Taxi

Reality Check - Geschichten rund ums Taxi in Berlin und weltweit - Materialsammlung, Bilder, Videos, Texte

  • Aus Fremdenhass: Berliner Obdachloser wollte Sachbearbeiterin töten | Berliner Zeitung
    https://www.berliner-zeitung.de/berlin/polizei/aus-fremdenhass--obdachloser-gesteht-vor-gericht---sachbearbeiterin

    Berlin - Mario Z. wollte in einer Obdachlosenunterkunft ein Einzelzimmer. Er bekam es nicht. Deswegen ging er am 19. September 2016 zum Sozialamt an der Karl-Marx-Straße in Neukölln. Er lief in die dritte Etage, wo die Abteilung Soziale Wohnhilfe untergebracht ist. Als seine Sachbearbeiterin die Tür zu ihrem Büro öffnete, um mit russischem Akzent den nächsten Kunden aufzurufen, stürmte Mario Z. mit einem Kampfmesser in der Hand auf sie zu.

    Er wollte sie töten. Weil sie keine Deutsche sei und durch ihr Verhalten Deutsche schädige, heißt es in der Anklage. Tatsächlich traf Mario Z. einen Kollegen der Frau, der sich ihm in den Weg stellte, am Oberkörper. „Ich wollte sie umbringen“, gab der 59-jährige am Montag vor einer Schwurgerichtskammer zu.

    Angeklagter wollte seinen Namen umändern

    Er habe so aus seiner Obdachlosigkeit herauskommen wollen, zudem hasse er Ausländer. „Ich wollte eine Ausländerin umbringen, die ich kenne, die mich beschissen hat“, erklärt er mit fester Stimme. Schließlich hätte ihm seine Sachbearbeiterin bei einem Gespräch zuvor erklärt, dass sie ihm kein Einzelzimmer besorgen könne. Sein Hass auf Ausländer geht so weit, dass er einen Namensänderung beantragt hat: Mario sei italienisch, sagt er. Er wolle Marko gerufen werden.

    Es ist bereits der zweite Prozess gegen den früheren Taxifahrer, der nach eigener Aussage Beethoven liebt und derzeit Englisch und Französisch lernt. Wegen des Messerangriffs war er bereits im Mai vorigen Jahres zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Zudem wurde die Unterbringung in der Psychiatrie angeordnet, weil Mario Z. zur Tatzeit erheblich vermindert schuldfähig gewesen sein soll.

    Mario Z. will nach Tegel verlegt werden

    Gegen das Urteil hatte die Sachbearbeiterin als Nebenklägerin Revision eingelegt. Der Angeklagte selbst ging ebenfalls gegen die Entscheidung vor, weil er nicht in der Psychiatrie landen wollte. „Ich will nach Tegel, zu den normalen Straftätern. Ich will von diesem Idiotenparagrafen weg“, begründet er.

    Ironischerweise hatten beide Revisionsanträge Erfolg. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf mit der Begründung, die Richter im ersten Verfahren hätten Mordmerkmale wie niedrige Beweggründe und Heimtücke nicht ausreichend in Betracht gezogen. Zudem seien die Feststellungen zur verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten fehlerhaft.

    Verurteilung wegen versuchten Mordes steht bevor

    Mario Z. erklärt in dem neuen Prozess, dass er schon einmal mit dem Kampfmesser, Klingenlänge 25 Zentimeter, losgezogen sei, um die Sachbearbeiterin zu töten. Das sei ein Tag vor der Tat gewesen. Er sei auf halbem Weg umgekehrt. „Ich bin kein Gewohnheitsverbrecher.“

    Tags darauf schritt er zur Tat. Er habe der Frau in den Hals stechen wollen, sie aber nicht erwischt, sondern ihren deutschen Kollegen. „Ein Kollateralschaden“, sagt Mario Z. zynisch. Auf seiner Flucht soll er noch einen türkischstämmigen Wachmann verletzt haben. Das allerdings bestreitet der Angeklagte.

    Jedenfalls konnte Mario Z. das Sozialamt unbehelligt verlassen. In einer Obdachlosenunterkunft wurde er später festgenommen. Seitdem wartet er in der Psychiatrie auf ein rechtskräftiges Urteil. Ihm droht eine Verurteilung wegen versuchten Mordes.

    Kein Reue

    Die Tatwaffe, die lange Zeit fehlte und deswegen auch beim ersten Prozess nicht gezeigt werden konnte, liegt nun auf dem Richtertisch. Das Messer hatte Mario Z. erst kürzlich wiedergefunden, wie er sagt – in der Psychiatrie. Nach seinen Angaben sei es aus einer Tasche mit doppeltem Boden gefallen. Niemand hatte das Messer bemerkt, er selbst hatte es nach eigener Aussage vergessen.

    Die Sachbearbeiterin aus dem Sozialamt leidet noch immer unter den Folgen der Tat. Laut Gericht sei sie arbeitsunfähig, sie habe Schlafstörungen und könne keine U-Bahn mehr benutzen. Ob sie als Zeugin gehört werden kann, ist fraglich. Ihrem Kollegen geht es psychisch gut, er hat sich jedoch versetzen lassen. Und Mario Z.? Er bereut seine Tat nicht. Die Frau habe ihm damals nicht leidgetan und auch heute nicht. Es sei immer noch „eine angemessene Überlegung, sie zu töten“.

    #Berlin #Kriminalität #Obdachlosigkeit