Taxi

Reality Check - Geschichten rund ums Taxi in Berlin und weltweit - Materialsammlung, Bilder, Videos, Texte

  • TXL: Die Trauer der Taxifahrer um den Flughafen Tegel - Berliner Morgenpost
    https://www.morgenpost.de/bezirke/reinickendorf/article230228542/Die-Trauer-der-Taxifahrer-um-den-Flughafen-Tegel.html

    Noch eine Information über Taxifahrereinkommen: Eine Fahrt in die City brachte den Fahrern dann mindestens 25 Euro, ein Abstecher weiter raus entsprechend mehr. Vier bis fünf solcher Fahrten am Tag waren nicht unrealistisch. Das reichte allemal, um über die Runden zu kommen.

    Der Mopjournalist behauptet, dass 100 bis 125 Euro Umsatz am Tag reichen würden, um mit seinem Taxi über die Runden zu kommen. Rechnen wir mal nach.

    Von den optimistischen 125 Euro bleiben am Ende 40 bis 50 zum Leben. Der Rest geht für Fahrzeugunterhalt, Steuern und Sozialversicherung drauf. Bei einem Achtstundentag entspricht das fünf bis sechs Euro pro Stunde netto. Da braucht man schon eine sehr billige Wohnung und darf sich nicht den Luxus einer Familie leisten, um „über die Runden zu kommen“. Regelmäßig ein neuer Daimler ist damit erst recht nicht drin.

    TXL war aus der Sicht von umsatzstarken Fahrern seit Jahrzehnten eine Verdienstbremse wo nur geladen wurde, wenn sich die Fahrgäste um die Autos balgten. Eine verspätet nach Mitternacht gelandete Maschine oder Stau in ganz Berlin, so dass es kein anderes Taxi zum Flughafen schaffte, das waren die Ausnahmesituationen, in denen sich TXL anzufahren lohnte.

    Dennoch gibt es heute ein Problem: Wo sollen die ungefähr 600 TXL-Stammfahrer nun hin? Selbst wenn, wie zwischen Berlin und LDS zur Zeit vereinbart 300 Berliner Taxis am BER laden dürfen, bleiben immer noch 300 Wagen und Fahrer, für die keine Stellfläch an den Taxihalten vorhanden ist, und die sich den verbleibenden täglichen Umsatz mit allen anderen 7000 Taxi und 3000 Mietwagen teilen müssen.

    Anders gesagt: Dier Schließung von TXL bedeutet für die Berliner Taxis einen Umsatzverlust von fünf bis zehn Prozentpunkten. Damit wird eine „Gesundung“ des Berliner Taxigewerbes auf absehbare Sicht unmöglich.
    Ist das politisch gewollt?

    22.08.2020 von Dennis Meischen - Sie kennen sich seit Jahren, schätzen Tegel und erinnern sich gern an ihre Erlebnisse. Auf den BER blicken sie mit großer Sorge.

    Raus aus der Maschine, den Koffer vom Gepäckband geholt und dann mit dem Taxi ab in die Innenstadt. Das ging für Passagiere kaum einfacher als vom City-Flughafen Tegel (TXL) aus. Bei gutem Verkehr schaffte man es in nur 15 Minuten zum Kurfürstendamm und in einer halben Stunde an den Alexanderplatz. „Viele Fahrer haben sehr gern am Flughafen gestanden“, sagt Rolf Feja von der Taxi-Innung Berlin wehmütig, „ich habe zum Beispiel einen Kollegen, der hasst es, ins Zentrum zu fahren. Wenn der das Gewusel in Kreuzberg gesehen hat, ist der sofort wieder umgedreht, um in Tegel locker auf Kundschaft zu warten.“

    Und dieses Warten lohnte sich. Zu Spitzenzeiten landeten nämlich täglich bis zu 75.000 Passagiere am TXL. Eine Fahrt in die City brachte den Fahrern dann mindestens 25 Euro, ein Abstecher weiter raus entsprechend mehr. Vier bis fünf solcher Fahrten am Tag waren nicht unrealistisch. Das reichte allemal, um über die Runden zu kommen.

