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  • »Den Fürsten keinen Pfennig«
    https://www.jungewelt.de/artikel/397729.volksbegehren-enteignung-den-f%C3%BCrsten-keinen-pfennig.html

    4.3.2021 Von Christine Wittrock - Vor 95 Jahren fand das Volksbegehren zur entschädigungslosen Enteignung des deutschen Adels statt

    Seit 1991 stellt die Familie der Hohenzollern Forderungen auf Rückgabe ihres ehemaligen Besitzes von Immobilien und Kunstgegenständen. Die waren 1945 von der Sowjetischen Militäradministration auf dem von ihr verwalteten Territorium enteignet worden. Die Besatzungsmacht vollzog damit nur das, was nach dem Willen von Millionen Deutschen schon in der Weimarer Republik hätte geschehen sollen: die entschädigungslose Enteignung der Fürstenhäuser.

    Schließlich, nachdem die Sowjetunion zusammengebrochen, die NATO immer weiter nach Osten vorgerückt und der Anschluss der ehemaligen DDR vollzogen war, wurde die Restauration eingeläutet. Die Zeiten für reaktionäre Vorhaben jeder Art schienen günstig. Es fanden sich Initiativen für den Wiederaufbau von Symbolen der alten Pracht und Herrlichkeit, von Monarchie und Militarismus (das Berliner Schloss, die Garnisonkirche in Potsdam, – wenn auch etwas schamhaft unter anderer Firmierung). Und auch ein Entschädigungsgesetz wurde auf den Weg gebracht und vom Bundestag 1994 verabschiedet. Damit war die Möglichkeit geschaffen, »staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungshoheitlicher Grundlage« zu beanspruchen. Dreh- und Angelpunkt des Entschädigungsgesetzes ist, dass nicht entschädigt werden kann, wer dem Faschismus »erheblich Vorschub geleistet« hat. Der Adel, in diesem Fall die Hohenzollern, müsste also nachweisen, dass er mit der Machtübergabe an die Faschisten 1933 wenig zu tun hatte. Dem Großteil des Adels dürfte das nur schwer gelingen. Aber es fanden sich, wie so häufig in der Geschichte, dienstbare Geister, die sich dieser Aufgabe annahmen.

    Nun sind Historiker keine Helden. In früheren Jahrhunderten zogen sie im Tross des Herrschers mit und hatten von seinen Heldentaten und von seinem gottgefälligen Leben zu berichten. Im Adelsdienst waren Wahrheitsfindung und Erkenntnisinteresse weniger gefragt.

    »Von allen Arten der Prostitution ist die der Feder am verächtlichsten. Der Geist wenigstens soll frei bleiben von Korruption«¹, forderte schon Stefan Heym vor vielen Jahren. Nichtsdestotrotz fanden sich mehrere Historiker, die sich dafür hergaben, die Rolle der Hohenzollern als Wegbereiter des deutschen Faschismus kleinzureden oder sogar den vorgesehenen Nachfolger des desertierten Kaisers, den Kronprinzen Wilhelm, zum Hitlergegner zu erklären. Andere Gutachter im Dienste der Hohenzollern wiederum bezeichneten den ausersehenen Nachfolger des getürmten Kaisers als zu unwichtig und zu einflusslos.²

    Der Versuch, mittels historischer Gutachten Besitztümer des ehemaligen Kaiserhauses zurückzuerlangen, kann vorerst als gescheitert erachtet werden. Zwar hatten schon vor langer Zeit Staat und Hohenzollern geheim verhandelt; aber seit die Sache 2019 an die Öffentlichkeit kam, ernten die Wortführer des ehemaligen Kaiserhauses eher Unverständnis ob ihres Begehrens. Sollten sie nicht dem Himmel oder der deutschen Revolution von 1918/19 dankbar sein, dass man den Fürsten im Allgemeinen und den Hohenzollern im Besonderen das Leben ließ und dazu noch den ehemaligen Kaiser mit 59 Eisenbahnwaggons und einer üppigen Rente friedlich nach Holland ziehen ließ? Es hätte auch ganz anders kommen können.
    Offene Eigentumsfrage nach 1918

