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Agent d’ingérence étrangère : Alle die mit uns auf Kaperfahrt fahren, müssen Männer mit Bärten sein. Jan und Hein und Klaas und Pit, die haben Bärte, die haben Bärte. Jan und Hein und Klaas und Pit, die haben Bärte, die fahren mit.

  • 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz : Tage, die die Welt veränderten
    https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/4-november-1989-auf-dem-berliner-alexanderplatz-tage-die-die-welt-v

    Ein Jahr später, Stimmung gedrückt : Die Autorin am 4. November 1990

    Ceci est un reportage sur le plus grand mouvement pour le socialisme démocratique du vingtième siècle récupéré par la droite capitaliste et transformé en contre-révolution.

    4.11.2024 von Maritta Adam-Tkalec - Die Demonstration der Hunderttausenden auf dem Alexanderplatz heute vor 35 Jahren war die Folge dramatischer Ereignisse. Rückblick auf den Höhepunkt des Machtkampfs.

    Dies ist ein Zeitzeugenbericht zum 4. November 1989 von Maritta Tkalec. Lesen Sie auch das Stück von Wiebke Hollersen.

    In Ostberlin brannte die Luft. Am 7. und 8. Oktober war die Volkspolizei gewaltsam gegen Demonstranten vorgegangen, die am Palast der Republik, wo die Staatsspitze mit ihrem Ehrengast Michail Gorbatschow den 40. Jahrestag der DDR feierte, „Gorbi, Gorbi“ gerufen und Reformen in der DDR gefordert hatten. Sie wurden nach Prenzlauer Berg abgedrängt und von Sicherheitskräften unter die Knüppel genommen.

    Trotz – oder gerade wegen des brutalen Schocks – gingen am Tag darauf wieder Tausende, meist junge Leute, auf die Straße. In der Gegend rund um die Gethsemane-Kirche wurden sie von Polizisten und Stasi-Leuten wieder zusammengeschlagen. Es gab Hunderte Verletzte, mehr als 1000 Menschen wurden festgesetzt, „zugeführt“ hieß das. Betroffen waren friedliche Leute, auch unbeteiligte Passanten und selbst SED-Mitglieder, die die Zeit für Reformen für überreif hielten.

    Demo am 4. November 1989 am Alex: „Es sprachen Schauspieler, Schriftsteller, Leute von der SED“

    Diese Ereignisse brachten das Fass zum Überlaufen. Berichte über die Misshandlungen und Erniedrigungen der Festgenommen in Polizeirevieren, Haftanstalten und provisorisch eingerichteten Internierungslagern machten die Runde. Kaum waren die meisten Leute wieder frei, erzählten sie ausführlich, schrieben Erinnerungsprotokolle, sammelten Beweise für die Gewaltexzesse.
    Bürger trotz Gewalt nicht einzuschüchtern

    Derartiges hatte es in der DDR noch nicht gegeben. Die Ereignisse wurden zu einem Schlüsselmoment – und zum Wendepunkt. Als der Montag nahte, der 9. Oktober, und die nächste Montagsdemonstration in Leipzig stattfand, erschienen 70.000 Leute – so viel wie noch nie. Diesmal blieben die Knüppel stecken. Der Wind begann sich zu drehen.

    Der Berliner Zeitung war das noch nicht anzusehen. Zwar waren einzelne Redakteure unter den Demonstranten von der Gethsemanekirche gewesen, und man debattierte auf den Fluren. Doch ins Blatt gelangte – nichts. Noch nichts.

    Vielmehr ließ die Chefredaktion, angeleitet von der Abteilung Agitation der SED, wie üblich, wenn es um heikle Fragen ging, das Geschütz „Volkes Stimme“ auffahren. Am 10. Oktober druckte man angeblich spontane Reaktionen von Werktätigen aus den Bezirken der Republik, die über Radaumacher in verschiedenen Städten der DDR klagten; so hätten sich Leipziger Bürger in Anrufen bei den staatlichen Organen über Rowdytum und Störungen beschwert und verlangt, den Unruhestiftern entschieden zu begegnen. Aus Dresden war zu lesen, antisozialistische Randalierer hätten auf dem Hauptbahnhof und in der Innenstadt Einrichtungen und Grünanlagen zerstört, also Eigentum des Volkes.

