Zensur beim MDR? Beitrag über verunreinigte Corona-Impfstoffe bleibt ohne Begründung gelöscht
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6.09.2024 von Dieter Korbely, Beate Strehlitz - Der Programmausschuss des MDR hat festgestellt, dass der depublizierte Beitrag der journalistischen Sorgfaltspflicht genügt. Warum wird er nicht wieder online gestellt?
Vergangenes Jahr entstand eine Kontroverse über mutmaßlich verunreinigte Corona-Impfstoffe und mögliche Gesundheitsrisiken. Der MDR sendete dazu einen eigenen Beitrag, der kurz darauf gelöscht wurde; wir berichteten. Im folgenden Text werden ausführlich die Hintergründe des Falls geschildert, die Autoren haben selbst eine Programmbeschwerde gegen die Depublikation eingereicht und Rundfunkratssitzungen besucht.
Am 12. Dezember 2023 sendete die MDR-Umschau einen Bericht über mutmaßliche DNA-Verunreinigungen in Corona-Impfstoffen: Teils viel zu hohe Konzentrationen von Fremd-DNA seien von verschiedenen Wissenschaftlern in mehreren Chargen des Corona-Impfstoffs von BioNtech/Pfizer gefunden worden. Verschiedene Fachleute äußern ihre Bedenken: Es bestünde die Gefahr, dass Fremd-DNA in die Zellen des Menschen eindringen könnte. Das Arzneimittel sei bedenklich, müsse vom Markt genommen werden. Der amerikanische Professor und Mikrobiologe Phillip Buckhaults schreibt dem MDR per Mail: „Im Moment weiß niemand mit Sicherheit, ob die Fremd-DNA Schäden verursacht hat oder verursachen wird, aber es besteht ganz klar ein begründetes theoretisches Risiko genetischer Schäden an langlebigen Stammzellen.“
Demgegenüber wird Professor Emanuel Wyler vom Max-Delbrück-Center für Molekulare Medizin, einem von der Bundesregierung finanzierten Institut, mit den Worten zitiert: „DNA in Impfstoffen ist kein neues Thema und wird beispielsweise bei einem Grippe-Impfstoff auch getestet. Das hat bisher niemanden interessiert, beziehungsweise man vertraut richtigerweise darauf, dass das Paul-Ehrlich-Institut als zuständige Behörde die Prüfarbeit korrekt erledigt. Meines Erachtens zeigt das, dass es hier nicht um DNA in Impfstoffen geht. Sondern entweder, Impfungen, unsere beste Waffe gegen Infektionskrankheiten, grundsätzlich in Zweifel zu ziehen, oder Stimmung zu machen mit dem Thema Corona.“
Das Paul-Ehrlich-Institut schreibt jedoch, dass Parameter wie der Rest-DNA-Gehalt im Impfstoff nur vom Hersteller experimentell geprüft würden. Das Institut verlässt sich demnach auf die Prüfprotokolle der Hersteller. BioNtech antwortet auf eine Anfrage des MDR: „Der Pfizer-BioNtech COVID-19 Impfstoff ist nicht mit DNA verunreinigt.“ Die Journalisten vom MDR wollten daraufhin selbst Überprüfungen verschiedener Chargen in Auftrag geben und fragten bei mehr als 20 universitären und privaten Laboren an. Ergebnis: Absagen oder keine Reaktion. Auch die Frage, „ob die mutmaßliche DNA-Belastung Schaden anrichten kann, … konnten wir als Redaktion … nicht abschließend beantworten“, heißt es gegen Ende des Beitrags.
Was der Auftakt für eine intensive Debatte und weitere Recherchen hätte sein können, endete jäh. Der Beitrag wurde am 17. Dezember vorübergehend und am 20. Dezember dauerhaft gelöscht. In einer inzwischen ebenfalls gelöschten Stellungnahme teilte der MDR als Begründung mit, dass die journalistischen Sorgfaltspflichten verletzt worden seien.
Die schnelle Löschung des Beitrages war vielen Bürgern unverständlich. Wie wir von einem Rundfunkratsmitglied und weiteren Personen erfuhren, seien beim MDR insgesamt 68 Programmbeschwerden eingegangen. Davon sollen sich vier gegen den Beitrag selbst richten. Die anderen 64 Beschwerdeführer hätten hingegen die Löschung des Beitrags nicht nachvollziehen können. Auch wir haben am 1. Februar 2024 eine Programmbeschwerde gegen die Depublikation eingereicht.
