß. Nur ganz gemeine Geister, Leute, die, was der Staat sei, gestern auswendig gelernt, und morgen schon wieder vergessen haben, werden hier mit der Antwort bei der Hand sein. Vielleicht gibt es überhaupt keine schlechtere Gelegenheit, sich von einer vorteilhaften Seite zu zeigen, als grade ein öffentliches Examen. Abgerechnet, daß es schon widerwärtig und das Zartgefühl verletzend ist, und daß es reizt, sich stetig zu zeigen, wenn solch ein gelehrter Roßkamm uns nach den Kenntnissen sieht, um uns, je nachdem es fünf oder sechs sind, zu kaufen oder wieder abtreten zu lassen: es ist so schwer, auf ein menschliches Gemüt zu spielen und ihm seinen eigentümlichen Laut abzulocken, es verstimmt sich so leicht unter ungeschickten Händen, daß selbst der geübteste Menschenkenner, der in der Hebeammenkunst der Gedanken, wie Kant sie nennt, auf das meisterhafteste bewandert wäre, hier noch, wegen der Unbekanntschaft mit sei nem Sechswöchner, Mißgriffe tun könnte. Was übrigens solchen jungen Leuten, auch selbst den[458] unwissendsten noch, in den meisten Fällen ein gutes Zeugnis verschafft, ist der Umstand, daß die Gemüter der Examinatoren, wenn die Prüfung öffentlich geschieht, selbst zu sehr befangen sind, um ein freies Urteil fällen zu können. Denn nicht nur fühlen sie häufig die Unanständigkeit dieses ganzen Verfahrens: man würde sich schon schämen, von jemandem, daß er seine Geldbörse vor uns ausschütte, zu fordern, viel weniger, seine Seele: sondern ihr eigener Verstand muß hier eine gefährliche Musterung passieren, und sie mögen oft ihrem Gott danken, wenn sie selbst aus dem Examen gehen können, ohne sich Blößen, schmachvoller vielleicht, als der, eben von der Universität kommende, Jüngling gegeben zu haben, den sie examinierten.

    (Die Fortsetzung folgt.)

    Quelle: Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band3, Berlin und Weimar 1978, S. 385,460.
    Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005169518
    Lizenz: Gemeinfrei #CC0
    Kategorien: #Deutsche_Literatur #Theoretische_Schrift

    Honoré-Gabriel Riqueti de Mirabeau
    https://fr.wikipedia.org/wiki/Honor%C3%A9-Gabriel_Riqueti_de_Mirabeau

    #Germanistik #Sprachwissenschaft #lettres #réthorique #pensée #révolution

  • Neue Daten zu Immobilienpreisen in Deutschland: Absturz um 9,9 Prozent
    https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/minus-99-prozent-absturz-bei-immobilien-preisen-li.434190

    Tja, da habta et. Kürzlich jekooft? Dumm jeloofen. Jetz wirds teua, nix mehr mit Betonjold. Mieten sinken trotzdem nich. Wär ja noch scheena wennde Prolls wat vom „Marktjeschehn“ ham würn. So isset ehm.

    22.9.2023 - Noch nie seit Beginn des Index haben Immobilien-Preise einen derartigen Absturz erlebt.

    Die Preise für Wohnimmobilien (Häuserpreisindex) in Deutschland sind im 2. Quartal 2023 um durchschnittlich 9,9 % gegenüber dem 2. Quartal 2022 gesunken. Das teilte das Statistische Bundesamt (Destatis) am Freitag mit. Es war der stärkste Rückgang der Wohnimmobilienpreise gegenüber einem Vorjahresquartal seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2000. Im 2. Quartal 2022 hatte der Häuserpreisindex seinen bisherigen Höchststand erreicht, seitdem sind die Preise für Wohnimmobilien gegenüber dem jeweiligen Vorquartal rückläufig. Mit -1,5 % zum 1. Quartal 2023 fiel der Rückgang im 2. Quartal 2023 allerdings geringer aus als in den beiden Vorquartalen (1. Quartal 2023: -2,9 % zum Vorquartal, 4. Quartal 2022: -5,1 % zum Vorquartal).

    Der Rückgang der Immobilienpreise für Wohnimmobilien ist der stärkste Rückgang gegenüber einem Vorjahresquartal seit Beginn der Berechnungen im Jahr 2000.

    Im Vergleich zum Vorjahresquartal sind die Wohnimmobilienpreise sowohl in den ländlichen als auch in den städtischen Regionen im Durchschnitt weiter gesunken. Am geringsten waren die Rückgänge in den dünn besiedelten, ländlichen Kreisen. Hier waren Eigentumswohnungen 7,0 % günstiger als im 2. Quartal 2022, Ein- und Zweifamilienhäuser kosteten 8,1 % weniger. Im Vergleich zum 1. Quartal 2023 fielen die Preise in den dünn besiedelten Kreisen für Eigentumswohnungen um 2,1 %, während die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser leicht um 0,7 % stiegen.

    In den Top-7-Metropolen (Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart und Düsseldorf) gingen die Preise für Eigentumswohnungen gegenüber dem Vorjahresquartal um 9,8 % zurück, für Ein- und Zweifamilienhäuser musste 12,6 % weniger gezahlt werden. Im Vergleich zum 1. Quartal 2023 fielen in den Metropolen die Preise für Eigentumswohnungen um 2,1 % und für Ein- und Zweifamilienhäuser um 2,4 %.

    Mit der aktuellen Veröffentlichung wurden die Häuserpreisindizes für das Jahr 2022 sowie für das 1. Quartal 2023 revidiert. Die Veränderungsrate des 1. Quartals 2023 zum 1. Quartal 2022 liegt für den bundesweiten Häuserpreisindex sowohl vor als auch nach Revision bei -6,8 %. Die Veränderungsrate des 1. Quartals 2023 gegenüber dem 4. Quartal 2022 wurde um 0,2 Prozentpunkte nach oben korrigiert (vorläufiger Wert: -3,1 %, revidierter Wert: -2,9 %). Revisionen werden regelmäßig durchgeführt, um nachträgliche Meldungen zu berücksichtigen.

    #Deutschland #Berlin #Immobilien #Spekulation #Wirtschaft

  • In einigen deutschen Orten ist bereits kein Taxi mehr verfügbar

    27.7.2023 von Axel Rühle - In einigen deutschen Orten ist bereits kein Taxi mehr verfügbar

    Im Landkreis Cloppenburg westlich von Oldenburg hat in einer Kleinstadt der letzte Taxibetrieb aufgegeben. Als Grund wird der Corona-bedingte Nachfragerückgang genannt. Nachts gibt es dort nur noch private Mobilität.

    Der Bundesverband Taxi und Mietwagen e. V. (BVTM) warnt seit Längerem davor, dass bei fortgesetztem Taxisterben Regionen ohne Taxi-Verfügbarkeit entstehen und sich ausbreiten könnten. In Niedersachsen ist seit Kurzem zu sehen, dass dies durchaus Wirklichkeit werden kann: „Keine Taxis mehr in Friesoythe: Drohen mehr Trunkenheitsfahrten?“ – so titelte kürzlich der NDR auf seiner Nachrichtenseite. Im Audio-Kurzbeitrag ist die Rede davon, dass das Taxigeschäft sich seit Schließung der örtlichen Diskothek nicht mehr lohne. In der Corona-Zeit hätten die jungen Leute sich darauf umgestellt, zu Hause zu feiern. Die Folge: „In Friesoythe (Landkreis Cloppenburg) fahren ab sofort keine Taxis mehr. Das letzte Unternehmen hat seine Konzession zurückgegeben.“

    Das Zitat, die jungen Leute würden seitdem lieber zuhause trinken, stammt vom bisherigen Taxiunternehmer Heinz Schnieders aus Friesoythe. Bereits zuvor hatte sein Kollege André Stoppelmann aus dem Nachbarort Saterland die Taxis in der Stadt Friesoythe „gestrichen“.

    Statt wie vorher 14 Taxis fährt nun in Friesoythe keins mehr. Das gleiche gilt für das nahe Löningen im Südwesten des Landkreises. Tagsüber können Fahrgäste noch auf Rufbusse zurückgreifen. Der Saterländer Mietwagendienst nehme zudem auf Krankenfahrten auch weitere Fahrgäste mit.

    Im Internet mehren sich laut NDR nun die Angebote von privaten Fahrerinnen und Fahrern. Taxiunternehmer Stoppelmann warnt allerdings davor, da diese Fahrten nicht versichert und nicht ungefährlich seien, was man aus Meldungen über Länder mit privat für Uber tätigen Fahrern kennt: „Private Fahrer könnten betrunken sein oder übergriffig werden.“

    Der Bürgermeister von Friesoythe, Sven Stratmann (SPD), bezeichnet die Situation als „erschreckend – gerade im Hinblick auf viele Sommerpartys und Schützenfeste“. Er sehe die Gefahr, dass auch Betrunkene Auto fahren könnten. Auch um die Sicherheit der Frauen mache er sich Sorgen. „Als Eltern bringe man den Kindern bei, nicht zu fremden Leuten ins Auto zu steigen. Genau das werde nun aber vermehrt praktiziert, weil kein Taxi mehr fahre“, schreibt der NDR. Doch selbst eine Tarifanhebung, wie sie in Niedersachsen vielerorts vom Gewerbe gefordert wird, hält Stratmann nicht für die Lösung des Problems, da viele sich nach seiner Einschätzung dann keine Taxifahrten mehr leisten könnten.

    Im Nachbarlandkreis Vechta profitiert das Taxigewerbe hingegen vom ÖPNV-Taxi-Angebot Moobil-Plus, wo der Landkreis Zuschüsse gewährt – ein mögliches Rettungsmodell auch für den Landkreis Cloppenburg?

    Beitragsfoto: Wikipedia (T. E. Ryen – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=18156127)

    #Deutschland #Niedersachsen #Cloppenburg #Taxi #Provinz

  • Fahrer sind Opfer organisierter Schwarzarbeit
    https://www.rbb24.de/content/rbb/r24/wirtschaft/beitrag/2023/08/mietwagenfirmen-uber-berlin-bezahlung-app.html

    Das Geschäft mit Uber-Fahrten rechnet sich nicht. Zumindest nicht für die Fahrer. Die Folgen sind Schwarzarbeit, Bezahlung unter Mindestlohn und Sozialleistungsbetrug. Eine Recherche von Kontraste und rbb24-Recherche. Von Jana Göbel und Susett Kleine

    Das Geschäfts-Modell von Mietwagenfirmen, die Fahrdienstleitungen mit Hilfe von Uber und anderen Plattformen anbieten, sei oftmals „organisierte Schwarzarbeit“ – der das sagt, ist nicht irgendwer: Axel Osmenda ist Fachgebietsleiter der Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Hauptzollamt Berlin. Seine Teams sind regelmäßig auf den Berliner Straßen unterwegs, um Mietwagen, die mit dem Etikett von Uber und Bolt fahren, zu kontrollieren. Im Nachgang vergleichen und überprüfen sie dann auch die Geschäftsunterlagen der betreffenden Mietwagen-Unternehmen.

    „Ich würde schon sagen“, so Osmendas Sichtweise, „dass man versucht, in großem Umfang Arbeitnehmer zu beschäftigen und meldet die dann nicht zur Sozialversicherung an - teilweise organisiert, indem man bestimmte Firmen gründet, nur zu dem Zweck.“ Seine Behörde würde immer wieder auf dieselben Firmen und Personen stoßen. Wenn die Finanzkontrolleure des Zolls Indizien für Gesetzesverstöße sehen, schalten sie auch die Staatsanwaltschaft ein.
    Infobox

    Kündigung bei Krankheit oder Urlaub

    Einer der Betroffenen ist Ahmed. Er möchte nicht mit seinem richtigen Namen zitiert werden, deswegen wurde der Name geändert. Der Fahrer ist wütend: Viele Jahre hat er zu viel gearbeitet und zu wenig verdient. Sechs Tage pro Woche bis zu 10 Stunden am Tag sei er unterwegs. Trotzdem erhalte er nicht einmal den Mindestlohn.

    Wenn er krank sei, bekomme er kein Geld: „Mein Chef kündigt mir dann. Dann bin ich raus. Das gleiche gilt, wenn ich Urlaub mache.“ Er müsse außerdem einen Anteil seines Lohns zurückzahlen, wenn er nicht genug Einnahmen durch die Fahrten erziele, berichtet er. Sein Chef verlange darüber hinaus jeden Monat 300 Euro in bar von ihm. Die Summe werde angeblich für seine Sozialabgaben fällig, habe sein Chef ihm erzählt.

    Yasin (Name geändert), ein anderer Fahrer, erzählt ähnliches. Die Einnahmen wären so gering, sie würden nicht reichen, um davon leben zu können.

    Seit Jahren steigt die Anzahl der Fahrzeuge von Mietwagenfirmen, die sich Fahrten von Uber oder Bolt vermitteln lassen, vor allem in großen Städten. Aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage geht hervor, dass mittlerweile 4.437 Mietwagen auf Berlins Straßen unterwegs sind. Der größte Teil davon kann über Apps wie Uber, Bolt oder FreeNow gebucht werden.

    Konkurrenzkampf zu Lasten der Fahrer

    Die Konkurrenz wird immer größer und durch den Konkurrenzdruck fallen die Preise. Für Kundinnen und Kunden sind das attraktive Bedingungen, doch langfristig können solche Unternehmen, deren Fahrten von Uber, Bolt und anderen vermittelt werden, wirtschaftlich wohl nicht überleben, sofern sie Löhne, Steuern und Sozialabgaben korrekt zahlen.

    Kontraste und rbb24-Recherche liegt ein Konzeptpapier für ein Gutachten vor. Die Auswertung von mehreren zehntausend Uber-Touren in Nordrhein-Westfalen legt dar, dass das Geschäft mit solchen Apps nicht dauerhaft wirtschaftlich betrieben werden könne.

    Uber und Bolt widersprechen der These

    Vertreter von Uber-Deutschland widersprechen und legen eine Beispielrechnung vor: Danach läuft das Geschäft rund, wenn 42,50 Euro je Stunde und 340 Euro am Tag eingenommen werden.

    Auch von Seiten des konkurrierenden App-Fahrtenanbieters Bolt wird die These, das Geschäft sei nicht kostendeckend zu betreiben, zurückgewiesen. Bei Bolt geht man von durchschnittlichen Tageseinnahmen von 330 Euro aus. Beide Unternehmen kalkulieren dabei mit einer regelmäßigen Auslastung der Fahrzeuge von 50 % und mehr, die Auslastung sei oft doppelt so hoch wie die konkurrierender Taxi-Unternehmen, argumentiert man bei Uber.

    Zu den berichteten Missständen erklärt ein Uber-Sprecher: „Die genannten Fälle sind uns nicht bekannt. (...) Für Uber hat gesetzeskonformes Handeln oberste Priorität.“ Die Partner seien auch vertraglich dazu verpflichtet worden, alle arbeitsrechtlichen Vorgaben einzuhalten.

    „Wenn sie sich nicht an die Regeln halten“, heißt es dazu weiter, „und wir davon Kenntnis erlangen, ziehen wir entsprechende Konsequenzen, bis hin zu einer Sperrung auf unserer Plattform.“

    Unterschiedliche Informationen zu Auslastungszahlen

    Auch Thomas Mohnke, der als Generalunternehmer Deutschland für Uber fungiert (s. Infobox oben), berichtet von einem funktionierenden Geschäft. Er erklärt, man könne bei der Schichtplanung flexibel auf Angebot und Nachfrage eingehen und wisse, an welchen Tagen besonders viele Fahrgäste unterwegs sein werden. Dementsprechend könnten die Mietwagenfirmen an diesen Tagen mehr Autos und Fahrer einsetzen. Deswegen seien die Fahrzeuge seiner eigenen Flotte zu 80-90 Prozent der Zeit ausgelastet.

    Allerdings fallen auch die ertragslosen Anfahr- und Wartezeiten in seine Auslastungsbilanz. Mohnke betont, dieses Geschäftsmodell erziele durchaus Gewinne, auch wenn sie nicht riesig seien: „Wenn Sie eine Umsatzrendite erreichen, die im Bereich von 3, 4, 5 Prozent liegen, dann ist das in unserer Branche durchaus üblich.“

    Ahmed, dessen Fahrten vor allem von der Uber-App vermittelt werden, aber auch von Bolt, hat für die Recherche die Daten eines Arbeitsmonats zur Verfügung gestellt. Hier ergibt sich ein ganz anderes Bild: Insgesamt 5127 Euro haben die Fahrgäste in diesem Beispielmonat für die Fahrten mit ihm gezahlt. Davon ziehen die App-Vermittler jeweils 25 Prozent für ihre Servicepauschale ab. Auch 19 Prozent Umsatzsteuer fallen an.