    Kein Wunder also, dass die Taxi-Kutscher Tegel-Wartezeiten von im Schnitt 40 Minuten und länger gern in Kauf nahmen. „Die Kollegen sind auch deswegen sehr traurig und melancholisch, dass der Flughafen schließen muss“, so Feja dazu, „viele von ihnen kennen sich vom jahrelangen gemeinsamen Warten und Stehen. Da sind doch einige Tränen geflossen.“

    So auch bei Petra Gansauge. Seit 2007 fährt die fröhliche Frau schon Taxi – und seit 2007 steht sie eigentlich auch immer vor dem Flughafen Tegel. „Die Stimmung hier war immer schön kollegial“, sagt Gansauge, „und die Zielrichtung der Aufträge klar. Geschäftsmänner und Touristen in die Stadt zu fahren, ist außerdem immer etwas ganz Besonderes. Viele von ihnen sind über jeden noch so kleinen Insider-Tipp total dankbar.“

    Und das, obwohl es die Taxifahrer von Tegel zuletzt gar nicht so leicht hatten. Erst im März etwa hatten rund 600 Fahrer gegen den Plan des Bundesverkehrsministeriums demonstriert, ihren Markt zugunsten von privaten Konkurrenten wie Uber und FreeNow stärker zu öffnen, und dabei die Wege zum Flughafen lahmgelegt. Auch Sammeltaxis wie der Berliner Berlkönig schaden zunehmend dem Geschäft.

    Taxifahrer am Flughafen Tegel: Große Proteste gegen Mietwagen-Konkurrenten
    Die Taxifahrer kritisieren damals wie heute, dass die Mietwagen-Konkurrenten die Rückkehrpflicht umgehen und sich nicht in die Warteschlange am Flughafen einreihen – wo man mitunter je nach Aufkommen stundenlang auf den nächsten Kunden harren müsse. Vielmehr führen sie um das ganze Terminal, um selbstständig Passagiere zu suchen. Ein Problem, dass sich aller Voraussicht nach auch verstärkt am BER fortsetzen wird. In den vergangenen Monaten sorgten die niedrigen Fluggastzahlen in Tegel und die Ansteckungsangst durch das Coronavirus dann für weitere wirtschaftliche Verluste und ziemlichen Frust unter den Berliner Taxifahrern.

    „Das alles führt dazu, dass man etwas wehmütig in die Vergangenheit blickt“, so Feja von der Taxi-Innung, „und sich an die zahlreichen Erlebnisse aus Tegel-Zeiten erinnert.“ Dass man als Taxifahrer viel erlebt, ist eine Binsenweisheit. Sie alle können skurrile Geschichten aus ihren Tagen als Fahrer von Tegel erzählen. So auch Carsten Reichert. „Ich werde nie vergessen, wie ich eine US-Amerikanerin vom Flughafen abgeholt habe, die vehement verlangte, an den Adolf-Hitler-Platz gefahren zu werden“, sagt er mit einem Schmunzeln und einem Kopfschütteln. Die Dame habe ganz offensichtlich nicht gewusst, dass sich die politischen Verhältnisse in Deutschland geändert hatten und sich auch nicht eines Besseren belehren lassen. „Ich bin dann mit ihr zum Berliner Abgeordnetenhaus gefahren und habe mit ihr zusammen die dortige Kantine besucht“, fährt Reichert fort, „um ihr zu zeigen, in was für einem politischen System wir jetzt leben.“ Einige der anwesenden Politiker kannte der Taxifahrer dabei bereits von vorherigen Aufträgen von Tegel aus. „Die Amerikanerin war doch schon etwas verwundert, wie viele der Abgeordneten mich im Vorbeigehen grüßten“, sagt Reichert lachend.

    Auch Petra Gansauge kommt auf Tegel angesprochen gar nicht mehr aus dem Geschichtenerzählen heraus. Von streitenden Großmüttern und Enkelinnen auf der Rückbank, für die man sich den guten Rat im Eifer des Gefechts dann doch lieber verkniffen hat, über Moorforscher mit merkwürdigen Gerätschaften und „Tatort“-Schauspieler bis hin zum geschockten, nach 20 Jahren plötzlich verlassenen Ehemann hat sie schon einiges in Tegel erlebt. Ein Fahrgast ist ihr dabei aber ganz besonders im Gedächtnis geblieben.

    „Der Herr war offensichtlich gut betucht und hatte sich irgendwo eine teure Statue gekauft, die er bei mir in den Kofferraum packte“, beginnt sie, „aber er hatte vier Stunden Aufenthalt bis zu seinem Weiterflug. Ich sollte ihn in dieser Zeit ein bisschen durch Berlin kutschieren und ihm verschiedene Ecke zeigen.“ Als gute Gastgeberin habe sie ihn dann sowohl zu Konnopke’s Imbiss in Prenzlauer Berg als auch zu Curry 36 in Kreuzberg gebracht und ihm selbstverständlich jeweils eine Currywurst ausgegeben. „Curry 36 hat knapp gewonnen“, sagt sie lächelnd. Danach habe sich der Herr mit einem Kaffee revanchiert – und zwar am berühmten Elefantenbrunnen im Hotel Adlon: „Das war wirklich toll! So etwas erlebt man eben nur an Flughäfen.“

    Die Flughafen-Euphorie unter den Taxifahrern dehnt sich derweil nicht wirklich auf den im Oktober startenden BER in Schönefeld aus. Mit Blick auf den neuen Großflughafen spricht Leszek Nadolski von der Berliner Taxi-Innung viel eher von einer „sehr miesen Stimmung“ unter den Fahrern. „Für viele unserer Kollegen war Tegel wie eine zweite Heimat“, so Nadolski. Daher überlege man intern auch schon länger, in einer letzten, großen Protestaktion mit Särgen auf den Autos durch die Stadt zu fahren. „Für uns kommt das Ende des TXL nämlich durchaus einer Beerdigung gleich“, sagt Nadolski.

