Taxi

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  • Pollerwahnsinn in Berlin-Mitte: „Taxifahrer steuern unsere Straße gar nicht mehr an“
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    Jurek M. wohnt seit 1988 am Hausvogteiplatz, er ist dort aufgewachsen. Die neue Verkehrsführung findet er „total bescheuert“. Als Rad- und Autofahrer kennt er beide Seiten. Jordis Antonia Schlösser

    1.10.2024 von Ida Luise Krenzlin - Anwohner Jurek M. ärgert sich täglich über die neuen Radwege und Poller. Sie machen „alles noch viel schlimmer“. Ein Besuch am Hausvogteiplatz in Berlin-Mitte.

    Die Jägerstraße in Berlin-Mitte erhielt bereits um 1709 ihren Namen. Früher stand hier mal ein Haus der kurfürstlichen Jägerei. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts befand sich am benachbarten Hausvogteiplatz und in den umliegenden Straßen das Modezentrum Berlins. Die Konfektionsindustrie, hauptsächlich von jüdischen Kaufleuten und Textilhändlern aufgebaut, war ein wichtiger Wirtschaftszweig.

    Der ehemals prächtige Platz hat an Ansehen eingebüßt. Die Situation am Hausvogteiplatz sei unmöglich geworden, so Anwohnerin Polly M. Schuld daran sei der „Pollerwahnsinn“, wie M. es nennt. Auch ihr Sohn Jurek und eine befreundete Anwohnerin, die Architektin Uljana S., sind genervt von der neuen Verkehrsführung am Hausvogteiplatz.

    Jurek M. wartet mit seinem Rad am Brunnen. Hunderte Tauben fliegen hoch. „Die werden von zwei alten Frauen eimerweise gefüttert. Man kann sich hier kaum aufhalten. Alles ist zugeschissen.“ Das stimmt. Die Tauben fliegen auf Augenhöhe der Passanten über den Platz. Doch es geht um den Verkehr. Jurek zeigt auf die Kreuzung, wo die Oberwall- zur Niederwallstraße wird und auf den Platz trifft. Ein Nadelöhr. Und ein Ärgernis für den Anwohner, der als Rad- und Autofahrer unterwegs ist.

    Verwirrspiel: „Sollen wir uns gegenseitig umbringen?“

    Große Steinquader verkleinern die Kreuzung. „Früher konnte man hier prima abbiegen und auch ausweichen – als Rad- und als Autofahrer“, sagt M. In der Oberwallstraße stehen zusätzlich zahlreiche rot-weiße Poller sowie Verkehrsschilder für Auto-, Radfahrer und Fußgänger. „23 Schilder an einem Ort. Das ist doch völlig bescheuert!“, ärgert sich Anwohnerin Uljana S., die ebenfalls seit 1988 am Hausvogteiplatz wohnt. „Wollen die, dass wir uns gegenseitig umbringen?“, ruft sie aufgebracht. Sie ist Architektin, ihr Ehemann war Bauingenieur. Gemeint sind Auto- und Radfahrer, die nun um den Weg durchs Nadelöhr kämpfen müssen. Kommt ein Auto, müssen die entgegenkommenden Autos halten, oft ein Stück zurücksetzen. Radfahrer müssten eigentlich warten, drängeln sich aber vor. Wie viel Ruhe diese Verkehrsberuhigung tatsächlich bringt, ist fraglich.

    Auf Nachfrage der Berliner Zeitung spricht der Bezirk von Akzeptanz gegenüber der neuen Verkehrsführung, die seit Ende vergangenen Jahres besteht. „Mit Beschilderungen und Markierungen auf der Fahrbahn wurden die neue Vorfahrtsregelung und die Fahrbahnaufteilung für alle Verkehrsteilnehmenden gut erkennbar gemacht. Die Kreuzungen wurden so umgestaltet, dass diese besser einsehbar sind und es für Fußgänger:innen einfacher ist, die Straße zu überqueren. Die Fahrradstraße werde sehr gut angenommen.“

    Jurek M. und Uljana S. schütteln darüber die Köpfe. Zu dem Chaos am Hausvogteiplatz komme für sie noch das Problem hinzu, wie sie mit dem Auto nach Hause kommen. Die Jägerstraße ist wegen der Baustelle am Gendarmenmarkt für Jahre eine Sackgasse, die Ausfahrt nur über Unter den Linden oder den Hausvogteiplatz möglich. Die Anwohner sagen, dass Taxifahrer die Jägerstraße gar nicht mehr ansteuern würden, da es so schwierig sei, dort zu halten.
    ADFC: „Poller sind wichtig. Sie halten illegalen Verkehr raus“

    Karl Grünberg, Sprecher des ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Landesverband Berlin e. V.), hält Poller für wichtig. „Sie halten den illegalen Verkehr aus einer Fahrradstraße raus.“ Wenn sich alle Autofahrer an die Straßenverkehrsordnung halten würden, wie den Abstand zu Fahrradfahren einhalten oder nicht durch eine Fahrradstraße fahren, wenn man kein Anwohner ist, bräuchte es die Poller nicht, so Grünberg. „Klar, wäre es besser, wenn es ohne Poller ginge.“ Aber dann müssten die Radwege breit genug sein und Autofahrer dürften die verkehrsberuhigten Kieze nicht für den Durchgangsverkehr nutzen, so Grünberg. Das sei aber illusorisch.

    „Kraftfahrende dürfen die entsprechenden Straßenabschnitte zukünftig nur mit einem Anliegen befahren. Für diese Anlieger:innen gelten dann auch Einbahnstraßenregelungen am Hausvogteiplatz, die das Befahren ohne Anliegen verhindern sollen“, so das Bezirksamt. Die Poller am Märkischen Museum bilden eine Durchfahrsperre, „um den Schleichverkehr durch die Wallstraße zu unterbinden“ heißt es weiter. „Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr sowie die BSR können die Poller im Bedarfsfall herausnehmen.“

    „Google Maps hat nicht recht!“

    Der Sprecher des ADFC bezeichnet die neue Verkehrsführung am Hausvogteiplatz als „Poller-Schilder-Wald“, der auf den ersten Blick für Verwirrung sorgt. Dennoch würde die Verkehrssituation am Hausvogteiplatz die Realität widerspiegeln. „Schilder reichen eben nicht aus.“ Die Autofahrer würden sich nicht daran halten. „Google Maps hat nicht recht!“, erklärt Karl Grünberg eins der Probleme. Poller seien die einzige Lösung, um den Verkehr zu entschleunigen. 2023 verunglückten 638 Kinder bei Verkehrsunfällen in Berlin, gibt die Polizei in einer Statistik bekannt.

    Autofahrende Anwohner müssen wohl auch zukünftig einen Umweg in Kauf nehmen, Unterschriftensammlungen und Briefe an die Stadträtin hätten an ihrer Situation nichts geändert, so Polly M. Einen direkten Weg durch die verkehrsberuhigte Zone gibt es nicht mehr. Wer auch nicht über Umwege zum Ziel kommt, könne sich allerdings an den zuständigen Stadtrat wenden. Dieser sei dafür zuständig, das Problem individuell zu lösen. Ein schwacher Trost für Anwohner, die sich in ihrer Mobilität derart eingeschränkt fühlen.

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