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  • Free Now, Uber, Google Maps: Verdächtig kurze Wartezeiten und Quatsch auf Karten - DER SPIEGEL
    https://www.spiegel.de/netzwelt/web/free-now-uber-google-maps-verdaechtig-kurze-wartezeiten-und-quatsch-auf-kart

    19.10.2022 von Markus Böhm - Es nervt, Free Now und Google Maps! Mit vermeintlich exakten Prognosen und auf dem Bildschirm herumkurvenden Miniautos wird vor der Buchung einer Fahrt suggeriert, der nächste freie Wagen sei fast schon vor Ort. Schön wär’s.

    Free Now beschäftigt keine eigenen Fahrer, die App vermittelt aber in 150 Städten bequem Taxifahrten sowie sogenannte Rides, bei denen einen Fahrer in »Mietwagen« kutschieren. Für jemanden wie mich, ohne eigenes Auto, ist so etwas manchmal praktisch. An meinem Wohnort #Düsseldorf lockt Free Now zudem vielerorts mit Anfahrtszeiten von nur einer oder zwei Minuten. Dazu überschüttet einen die App mit Gutscheinen, die manche Ride-Trips grenzwertig günstig machen.


    Typische Wartezeitprognose vor dem Buchen: Meinen Erfahrungen nach ist eher kein Auto in nur einer Minute da

    Doch so sehr sich Free Now mit seinen Prognosen und Preisen anbiedert: Ich traue der App nicht mehr. Schon mehrfach stand ich vor dem Klick auf »Jetzt bestellen« samt Jacke im Flur, weil der Wagen ja angeblich in einer Minute da sein sollte. Wurde aber ein Fahrer gefunden, wurden als reale Wartezeit schon mal zehn Minuten angegeben. Oder ich erfuhr erst nach einer fünfminütigen Suche, dass derzeit kein Fahrer verfügbar sei. So viel zu »in 1 Min«.

    Wäre es nicht ehrlicher, wenn Free Now einfach eine Zeitspanne wie »circa 1 bis 10 Minuten« in dem Raum stellt und nicht nur ein Idealszenario, getarnt als sehr exakte Prognose? Ich wohne übrigens in einer Einbahnstraße: Damit es ein Fahrer »in 1 Min« legal hierhin schafft, müsste er während ich buche schon fast in meine Straße einbiegen.


    Service oder Trick? Dauert die Ride-Suche mal länger, schlägt einem Free Now häufig eine teurere Taxibestellung vor

    Fiktive Fahrzeuge auf echten Karten

    Womit wir bei der zweiten Sache wären, die ich für Kundenveräppelung halte. Sind Sie schon mal über die Routenplanung in Googles populärer Karten-App Maps bei einer Taxi- oder Ride-Verbindung gelandet? Auf der entsprechenden Unterseite erscheint eine Karte, auf der Wägelchen herumfahren, in Düsseldorf entweder im Look von Free Now oder von Sixt Ride. Welchen Eindruck das vermittelt, ist klar: Der nächste Fahrer ist nur eine Straßenecke entfernt.


    Fiktive Autos auf Google-Maps: Da, wo sich die Wägelchen befinden, sind in Wahrheit keine Taxis

    Auch hier ist der Realitätscheck ernüchternd und teils mit einem Blick aus dem Fenster erledigt: Da, wo Google Mitfahrfahrzeuge verortet, sind keine unterwegs. »Die Autos auf der Karte sind eine Visualisierung der Wartezeit, die auf den Informationen des Mitfahrpartners basiert«, bestätigt mir Google diese Beobachtung. »Je kürzer die geschätzte Wartezeit für eine Fahrt ist, desto mehr ›Autos‹ zeigen wir auf der Karte.«


    Eine Google-Maps-Karte mit Free-Now-Wagen: Nur eine optische Spielerei


    Neuer Look mit einem Klick: So sieht dieselbe Google-Karte mit Sixt-Ride-Wagen aus

    Umher kurvende Autos, die nicht als fiktiv gekennzeichnet sind? Ich finde diese Google-Idee eher irreführend als hilfreich. Allein ist der Digitalkonzern mit dem Ansatz aber nicht: Auch in der App von Uber fahren bis zum Abschicken einer Bestellung fleißig Digitalwagen durch die Gegend. Autos, die es so nicht gibt.


