Geheimsache Berlkönig auf Konfrontationskurs
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14. Februar 2020 - Der für vier Jahre genehmigte und seit knapp eineinhalb Jahren operierende Berliner Erprobungsverkehr ‚Berlkönig‘ könnte möglicherweise lange vor Ende des genehmigten Erprobungszeitraums, nämlich zum 30. April, auslaufen. Eine für gestern angekündigte Entscheidung wurde vertagt.
Um die 43 Millionen Euro jährlich fordert die Kooperation der Via Van GmbH und der BVG vom Berliner Senat für die Fortführung von Berlkönig. Gestern tagten, unter anderem zu diesem Thema, Haupt- und Verkehrsausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus. Die Politiker kamen aber noch zu keinem abschließenden Ergebnis. Tino Schopf (verkehrspolitischer Sprecher der SPD) kündigte in einem Interview mit rbb24 eine Entscheidung seiner Fraktion für kommenden Dienstag an.
Aktualisierung am 19.2.2020: Laut Medienberichten haben sich die SPD und die Linken gegen eine Fortführung des Projekts ausgesprochen, die Grünen halten sich zurück. Das wäre aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im „Roten Rathaus“ das Aus für den Berlkönig.
Berlkönig war im Dezember 2017 mit dem Versprechen angetreten, das Verkehrsaufkommen durch sogenannte gebündelte Fahrten zu reduzieren und der Berliner Luft durch elektrisch betriebene Fahrzeuge zu einer Verbesserung zu verhelfen. Das Projekt stellte sich in einer Pressemitteilung der BVG „neue Form des öffentlichen Nahverkehrs“ vor, mit dem Versprechen „unkompliziert per App kurzfristig ein ÖPNV-Fahrzeug zu einem Zustiegspunkt“ zu rufen. Der Beginn war für das Frühjahr 2018 angepeilt, verzögerte sich aber um ein halbes Jahr, wovon zwei Drittel der Verzögerung auf die noch ausstehende Genehmigung zurückzuführen waren und die restliche Zeit auf den Vorlauf der Betriebsaufnahme. Anfang September gingen 50 Fahrzeuge in Betrieb, laut BVG Pressemitteilung 80 % davon elektrisch betrieben.
Während die Parteien durch Anfragen beim Verkehrssenat versuchten, das Projekt Berlkönig und seine Hintergründe und (zu erwartenden) Ergebnisse genauer zu beleuchten, vernahm man in der Öffentlichkeit in der Folgezeit von der BVG nur Superlative. Im Gegensatz dazu wurde von Politik, Taxigewerbe und Bewohnern der Außenbezirke hingegen Kritik laut. Die Zahl der Fahrzeuge wuchs bis auf 185, aktuell sind nur noch etwas mehr als die Hälfte elektrisch unterwegs.
Zwischenzeitlich wurde auch bekannt, dass Daten zur Wirtschaftlichkeit aufgrund der Beschaffenheit des Vertrages zwischen Via Van und der BVG genauso der Geheimhaltung unterliegen, wie beispielsweise Daten zu Leerfahrten. Sogar dem Senat wird keine Einsicht gewährt.
Im Dezember äußerte sich die scheidende Vorstandsvorsitzende der BVG, Sigrid Nikutta, in einem Interview in der Berliner Zeitung derart, dass der Berlkönig in der Endausbaustufe, wenn er denn im Verkehrsvertrag verankert sei, das Land Berlin schon etwas kosten würde.
Nun kam Anfang Februar ans Licht der Öffentlichkeit, dass der Vertrag zwischen Via Van und der BVG schon zum Jahresende 2019 auslief und man mit Müh‘ und Not noch eine Verlängerung bis Ende April hätte erreichen können. Konsequenz: Die BVG teilte der Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne), laut Tagesspiegel, letzte Woche mit: Gäbe es keine Zusage für die geforderten Millionen, würde der Berlkönig Ende April eingestellt.
Tatsächlich gehen die Berechnungen der BVG bis in das Jahr 2025. Bis dahin würden 170 Millionen benötigt, um berlinweit zu operieren. Die Kosten hingen auch von der Ausweitung des Bediengebietes ab. Am günstigsten wäre es, den Berlkönig in der Innenstadt fahren zu lassen, am teuersten wäre es, führe er nur in den Außenbezirken.
Gestern erhielt die BVG Gelegenheit, ihr Ansinnen vor Haupt- und Verkehrsausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus noch einmal vorzutragen. Einzelheiten über Zahlen und Fakten zum Projekt wurden nicht bekannt, einzig wurde erwähnt, dass die durchschnittliche Besetzung beim Berlkönig mit 1,2 Personen pro Fahrt unter der des privaten Pkws (1,3) läge.
Rbb24 berichtet „aus der Koalition hieße es dazu nur: Wie man das den Berliner Taxiunternehmen erklären solle, wisse derzeit keiner.“
Jan Thomsen, der Sprecher der Verkehrssenatorin, äußerte gegenüber ‚neues Deutschland‘: „Für die Senatsverwaltung ist bei dieser Erprobung zentral, dass der Berlkönig einen verkehrlichen Nutzen durch die deutliche Reduktion des privaten Autoverkehrs nachweisen kann und damit auch einen signifikanten Beitrag zum Klimaschutz leistet“. Die Senatorin würde keinen Hehl daraus machen, dass sie große Zweifel an der Erfüllung dieser Vorgabe hätte.
Die verkehrspolitischen Sprecher von Grünen und Linken reklamieren, nicht vollständig informiert worden zu sein und lehnten gegenüber rbb24 eine „derzeitige“ Zustimmung zu der geforderten Subventionierung ab.
Henner Schmidt, verkehrspolitischer Sprecher der FDP äußerte in der Süddeutschen Zeitung, „sollte das Projekt am Ende wirklich eingestellt werden, ist die Verkehrssenatorin gefordert, andere flexible Angebote des ÖPNV zu entwickeln, die in den Außenbezirken Verbindungen von Tür zu Tür ermöglichen“.
Oliver Frederici, der verkehrspolitische Sprecher der CDU, beschwert sich indes, dass die Senatorin den verkehrlichen Nutzen in Verbindung mit den Kosten brächte, Nahverkehr zum Nulltarif gäbe es schließlich nicht.
Tino Schopf, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, fragt sich warum den Global Playern Daimler und Via vorgeblich so plötzlich die Puste ausginge und rechnet aus, dass man von 43 Millionen Euro auch 40 bis 50 Elektrobusse kaufen und in den Außenbezirken fahren lassen könne.“
Der Gedanke von Leszek Nadolski, Vorsitzender der Innung des Berliner Taxigewerbes e.V., dass das Taxigewerbe für die Hälfte des Geldes in der Lage wäre, diese Aufgabe zu übernehmen, wird im ‚Neuen Deutschland‘ exklusiv erwähnt. Andere Medien blendeten den Taxi-Teil des ÖPNV aus.
Auch keine Erwähnung in der Presse fand in diesem Zusammenhang Eckpunkt Nummer 1b aus dem Hause Scheuer, der eine reguläre Genehmigungsfähigkeit für bedarfsgesteuerte Ride Pooling-Dienste als Sonderform des Linienverkehrs sicherstellen soll.