    Nach jeder Staatsumwälzung sind die Vermögensverhältnisse der gestürzten Herren neu zu regeln, und das heißt immer zugleich, ihre Machtbasis in Frage zu stellen. Die auf halbem Weg steckengebliebene und abgewürgte deutsche Revolution von 1918/19 versäumte diese Aufgabe. Zwar hatten überall in Deutschland Arbeiter- und Soldatenräte fürstliches Vermögen beschlagnahmt; eine gesetzliche Regelung unterblieb jedoch. Die staatstragend ausgerichtete Sozialdemokratie hatte kein Interesse daran. So fragte beispielsweise der Arbeiter- und Soldatenrat des Freistaates Lippe an, wie das Vermögen der früheren Fürsten zu behandeln sei. Er erhielt im Dezember 1918 vom Rat der Volksbeauftragten die unmissverständliche Antwort, dass dies »eine Rechtsfrage (sei), deren Entscheidung dem zuständigen Gericht vorbehalten bleiben« müsse.³ Mit dieser Verlegung einer politischen Entscheidung auf die juristische Ebene verpasste man in Deutschland die Chance, die vermögensrechtliche Seite der Revolution neu zu ordnen. Das wäre für den neuen Staat, der seine Legitimation aus dem revolutionären Willen des deutschen Volkes bezog, durchaus möglich gewesen – wenn man die Stimmung der Bevölkerung Ende des Jahres 1918 in Betracht zieht. Die Republik Österreich wich dieser Aufgabe übrigens nicht aus. Sie enteignete ihre Habsburger sofort beim Sturz der Monarchie 1918/19. In Deutschland aber war das Vermögen der entthronten Fürsten nicht angetastet worden. Man hatte es beschlagnahmt und die Regelung der Eigentumsverhältnisse auf ruhigere Zeiten verschoben.

    Nach dem Wahlerfolg Paul von Hindenburgs, der 1925 zum Reichspräsidenten gewählt wurde, hielt der Adel die Zeit für gekommen, sein Vermögen zurückzufordern. Verschiedene Fürstenhäuser begannen, gegen die republikanischen Landesregierungen zu klagen. Und sie hatten gute Aussichten auf Erfolg, denn die meist monarchistisch gesinnte Richterschaft brachte ihnen viel Verständnis entgegen. »Als im November 1918 sich das Volk erhob, da waren sie froh, als einige Landesregierungen Auseinandersetzungsverträge mit ihnen schlossen, die ihnen einen Teil ihrer riesenhaften Vermögen beließen. Seitdem sind sie längst wieder aus ihren Mauselöchern hervorgekrochen. Sie sind mit ihren Ansprüchen von Jahr zu Jahr frecher geworden, jetzt wagen sie es sogar, zu einem entscheidenden Schlag auszuholen und verlangen zweieinhalb Milliarden für Abfindung und Aufwertung«⁴, schrieb die Frankfurter Volksstimme im März 1926 und empfahl an anderer Stelle: »Es wäre sehr zweckmäßig, um die Gelüste der verflossenen ›Fürsten‹ und ihrer Sachwalter ein wenig zu dämpfen, ihnen von Zeit zu Zeit populäre Kollegs über das Lebensende von Karl I. von England, Ludwig XVI. von Frankreich und Nikolaus II. von Russland halten zu lassen.«⁵ Sie spielte damit auf die Hinrichtungen der drei Monarchen an.

    Das sind radikale Töne für eine sozialdemokratische Zeitung. Aber es war den beiden zerstrittenen Parteien SPD und KPD tatsächlich einmal gelungen, sich zu einigen und gemeinsam zu einem Volksentscheid über die entschädigungslose Enteignung der Fürsten aufzurufen. Die Enteignung sollte zum Wohl der Allgemeinheit stattfinden: Ländereien und Forstgebiete sollten den kleinen Bauern, Pächtern und Landarbeitern zufallen, während die Schlösser und andere Gebäude als Genesungs- und Versorgungsheime für Kriegsgeschädigte und Sozialrentner sowie als Kinderheime Verwendung finden sollten. Das Barvermögen der ehemaligen Fürsten sollte dem Staat unterstellt und zur Erhöhung der Kriegsopferrenten eingesetzt werden.
    Das Volksbegehren

    Etwa vier Millionen Stimmen waren für ein erfolgreiches Volksbegehren nötig. Der danach abzuhaltende Volksentscheid für die Enteignung erforderte nochmals etwa 20 Millionen Stimmen. Der Aufruf von SPD und KPD, die Fürstenhäuser entschädigungslos zu enteignen, rief bei den Rechtsparteien flammende Empörung hervor. Auch Hindenburg, als Staatsoberhaupt eigentlich zu strikter Neutralität verpflichtet, mischte sich in die öffentliche Auseinandersetzung ein und bezeichnete die Forderung nach Enteignung der Fürsten als großes Unrecht. In einem als Privatbrief kaschierten Elaborat machte er Stimmung gegen den Volksentscheid. Die rechte Presse druckte Hindenburgs Machwerk ab, in dem er u. a. verlautbaren ließ: »Dass ich, der ich mein Leben im Dienste der Könige von Preußen und der deutschen Kaiser verbracht habe, dieses Volksbegehren zunächst als ein großes Unrecht, dann aber auch als einen bedauerlichen Mangel an Traditionsgefühl und als groben Undank empfinde, brauche ich Ihnen nicht näher auszuführen. (…) Es verstößt gegen die Grundlagen der Moral und des Rechts.«⁶