    Frei schreiben, frei sprechen

    Ganz ähnlich klang es zwei Tage später: Da sendete der Berliner Rundfunk ein Interview mit Oberst Dieter Dietze, dem Ostberliner Polizeichef, zu den Vorgängen um die Gethsemanekirche – ein außergewöhnlicher Vorgang, der von hoher Nervosität zeugte. Das Interview druckte die Berliner Zeitung (alle anderen zentral gelenkten Blätter auch) im Wortlaut nach: Man solle gemeinsam für Ruhe und Ordnung sorgen.

    Der Polizeichef verteidigte das „geduldige” Vorgehen, schob den Demonstranten die Schuld zu, sagte zum Beispiel: „Aktive Handlungen, das hieß zunächst für uns Räumung der seit längerem blockierten Fahrbahnen nach fast pausenloser geduldiger Aufforderung. Erst als das Wegdrücken allein nicht mehr half bzw. unsere jungen Genossen, darunter viele, die ihren Wehrdienst versehen, tätlich angegriffen wurden, waren Zuführungen unvermeidlich.“ Dann versucht er die Spaltung: Unter „jene, die sich mit ehrlichen Absichten für gesellschaftliches Vorankommen in der DDR einsetzen“, hätten sich Rowdys gemischt.

    Der Empörung und Solidarität in der Bevölkerung kam man so nicht bei, vorsichtiges Einlenken wurde erkennbar, so in einem Fernsehinterview des DDR-Generalstaatsanwaltes am 18. Oktober, der zusagte, die Anzeigen der Bürger würden geprüft – und zugleich darauf beharrte, dass der Staat Rowdytum nicht dulden werde.

    An jenem Tag hatte das Politbüro die Absetzung Erich Honeckers beschlossen. Dann ging es Schlag auf Schlag, fünf Tage nach der Palastrevolte diskutierten Günther Schabowski und Ehrhardt Krack, Ostberliner Bürgermeister, auf der Karl-Liebknecht-Straße mit Demonstranten.

    Es braucht mehr Ostdeutsche in Medien und Wissenschaft!

    Und dann kam das ganz große Ding: Im Namen der Gewerkschaftsvertrauensleute der Berliner Theater beantragte Wolfgang Holz, Vertrauensmann der Gewerkschaftsgruppe Schauspiel des Berliner Ensembles, bei der VP-Inspektion Berlin-Mitte für den 4. November, einen Sonnabend, eine Demonstration für die Inhalte der Artikel 27 (Meinungs- und Pressefreiheit) und 28 (Versammlungsrecht) der DDR-Verfassung. Der Antrag wurde genehmigt.

    In der Berliner Zeitung war am 13. Oktober die interne Rebellion – endlich – ausgebrochen. Redakteur Torsten Harmsen hat Tagebuch geführt und die wichtigsten Notizen 2005 in einem Beitrag für die Zeitung zusammengefasst. Da liest man, was man selber vergessen hat, zum Beispiel, dass an jenem Tag die Parteigruppe – das politisch wichtigste Gremium in der Redaktion – einen Brief an die SED-Führung schickte: „Sie fordert, schnell eine Konferenz zu Medienfragen einzuberufen, das Eingreifen in journalistische Beiträge zu verbieten, Tabus aufzuheben, die Rechte und Pflichten der Presse gesetzlich zu fixieren. Vorbild ist Gorbatschows Politik der Glasnost.“


    Demonstranten auf dem Alexanderplatz während der Abschlusskundgebung am 4. November 1989 mit kreativ gestalteten Transparenten. Sie wollten eine demokratisch reformierte DDR. CC-BY-SA 3.0 de

