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Agent d’ingérence étrangère : Alle die mit uns auf Kaperfahrt fahren, müssen Männer mit Bärten sein. Jan und Hein und Klaas und Pit, die haben Bärte, die haben Bärte. Jan und Hein und Klaas und Pit, die haben Bärte, die fahren mit.

  • Stephan Thome : « Die eigentliche Zeitenwende hat sich in China vollzogen »

    Enfin une position raisonnable exprimée par une voix occidentale : La Chine n’a pas l’intention d’invahir l’île de Taïwan, mais elle prépare une intervention pour le cas du dépassement de ses lignes rouges par les USA ou ses alliés. Pour le moment une guerre du Taïwan n’est pas probable.

    25.9.2024 Interview: Xifan Yang - Der Schriftsteller Stephan Thome lebt seit Jahren in Taiwan. Im Alltag erfährt er die wachsende Bedrohung durch China – und sieht deshalb auch Deutschland in der Pflicht.

    Wir leben in Zeiten, die uns einiges Kopfzerbrechen bereiten. Deshalb fragen wir in der Serie „Worüber denken Sie gerade nach?“ führende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Stimmen des öffentlichen Lebens, was sie gegenwärtig bedenkenswert finden. Die Fragen stellen Maja Beckers, Andrea Böhm, Christiane Grefe, Nils Markwardt, Peter Neumann, Elisabeth von Thadden, Lars Weisbrod oder Xifan Yang. Heute antwortet der Schriftsteller Stephan Thome .

    Stephan Thome: Stephan Thome ist Schriftsteller, promovierter Philosoph und Sinologe. Er wurde durch Romane wie „Grenzgang“ bekannt, der 2009 für den Deutschen Buchpreis nominiert war. Jüngst erschien sein Sachbuch „Schmales Gewässer, gefährliche Strömung“ über den Konflikt in der Taiwanstraße im Suhrkamp-Verlag.
    Stephan Thome ist Schriftsteller, promovierter Philosoph und Sinologe. Er wurde durch Romane wie „Grenzgang“ bekannt, der 2009 für den Deutschen Buchpreis nominiert war. Jüngst erschien sein Sachbuch „Schmales Gewässer, gefährliche Strömung“ über den Konflikt in der Taiwanstraße im Suhrkamp-Verlag. © Max Zerrahn/​Suhrkamp Verlag

    ZEIT ONLINE: Herr Thome, worüber denken Sie gerade nach?

    Stephan Thome: Ich denke seit zwei Jahren über die Frage nach, wie sich der Konflikt zwischen China und Taiwan weiterentwickeln wird. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine und dem Besuch von Nancy Pelosi im Sommer 2022 auf der Insel wird die Frage immer dringlicher, auch in Hinblick auf die US-Wahlen. Wenn man in Taiwan lebt, kommt man oft in Situationen, in denen einen diese Frage umtreibt, auch wenn man eigentlich gar nicht darüber nachdenken will.

    ZEIT ONLINE: Sie haben seit vielen Jahren Ihren Lebensmittelpunkt in Taiwan. Hat die Bedrohung durch China die Stimmung im Alltag spürbar verändert?

    Thome: Insgesamt habe ich 16 Jahre in Taiwan verbracht. Der russische Überfall auf die Ukraine war auch hier eine Zäsur. „Ukraine today, Taiwan tomorrow“, solche Sätze zirkulierten vielfach in den sozialen Medien. Und wer doch der Meinung ist, eine Invasion könne Taiwan nicht passieren, muss sich seit 2022 zumindest eine gute Begründung dafür ausdenken. Es werden immer mehr Selbsthilfekurse angeboten: Wie versorgt man Schusswunden? Was muss man im Kriegsfall wissen? Da gab es auf einmal eine Riesennachfrage und ein öffentliches Echo. Der Wehrdienst wurde wieder verlängert. Es herrscht aber keine Panik. Man trifft immer noch viele Leute, die augenscheinlich völlig unbesorgt sind.

    ZEIT ONLINE: Findet in Taiwan eine echte Zeitenwende statt?

