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Alle die mit uns auf Kaperfahrt fahren, müssen Männer mit Bärten sein. Jan und Hein und Klaas und Pit, die haben Bärte, die haben Bärte. Jan und Hein und Klaas und Pit, die haben Bärte, die fahren mit.

  • Simin Jawabreh über ihren Aktivismus : „Kommunismus ist immer Bewegung“
    https://taz.de/Simin-Jawabreh-ueber-ihren-Aktivismus/!5834658

    A travers cette interview l’ancien journal de gauche TAZ nous présente une interprétation individualiste et farfelue du communisme. Ah, si seulement tous et toutes les communistes étaient aussi sympatiques comme cette jeune femme , entend-t-on soupirer le rédacteur de l’organe décentral du parti anticommuniste vert allemand.

    20.2.2022 von Lukas Hermsmeier - Simin Jawabreh ist Kommunistin mit über 16.000 Instagram-Followern. Sie will eine Welt ohne Polizei und stößt sich an Diskussionen über Privilegien.

    Simin Jawabreh schaut in die Kamera, ihr fällt Sonne auf das Gesicht

    Ein Freitagnachmittag Ende Januar in einem Café am Helmholtzplatz in Berlin-Prenzlauer Berg. Simin Jawabreh ist überpünktlich und hat einen Block voller Notizen mitgebracht. „Gibt ja viel zu besprechen“, sagt sie und lacht. Als das Gespräch nach anderthalb Stunden vorbei ist, wundert sie sich, wo die Zeit hin ist. Die Notizen kamen dann doch nicht zum Einsatz.

    taz am wochenende: Frau Jawabreh, gab es in den vergangenen Tagen einen Moment, in dem Kommunismus für Sie erfahrbar wurde?

    Simin Jawabreh: Im Kleinen spüre ich den Kommunismus in jeder solidarischen Beziehung oder Genoss*innenschaft. Auch in der politischen Arbeit, dadurch, dass wir wirklich hinschauen, was die jeweiligen Bedürfnisse sind, die im Raum stehen. Das sind nicht nur theoretische Gespräche, das ist Bewegung durch direkte Praxis.

    Können Sie Beispiele nennen?

    Ich merke das zum Beispiel, wenn wir in den Bewegungen versuchen, mit Konfliktsituationen umzugehen, ohne die Polizei zu rufen. Wie reagiert man auf patriarchale Gewalt innerhalb linker Gruppen? Wir versuchen ein anderes Beisammensein zu üben. Was für Strukturen haben übergriffiges Verhalten begünstigt? Ich spüre den Kommunismus auch bei Essensausgaben, wenn wir mit den Menschen darüber sprechen, was die Probleme sind. Wie können wir in den Kiezen so etwas wie Vollversammlungen entwickeln, um so eine Selbstverwaltung anzustreben?

    Sie wurden 1997 geboren, sind im Westen Berlins aufgewachsen. Wie wird man heute zur Kommunistin?

    Es war eher ein schleichender Prozess. Einmal war es die Auseinandersetzung mit dem Thema Flucht, durch meine Eltern. Meine Mutter ist in Deutschland geboren, hat einen iranischen Hintergrund. Mein Vater ist Palästinenser und kam als junger Mann hierher. Ich habe von klein auf bei Besuchen vor Ort in Palästina kennengelernt, was Grenzkontrollen sind. Darüber haben wir uns natürlich unterhalten.

    Und im Alltag in Berlin?

    Auch da waren bestimmte Gegensätze sehr schnell sichtbar. Einerseits das migrantische Aufwachsen in einem sehr weißen und elitären Kontext in Hermsdorf, wo ich zu arabisch war, um deutsch zu sein. Andererseits die Erfahrung im prekäreren Alt-Moabit, wo ich die Arabischschule besucht habe und eher als die Deutsche galt. Für manche folgt aus dieser Verhandlung der Zugehörigkeit ein verklärtes Gefühl, dass man mehrere Heimaten hat. Bei mir hat es eher dazu geführt, dass ich mich nirgendwo zu Hause fühle. Einschneidend waren auch die Diskussionen zur Aufnahme von Geflüchteten rund um das Jahr 2015, die mich zu einer Auseinandersetzung mit wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnissen und kolonialen Strukturen gebracht haben.

    Könnten Sie verdichten, was der Kommunismus für Sie bedeutet?

    Kommunismus kommt ja vom lateinischen Begriff „communis“, was „gemeinsam“ bedeutet, und da steckt ziemlich viel drin: Die Produktionsmittel können entweder wenigen gehören, und die anderen müssen Lohnarbeiten nachgehen, um zu überleben. Oder sie können allen gehören. Es geht um ein demokratisches Zusammenleben, bei dem man sich über kollektive Entscheidungsprozesse selbst verwaltet. Es geht um bedürfnisorientiertes Wirtschaften, kein profitorientiertes, um sich so einer Klassengesellschaft zu entledigen, samt ihrer Unterdrückungsmechanismen.

    Sie sprechen auch bei Instagram, wo Ihnen über 16.000 Menschen folgen, über den Kommunismus. Was für Reaktionen bekommt man, wenn man so offensiv mit dem Begriff umgeht?