    Übrig bleiben 3026 Euro für den Mietwagenunternehmer, der durchschnittlich 116 Euro für jeden der 26 Arbeitstage von Ahmed eingenommen hat. Doch dieser Betrag reicht nicht, um ihm den Mindestlohn und die Lohnnebenkosten von insgesamt 120 Euro zu bezahlen. Eine Verlustrechnung - dabei sind die Kosten des Mietwagenunternehmers für das Auto, die Versicherung und den Betriebssitz noch nicht eingerechnet.

    Hohe Abgaben bei niedrigen Erträgen

    Im Gegensatz zu den Taxen können Plattform-Anbieter wie Uber und Bolt ihre Fahrpreise selbst festlegen und damit die Taxitarife unterbieten. Doch von den niedrigen Erträgen müssen Mietwagenunternehmer hohe Abgaben zahlen (s.o.). Gewinne gebe es für die Mietwagenfirmen nur, wenn an Lohn und Sozialabgaben unzulässig gespart würde, sagt Herwig Kollar, Präsident des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen e.V.: „Also zu den Konditionen ist das Geschäft nicht wirtschaftlich zu betreiben“, erklärt er. Ahmeds Angaben zu seinen durchschnittlichen Einnahmen hält er für realistisch.

    Doch wer ist zuständig, wenn es um die Bekämpfung solcher Missstände geht? Sowohl der Generalunternehmer Thomas Mohnke, als auch die Sprecher von Uber Deutschland, sehen vor allem die Behörden in der Pflicht: „Deutschland hat ein gut funktionierendes Kontrollwesen der zuständigen Organe“, schreibt das Unternehmen.

    In Berlin jedoch wird das Geschäftsgebaren bisher nicht ausreichend kontrolliert. Aus den Antworten auf zahlreiche parlamentarische Anfragen des SPD-Abgeordneten Tino Schopf geht hervor, dass derzeit in der Gewerbeaufsicht im Rahmen der gewerblichen Personenbeförderung nur 16 von 19 Stellen besetzt sind.

    Seit Anfang des Jahres sei ein neues Sachgebiet für „Kontrollen und Ermittlungen“ eingerichtet worden. Von sieben Stellen ist dort bisher nur eine besetzt. Dieses Kontrollpersonal soll nun 9.960 Mietwagen, Taxen und Krankenwagen beaufsichtigen (Stand 1. August 2023).

    Vorbild Hamburg

    Ganz anders läuft es in Hamburg. Hier sind insgesamt nur 15 Mietwagen (Berlin: 4437) konzessioniert, die unter der App-Vermittlung von Uber fahren. In der Regel werden die Genehmigungen in der Hansestadt verweigert. Unter anderem findet hier eine konsequente Prüfung der finanziellen Leistungsfähigkeit statt.

    Die Unternehmen sind in Hamburg unter anderem dazu verpflichtet, einen Businessplan vorzulegen, um eine Zulassung zu bekommen (s. Kasten). Dieser ist für die Hamburger Behörde für Verkehr und Mobilitätswende oft ein Ablehnungsgrund. Von dort heißt es auf rbb-Anfrage: „Bei Ausübung der taxenähnlichen App-vermittelten Mietwagenverkehre liegen erhebliche Zweifel an einer zumindest kostendeckenden Betriebsführung vor, wenn alle abgabenrechtlichen (auch Mindestlohnvorschriften) und personenbeförderungsrechtlichen Vorschriften eingehalten werden.“

    Der ehemalige Uber-Lobbyist und Ex-Mitarbeiter des US-Unternehmens, Mark MacGann, sprach mit Kontraste und rbb24 Recherche über den Stellenwert der Fahrer im Unternehmen. MacGann wurde im vergangenen Jahr als Uber-Whistleblower bekannt, als er Medien Zugang zu über 120.000 internen Dokumenten des Unternehmens gab.

    Sein Urteil über das Uber-System: „Die Fahrer haben nicht die gleichen Rechte und Privilegien wie die anderen Mitglieder der Nahrungskette. Uber wurde nicht auf den Schultern der Fahrer aufgebaut, sondern auf deren Rücken. Und heute sehen diese Fahrer keine faire Gegenleistung für ihre Arbeit, die sie leisten.“

    –—

    Infobox 1

    So funktioniert...
    ... das Uber-System

    Uber ist ein US-amerikanisches Unternehmen, das Fahrten per App vermittelt. Doch in Deutschland gibt es eine Besonderheit. Ein Generalunternehmer, die SafeDriver Group mit Sitz in Berlin, verteilt die Fahrten, die in der Uber-App eingehen, an hunderte Mietwagenfirmen. All diese Firmen brauchen eine Lizenz, um Fahraufträge anzunehmen. Sie besitzen die Autos, Fahrerinnen und Fahrer sind bei ihnen angestellt. Die Firmen zahlen eine Provision von bis zu 25 Prozent für die Vermittlung der Fahrten direkt an Uber, so das Unternehmen. Was der Generalunternehmer für seine Tätigkeit erhält, ist nicht geklärt.

    Infobox 2

    HAMBURG
    Warum in Hamburg kaum Uber-Fahrzeuge zugelassen werden
    Begründung der Hamburger Behörde für Verkehr und Mobilitätswende:
    https://www.hamburg.de/bvm

    „Taxenähnliche App-vermittelte Mietwagenverkehre bieten in der Regel Personenbeförderungen deutlich unterhalb des Taxentarifes an. Zudem beträgt der Umsatzsteuersatz für Personenbeförderungen im Mietwagenverkehr 19%. Im Taxenverkehr hingegen ist nur ein Umsatzsteuersatz von 7 % anzuwenden. Zudem sind von den deutlich unter Taxentarif erzielten Erlösen noch Vermittlungsgebühren an den App-Anbieter abzuführen. Mietwagen können nur auf vorherige Bestellung Personenbeförderungen durchführen und müssen nach Beendigung der Personenbeförderung umgehend den Rückweg zum Betriebssitz antreten. Taxen hingegen können sich im Stadtbild bereithalten und unterliegen nicht der Rückkehrpflicht.

    Bei Ausübung der taxenähnlichen App-vermittelten Mietwagenverkehre liegen somit erhebliche Zweifel an einer zumindest kostendeckenden Betriebsführung vor , wenn alle abgabenrechtlichen (auch Mindestlohnvorschriften) und personenbeförderungsrechtlichen Vorschriften eingehalten werden, so dass die finanzielle Leistungsfähigkeit in der Regel für die beantragte Anzahl von PKW und der beantragten Genehmigungsdauer nicht positiv beurteilt werden kann und es somit oftmals gar nicht zur erstmaligen Genehmigungserteilung kommt.“

    Sendung: rbb24 Inforadio, 17.08.2023, 06:00 Uhr

    Linkk zum Beitrag auf tagesschau.de
    https://www.tagesschau.de/inland/regional/berlin/rbb-fahrer-sind-opfer-organisierter-schwarzarbeit-100.html

    #Deutschland #Uber #Schwarzarbeit #Verkehr

  • Arbeiten »wie ein Sklave«
    https://www.jungewelt.de/artikel/454502.prime-day-arbeiten-wie-ein-sklave.html

    11.7.2023 von Ralf Wurzbacher - Es ist mal wieder »Prime Day« bei Amazon. Zwei Tage lang ab diesem Dienstag gibt es Angebote satt, zum Schnäppchenpreis und exklusiv für »Prime«-Mitglieder und solche, die es werden wollen, möglich macht’s ein Probeabo. Wer sich locken lässt, spart sich ein paar Euro beim Einkaufen, was allerdings 90 Euro jährlich extra kostet. Dafür ist man dann irgendwie der bessere Kunde, »Prime« steht wahlweise für »prima«, »vorzüglich« oder »erster«. Die Allerletzten sind dagegen diejenigen, die den ganzen Plunder liefern müssen, insbesondere Beschäftigte von Subunternehmen, die für den Onlineriesen von Tür zu Tür müssen. Mehrere von ihnen haben sich in der Vorwoche gegenüber der Presse zu ihren Arbeitsbedingungen geäußert. Einer sagte: »Ich habe getragen wie ein Sklave vom Morgen bis zum Abend.«

    Auch wegen solcher Zustände wird bei Amazon erneut gestreikt – zum gefühlt tausendsten Mal in den vergangenen zehn Jahren. Seit einer Dekade verweigert der US-Konzern seinen Angestellten in den mittlerweile 20 Waren- und Versandzentren in der BRD den Abschluss eines Tarifvertrags nach den Vorgaben des Einzel- und Versandhandels. Aber die Gewerkschaft Verdi lässt nicht locker. Am Standort Winsen in Niedersachsen traten Teile der Belegschaft bereits zur Spätschicht am Sonntag abend in den Ausstand, für knapp 52 Stunden. Zudem rief Verdi zu einem Protestmarsch zum Hamburger Verteilerzentrum Veddel am späten Montag nachmittag auf. Durch die Rabattschlachten am »Prime Day« stünden wieder viele Überstunden bevor, teilte der Verdi-Landesbezirk Niedersachsen/Bremen mit. Die Beschäftigten hätten »für ihre harte Arbeit ein besseres Leben verdient, dafür kämpfen wir«, erklärte Verdi-Sekretär Nonni Morisse.

    Noch übler als den eigenen Leuten wird den an »selbständige« Firmen outgesourcten Paketzustellern mitgespielt. »Wenn um 20.00 Uhr Feierabend ist, dann kommst du heim, duschen, ins Bett«, schilderte einer von acht Fahrern, die täglich vom Verteilzentrum Völklingen-Wehrden ausschwärmen, gegenüber dem Saarländischen Rundfunk (SR). Im Rahmen gemeinsamer Recherchen mit Correctiv und der Nordsee-Zeitung haben die Journalisten die Angaben der Befragten auf ihre Richtigkeit überprüft. Demnach müssen diese regelmäßig bis zu 300 Sendungen täglich zustellen, während in einer offiziellen Amazon-Verlautbarung von einer »Standardroute mit ungefähr 8,5 bis neun Stunden Arbeitszeit« bei »ungefähr (…) 135 Paketen« die Rede ist. Dagegen berichteten die Betroffenen übereinstimmend davon, dass sie kaum leistbare Mengen zustellen mussten, von enormem Zeitdruck und einer hohen körperlichen wie seelischen Belastung. Dazu kommen Klagen wegen zu niedriger Lohnabrechnungen und unbezahlter Überstunden.

    Zitiert wird in den Beiträgen ein ehemaliger Subunternehmer: »Man kann kein erfolgreiches Amazon-Subunternehmen führen mit menschenwürdigen Arbeitsbedingungen«. Um einen Gewinn von 60.000 Euro jährlich einzuspielen, müssten den Recherchen zufolge zwölf Monate lang 20 Lieferwagen im Einsatz sein. Außerdem wären wesentliche Posten vom Autoleasing über die Buchhaltungssoftware bis zu Versicherungen zu vorgegebenen Konditionen über Vertragspartner von Amazon abzuwickeln. Nicht zuletzt ist man als Sub darauf angewiesen, dass Amazon genügend Touren beauftragt, wofür es keine Garantie gibt. Unter solchen Bedingungen wird Ausbeutung zum Regelfall. »Der Druck wird dann wirklich ungefiltert, ungebremst an die eigenen Mitarbeiter weitergegeben«, gab der SR den Sozialwissenschaftler Stefan Sell von der Hochschule Koblenz wieder. Das sei »Kern der Strategie von Amazon«. Der Bremer Fachanwalt für Arbeitsrecht, Frank Ewald, sieht gar Hinweise auf unerlaubte »Arbeitnehmerüberlassung«.

    Immerhin hat sich die Politik des Problems angenommen. Der Bundesrat will das Paketbotenschutzgesetz verschärfen, und in einer Prüfbitte an die Bundesregierung geht es unter anderem um ein Verbot des Subunternehmertums. Ausgenommen werden sollen jedoch Anbieter, die Tariflohn zahlen. Professor Sell ist skeptisch: »Tariflohn für die Paketzusteller, das müsste ja auch kontrolliert werden«, wozu die Behörden aber nicht in der Lage seien. Deshalb werde dieser Vorschlag den Leidtragenden kaum weiterhelfen.

    #Deutschland #Amazon #Botendienst #Lieferant #Ausbeutung #Fahrer #Logistik #Subunternehmer #Überstunden #Bundesrat

  • Parlamentarischer Abend des Bundesverbands: „Taxi-Branche braucht nicht nur Gesetz, sondern auch dessen Umsetzung!“ – Bundesverband Taxi und Mietwagen e.V.
    https://bundesverband.taxi/parlamentarischer-abend-des-bundesverbands-taxi-branche-braucht-nich

    3.7.2023 - Berlin. Auf dem Parlamentarischen Abend des Bundesverbands Taxi und Mietwagen am 22.Juni in Berlin debattierten die drei Verkehrspolitiker Martin Kröber (#SPD), Jürgen Lenders (#FDP) und Stefan Gelbhaar (#Bündnis90-Grüne) über die fehlende Umsetzung der Novelle des Personenbeförderungsgesetzes. Zudem gab es drei Schwerpunktthemen die von Bundesvizepräsidenten Hermann Waldner sowie die beiden Vorstandsmitglieder Bärbel von Teuffel und Gregor Beiner durch einen Impulsvortrag in die Podiumsdiskussion getragen wurden: Die ungleichen Bedingungen für Taxis und Mietwagen, Mobilität im ländlichen Raum sowie die fehlende Förderung der E-Mobilität für die hellelfenbeinfarbene Flotte.

    Gibt es das Taxi in einigen Jahren überhaupt noch?

    Bundesverband-Vizepräsident Hermann Waldner, zugleich auch Geschäftsführer von Taxi Berlin, kennt das Gewerbe wie seine Westentasche. Begonnen hat der Baden-Württemberger einst als Taxifahrer im geteilten Berlin, um sein Studium zu finanzieren. Mit unternehmerischem Können, mit viel Mut, Geschick und Engagement sowie mit noch mehr Arbeit hat er in den vergangenen Jahrzehnten am Erfolg des Taxigewerbes mitgearbeitet. Wer ihn jedoch heute trifft, bemerkt immer öfter Sorgenfalten in seinem Gesicht. Auf der Podiumsdiskussion stellte er eine Grafik vor. Der gelbe Balken symbolisiert die Taxibranche – und geht gen Null! Eine schwarze Linie in dieser Grafik zeigt kontinuierlich nach oben, sie zeigt die Zahl der Mietwagen auf Berlins Straßen. Waldners Fazit: „Wir haben für die Rückkehrpflicht für auftragslose Mietwagen gekämpft, sie steht auch in der Novelle des Personenbeförderungsgesetzes. Aber sie wird nicht umgesetzt!“ Denn müssten die Kunden auch nur 15 oder 30 Minuten auf einen Mietwagen warten, weil der dann erst nach Auftragseinsatz an seinem Betriebssitz losfahren dürfte, wären dem Taxi 80 Prozent mehr Kunden sicher. „Das Ding ist nicht zu Ende“, sagte Stefan Gelbhaar weiter mit Blick auf die PBefG-Novelle und bekam dafür Applaus. Bundesverbands-Präsident Herwig Kollar machte auf dem Podium deutlich: „Ist denn Disruption im Bereich der Daseinsvorsorge aus staatlicher Sicht und aus Sicht der Verbraucher überhaupt wünschenswert? Da habe ich meine großen Zweifel!“ In Deutschland werde über Lieferkettengesetze diskutiert, es gehe die Sorge um ein vernünftiges Auskommen der Menschen in Entwicklungsländern um. „Aber Verstöße gegen den Mindestlohn hierzulande werden nicht geahndet“, so die ernüchternde Bilanz.

    Wie komme ich vom Dorf in die Stadt?

