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Agent d’ingérence étrangère : Alle die mit uns auf Kaperfahrt fahren, müssen Männer mit Bärten sein. Jan und Hein und Klaas und Pit, die haben Bärte, die haben Bärte. Jan und Hein und Klaas und Pit, die haben Bärte, die fahren mit.

  • Missing Link : Agilität in Zeiten von Corona | heise online
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    27.09.2020 von Timo Daum - In Zeiten von Corona helfen agile Methoden, den Digitalen Kapitalismus flexibel und widerstandsfähig zu machen. Das Manifest ist fast 20 Jahre alt.

    Bald feiern die Agilen Methoden zwanzigsten Geburtstag. Im Februar des Jahres 2001 entstand auf einer Skihütte in einem Wintersportgebiet im US-Bundesstaat Utah das Manifest für Agile Softwareentwicklung, das Gründungsdokument der agilen Bewegung. Zu den Unterzeichnern des Manifests gehörte z. B. Jeff Sutherland, der zusammen mit Ken Schwaber die ersten Versionen von Scrum entwickelte, eine der erfolgreichsten Methoden, die als Folge der agilen Revolution weltweit populär wurden. Mit von der Partie waren auch Kent Beck und Howard Cunningham, Erfinder des Extreme Programming, einer Programmiermethode, die auf direkter Zusammenarbeit zu zweit oder zu mehreren basiert.

    Das Agile Manifest proklamiert enge Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Disziplinen, besonders Techniker und Businessleute sollen miteinander reden. Dem Team kommt zentrale Bedeutung zu, sein Alltag soll durch persönliche Kommunikation und tägliches physisches Zusammentreffen geprägt sein. Es erhält große Freiheiten, seine Arbeit selbst zu organisieren, aufzuteilen und abzuarbeiten, das Management muss seinerseits dafür Sorge tragen, dass die Arbeitsbedingungen für die optimale Performance des Teams gewährleistet sind. Feedback zur Teamoptimierung ist wichtig, die langfristige Produktivität des Teams muss gewährleistet werden. Dazu gehören neue Rollendefinitionen bis hin zu passender Architektur: eher Werkstattcharakter, offene Räume und flexible Arbeitsplätze als geschlossene Einzelbüros. So etwas gab bis dato nicht.
    Agilität in Zeiten von Corona

    Physische Nähe, enge Zusammenarbeit von und direkte Begegnungen in agilen Teams gehören zum Kanon der agilen Methoden, so zum Beispiel die geforderte tatsächliche Anwesenheit aller Teammitglieder bei den Daily Scrum Meetings oder das gemeinsame Programmieren Schulter an Schulter beim Extreme Programming.

    All das ist in Zeiten der Coronakrise nicht mehr möglich, die Vereinzelung im Home Office das genaue Gegenteil der erwünschten idealen Arbeitssituation. Im Zug der Covid19-Pandemie mussten sich viele Millionen Menschen innerhalb von Tagen oder Wochen auf Arbeit von zu Hause einstellen, sich mit neuer Software vertraut machen, neue Kommunikationskanäle und Verhaltensweisen erlernen. Sie mussten ihr Zuhause zum Büroraum umgestalten, dabei darauf achten, dass der Zoom-Hintergrund ansprechend gestaltet ist: eine stabile Internetverbindung wird eh vorausgesetzt. Trotz der Kappung von Sozialkontakten zu Freunden und Familien, trotz Existenzängsten, Doppelbelastung durch Kinderbetreuung hatten sie sich gut gelaunt und perfekt ausgeleuchtet vor dem Monitor einzufinden.

    Eine reibungslose Adaption an die neuen Software-Tools wird ebenso vorausgesetzt wie das Erlernen der damit verbundenen sozialen Fähigkeiten ("gehen Sie nicht auf die Toilette, während Sie an einer Microsoft Teams- oder Zoom-Telefonkonferenz teilnehmen") – ein Paradebeispiel für das, was die Arbeitswissenschaftlerin Phoebe Moore von der Universität Leicester als „affektive Arbeit“ bezeichnet, die stillschweigend vorausgesetzt wird, unsichtbar bleibt und nicht vergütet wird. Wie in einem Laborversuch wurden die Flexibilität und Resilienz der Menschen auf die Probe gestellt – ein brachialer Anpassungsprozess an quasi über Nacht veränderte Bedingungen nahm seinen Lauf.
    Distributed Scrum

    Unternehmen stellten sich schnell auf die neue Situation ein, und auch die agilen Gurus hatten sogleich ein Update parat. Bereits im Februar 2020, also in der Anfangsphase der Pandemie, als zumindest in den USA Corona noch weit weg war – der erste Corona-Todesfall in den USA datiert vom 29. Februar –, gab JJ Sutherland, Sohn des gleichnamigen Scrum-Begründers, Hinweise für das agile Arbeiten in Pandemiezeiten und hatte auch einen griffigen Slogan dafür parat: „distribuierte Kollaboration“. Da die Teammitglieder nun weit verstreut und vereinzelt agierten, sei es umso wichtiger, dass der Zugang auf dieselben Tools für alle gewährleistet sei, alle erledigten und ausstehenden Aufgaben müssten ohne Zeitverzögerung für alle zugänglich sein, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Ebenso steige die Bedeutung digitaler Werkzeuge, allen voran Kommunikationstools. Präzision und Vollständigkeit in der Beschreibung der Backlog-Elemente werde noch wichtiger, wenn die Teams verteilt arbeiten, so JJ Sutherland: „Das Team muss wissen, was der Product Owner will und warum.“

    Von digitalen Technologien war im Agilen Manifest noch gar nicht die Rede, jetzt rücken sie immer mehr ins Zentrum des agilen Arbeitsalltags. Über den Globus verteilte Teams gibt es im internationalen Softwaregeschäft allerdings schon länger. Eine Veröffentlichung aus dem Jahre 2009, an der der Scrum-Mitbegründer Sutherland selbst beteiligt war, beschreibt die Erfolge einer Softwarefirma, die zwischen den Niederlanden und Indien (PDF) mit distribuiertem Fern-Scrum gute Erfahrungen machte. Sie hatten das Scrum-Framework an die Anforderung räumlich verteilter und gleichzeitig outgesourcter Teams in verschiedenen Zeitzonen angepasst, und das Modell erfolgreich skalieren können.

