Taxi

Reality Check - Geschichten rund ums Taxi in Berlin und weltweit - Materialsammlung, Bilder, Videos, Texte

  • Berliner setzen starkes Signal gegen Wild-West der Behörden
    https://www.taxi-times.com/berliner-setzen-starkes-signal-gegen-wild-west-der-behoerden

    Immerhin gesprochen hat man mit den Unternehmervertretern. Mal sehen, was dabei herauskommt.

    6. Juni 2019 von Jürgen Hartmann 5 Kommentare

    Mit einer beeindruckenden Kundgebung haben heute rund 2.000 Berliner Taxiunternehmer und Fahrer die Berliner Verkehrssenatorin Regine Günther aufgefordert, endlich ihren Job zu machen und das rechtswidrige Treiben von Uber in Berlin zu stoppen. 

    Die Kundgebung fand unmittelbar vor dem Dienstgebäude der Senatorin in Berlin Mitte statt und obwohl es diesmal ohne Taxikorso ablief waren geschätzt rund 2.000 Taxiunternehmer und Fahrer vor Ort. Sie hielten Plakate in die Höhe, auf denen Uber als Lohnbetrüger, SozialräUBER und als verantwortlich für den Ruin des Taxigewerbes bezeichnet wurden. Während der Kundgebung hatte die Berliner Taxizentrale TZB die Auftragsvermittlung eingeschränkt.

    „Schluss mit dem Wild-West von Uber & Co“ lautete die speziell an Frau Günther gerichtete Forderung. Die Taxibranche wirft der parteilosen, von den Grünen ins Amt geschickte Senatorin vor, nichts gegen das illegale Bereithalten der Mietwagen von Uber & Co. zu unternehmen. Hermann Waldner, Geschäftsführer von Taxi Berlin, übernahm die Moderation der Kundgebung und formulierte neben der Forderung nach mehr Kontrollen auch ein Umdenken bei der Befreiung vom Mitführen eines Wegstreckenzählers. Vor allem Mietwagen, die taxiähnlichen Verkehr betreiben, müssten auch verpflichtet werden, einen Wegstreckenzähler einzubauen. Dann müsste das Finanzamt nicht immer nur Taxiunternehmen kontrollieren, sondern könnten endlich auch Mietwagen unter die Lupe nehmen.

    Unterstützung bekam er dabei von Harald Wolf von den Linken, dem einzigen Politiker, der während der Kundgabe auftrat. „Die Ausnahmeregelung für Wegstreckenzähler muss fallen“, rief Wolf den anwesenden Taxiunternehmern zu. Uber bezeichnet er als Unternehmen, das gegen die Taxibranche einen Krieg führen würde – nicht nur in Berlin, sondern weltweit. Wer taxiähnliche Dienste anbiete, mache zwangsläufig unsauberen Wettbewerb.

    Yvonne Schleicher, Taxiunternehmerin in Berlin, fand für das Vollzugsdefizit der Behörde deutliche Worte: „Wir erleben hier die Entstehung eines rechtsfreien Raums“ sagte sie, was bei ihr den Eindruck erwecke, dass die Profitgelüste eines US-Unternehmens mehr wert seien als geltendes Recht.

    Carsten Reichert, Unternehmer seit über 30 Jahren, berichtete, dass er vom Taxifahren bisher immer seine Familie ernähren konnte, dies aber die letzten 18 Monate nicht mehr funktioniere. Er persönlich habe dann beschlossen, in einem der Berliner Verbände aktiv zu werden und sei seitdem bei vielen politischen Gesprächen auch auf einiges Verständnis gestoßen. Geändert habe sich aber nichts. „Machen Sie endlich Ihren Job, damit auch wir unseren machen können, rief Reichert in Richtung Regine Günther.

    Noch deutlicher wurden die drei Administratoren der Facebook-Taxigruppe Berlin Mem Deisel, Volkan Karadeniz und Timucin Campinar,,“Mit Uber haben wir nicht einfach einen Wettbewerber bekommen, sondern einen Großinvestor mit einem Koffer voller Geld und besten Beziehungen zu Politik und zu den Medien“, sagte Deisel. Campinar sprach Frau Günther direkt an: „Ihre Untätigkeit entzieht uns die Existenzgrundlage. Vielen Dank für den Wildwest auf unseren Straßen.“

    Karadeniz kündigte an, dass die Demonstration vor dem Dienstsitz der Senatorin erst der Anfang war. “Wir werden solange vor Ihrer Türe stehen, bis sie anfangen zu arbeiten“ forderte der Unternehmer endlich effektive Kontrollen an und bot dann auch gleich noch Plan B an: „Oder sie stellen Ihr Amt jemanden zur Verfügung, der dieser Aufgabe gewachsen ist.“ Die Unternehmer, die bis dahin regelmäßig „Uber muss weg“ gerufen hatten, skandierten daraufhin lauthals „Günther muss weg“.