Nach der Depublikation des Umschau-Beitrages haben wir jede Rundfunkratssitzung als Gäste besucht, weil wir erfahren wollten, wie der Rundfunkrat mit den Beschwerden umgeht. Wir berichteten in mehreren Artikeln über die Sitzungen im Januar, März und Juni.
Warum wurde der Beitrag gelöscht?
Wie wir von Insidern inzwischen erfuhren, sei schon lange vor der Veröffentlichung heftig um den später gelöschten MDR-Beitrag gerungen worden. Der Beitrag sei bereits für den 24. Oktober 2023 geplant gewesen. Der Redaktionsleiter habe im Abnahmeprozess an diesem Tag entschieden, dass alles nochmals überprüft werden müsse. Ein sehr ungewöhnlicher Vorgang. Aber bei einem so kritischen Thema sollte ganz besonders gründlich recherchiert werden. Der Beitrag sei vorerst nicht gesendet worden. Es gab an dieser Stelle aber nach unseren Kenntnissen keine Einflussnahme von außen, wie manche Kommentatoren auf Social-Media-Kanälen vermutet hatten.
Unter Hinzuziehung eines weiteren Autors sei der Inhalt nochmal gründlich geprüft und schließlich überarbeitet worden. Textpassagen seien entschärft und Stellungnahmen von anderen Wissenschaftlern zum Thema Impfstoffverunreinigungen eingefügt worden. Die Grundaussage sei aber bestehen geblieben. Der überarbeitete Beitrag soll am 12. Dezember wiederum einen gründlichen Abnahmeprozess durchlaufen haben, an dem sogar die Chefredakteurin Julia Krittian beteiligt gewesen sein soll. Wir baten den MDR um eine Stellungnahme zu dieser Vorgeschichte des Beitrags, erhielten aber bis zur gesetzten Frist keine Antwort. Schließlich wurde der Beitrag gesendet.
Am Tag danach brach ein Shitstorm los. Im Leipziger Stadtmagazin Kreuzer schrieb der Kulturjournalist Tobias Prüwer einen Text mit der Überschrift „Journalistisch mangelhaft“. Einen Tag später kommt Kritik aus dem eigenen Haus. In der Medienkolumne „Altpapier“ des MDR diffamiert René Mertens den Beitrag. Für die Sächsische Zeitung titelt Oliver Reinhard, stellvertretender Ressortleiter Feuilleton, tags darauf: „Corona-Impfung: MDR-Bericht arbeitet mit fragwürdigen Infos“. Was auffällt: Alle Beiträge versuchen, einzelne, im Beitrag zitierte Fachleute zu diskreditieren. Um eine sachliche Auseinandersetzung mit den inhaltlichen offenen Fragen und Ungereimtheiten bemüht sich niemand.
Laut einem Insider soll beim MDR-Rundfunkrat am 14. Dezember eine Programmbeschwerde von Gunnar Hamann, Autor beim Volksverpetzer, eingegangen sein. Die Beschwerde decke sich inhaltlich und in ihrem Ausdruck weitgehend mit den drei genannten Artikeln. Im Volksverpetzer veröffentlichte Gunnar Hamann kurz darauf einen Artikel, in dem er den MDR als Sprachrohr von „Querdenken“ bezeichnete. Darüber hinaus soll er in der Programmbeschwerde die Datensammlung „Auflistung kritisierter Beiträge im MDR mit Bezug zu Corona“, verlinkt haben, in der auch die Autoren mit Kürzeln aufgeführt sind. Offenbar stehen einige Mitarbeiter des MDR unter Beobachtung von Gunnar Hamann. Der MDR nimmt auf Nachfrage keine Stellung zu Anzahl und Inhalt der Programmbeschwerden.
Die MDR-Führungsriege reagierte schnell. Am 15. Dezember (Freitagnachmittag) soll Chefredakteurin Krittian laut einem Insider die Offenlegung der Recherche zum kommenden Montag angeordnet haben. Auf Basis dieses Rechercheberichtes sollte das Qualitätsmanagement einen Prüfbericht erstellen. Auch hierzu äußerte sich der MDR auf Nachfrage nicht.