    Thome: Zeitenwende scheint mir ein zu großes Wort zu sein. Wenn zum Beispiel chinesische Kampfflugzeuge in die taiwanische Luftverteidigungszone eindringen, verängstigt die Leute das nicht so sehr. Das passiert fast täglich. Taiwaner neigen nicht zu Überreaktionen, das gefällt mir. Die eigentliche Zeitenwende hat sich auf der anderen Seite, in China, vollzogen. Auch frühere Staatschefs haben in ihren Äußerungen rituell den Anspruch auf Taiwan hochgehalten, waren sich aber im Klaren darüber, dass das zumindest in ihrer Lebenszeit nicht mehr passieren wird. Unter Xi Jinping herrscht eine andere Dringlichkeit und Konfrontationsbereitschaft. Das allgemeine Bewusstsein der Menschen in Taiwan hat da noch nicht ganz nachgezogen.

    ZEIT ONLINE: Warum?

    Thome: Die Regierung steckt in einer gewissen Zwickmühle. Sie will zwar, dass die Leute sich der Bedrohung durch China bewusst werden. Sie will aber auch nicht, dass junge Leute, die keinen Kriegsdienst leisten wollen, sich dazu entscheiden, lieber woanders zu wohnen. Das gilt ebenso für ausländische Investoren und Geschäftsleute. Man will nicht, dass das Ausland glaubt, früher oder später gingen in Taiwan die Lichter aus.

    ZEIT ONLINE: Wie wird in der taiwanischen Öffentlichkeit der Diskurs über den Konflikt mit China geführt?

    Thome: Über 80 Prozent der Menschen sagen: Wir wollen keine Vereinigung mit China, aber wir wollen auch keine formelle Unabhängigkeit. Das gilt für Wähler beider politischen Lager. Gleichzeitig ist der politische Betrieb, sind die Medien sehr polarisiert. Das grüne Lager um die Regierungspartei DPP warnt vor der Kriegsgefahr – und wirft den Blauen, den Nationalisten der Kuomintang, vor, sie seien die fünfte Kolonne Pekings, die hinter den Kulissen an einer Schwächung der Verteidigungsfähigkeit Taiwans arbeite. Die Blauen wiederum sagen: Wir sind selbst immer noch Chinesen und können deshalb vernünftig mit China reden. Die DPP sei die eigentliche Gefahr, weil sie mit ihrer konfrontativen Art die Kriegsgefahr erst recht erhöht. Die Emotionalität der Debatte hat auch mit den Spätfolgen der Diktatur in Taiwan zu tun. Wenn die DPP die Kuomintang angreift, greift sie eben auch diejenige Partei an, die in Taiwan jahrzehntelang mit eiserner Hand regiert hat.

    ZEIT ONLINE: Die taiwanische Identität hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt. Wie haben Sie das im Alltag erlebt?

    Thome: Das erste Mal war ich 1996 hier, im Jahr der ersten freien Präsidentschaftswahlen. Damals lag der Anteil der Menschen, der sich ausschließlich als Taiwanerinnen oder Taiwaner verstanden hat, bei um die 20 Prozent. Heute sind es über 60 Prozent. Diese Menschen sagen: Wir haben eine eigene Geschichte, wir haben unser eigenes Gemeinwesen, wir haben uns die Demokratie erstritten. Die Demokratie ist natürlich ein identitätsstiftendes Moment – deshalb lässt sich das, was die Taiwaner haben, nicht mehr einfach subsumieren unter die Geschichte des chinesischen Festlandes. Das Vertreten einer taiwanischen Identität ist unter der jungen Generation zur Selbstverständlichkeit geworden. Sie fragt sich: Warum soll ich mich mit dem Land identifizieren, das ich noch nie besucht habe, wo es kein Facebook und kein Instagram gibt? Diesen Trend halte ich für unumkehrbar.
    „Es ist ein Konflikt, den man nur managen kann“

    ZEIT ONLINE: Wer sind jene Taiwanerinnen und Taiwaner, die sich noch an die Idee einer Annäherung an das Festland klammern?

    Thome: Das ist eine aussterbende Meinung jener, die in China vielleicht noch Familie haben, der Großvater ist dort beispielsweise geboren oder man hat Verwandte auf dem Festland, die man regelmäßig besucht. Es gibt auch Pragmatiker, darunter viele Wirtschaftsvertreter, die sagen: Wir sollten die Spannungen nicht zu groß werden lassen, solange China uns nicht militärisch unterjocht; wir sollten flexibler sein, denn zum einen sind wir eindeutig schwächer, und zum anderen können wir durch die Anbindung auch profitieren. Das sei doch besser, als durch die ständige Betonung der Eigenständigkeit eines Tages auf die große Katastrophe zuzusteuern. Und dann gibt es eine dritte Gruppe, die ich beobachte: jüngere Männer zwischen 30 und 45, die Chinas Stärke und den Respekt, den das Land in der Welt gewinnt, irgendwie anziehend finden – auch wenn Respekt gegenüber einer Autokratie selten mit Sympathie einhergeht. Diese Männer betrauern ein bisschen, so ist mein Eindruck, dass sie an der Großmachtwerdung Chinas nicht beteiligt sind und dass Taiwan kein richtiges Land ist, das nicht mal eine Nationalfahne hat und sich bei den Olympischen Spielen nur „Chinese Taipei“ nennen kann.