    Deisel, Karadeniz und Campinar betonten auch, wie viele Beweise für die täglichen Rechtsbrüche der Uber-Fahrer sie und die vielen aktiven Berliner Taxifahrer schon gesammelt hätten (“damit haben wir Ihre Arbeit erledigt, Frau Günther“), doch hätte dies bisher nichts gebracht. „Aus den vorgelegten Beweisen ist Klopapier geworden“.

    Die Einzelunternehmerin Petra Gansauge blickte bei ihrer Rede in das Jahr 2025, ein Jahr, in dem es kaum noch Taxis geben würde und die Taxifahrer alle arbeitslos geworden seien. Stattdessen würden Mietwagen Staus verursachen, die für Uber, Didi und Free Now unterwegs wären und deren Fahrer so wenig verdienen würden, dass sie aufstocken müssten. Oma Erna müsste an so einem Tag im Jahr 2015 ihren Arzttermin absagen, weil unter der ihr bekannten Taxinummer keiner mehr abheben würde, Business-Man Reinhardt müsste für eine Mietwagenfahrt vom Flughafen zur Messe 270 Euro bezahlen, Manfred würde – obwohl vermittelt – von keinem Mietwagenfahrer abgeholt werden, weil er nur eine Kurzstrecke fährt und Laura hätte sich längst damit abgefunden, dass die Buslinie nicht mehr nach Fahrplan fährt, weil mangels Fahrgästen kaum noch Busse eingesetzt werden.

    Ein Sprecher der IGTB kündigte an, dass sein Verein die Behörde Anzeigen wolle, weil man Beihilfe zur millionenfachen Umgehung sanktionsfähiger Rechtsbrüche leiste.

    Während dieser Rede wurde von sechs Taxifahrern ein Sarg durch die Menge bis auf das Podium getragen, auf dem ein Taxischild montiert war. „Das werden wir verhindern“ kommentierte Mem Deisel diese symbolische Darstellung.

    Richard Leipold, ebenfalls Taxiunternehmer, erinnerte Günther an einen ihrer Amtsvorgänger, der 2014 schon den Mut gehabt hätte, Uber zu verbieten. (Anmerkung der Redaktion: Damals wurde UberBlack untersagt, woraufhin Uber seinen Dienst in UberX umtaufte).

    Das Schlusswort bekam schließlich Michael Oppermann vom Bundesverband Taxi und Mietwagen e.V., der die volle Solidarität seines Verbands mit den Berliner Gewerbevertretungen bekundete und sich bei den anwesenden Taxiunternehmern und Fahrern für das tolle Zeichen bedankte, das man an diesem Tag gegenüber der Senatsverwaltung gesetzt habe. Oppermann hält es für sehr wichtig, dass Berlin endlich seiner Kontrollverantwortung nachkommt. „Was hier schiefgeht, geht auch Schritt für Schritt in anderen Regionen schief“, befürchtet er einen Dominoeffekt. Darüber hinaus wirft Herr Oppermann der Senatorin vor, dem Bundesverband einen Bärendienst zu erweisen und Verkehrsminister Scheuer mit ihrer Untätigkeit in die Karten zu spielen. Scheuer will bekanntermaßen die Rückkehrpflicht abschaffen und argumentiert dabei gerne mit Berlin, wo es ja doch nicht kontrollierbar sei. Jh

    Wie sehr die aktuelle Berliner Situation die Taxifahrer umtreibt, zeigte sich am Ende der Kundgebung, als noch zwei Kollegen unabgesprochen auf die Bühne traten, die zwar größtenteils das bereits Gesagte nochmal wiederholten, aber mit ihrer Vehemenz den Handlungszwang eindringlich untermauerten, dem sich Frau Günther wird stellen müssen: „Uber ist nicht unkontrollierbar“, rief der Taxifahrer Francis Tusene laut ins Mikro. Da waren aber die meisten Kollegen schon abgezogen. Hauptsache, Frau Günther und ihre Staatssekretäre haben es gehört. Einer von Ihnen (Staatssekretär Streese) hatte übrigens unmittelbar vor der Kundgebung die Berliner Gewerbevertreter zu einem kurzen Gespräch gebeten. „Man habe regelmäßige Workshop-Treffen vereinbart“, berichtete Waldner zu Beginn der Kundgebung. jh

    Hinweis in eigener Sache: Die komplette Kundgebung hatte Taxi Times heute Mittag live auf Facebook übertragen. Zum Abschluss bekam unser Redakteur Simi sogar noch Hans-Peter Kratz von der Taxivereinigung Frankfurt zum Spontan-Interview vor die Linse. Nachzuhören ganz am Ende ab 1h 43 Min auf dem Zeitstrahl.

    #Berlin #Taxi #Protest #Mietwagen #Uber