Katrin Bauerfeind über Berlin: „In keiner anderen Stadt sind die Leute so aggressiv“
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23.9.2024 von Anne Vorbringer - Katrin Bauerfeind ist froh, dass sie nach Berlin gezogen ist, sagt aber auch, sie würde hier nicht alt werden wollen. Was sie an der Stadt stört – und welche Orte sie feiert.
Es gibt eine Folge der Show „Late Night Berlin“, da sitzen Klaas Heufer-Umlauf und Katrin Bauerfeind zu zweit an einem Restauranttisch und spielen ein Spiel. Die Aufgabe: Jeder bekommt abwechselnd eine Rolle zugewiesen und muss diese von jetzt auf gleich einnehmen, ohne dass dabei der normale Restaurant-Smalltalk abebbt.
Bauerfeind, in Sachen Fernseh-, Podcast- und sonstiger Unterhaltung mit allen Wassern gewaschen, beginnt in der Rolle als schwäbelnde Bachelorette-Kandidatin. Eine Steilvorlage für die gebürtige Aalenerin, deren Spielpartner es sichtlich schwerfällt, mit ernster Miene am Tisch zu verharren – spätestens, als Bauerfeind ihm als frustrierte Lebenspartnerin entgegenwettert: „Jetzt hasch du des in dr Dragweide erfasst.“
In unserem Berlin-Fragebogen wollten wir natürlich von der Moderatorin, die gerade mit dem neuen ProSieben-Format „Die Superduper Show“ auf Sendung gegangen ist, auch wissen, welche Schwaben-Klischees sie erfüllt und wie es sich mit entsprechendem Migrationshintergrund in Berlin so lebt.
1. Frau Bauerfeind, Sie sind 600 Kilometer entfernt von Berlin im Schwäbischen aufgewachsen. Warum hat es Sie hierher verschlagen?
Ich wollte einfach immer mal in der Hauptstadt leben. Ich war davor in Köln und beruflich viel in Berlin und immer, wenn man dachte, da vorne ist ein Brillenladen mit ausschließlich 70er-Jahre-Gestellen, da will ich mal hin, genau dann ging mein Flieger, und in Köln gab es dann nur Mainstream-Optiker. Irgendwann hatte ich die Faxen dicke und bin einfach hergezogen.
2. Als Wahlberlinerin mit schwäbischer Herkunft stößt man in dieser Stadt auf eine Menge Klischees – welche davon erfüllen Sie?
Bestimmt alle. Als die schwäbische Familie zum ersten Mal da war, sagte jemand: Berlin, weißte, wär schon schön, wenn nicht alles so angemalt wäre. Gemeint waren Graffitis. Hab sehr gelacht, hab das Kehrwochen-Gen natürlich auch in mir und denke, die Menschen könnten wirklich netter zu Berlin sein und nicht jeden Kaffeebecher da fallen lassen, wo sie ihn leer trinken.
3. Ist Ihnen tatsächlich auch mal Unmut entgegengeschlagen?
Nur im Kiosk im Prenzlauer Berg hat mich mal einer beschimpft, weil ich aus, seine Worte, „Schwabylon“ bin. Da ich aber Instant-Kaffee gekauft habe, statt, wie der Mann mir unterstellt hat, „du kaufst doch sicher Champagner“, fand er mich dann doch noch ganz okay.
In Katrin Bauerfeinds „Die Superduper Show“ inszenieren Annette Frier, Bill und Tom Kaulitz, Edin Hasanovic und ein wöchentlich wechselnder Promi jeweils eine Mini-Show, zu der Kinder die ausgefallenen Ideen liefern. Die nächsten Folgen sollen 2025 ausgestrahlt werden.
4. Wenn Sie Sehnsucht haben nach Ihrer Heimat – wo können Sie in Berlin dieses Heimweh lindern?
Überall dort, wo es Maultaschen gibt. Und in den Schwarzwaldstuben in der Tucholskystraße.
5. Welcher ist Ihr Lieblingsort in der Stadt?
Das ja das Problem an Berlin. Es gibt zu viele. Ich mag die Insel der Jugend, den Kollwitzkiez, den Weg entlang der Friedrichstraße, weil’s mich historisch jedes Mal umhaut. Valentinswerder ist super, der Schlachtensee und der Holzmarkt.