    Ein altes Lied ist die Mobilität im ländlichen Raum. Aber dieses Lied wird immer weiter gespielt werden (müssen), wenn der Bus nur zweimal am Tag und am Wochenende gar nicht fährt. Bärbel von Teuffel, Unternehmerin aus dem Südschwarzwald und Bundesverbands-Vorständin, erklärte ihr Geschäft: „Wir machen alles – wie in einem Bauchladen. Schülerfahrten, Dialysepatienten und Inklusionstaxis. Auf uns ist Verlass, wir kommen! Aber wir sind das einzige Verkehrsmittel im ÖPNV, das sich ausschließlich aus Fahrgasteinnahmen speist“. Allerdings bei rasant steigenden Kosten durch Treibstoff, Mindestlohn, Versicherungen oder schlichtweg Inflation brauche das Taxi Unterstützung, schließlich könnten die Tarife nicht einfach in der Höhe angepasst werden. “Wir brauchen klare Richtlinien”, schlussfolgerte SPD-Mann Martin Kröber. “Das Taxi ist der Schlüssel zu barrierefreier Mobilität für alle. Ich komme von mir zu Hause auch nicht mit dem ÖPNV ins nächste Krankenhaus. Ich kann auch nicht für alles einen Krankenwagen rufen“, sagte Kröber und formulierte im schönsten Politsprech: „Wir müssen jetzt genau definieren und dann müssen wir es finanziell vernünftig ausgestalten“. Übrigens: Finanziell vernünftig heißt aus Sicht des Genossen, hier sei nicht nur der Bund gefragt, sondern auch die Kommunen. „Die sind auch nicht so pleite, wie sie immer sagen…“

    Saubere Mobilität – mit Strom von Tür zu Tür

    Gregor Beiner kann trotz seiner jungen Jahre durchaus als der „Godfather of E-Mobility“ in Deutschland bezeichnet werden. Denn der Taxiunternehmer aus München hat sich schon lange dem Thema verschrieben und ist mit einer respektablen Stromer-Flotte in Bayerns Landeshauptstadt unterwegs. „Alle sind sich einig: E-Taxis sind sauber, ökologisch und absolute Multiplikatoren. Aber auf dem Weg zu umweltfreundlicher Mobilität wird das Taxi leider allein gelassen“, konstatierte Beiner, der auch Vorstandsmitglied im Bundesverband ist. Der Bundesfahrplan e-Taxi, den der Verband aufgestellt hat, ist auch auf offene Ohren im Bundesverkehrsministerium gestoßen. Allerdings ruht der See seither still. Während Busbetreiber bis zu 80 Prozent Förderung für elektrische Busse erhalten, geht die Taxi- und Mietwagenbranche leer aus. Jürgen Lenders, für die Liberalen im Bundestag, sieht allerdings wenig Chancen auf finanzielle Unterstützung aus dem Bundeshaushalt: „Ich glaube, es ist nicht so richtig klug, auf diese Förderungen zu warten. Es handelt sich meist um eine Drittel-Finanzierung, bei der der Bund eben nur ein Drittel trage.“ Und Lenders warb noch einmal für die Idee der synthetischen Kraftstoffe, denn damit könnten auch Verbrenner klimaneutral fahren. Ein Vorteil für die Bestandsflotte.

    Das Fazit dieser Debatte: Der Taxi- und Mietwagenbranche brennen viele Themen unter den Nägeln und die Zeit drängt, dagegen sind die Lösung nicht immer einfach. Der Bundesverband wird weiter für seine Mitglieder kämpfen, damit sie auf deutscher und europäischer Ebene Gehör finden.

    #Taxi #Uber #Deutschland #Politik #Mindestlohn #Personenbeförderungsgesetz

  • Fachkunde: Gestaltung der Online-Prüfung ist völlig offen - Personenbeförderungsrecht (auch PBefG), Taxifahrer | News | taxi heute - das unabhängige und bundesweite Taxi-Magazin - das unabhängige, bundesweite Taxi-Magazin
    https://www.taxi-heute.de/de/news/personenbefoerderungsrecht-auch-pbefg-taxifahrer_fachkunde-gestaltung-der

    30.03.2023 - Die Ausgestaltung der von den Verkehrsministern am 23. März beschlossenen Online-Prüfung für den Erwerb des sogenannten Kleinen Fachkundenachweises wird kaum vor Herbst 2023 feststehen.

    Wie aus Teilnehmerkreisen der Verkehrsministerkonferenz zu hören war, musste die Ende November 2022 eingesetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe allein zwei Mal tagen, um sich im Grundsatz auf eine bundesweite Online-Prüfung zu einigen und eine entsprechende Beschlussvorlage für die Minister zu schreiben. Einzelheiten sollen in weiteren Gesprächen unter Einbeziehung der Verbände festgelegt werden. Es gebe aber verfassungsrechtliche Bedenken, dass mit einer verpflichtenden Online-Prüfung möglicherweise ein Berufszugangshindernis geschaffen werde. Das werde das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) aber vor dem formalen Rechtssetzungsverfahren prüfen lassen.

    In Fachkreisen gibt es Zweifel, ob eine „Online-Prüfung“ ausreichend betrugssicher ist. Von den zu theoretischen Führerscheinprüfungen berechtigten Organisationen (TÜV, Dekra) ist zu hören, dass bei jeder 500. Prüfung ein Täuschungsversuch entdeckt wird; von einer hohen Dunkelziffer sei auszugehen. Vereinzelt wird auch bei der praktischen Prüfung getäuscht, indem eine fahr-erfahrene Person unter Vortäuschung einer falschen Identität für den eigentlichen Prüfling einspringt.

    Nicht abschließend geklärt ist auch, ob die Vorschriften für die Fachkundeprüfung in Form einer Verordnung erlassen werden. Das würde einen erneuten Verzug um mehrere Wochen oder gar Monate bedeuten, weil vorher Länder und Verbände angehört werden müssen. Das BMDV neigt aber nach Auskunft aus Verbandskreisen zu einer solchen Lösung.

    Alternativ zur Prüfung standen eine verpflichtende Schulung – gegebenenfalls online -, eine verpflichtende Schulung mit fakultativer Prüfung – je nach Entscheidung der nach Landesrecht zuständigen Behörde – oder gar keine Regelung zur Wahl. In diesem Fall hätten die Länder oder die Behörden selbst entscheiden können, wie der Fachkundenachweis zu erbringen ist. Matthias Roeser

    #Deutschland #Taxi #Ausbildung

  • „Die Arbeitgeber schießen sich selbst ins Knie“ – Mindestlohn soll um 41 Cent steigen
    https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/beschaemend-wahnwitzig-nicht-armutsfest-mindestlohn-soll-um-34-cent

    26.6.2023 von Simon Zeise - Gewerkschaft und Ökonomen sind empört über den Alleingang der Mindestlohnkommission: „Beschämend, wahnwitzig, nicht armutsfest“ nennen sie die Erhöhung. Das sind die Reaktionen.

    Es knirschte gehörig in der Mindestlohnkommission. Erst durch das Machtwort der Vorsitzenden, des langjährigen Vorstandsmitglieds der Bundesagentur für Arbeit Christiane Schönefeld, wurde am Montag eine Empfehlung für die staatlich festgesetzte Lohnuntergrenze ausgesprochen. Demnach soll der Mindestlohn zum 1. Januar 2024 von zwölf auf 12,41 Euro und ein Jahr später auf 12,82 Euro steigen.

    Die Arbeitnehmervertreter in dem Gremium tragen den Entschluss nicht mit. DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell, der auch Mitglied der Mindestlohnkommission ist, sagte am Montag in Berlin: „Für eine Anpassung lediglich im Cent-Bereich konnten wir auf keinen Fall unsere Hand reichen.“ Mit dem Beschluss erlitten die fast sechs Millionen Mindestlohnbeschäftigten einen enormen Reallohnverlust. „Um einen Mindestschutz und einen Ausgleich der Inflation zu gewährleisten, hätte der Mindestlohn zumindest auf 13,50 Euro steigen müssen. Die Arbeitgeber und die Vorsitzende der Kommission haben sich dem verweigert“, sagte Körzell.
    DGB: Berechnung der Arbeitgeber ist „Missachtung des Gesetzgebers“

    Die Kommission hält die Entscheidung hingegen für ausgewogen: „Die Beschlussfassung fällt in eine Zeit schwachen Wirtschaftswachstums und anhaltend hoher Inflation in Deutschland, die für Betriebe und Beschäftigte gleichermaßen große Herausforderungen darstellen.“ Die Mehrheit der Kommission halte es im Rahmen einer Gesamtabwägung für vertretbar, den Mindestlohn in diesem Umfang zu erhöhen.

    Bis Ende 2024 muss die EU-Mindestlohnrichtlinie in nationales Recht umgesetzt werden, wonach die Mindestlöhne in der Europäischen Union mindestens 60 Prozent des Medianlohns von Vollzeitbeschäftigten erreichen sollen. Dies würde einem Mindestlohn in Höhe von mindestens 14 Euro entsprechen.
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    Der DGB bezeichnete es als „vollkommen aberwitzig“, dass die Arbeitgeber als Basis für die nächste Erhöhung nicht den aktuell vom Gesetzgeber festgelegten Mindestlohn von zwölf Euro angesetzt haben. Mit dem neu gefassten Beschluss gehen die Arbeitgeber stattdessen vom alten Mindestlohn in Höhe von 10,45 Euro aus. „Das kommt einer Missachtung des Gesetzgebers gleich, der vor dem sprunghaften Anstieg der Inflation die zwölf Euro festgelegt hatte, um den Mindestlohn armutsfest zu gestalten“, teilte der DGB mit. Die Ampel-Regierung hatte den Mindestlohn zuletzt außer der Reihe, ohne Konsultation der Mindestlohnkommission, auf zwölf Euro angehoben.

    Für Thorsten Schulten, dem Leiter des Bereichs Arbeitsmarkt- und Tarifpolitik am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI), ist die Entscheidung ein „Skandal“. Die Kommission sei von ihrer bisherigen Praxis abgewichen, einen Kompromiss zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu finden. Schulten erläuterte im Gespräch mit der Berliner Zeitung: „Die Arbeitgeber schießen sich mit der Entscheidung selbst ins Knie.“ Denn in einigen Branchen dürfte es bei der geringen Lohnerhöhung schwierig werden, Fachpersonal zu finden. Auch gesamtwirtschaftlich gesehen werde weiterer Kaufkraftverlust fortgeschrieben, und das, obwohl sich Deutschland in der Rezession befände und der Konsum deshalb besonders unter Druck stehe. Das bisherige Verfahren scheint an Grenzen zu stoßen. Man werde darüber nachdenken müssen, das Anpassungsverfahren zu reformieren, sagte Schulten, denn strukturelle Erhöhungen des Mindestlohns seien im Rahmen der Kommission offensichtlich nicht möglich.

    Für mehr als elf Millionen Beschäftigte in Deutschland, die im Niedriglohnsektor tätig sind, sei dies „eine bittere Entscheidung“, hob der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hervor. Mit gerade einmal 41 Cent, also 3,4 Prozent mehr, gleiche die Erhöhung nicht einmal die durchschnittliche Inflation von sieben Prozent im Jahr 2022, voraussichtlich sechs Prozent 2023 und wahrscheinlich drei Prozent 2024 aus. Geringverdiener müssten einen größeren Anteil ihres Einkommens für die Dinge ausgeben, die sehr viel teurer geworden sind, allen voran Lebensmittel, die sich in den vergangenen 15 Monaten um weit mehr als 20 Prozent verteuert haben, beklagte Fratzscher.

    Trotz des Konflikts in der Mindestlohnkommission will die Regierung an dem bisherigen Prozedere festhalten. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) teilte mit, den Beschluss der Mindestlohnkommission umzusetzen. Die Alternative wäre keine Erhöhung des Mindestlohns zum 1. Januar, „was angesichts der Inflationsentwicklung nicht verantwortbar ist“, sagte Heil.

    Die Co-Vorsitzende der SPD, Saskia Esken, erklärte, die Anhebung des Mindestlohns trage der Inflation nicht ausreichend Rechnung. Jetzt komme es darauf an, die Tarifbindung auszuweiten, um attraktive Arbeitsbedingungen zu erhalten, gerade in Zeiten des Fachkräftemangels – dieser sei die Achillesferse der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland, sagte Esken. „Der Mindestlohn ist eine Erfolgsgeschichte“, sagte die Co-Vorsitzende der SPD. „Dafür braucht es aber auch konsensuale Entscheidungen.“

    Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter, äußerte sein Bedauern, dass zum ersten Mal in der Kommission ein Beschluss nicht im Konsens gefallen sei. „Wir waren kompromissbereit.“ Die Entscheidung orientiere sich an der tarifpolitischen Entwicklung seit der letzten Entscheidung der Mindestlohnkommission. Die Arbeitgeberseite in der Mindestlohnkommission habe „Zugeständnisse gemacht“.

    #Arbeit #Mindestlohn #Deutschland

  • Das Haus Oldenburg und die Nazis: Eine schrecklich braune Familie
    https://taz.de/Das-Haus-Oldenburg-und-die-Nazis/!5359430

    5.12.2016 von Andreas Wyputta - Nikolaus von Oldenburg wollte im Vernichtungskrieg von Wehrmacht und SS seinen Clan bereichern. Seine Enkelin ist Beatrix von Storch.
    Die AfD-Politikerin Beatrix von Storch.

    HANNOVER taz | Zumindest 1941 muss Nikolaus von Oldenburg noch an den Endsieg geglaubt haben: „Ich wäre ihnen sehr dankbar, wenn Sie mich kurz wissen lassen würden, ob grundsätzlich die Möglichkeit des Ankaufs größerer Güter im Osten nach Kriegsende für mich gegeben sein wird“, schrieb der letzte Erbgroßherzog Oldenburgs an den „Reichsführer SS“, Heinrich Himmler. Schließlich habe er sechs Söhne, jammerte der einstige Thronfolger, dessen Anspruch auf Oldenburg 1918 die Novemberrevolution hinweggefegt hatte – und er erhielt prompt eine positive Antwort.

    Der Bettelbrief an den millionenfachen Mörder Himmler, geschrieben am 2. Juni 1941 – also 20 Tage vor dem Angriff auf die Sowjetunion – macht deutlich, dass das NSDAP-Mitglied Nikolaus von Oldenburg den Vernichtungskrieg seiner Parteigenossen zur massiven Bereicherung seines Clans nutzen wollte. Der Ex-Großherzog, dessen Titel nach der Weimarer Verfassung nichts mehr galt, schien offenbar zu wissen, dass die Nazis weite Teile Osteuropas entvölkern wollten – und dass der „Reichsführer“ der Mann war, der den Mordplan umsetzen würde.

    Ebenfalls im Juni 1941 kündigte Himmler vor SS-Gruppenführern an, 30 Millionen als „slawisch“ identifizierte Menschen töten lassen zu wollen. Schon in den ersten Monaten des Krieges gegen die Sowjetunion ermordeten Einsatzgruppen seiner „Sicherheitspolizei“ und seines „Sicherheitsdienstes“ SD fast eine Million Menschen. Die Vernichtung der europäischen Juden folgte.
    Typische Anbiederung an die Nazis

    Die Anbiederung des Chefs des Hauses Oldenburg an die Nationalsozialisten war durchaus typisch für den nord- und ostdeutschen Adel. Der Berliner Historiker Stephan Malinowski hat bereits 2003 herausgearbeitet, dass die meisten Adligen die nationalsozialistische „Bewegung“ als nützlich empfanden – schließlich lehnten beide Gruppen die Republik mit ihrer Demokratie und ihren Parteien ebenso ab wie Parlamentarismus und Sozialdemokratie. Außerdem brachten Wiederaufrüstung, Krieg und die Verfolgung von Juden sowie Sozialdemokraten viele Adelige, die nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg quasi arbeitslos waren, erneut in als standesgemäß erachtete Positionen – ob in Offizierslaufbahnen oder in den höheren Verwaltungsdienst.

    Das galt auch für Nikolaus von Oldenburg. Im Heer nur Major der Reserve, brachte er es in der SA immerhin zum Standartenführer, was dem militärischen Rang eines Obristen entspricht. Er scheint aber nicht versucht zu haben, unmittelbar aus der „Arisierung“ des Vermögens von Deutschen jüdischen Glaubens zu profitieren. Im zum Freistaat erklärten ehemaligen Großherzogtum, wo die NSDAP 1932, schon ein Jahr vor der „Machtergreifung“ Hitlers, über die absolute Mehrheit im Landtag verfügte, wurden die Juden genauso entrechtet, verfolgt und vernichtet wie im Rest des Deutschen Reiches: Lebten 1925 noch 320 Juden in der Oldenburger Kernstadt, waren es 1939 noch 99 – Ende 1943 gab es hier kein jüdisches Leben mehr.