Der MDR schweigt
Schon am 17. Dezember 2023 wurde der Beitrag gelöscht, vorübergehend, hieß es intern zunächst. Laut einem anwesenden Insider hätten am 20. Dezember der damalige Programmdirektor Brinkbäumer und Chefredakteurin Krittian in einer internen Konferenz den Prüfbericht dann als Begründung dafür genannt, den Beitrag nicht wieder in die Mediathek zu stellen. Der MDR beschweigt unsere Fragen zu diesem Vorgang.
Gleich mehrere Aspekte sind hier erklärungsbedürftig. So seien laut einem anwesenden Insider während der Konferenz etwa die Messwerte problematisiert worden. Hauptaussage des Beitrages war es ja, dass in Impfstoffchargen von Pfizer/BioNtech Fremd-DNA-Konzentrationen oberhalb des Grenzwertes gemessen worden sein sollen. Der Redaktion sei laut dem Insider unter anderem vorgeworfen worden, keine eigenen Messwerte geliefert zu haben. Der Beitrag sei zu früh gesendet worden. Dabei schwelte zu diesem Zeitpunkt bereits die internationale wissenschaftliche Debatte zu den verunreinigten Impfstoffen. Die Redaktion hatte das im Beitrag auch beschrieben. Hinzu kommt: Der Zeitdruck für das Qualitätsmanagement zur Durchsicht der am 18. Dezember gelieferten Rechercheunterlagen war hoch. Es ist fraglich, dass das umfangreiche Material bereits tiefgründig geprüft worden war.
Das wusste auch die Redaktion. Wie wir von einem Insider wissen, ging sie daher guten Mutes in ein weiteres Gespräch zur Auswertung des beanstandeten Beitrages mit Chefredaktion, Fernsehdirektor und dem juristischen Direktor. Am 15. Januar 2024 fand die Sitzung statt. Es sollte noch einmal um das Prüfprotokoll des Qualitätsmanagements gehen. Dieses hatte die Redaktion aus unbekannten Gründen zwar offiziell immer noch nicht erhalten, aber sie hatte es sich selbst aus anderer Quelle besorgt. Die Vorwürfe im Prüfprotokoll seien, laut dem Insider, leicht durch Fakten zu entkräften gewesen sein, die teilweise bereits im Beitrag selbst genannt worden waren.
Doch eine sachliche, inhaltliche Debatte war wohl nicht möglich. Chefredakteurin Krittian soll sich auf die Seite von Emanuel Wyler gestellt haben, der bereits im gelöschten Beitrag zitiert und später in einem weiteren MDR-Beitrag ausführlich zu Wort gekommen war. Beide Male beschwichtigte er bezüglich der möglichen Gefahren der mutmaßlichen Verunreinigungen. Diese einseitige Bezugnahme auf Wyler unter Ausblendung der internationalen Debatte und der vielen offenen Fragen irritiert. Zumal es doch zur „journalistischen Sorgfaltspflicht“ gehört, dass alle Seiten gehört werden. Auch dieses Vorgehen wollte der MDR nicht kommentieren.
Der Journalist Norbert Häring befand bereits im Dezember 2023, dass der MDR in Sachen „Sorgfaltspflicht“ bei diesem Thema mit zweierlei Maß messen würde: Beiträge, die gesundheitliche Gefahren von Impfungen verharmlosten, seien für den MDR nie ein Anlass für Löschungen gewesen – auch dann nicht, wenn sich diese Gefahren später als real und schwerwiegend herausgestellt hätten. Wenn jedoch über mögliche Risiken berichtet werde, fänden Löschungen statt.
Auffällig ist in diesem Zusammenhang auch, dass erst im Juni 2024 der Programmausschuss Leipzig während der Rundfunkratssitzung einen Bericht ablieferte, in dem er forderte, dass im MDR Qualitätsstandards für Wissenschaftsjournalismus und Depublikationsstandards festzulegen seien. Bei der Prüfung des Umschau-Beitrages hatte man offensichtlich festgestellt, dass es keine festen Regeln dafür gibt. Der Rundfunkrat schloss sich der Forderung an, Regeln für die journalistische Sorgfaltspflicht und zur Depublikation zu erstellen.
In der internen Januarkonferenz hingegen konnte die Redaktion noch nichts gegen die einseitige und willkürliche Bezugnahme der Chefredaktion auf einzelne Wissenschaftler wie Emanuel Wyler ausrichten. Der Beitrag blieb gelöscht.