    Der Vergleich mit dem Paradebeispiel dezentraler Systeme, dem Hauptgaranten für die Dynamik des Digitalen Kapitalismus, drängt sich auf: dem Internet. Die Topologie des Internets – ein dezentrales Netzwerk aus Servern, das einen Atomkrieg überleben und funktionsfähig bleiben kann, wird übertragen auf die Arbeitsorganisation: Distribuierte Teams überleben bzw. bleiben produktiv trotz Coronapandemie, trotz Ausgangssperren und Ausnahmezustand – der Resilienz des Internets, kybernetischer Selbststeuerung und agiler Arbeitsmethoden sei Dank. Von Präsenz, körperlicher Nähe, Zusammenstehen beim Daily Standup Meeting, von der Benutzung analoger Klebezettel aus der Anfangszeit von Scrum ist nicht mehr die Rede – was bleibt, ist ein digital vermitteltes weltweit räumlich und zeitlich verteiltes Netz an ausgelagerten, vereinzelten, und doch vernetzten Geistesarbeitern.
    Das agile Unternehmen

    „Unternehmen werden erkennen, dass sie viel anfälliger sind als gedacht und mit selbstorganisierten, objektiven und ergebnisorientierten digitalen Arbeitsmodellen agiler auf zukünftige Herausforderungen reagieren müssen“, lautet die Einschätzung der Unternehmensberaterin Alejandra Martínez. Sie spricht von einem erzwungenen Digitalisierungsschub, der jedoch „eine bessere Rückverfolgbarkeit der Arbeit“ sowie die Installierung von „effizienteren Modellen“ zur Folge hat. Martínez, die auch Direktorin der spanischen Fraunhofer-Abteilung BICG ist, setzt auf die Werte und Prinzipien der Agilität: „Übermäßige Kontrolle“, konstatiert sie, „ist nicht mehr sinnvoll“, stattdessen gewinnen „Resilienz, Flexibilität, Selbstorganisation, die Abschaffung von bürokratischen, innenarchitektonischen und sozialen Hürden, Vertrauen und Empathie mit einer klaren Verteilung der Autorität“ an Bedeutung. Der Trend zum agilen Unternehmen hat starken Impetus erhalten, gleichzeitig deutet sich ein digital divide auch bei Organisationen an: Die Gefahr, auf der Strecke zu bleiben, hat sich verschärft.

    Es kann keine Rückkehr zur alten Normalität geben, heißt es. Das gilt sicher für einmal etablierte, distribuierte, virtuell vermittelte Arbeitsformen; viele Organisationen werden sie beibehalten wollen, zu attraktiv ist das Potenzial für die Externalisierung von Kosten und Personal gleichermaßen – den Stuhl, auf dem die Mitarbeiter sitzen, haben sie schließlich selbst bei IKEA gekauft. Unternehmen stellen fest, dass der Krankenstand nachlässt – wer das Haus kaum noch verlässt, bekommt auch seltener eine Erkältung.
    Das agile Selbst

    Die neue Arbeitskultur erlebte eine Bewährungsprobe in der Corona-Pandemie, und wie der Digitale Kapitalismus selbst hat sie gut überlebt, sie stellt sich als passende Methoden für die Organisation kognitiver Arbeit heraus. Die Werte und Prinzipien, die das bald zwanzig Jahre alte Manifest für Agile Softwareentwicklung propagiert – Kundenorientierung, Eigenverantwortung, innere Führung, Resilienz und Selbstoptimierung, um nur einige zu nennen – werden nicht nur zum Imperativ kognitiver Arbeit überhaupt, sondern fließen darüber hinaus in die Konstitution eines agilen Subjekts ein.

    Die Prinzipien und Werte des Agilen Manifests werden gleichzeitig zu Angeboten und Anforderungen, zur Blaupause für das Individuum selbst: Es soll sich selbst verbessern und sich dabei sozial und affektiv kompetent, selbstständig und selbststeuernd in den Dienst des Kapitals stellen, auf dass dieses einen konstanten Strom an kreativer Tätigkeit abschöpfen kann. Kundenorientierung und schnelles Reagieren auf veränderte Anforderungen werden zu Kernkompetenzen einer neuen Klasse, gleichzeitig werden diese Leitbilder auf alle gesellschaftlichen Ebenen projiziert. Agile Prinzipien halten Einzug – weit über das Arbeitsleben hinaus.
    Bis zum Rand des Burnouts

    Milestones setzen und erreichen, performant sein – nicht nur das Wording hat Einzug gehalten in die Subjektivität der digitalen Generation – wir sind zum Project Owner unseres eigenen Lebensprojekts geworden, ein Sprint jagt den nächsten. Werte, Kompetenzen und Rollen aus der digitalen Projektwelt halten auch außerhalb dieser Sphäre Einzug, ganz wie diejenigen aus dem Fabrikregime – Disziplin, Verlässlichkeit, Unterordnung unter Autoritäten – auch die Gesellschaft bis in die Familien hinein geprägt hat.

    #scrum