    Die Enteignung Hunderter Mitbürger war aber auch nach 1945 jahrzehntelang kein Thema im niedersächsischen Oldenburg. Durchbrochen wurde das Schweigen erst durch die Ausstellung „Ein offenes Geheimnis“. Diese Ausstellung zeigte das Ausmaß der „‚Arisierung‘ in Alltag und Wirtschaft in Oldenburg im Zeitraum von 1933 bis 1945“. „Da bleibt nur Verhungern oder Flucht“, wird Gustav Thal zitiert, der damals in Oldenburg drei Fotogeschäfte besaß. Bis 1940 wurden nicht nur jüdische Geschäftsleute gezwungen, weit unter Wert zu verkaufen. Unter dem Begriff „Ausländische Möbel“ oder „Hollandmöbel“ stand die Einrichtung von zur Emigration gezwungenen oder deportierten Juden billig zum Verkauf.

    Immerhin: Seit 2013 erinnert eine Gedenkwand an die 175 ermordeten jüdischen BürgerInnen Oldenburgs. Und bereits seit 1981 wird mit dem „Erinnerungsgang“ an das Schicksal der jüdischen Männer erinnert, die nach den Novemberpogromen 1938 an der noch brennenden Synagoge vorbei zur Polizeikaserne am Pferdemarkt, der heutigen Landesbibliothek, getrieben wurden. Erst nach Wochen und Monaten kehrten sie, gezeichnet von der Haft im Konzentrationslager Sachsenhausen bei Berlin, vorerst zurück.
    Enkelin Beatrix von Storch hetzt gegen Europa

    Ihrer historischen Verantwortung nicht stellen will sich die derzeit wohl bekannteste Vertreterin der einstigen Adelsfamilie Oldenburg, Beatrix von Storch. Die AfD-Hardlinerin, die nach Aussage ihres Vaters Huno von Oldenburg im Ostholsteiner Anzeiger „nach alter deutscher Weise den Namen ihres Mannes“ Sven von Storch angenommen hat, phantasiert lieber vom Schusswaffengebrauch gegen Geflüchtete.

    Für die selbsternannte „Alternative“, deren Vorsitzende Frauke Petry das „Völkische“ positiv besetzen will, sitzt die Enkelin von Nikolaus von Oldenburg im Europaparlament und hetzt dort gegen die europäische Idee – was sie nicht daran hindert, jährlich Diäten und Aufwandsentschädigungen in sechsstelliger Höhe abzugreifen.

    Über so viel Geschäftssinn gefreut hätte sich sicherlich von Storchs Großvater mütterlicherseits: Hitlers Finanzminister, der in Nürnberg wegen der „Arisierung“ des Eigentums deportierter Juden durch die Finanzämter zu zehn Jahren Haft verurteilte Kriegsverbrecher Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk.

    Das Haus Oldenburg und die Nazis: Eine schrecklich braune Familie

    Nikolaus von Oldenburg wollte im Vernichtungskrieg von Wehrmacht und SS seinen Clan bereichern. Seine Enkelin ist Beatrix von Storch.
    Die AfD-Politikerin Beatrix von Storch.

    HANNOVER taz | Zumindest 1941 muss Nikolaus von Oldenburg noch an den Endsieg geglaubt haben: „Ich wäre ihnen sehr dankbar, wenn Sie mich kurz wissen lassen würden, ob grundsätzlich die Möglichkeit des Ankaufs größerer Güter im Osten nach Kriegsende für mich gegeben sein wird“, schrieb der letzte Erbgroßherzog Oldenburgs an den „Reichsführer SS“, Heinrich Himmler. Schließlich habe er sechs Söhne, jammerte der einstige Thronfolger, dessen Anspruch auf Oldenburg 1918 die Novemberrevolution hinweggefegt hatte – und er erhielt prompt eine positive Antwort.

    Der Bettelbrief an den millionenfachen Mörder Himmler, geschrieben am 2. Juni 1941 – also 20 Tage vor dem Angriff auf die Sowjetunion – macht deutlich, dass das NSDAP-Mitglied Nikolaus von Oldenburg den Vernichtungskrieg seiner Parteigenossen zur massiven Bereicherung seines Clans nutzen wollte. Der Ex-Großherzog, dessen Titel nach der Weimarer Verfassung nichts mehr galt, schien offenbar zu wissen, dass die Nazis weite Teile Osteuropas entvölkern wollten – und dass der „Reichsführer“ der Mann war, der den Mordplan umsetzen würde.

    Ebenfalls im Juni 1941 kündigte Himmler vor SS-Gruppenführern an, 30 Millionen als „slawisch“ identifizierte Menschen töten lassen zu wollen. Schon in den ersten Monaten des Krieges gegen die Sowjetunion ermordeten Einsatzgruppen seiner „Sicherheitspolizei“ und seines „Sicherheitsdienstes“ SD fast eine Million Menschen. Die Vernichtung der europäischen Juden folgte.
    Typische Anbiederung an die Nazis

    Die Anbiederung des Chefs des Hauses Oldenburg an die Nationalsozialisten war durchaus typisch für den nord- und ostdeutschen Adel. Der Berliner Historiker Stephan Malinowski hat bereits 2003 herausgearbeitet, dass die meisten Adligen die nationalsozialistische „Bewegung“ als nützlich empfanden – schließlich lehnten beide Gruppen die Republik mit ihrer Demokratie und ihren Parteien ebenso ab wie Parlamentarismus und Sozialdemokratie. Außerdem brachten Wiederaufrüstung, Krieg und die Verfolgung von Juden sowie Sozialdemokraten viele Adelige, die nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg quasi arbeitslos waren, erneut in als standesgemäß erachtete Positionen – ob in Offizierslaufbahnen oder in den höheren Verwaltungsdienst.

    Das galt auch für Nikolaus von Oldenburg. Im Heer nur Major der Reserve, brachte er es in der SA immerhin zum Standartenführer, was dem militärischen Rang eines Obristen entspricht. Er scheint aber nicht versucht zu haben, unmittelbar aus der „Arisierung“ des Vermögens von Deutschen jüdischen Glaubens zu profitieren. Im zum Freistaat erklärten ehemaligen Großherzogtum, wo die NSDAP 1932, schon ein Jahr vor der „Machtergreifung“ Hitlers, über die absolute Mehrheit im Landtag verfügte, wurden die Juden genauso entrechtet, verfolgt und vernichtet wie im Rest des Deutschen Reiches: Lebten 1925 noch 320 Juden in der Oldenburger Kernstadt, waren es 1939 noch 99 – Ende 1943 gab es hier kein jüdisches Leben mehr.

    Die Enteignung Hunderter Mitbürger war aber auch nach 1945 jahrzehntelang kein Thema im niedersächsischen Oldenburg. Durchbrochen wurde das Schweigen erst durch die Ausstellung „Ein offenes Geheimnis“. Diese Ausstellung zeigte das Ausmaß der „‚Arisierung‘ in Alltag und Wirtschaft in Oldenburg im Zeitraum von 1933 bis 1945“. „Da bleibt nur Verhungern oder Flucht“, wird Gustav Thal zitiert, der damals in Oldenburg drei Fotogeschäfte besaß. Bis 1940 wurden nicht nur jüdische Geschäftsleute gezwungen, weit unter Wert zu verkaufen. Unter dem Begriff „Ausländische Möbel“ oder „Hollandmöbel“ stand die Einrichtung von zur Emigration gezwungenen oder deportierten Juden billig zum Verkauf.

    Immerhin: Seit 2013 erinnert eine Gedenkwand an die 175 ermordeten jüdischen BürgerInnen Oldenburgs. Und bereits seit 1981 wird mit dem „Erinnerungsgang“ an das Schicksal der jüdischen Männer erinnert, die nach den Novemberpogromen 1938 an der noch brennenden Synagoge vorbei zur Polizeikaserne am Pferdemarkt, der heutigen Landesbibliothek, getrieben wurden. Erst nach Wochen und Monaten kehrten sie, gezeichnet von der Haft im Konzentrationslager Sachsenhausen bei Berlin, vorerst zurück.

    Enkelin Beatrix von Storch hetzt gegen Europa

    Ihrer historischen Verantwortung nicht stellen will sich die derzeit wohl bekannteste Vertreterin der einstigen Adelsfamilie Oldenburg, Beatrix von Storch. Die AfD-Hardlinerin, die nach Aussage ihres Vaters Huno von Oldenburg im Ostholsteiner Anzeiger „nach alter deutscher Weise den Namen ihres Mannes“ Sven von Storch angenommen hat, phantasiert lieber vom Schusswaffengebrauch gegen Geflüchtete.

    Für die selbsternannte „Alternative“, deren Vorsitzende Frauke Petry das „Völkische“ positiv besetzen will, sitzt die Enkelin von Nikolaus von Oldenburg im Europaparlament und hetzt dort gegen die europäische Idee – was sie nicht daran hindert, jährlich Diäten und Aufwandsentschädigungen in sechsstelliger Höhe abzugreifen.

    Über so viel Geschäftssinn gefreut hätte sich sicherlich von Storchs Großvater mütterlicherseits: Hitlers Finanzminister, der in Nürnberg wegen der „Arisierung“ des Eigentums deportierter Juden durch die Finanzämter zu zehn Jahren Haft verurteilte Kriegsverbrecher Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk.

    #Deutschland #Oldenburg #Geschichte #Nationalsozialismus #Beatrix_von_Storch #AfD #Adel

    #Allemagne #histoire #nazis #Oldenbourg #shoa #antisemitisme

  • SVB, Crédit suisse  : le spectre de 2008
    https://mensuel.lutte-ouvriere.org/2023/04/02/leconomie-capitaliste-entre-ravin-et-precipice_588676.html

    Le 9 mars, la banque californienne #SVB, qui hébergeait les comptes de nombreuses entreprises de la Silicon Valley, a subi la plus grande panique bancaire de l’histoire. En une seule journée, ses clients ont voulu récupérer, par un simple clic, 42 milliards de dollars. Cette banque, qui n’était pas classée parmi les trente banques internationales jugées «  trop grosses pour faire faillite  », n’avait pas fait d’opérations douteuses ou frauduleuses. Elle ne possédait pas de titres pourris, comme les subprimes qui ont provoqué la faillite de la banque d’affaires #Lehman_Brothers en 2008 et déclenché la crise du système bancaire. Elle avait placé l’argent de ses clients dans des #bons_du_Trésor américain à longue échéance, les titres les plus sûrs au monde. Mais, justement, la valeur de ces obligations d’État a baissé, du fait de la remontée des taux de la Fed. Avec des taux plus hauts, les nouvelles obligations émises par l’État rapportent plus aux financiers qui vendent les anciennes, provoquant leur dévaluation. Un autre effet collatéral de la remontée des taux et du recul de l’argent facile, qui s’ajoute à la crise économique, c’est une plus grande difficulté pour les start-up, californiennes ou autres, de lever des fonds pour accroître leur capital. Quand certaines de ces #start-up, ayant besoin d’argent frais, ont commencé à retirer leurs fonds, la SVB s’est retrouvée piégée, incapable d’honorer les retraits.

    Devant la panique provoquée par la faillite de SVB, la #Fed est intervenue sans délai. Biden en personne s’est exprimé pour assurer les banquiers que l’État garantirait, quoi qu’il en coûte, tous les fonds placés dans les banques. L’État est toujours là pour sauver la mise des capitalistes avec l’argent public. Comme le faisait remarquer un observateur  : «  Les entrepreneurs californiens sont tous libertariens, jusqu’à ce qu’ils soient frappés par une hausse des taux d’intérêt.  » Cette intervention immédiate montre que les dirigeants de la bourgeoisie savent que leur économie est instable et qu’ils redoutent en permanence une nouvelle crise systémique.

    Pratiquant la méthode Coué, comme #Christine_Lagarde, alors ministre de l’Économie de Sarkoky, qui déclarait en 2008  : «  Ceci n’est pas un krach  », #Bruno_Le_Maire a déclaré après la faillite de SVB  : «  Je ne vois pas de risque de contagion en Europe.  » Patatras, moins de vingt-quatre heures plus tard, le #Crédit_suisse, deuxième banque helvétique, était menacé de faillite, tandis que les actions de la #BNP et de la #Société_générale perdaient 30 % à la #Bourse_de_Paris. Le Crédit suisse étant l’une des trente banques dont la faillite menacerait la stabilité de tout le système, les autorités suisses ont imposé à UBS, en moins d’un week-end, de racheter le Crédit suisse pour 3 milliards d’euros. Les emplois des salariés de la banque, eux, n’ont pas été sécurisés. Ils risquent de disparaître par milliers, alors que le Crédit suisse a déjà licencié 9 000 de ses 52 000 salariés au cours des deux dernières années. Pour convaincre les patrons d’#UBS, réticents malgré le prix bradé, car bien placés pour savoir que les coffres du Crédit suisse pouvaient contenir des titres douteux, les autorités suisses leur ont ouvert avec l’argent public un fonds de garantie de 9 milliards. Le Crédit suisse, comme UBS et tant d’autres banques dans le passé, a été récemment mis en cause dans divers scandales de corruption, d’opérations de blanchiment ou d’évasion fiscale, de manipulations de taux. Il avait des participations dans un fonds spéculatif, Archeos, qui a fait faillite en 2021. Toutes les casseroles du Crédit suisse ont fini par faire douter les autres financiers de sa solidité. La faillite de la SVB, en semant le doute sur la solidité de chaque banque, a accéléré sa chute.

    D’autres banques pourraient être entraînées par la chute de la SVB et du Crédit suisse. La #Deutsche_Bank, première banque allemande, pourrait être le prochain domino à tomber. Le 24 mars, son cours boursier a commencé à chuter dangereusement. Dans un #climat_de_défiance générale, l’annonce qu’elle souhaitait rembourser par anticipation certaines de ses créances, au lieu de rassurer les marchés, a déclenché leur méfiance. Les rodomontades de Christine Lagarde, présidente de la #BCE, qui déclarait le 20 mars, lors du sommet des dirigeants de l’UE  : «  Le #secteur_bancaire de la zone euro est résilient  », ne suffiront pas à protéger la société du risque d’une nouvelle #crise_financière systémique. Depuis 2008, les banques ont trouvé le moyen de contourner les mesures dites prudentielles qui leur avaient été imposées pour éviter des faillites en chaîne. Elles ont inventé de nouveaux instruments pour spéculer et s’enrichir par tous les moyens, s’exposant à des faillites en cas de retournements brutaux. Quand les marchés financiers, c’est-à-dire une poignée de grands banquiers ou de grands fonds d’investissement comme #BlackRock, pour de bonnes ou de mauvaises raisons, perdent confiance dans telle ou telle banque soupçonnée d’être trop exposée, ce qui est le cas de la Deutsche Bank, ils peuvent la faire couler en peu de temps. […]

    #capitalisme #taux_d’intérêt #spéculation

  • „Eine S-Klasse und ein 7er BMW dürften im Carsharing-Geschäft eher unrentabel sein“
    https://www.wiwo.de/unternehmen/dienstleister/mobilitaets-app-von-mercedes-und-bmw-eine-s-klasse-und-ein-7er-bmw-duerften-im-carsharing-geschaeft-eher-unrentabel-sein/29053214.html

    28.3.2023 von Stephan Knieps - Freenow heißt die App, die von Mercedes’ und BMWs Träumen als Mobilitätsdienstleister geblieben ist. Im Interview erklärt Firmenchef Thomas Zimmermann, wie der ÖPNV bei seinen Kunden ankommt und warum er gegen Uber stichelt.

    Freenow wurde 2009 in Hamburg unter dem Namen „one touch Taxi“ gegründet, kurz darauf erfolgte die Umbenennung in „Mytaxi“: Anfangs digitalisierte die Anwendung bloß die Taxibestellung. 2014 übernahm Mercedes die Mehrheit an Mytaxi; 2019 verschmolzen Mercedes und BMW ihre Mobilitätsdienstleistungen in einem Gemeinschaftsunternehmen namens Freenow. Heute kann man über die App neben Taxifahrten auch Elektroroller, Elektrofahrräder sowie Chauffeur-Dienste buchen. Freenow beschäftigt rund 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und operiert in zehn Ländern. In Hamburg und Barcelona unterhält die Firma je einen Tech Hub. Seit April 2022 ist Thomas Zimmermann (39) der Freenow-CEO.