    ZEIT ONLINE: Wie schätzen Sie die militärische Wehrhaftigkeit Taiwans ein? Bis vor Kurzem wurden Taiwans Soldaten in der Bevölkerung als „Erdbeersoldaten“ verspottet, die kaum in der Lage wären, die Insel zu verteidigen.

    Thome: Da bin ich in der Tat auch skeptisch. Für mein Buch habe ich ein Interview geführt mit Lee Hsi-min, dem ehemaligen Generalstabschef der taiwanischen Streitkräfte. Er sagte: Ob der Wehrdienst vier, sechs oder zwölf Monate dauert, ist nicht entscheidend, wenn es an guten Ausbildern und an der richtigen Munition fehlt. Der Wehrdienst in Taiwan hatte zuletzt einen sehr schlechten Ruf und wurde von vielen jungen Männern als Zeitverschwendung gesehen. Das gilt besonders für Progressive, die sich als Taiwaner verstehen und deshalb am ehesten bereit sein sollten, für Taiwan zu kämpfen. Aber das Militär steht hier auch für die Unterdrückung in der Zeit der Diktatur. Die Regierung versucht, mit Imagekampagnen entgegenzuwirken, aber das ist nicht leicht.

    ZEIT ONLINE: Welche Strategie hat Taiwans Militär für den Ernstfall?

    Thome: Die Meinungen gehen stark auseinander, was die richtige Strategie wäre. Der chinesische Verteidigungshaushalt ist 23-mal so groß wie der Taiwans. Taiwans Streitkräfte können China nicht eins zu eins besiegen, sondern bestenfalls eine Unterwerfung Taiwans verhindern. Für diese Art von asymmetrischer Kriegsführung braucht man keine traditionellen großen Waffentypen, sondern kleinere: Antischiffsraketen und Flugabwehrraketen, die dezentral über die Insel verteilt sind.

    Aber es gibt auch Stimmen, die fordern, dass Taiwan sich für die traditionelle Kriegsführung mit großen Waffen bereit machen muss. Die Bereitschaft der USA, Taiwan schwere, teure Waffensysteme zu verkaufen, wird von manchen als Gradmesser dafür gesehen, ob die USA Taiwan im Fall einer Invasion beistehen – weil dann im Kriegsschauplatz Taiwan auch das Prestige der Militärmacht USA auf dem Spiegel stünde. Die Debatte um Taiwans Wehrhaftigkeit speist sich aus einer komplexen Gemengelage, aus psychologischen Faktoren, politischen Interessen und militärischen Notwendigkeiten. Insgesamt tut sich Taiwan schwer damit, auf diese stark veränderte Bedrohungslage durch ein zunehmend aggressives China zu reagieren.

    ZEIT ONLINE: Seit 2022 werden immer wieder Parallelen zwischen dem russischen Krieg in der Ukraine und einem drohenden Angriff Chinas auf Taiwan gezogen. Der Verlauf des russischen Angriffskriegs sollte Peking dabei nicht gerade zur Nachahmung inspirieren, oder?

    Thome: Der Krieg in der Ukraine gibt der chinesischen Führung sicherlich zu denken. Die Führung hat auf einen schnellen Sieg von Wladimir Putin gehofft. Das hätte das Zeichen gesetzt: Tatkräftige Diktatoren schaffen Fakten, bevor der Westen überhaupt eingreifen kann. Es gibt eine Fülle von Lektionen, die Peking aus diesem Krieg ziehen kann: Zunächst fahren zwischen den Flächenstaaten Russland und der Ukraine die Panzer einfach über die Grenzen und fallen auf breiter Front ein. Taiwan ist dagegen eine Insel, das Meer ist wie ein Schutzgraben, der sie bislang vor einer Invasion bewahrt hat. Die Eroberung von Inseln gehört zu den schwierigsten Militärmanövern. Außerdem müsste Peking bedenken, welches Signal man mit einer Invasion in die Region aussenden würde, nach Südkorea, Japan, Vietnam oder an die Philippinen.

