Görlitzer Park in Kreuzberg: Polizei muss AfD-Politiker vor aggressiven Pöblern schützen
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Wir fahrn alle, wir retten jeden, sogar AfD Abgeordnete.
1.7.2025 von Andreas Kopietz - AfD-Politiker wollten sich im Görlitzer Park einen Eindruck der Lage vor Ort verschaffen. Hunderte Gegendemonstranten wollten das verhindern, Polizisten mussten eingreifen.
Was passiert, wenn zwei AfD-Abgeordnete einen Spaziergang im Görlitzer Park unternehmen, das konnten interessierte Bürger in Berlin am Dienstag sehen. Die Pressestelle der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus hatte an die Medien eine Einladung verschickt: „Die stellvertretenden Vorsitzenden und fachpolitischen Sprecher der AfD-Hauptstadtfraktion für Inneres sowie für Umwelt, Thorsten Weiß und Alexander Bertram, werden am kommenden Dienstag gemeinsam eine Begehung des Görlitzer Parks unternehmen.“ Weiter heißt es: „Dabei wollen sie sich aus erster Hand ein Bild sowohl von der Kriminalitätslage als auch vom Zustand der Natur und der Sauberkeit des Parks machen.“
Stattdessen bekamen sie ein Bild von der politischen Lage in Kreuzberg. Denn wenige Stunden, nachdem die AfD die Einladung verschickt hatte, stand der Termin schon auf der linksextremen Seite Indymedia: Dienstag, 1. Juli 2025, 10 Uhr, Parkeingang Skalitzer Straße. Dabei hieß es doch in der Presseeinladung: „Aus Sicherheitsgründen bitten wir Sie, den Termin dieser Begehung nicht vorab zu kommunizieren.“ Jemand hat aber. Hat das die AfD bewusst einkalkuliert, um Aufmerksamkeit zu erzielen?
Und so haben sich an diesem Arbeitstag schon vor 10 Uhr mehrere Hundert Menschen am Parkeingang eingefunden, darunter Politikerinnen der Grünen und der Linkspartei. „Alle gegen Nazis und alle gegen den Zaun!“, wird gesungen. Denn man ist auch dagegen, dass der Senat den 14 Hektar großen Park umzäunt, um ihn nachts abzuschließen. Das Absperren des Parks soll gegen den Drogenhandel helfen und gegen die damit einhergehende überbordende Kriminalität.
Rufe der Demonstranten: „Ganz Berlin hasst die AfD“
Und weil der Görlitzer Park seit Jahren als Drogenumschlagplatz in den Schlagzeilen ist und für viele sinnbildlich für die Verwahrlosung oder gar den Niedergang Berlins steht, hat auch die AfD dieses Thema entdeckt. Auch die ist Gegner des Zauns und fordert stattdessen hartes Durchgreifen und Zäune an den Grenzens statt um Parks. Bei diesem Rundgang wollen die Abgeordneten Weiß und Bertram das Positionspapier der AfD-Hauptstadtfraktion mit dem Titel „Görlitzer Park – Schandfleck eines kapitulierenden Staates“ vorstellen.
Der Redner bei der Anti-Demo bezeichnet Weiß als „Stadthalter Höckes“, der den rechtsradikalen „Flügel“ der Partei mit aufgebaut habe. Die Demonstranten halten Transparente hoch: „Nazis aus dem Kiez jagen“.
Dann warnt die Rednerin auch vor einem „Nazi-YouTuber“ namens Weichreite, der ebenfalls vor Ort sei und mit dem man auf keinen Fall reden dürfe: „Der steht da hinten, hat ’nen Käppi auf und längere Haare!“ Der Youtuber „Weichreite“, offensichtlich ziemlich schmerzfrei, hält für seine 193.000 Abonnenten einfach mit seinem iPhone drauf.
In der Zwischenzeit betreten Weiß und Bertram den Park durch einen anderen Eingang an der Görlitzer, Ecke Lübbener Straße. Die Polizei hat ihnen dazu geraten. Doch das nützt nicht viel. Sofort läuft auch dort eine Menge zusammen und ruft „Nazis raus!“ Ein rohes Ei klatscht vor den Füßen von Thorsten Weiß auf, eine Plasteflasche fliegt. Jemand versucht mit seinem E-Bike, den Weg zu blockieren und wird unsanft von Polizisten zur Seite geschoben.