    Wirtschaftswoche: Herr Zimmermann, Sie haben mit der „Rheinbahn“ und dem Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) vor vier Monaten erstmals den ÖPNV auf Ihrer Plattform integriert. Wie läuft das Experiment bislang?

    Thomas Zimmermann: Es ist noch relativ früh für ein Fazit. Mit diesem Testpiloten wollen wir erstmals zeigen, wie gut wir als Mobilitätsplattform die komplette Bandbreite urbaner Verkehrsmittel abbilden können. Darüber hinaus ging es uns auch um die Frage, wie die technische Integration funktioniert. Wir machen das zusammen mit Tranzer, einem niederländischen Dienstleister für Programmierschnittstellen, spezialisiert auf Mobilitätsapps. Die ÖPNV-Unternehmen verfügen nämlich oftmals nicht über allzu große Tech-Abteilungen. Also: Die technische Integration klappt gut.

    Wie viele VRR-Tickets haben Sie über Freenow bisher verkauft?

    Absolute Zahlen kann ich noch nicht nennen. Aber klar ist: Die Leute, die ihre VRR-Monatskarte haben, sind nicht unsere Hauptzielgruppe. Sondern eher diejenigen, die den ÖPNV eher noch sehr sporadisch nutzen, oder Touristen und Geschäftsreisende, die Einzelfahrt- oder Tagestickets kaufen. Und da sehen wir, dass es gut angenommen wird. Im Vergleich zu den ersten beiden Monaten sehen wir aktuell ein Wachstum von knapp 90 Prozent bei den verkauften Tickets. Zwei Drittel aller verkauften Tickets entfallen dabei auf Neukäufer. Dies verdeutlicht, wie wir auch neue Kundengruppen für den ÖPNV erschließen können. Wobei wir anfangs lernen mussten: Es ist vielen Leuten nicht klar, dass man über eine überregionale App wie Freenow auch ÖPNV-Tickets buchen kann. Das sogenannte Ride-Hailing via App, also das digitale Buchen von Taxi- und Mietwagenfahrten, ist mittlerweile gelerntes Verhalten – aber der Kauf einer Straßenbahn-Fahrkarte über dieselbe App noch nicht. Wir sehen hier aber auf jeden Fall eine wachsende Adaptionskurve.

    Wann folgen die nächsten Verkehrsverbunde?

    Wir möchten natürlich weitere deutsche und europäische Verbunde auf unserer Plattform haben, aber das liegt nicht allein in unserer Hand. Die Verkehrsverbunde haben auch ihre Eigeninteressen. Größere Städte haben inzwischen eigene Verkehrs-Apps, die sie pushen wollen. Wir argumentieren in den Verhandlungen, dass wir die Mobilitätswende nur gemeinsam schaffen, und ganz sicher nicht mit staatlich geschützten Monopolstellungen. Und daneben gibt es noch besagte technische Integration, deren Umsetzung sich zum Teil stark von Stadt zu Stadt unterscheidet. Also: Wir sind mit mehreren ÖPNV-Verbunden in Gesprächen und sind optimistisch, dass wir zeitnah weitere Integrationen vermelden können.

    Sie sind in zehn Märkten aktiv. Wie sieht es diesbezüglich außerhalb Deutschlands aus?

    Es gibt leichte Unterschiede. In England und zum Teil auch in Italien setzt sich mehr und mehr das Bezahlen mit dem Handy durch. In London verdrängt es etwa langsam die bekannte Oyster-Karte. Also: Beim Ein- und Aussteigen der Tube hält man das Handy vor den Kartenleser und via Apple-Pay oder Google-Pay wird der Betrag abgebucht. Die technischen Details unterscheiden sich also zu jenen in Deutschland. Aber bezogen auf die Prozesse: Es sticht in den europäischen Märkten, in denen wir aktiv sind, kein Land besonders hervor, wo die Integration des ÖPNV super einfach ist. Sonst wären wir dort gestartet mit unserem ÖPNV-Test.

    In Deutschland soll es bald aber sehr viel einfacher werden: mit dem berühmten 49-Euro-Ticket. Wird man das Ticket über Freenow kaufen können?

    Das hoffe ich! Wir arbeiten daran, es anbieten zu dürfen. Der Grund für das 49-Euro-Ticket ist ja, das Verkehrsnutzungsverhalten der Leute positiv zu verändern. Das gelingt am besten, wenn man es auf möglichst vielen Kanälen zur Verfügung stellt.

    Mit wem verhandeln Sie hierzu?

    Natürlich nicht mit allen deutschen ÖPNV-Verbünden, es reicht ja, wenn einer es uns technisch ermöglicht, denn das Ticket gilt ja deutschlandweit. Wir sprechen aber auch mit der Deutschen Bahn. Die sind ja das einzige Unternehmen in Deutschland, das das Ticket außerhalb der ÖPNV-Verbunde auch noch verkaufen darf.

    Wird man eines Tages auch ICE-Tickets bei Freenow kaufen können?

    Wir konzentrieren uns ganz klar auf die urbane Mobilität und nicht auf den Fernverkehr. Ähnlich wäre es bei Tickets für Fernverkehrsbusse, die wir ebenfalls nicht anbieten. Zudem ist die Bahn bei ICE-Tickets auch eher restriktiv. Wir haben jüngst mit unserer Mobility Benefits Card ein Produkt an den Start gebracht, mit dem es auch jenseits von unserer App möglich ist, sämtliche Mobilitätsangebote über Freenow zu buchen, auch ICE-Tickets.

    Freenow vermittelt Taxifahrten, E-Scooter, Elektroräder, Carsharing-Fahrzeuge sowie Mietwagen mit lizenzierten Fahrern, das sogenannte Ride-Hailing. Wie viel steuert jedes Segment zum Gesamtumsatz bei, was ist das wichtigste Segment?

    Unser Rückgrat ist definitiv das Taxi- und Ride-Hailing-Geschäft. Damit ist das Unternehmen vor 14 Jahren gestartet, und das macht zwischen 70 und 80 Prozent unseres Umsatzes aus. Das Geschäft ist im vergangenen Jahr um rund 50 Prozent gewachsen. Gleichzeitig ist der neue Mobilitätsbereich, zum Beispiel in Deutschland, um mehr als das Dreifache gewachsen. Die Verteilung kommt dabei stark auf die Stadt und die Saison an. Bei schlechtem Wetter werden Taxi und Carsharing stärker nachgefragt. Bei gutem Wetter sind es Elektro-Scooter und Elektro-Räder.

    Inzwischen haben sich viele Autohersteller wieder von der Idee verabschiedet, Mobilitätsdienstleister zu werden. Vergangenes Jahr haben sowohl BMW und Mercedes ihr Carsharing-Angebot „Share Now“ an Stellantis verkauft, als auch VW sein Unternehmen „Weshare“ an das Berliner Carsharing-Unternehmen Miles Mobility. Sind Sie froh, nur eine Vermittler-Plattform zu betreiben, ohne Verantwortung für all die E-Scooter, Autos und Räder übernehmen zu müssen? Wenn wieder mal E-Scooter aus dem Rhein gefischt werden müssen, ist das nicht Ihre Aufgabe.

    Das ist richtig. Unsere Stärke liegt in der Vermittlung von Mobilitätsdienstleistungen. Wir haben uns bewusst dazu entschieden, keine eigenen Fahrzeuge zu betreiben. Und zu den genannten Beispielen: BMW und Mercedes sind Premium-Hersteller. Eine S-Klasse und ein 7er BMW dürften im Carsharing-Geschäft eher unrentabel sein. Daher verstehe ich die strategische Entscheidung zum Verkauf.

    BMW und Mercedes sind auch die Eigentümer Ihrer Firma. Wieso haben die mit „Share Now“ eigentlich einen Wettbewerber aufgebaut, der auch noch sehr ähnlich klingt? Wie sinnvoll ist das?

    Als Wettbewerber betrachte ich Share Now keineswegs. Das Unternehmen ist ein wichtiger Partner in ganz Europa. Richtig ist, dass es mit „Charge Now“, „Reach Now“ und auch „Park Now“ eine komplette Markenfamilie gegeben hat, die es in dieser Form heute nicht mehr gibt. Mercedes hatte „Car2Go“ und BMW hatte „Drivenow“. 2019 haben sie beide Unternehmen zusammengelegt, daraus ist „Share Now“ entstanden. Da gab es uns ja schon zehn Jahre, allerdings als reinen Anbieter fürs Ride-Hailing-Geschäft. Über unsere App kann man die Carsharing-Flotte von „Share Now“ buchen – für uns spielt es demnach keine Rolle, ob das Unternehmen nun BMW und Mercedes oder Stellantis gehört. Das gleiche gilt übrigens auch für Miles und die „Weshare“-Flotte. Wir wollen einfach möglichst viele Angebote in unserer App zur Auswahl bereitstellen.

    Andere Anbieter betrachten Sie aber sehr wohl als Wettbewerber. Zusammen mit dem Taxiverband forderten Sie kürzlich zahlreiche deutsche Stadtverwaltungen auf, die dort tätigen Vermittlungsplattformen von Mietwagen zu überprüfen, ob sie die Vorgaben des Personenbeförderungsgesetzes einhalten. Diese Spitze zielte doch eindeutig auf Uber. Wollen Sie so den Konkurrenten loswerden?

    Wir appellieren daran, dass sich alle Marktteilnehmer an die gültigen Regeln halten. Freenow setzt seit jeher auf den engen Dialog und Austausch mit Vertretern der Städte, um gemeinsam die bestmöglichen Lösungen zu finden. Andere versuchen es hingegen mit dem Vorschlaghammer, Dumping-Preisen oder mit Geschäftsmodellen, die eben nicht im Einklang zur hiesigen Gesetzeslage stehen.

    Es hieß, „Share Now“ wie auch „Weshare“ sollen Verluste geschrieben haben. Wie ist es bei Ihnen?

    Der Großteil unserer Märkte ist profitabel. Unser Ziel ist es, im nächsten Jahr insgesamt als Unternehmen profitabel zu werden.

    Passend dazu erhöhen Sie zum 1. April die Gebühren.

    Hier muss man unterscheiden: Die Preise der Taxis sind ja geregelt übers Taxameter und werden festgelegt vom Staat oder den Kommunen. Zurzeit werden die Taxipreise in vielen europäischen Ländern erhöht, darauf haben wir keinen Einfluss. Bei Fahrten mit Privatfahrern gibt es eine gewisse Preisflexibilität: Hier legt der Mietwagenunternehmer den Preis fest. Wir flexibilisieren ab April unsere Gebühr für die Vermittlung solcher Fahrten, einen kleinen Aufschlag beim Endverbraucher. Das machen wir sowohl für private als auch für geschäftliche Fahrten in verschiedenen Ländern. Im Übrigen ermöglicht uns die aktuelle Anpassung, die Servicegebühr je nach Marktlage auch nach unten zu korrigieren, um mitunter die Nachfrage nach Taxifahrten kurzfristig zu stimulieren.

    Welcher ist Ihr stärkster Markt?

    Deutschland gehört zur Spitze, aber auch England, Irland und – von der Anzahl der Fahrten – Polen.

    Vor der Pandemie erwirtschafteten Sie rund zwei Milliarden Euro. Wieviel ist es heute?

    Oberhalb einer Milliarde Euro.

    #Deutschland #Uber #FreeNow #Taxi #Business

  • Chaos du capitalisme : la seule perspective est celle que les travailleurs en lutte ouvriront

    https://lutte-ouvriere.be/chaos-du-capitalisme-la-seule-perspective-est-celle-que-les-travaille
    Dernier éditorial de LO-Belgique

    Après l’effondrement aux USA de la #Silicon_Valley_Bank le 10 mars dernier, la plus grosse faillite bancaire depuis 2008, les banquiers centraux se sont empressés de déclarer que « tout était sous contrôle ». La #banque_centrale (#Fed) a ouvert un nouveau fonds de financement d’urgence et les banques lui ont emprunté au moins 164 milliards de dollars. En Europe, les banquiers centraux ont vite annoncé qu’il n’y avait pas de risque de contagion !

    Quelques jours plus tard, le #Crédit_Suisse, une des trente plus grandes #banques du monde était au bord de la faillite. La banque centrale de Suisse décida elle aussi d’ouvrir les robinets : en quelques heures plus de 50 milliards d’euros ont été mis à disposition du Crédit suisse, puis 200 milliards… avant que ne soit décidé son rachat par UBS, la plus grosse banque du pays. La banque est « sauvée », les milliards des capitalistes sont sauvés, mais pas les 10 000 employés en doublon que les banques ont prévu de licencier…

    Le 24 mars, les actions de la première banque allemande #Deutsche_Bank chutaient, ravivant la menace d’une crise financière internationale. Les dirigeants politiques ont à nouveau répété qu’ils n’avaient aucune inquiétude, pour tenter d’enrayer la panique. En réalité, ils sont bien incapables de faire la moindre prévision. Depuis des années, les krachs financiers, les crises, se succèdent, et l’économie capitaliste s’enfonce toujours plus dans le chaos. À chaque fois, les gouvernements répondent en inondant les capitalistes de liquidités, en faisant tourner la planche à billets, creusant ainsi les déficits publics. Et les capitalistes font payer aux travailleurs le prix de leur fuite en avant !

    Et plutôt deux fois qu’une. D’un côté tout cet argent emprunté gratuitement, les banques et les financiers l’utilisent pour acheter des actions en espérant les revendre plus cher, engendrant ainsi des profits faciles. Avec le déclenchement de la #guerre_en_Ukraine, les spéculateurs ont ainsi parié sur l’augmentation des #prix_du_gaz, achetant et revendant les cargaisons au point de faire exploser les prix de l’énergie puis tous les autres prix… Ils ont ainsi aggravé la pauvreté partout sur la planète, plongeant une large proportion des ménages des classes populaires dans des situations intenables où il faut choisir entre se chauffer et manger à sa faim.

    D’un autre côté, les capitalistes font pression sur leurs États pour faire payer aux travailleurs l’argent dépensé en sauvetage de banque, en subsides aux entreprises ou en armes pour la guerre en Ukraine ! Les gouvernements s’empressent alors d’imposer toutes les mesures nécessaires pour pressurer davantage les travailleurs. Tout y passe : de la crèche communale où une puéricultrice doit faire le travail de trois collègues car « il n’y a pas assez de financement » jusqu’au passage en force par Macron de l’augmentation de l’#âge_de_départ_à_la_retraite de 62 à 64 ans car « les retraites coûtent trop cher dans une population vieillissante ».

    Mais ces mensonges prennent de moins en moins, et la situation s’aggravant de plus en plus pousse inévitablement à des révoltes.

    En France, depuis le 19 janvier, il y a des #manifestations massives presque toutes les semaines, accompagnées de grèves dans quelques secteurs. Si les manifestations ont été aussi massives, c’est que la coupe est pleine. Elle l’est pour les plus âgés, cassés par le travail, et à qui on promet une pension réduite ou pour celles et ceux qui n’auront jamais de pension vu qu’un nombre important de travailleurs en France meurent avant la #retraite ! Elle l’est pour tous les ménages populaires confrontés à l’explosion des prix de l’alimentation et de l’énergie et pour celles et ceux qui voient bien que tout s’aggrave, en particulier la guerre économique qui fait craindre que les guerres actuelles se généralisent en une troisième guerre mondiale. C’est un ras-le-bol général.

    Malgré la #répression_policière, les gardes à vues et les fouilles en sous-vêtement, les mobilisations contre le recul de l’âge de la retraite continuent. Dans cette lutte qui dure depuis deux mois, le camp des travailleurs mesure ce que peut être la force du nombre. Car si certains députés de droite n’ont finalement pas voté la loi et que #Macron a dû faire recours au 49.3 (en se passant du vote des députés) c’est que la pression des grèves leur a fait penser à leur prochaine élection !

    La force du nombre peut peser sur le monde politique, mais c’est seulement si la #grève se généralise et s’étend aux grandes entreprises privées que le rapport de force s’inversera réellement et que la loi pourra être repoussée.