    Das ist ganz unterschiedlich, je nach Umfeld. Auch in der linken Szene habe ich Zeit gebraucht, bis ich meinen Platz gefunden habe. Menschen reagieren mit Verwirrung, weil sie es nicht kennen, dass sich eine migrantische Frau, die sich auch gerne weiblich kleidet, als Kommunistin bezeichnet. In der deutschen Mehrheitsgesellschaft führt es zur Verwirrung, weil der Begriff mit Stalin und DDR assoziiert wird, und man fragt: Huch, wie kann das denn sein, dass eine so junge Frau an einem totalitären Regime festhält?

    Die queer-kommunistische Autorin Bini Adamczak schrieb in einem Essay: „Wer wirklich für eine andere Welt kämpft, wird mit den Toten des Stalinismus konfrontiert werden.“

    Ich bin da sehr bei Bini Adamczak und halte es für falsch, wenn man sich freispricht, indem man sagt: Nee, unser Kommunismus hat ja gar nichts damit zu tun. Schau doch nur in die Theorie bei Marx! Gleichzeitig gibt es eine große antikommunistische Propaganda, die mir sehr nah geht. Vor einem Jahr war hier in Berlin ein ehemaliger Black Panther zu Besuch, Dhoruba bin Wahad, der mir einen Satz sagte, den ich nicht vergessen habe: Wir müssen als Linke lernen, uns in radikaler Symmetrie zu unserer Geschichte zu verhalten.

    Wie verstehen Sie diesen Satz?

    Staatliche Behörden haben ein institutionalisiertes Wissen darüber, wie, wann und wo linke Kämpfe zu zerstören sind. Sie erweitern ihr Wissen und bauen aufeinander auf. Wir haben das nicht. Wir müssen uns mit unserer Bewegungsgeschichte auseinandersetzen in radikaler Selbstkritik. Das bedeutet auch, eine kommunistische Kritik zu den sogenannten Realsozialismen wie dem in der DDR aufzubauen.

    Den antiautoritären Kommunismus hat es noch nie gegeben, sagen Sie. Macht es das einfacher oder schwerer, dafür zu kämpfen?

    Weder – noch, glaube ich, weil der Kommunismus kein Zustand oder festes Ziel ist. Marx sprach über „die Bewegung, die den jetzigen Zustand aufhebt“, und so sehe ich das auch: Kommunismus ist immer Bewegung, aktueller Kampf und Prozess. Viele in meinem politischen Umfeld haben beispielsweise eine Ostgeschichte und können darüber eine andere Perspektive einbringen. Wir sprechen darüber, was der Mauerfall für sie und ihre Familien bedeutet hat, welche Prekarität damit kam und wie diese Erfahrungen verarbeitet wurden.

    Wenn wir uns den Zustand der deutschen Linken allgemein anschauen, der, vorsichtig gesagt, nicht der beste ist – wie verfolgt man da so eine Utopie wie den Kommunismus?

    Hoffnung machen mir meine Ge­nos­s*in­nen weltweit, da spüre ich jeden Tag aufs Neue, dass es möglich ist. Deutschland ist da schon noch mal in einer besonders traurigen Situation. Wir sind keine Bewegung, wir sind eher linke Szene, das macht es so schwer. Ich habe das Gefühl, der Begriff „Antikapitalismus“ zum Beispiel ist gar nicht mehr so abschreckend. Was fehlt, ist die Konsequenz daraus zu ziehen, sich tatsächlich zu organisieren, sich um einen revolutionären Aufbau zu kümmern. Deshalb ist auch der positive Bezug auf den Kommunismus so unglaublich wichtig.

    Braucht es im 21. Jahrhundert also gar keine neue Utopien, sondern die Rückbesinnung auf alte?

    Na ja, es sollte im Verhältnis stehen. Natürlich trifft das, was Marx und Engels beschrieben haben, nicht mehr eins zu eins zu. Wir haben heute neoliberale Strukturen, vermeintliche Selbstständigkeiten, sodass die Leute mit dem Zweiklassenmodell von Marx nicht auf Anhieb viel anzufangen wissen. Aber die eigentliche Funktionslogik des Kapitalismus ist immer noch die gleiche. Die Frage ist nicht, ob Rückbesinnung oder neu, sondern dass unsere Programmatik sowohl beim Istzustand ansetzen muss, als auch die generelle Vision anvisieren muss.

    Leben
    Simin Jawabreh ist 24 Jahre alt. Sie absolviert an der FU Berlin ihren Master in Politikwissenschaft und arbeitet als studentische Hilfskraft an der Humboldt-Universität.

    Aktivismus
    Sie ist in diversen antirassistischen und kommunistischen Bewegungen sowie in der politischen Bildungsarbeit aktiv. Auf Instagram (@siminjawa) bezeichnet sie sich ironisch als „Professionelle Krawallbarbie“, doch ihre Inhalte sind meist ernst: Es geht um Kapitalismus, Kolonialismus, Polizeigewalt – und darum, wie wir all das überwinden können.

    #communisme #idéologie