    All diese Länder haben Angst vor einem aufgerüsteten China und sind zu dem bereit, was China am wenigsten will: zu einem sicherheitspolitischen Schulterschluss mit den USA, der die strategische Position Amerikas in der Region stärken würde. Ich glaube, der russische Überfall hat Taiwan Zeit verschafft. Grundsätzlich will auch China diesen Krieg nicht. Die Führung hofft, dass sie in der Lage sein wird, den Druck auf Taiwan fürs Erste durch ökonomische Zwangsmaßnahmen, diplomatische Isolierung, Unterwanderung durch Fake-News und Propaganda zu erhöhen. Solange das der Fall ist, ist die Kriegsgefahr nicht wirklich akut.

    ZEIT ONLINE: Sie kritisieren in Ihrem Buch, dass die Taiwan-Debatte in den USA ziemlich schwarz-weiß geführt wird. Warum halten Sie das für gefährlich?

    Thome: Zunächst einmal finde ich es gut, dass es inzwischen einen Konsens in den USA darüber gibt, dass China die geopolitische Herausforderung des 21. Jahrhunderts darstellt und Taiwan im Zentrum des strategischen Wettlaufs im Pazifik steht. Ich habe für die Recherche meines Buchs eine Kongressanhörung in Washington zu diesem Thema verfolgt. Der Diskurs dort erschien mir doch sehr selbstgerecht: Wir Amerikaner sind nur um Frieden bemüht, hieß es, es sind allein die Chinesen, die aggressiv sind. Auch die Tatsache, dass die USA noch bis in die Nullerjahre das chinesische Militär aufgerüstet haben, will man nicht mehr wahrhaben. Leute wie Mike Pompeo, Trumps ehemaliger Außenminister, stellen sich lautstark als Freunde Taiwans dar, sagen dabei aber Dinge, die geeignet sind, diesen Konflikt zu befeuern. Sie schlagen zum Beispiel vor, Taiwan diplomatisch anzuerkennen. Natürlich finde auch ich die Existenz eines voll anerkannten, unabhängigen taiwanesischen Staates wünschenswert. Aber eine Anerkennung zum jetzigen Zeitpunkt wäre eine Überschreitung sämtlicher roter Linien in Peking. Weil die Beschwörung eines äußeren Feindes der innenpolitischen Profilierung bestimmter Parteien und Politiker dient, tendiert der amerikanische Diskurs zur Übersteigerung. Das halte ich auch für Taiwan nicht für hilfreich.

    ZEIT ONLINE: Sie kritisieren in Ihrem Buch, dass versucht wird, eine militärische Lösung für einen Konflikt zu finden, der im Kern ein politischer ist. Wie könnte eine politische Lösung aussehen?

    Thome: Eine Lösung ist kaum möglich, da sich die beiden Narrative einer großchinesischen und einer taiwanischen Identität diametral gegenüberstehen. Peking sagt letztlich: Solange Taiwan nicht uns gehört, ist die große Wiederauferstehung des chinesischen Volkes nicht vollendet. Und Taiwan sagt: Taiwan kann nur Taiwan bleiben, solange es nicht von China kontrolliert wird. Da gibt es keinen möglichen Kompromiss. Es ist ein Konflikt, den man nur managen und einhegen kann. Das Ziel muss also sein, eine chinesische Aggression abzuwehren. Abschreckung wird häufig aufs Militärische reduziert, hat aber auch eine politische und wirtschaftliche Komponente.

    Und da finde ich, sollten auch die EU und Deutschland ins Spiel kommen. Man muss der chinesischen Seite klarmachen, dass eine Aggression gegenüber Taiwan ungeachtet des militärischen Ausgangs einen so hohen Preis fordern würde –Reputationsverlust, Sanktionen, den Abbruch von Beziehungen zu westlichen Partnern –, dass eine Aggression nicht im Eigeninteresse Chinas wäre. Die Europäer sollten sich hüten vor der Annahme: Wir werden sowieso keine Soldaten in die Taiwanstraße schicken, also geht uns das nichts an. Wir müssen möglichst eng an der Seite der USA stehen, die hoffentlich im November eine berechenbare Präsidentin mit außenpolitischem Verantwortungsgefühl wählen werden. Wir müssen auch selbst eine klarere Haltung einnehmen und sie gegenüber Peking kommunizieren, notfalls im Streit. Davor haben wir uns in der Vergangenheit zu oft gedrückt.