    #réforme_des_retriates #capitalisme #régression_sociale #lutte_de_classe #inflation #pouvoir_d'achat

  • Free Now will Uber und Bolt verbieten lassen: Kampf der Fahrdienst-Apps
    https://www.rnd.de/wirtschaft/free-now-will-uber-und-bolt-verbieten-lassen-kampf-der-fahrdienst-apps-4BNUYGYT7

    17.2.2023 von Frank-Thomas Wenzel - Neue Mobilitätsplattformen wie Uber verstoßen nach Ansicht des Rivalen Free Now gegen die Bestimmungen des Personenbeförderungsgesetzes. Das könnte bis zum Verbot der Fahrdienste führen. Ein Rechtsexperte empfiehlt den Stadtverwaltungen, die Unternehmen genau zu kontrollieren.

    Frankfurt am Main. Muss nun das Totenglöckchen für das Taxi, so wie wir es kennen, geläutet werden? Immerhin nimmt die Zahl der beigen Limousinen mit der schwarz-gelben Leuchte auf dem Dach deutlich ab – wegen wachsender Billigkonkurrenz durch Fahrdienste wie Uber oder Bolt. Doch nun wird ein anderer Fahrdienst aktiv: Free Now will erreichen, dass den Rivalen die Geschäftstätigkeit verboten wird, weil sie gegen Gesetze verstießen.

    „Die Zeit rennt davon und die Behörden ducken sich weg. Wenn sie nicht bald aufwachen, sind die Taxis weg aus den Städten. Das geht verdammt schnell“, sagte Michael Oppermann, Geschäftsführer des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

    Einer der Hotspots des Zoffs im Beförderungsgewerbe ist Berlin. Uber hat für die Hauptstadt einen neuen Service angekündigt. Kunden können künftig „ihren Uber“ vorbestellen. Diese Dienstleistung gab es bislang nur von den beigen Autos. Das Berliner Taxigewerbe hat prompt eine Demo organisiert, wollte am Donnerstagabend vor dem BER-Airport gegen „Fahrgastklau“ protestieren. Mit den Vorbestellungen wird der Konkurrenzkampf in der Personenbeförderung noch härter. Dabei ist bereits ein klarer Trend erkennbar.

    Zahl der Taxis schrumpft

    In Berlin ist nach Angaben des Senats die Zahl der Taxis zwischen Januar 2022 und Januar 2023 um 530 Fahrzeuge auf 5375 geschrumpft, während die offiziell registrierten Mietwagen um 189 auf 4441 zulegten – wobei die Vermutung kursiert, dass zusätzlich bis zu 4000 nicht gemeldete Fahrzeuge unterwegs sind. Uber, Bolt und andere Internetplattformen arbeiten mit den Mietwagenunternehmen zusammen, die auch den Fahrer stellen. Der Hauptgrund für den Erfolg der Newcomer: Sie sind häufig billiger als die traditionellen Kraftdroschken. Das hat viel mit den enormen rechtlichen Grauzonen in dem Gewerbe zu tun, die von den neuen Anbietern nach Ansicht von Insidern geschickt ausgenutzt werden.

    Das Hamburger Unternehmen Free Now, ein Joint Venture von BMW und Mercedes, will nun gegen die Rivalen vorgehen. Es sieht sich als „einzige legale Mobilitätsplattform in Deutschland“ und hat sich gerade bescheinigen lassen, ausschließlich als Vermittler aktiv zu sein. Das geht aus einem Schreiben der Hamburger Behörde für Verkehr und Mobilitätswende hervor, die dem RND vorliegt. Begründung: Free Now bietet über seine App Vielfalt – unter anderem Taxis. Aber auch Fahrten, die Mietwagenunternehmen nebst Fahrern offerieren. Die Firmen könnten weitgehend autonom agieren, weil sie Einfluss auf die Preisgestaltung hätten und es keinerlei gegenseitige Exklusivvereinbarungen gebe.

    Das ist für den juristischen Status einer Fahrdienst-Plattform maßgeblich. Free Now ist damit davon befreit, sich an das Regelwerk des Personenbeförderungsgesetzes (PBeFG) zu halten – der Bescheid der Hamburger Behörde hat bundesweit Geltung. Ganz anders sieht es aus, wenn der Betreiber einer Mobilitätsapp auch Preise vorgibt oder mit Mietwagenfirmen diverse Vereinbarungen über den Einsatz der Fahrzeuge trifft. So können beispielsweise Uber oder Bolt den Geschäftsbetrieb optimieren, ihre Umsätze steigern und die Kosten niedrig halten. Doch für eine derart weitgreifende Tätigkeit braucht es laut Gesetz eine Lizenz von der jeweiligen Kommune.

    „Der Ehrliche darf nicht der Dumme sein“

    Aber: „Andere Plattformen halten die Vorgaben des PBEfG nicht ein und haben bei den zuständigen Genehmigungsbehörden auch keinen Antrag auf Befreiung gestellt“, sagte Free-Now-Chef Alexander Mönch dem RND. Diese Wettbewerber würden ein erlaubnispflichtiges Gewerbe betreiben, ohne über eine entsprechende Erlaubnis zu verfügen. Eine solche Konstellation bringt einen doppelten Wettbewerbsvorteil: gegenüber Free Now und gegenüber den klassischen Taxis, deren Dienstleistungen dem PBEfG und anderen Reglementierungen unterliegen.

    Mönch: „Dass der Ehrliche zum Dummen wird, kann und darf keine akzeptable Strategie sein.“ Er hat nun einen Brief an eine Reihe von Rathäusern – auch in Berlin – geschickt mit einem eindringlichen Ersuchen. Die Behörden sollen die Betreiber von Fahrdienst-Plattformen auffordern, „ihr Geschäftsmodell zu präsentieren und gegebenenfalls den weiteren Dienst in ihrer Stadt untersagen“.

    Unbezahlbar

    Der Free-Now-Chef wird von Taxi-Funktionär Oppermann unterstützt: „Die Behörden müssen jetzt schnell handeln und vor allem kontrollieren, kontrollieren, kontrollieren. Es muss wieder gelten: Wer sich nicht an die Regeln hält, fliegt raus aus der Stadt.“

    Ein Sprecher Berliner Senatsverwaltung für Umwelt und Mobilität teilte mit: Das zuständige Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheit habe – längst vor dem Schreiben von Free Now – bereits die Unterlagen aller hier tätigen Vermittler abgefordert, um die in Berlin von den Unternehmen umgesetzten Geschäftsmodelle zu bewerten. „Diese Verfahren sind noch nicht abgeschlossen.“

    Experte hält Ubers Praktiken für illegal

    Die Muttergesellschaft von Bolt reagierte nicht auf eine RND-Anfrage. Ein Uber-Sprecher ließ wissen: „Uber ist eine genehmigungsfreie Vermittlungsplattform. Dies wurde uns von verschiedenen Behörden in der Vergangenheit bestätigt.“

    Laut Christian Solmecke, Experte für Internetrecht, hat die Stadt Hannover in einem Rechtsgutachten tatsächlich bestätigt, dass Uber nur als Vermittler tätig wird. Der Rechtsanwalt weist aber auch darauf hin, dass das Unternehmen immer wieder wegen fehlender Lizenzen nach dem Personenbeförderungsgesetz sein Geschäftsmodell anpassen musste. „Gegenwärtig gibt Uber an, lediglich Fahrgäste an einen gewerblichen Mietwagenunternehmer zu vermitteln. Doch auch das aktuelle Modell wurde inzwischen von mehreren Gerichten als nicht vereinbar mit dem Personenbeförderungsgesetz beurteilt“, sagte Solmecke dem RND. Er fügt hinzu: „Das Oberlandesgericht Frankfurt stellte dabei explizit darauf ab, dass die Tätigkeit gerade nicht nur als reine Vermittlung anzusehen ist. Allerdings gibt es noch kein höchstrichterliches Urteil.“

    Dennoch hält Solmecke es „für sehr wahrscheinlich, dass auch das bestehende Modell nicht legal ist“. Die aktuellen Gerichtsentscheidungen verpflichteten die Kommunen allerdings nicht, Uber zu verbieten. „Das müssen sie selbst entscheiden.“ Um Rechtsicherheit herzustellen, empfiehlt er den Stadtverwaltungen sowohl die Mietwagenkonzessionen als auch die gesetzlichen Vorgaben aus dem Personenbeförderungsgesetz zu überwachen. Weiterhin sei es ratsam, ein stadteigenes Rechtsgutachten durchzuführen, um die gesetzlichen Anforderungen mit den Maßnahmen von Uber am jeweiligen Standort abzugleichen.

    #Deutschland #Uber #Free_Now

  • Plattform, Lieferdienst und Co. - ZDFmediathek
    https://www.zdf.de/dokumentation/zdfzoom/zdfzoom-plattform-lieferdienst-und-co-100.html
    https://www.zdf.de/assets/zdfzoom-plattformen-arbeitswelt-100~1280x720?cb=1675845020831

    Verfügbarkeit:
    Video verfügbar bis 08.02.2025

    ZDFzoom
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    Für Menschen mit schlechter formaler Ausbildung oder fehlenden Deutschkenntnissen, die sich auf dem herkömmlichen Arbeitsmarkt schwertun, bieten Plattformwirtschaft und Lieferdienste die Möglichkeit, überhaupt einen Job zu finden.

    Das Prinzip: Über eine App ordert der Kunde seine Einkäufe, bestellt eine Putzhilfe oder eine Betreuungskraft. Die Vorteile: Verbraucher sparen Wege, können den günstigsten Anbieter auswählen, es entstehen neue Jobs. Die Schattenseite: Es herrscht harte Konkurrenz unter den Plattform-Arbeiter*innen, viele sind arbeitsrechtlich kaum abgesichert.

    Zwar sind viele Fahrradkuriere, sogenannte „Rider“, mittlerweile in Deutschland angestellt, jedoch haben viele befristete Verträge, anderen wird noch während der Probezeit gekündigt. Die Angst vor Job- und Einkommensverlust fährt bei vielen mit. „Wenn ich stürze und es passiert nichts Ernstes, nur etwas Schmerzen hier und da - dann ziehe ich es vor weiterzuarbeiten, statt mich krank zu melden,“ berichtet ein Rider, der nicht erkannt werden möchte. Gesteuert von einer App sind die Beschäftigten der neuen Arbeitswelt oftmals vereinzelt und austauschbar. Viele kennen ihre Rechte nicht oder scheuen sich, diese gerichtlich einzufordern, weiß Rechtsanwalt Martin Bechert. In Brüssel hat man erkannt, dass die neue Arbeitswelt bessere Regeln braucht.
    „Es kann nicht sein, dass wir einen neuen Wirtschaftszweig aufbauen, der auch seine Wichtigkeit hat, (…) und dass die sozialen Regeln dem nicht entsprechen.“, sagt EU-Kommissar Nicolas Schmit im Interview mit „ZDFzoom“-Reporter Arne Lorenz.

    #Deutschland #Arbeit #Gigwork #Plattformkapitalismus

  • Uber Reserve: Angriff auf Taxis in Frankfurt, Berlin und München
    https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/frankfurt/uber-reserve-angriff-auf-taxis-in-frankfurt-berlin-und-muenchen-18672725.html

    12.02.2023 von Falk Heunemann - Fahrten mit dem Fahrtenvermittler Uber können fortan im Voraus gebucht werden. Die neue Funktion „Uber Reserve“ ist von Montag an zunächst in Frankfurt, Berlin und München nutzbar.

    Mit einer neuen Reservierungs-Option attackiert der Konzern eine weitere Domäne von Taxiunternehmen. Bisher konnten Uber-Touren nur spontan gebucht werden, wer langfristig planen wollte, konnte meist nur ein Taxi bestellen. Ein Grund dafür war, dass Uber die Preise für jede Tour nach der aktuellen Nachfrage und dem Fahrzeugangebot berechnet, was bei vorgeplanten Touren aber nicht möglich ist. Taxigebühren dagegen sind staatlich festgelegt und richten sich nach Uhrzeit und Entfernung.

    Von Montag an können jedoch auch Uber-Fahrten bis zu 30 Tage im Voraus und spätestens 30 Minuten im Voraus reserviert werden. Eine kostenfreie Stornierung ist bis 60 Minuten vor Fahrtenbeginn möglich, danach ist eine Stornierungsgebühr in Höhe des Mindestpreises zu zahlen. Für eine Fahrt in Frankfurt werden mindestens 20 Euro berechnet, in Berlin und München 25 Euro. In diesen drei Städten startet das Angebot nun in Deutschland, das schon seit knapp zwei Jahren in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten verfügbar ist. Andere deutsche Städte sollen „zeitnah“ folgen, teilte das amerikanische Unternehmen mit. Die neue Option sei„perfekt für die Situationen im Leben, in denen man wirklich sicher gehen möchte“, sagte Uber-Deutschlandchef Christoph Weigler.

    Seit einem Jahrzehnt Konflikte mit Taxis

    Da der Preis bei „Uber Reserve“ zum Zeitpunkt der Buchung errechnet wird, kann es sein, dass eine Spontanbuchung zur eigentlichen Fahrtzeit günstiger oder auch teurer wäre. Angesichts der Mindestgebühr dürfte sich das Angebot weniger für Kurzstrecken durch die Innenstadt, sondern eher für Touren in die Nachbarstadt oder zum Flughafen eignen – oder generell für Geschäftsreisende, die ihre Reisekosten abrechnen. Diese sind bislang für Taxis eine wichtige Kundengruppe.

    Der Konkurrenzkampf zwischen Taxis und Uber wird sowohl auf der Straße als auch regelmäßig vor Gerichten ausgetragen, seitdem der Fahrtenanbieter 2013 nach Deutschland kam. Taxi Deutschland, die in Frankfurt beheimatete Genossenschaft der deutschen Taxizentralen, wirft dem Unternehmen immer wieder vor, gegen das Personenbeförderungsgesetz zu verstoßen oder es zu unterlaufen. 2014 hatte die Taxibranche beispielsweise das Verbot des früheren Geschäftsmodells UberPop gerichtlich erwirkt.

    Uber nutzt nun die sogenannte Mietwagen-Regelung des Gesetzes, in dem der Konzern Touren über die App an externe und lizensierte Fahrtenunternehmen vermittelt. Diese haben weniger Privilegien als Taxifahrer, aber auch weniger Auflagen: So können sie ihre Einsatzzeiten und ihre Preise völlig frei gestalten. Dafür dürfen sie nicht an belebten Orten auf Kunden warten, etwa an Bahnhöfen, Theatern und Flughäfen, und dürfen auch keine winkenden Kunden vom Straßenrand aufnehmen.

    Allein das erste Quartal 2023 erwartet der Konzern einen weltweiten Umsatz von mehr als 30 Milliarden Dollar, etwa eine Hälfte davon mit Fahrtenvermittlung, die andere Hälfte hauptsächlich mit dem Lieferdienst Uber Eats. 2022 sei das wirtschaftlich stärkste Jahr des Konzerns gewesen, sagte der amerikanische Uber-Chef Dara Khosrowshahi. Zahlen für Deutschland veröffentlicht der Konzern nicht.

    #Uber #Deutschland

  • Neue Photographische Gesellschaft-Steglitz
    http://www.npg-steglitz.de/index.htm

    Das wohl bekannteste Steglitzer Aushängeschild der Zeit um 1900 war wohl die Neue Photographische Gesellschaft, die ihr großes Fabrikationsareal zwischen Siemens-, Birkbusch und Luisenstraße (seit 1931 Nicolaistraße) hatte. Der äußerst tatkräftige Ostpreuße, Arthur Schwarz, 1862 in Braunsberg/Ostpreußen geboren, gründete am 5. Juli 1894 in Schöneberg mit zehn Angestellten seinen ersten fotografischen Betrieb als GmbH mit einem Grundkapital von 75.000 Mark. Man beschäftigte sich mit der maschinellen Herstellung von Fotografien, gleichzeitig mit der Fabrikation fotografischer Papiere und Bedarfsartikel. Schon 1895 wuchs die Gesellschaft auf 35 Mitarbeiter an, so dass die gemieteten Räumlichkeiten in Schöneberg nicht mehr ausreichten und nach dem Kauf des Steglitzer Grundstückes 1896 schon im Frühjahr 1897 das neue Fabrikgebäude bezogen werden konnte. Zwei Jahre später fand die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft statt, so dass der Aufschwung mit Tochterunternehmen in London, Paris, Rom und New York nicht mehr zu übersehen war. Zum zehnjährigen Bestehen verfügte man über 650 Angestellte, einige Jahre später waren es etwa 1.200.

