Taxi

Reality Check - Geschichten rund ums Taxi in Berlin und weltweit - Materialsammlung, Bilder, Videos, Texte

  • Gegen die Ubernahme der Stadt
    https://jungle.world/artikel/2025/08/taxi-filmfest-gegen-die-ubernahme-der-stadt

    29.2.2025 von Holger Heiland - Das Taxifilmfest ist nicht einfach nur ein weiteres Filmfest, sondern ein Protest für gute Arbeitsbedingungen und Arbeitsrechte von Personenbeförderern.

    Zwei Tage vor der Eröffnung der 75. Internationalen Filmfestspiele von Berlin steht Klaus Meier in der Kälte vor dem Berlinale-Palast und wartet auf seine Mitstreiter. Er ist einer der Veranstalter des 2. Taxifilmfests; bei dessen Erst­auf­lage waren während der vorigen Berlinale in Taxis Filme mit Taxibezug gezeigt worden. Nicht nur seine Mitstreiter, sondern auch die für die Filmvorführungen aufgerüsteten Großraumtaxen lassen auf sich warten.

    »Improvisation gehört dazu«, erklärt Meier der Jungle World. »Noch ist nicht alles ausdiskutiert. Etwa, ob wir Filme wieder nur in den Taxen zeigen. Das hieße, dass immer je acht Menschen eine Vorstellung besuchen können. Wir könnten die Wagen aber auch als Shuttles nutzen, um unser Publikum in einen komfortabel geheizten Kinosaal zu befördern.«

    Das Taxikultur-Team, dem neben Meier die Taxiunternehmer:innen Stephan Berndt und Irene Jaxtheimer angehören, stellt sich an den Festival­tagen bis zur Dämmerung den Fragen von Interessierten, informiert über das Programm und ihren Protest »gegen die Übernahme der Stadt durch Plattformkapitalisten und Ausbeuter«.

    »Eine angekündigte Fachkunde­prüfung als Voraussetzung für die Erteilung einer Beförderungslizenz lässt bis heute auf sich warten.« Klaus Meier, Veranstalter des Taxifilmfests

    Veranstaltungen wie die Berlinale – mit 2024 nach eigenen Angaben 329.502 verkauften Tickets eines der größten Publikumsfilmfestivals auf der Welt – sind seit langem wichtiger Teil des Stadtmarketings. Sie sollen helfen, Investoren und damit Steuereinnahmen anzulocken. Gerade deshalb stellte es für den Filmenthusiasten Meier, der neben seinem Beruf schon für das Videofilmfest (seit 1988) und die daraus entstandene Transmediale gearbeitet hat, einen Skandal dar, dass der Haupt­sponsor der Berlinale in den beiden vergangenen Jahren ausgerechnet der Vermittlungsdienstleister Uber war.

    »Das war kein gutes Zeichen, weder für das Festival noch für die Stadt. Zumal sich die Berlinale ja als dezidiert politisches Festival versteht.« Uber selbst beschäftigt keine Fahrer, sondern betreibt nur die Plattform, auf der diese ihre Dienste anbieten können. Das Geschäftsmodell führt Meier zufolge zu »Schwarzarbeit, Lohndumping und Steuerhinterziehung«. Das Unternehmen ziehe sich aus der Verantwortung und argumentiere damit, dass es nur als Vermittler auftrete, das lediglich seine App zur Verfügung stelle.

    Der RBB titelte bereits 2023 nach einer Recherche zum Uber-System: »Fahrer sind Opfer organisierter Schwarzarbeit«. Der Fachgebietsleiter der Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Hauptzollamt Berlin berichtete der Zeitung von Firmen, die gegründet würden, um »in großem Umfang Arbeitnehmer« als Fahrer zu beschäftigen, die dann nicht sozialversichert seien.
    Illegale Taxifahrten über Uber und Bolt

    Mitte Januar gab es in einem solchen Fall Hausdurchsuchungen in mehreren Bundesländern wegen des Verdachts der besonders schweren illegalen Beschäftigung, der besonders schweren Steuerhinterziehung und der bandenmäßigen Urkundenfälschung. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main wirft insgesamt 30 Personen vor, seit 2022 illegale Taxifahrten über Uber und Bolt angeboten zu haben.