    In Flugblättern und Annoncen schilderte eine von den Hohenzollern beauftragte Werbeagentur die trostlose Lage des ehemaligen Kaiserhauses und appellierte an das Mitleid der Bevölkerung. Allerdings empfanden es Arbeiter und kleine Angestellte als ausgesprochen anmaßend und empörend, dass der Exkaiser zusätzlich zu seinen nach Holland mitgenommenen Millionen nochmals 300.000 Morgen Land (ein Morgen entsprach damals 2.500 Quadratmetern, also einem viertel Hektar, jW) mit Schlössern und zahlreiche Besitzungen mit einem Gesamtwert von 183 Millionen Goldmark forderte. Ein Arbeiter verdiente zu dieser Zeit etwa 50 Pfennig je Arbeitsstunde. Allein die Rente Wilhelms II. – 50.000 Mark monatlich – stand in so krassem Missverhältnis zum Durchschnittseinkommen, dass sich auch der Mittelstand über die Habgier der Monarchisten erregte. Die Durchführung des Volksentscheids war daher von der Reaktion nicht mehr aufzuhalten. Der Stein war ins Rollen gebracht.

    Im März 1926 mussten in allen Städten und Gemeinden Listen ausgelegt werden, in die sich alle Wählerinnen und Wähler eintrugen, die ein Volksbegehren befürworteten. Der Erfolg war überwältigend: 12,5 Millionen Unterschriften – das waren dreimal soviel wie erforderlich. Die Analyse zeigte, dass über linke Wählerstimmen hinaus auch im bürgerlichen Lager, bis in die Hochburgen des katholischen Zentrums hinein, zahlreiche Stimmen gewonnen worden waren.
    Gegenschlag der Reaktion

    Nun formierten sich die Repräsentanten der alten Mächte, allen voran die Deutschnationale Volkspartei (DNVP), die Deutsche Volkspartei (DVP) und die Deutschvölkische Freiheitsbewegung, für den Gegenschlag. Die katholischen und evangelischen Autoritäten sekundierten und gaben mit oberhirtlichen Erklärungen ihrer monarchischen Gesinnung Ausdruck. Das erprobte Bündnis von Thron und Altar bewährte sich hier aufs neue. Der Bischof von Meißen bat Reichskanzler Wilhelm Marx (Zentrum) in einem Brief, auf seine Partei einzuwirken, damit sie sich auch weiterhin zum entschiedenen Anwalt »des naturgesetzlichen, göttlichen und christlichen Rechtes (und) des Privateigentums« mache. Nur so sei zu verhindern, dass in Zukunft die Vermögen der Kirche ebenfalls konfisziert würden.⁷

    Der Staatsapparat war nach der unvollendeten Revolution 1918/19 weitgehend antirepublikanisch geblieben, und so nimmt es nicht Wunder, dass auch Behörden – besonders auf dem flachen Land – das Volksbegehren zu torpedieren versuchten, begleitet von der konservativen Presse, die Gift und Galle gegen das Vorhaben der Fürstenenteignung spuckte. Sie sah darin nur einen Appell an Neid und niedere Instinkte und wusste sich mit führenden Kirchenmännern einig, die in einer Enteignung eine schwere Versündigung gegen das siebente Gebot erblickten. Und es klangen auch bereits andere Töne an: »Verglichen mit den Riesenvermögen jüdischer Kreise sind sie (die Vermögen der Fürsten, C. W.) als klein zu bezeichnen.« Und: »Es ist der Kampf gegen germanischen Grundbesitz, der jetzt gekämpft wird«,⁸ ließ ein nationalistischer Reichstagsabgeordneter und ehemaliger kaiserlicher Staatsanwalt im Einbecker Tageblatt verlauten. Das Blatt prophezeite, die nationale Bewegung werde »endgültige Abrechnung halten (…) mit der Koalition der heutigen Fürstenenteigner, die zugleich die Drahtzieher der Novemberrevolution von 1918 waren.«⁹

    Die Rechtsparteien riefen dazu auf, sich nicht am Volksentscheid zu beteiligen. Damit war das Wahlgeheimnis praktisch aufgehoben. Jeder, der ins Wahllokal ging, war als »Roter« zu erkennen. Gerade in ländlichen Gebieten hatten sich dadurch viele von der Teilnahme am Volksentscheid abhalten lassen, – vor allem dort, wo Guts- und Fabrikbesitzer gedroht hatten, jeden Befürworter von Enteignungen sofort zu entlassen.

