„Krankenschwestern gehen doch auch in Clubs“: Interview mit Emiko Gejic von der Clubcommission Berlin
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Am Tag des Mauerfalls geboren: Emiko Gejic ist seit November die Sprecherin der Clubcommission. Hannes Caspar
Leider, leider hat die junge Frau von der Clubcommission keine Lösungen anzubieten und auch sonst nix Neues auf der Pfanne. Aber hübsch isse, deshalb hat der Autor wohl besonders viele Fotos von ihr im Artikel untergebracht. Man hätte ja aussagekräftige Bilder der Clubs zeigen können, aber die schicken wohl lieber ihr reizendes Pressepferdchen vor. Monika Döring war eine andere Klasse.
9.12.2024 von Stefan Hochgesand - Das Berghain wird 20, das Watergate schließt. Die Kultur muss 2025 massiv sparen. Was bedeutet das für die Berliner Clubs? Ein Interview mit der neuen Sprecherin der Clubcommission.
Das Watergate schließt zum Ende des Jahres – ein weltbekannter Club, bei dem die Leute auf der Oberbaumbrücke Schlange stehen. Wie kann das sein? Jeder zweite Berliner Club denkt derzeit darüber nach, 2025 aufzugeben. Das hat die Clubcommission Berlin im November vermeldet. Die Zahlen klingen alarmierend. Gibt es überhaupt Hoffnung für die Clubs, auf die Berlin so stolz ist und denen es seine Strahlkraft verdankt? Wir haben mit einer Person gesprochen, die es wohl mit am besten weiß: Emiko Gejic, in der Clubwelt bestens vernetzt, ist die neue Sprecherin der Clubcommission, des Sprachrohrs der Berliner Clubs.
Frau Gejic, Sie arbeiten auch als Tänzerin und Schauspielerin. Wann und wie wurde Ihnen klar: Ich will mich für die Berliner Clubs engagieren?
Dass ich mich sehr aktiv engagiere, das kam während Corona. In der Corona-Zeit haben sich viele Kulturschaffende stärker vernetzt. Weil wir alle gleichermaßen von den Schließungen betroffen waren. Aber ich habe mich auch schon vorher mit Gentrifizierung und Verdrängung von kulturellen Freiräumen beschäftigt. In meinem Studium und in meiner Arbeit.
Sie haben Soziologie und Urbanistik studiert. Wie hilft Ihnen die Theorie, in der Praxis Lösungen zu finden?
Sehr viel. Zudem bin ich in Berlin geboren und in der wiedervereinigten Stadt aufgewachsen. Die akademische Perspektive hilft dabei, größere Zusammenhänge noch mal anders zu verstehen, vor allem auf politischer Ebene. Für uns als Clubcommission ist auch das direkte Gespräch mit der Politik wichtig, um Einblicke zu geben in die Lebensrealität von Clubkulturschaffenden, um Handlungsempfehlungen zu geben und Forderungen zu stellen.
Kann denn Gentrifizierung auch eine Chance sein? Gentrifizierung ist erst mal ein Prozess, der existiert. Das ist leider recht normal in einer neoliberal geführten Stadt, und das gibt es überall auf der Welt. Ich sehe es als sehr problematisch, wenn das nicht reguliert wird; wenn kleinere, nichtkommerzielle und soziale Kultureinrichtungen nicht vor Verdrängung geschützt werden. So wird der städtische Wandel nur durch Immobilienkonzerne und Wirtschaftsinteressen bestimmt. Das erleben wir gerade besonders in Berlin: Es wird vermehrt verdrängt, wer nicht profitmaximierend arbeitet. Da gehören Clubs und Kulturstandorte dazu.
„Das Berghain war für Berlin identitätsstiftend – vor allem international“
Manchen geht es anscheinend aber auch gut: Das Berghain wird demnächst 20 Jahre alt.
Das Berghain hat Berlin stark geprägt und war identitätsstiftend, vor allem auf internationaler Ebene. Es ist wichtig, dass es diesen Standort gibt, der als Clubstandort gesichert ist. Ich finde es bemerkenswert, wenn Leute ein Projekt oder einen Betrieb so lange führen.