Wieviel staatlicher Einfluss ist im Spiel?
Kurz darauf, am 29. Februar, legte Correctiv mit einem „Faktencheck“ von Kimberly Nicolaus nach – Titel: „Angebliche Belege zu ‚DNA-Verunreinigungen‘ in mRNA-Impfstoffen gegen Covid-19 wissenschaftlich nicht haltbar“. Der Artikel fällt allerdings mit seltsamen Behauptungen auf und wurde mittlerweile mehrfach überarbeitet und korrigiert. Nicolaus schrieb beispielsweise, das Paul-Ehrlich-Institut hätte im Februar 2024 unabhängig Comirnaty-Proben getestet und keine Grenzwertüberschreitungen gefunden. Diese Behauptung machte die MDR-Redakteure stutzig, und sie hakten bei Correctiv nach. Sie wurden an das Paul-Ehrlich-Institut verwiesen. Das Paul-Ehrlich-Institut hatte der MDR-Redaktion ja bereits mitgeteilt, dass Parameter wie der Rest-DNA-Gehalt im Impfstoff nur vom Hersteller experimentell geprüft würden.
Nach nochmaliger Nachfrage der MDR-Redakteure antwortete Correctiv dann mit einem „Update“. Inzwischen lägen weitere Details des Paul-Ehrlich-Instituts vor. Die Fragen der MDR-Redaktion zur angeblichen Prüfung der Chargen konnte Correctiv nicht näher beantworten. Die Redaktion bat unter anderem um Details zu Messprotokollen, Chargennummern, Haltbarkeitsdaten. Zu all diesen Punkten schrieb Correctiv: „Dazu machte das PEI uns gegenüber keine Angaben, weil die konkreten Messergebnisse schutzwürdig sind aufgrund von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.“
Das ist beunruhigend, denn der Verdacht, dass potenziell gefährliche Impfstoffe im Umlauf sind, ist damit nicht ausgeräumt. So forderte etwa der amerikanische Professor, Molekularbiologe und Krebsgenetiker Phillip Buckhaults im September 2023 bei einer Anhörung im Senat von South Carolina dringend weitere Forschung. Auch er habe die Impfstoffe von BioNtech-Pfizer analysiert und Verunreinigungen entdeckt. Es sei nicht ausgeschlossen, dass diese zu Krebs, Autoimmunerkrankungen, Herzstillstand oder Schäden am Erbgut führen könnten. Im Beitrag von Correctiv wird der Forscher nicht erwähnt.
Hatte die Berichterstattung von Correctiv Einfluss auf den weiteren Umgang mit dem gelöschten MDR-Beitrag? Interessant ist zumindest, dass der Correctiv-Verleger David Schraven und der frühere MDR-Programmdirektor Klaus Brinkbäumer auch über „Rums“, ein digitaljournalistisches Projekt in Münster, verbunden sind. Schraven und Brinkbäumer unterstützten das Projekt von Beginn an, auch finanziell. Brinkbäumer gehört außerdem zum Kuratorium der mit Correctiv eng verbandelten Reporterfabrik, deren Geschäftsführer wiederum Schraven ist. Man kennt sich also. Kann es sein, dass hier jemandem ein Gefallen getan wurde?
Nur am Rande sei hier auf ein Treffen im Bundesinnenministerium am 2. Juni 2020 verwiesen. Bei diesem Treffen war auch David Schraven anwesend. Man sprach über die Bekämpfung von „Desinformation“ im Kontext der Corona-Pandemie. Es stellt sich die Frage: Wie viel staatlicher Einfluss ist bei den Faktencheckern und den Beschwerdeorgien also im Spiel?
Nicht zu unterschätzen ist neben der massiven öffentlichen Stimmungsmache der interne Umgang mit der Redaktion. Uns wurde mehrfach mündlich berichtet, dass seit Ende 2023 die für den Beitrag zuständige Redaktion schikaniert werde. Mit der Einleitung einer arbeitsrechtlichen Anhörung gegen den Redaktionsleiter und Anhörungen zur „Klärung eines Sachverhaltes“ von Autoren und Redakteuren sei massiver Druck aufgebaut und letztendlich mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen gedroht worden. Wir haben den Eindruck, dass der MDR versucht hat, Redaktionsleiter und die Redaktion einzuschüchtern. Vielleicht ging es auch darum, ein Exempel zu statuieren, um alle Mitarbeiter unmissverständlich zu warnen, mit kritischen Beiträgen nicht zu weit zu gehen? Unsere Fragen zu diesen Vorgängen lässt der MDR unbeantwortet.