    Für die Angestellten vorbildlich waren die verschiedenen Wohltätigkeitseinrichtungen der Neuen Photographischen Gesellschaft wie eine Fabrikkrankenkasse, die den Beschäftigten neben freier ärztlicher Behandlung und Arznei ein angemessenes Krankengeld gewährte. Weihnachten bekamen sämtliche Angestellte Geldgeschenke, im Jahre 1903 waren dies immerhin insgesamt 20.000 Mark. Wer länger als ein Jahr in der Fabrik arbeitete, erhielt Urlaub bei voller Lohnzahlung. Generaldirektor und Kommerzienrat Arthur Schwarz stiftete eine Bibliothek für die Fabrik mit über 1.600 Bänden, die den Angestellten kostenlos zur Verfügung standen. Darüber hinaus gab es eine freiwillige Fabrik-Feuerwehr, die im Jahre 1904 aus 37 Mann bestand. Etwas Besonderes war das Kasino, dessen Speisesaal 36m lang, 14m breit und 12m hoch war. Hier erhielten die Mitarbeiter Speisen und Getränke zum Selbstkostenpreis, dem weiblichen Personal wurde freier Mittagstisch gewährt. Das Kasino besaß einen Lesesaal, in der Saalmitte befand sich eine Bühne, die für Theateraufführungen vorgesehen war, hier gab es auch gesellige Veranstaltungen mit Vorträgen usw.

    Die NPG ist damals weit über die Berliner Grenzen zu einem Begriff geworden. Allein auf dem Gebiet der Post- und Stereoskopkartenherstellung wurde in großer Vielfältigkeit produziert. Bilder der Hohenzollernfamilie, bekannter Militärs, von Kriegsschiffen, Abbildungen von Skulpturen verschiedenster Bildhauer, Berliner Zoobilder, Glückwunschkarten, Landschafts- und Städteansichten und eine Menge so genannter Kitschkarten waren ein Teil des Repertoires, alles in bester Qualität, schwarzweiß und koloriert. Für die große Zahl von Kaiserbildern, die in Schulen, Kasernen und sonstigen öffentlichen Gebäuden hingen, bedankte sich Wilhelm II. bei der Neuen Photographischen Gesellschaft für die Ausführung in einem besonderen Schreiben.

    Diese Erfolge waren vor allem Arthur Schwarz zu verdanken, der sich auf unzähligen Reisen u. a. nach England, USA (60 Städte in 75 Tagen), Kanada, Mexiko, Russland, Griechenland, Italien und Frankreich vielfältige Erfahrungen und Kenntnisse erwarb und Kontakte schloss, die ihm für den Aufbau seiner Unternehmung, die er 1890 in London und 1892 in New York mit der Vertretung photografischer Spezialitäten begründete, in hohem Maße zugute kamen.

    Große Verdienste erwarb man sich in der NPG bei der Herstellung lichtempfindlichen, fotografischen Papiers, speziell Bromsilberpapiers, sowie der Verwendung desselben im Rotationsverfahren. Automatisch arbeitende Belichtungs- und Entwicklungsmaschinen beschleunigten das Verfahren und lösten die Fotoherstellung mit Hilfe von Glasplatten ab.

    Die „Kilometerphotographie“ machte es möglich, dass an einem Tag mehr als 40.000 Karten hergestellt werden konnten.

    Die Grundlagen der heutigen Farbfotografie wurden durch den Chemiker Dr. Rudolf Fischer und seinem Mitarbeiter Dr. Hans Sigrist in den Jahren 1910-1912 in den Laboratorien der NPG entwickelt.

    1912 zog sich Arthur Schwarz von seinen leitenden Stellen zurück, die Konkurrenz und die allgemeine wirtschaftliche Situation machte ihm und der Firma zu schaffen. Der 1. Weltkrieg ließ vor allem die internationalen Geschäftsbeziehungen schrumpfen, so dass die Nachfrage und damit die Fabrikation stark nachließ.

    Im Jahre1921 kam das Aus. Die NPG wurde von der Dresdener „Mimosa“ übernommen und als Tochter bis 1948 weitergeführt.

    Auf dem Gelände siedelte sich u. a. zwischen Oktober 1932 bis April 1933 das Dessauer Bauhaus unter Mies van der Rohe an.

    Wolfgang Holtz

    https://de.wikipedia.org/wiki/Neue_Photographische_Gesellschaft

    Die Neue Photographische Gesellschaft m.b.H. (NPG) war ein deutsches Unternehmen, das von 1894 bis 1948 bestand. Es entwickelte das NPG Pigmentverfahren, vereinfachte die Massenherstellung von Fotografien und gilt als der Erfinder der „Kilometer-Fotografie“. Dabei wurde statt einzelner Bögen das Fotopapier erstmals in „kilometerlangen“ Rollen eingesetzt. Ebenso war sie als Verlag aktiv.

    #Deutschland #Preußen #Steglitz #Siemensstraße #Birkbuschstraße #Nicolaistraße #Geschichte #Photographie #Arbeit #Technologie #Kaiserreich

  • Das rote Tuch (Nr. 161, Januar 2023)
    http://www.bund-revolutionaerer-arbeiter.org

    pdf : http://www.bund-revolutionaerer-arbeiter.org/IMG/pdf/-139.pdf

    Leitartikel
    #Lützerath: Der Schutz der Profite – egal um welchen Preis
    Ihre Gesellschaft
    – Wenn selbst die Tafeln nichts mehr haben…
    #Borbet (Solingen): Proteste gegen die Werksschließung
    – Wohnen in der #Krise
    – Schule ohne Lehrer
    – Die Regierung belohnt die gefährliche Politik der Pharmakonzerne
    Internationales
    – Massive Aufrüstung: Eine Gefahr für alle Arbeitenden – weltweit
    #China: Arbeiter*innen in vielen Städten fordern ihren Lohn ein
    #Russland: Ein Ausdruck wachsender Kriegs-Ablehnung

    #Bund_Revolutionärer_Arbeiter (#BRA) #deutschland
    http://www.bund-revolutionaerer-arbeiter.org/spip.php?article29

  • Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung
    https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Arbeit/Bekaempfung-der-Schwarzarbeit-und-illegalen-Beschaeftigung/bekaempfung-der-schwarzarbeit-und-illegalen-beschaeftigung_node.html

    Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung vernichten dauerhaft legale Arbeitsplätze, erhöhen damit die Arbeitslosigkeit und bringen den Staat um Steuern und die Sozialversicherungen um Beiträge. Über 8.100 Zöllnerinnen und Zöllner gehen bundesweit gegen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung vor.

    Aufgaben und Befugnisse
    https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Arbeit/Bekaempfung-der-Schwarzarbeit-und-illegalen-Beschaeftigung/Aufgaben-und-Befugnisse/aufgaben-und-befugnisse_node.html;jsessionid=C5D65FC0F5588F36A51172513FA849DE.i

    Der Begriff Schwarzarbeit, die Prüfungsaufgaben der Zollverwaltung und die Befugnisse bei der Wahrnehmung der Aufgaben sind rechtlich genau definiert.

    https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Arbeit/Bekaempfung-der-Schwarzarbeit-und-illegalen-Beschaeftigung/Aufgaben-und-Befugnisse/aufgaben-und-befugnisse_node.html;jsessionid=C5D65FC0F5588F36A51172513FA849DE.i

    Ahndung und Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten
    https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Arbeit/Bekaempfung-der-Schwarzarbeit-und-illegalen-Beschaeftigung/Ahndung-Verfolgung-Ordnungswidrigkeiten-Straftaten/ahndung-verfolgung-ordnungswidrigkeiten-straftaten_node.html;jsessionid=C5D65FC

    Die rechtliche Stellung der Behörden der Zollverwaltung im Ordnungswidrigkeiten- und Strafverfahren und damit ihre Befugnisse sind gesetzlich genau bestimmt.
    https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Arbeit/Bekaempfung-der-Schwarzarbeit-und-illegalen-Beschaeftigung/Ahndung-Verfolgung-Ordnungswidrigkeiten-Straftaten/ahndung-verfolgung-ordnungswidrigkeiten-straftaten_node.html;jsessionid=C5D65FC

    Zusammenarbeit
    https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Arbeit/Bekaempfung-der-Schwarzarbeit-und-illegalen-Beschaeftigung/Zusammenarbeit/zusammenarbeit_node.html;jsessionid=C5D65FC0F5588F36A51172513FA849DE.internet73

    Nationale und internationale Behörden und Stellen arbeiten zusammen. Auch die Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften sind eingebunden.

    https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Arbeit/Bekaempfung-der-Schwarzarbeit-und-illegalen-Beschaeftigung/Zusammenarbeit/zusammenarbeit_node.html;jsessionid=C5D65FC0F5588F36A51172513FA849DE.internet73

    Ansprechperson
    https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Arbeit/Bekaempfung-der-Schwarzarbeit-und-illegalen-Beschaeftigung/Ansprechperson/ansprechperson_node.html;jsessionid=C5D65FC0F5588F36A51172513FA849DE.internet73

    Ansprechperson für die Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung ist Ihr zuständiges Hauptzollamt.

    https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Arbeit/Bekaempfung-der-Schwarzarbeit-und-illegalen-Beschaeftigung/Ansprechperson/ansprechperson_node.html;jsessionid=C5D65FC0F5588F36A51172513FA849DE.internet73

    #Deutschland #Zoll #Schwarzarbeit #FKS

  • Un quartier de #Berlin rebaptise des lieux avec les noms de résistants africains à la #colonisation

    Une rue et une #place portant le nom de personnalités phares du colonialisme allemand ont été débaptisées, début décembre, dans le quartier de #Wedding. Elles ont désormais le nom de résistants ayant œuvré, au début du XXe siècle, contre l’action de l’Allemagne en Afrique.

    “Fini d’honorer les dirigeants de la colonisation.” Comme le rapporte le Tagesspiegel, plusieurs lieux du “quartier africain” de Berlin ont été rebaptisés, dans le cadre d’une initiative menée par les autorités locales. “L’ancienne place #Nachtigal est devenue la place #Manga-Bell ; et la rue #Lüderitz, la rue #Cornelius-Fredericks”, détaille le titre berlinois. Le tout au nom du “travail de mémoire” et du “#décolonialisme”.

    #Gustav_Nachtigal et #Adolf_Lüderitz, dont les noms ornaient jusqu’à présent les plaques du quartier, avaient tous deux “ouvert la voie au colonialisme allemand”. Ils ont été remplacés par des personnalités “qui ont été victimes de ce régime injuste”.

    À savoir Emily et Rudolf Manga Bell, le couple royal de Douala qui s’est opposé à la politique d’expropriation des terres des autorités coloniales allemandes au #Cameroun, et Cornelius Fredericks, résistant engagé en faveur du peuple des #Nama, avant d’être emprisonné et tué dans le camp de concentration de #Shark_Island, dans l’actuelle #Namibie.

    “Indemnisation symbolique”

    “Les noms des rues du quartier africain ont fait polémique pendant plusieurs années”, assure le journal berlinois. Lorsqu’en 2018 l’assemblée des délégués d’arrondissement de ce quartier, Wedding, dans l’arrondissement de #Berlin-Mitte, avait proposé pour la première fois de changer les noms de certains lieux, près de 200 riverains étaient montés au créneau, critiquant notamment le coût de la mesure. Ils assuraient par ailleurs qu’“on ne peut pas faire disparaître l’histoire des plaques de rue”.

    Mais les associations des différentes diasporas africaines, elles, considèrent que les changements de noms sont importants, dans un pays “où les crimes du colonialisme allemand ne sont pas éclaircis systématiquement”. L’Empire allemand a en effet été responsable de diverses atrocités commises pendant sa courte période coloniale – comme le génocide des Héréro et des Nama, entre 1904 et 1908, dans ce que l’on appelait à l’époque le “Sud-Ouest africain allemand” et qui correspond aujourd’hui à la Namibie.

    Cet épisode de l’histoire n’a été reconnu par l’Allemagne qu’en mai 2021, rappellent les organisations décoloniales d’outre-Rhin. “Elles demandent de nouveaux noms de rue à titre d’indemnisation symbolique pour les victimes, mais également à titre éducatif.”

    https://www.courrierinternational.com/article/memoire-un-quartier-de-berlin-rebaptise-des-lieux-avec-les-no

    #toponymie #toponymie_politique #colonialisme #résistance #noms_de_rue #rebaptisation #colonialisme_allemand #Allemagne_coloniale #Allemagne #toponymie_coloniale #mémoire

    ping @cede @nepthys

    • Keine Ehre für Kolonialherren in Berlin: Straßen im Afrikanischen Viertel werden umbenannt

      Aus dem Nachtigalplatz wird am Freitag der Manga-Bell-Platz und aus der Lüderitzstraße die Cornelius-Fredericks-Straße. Anwohner hatten gegen die Umbenennung geklagt.

      Nach jahrelangen Protesten werden ein Platz und eine Straße im Afrikanischen Viertel in Wedding umbenannt. Aus dem bisherigen Nachtigalplatz wird der Manga-Bell-Platz und aus der Lüderitzstraße die Cornelius-Fredericks-Straße.

      „Straßennamen sind Ehrungen und Teil der Erinnerungskultur“, sagte Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne). Daher sei es eine wichtige Aufgabe, Namen aus dem Berliner Straßenbild zu tilgen, die mit Verbrechen der Kolonialzeit im Zusammenhang stehen.

      Gustav Nachtigal und Adolf Lüderitz waren Wegbereiter des deutschen Kolonialismus, der im Völkermord an den Herero und Nama gipfelte. An ihrer Stelle sollen nun Menschen geehrt werden, die Opfer des deutschen Unrechtsregimes wurden.

      Das Königspaar Emily und Rudolf Duala Manga Bell setzte sich nach anfänglicher Kooperation mit deutschen Kolonialautoritäten gegen deren Landenteignungspolitik zur Wehr. Cornelius Fredericks führte den Widerstandskrieg der Nama im damaligen Deutsch-Südwestafrika, dem heutige Namibia, an. Er wurde 1907 enthauptet und sein Schädel zur „Erforschung der Rassenüberlegenheit“ nach Deutschland geschickt und an der Charité aufbewahrt.

      Über die Straßennamen im Afrikanischen Viertel wurde viele Jahre gestritten. Im April 2018 hatte die Bezirksverordnetenversammlung Mitte nach langem Hin und Her beschlossen, den Nachtigalplatz, die Petersallee und die Lüderitzstraße umzubenennen. Dagegen hatten 200 Gewerbetreibende sowie Anwohnende geklagt und die Namensänderungen bis jetzt verzögert. Im Fall der Petersallee muss noch über eine Klage entschieden werden.

      Geschichte könne nicht überall von Straßenschildern getilgt werden, argumentieren die Gegner solcher Umbenennungen. Denn konsequent weitergedacht: Müsste dann nicht sehr vielen, historisch bedeutenden Personen die Ehre verweigert werden, wie etwa dem glühenden Antisemiten Martin Luther?
      Klagen verzögern auch Umbenennung der Mohrenstraße

      Ein anderes viel diskutiertes Beispiel in Mitte ist die Mohrenstraße, deren Namen als rassistisch kritisiert wird. Auch hier verzögern Klagen die beschlossene Umbenennung. Gewerbetreibende argumentieren auch mit Kosten und Aufwand für Änderung der Geschäftsunterlagen.

      Vor allem afrodiasporische und solidarische Organisationen wie der Weddinger Verein Eoto und Berlin Postkolonial kämpfen für die Straßenumbenennungen. Sie fordern sie als symbolische Entschädigung für die Opfer, aber auch als Lernstätte. Denn bis heute fehlt es oft an Aufklärung über die deutschen Verbrechen. Die Debatte darüber kam erst in den letzten Jahren in Gang.

      Wenn am Freitag ab 11 Uhr die neuen Straßenschilder enthüllt werden, sind auch die Botschafter Kameruns und Namibias sowie König Jean-Yves Eboumbou Douala Bell, ein Nachfahre des geehrten Königspaares, dabei. Die Straßenschilder werden mit historischen Erläuterungen versehen. (mit epd)

      https://www.tagesspiegel.de/berlin/bezirke/keine-ehre-fur-kolonialherren-in-berlin-strassen-im-afrikanischen-viert

    • Benannt nach Kolonialverbrechern: #Petersallee, Nachtigalplatz - wenn Straßennamen zum Problem werden

      Die #Mohrenstraße in Berlin wird umbenannt. Im Afrikanischen Viertel im Wedding dagegen wird weiter über die Umbenennung von Straßen gestritten.