    Denn der Flughafen-Umzug auf brandenburgischen Boden hat auch eine äußerst politische Dimension, die den Taxiunternehmen der Hauptstadt schwer zu schaffen macht. Zwar würde sich die längere Fahrzeit nach Schönefeld sehr wohl finanziell für die einzelnen Wagen lohnen – voll ausschöpfen können die Berliner Taxifahrer dieses Potenzial jedoch nicht.

    „Stand jetzt dürfen wir Berliner zwar Gäste aus der Stadt an den Flughafen bringen“, erklärt Nadolski, „es ist uns aber nicht erlaubt, Passagiere vom BER einzusammeln und sie beispielsweise zu ihren Hotels in Berlin zu befördern. Das dürfen nur die Brandenburger Kollegen.“ De facto hätten alle Wagen somit mindestens eine Leerfahrt, denn im Umkehrschluss dürften auch die Brandenburger die Reisenden zwar vom BER nach Berlin bringen, dort jedoch keine neuen Fahrgäste aufnehmen. „Ein absurdes ökologisches Desaster“, findet Nadolski, „das unseren ohnehin schwierigen Stadtverkehr weiter belasten wird.“

    Mit sich reden lassen wollen die Taxifahrer des Landkreises Dahme-Spreewald, in dem sich der neue BER befindet, aber nicht. „Sie glauben, dass alles ganz allein bewältigen zu können“, kommentiert Nadolski, „und wollen uns höchstens bei Überlastung um Hilfe bitten. Ansonsten scheint eine Zusammenarbeit aber unerwünscht.“ Er könne natürlich auch verstehen, warum.

    „Über 90 Prozent der Menschen, die am BER landen, werden nach Berlin wollen und nicht nach Brandenburg. Die wittern das große Geschäft.“ Nadolski wisse jedoch nicht, ob die Kapazitäten der Brandenburger Kollegen dafür wirklich ausreichen. „Ich bin der Meinung, dass sie unsere Unterstützung brauchen. Ich sehe ansonsten schon voraus, dass die Leute gar nicht mehr vom BER wegkommen, wenn einmal der Schienenverkehr ausfällt. Und hier in Berlin kämpfen dann ohne TXL und BER 6000 Taxis gegeneinander um Kunden!“ Ein weiterer Grund, warum die Berliner jetzt auf eine politische Entscheidung in dem Streit hoffen.

    Warten auf eine Lösung im Streits um den BER
    Doch ähnlich wie das Warten auf Kunden am TXL braucht man auch für eine solche Entscheidung einen langen Atem. „Wir hoffen schon seit Monaten vergeblich auf das versprochene Signal von Verkehrssenatorin Regine Günther und der Flughafengesellschaft“, sagt Nadolski, „ich habe das Gefühl, man hat uns und unsere Interessen bei der Flughafenplanung damals einfach übergangen oder gleich ganz vergessen.“ Dabei habe man doch auch am Airport Schönefeld zumindest für lange Zeit gemeinsame Lösungen gefunden. Es ginge also, wenn man nur wollte.

    Bis jetzt gebe es aber trotz mehrerer Anfragen seitens der Innung immer noch keine offizielle Stellungnahme. „Wenn hier keine Entscheidung zu unseren Gunsten getroffen wird, sehe ich für viele unserer Taxikollegen schwarz“, so Nadolski, „im Moment wissen wir nämlich nicht so richtig, wie es weitergehen soll, und erwarten hohe wirtschaftliche Verluste.“ Petra Gansauge bestätigt das: „Zum ersten Mal habe ich richtig Angst um meinen Beruf.“ Rund 1000 Taxis hätten ihre Konzession deswegen schon abgeben.

    Nimmt man all diese Probleme zusammen, verwundert es also nicht, dass die Berliner Taxifahrer ziemlich wehmütig auf ihre Zeit am Flughafen Tegel zurückblicken. Und sei es nur wegen skurriler Geschichten um den Adolf-Hitler-Platz oder einen besonderen Dankeskaffee im Adlon.

    #Taxi #Berlin #TXL #Renickendorf