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Alle die mit uns auf Kaperfahrt fahren, müssen Männer mit Bärten sein. Jan und Hein und Klaas und Pit, die haben Bärte, die haben Bärte. Jan und Hein und Klaas und Pit, die haben Bärte, die fahren mit.

  • Die Kinder des Imperiums
    https://www.jungewelt.de/artikel/408747.usa-die-kinder-des-imperiums.html

    21.8.3021 von Pierre Deason-Tomory

    Eine kleine Militärgeschichte meiner amerikanischen Familie

    Wenn ich die Nachrichten aus Kabul höre, habe ich die Fernsehbilder mit dem Helikopter in Saigon vor Augen. Sie lösen ein dunkles Gefühl in mir aus. Ich bin das in Deutschland geborene dritte Kind aus der Ehe meiner Berliner Mutter mit U. S. Army Staff Sergeant (Oberfeldwebel) William Thomas Dea­son aus Milledgeville, Georgia, genannt Bill. Er entstammte einer armen Familie aus dem Süden, deren Söhne immer wieder in Uniformen gesteckt wurden, um dem Imperium zu dienen. Nur der erste in ihrer Ahnenreihe kämpfte gegen die USA.

    Wiley Deason war im Sezessionskrieg für die Kavallerie der Konföderierten geritten und kam einige Zeit nach Kriegsende mit einem ganzen Maultiertross, den er der Nordstaatenarmee abgenommen hatte, nach Milledgeville zurück. Er heiratete die Tochter des vermögenden Mister Parker, dessen Söhne gefallen waren, und war ein gemachter Mann. Seitdem haben die Deasons einen Familienfriedhof und eine ganze Reihe von doppelläufigen Flinten, von denen die jeweiligen Eigentümer wissen, dass nur ihr Gewehr dasjenige ist, mit dem Wiley damals die Nachschublinien der Yankees überfallen hat. Meins hängt bei meiner Mutter im Wohnzimmer.

    Wileys zahlreiche Nachkommen hatten sein Vermögen irgendwann durchgebracht. Mein Vater, seine vier Brüder und drei Schwestern sind in den 30er und 40er Jahren in bitterster Armut aufgewachsen. Die älteren Jungs – Big Charlie, Rufus, Wendell und Paul – wurden ab 1950 nacheinander einberufen und mussten nach Korea. Paul: »Ich sah eine Wand aus Chinesen auf mich zulaufen, es waren Hunderttausende, die Reihe für Reihe von unseren Waffen umgemäht wurden. Die armen Teufel. Das war die Hölle. Ich bin auf die Knie gegangen und habe mit Gott gesprochen, zum ersten Mal.«

    Mein Vater meldete sich 1952 mit 17 Jahren freiwillig. Seine Geschwister hatten ihn zum Musterungsbüro geschleift, nachdem der Vater gestorben und der Benjamin Vollwaise geworden war. »Damit der Junge versorgt ist.« Bei der Prüfung kam heraus, dass er weder schreiben noch lesen konnte, doch der Recruiter hatte Mitleid und füllte den Test für ihn aus. Als er nach der Grundausbildung im verwüsteten Korea eintraf, war der Waffenstillstand gerade in Kraft getreten.

    Sie ließen ihn Wassereimer den Berg hochschleppen, bis er einen Offizier beschwatzte, der ihn in einen Panzer setzte. Mitte der 50er wurde er in Berlin stationiert. Im August 1961 kam er am Abend nach Hause, legte sich neue Sachen heraus, putzte seine Stiefel und wartete auf den angekündigten Alarm. Das Telefon klingelte, und er verschwand für die nächsten 48 Stunden in der Kaserne. Dann führten 24 US-Panzer das Checkpoint-Ballett auf, das man von den Fernsehbildern her kennt. In einem der Tanks saß mein Vater.

    Die Panzer rochierten pausenlos hin und her, um Aktivität vorzutäuschen, während die GIs den ausdrücklichen Befehl hatten, sich sofort zurückzuziehen, sollte irgendein Idiot damit anfangen zu schießen. Checkpoint Chicken Shack (Hühnerstall) nannten sie den Checkpoint Charlie seitdem, hat Vater erzählt. Sie glaubten, dass die Sache abgesprochen war, empörten sich über die Feigheit der Zivilisten in Washington und waren insgeheim froh, dass es friedlich blieb im nervösen Berlin.

    David, der erste Mann meiner Cousine Paula K, war als junger Kerl nach Vietnam geschickt worden. Er saß eines Abends mit mir auf der Veranda der Farm, trank mein Bier und lachte. »Helden? Wir waren keine Helden, ich habe da unten nicht einen Helden kennengelernt. Wir saßen im strömenden Regen im Unterholz, es machte überall bumm, bumm, und wir haben uns eingeschissen, so war das.« Er war nur die übliche Zeit im Krieg, aber meine Cousine bekam nach seinem Tod ein Stipendium für die Tochter und wurde von der Kfz-Steuer befreit.

    Mein Cousin Mike war als Berufsoffizier länger in Vietnam, kehrte heim, heiratete eine bildhübsche Frau und wurde krank. Er hatte im Einsatz irgendwie das Zeug abgekriegt, das für die Vietcong vorgesehen war. Mehr als 20 Jahre lang lag er ohne Haare auf dem Kopf mit spastischen Lähmungen und Schmerzen im Bett in seinem wunderschönen weißen Haus am See, das ihm die dankbare Regierung bezahlt hatte. Als ich ihn im Frühjahr 1991 besuchte, erklärte er mir die Notwendigkeit des Krieges gegen den Irak, der gerade tobte. »Ich war immer ein Mann des Militärs«, murmelte er. Mike ist am 10. September 2001 (!) gestorben und wurde auf dem Militärfriedhof in Milledgeville beigesetzt.

    Mein Vater ist auf dem Familienfriedhof beerdigt worden, am 20. August 2008, ich war dort. Er hatte 21 Jahre lang gedient, war hochdekoriert und bekam das große militärische Zeremoniell mit Dudelsack, Trompete und 13 Schüssen Salut. Auf vielen Grabsteinen des Mount Nebo Cemetery sieht man Hinweise, dass der Verstorbene Veteran eines oder mehrerer Kriege gewesen ist, wie auf dem meines Vaters. Neben seinem Grab liegt das meines älteren Bruders Cliff. Ein Flugzeug ist in den Stein graviert und »R. O. T. C.«, was darauf verweist, dass er Kadett des Ausbildungsprogramms der Air Force war. Er sollte seinen Vater stolz machen. Er wollte nicht.

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