    »Den Fahrer:innen bringt das in der Summe Unsicherheit und den Zwang, ständig zu arbeiten, um überhaupt etwas zu verdienen. Das führt oft in biographisch ausweglose Lagen«, weiß Meier aus seiner langjährigen Erfahrung als hauptberuflicher Taxifahrer. Seit er nicht mehr selbst hinterm Steuer sitzt, berät er ehemalige Kolleg:in­nen in prekären Arbeitsverhältnissen als Taxi-Soziallotse für das vom Senat geförderte Berliner Arbeitslosenzen­trum (Balz). Seit Jahren engagiert er sich zudem in der AG Taxi, einer gewerkschaftlichen Gruppe im Rahmen von Verdi Berlin, und setzt sich dafür ein, die Anliegen der gewerkschaftlich kaum organisierbaren Angestellten im Taxigewerbe zu Gehör zu bringen.

    Von den politisch Verantwortlichen fordert er beispielsweise, sich den Hamburger Senat zum Vorbild zu nehmen und durch angemessene Ordnungs- und Kontrolltätigkeit die wirtschaftliche Situation der Beschäftigten zu verbessern. In Hamburg werden kaum Uber-Fahrzeuge zugelassen. Der Senat bezweifelt die zumindest kostendeckende Betriebsführung des durch Apps vermittelten Mietwagenverkehrs. Um zugelassen zu werden, sind die Unternehmen dazu verpflichtet, einen Geschäftsplan vorzulegen.

    Mit seinen Protestaktionen war Meier bereits erfolgreich. Aus einer Plakataktion gegen Uber 2023 entstand 2024 das Taxifilmfest mit Filmen aus privaten DVD-Sammlungen. Das Festival erhielt weltweit Aufmerksamkeit. Das trug sicher mit dazu bei, dass Uber sich in diesem Jahr als Sponsor der Berlinale zurückgezogen hat.
    »Gegen-Kartographie«

    Das Taxifilmfest hat sich mittlerweile etabliert. 1.640 Filme von Filme­macher:innen aus aller Welt wurden in diesem Jahr eingereicht. Gezeigt werden davon fünf Spiel- und 59 Kurzfilme. Von grell bis experimentell dreht sich alles ums Taxifahren und seinen Beitrag zur urbanen Kultur. Einst auf Super 8 gedrehte Einblicke in die Berliner Gegenkultur der siebziger und achtziger Jahre gibt es auch – in Erstaufführung.

    Besonders stolz ist Meier auf den Workshop »Besser als die App«. Da gehe es um die Besinnung auf eigenes Wissen und Stärken, um auf Navigationssysteme bauende Beförderungsmodelle alt aussehen zu lassen. »Unter Verkehrsminister Scheuer wurde die Ortskundeprüfung abgeschafft. Dadurch sind die Fahrer:in­nen enteignet worden und die Qualität der individuellen Personenbeförderung wurde schlagartig schlechter. Eine angekündigte Fachkundeprüfung als Voraussetzung für die Erteilung einer Beförderungslizenz lässt bis heute auf sich warten.«

    Das Werkzeug, das der Workshop an die Hand gibt, heißt »Gegen-Kartographie«. Kartieren wird dabei als Praxis verstanden. In Karten, so die Überlegung, sind immer schon Interessen und damit Herrschaftsstrukturen eingeflossen und werden dadurch verfestigt. Die Gegen-Kartographie ist hingegen auf die Perspektive der Akteure ausgerichtet. Am Beispiel von Taxifahrer wären also Fragen wie die entscheidend, wie ein konkreter Platz aussieht, wo man abbiegen, sich einordnen oder parken kann. Taxifahrer:innen bietet das die Möglichkeit, ihre Interessen klar zu formulieren und ihre Rechte durchzusetzen. Eine Preisverleihung für die beim Taxifilmfest ausgezeichneten Filme gibt es natürlich auch.

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