    Am 1. November leitete den Aufzeichnungen zufolge ein Beitrag des Wirtschaftsressorts eine Welle der Enthüllungen von Amtsmissbrauch und Korruption ein. Es ging um einen korrupten IG-Metall-Chef. Und weiter: „Am selben Tag veröffentlicht eine Reformergruppe der Redaktion, deren Wortführer in der Abteilung Außenpolitik sitzen, ihre Thesen, in denen sie das noch immer herrschende ,feudalistische Kommandosystem‘ in der Redaktion anprangert. Der Chefredakteur reicht bei der Parteiführung seinen Rücktritt ein.“

    Die Rest-Chefredaktion riet von der Teilnahme an der Demonstration am 4. November ab. Wir waren trotzdem einige Dutzend. Wir hatten darüber diskutiert, was auf unserem Transparent stehen sollte. Es wurde nicht das Beste, aber das, was wir in jenem Moment verlangten: „Journalismus weg vom Geggelband“. Heinz Geggel war der berüchtigte Leiter der Abteilung Agitation des ZK der SED, der Mann, der den Willen der Parteiführung an die Medien übermittelte und über die Einhaltung aller Weisungen und Richtlinien wachte.

    Torsten Harmsen schrieb in sein Tagebuch von den ersten Erfahrungen mit einem selbstgefertigten Spruchband: „Das Transparent hängt durch; deshalb borgt uns eine Kollegin von der ,Freien Welt‘ ihren Schirm, mit dem wir das Tuch in der Mitte hoch halten. Das Meer der Menschen ist unübersehbar. Lachen. Beifall brandet auf, mal hier, mal dort – für eine gute Losung, ein originelles Plakat oder Personen wie Stefan Heym, die durch die Menge laufen. Es ist nicht allein die Masse, die beeindruckt. Es sind der Witz, der Humor, das Einverständnis in den Gesichtern, das Selbstbewusstsein, die sanfte Gewalt durch Einmütigkeit.“
    Buhs und Applaus auf dem Alex

    Der Alex war so voll wie nie – viele Hunderttausende, manche sprachen von einer Million Menschen. Die erste, offiziell genehmigte Demonstration in der DDR, die nicht vom Machtapparat ausgerichtet wurde. Alles friedlich. Die Ordner trugen Schärpen mit der Aufschrift „Keine Gewalt“. Die Vertreter der Staatsmacht, die von einem zum Podium hergerichteten W-50-Pritschen-LKW am Haus des Reisens herunter reden, solche wie Günter Schabowski, Markus Wolf, langjähriger Leiter des DDR-Auslandsgeheimdienstes wurden ausgebuht.

    Redner wie der Schriftsteller Stefan Heym bekamen Riesenapplaus. Er sagte: „Es ist, als habe einer die Fenster aufgestoßen! Nach all’ den Jahren der Stagnation – der geistigen, wirtschaftlichen, politischen; – den Jahren von Dumpfheit und Mief, von Phrasengewäsch und bürokratischer Willkür, von amtlicher Blindheit und Taubheit. […] Wir haben in diesen letzten Wochen unsere Sprachlosigkeit überwunden und sind jetzt dabei, den aufrechten Gang zu erlernen!“

    Was für ein Gefühl, solche Sätze in Ostberlin, auf dem Alexanderplatz zu hören!

    Es hatte ein Aufbruch in eine demokratische Umgestaltung der DDR werden sollen. Dann kam nur fünf Tage später die Grenzöffnung – und abermals nahm der Lauf der Geschichte beschwingt eine neue Wendung.

    Ein Jahr später, am 4. November 1990, fanden sich noch einmal Demonstranten auf dem Alexanderplatz ein, ein paar Tausend vielleicht. Ein Foto, das in einer Zeitung erschien, zeigt mich im Kreis von Freunden unter einem Schild mit der Aufschrift „Wir war’n das Volk“.

    #Allemagne #RDA #DDR #socialisme #démocratie #histoire