    Die bürgerliche Presse bezeichnete SPD und KPD nur noch als »Raubparteien« und sah das Land vom Bolschewismus bedroht.¹⁰ Der ideologische Einsatz für das Eigentum der Fürsten wurde verbunden mit dem Schüren der Angst um den Privatbesitz der kleinen Leute – eine Argumentationslinie, die auch viele Jahrzehnte später noch wirkungsvoll war und die der Karikaturist Klaus Staeck treffend persiflierte mit den Worten: »Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen«.¹¹

    Auf den Veranstaltungen der Linken zum Thema Fürstenenteignung wurde dagegen mit dem Adel abgerechnet. Das Sündenregister der Fürstenhäuser war lang und reichte von der brutalen Niederwerfung der Aufstände im deutschen Bauernkrieg bis zum Menschenhandel in den amerikanischen Freiheitskriegen, in den deutsche Fürsten involviert waren. Zudem wurde den Herrschaften vorgehalten, dass sie ihre entmachteten Gegner in der Vergangenheit nie entschädigt hatten. Und auch an die jüngste Vergangenheit wurde erinnert: Am gleichen Tag, als Wilhelm der Letzte im November 1918 nach Holland desertierte, wurde noch ein Matrose wegen Fahnenflucht hingerichtet.¹²

    Das alles war nicht vergessen. Aber die Halbheiten der deutschen Revolution konnten auch durch eine Fürstenenteignung kaum korrigiert werden. Einige Jahre später, als Thomas Mann mit Schrecken den Faschismus heraufziehen sah, bemerkte er rückblickend: »Was heute in Deutschland wieder sein Haupt erhebt, die Mächte der Vergangenheit und der Gegenrevolution, wäre längst nicht mehr vorhanden, es wäre ausgetilgt worden, wenn nicht die deutsche Revolution von einer Gutmütigkeit gewesen wäre (…).«¹³
    Die Niederlage

    Zwar war das Volksbegehren erfolgreich, doch der Volksentscheid zur Enteignung der deutschen Fürstenhäuser am 20. Juni 1926 scheiterte; die schwarz-weiß-rote Presse jubelte. Trotz Repression hatten sich knapp 15 Millionen für die Enteignung ausgesprochen; das war ein ungeheuer gutes Ergebnis, wenn man in Rechnung stellt, dass die Zahl der wahlberechtigten Staatsbürgerinnen und -bürger in dieser Zeit nur rund 30 Millionen betrug. Nach parlamentarischen Regeln hätte ein solches Ergebnis die absolute Mehrheit bedeutet, nach den plebiszitären Bestimmungen der Weimarer Verfassung war der Volksentscheid gescheitert. Die Vorschriften für die Volksgesetzgebung waren nicht erfüllbar.¹⁴

    Den Fürstenhäusern blieb aller Reichtum, den sie durch Gerichte wiedererlangt hatten. Der Reichstag fand keine Mehrheit, die Frage des Fürstenvermögens gesetzlich zu regeln. Damit waren die Feinde der Weimarer Republik wieder bestens ausgestattet für den Kampf gegen den ihnen verhassten Staat. Sieben Jahre später gab es die Republik nicht mehr.

    Es war naheliegend, dass sich der antirepublikanische Adel mit politischen Gruppierungen verband, die am konsequentesten gegen die Republik Sturm liefen. Das waren von Anbeginn an die Faschisten im Bündnis mit der rechtskonservativen DNVP. Sie verband ein antidemokratischer Grundkonsens und ein betont militärisches Männlichkeitsgehabe. Ihr gemeinsamer Feind waren »die Roten«, also die Arbeiterbewegung, und die ihnen verhasste »Judenrepublik«. Der Antisemitismus, der bereits im deutschen Kaiserhaus grassierte, war ebenfalls eine tragende Verbindung. So hatte die Deutsche Adelsgenossenschaft (DAG) bereits 1920 einen internen »Arierparagraphen« für ihre Mitglieder eingeführt.

