Taxi

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  • Berlkönig - Das Ende der Grauzone?
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    Hier spricht der Lobbyist.

    Neue Mobilitätsanbieter wie Uber kämpfen schon lange für mehr rechtliche Freiheiten. Eine Reform des Personenbeförderungsgesetzes soll ihnen nun eine echte Chance geben – doch der Entwurf geht nicht weit genug.

    Ausgabe 4/2021 von Philipp Körner - Teuer, veraltet und nicht zukunftsfähig – Kritiker halten sich kaum zurück, wenn es um den Zustand des deutschen ÖPNV und Taxigewerbes geht. Viel zu lange hätten sich die traditionellen Personenbeförderer hinter gesetzlichen Vorgaben verstecken können und dabei in den letzten Jahren gut verdient. Kunden und neue Anbieter seien die Verlierer dieser veralteten Verkehrspolitik.

    Noch vor dem Ende der aktuellen Legislaturperiode will die Bundesregierung nun mit einer Gesetzesänderung auf die anhaltende Kritik reagieren. Die Grundlage dafür findet sich zwar schon im Koalitionsvertrag, doch das Bundesverkehrsministerium ließ sich bis letztes Jahr Zeit, um einen passenden Entwurf vorzulegen. Nach dem Kabinettsbeschluss im Dezember herrscht Eile bei der Gesetzgebung – es ist schließlich Wahljahr.

    Digitale Sammeltaxis

    Die geplante Gesetzesänderung hat zwei große Ziele. Zum einen soll das sogenannte Ride-Pooling dauerhaft aus der Grauzone gehoben werden. Dabei handelt es sich um App-basierte Dienste, die von Kunden angeforderte Fahrten über Algorithmen analysieren und ähnliche Strecken miteinander kombinieren. Als digitale Sammeltaxis ermöglichen die Konzepte so nicht nur günstigere Preise, sondern sparen auch Sprit und Kilometer. Sprich: Wer zusammen mit anderen fährt und kleine Umwege in Kauf nimmt, kann nicht nur Geld sparen, sondern auch umweltfreundlich unterwegs sein. Dienste wie der VW-Ableger Moia sind schon länger in diesem Bereich tätig, aber offiziell nur in der Erprobungsphase.

    Zum anderen soll der öffentliche Personennahverkehr digitaler und damit moderner aufgestellt werden. Hier steht das Ride-Pooling ebenfalls im Mittelpunkt. Mit Berlkönig in Berlin und SSB Flex in Stuttgart gibt es bereits zwei bekanntere Beispiele für ergänzende Ride-Pooling-Dienste von Verkehrsbetrieben. Kunden werden dank ihnen nicht nur unabhängiger von Fahrplänen, sondern auch von ungünstig gelegenen Haltestellen. Noch liegt der Fokus solcher Dienste auf den Städten, doch immer mehr App-Kleinbusse sind auch auf dem Land im Einsatz. Verkehrsminister Andreas Scheuer hofft: „So reduzieren wir den individuellen Autoverkehr in Städten und ermöglichen den Menschen in ländlichen Räumen bessere Mobilität.“

    Zu wenig, zu spät

    Abseits der dringend nötigen Unterstützung für das Ride-Pooling bietet der Entwurf allerdings wenig Zukunftsweisendes – viele werfen der Regierung sogar Stillstand vor. Für heftige Diskussionen sorgt das Beibehalten der sogenannten Rückkehrpf licht für Mietwagen. Sie besagt, dass Mietwagen nach jedem erfüllten Auftrag leer an ihren Betriebssitz zurückkehren müssen. Und dazu zählen die Fahrzeuge von Uber und Co. nach deutschem Recht. Das Privileg, Kunden spontan aufzunehmen, bleibt fest in der Hand der Taxis. Das aus Filmen und Serien bekannte amerikanische Uber-Konzept ist hierzulande damit weiterhin verboten. Für den deutschen Ableger bedeutet das mehr Leerfahrten, höhere Emissionen und höhere Kosten. Daniela Kluckert, Verkehrsexpertin der FDP, kritisiert: „Der Gesetzentwurf ist von Taxiunternehmern sowie von ÖPNVUnternehmen her gedacht. Innovationen kommen jedoch fast ausschließlich von Privaten.“

    Opposition macht Druck

    Und auch die vermeintlichen Profiteure aus der Welt des privaten RidePoolings sind unzufrieden. So fühlt sich Moia durch eine steuerliche Ungleichbehandlung im Vergleich zum ÖPNV und zu Taxis anhaltend im Wettbewerb behindert. Ohne eine Änderung des Antrags droht laut der VW-Tochter bald „das Aus für neue Mobilitätsformen, noch bevor sie ihren Mehrwert für die Mobilitätsund Klimawende unter Beweis stellen konnten“. Das aktuelle coronabedingte Aussetzen ihres Ride-PoolingDienstes zeigt, dass dieses Drohszenario nicht nur heiße Luft ist. Neben den wirtschaftlichen Aspekten stoßen auch fehlende soziale Zusagen auf. Ähnlich wie Gewerkschaftsund Taxi-Vertreter sieht Stefan Gelbhaar von den Grünen die Gefahr von Sozial-Dumping: „Tariftreue, Personalübergang und Rechte von Beschäftigten – das sind alles Leerstellen in der vorgelegten Novelle. Damit übergibt die aktuelle Koalition ein komplexes und schwieriges Thema ihren Nachfolgern und lässt Tausende von Beschäftigten für weitere Jahre im Regen stehen.“ Gelbhaar kritisiert zudem fehlende Regelungen zur barrierefreien Nutzung der Angebote.

    Doch wie geht es jetzt weiter? Seit dem Beschluss des Bundeskabinetts befindet sich der Entwurf im parlamentarischen Verfahren. Die FDP hat bereits angekündigt, Anträge einzubringen, um Anpassungen zu erreichen. Die Grünen fordern ebenfalls deutliches Nachsteuern im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens. Viele Kritiker fürchten: Sollte der Entwurf ungeändert durchgehen, könnte die Grauzone zum Standard werden und Deutschland bliebe in Sachen Mobilität ein Entwicklungsland.

    #Uber #Recht #Taxi #Personenbeförderungsgesetz