Kurz nachdem das Berghain 20 wird, muss das Watergate für immer schließen. Das ist sicher ein Downer in der Clubwelt, oder?
Auf jeden Fall. Das Watergate gab es ja über 20 Jahre lang. Ein sehr wichtiger Standort, an dem viele DJs ihre Karriere begonnen haben; und der diese Ecke von Friedrichshain-Kreuzberg sehr mitgeprägt hat. Dass so ein Laden schließen muss – das war, denke ich, für alle ein Schock. Aber leider ist das bezeichnend für die Zeit, in der wir leben. Sehr lange haben Clubs und Partys in Berlin geboomt. Viele Tourist:innen sind extra deswegen hierhergekommen. Dass das nun wegbröckelt, ist traurig und hat mit unterschiedlichen Faktoren zu tun.
Mit welchen denn?
Gestiegene Mieten, Inflation, Personal- und Betriebskosten. Dadurch verringern sich die Einkünfte dramatisch, sogar wenn die Umsätze stabil bleiben. Und das Watergate ist ja einer der großen bekannten Clubs, bei denen es eigentlich gut lief. Das ist schon bemerkenswert, dass sie jetzt schließen müssen.
Wie ist die Stimmung momentan in der Berliner Clubwelt bei den Betreibern?
Bei manchen größeren läuft’s gut; manche sind extrem am Struggeln. Das hat auch viel damit zu tun, wo sich ein Club befindet, was für ein Mietverhältnis besteht: Ist das eine private oder eine landeseigene Fläche? Generell war das Jahr natürlich sehr schwierig für viele. Das liegt auch an Nach-Corona-Wehen; daran, wie sich die Schließungen ausgewirkt haben auf die Clubs. Aber auch an der wirtschaftlichen Lage, vor allem an gestiegenen Betriebskosten.
„Für mich gehört Kultur in den Bereich Soziales“, sagt Emiko Gejic. Johannes KizlerEine Erhebung der Clubcommission hat gerade ergeben, dass die Hälfte der Berliner Clubs mit dem Gedanken spielt, zeitnah aufzugeben.
Knapp die Hälfte der befragten Berliner Clubs überlegt, im Laufe des nächsten Jahres zu schließen – wenn sie nicht anderweitig Unterstützung bekommen. Für viele wäre es wichtig, dass sich Rahmenbedingungen ändern.
Woran denken Sie dabei konkret?
Wir haben geförderte Unterstützung im Bereich Schallschutz. Das ist ein superwichtiges Projekt, das den Clubs hilft, ihren Schallschutz zu verbessern – sodass es weniger Probleme mit den Nachbarn gibt und Clubkultur stadtverträglich existieren kann. Dann haben wir den Tag der Clubkultur. Aber es gäbe auch noch andere Möglichkeiten, die Bedingungen zu verbessern. Indem zum Beispiel das Gewerbemietrecht für Club- und Kulturstandorte in bestimmten Punkten reguliert würde. Oder indem die Clubs langfristige Mietverträge bekämen. Es könnte auch steuerliche Erleichterungen geben, wenn Clubs final als Kulturstätten anerkannt würden. Baurechtlich gelten Clubs immer noch als Vergnügungsstätten.
Emiko Gejic von der Clubcommission: „Berlin sägt sich sein Standbein ab“
Gerade wird viel über den Kulturetat des Berliner Senats für 2025 diskutiert. Besonders die Theater- und die Kunstszene sind schockiert ob der drastischen Kürzungen. Trifft diese Sparpolitik auch die Berliner Clubs?
Wir von der Clubcommission lehnen diese Haushaltskürzung vehement ab. Es ist ein fataler Fehler, die Kultur so krass zu beschneiden. Damit sägt sich Berlin sein eigenes Standbein ab. Die Clubs trifft diese Sparpolitik aber nicht direkt, weil sie bislang keine Förderung bekommen haben. Abgesehen von der Förderung, die wir für einzelne Projekte bekommen und weiterhin bräuchten.
