Taxi

Reality Check - Geschichten rund ums Taxi in Berlin und weltweit - Materialsammlung, Bilder, Videos, Texte

  • Eskalation im Berliner Taxistreit: Strafanzeige gegen Verkehrssenatorin
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/eskalation-im-berliner-taxistreit-strafanzeige-gegen-verkehrssenato

    3.8.2021 von Peter Neumann - Der Vorwurf lautet: Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Behörden in Berlin unternähmen zu wenig gegen Mietwagenbetreiber, die sich nicht an Gesetze halten.

    Dieser Streit schwelt schon seit langem in Berlin: Taxibetreiber beschweren sich darüber, dass ihnen Unternehmen, die für Uber und FreeNow fahren, einen ruinösen Wettbewerb aufdrängen. Die Verwaltung unternehme zu wenig gegen die unlautere Konkurrenz, die der Taxibranche die Luft abschnüre, heißt es. Jetzt haben sich fünf Taxibetreiber zusammengetan, um den Konflikt vor Gericht zu bringen. Die Unternehmer haben bei der Staatsanwaltschaft Berlin Strafanzeige erstattet, wie Justizsprecher Martin Steltner auf Anfrage der Berliner Zeitung bestätigte. Die Anzeige richtet sich gegen Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) sowie einen Gruppenleiter des Landesamts für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten, kurz LABO. Ihnen wird Beihilfe zur Steuerhinterziehung, zur Schwarzarbeit und zum Vorenthalten von Arbeitnehmerentgelten vorgeworfen.

    Taxi? Es gibt doch Alternativen! Wer preiswerter durch die Stadt chauffiert werden möchte, bestellt sich bei Uber & Co. einen Mietwagen mit Fahrer. Rund 5000 Fahrzeuge dieser Art, so eine aktuelle Schätzung, gibt es derzeit in Berlin. Während sich Taxifahrer an ihre Tarifordnung halten müssen, steht es der Konkurrenz frei zu bestimmen, welche Fahrpreise sie berechnet. Doch legal seien die meist niedrigeren Tarife nicht zu erwirtschaften, heißt es bei den Taxiunternehmern, die am 12. Juli Anzeige erstattet haben. Sie wittern Steuerhinterziehung und Leistungsbetrug. Das LABO als zuständige Behörde kümmere sich nicht intensiv genug um den Rechtsbruch.
    In Hamburg wird stärker kontrolliert

    246 Js 518/21: Das ist das Aktenzeichen der Strafanzeige. Einen juristischen Vorstoß mit dieser Ausrichtung hat es in Berlin bisher offenbar noch nicht gegeben. Das zeige, wie groß die Wut sei, sagte einer der beteiligten Taxibetreiber. „Hintergrund der Anzeige ist, dass in Kenntnis der Senatorin und ihres Geschäftsbereichs gegen geltendes Recht zur Vergabe von Mietwagenkonzessionen verstoßen wird“, teilte er mit. „Fahrtentgelte der Mietwagen werden in Kenntnis der Beschuldigten nicht korrekt abgerechnet. Hierdurch entsteht dem Land Berlin ein Steuerschaden in Höhe von mehreren hundert Millionen. In der Anzeige befindet sich unter anderem das Beispiel eines Mietwagenunternehmers, dem in Hamburg die Konzession entzogen wurde, in Berlin aber eine Konzession ausgestellt wurde.“ Dabei habe die Hamburger Behörde ihr Berliner Pendant informiert.

    „Wer in Hamburg eine Konzession haben will, muss unter anderem erklären, woher das Geld für das Unternehmen kommt“, so der Taxibetreiber. Dagegen werde in Berlin nur selten geprüft, ob die gesetzlichen Voraussetzungen eingehalten werden. In Berlin sei es auch die Regel, dass die fast immer türkischen, arabischen oder nordafrikanischen Fahrer schwarz arbeiten, hieß es. Sozialversicherungsbeiträge würden, wenn überhaupt, nicht vollständig abgeführt. Um sich dem Zugriff der Behörden zu entziehen, würden in den Unternehmen meist noch vor Ablauf von zwei Jahren wesentliche Positionen auf polnische Bürger umgeschrieben – und aus deutschen werden polnische Firmen. Hintermänner steuern und überwachen die Praktiken, hieß es. 

    Justiz: Von einer „Smoking Gun“ kann nicht die Rede sein

    Die Vorwürfe aus der Taxibranche seien haltlos, hieß es bei den Betreibern der Apps, bei denen Mietwagen mit Fahrer gebucht werden können. Die Fahrtaufträge gingen an Firmen, bei denen die Fahrer angestellt sind, so Uber. Die Mitarbeiter hätten alle Rechte, die ein Arbeitnehmer in Deutschland habe, und sie bekämen den Mindestlohn - oft mehr.

    „Ich zahle zehn Euro plus Prämien. Wer besonders produktiv ist, kann auf bis zu 12,50 Euro pro Stunde kommen“, erklärte der Mietwagenbetreiber Thomas Mohnke, Sprecher des Berliner Branchenverbands „Wir fahren“. Für viele Menschen mit Migrationshintergrund sei die Tätigkeit als Mietwagenfahrer eine Möglichkeit, in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse zu gelangen, betonte er. Und auch die Fahrgäste würden profitieren - indem sie neben dem Taxi ein kostengünstigeres Verkehrsmittel zur Wahl haben. Wie berichtet, wendet sich der Verband gegen die nun eröffnete gesetzliche Möglichkeit, Mindesttarife für Uber, FreeNow und Co. festzulegen. Der Senat möchte prüfen, ob er die neue Option nutzt.

    Es sei rechnerisch unmöglich, aus den derzeit üblichen Mietwagen-Fahrpreisen nach Abzug der Provisionen für die Fahrdienstvermittler den Mindestlohn zu zahlen, entgegnete der Berliner Taxiunternehmer Richard Leipold. Er formulierte es ironisch: „Manchmal habe ich den Eindruck, alte Mathelehrer drehen sich bereits so schnell in ihren Gräbern, dass sie auch als Propeller eingesetzt werden könnten.“

    „Eine solche Anzeige ist hier im Haus nicht bekannt. Wir können dazu nichts sagen“, sagte Jan Thomsen, Sprecher von Regine Günther. Welche Wirkung wird die Strafanzeige der fünf Taxibetreiber gegen die Verkehrssenatorin und den Gruppenleiter des Landesamts entfalten? Bei der Justiz gibt man sich zurückhaltend. Eine „Smoking Gun“ sei der Vorstoß wohl nicht – soll heißen: Ob die Anzeige den erwünschten Erfolg erzielen wird, sei zweifelhaft.
     
    Treffen zum Taxi-Notstand am Flughafen BER

    Immerhin: In ein anderes Taxi-Thema kommt Bewegung. Wie berichtet, gibt es am Flughafen BER zu wenig Taxis. Im vergangenen Jahr haben sich Berlin und der Landkreis Dahme-Spreewald darauf geeinigt, dass maximal jeweils 300 Taxis am neuen Airport Fahrgäste laden dürfen. Nun zeigt sich, dass selbst diese kleinen Kontingente derzeit nicht ausgeschöpft werden. Mitte August gibt es nun ein Spitzengespräch in der Senatsverkehrsverwaltung, zu dem Vertreter der Taxibranche geladen sind.

    #Taxi #Berlin #Uber #Senat #Politik #BER