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  • Ausgrabungen in Berlin: Verloren geglaubte „Entartete Kunst“ entdeckt
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    08.11.2010

    Bei archäologischen Grabungen vor dem Berliner Rathaus sind elf Skulpturen der „Entarteten Kunst“ entdeckt worden. Dieser Fund sei „einzigartig“, sagte Berlins Landesarchäologe und Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte, Matthias Wemhoff, am Montag bei der Präsentation der Skulpturen. Noch nie seien Kunstwerke mit diesem Hintergrund bei einer Ausgrabung gefunden worden.

    Bei den Fundstücken handelt es sich den Angaben zufolge um Bronzen von Edwin Scharff, Otto Baum, Marg Moll, Gustav Heinrich Wolff, Naum Slutzky und Karl Knappe sowie um Teile von Keramikarbeiten von Otto Freundlich und Emy Roeder. Noch nicht identifiziert sind drei weitere Fundstücke. Im Zuge der nationalsozialistischen Aktion „Entartete Kunst“ waren mehr als 15 000 Kunstwerke in deutschen Museen beschlagnahmt und dann devisenbringend verkauft oder als nicht lohnend vernichtet worden. Gefunden wurden die Skulpturen bei Grabungen in der Rathausstraße gegenüber dem Berliner Rathaus in Mitte. In Vorbereitung auf den Weiterbau der U-Bahnlinie U5 vom Alexanderplatz zum Brandenburger Tor gibt es dort seit Oktober 2009 archäologische Untersuchungen.

    Die Archäologie sei „immer wieder für Überraschungen gut“, sagte der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), Hermann Parziner. Es sei nach Resten des alten Rathauses aus dem 13. Jahrhundert gegraben und dabei seien Kunstwerke der „Entarteten Kunst“ aus dem 20. Jahrhundert entdeckt worden. Diese Werke seien weitere „Zeugnisse des Wahnsinns der Nazis“, betonte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Durch den Fund konnte jedoch der Versuch der Nazis, diese Kunstwerke zu vernichten, „letztlich konterkariert werden“.

    Wie die elf Skulpturen in die Rathausstraße - die ehemalige Königsstraße 50 - gelangt seien, wisse man noch nicht genau, sagte Wemhoff. Unter den ehemaligen Bewohnern des Hauses sei jedoch eine Person gewesen, die eventuell eine Verbindung zu den Skulpturen gehabt haben könnte. Treuhänder Erhard Oewerdieck (1893-1977) hatte 1941 Büroräume im vierten Stock des Hauses gemietet. Mit seiner Frau Charlotte habe er während des Krieges jüdischen Mitbürgern geholfen, wofür das Ehepaar von der Gedenkstätte Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt wurde. Oewerdiecks Tresor sei zusammen mit den Skulpturen geborgen worden.

    Der erste Fund im Januar dieses Jahres sei die Büste der Schauspielerin Anni Mewes von Edwin Scharf gewesen. Ein Bauarbeiter sei im wahrsten Sinne des Wortes über einen metallischen Gegenstand gestolpert, der aus der Baggerschaufel gefallen sei, berichtete Wemhoff. Die Skulptur sei völlig mit Mörtel bedeckt gewesen. Im August seien dann etwa zehn Meter entfernt weitere Bronze- und Terrakottaskulpturen gefunden worden. Erst mit der Identifikation des roten Terrakottakopfes als Teil der Arbeit „Die Schwangere“ von Emy Roeder sei die Verbindung zu der Aktion „Entartete Kunst“ deutlich geworden.

    Wemhoff vermutet, dass bei einem Brand, den nur nicht brennbare Dinge überstanden haben, die Skulpturen in den Keller gestürzt waren. Ein Grund für die Entfernung zwischen der Büste und den anderen Funden könne sein, dass die eher runde Mewes-Büste in dem durch Kriegsbomben brennenden Haus ein Stück gerollt sei. Die Bronzen, von denen die größten knapp 80 Zentimeter hoch sind, sind im Wesentlichen unbeschädigt, haben aber durch die lange Lagerung und den Brand eine starke Patina, die auch zum Teil erhalten wurde.

    In einer Ausstellung "Der Berliner Skulpturenfund. „Entartete Kunst’ im Bombenschutt“ im Griechischen Hof des Neuen Museums auf der Museumsinsel werden die Funde ab Dienstag (9. November) der Öffentlichkeit präsentiert.

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