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Alle die mit uns auf Kaperfahrt fahren, müssen Männer mit Bärten sein. Jan und Hein und Klaas und Pit, die haben Bärte, die haben Bärte. Jan und Hein und Klaas und Pit, die haben Bärte, die fahren mit.

  • 26.02.2019 : »Rachejustiz« in Dessau (Tageszeitung junge Welt)
    https://www.jungewelt.de/artikel/349917.feuerzeugwurf-rachejustiz-in-dessau.html

    La justice française n’a rien à envier à sa homologue allemande. A Dessau un juge condamne un mititant antiracistes sur base de preuves absentes.

    Trotz fehlender Beweise: Amtsgericht verurteilt Mitglied der Oury-Jalloh-Initiative wegen versuchter Körperverletzung zu Geldstrafe

    Von Susan Bonath - Ein Flüstern geht durch die Zuschauerreihen, als Amtsrichter Jochen Rosenberg am Freitag nachmittag das Urteil verkündet: 15 Tagessätze à 20 Euro wegen versuchter Körperverletzung. Er raunt es so leise, dass es kaum jemand versteht. Doch flüstern ist verboten. Rosenberg wird laut, verhängt – zum zweiten Mal an diesem Tag – ein Ordnungsgeld: 50 Euro soll eine Aktivistin zahlen, ersatzweise zwei Tage in Haft. Als sie sich beschwert, erhöht er auf 100 Euro und fährt fort: Der 63jährige Angeklagte Michael S., Mitglied der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh, habe einem Strafbefehl widersprochen, »weil er hier die große Bühne haben und der Polizei den schwarzen Peter zuschieben wollte«. »Rundumschläge« habe S. ausgeteilt. Und: »Sein Feindbild«, so Rosenberg, »hat er deutlich gezeigt: Polizei und Justiz.«

    Auf die Beweislage geht der Richter nicht ein. Der Vorwurf: S. beteiligte sich bei der Demonstration am elften Todestag des Flüchtlings Oury Jalloh, dem 7. Januar 2016, an einer symbolischen Aktion. Jalloh war 2005 von Dessauer Polizisten in einer Zelle angekettet und mutmaßlich angezündet worden. Wie viele andere warf S. leere Feuerzeuge vor die Tür der Staatsanwaltschaft, laut Anklage besonders aggressiv und gezielt auf davorstehende Beamte. Letztere hätten eine »gefährliche Körperverletzung« nur mit einer »Meidbewegung des Kopfes« verhindern können. Insgesamt sei die Stimmung »aufgeheizt« gewesen.

    Die Vorwürfe der Beamten erhärten sich im vier Monate dauernden Prozess nicht. Im Gegenteil. Nach der Demonstration berichtete die Polizei selbst von deren friedlichem Verlauf. Ein Polizeizeuge räumt ein, S. sei vor allem durch seine »bürgerliche Kleidung mit Wiedererkennungswert« aufgefallen. Ansonsten erzählen alle Beamten dasselbe. Nachfragen des Verteidigers an sie unterbricht der Richter immer wieder. Dies und jenes hätten die Zeugen bereits gesagt, bestimmt er. Ein Reporter der Mitteldeutschen Zeitung wundert sich, »warum hier überhaupt verhandelt wird«. Er habe direkt daneben gestanden, aber keine auf Personen gerichteten Würfe bemerkt. Er habe gar überlegt, was er schreiben könne, »weil da nichts Aufregendes passiert ist«.

    Eigentlich sollte bis in den März verhandelt werden. Zum Urteil am Freitag, dem neunten Verhandlungstag, kommt es auf Antrag der Verteidigung, auf weitere Polizeizeugen zu verzichten. Vorher sichtet die Kammer ein Video vom Geschehen. Auch das bestätigt nichts. Statt einem laut Polizei »großen weißen Beutel voller Feuerzeuge« trägt der Angeklagte eine kleine Tüte. Von hoch fliegenden Plastikteilen und »Meidbewegungen« der Beamten ist nichts zu sehen.

    Staatsanwältin Julia Legner bleibt trotzdem hart: Schließlich beweise dies nicht, dass der Angeklagte nicht gezielt geworfen habe, erklärt sie und plädiert für 25 Tagessätze à 25 Euro. Verteidiger Felix Isensee ist wütend: »Seit wann muss hier ein Angeklagter seine Unschuld und nicht das Gericht dessen Schuld beweisen?« mahnt er in seinem Plädoyer und fragt: »Ist das hier ein Inquisitionsverfahren?« Die Justiz fülle sämtliche Lücken in der Beweisführung mit puren Spekulationen, so der Anwalt.

    Richter Rosenberg blättert derweil demonstrativ in Akten oder sieht aus dem Fenster. Auch dem Angeklagten S. scheint er nicht zuzuhören. Dieser mahnt: Im Kern gehe es um den Mord an Oury Jalloh. Es sei »bezeichnend, dass die Justiz im Fall Jalloh zahlreiche Mordbeweise ignoriert, hier aber auf blauen Dunst bestrafen will«. Als Rosenberg das Urteil verkündet hat, reicht es dem Anwalt. Das hier sei »nichts weiter als Rachejustiz«, so Isensee. Und weiter: »Sie rechnen hier ab, begründen aber nichts.« Rosenberg grinst und sagt: »Schade, dass man gegen Verteidiger keine Ordnungsstrafen verhängen kann.« Genervt verlassen die zwei Dutzend Aktivisten den Saal. Möglicherweise werde man Berufung einlegen, sagt Isensee später im Gespräch mit jW. Allerdings sei es bei 15 Tagessätzen fraglich, ob das Landgericht sich darauf einlässt.

    #Allemagne #justice #racisme