      Die Debatte über den Umgang mit kolonialen Verbrechen, sie verläuft entlang einer Straßenecke im Berliner Wedding. Hier, wo die Petersallee auf den Nachtigalplatz trifft, wuchert eine wilde Wiese, ein paar Bäume werfen kurze Schatten, an einigen Stellen bricht Unkraut durch die Pflastersteine des Bürgersteigs. Kaum etwas zu sehen außer ein paar Straßenschildern. Doch um genau die wird hier seit Jahren gestritten.

      Am Mittwoch hat die Bezirksverordnetenversammlung Berlin-Mitte beschlossen, die Mohrenstraße in Anton-Wilhelm-Amo-Straße umzubenennen, nach einem widerständigen afrikanischen Gelehrten. Im gleichen Bezirk hat die Organisation „Berlin Postkolonial“ in dieser Woche ein Informationszentrum zur deutschen Kolonialgeschichte in der Wilhelmstraße eröffnet – in den kommenden vier Jahren soll es von Erinnerungsort zu Erinnerungsort ziehen.

      Das Zentrum ist die erste speziell dem Thema gewidmete öffentliche Anlaufstelle in der Stadt.

      Andernorts aber kämpft man seit Jahren nach wie vor erfolglos für eine Umbenennung von Straßennamen mit Bezügen zur Kolonialzeit. In ganz Deutschland gibt es noch immer mehr als 150 – im Berliner Wedding treten sie besonders geballt im sogenannten Afrikanischen Viertel auf. Orte wie die Petersallee, der Nachtigalplatz und die Lüderitzstraße. Orte, die nach deutschen Kolonialverbrechern benannt sind.
      #Carl_Peters wurde wegen seiner Gewalttaten „blutige Hand“ genannt. Gustav Nachtigal unterwarf die Kolonien Togo, Kamerun und Deutsch-Südwestafrika.

      Carl Peters (1856–1918) war die treibende Kraft hinter der Gründung der ehemaligen deutschen Kolonie #Deutsch-Ostafrika, seine Gewalttätigkeit brachte ihm die Spitznamen „Hänge-Peters“ und „blutige Hand“ ein. Gustav Nachtigal (1834– 1885) nahm eine Schlüsselrolle ein bei der Errichtung der deutschen Herrschaft über die drei westafrikanischen Kolonien Togo, Kamerun und Deutsch-Südwestafrika, das heutige Namibia. Und der Bremer Kaufmann Adolf Eduard Lüderitz (1834–1886) gilt als der Mann, der das deutsche Kolonialreich mit einem betrügerischen Kaufvertrag in Gang setzte.

      Eine Ehrung für außergewöhnliche Leistungen

      Straßennamen sollen eine besondere Ehrung darstellen, sie sollen an Menschen erinnern, die außergewöhnlich Gutes geleistet haben. Das deutsche Kolonialreich aufgebaut zu haben, fällt nicht mehr in diese Kategorie. Aus diesem Grund wurden in der Geschichte der Bundesrepublik bislang allein 19 Straßen umbenannt, die Carl Peters im Namen trugen. Das erste Mal war das 1947 in Heilbronn. Der aktuellste Fall findet sich 2015 in Ludwigsburg. Auch nach dem Ende des Nationalsozialismus und dem der DDR hat man im großen Stil Straßen umbenannt, die als Würdigung problematischer Personen galten.

      Im Wedding ist wenig passiert, in der Welt zuletzt viel. Die Ermordung des schwarzen US-Amerikaners George Floyd hat Proteste ausgelöst, weltweit. Gegen Rassismus, gegen Polizeigewalt. Aber auch gegen die noch immer präsenten Symbole des Kolonialismus, dem diese Ungerechtigkeiten, diese Unterdrückungssysteme entspringen. Im englischen Bristol stürzten Demonstranten die Statue des Sklavenhändlers Edward Colston von ihrem Sockel und versenkten sie im Hafenbecken.

      „Krieg den Palästen“

      Ein alter Gewerbehof in Kreuzberg unweit des Landwehrkanals, Sommer 2019. Tahir Della, Sprecher der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, sitzt an seinem Schreibtisch in einem Co-Working-Space. Um ihn herum Bücher, Flyer. Hinter Della lehnen zwei große Plakate. Auf dem einen steht: „Black Lives Matter“. Auf dem anderen: „Krieg den Palästen“. Ein paar Meter über Dellas Kopf zieht sich eine großformatige Bildergalerie durch die ganze Länge des Raums. Fotos von Schwarzen Menschen, die neue Straßenschilder über die alten halten.

      „Die kolonialen Machtverhältnisse wirken bis in die Gegenwart fort“, sagt Della. Weshalb die Querelen um die seit Jahren andauernde Straßenumbenennung im Wedding für ihn auch Symptom eines viel größeren Problems sind: das mangelnde Bewusstsein und die fehlende Bereitschaft, sich mit der deutschen Kolonialvergangenheit auseinanderzusetzen. „Die Leute haben Angst, dieses große Fass aufzumachen.“

      Denn wer über den Kolonialismus von damals spreche, der müsse auch über die Migrations- und Fluchtbewegungen von heute reden. Über strukturellen Rassismus, über racial profiling, über Polizeigewalt, darüber, wo rassistische Einordnungen überhaupt herkommen.

      Profiteure der Ausbeutung

      „Deutsche waren maßgeblich am Versklavungshandel beteiligt“, sagt Della. In Groß Friedrichsburg zum Beispiel, an der heutigen Küste Ghanas, errichtete Preußen schon im 17. Jahrhundert ein Fort, um von dort aus unter anderem mit Sklaven zu handeln. „Selbst nach dem sogenannten Verlust der Kolonien hat Europa maßgeblich von der Ausbeutung des Kontinents profitiert, das gilt auch für Deutschland“, sagt Della.

      Viele Menschen in diesem Land setzen sich aktuell zum ersten Mal mit dem Unrechtssystem des Kolonialismus auseinander und den Privilegien, die sie daraus gewinnen. Und wenn es um Privilegien geht, verhärten sich schnell die Fronten. Weshalb aus einer Debatte um die Umbenennung von kolonialen Straßennamen in den Augen einiger ein Streit zwischen linkem Moralimperativ und übervorteiltem Bürgertum wird. Ein Symptom der vermeintlichen Empörungskultur unserer Gegenwart.

      Ein unscheinbares Café im Schatten eines großen Multiplexkinos, ebenfalls im Sommer 2019. Vor der Tür schiebt sich der Verkehr langsam die Müllerstraße entlang, dahinter beginnt das Afrikanische Viertel. Drinnen warten Johann Ganz und Karina Filusch, die beiden Sprecher der Initiative Pro Afrikanisches Viertel.
      Die Personen sind belastet, aber die Namen sollen bleiben

      Ganz, Anfang 70, hat die Bürgerinitiative 2010 ins Leben gerufen. Sie wünschen sich eine Versachlichung. Er nennt die betreffenden Straßennamen im Viertel „ohne Weiteres belastet“, es sei ihm schwergefallen, sie auf Veranstaltungen zu verteidigen. Warum hat er es dennoch getan?

      Seine Haltung damals: Die Personen sind belastet, aber die Straßennamen sollten trotzdem bleiben.

      „Da bin ich für die Bürger eingesprungen“, sagt Ganz, „weil die das absolut nicht gewollt haben.“ Und Filusch ergänzt: „Weil sie nicht beteiligt wurden.“

      Allein, das mit der fehlenden Bürgerbeteiligung stimmt so nicht. Denn es gab sie – obwohl sie im Gesetz eigentlich gar nicht vorgesehen ist. Für die Benennung von Straßen sind die Bezirksverwaltungen zuständig. Im Falle des Afrikanischen Viertels ist es das Bezirksamt Mitte. Dort entschied man, den Weg über die Bezirksverordnetenversammlung zu gehen.
      Anwohner reichten 190 Vorschläge ein

      In einem ersten Schritt bat man zunächst die Anwohner, Vorschläge für neue Namen einzureichen, kurze Zeit später dann alle Bürger Berlins. Insgesamt gingen etwa 190 Vorschläge ein, über die dann eine elfköpfige Jury beriet. In der saß neben anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren auch Tahir Della, als Vertreter der Schwarzen Community. Nach Abstimmung, Prüfung, weiteren Gutachten und Anpassungen standen am Ende die neuen Namen fest, die Personen ehren sollen, die im Widerstand gegen die deutsche Kolonialmacht aktiv waren.

      Die #Lüderitzstraße soll in Zukunft #Cornelius-Fredericks-Straße heißen, der Nachtigalplatz in Manga-Bell-Platz umbenannt werden. Die Petersallee wird in zwei Teilstücke aufgeteilt, die #Anna-Mungunda-Allee und die #Maji-Maji-Allee. So der Beschluss des Bezirksamts und der Bezirksverordnetenversammlung im April 2018. Neue Straßenschilder hängen aber bis heute nicht.

      Was vor allem am Widerstand der Menschen im Viertel liegt. Mehrere Anwohner haben gegen die Umbenennung geklagt, bis es zu einer juristischen Entscheidung kommt, können noch Monate, vielleicht sogar Jahre vergehen.

      Eine Generation will endlich gehört werden

      Auf der einen Seite ziehen sich die Prozesse in die Länge, auf der anderen steigt die Ungeduld. Wenn Tahir Della heute an die jüngsten Proteste im Kontext von „Black Lives Matter“ denkt, sieht er vor allem auch eine jüngere Generation, die endlich gehört werden will. „Ich glaube nicht, dass es gleich nachhaltige politische Prozesse in Gang setzt, wenn die Statue eines Versklavungshändlers im Kanal landet“, sagt Della, „aber es symbolisiert, dass die Leute es leid sind, immer wieder sich und die offensichtlich ungerechten Zustände erklären zu müssen.“

      In Zusammenarbeit mit dem Berliner Peng-Kollektiv, einem Zusammenschluss von Aktivisten aus verschiedenen Bereichen, hat die Initiative kürzlich eine Webseite ins Leben gerufen: www.tearthisdown.com/de. Dort findet sich unter dem Titel „Tear Down This Shit“ eine Deutschlandkarte, auf der alle Orte markiert sind, an denen beispielsweise Straßen oder Plätze noch immer nach Kolonialverbrechern oder Kolonialverbrechen benannt sind. Wie viel Kolonialismus steckt im öffentlichen Raum? Hier wird er sichtbar.

      Bemühungen für eine Umbenennung gibt es seit den Achtzigerjahren

      Es gibt viele Organisationen, die seit Jahren auf eine Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit dem Unrecht des Kolonialismus drängen. Zwei davon sitzen im Wedding, im sogenannten Afrikanischen Viertel: EOTO, ein Bildungs- und Empowerment-Projekt, das sich für die Interessen Schwarzer, afrikanischer und afrodiasporischer Menschen in Deutschland einsetzt, und Berlin Postkolonial.

      Einer der Mitbegründer dieses Vereins ist der Historiker Christian Kopp. Zusammen mit seinen Kollegen organisiert er Führungen durch die Nachbarschaft, um über die Geschichte des Viertels aufzuklären. Denn Bemühungen, die drei Straßen umzubenennen, gibt es schon seit den achtziger Jahren.

      Kopp erzählt auch von der erfolgreichen Umbenennung des Gröbenufers in Kreuzberg im Jahr 2010, das seitdem den Namen May-Ayim-Ufer trägt. „Vor zehn Jahren wollte niemand über Kolonialismus reden“, sagt Kopp. Außer man forderte Straßenumbenennungen. „Die Möglichkeit, überhaupt erst eine Debatte über Kolonialismus entstehen zu lassen, die hat sich wohl vor allem durch unsere Umbenennungsforderungen ergeben.“

      Rassismus und Raubkunst

      2018 haben sich CDU und SPD als erste deutsche Bundesregierung überhaupt die „Aufarbeitung des Kolonialismus“ in den Koalitionsvertrag geschrieben. Auch die rot-rot-grüne Landesregierung Berlins hat sich vorgenommen, die Rolle der Hauptstadt in der Kolonialzeit aufzuarbeiten.

      Es wird öffentlich gestritten über das koloniale Erbe des Humboldt-Forums und dem Umgang damit, über die Rückgabe von kolonialer Raubkunst und die Rückführung von Schädeln und Gebeinen, die zu Zwecken rassistischer Forschung einst nach Deutschland geschafft wurden und die bis heute in großer Zahl in Sammlungen und Kellern lagern.

      Auch die Initiative Pro Afrikanisches Viertel hat ihre Positionen im Laufe der vergangenen Jahre immer wieder verändert und angepasst. War man zu Beginn noch strikt gegen eine Umbenennung der Straßen, machte man sich später für eine Umwidmung stark, so wie es 1986 schon mit der Petersallee geschehen ist. Deren Name soll sich nicht mehr auf den Kolonialherren Carl Peters beziehen, sondern auf Hans Peters, Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus und Mitglied des Kreisauer Kreises.

      Straßen sollen vorzugsweise nach Frauen benannt werden

      Heute ist man bei der Initiative nicht mehr für die alten Namen. Für die neuen aber auch nicht wirklich. Denn diese würden nicht deutlich genug im Kontext deutscher Kolonialgeschichte stehen, sagt Karina Filusch, Sprecherin der Initiative. Außerdem würden sie sich nicht an die Vorgabe halten, neue Straßen vorzugsweise nach Frauen zu benennen.

      An Cornelius Fredericks störe sie der von den „Kolonialmächten aufoktroyierte Name“. Und Anna Mungunda habe als Kämpferin gegen die Apartheid zu wenig Verbindung zum deutschen Kolonialismus. Allgemein wünsche sie sich einen Perspektivwechsel, so Filusch.

      Ein Perspektivwechsel weg von den weißen Kolonialverbrechern hin zu Schwarzen Widerstandskämpfern, das ist das, was Historiker Kopp bei der Auswahl der neuen Namen beschreibt. Anna Mungunda, eine Herero-Frau, wurde in Rücksprache mit Aktivisten aus der Herero-Community ausgewählt. Fredericks war ein Widerstandskämpfer gegen die deutsche Kolonialmacht im heutigen Namibia.
      Bezirksamt gegen Bürger? Schwarz gegen Weiß?

      Für die einen ist der Streit im Afrikanischen Viertel eine lokalpolitische Auseinandersetzung zwischen einem Bezirksamt und seinen Bürgern, die sich übergangen fühlen. Für die anderen ist er ein Symbol für die nur schleppend vorankommende Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte.

      Wie schnell die Dinge in Bewegung geraten können, wenn öffentlicher Druck herrscht, zeigte kürzlich der Vorstoß der Berliner Verkehrsbetriebe. Angesichts der jüngsten Proteste verkündete die BVG, die U-Bahn-Haltestelle Mohrenstraße in Glinkastraße umzutaufen.

      Ein Antisemit, ausgerechnet?

      Der Vorschlag von Della, Kopp und ihren Mitstreitern war Anton-W.-Amo- Straße gewesen, nach dem Schwarzen deutschen Philosophen Anton Wilhelm Amo. Dass die Wahl der BVG zunächst ausgerechnet auf den antisemitischen russischen Komponisten Michail Iwanowitsch Glinka fiel, was viel Kritik auslöste, offenbart für Della ein grundsätzliches Problem: Entscheidungen werden gefällt, ohne mit den Menschen zu reden, die sich seit Jahrzehnten mit dem Thema beschäftigen.

      Am Dienstag dieser Woche ist der Berliner Senat einen wichtigen Schritt gegangen: Mit einer Änderung der Ausführungsvorschriften zum Berliner Straßengesetz hat er die Umbenennung umstrittener Straßennamen erleichtert. In der offiziellen Mitteilung heißt es: „Zukünftig wird ausdrücklich auf die Möglichkeit verwiesen, Straße umzubenennen, wenn deren Namen koloniales Unrecht heroisieren oder verharmlosen und damit Menschen herabwürdigen.“

      https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/petersallee-nachtigalplatz-wenn-strassennamen-zum-problem-werden-419073