Die Ackerstraße als Loch
▻http://www.zeno.org/Literatur/M/Tucholsky,+Kurt/Werke/1931/Zur+soziologischen+Psychologie+der+L%C3%B6cher Meyers Hof
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Das Loch ist der Grundpfeiler dieser Gesellschaftsordnung, und so ist sie auch. Die Arbeiter wohnen in einem finstern, stecken immer eins zurück, und wenn sie aufmucken, zeigt man ihnen, wo der Zimmermann es gelassen hat, sie werden hineingesteckt, und zum Schluß überblicken sie die Reihe dieser Löcher und pfeifen auf dem letzten. In der Ackerstraße ist Geburt Fluch; warum sind diese Kinder auch grade aus diesem gekommen? Ein paar Löcher weiter, und das Assessorexamen wäre ihnen sicher gewesen.
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Manche Gegenstände werden durch ein einziges Löchlein entwertet; weil an einer Stelle von ihnen etwas nicht ist, gilt nun das ganze übrige nichts mehr. Beispiele: ein Fahrschein, eine Jungfrau und ein Luftballon.
Aus: Kaspar Hauser, Zur soziologischen Psychologie der Löcher, Die Weltbühne, 17.03.1931, Nr. 11, S. 389, in: Lerne Lachen.
Quelle: Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 9, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 152-154.
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Bernauer Straße (Abschnitt Mietshäuser und Meyers Hof)
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Entlang der Bernauer Straße wurden eine Reihe gründerzeitlicher Wohnhäuser errichtet. Direkt hinter dem Lazarus-Krankenhaus entstand ab den 1870er Jahren eine der bekanntesten Berliner Mietskasernen, der sogenannte Meyers Hof, ein hochverdichteter Wohn- und Arbeitskomplex mit 257 Wohnungen und 13 Gewerbebetrieben mit Eingang an der Ackerstraße. Bis zu 2000 Menschen lebten in dem fünfgeschossigen Bau mit sechs Hinterhöfen. Meyers Hof gilt als extremes Beispiel für die damals mitunter sehr engen und einfachen Lebensumstände des Proletariats rund um die Bernauer Straße und in ganz Berlin.
1904: Kindermord in der Ackerstaße
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Die Ackerstraße im Wedding (heute: Gesundbrunnen) war Anfang des vergangenen Jahrhunderts eine berühmte und berüchtigte Gegend. Vor allem arme Arbeiter, Tagelöhner, Arbeitslose und Prostituierte wohnten in den Mietskasernen, die bis zu sechs Hinterhöfe hatten. Oft mussten ganz Familien in einem Zimmer leben, Wasser und Toiletten gab es oft nur auf dem Hof. In einem dieser Häuser wohnte auch die 8‑jährige Lucie Berlin mit ihren Geschwistern. Ihre Eltern lebten davon, in der Stube Zigarren zusammenzurollen.
Am 9. Juni 1904 verschwand das Mädchen im Treppenhaus spurlos. Zwei Tage später fanden Fischer in der Spree den Rumpf des Mädchens. Bei der Befragung der Nachbarn kam schnell Theodor Berger, der vorbestrafte Zuhälter einer Frau ins Visier der Polizei, der gesehen wurde, wie er mit einem Mädchen an der Hand das Haus verlassen hatte. Die Frau wohnte im gleichen Haus, wie die Familie.
In den folgenden Tagen fanden sich auch der Kopf und die restlichen Körperteile des Mädchens in der Spree. Der verdächtige Mann machte mehrmals sich widersprechende Aussagen, zahlreiche Indizien sprachen für ihn als Mörder. In der Presse, die jeden Schritt der Polizei sowie den Prozess teilweise seitenweise dokumentierte, wurden Forderungen nach der Todesstrafe gestellt. Am 23. Dezember 1904 wurde Berger wegen Vergewaltigung und Totschlags zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt.
Lucie Berlin wurde auf dem St. Elisabeth-Friedhof beerdigt, ebenfalls in der Ackerstraße, nicht weit entfernt von ihrer Wohnung. Der Trauerzug mit offenem Leichenwagen und einer voranschreitenden Musikkapelle zog vom Gerichtsmedizinischen Institut in der Hannoverschen Straße zum Friedhof, rund 1.000 Menschen nahmen daran teil.
Der Mordfall der kleinen Lucie ist nicht nur bemerkenswert, weil er viele Menschen und Medien in Berlin sehr beschäftigte. Im Prozess wurde auch das erste Mal in einem Kriminalfall in Berlin die Bestimmung von gefundenem Blut berücksichtigt. Zwar konnte noch nicht die Blutgruppe bestimmt werden, aber es wurde festgestellt, dass es sich um menschliches Blut handelt. Der Täter hatte behauptet, es wäre Blut von einem Tier.