6. Ihre persönliche No-go-Area?
Hab ich nicht. Wirklich nicht eine.
7. Wo in Berlin wollten Sie immer schon mal hin, haben es aber noch nie geschafft?
Auch hier ist die Liste endlos. Ich hab eine Notiz im Handy mit „Schönes Berlin“, da sind Restaurants drin, Sehenswürdigkeiten oder auch Seen. Ich hab manchmal das Gefühl, ich werde nie alles schaffen. Ich war noch nie oben im Fernsehturm. Als ich in Köln war, war ich nie im Dom. Das ist mein Vorsatz, die Stadt nicht immer nur den Touris zu überlassen. Spätestens 2025 bin ich auf dem Fernsehturm.
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8. Ein Abend mit Freunden – in welchem Restaurant wird reserviert?
Das ist auch mies, sich da entscheiden zu müssen. Aber ich denke, einer meiner absoluten Lieblingsläden ist das eins44 in Neukölln. Der zweite Hinterhof ist zauberhaft schön, das Essen ist fantastisch, der Service grandios. Ich hab da viele unvergessliche Abende gehabt.
9. Einkaufen in der Stadt: In welchem Store kennt Ihre Kreditkarte kein Limit?
Der Secondhandladen Soeur im Prenzlauer Berg. Das ist irgendwie ein Erlebnis. Alle beraten alle, wildfremde Menschen schreien „Nehmen Sie das, das sieht toll aus, sonst nehme ich es!“ Und am Ende haben alle die Tüten und die Herzen voll, weil das so froh macht.
10. Der beste Stadtteil Berlins?
Kreuzberg. Ehrlich, direkt, unangepasst, unaufgeregt und bisschen dreckig. Ich mag es da sehr, es entspricht mir und meiner Idee von Berlin vielleicht am meisten. Es war mir da noch nie langweilig irgendwo, Kreuzberg nutzt sich einfach nicht ab.
11. In welches Viertel bringen Sie keine zehn Pferde?
Steglitz ist nicht meine erste Adresse. Da weiß ich nie so genau, was man da soll, außer wohnen. Aber ich hab’s mir natürlich angeschaut, und auch da finden sich ganz fantastische Cafés und Läden, deswegen muss man in Berlin eigentlich jedem Stadtteil eine Chance geben, sonst verpasst man was.
12. Was nervt Sie am meisten an der Stadt?Die Aggressivität ist nicht normal. In keiner Stadt, und da möchte ich fast sagen, weltweit, sind die Leute so aggressiv und hart. Ich verstehe wirklich nicht, warum sich die Leute zum Beispiel im Straßenverkehr nicht im Griff haben. Und ich bin der Meinung, dass man politisch, wo immer man verkehrstechnisch cleverer planen und das Zusammenleben erleichtern kann, dringend handeln sollte. Und den Leuten will man sagen: Schmeiß deinen Müll nicht überall hin und keine Räder in die Spree, fahr anständig, versuch es erst mit Höflichkeit statt Ausrasten, verdammt nochmal!
13. Kommen vs. Gehen: Nach Berlin ziehen oder es lieber bleiben lassen?
Ich bin froh, dass ich es gemacht hab, aber ich würde hier nicht alt werden wollen. Also, wenn Sie kommen, kommen Sie jung.
Zur Person
Katrin Bauerfeind kam 1982 in Aalen zur Welt. Ihren ersten Fernsehauftritt hatte sie im Februar 2007, als sie für 3sat das Berlinale-Journal moderierte. Von 2009 bis 2011 war sie Teil des Teams von Harald Schmidt in dessen Late-Night-Show, außerdem moderierte sie das nach ihr benannte Popkulturmagazin „Bauerfeind“ auf 3sat. Aktuell führt die 42-Jährige durch die Finalsendungen des seit 2021 ausgestrahlten ProSieben-Formats „Wer stiehlt mir die Show?“. Seit zwei Jahren erscheint zudem auf allen gängigen Plattformen der Podcast „Bauerfeind + Kuttner“, ein Talk-Format mit ihrer Berliner Kollegin Sarah Kuttner.