Aus unserer Mitarbeit am „Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland“, zu dessen Erstunterzeichnern wir gehören, wissen wir um die Situation kritischer Mitarbeiter in den Sendeanstalten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Einige von ihnen haben wir bei einem Treffen zur Konzeption des Manifestes im November 2022 kennengelernt. Auf der Webseite meinungsvielfalt.jetzt haben viele beschrieben, wie es ihnen geht. Die Statements sind aus gutem Grund teilweise anonym abgegeben worden.
Kontaktschuldvorwürfe und Diffamierungen
Intern und extern sehen sich Autoren und Redakteure, die sich kritisch mit der Corona-Impfung befassen, Diffamierungen ausgesetzt. Die externe Kritik zielte fast immer darauf, den interviewten Experten Kontaktschuld anzuhängen, sie als „rechts“ oder der „Impfgegnerszene“ zugehörig einzuordnen. Diese Vorwürfe kommen regelmäßig aus der gleichen Richtung. Correctiv, Volksverpetzer, Kreuzer, aber auch ZEIT, t-online, TAZ und Tagesspiegel gehören dazu.
Es liegt nahe, dass in diesem öffentlichen Klima Ärzte und Wissenschaftler davor zurückschrecken, Kritik zu äußern. Oder aber sie öffnen sich nur noch den sogenannten alternativen Medien und werden anschließend im öffentlich-rechtlichen Rundfunk als „umstritten“ bezeichnet und kommen dort nicht mehr zu Wort.
Der Streit um den gelöschten MDR-Beitrag verweist also auf bedenkliche gesellschaftspolitische Entwicklungen. Die vielen Programmbeschwerden zur Löschung des Beitrags sind ernst zu nehmen und zeugen von einem Interesse der Gebührenzahler an einer pluralen und demokratischen Debattenkultur. Wie ging es mit den Beschwerden weiter?
Der Programmausschuss Leipzig des MDR-Rundfunkrates behandelte in zwei Sitzungen die Programmbeschwerden. Die Sitzungen des Programmausschusses finden unabhängig von den Rundfunkratssitzungen statt. In den Rundfunkratssitzungen berichtet die Vorsitzende des Programmausschusses über die zwischenzeitlichen, nicht-öffentlich stattgefundenen Programmausschusssitzungen. Interessierte und engagierte Bürger wie wir können nur zu den öffentlichen Rundfunkratssitzungen gehen. In den Sitzungen von Januar, März und Juni wurden jeweils Anmerkungen zum Umschau-Beitrag gemacht. Kurz zusammengefasst: Im Januar wurde mitgeteilt, dass es viele Programmbeschwerden gebe, im März, dass die Beschwerden dem Programmausschuss übergeben worden seien und dieser sie prüfe und im Juni schließlich, dass ein Ergebnis feststehe.
Auf der Rundfunkratssitzung am 10. Juni 2024 teilte der Programmausschuss seine finale Entscheidung mit: Programmausschuss und Redaktionsrat des MDR seien nach gründlicher Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass im Umschau-Beitrag keine Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht vorliege. Die Mitteilung wurde von den Mitgliedern des Rundfunkrates und dem MDR-Intendanten Ralf Ludwig teilnahmslos hingenommen. Welch ein Gegensatz zu der hellen Aufregung unter den Rundfunkratsmitgliedern in der Januar-Sitzung, als erstmals über die Löschung gesprochen worden war. Hatten sich damals doch einige Bürger mit ihren Beschwerden direkt an einzelne Rundfunkratsmitglieder gewandt, die sich dadurch sehr belästigt gefühlt hatten. Dagegen jetzt – betretenes Schweigen.
Die Peinlichkeit ist nachvollziehbar, hatten doch Chefredaktion und juristische Direktion bereits Antwortschreiben zu allen Programmbeschwerden verschickt, in denen sie sich – wie im gesamten Verfahren – nicht auf die Seite der Redaktion gestellt hatten. Die Antworten enthielten nicht die sonst üblichen Argumente, warum ein kritisierter Bericht den Programmgrundsätzen des MDR entspreche. Im Gegenteil, die Arbeit der Autoren und der Redaktion wurde infrage gestellt.