    Die deutschen adligen Familien hatten den verlorenen Weltkrieg, die Revolution 1918/19 und die Flucht des Kaisers als Weltuntergang erlebt. Sie konnten aber ihre traditionellen Berufsfelder beibehalten: Im Militär und auf den großen landwirtschaftlichen Gütern waren sie weiterhin führend, und auch der Staatsdienst war ihnen nicht versperrt. Die Republik ließ dem Adel die Köpfe, die Titel und die Güter, wie sich Stephan Malinowski ausdrückt.¹⁵ Es wurde ihr schlecht gedankt.

    Der deutsche Adel teilte – nach dem Verlust des Kaisers – die Sehnsucht nach einem starken Führer, der neues Kolonialland im Osten verschaffen und die Linke in Schach halten könne. Darüber hinaus war abzusehen, dass ein kommendes »Drittes Reich« auch enorme Karrierechancen in einer ausgebauten Wehrmacht und einer erstarkenden SS bot. 1930 setzte ein breiter Zustrom des Adels in NSDAP, SA und SS ein. Insbesondere die ostelbischen Junker begeisterten sich für die militant auftretende Partei. Im Januar 1933 war der Adel in der NSDAP überrepräsentiert.¹⁶

    Unausweichlich gab es zwar Konflikte zwischen dem alten »Herrentum« des Adels und der Volksgemeinschaftsideologie der Nazis, denn der Adel hatte seine vermeintliche Berufung zur Führung nie aufgegeben. Teils führte das zu grotesken Selbstüberschätzungen: Man hoffte, man könne Adolf Hitler für die eigenen Zwecke, vielleicht sogar für eine neue Monarchie, einspannen. Dieser aber, einmal zum Reichskanzler ernannt, ließ die Macht nicht mehr los. Der Adel gewann unter seiner Herrschaft wieder an Wertschätzung und marschierte dann mit ihm in den nächsten Krieg – sein seit Jahrhunderten ureigenes Geschäft. Erst als absehbar war, dass dieser Krieg verlorengehen könnte, gab es 1944 von einer winzigen adligen Minderheit den Versuch, Hitler zu stürzen. Vielleicht ein Aufstand des schlechten Gewissens. Da aber war es zu spät.

    Anmerkungen

    1 Stefan Heym: Lassalle, Verlag Neues Leben, München und Esslingen 1969, S. 309

    2 Auf die widersprüchlichen Gutachten im Dienste der Hohenzollern, einmal von Wolfram Pyta und Rainer Orth und einmal von Christopher Clark, wiesen bereits Peter Brandt und Stephan Malinowski in ihrem Beitrag »Wilhelm Prinz von Preußen: Ein Prinz im Widerstand?« hin, in: Die Zeit Nr. 47/2019 vom 13.11.2019

    3 Ulrich Schüren: Der Volksentscheid zur Fürstenenteignung 1926, Droste-Verlag, Düsseldorf 1978, S. 24

    4 Volksstimme vom 6. März 1926

    5 Volksstimme vom 13. März 1926

    6 Gelnhäuser Tageblatt vom 8. Juni 1926

    7 Schreiben am 25. Februar 1926, zit. n. Ulrich Schüren: Der Volksentscheid zur Fürstenenteignung 1926, a. a. O., S. 129

    8 Einbecker Tageblatt vom 4. März 1926; siehe auch: Christine Wittrock: Idylle und Abgründe. Die Geschichte der Stadt Einbeck mit dem Blick von unten 1900–1950, Bonn 2012, S. 93 ff.

    9 Einbecker Tageblatt vom 11. März 1926

    10 Einbecker Tageblatt vom 2., 14. und 16. Juni 1926

    11 Klaus Staeck: Plakat zu den Bundestagswahlen von 1972

    12 Tages-Zeitung für den Kreis Gelnhausen vom 15. März 1926

    13 Thomas Mann: Brief an Adolf Grimme 1932, zit. n. Bernt Engelmann: Einig gegen Recht und Freiheit. Deutsches Antigeschichtsbuch, 2. Teil, Bertelsmann-Verlag, Frankfurt am Main 1977, S. 173

    14 Otmar Jung: Direkte Demokratie in der Weimarer Republik. Die Fälle »Aufwertung«, »Fürstenenteignung«, »Panzerkreuzerverbot« und »Youngplan«, Campus-Verlag, Frankfurt am Main 1989, S. 59

    15 Stephan Malinowski: Vom König zum Führer. Deutscher Adel und Nationalsozialismus, Fischer-Verlag, Frankfurt am Main 2004, S. 604

    16 Stephan Malinowski, a. a. O., S. 603

    Christine Wittrock schrieb an dieser Stelle zuletzt in der Ausgabe vom 4. Mai 2020 über Profiteure des Faschismus wie den Kapitalisten Wilhelm Kaus.

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