Die Ordnungshüter setzen nun ihre Helme auf. „Ganz Berlin hasst die AfD!“, schallt der Sprechchor. Das ist durchaus eine kühne Behauptung: Bei der Bundestagswahl holte die Partei in Berlin 15,2 Prozent der Stimmen und in dem Kreuzberger Wahlbezirk, wo der Görlitzer Park liegt, sind es auch 3,8 Prozent.
Polizisten haben Protestler unterschätzt
Was sich hier entwickelt, ist ein Spießrutenlauf, den die beiden Abgeordneten mit versteinerter Miene absolvieren, während die behelmten Polizisten ihnen den Weg freischubsen. Ein Mann bespuckt die beiden Politiker. Er wird festgenommen. Die Polizisten sind nervös: Sie hatten das Protestpotenzial wohl unterschätzt.
Und irgendwie erinnert das Geschehen an die „Begehung“, die Berlins Regierender CDU-Bürgermeister Kai Wegner im vergangenen Jahr durchführte, gewissermaßen als moralische Vorbereitung für das Zaunprojekt. Im Januar hatte ihn dort ebenfalls ein Pulk bedrängt, und die Polizisten mussten den Weg freischubsen. Auch damals hieß es: „Ganz Berlin hasst die CDU“. Und es hieß: „Nazis raus!“. Alles Nazis eben.
Der Rundgang der beiden AfD-Herren endet bereits nach zwölf Minuten am benachbarten Parkausgang. Die beiden schlüpfen an den Polizisten vorbei, die dermaßen angespannt sind, dass sie vergessen haben, wie der bundeseinheitliche Presseausweis aussieht: „Ja, was soll mir das jetzt sagen?“, motzt Dienstnummer 037(..) einen Journalisten an.
Vorn am Haupteingang freut sich der Redner: „Herzlichen Glückwunsch an Kreuzberg! Kreuzberg ist jetzt nazifrei!“
Politiker von Demonstranten eingekesselt
Die AfD ist in Richtung Oppelner Straße entkommen – und wird schon wieder eingekesselt. An der Ecke Skalitzer stehen die beiden Abgeordneten nun, umringt von behelmten Polizisten und schimpfenden Kreuzbergern. Eine Frau kreischt den YouTuber „Weichreite“ an, er solle sich verpissen und haut ihm die Kamera ins Gesicht. Weiß und Bertram wollen ein Taxi anhalten. Doch dem Fahrer ist das offenbar nicht geheuer. Er lehnt ab und gibt Gas. So geht das hier noch eine ganze Weile. Auch ein zweites Taxi nimmt die beiden nicht mit. Ein Mannschaftstransporter der Polizei könnte die Politiker mitnehmen. Doch das geht aus Versicherungsgründen nicht.
Also zieht der bizarre Trupp los zum U-Bahnhof Schlesisches Tor. Polizisten machen die Eingänge dicht, die Pöbler müssen draußen bleiben. Die behelmten Beamten halten die Tür der stehenden U-Bahn auf, damit sich die beiden AfD-Leute dort hineinretten können. Auch „Weichreite“ kommt mit. Er will hier nicht allein zurückbleiben. Draußen steigen die ersten Antifaschisten auf ihre Räder und rasen der Bahn hinterher.
„Wir haben mit Protest gerechnet, aber ich hätte nicht 300 Leute erwartet, schon gar nicht um diese Tageszeit“, sagt Thorsten Weiß später. „Was haben wir denn gemacht? Wir sind zwei Parlamentarier, die durch diesen Park gegangen sind.“ Ein Bild von der realen Kriminalitätslage bekam er nicht. Aber die Provokation, die Weiß als „Stilmittel der Politik“ bezeichnet, ist ihm gelungen.
An der U-Bahn-Endhaltestelle Warschauer Straße haben die ersten Protestierer auf Fahrrädern die beiden AfD-Leute eingeholt. Doch dieses Mal können sie ein Taxi stoppen, das sie sicher ins Abgeordnetenhaus bringt.
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