    Ein Uber-Wagen, der zufällig direkt am potenziellen Kunden vorbeifährt? Pustekuchen

    »Die Symbole in der App zeigen keine realen Autos«, teilt mir Uber dazu mit, »sondern verweisen nur auf eine allgemeine Verfügbarkeitssituation.« Da die Fahrtanfragen an den Betriebssitz der Mietwagenpartner vermittelt und dort angenommen würden, sei es »für den Fahrgast vollkommen irrelevant, wo sich ein Auto gerade befindet«. Ach so? Aber dann könnte man die Fake-Autos doch eigentlich weglassen.

    Als Kontrast ist der Ride-Bereich der Sixt-App interessant: Bei der dortigen Karte kommen tatsächlich Live-Standortdaten realer Fahrzeuge zum Einsatz. Wie Sixt mitteilt, werden die Angaben, die von Partnerfirmen stammen, alle paar Sekunden aktualisiert. Sicher sein, dass das nächstgelegene Fahrzeug sogleich vor der eigenen Tür auftaucht, darf man sich aber auch bei Sixt Ride nicht: Ein Taxi zum Beispiel, das ich dank der App-Karte tatsächlich am angezeigten Ort vorfand, stand gerade leer – der Fahrer war kurz im Supermarkt.


    Ride-Wagenanzeige in der Sixt-App: Schon mal einen Haufen Autos gesehen? Die Angaben basieren in diesem Fall aber tatsächlich auf Live-Standortdaten

    Eine Branche, die es schwer hat

    Grundsätzlich ist es kein Wunder, dass derzeit nicht jederzeit und überall Taxis verfügbar sind. Trotz einer wieder gestiegenen Nachfrage fehlen in vielen Städten Fahrer , und die aus Sicht vieler Anbieter dringend notwendigen Preisanpassungen ziehen sich . Ein Ride-Fahrer erzählte mir, er habe neulich einen Auftrag angenommen, bei dem der Kunde 17 Minuten entfernt stand. Dieser jedoch habe ihn angerufen und geschimpft, ihm sei ein Wagen in zwei Minuten versprochen worden. Ich ahne, wo solche Missverständnisse herkommen.

    Von Free Now heißt es, die vor der Bestellung prognostizierte Ankunftszeit berücksichtige mehrere Aspekte, »zum Beispiel wie viele freie Fahrer sich insgesamt in der Nähe befinden.« Auch die Wahrscheinlichkeit für eine Annahme der Tour spiele eine Rolle. Free Now habe als Tourenvermittler jedoch keinen Einfluss darauf, welcher Fahrer diese Fahrt tatsächlich auch annehme. Im September allerdings seien etwa 60 Prozent aller Fahrer nach einer oder zwei Minuten am Abholort gewesen, wenn in der App zuvor eine Ankunftszeit von einer oder zwei Minuten angezeigt worden war.

    Ich selbst habe zuletzt testweise acht Bestellungen protokolliert, bei denen es »in 1 Min« oder »in 2 Min« losgehen sollte: Zweimal wurde gar kein Fahrer gefunden, einmal kam das Auto nach dreieinhalb Minuten, zweimal in sechs Minuten, einmal in acht, einmal in zehn, einmal in zwölf Minuten.

    All das sind – abgesehen von den nicht vermittelten Fahrten – keine fatalen Verspätungen. Aber, wie formulierte es mal James Brooke , Chief Product Officer von Free Now: »Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Fahrgast und ein Taxiunternehmen würde Ihnen sagen: ›Oh ja, Ihr Auto ist in fünf Minuten da.‹ Und dann dauert es 8, 9, 10 Minuten. Nach diesen 5 Minuten schaut man auf die Uhr und kann den Fahrer immer noch auf der Karte sehen, aber man fängt natürlich an, die Genauigkeit infrage zu stellen und verliert das Vertrauen in die App.«

    Zweimal habe ich bei Free Now übrigens noch Wagen mit der Vorabprognose »in 3 Min« gebucht. Einer davon kam zeitlich passend – und einer war binnen zwei Minuten da. So herum ist mir die Überraschung deutlich lieber.

    ...

    Ich wünsche Ihnen eine gute Restwoche,

    Markus Böhm

    #Taxi #Uber #FreeNow #Vermittlung