Die Clubcommission will mehr Förderung für die Clubs. Aber allerorten muss gerade gespart werden. Wie würden Sie zum Beispiel einer Krankenpflegerin, die am Ende des Monats ihr Geld zusammenkratzen muss, erklären, dass ausgerechnet die Clubs mehr Geld brauchen?
Erst mal will ich gar nicht in so ein Konkurrenzdenken verfallen und schon gar nicht Betroffene gegeneinander ausspielen. Auch wir stehen total dahinter, dass Gesundheit, Bildung und Soziales stark gefördert werden müssen und absolut essenziell sind. Für mich gehört Kultur aber auch in die Bereiche Soziales und Bildung – weil Kulturstandorte, wo sich Menschen treffen und austauschen, gesellschaftlichen Zusammenhalt festigen. Ich denke, wir müssen von dem Stigma wegkommen, dass Clubs Orte sind, an denen „nur“ gefeiert wird. Es sind Orte, an denen Kunst und Musik stattfinden. Es sind auch wichtige Orte für junge und marginalisierte Menschen, die dort ihren Freiraum haben. Es gehen ja auch sicher Krankenschwestern in Clubs. Man trennt die Gesellschaft doch auch nicht in Museumsgänger, Clubgänger und Kinogänger. Es ist uns wichtig, die Vielfalt zu erhalten.
Und was, wenn die Stadt den Clubs nicht hilft?
Dann hätte das Auswirkungen auf die Kreativszene, unser Zusammenleben, den gesellschaftlichen Zusammenhalt, die freie Kunstszene und auch auf die Attraktivität Berlins. Viele junge Leute kommen aktuell auch wegen der Clubszene hierher und wählen Berlin als ihre neue Heimat. Berlin profitiert massiv davon, als Kulturstandort so beliebt zu sein, auch dank der Clubs. Wenn sich das ändert, wäre das sozial, kulturell und wirtschaftlich für Berlin fatal.
Die Clubcommission betont immer wieder, wie attraktiv die Clubs Berlin machen. Allerdings klagen viele Clubs inzwischen, dass zu wenige Gäste kommen. Wie passt das zusammen?
Durch die schon genannten Kostensteigerungen sind viele Clubs gezwungen, ihre Eintrittsgelder zu erhöhen. Natürlich reduziert sich auch, wie viel ich für Kultur ausgeben kann, wenn schon die Miete und die Lebensmittel teuer sind. Tourismus hat auch tendenziell abgenommen, was anscheinend nicht zuletzt mit dem BER zu tun hat, der aufgrund hoher Gebühren weniger angeflogen wird.
„Die Kulturbranche hat eine Love-Hate-Relationship mit dem Tourismus“
Wobei die Techno-Touristen in Berlin auch verschrien waren: Leute, die mit dem Billigflieger fürs Wochenende aus Paris und London kamen, um hier einen draufzumachen.
Auf jeden Fall, das ist auch nicht nachhaltig. In der Kulturbranche hat man, denke ich, eine Love-Hate-Relationship mit dem Tourismus: Alle leben irgendwie davon, aber man will keinen Massentourismus, der für die Stadt unverträglich ist. Umso wichtiger, dass die Clubs auch für die Anwohnenden hier attraktiv bleiben. Dass sie wieder soziale Treffpunkte werden und nicht nur vom Tourismus abhängig sind.
So schlimm das im Einzelfall ist für die Clubs, die schließen müssen: Könnte es nicht doch sein, dass das Angebot in Berlin an Clubs größer ist als die Nachfrage? Brutal gesagt: dass es zu viele Clubs gibt?
Das würde ich nicht so sehen. Die Schließungen, die verkündet wurden, haben sehr viel Schock und sehr viel Trauer ausgelöst. Was ich auch wichtig finde, ist, eine Vielfalt an unterschiedlichen Clubs zu erhalten. Klar ist es auch normal in der Stadtentwicklung, dass bestimmte Betriebe mal schließen und dass es dann was Neues gibt; dass sich auch Bedürfnisse verändern. Das veränderte Ausgehverhalten hat aber in Berlin gerade, wie gesagt, maßgeblich mit gestiegenen Kosten zu tun, nicht mit schwindender Lust am Ausgehen.
