Taxi

Reality Check - Geschichten rund ums Taxi in Berlin und weltweit - Materialsammlung, Bilder, Videos, Texte

  • Es wird enger für Taxifahrer
    https://www.neues-deutschland.de/artikel/1111502.es-wird-enger-fuer-taxifahrer.html

    05.02.2019 - von Anne Pollmann - Druck auf Taxibranche nimmt zu. Zahlreiche Mietwagenunternehmen bieten Fahrdienste an und genießen Privilegien mangels staatlicher Aufsicht

    Man könnte sagen, für Richard Leipold lag das Geld mal auf der Straße. Seit ein paar Jahren wird es weniger. Der Taxifahrer konkurriert zunehmend mit anderen Fahrdiensten um Gäste. Sein neuester Rivale in den östlichen Bezirken von Berlin heißt BerlKönig, ein Shuttle-Service der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). »Da haben wir so viel Überlebenschance wie ein Schneeball in der Hölle«, sagt Leipold, der auch Sprecher der Berliner Taxi-Vereinigung ist.

    Die Shuttles werden immer mehr. Uber, Lyft, Moia und ViaVan - in vielen Städten weltweit fädeln sich die Dienste neben den öffentlichen Bussen und Bahnen in den Straßenverkehr ein. Mit teilweise dramatischen Begleiterscheinungen: In New York brachten sich mehrere Cab-Driver sogar um. Der darauffolgende Protest der Taxifahrer gegen die neuen Dienste war enorm.

    Fragt man in der Senatsverwaltung für Verkehr nach, soll es in Berlin keinen Grund für einen Konflikt zwischen Taxifahrern und BerlKönigen geben. Die Behörde hat den Sammel-Shuttle und das Pendant Clevershuttle der Deutschen Bahn, zum Test für maximal vier Jahre genehmigt. Wie viele Menschen steigen noch ins eigene Auto? Wie wirkt sich das auf Taxigeschäft, Verkehr und Umwelt aus? Auf diese Fragen will die Behörde Antworten finden. Ziel sind - wie im Mobilitätsgesetz festgeschrieben - weniger Autos in der Stadt.

    Dafür kommen erst einmal mehr Fahrzeuge auf die Straße. Insgesamt 130 der diesel- und elektrobetriebenen Tester mischen sich derzeit in den Verkehr. Schwarze BerlKönige mit dem BVG-üblichen Tarnprint und grüne Clevershuttles. Per App wird der Platz gebucht. Die zeigt einem auch die virtuelle Haltestelle an, an der Fahrgäste eingesammelt werden.

    Anders als beim Taxi sitzen die Fahrgäste nicht allein, sondern mit anderen im Auto. Auf dem Weg kann zu- oder ausgestiegen werden. Kosten: 1,50 Euro pro gefahrenen Kilometer, mindestens aber vier Euro - der Beförderungsdienst ist billiger als ein Taxi.

    Sorgen über Straßen voller BerlKönige, leere Bahnen und arbeitslose Taxifahrer macht sich die BVG erstmal nicht. »Der Berlkönig ist ein Ergänzungsangebot zu Bussen und Bahnen. Das Taxi spricht ganz andere Leute an«, sagt eine Sprecherin.

    Wie Busse und Bahnen ist auch der Berlkönig ein Zuschussgeschäft. »Die Fahrpreise decken die Kosten längst nicht«, sagt die BVG-Sprecherin. Trotzdem ist man bei den Verkehrsbetrieben in Jubelstimmung. Das Angebot würde »extrem gut angenommen«, 120 000 Nutzer hätten die App runtergeladen, 190 000 Fahrten seien gebucht worden. »Wir sind selber überrascht«.

    Den Algorithmus und die Fahrzeugflotte liefert ViaVan - eine Kooperation zwischen Daimler und dem US-amerikanischen Start Up Via. Eigenen Angaben zufolge ist das Joint Venture mit seinem Angebot in mehr als 40 Städten auf der Welt erfolgreich unterwegs.

    Daimler ist mit dem Projekt nicht allein, immer mehr Konzerne wollen offenbar gemeinsam mit öffentlichen Unternehmen einen Fuß auf den neuen Markt setzen. In Hamburg startet Volkswagen im April in Kooperation mit dem Hamburger Verkehrsverbund den Shuttledienst Moia. Auch in der deutschen Hauptstadt wollte Moia 500 ihrer gelben Elektrobusse auf die Straße bringen, wurde aber von der Senatsverwaltung für Verkehr abgewiesen.

    Leipold leuchtet die Euphorie bei der BVG über den Erfolg des BerlKönigs nicht ein. Die Sammel-Shuttle grüben nicht nur den Taxifahrern die Gäste ab, sondern auch Bussen und Bahnen und zerstörten so das bestehende ÖPNV-Angebot. Taxifahrer stünden plötzlich in Konkurrenz mit Mercedes Benz und der öffentlichen Verwaltung, die in ihrer Preispolitik viel flexibler seien. Als Gewinner stünden am Ende allein die großen Unternehmen dar, die Daten über das Fahrverhalten abgriffen.

    Auch in der rot-rot-grünen Berliner Koalition ist man sich über den BerlKönig uneinig. Eine »Kannibalisierung des öffentlichen Nahverkehrs« befürchtete ein SPD-Abgeordneter bei der letzten Sitzung im Berliner Landesparlament. Ein CDU-Abgeordneter wollte die Wagen in Randbezirke verbannen, wo es tatsächliche Lücken im öffentlichen Nahverkehr zu stopfen gebe. Auch Taxifahrer Leipold findet das eine gute Option.

    Die Rechtsanwältin Alexandra Decker sieht durch die neuen Akteure die Grundversorgung im ÖPNV bedroht. Private Unternehmen träfen Entscheidungen danach, ob sich ein Geschäft lohne. »Taxifahrer haben aber per Gesetz eine Beförderungspflicht«, so Decker. Gerade darum schütze sie das Personenbeförderungsgesetz. Für die Zeit nach der Testphase brauche es eine Gesetzesänderung, ist sich Decker sicher.

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