Unsere eigene Programmbeschwerde gegen die Löschung wurde am 1. März 2024 vom juristischen Direktor Jens-Ole Schröder mit Verweis auf eine Verletzung von Paragraf 8 des MDR-Staatsvertrages zurückgewiesen. Der Beitrag würde nicht alle journalistischen Qualitätskriterien erfüllen, und somit sei die Löschung des Beitrags zulässig. Unser Widerspruch gegen diesen Bescheid und eine Nachfrage nach der Juni-Sitzung des Rundfunkrates wurden zunächst für lange Zeit nur mit Eingangsbestätigungen beantwortet.
Warum bleibt der Beitrag gelöscht?
Nachdem auf dieser Juni-Sitzung nun festgestellt wurde, dass der gelöschte Beitrag nicht zu beanstanden sei, hätte man als Bürger und Beitragszahler Folgendes erwarten können: Der MDR sieht ein, dass es ein Fehler war, den Beitrag zu löschen. Der Beitrag wird schnellstmöglich wieder publiziert. Der Sender entschuldigt sich öffentlich bei den Autoren, der Redaktion und den Gebührenzahlern. Doch nichts davon geschieht. Im Gegenteil: Der Beitrag bleibt gelöscht.
Am 23. August erhielten wir eine endgültige Antwort des Rundfunkratsvorsitzenden Michael Ziche auf unsere Programmbeschwerde. In dem Schreiben heißt es wörtlich: „Der Ausschuss sieht keinen Verstoß gegen die Angebotsgrundsätze. Der Programmausschuss stellt im Ergebnis einer intensiven Diskussion zwar journalistische Mängel fest, sieht darin aber noch keinen Verstoß gegen den Angebotsgrundsatz § 8 Abs. 3 MDR St V …“. Worin genau die Mängel bestehen sollen, wird nicht erklärt.
Im selben Schreiben teilt man uns außerdem mit, der Rundfunkrat könne nicht in die operative Führung der Rundfunkanstalt eingreifen, indem er eine Anordnung zur Wiederveröffentlichung eines Beitrages treffe. Ein solcher „Eingriff“ würde „die Funktion der Aufsicht überdehnen“. Man verweist auf die „Entscheidungsfreiheit der Redaktion“. Damit führt der Rundfunkrat aus unserer Sicht seine Aufgabe als Aufsichtsgremium ad absurdum.
Wir haben bereits am 11. Juli 2024 beim Intendanten nachgefragt, ob und wann der Beitrag wieder veröffentlicht wird. Die für den Beitrag verantwortliche Redaktion teilte uns mit, sie wünsche sich eine Wiederveröffentlichung, diese werde aber von der Chefredaktion blockiert. Wir haben im September Chefredaktion und Intendanz angefragt, wann der Beitrag wieder abrufbar sei, beziehungsweise aus welchen Gründen er möglicherweise depubliziert bleiben würde. Hierauf erhielten wir zwar eine Lesebestätigung, aber zunächst keine Antwort.
Nach der von uns gesetzten Frist meldete sich der MDR dann überraschenderweise doch noch. Am 12. September 2024 beantwortete ein Sprecher unsere vielen Fragen lapidar wie folgt: „Wie Sie aufgrund Ihrer Programmbeschwerde wissen, hat sich der Rundfunkrat des MDR mit dem angesprochenen Vorgang abschließend befasst. Die entsprechende Einlassung finden Sie auch gerne noch einmal hier. Im MDR ist der Vorgang abgeschlossen.“
Im Ergebnis bleibt die Löschung bestehen. Der ganze Vorgang wirft hinsichtlich Artikel 5 unseres Grundgesetzes einige unangenehme Fragen auf. In besagtem Artikel heißt es: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“
Dieter Korbely ist Diplomingenieur in Rente und hat lange Jahre bei einem großen Automobilhersteller gearbeitet. Beate Strehlitz ist promovierte Diplomingenieurin in Rente und hat 33 Jahre als Wissenschaftlerin in einem Forschungszentrum gearbeitet. Beide setzen sich seit 2019 für die Reform der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ein .
(CC BY-NC-ND 4.0).