Es ist viel vom Clubsterben die Rede. Andererseits eröffnen auch neue Clubs, gerade außerhalb des S-Bahn-Rings, oder?
Es gibt immer mal wieder neue Projekte, Formate und auch Übernahmen. Gerade ein bisschen außerhalb des Rings. Neue Flächenbespielungen, auch Kultur-Zwischennutzungen, potenzielle Neuflächen wie etwa geschlossene Kaufhäuser. Aber dass in großem Stil neue Clubs in Berlin entstehen, sehe ich nicht.
Emiko Gejic fragt: „Wohin soll das gehen mit Berlin?“ Koone„Ich sehe einen Ausverkauf der Stadt. Das ist einfach ein Armutszeugnis.“
An sich hat die Berliner Partyszene um die Jahrtausendwende herum auch davon gelebt, dass sie sehr in Bewegung war. Das Kommen und Gehen von Läden ist auch eine Chance für die Szene, frisch zu bleiben, oder?
Ja, klar. Subkultur hängt eng mit Stadtwandel zusammen. Es wurden immer neue Räume gefunden und bespielt. Ich sehe aber einen Ausverkauf der Stadt. Das spitzt sich immer mehr zu. Die Mietpreise drohen so teuer zu werden, dass nichts Kreatives oder Soziales mehr entstehen kann. So lässt sich die Stadt nicht mehr mitgestalten. Wohin soll das gehen mit Berlin? Die Wohnungsnot macht Berlin übrigens auch extrem unattraktiv. Das ist einfach ein Armutszeugnis für die Stadt.
Drogenstadt Berlin – warum Menschen nun ohne Alkohol feiern: „Berlin war schon immer Vorreiter“
Sie haben auch als Yogalehrerin gearbeitet: Ist denn Feiern eigentlich gesund, mit Alkohol, Drogen und Schlafentzug? Sollten die Leute nicht lieber achtsam Yoga machen?
Wer feiern gehen möchte, kann und soll das gerne tun. Und viele, die nachts ausgehen, machen auch Yoga. Natürlich ist es auch wichtig, auf die Gesundheit zu achten. Es gibt übrigens immer mehr Sober Raves; und viele, gerade jüngere Leute, die Alkoholkonsum komplett ablehnen. Nüchtern feiern ist absolut möglich. Ich bin aber ein Freund davon, dass die Menschen das selber entscheiden, wie sie mit ihrem Leben umgehen.
Prognose für 2025: Wie geht es weiter mit den Clubs in Berlin?
Aktuell sieht es düster aus mit der wirtschaftlichen Lage und den Haushaltskürzungen. Aber ich vertraue stark auf die Club- und Kreativszene. Und ich hoffe sehr auf gesellschaftlichen Zusammenhalt und Solidarität. Auch in Hinblick auf den Rechtsruck in Gesellschaft und Politik ist das absolut notwendig. Es ist eine bedeutende Zeit, um wieder zusammenzurücken und sich zu vernetzen. Aus Krisen kann auch Positives entstehen. Wir sehen eine starke Vernetzung grade in der Kulturlandschaft über #berlinistkultur, die sich stark positioniert. Ich vertraue darauf, dass die Berliner:innen aktivistisch sind – und immer für ihre Stadt, ihre Räume und füreinander kämpfen werden.
Zur Person
Hannes CasparEmiko Gejic wurde am 9. November 1989, dem Tag des Mauerfalls, in Berlin geboren. Sie hat sich im Studium mit Soziologie und Stadtforschung beschäftigt und arbeitet als Tänzerin, Schauspielerin, Model und Performerin auf der Bühne und vor der Kamera. Ihre ethnische Herkunft beschreibt sie selbst als „deutsch-kroatisch, japanisch-bengalisch“. Gejic gibt mit ihrer Firma Berlinsidestories themenspezifische Berlin-Touren. Seit dem Sommer 2024 ist Gejic ehrenamtlich im Vorstand der Clubcommission aktiv – und seit dem 19. November ist sie deren Sprecherin .
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