klaus++

Agent d’ingérence étrangère : Alle die mit uns auf Kaperfahrt fahren, müssen Männer mit Bärten sein. Jan und Hein und Klaas und Pit, die haben Bärte, die haben Bärte. Jan und Hein und Klaas und Pit, die haben Bärte, die fahren mit.

  • „Einige im Westen wollen Taiwan zur nächsten Ukraine machen“
    https://www.telepolis.de/features/Einige-im-Westen-wollen-Taiwan-zur-naechsten-Ukraine-machen-7464021.html?s

    Reinhard Jellen - Das Elend des Westens im Umgang mit China, über die chinesische Corona-Strategie, Werte-Ramboisierung und neue Konkurrenzverhältnisse – Interview mit dem Wirtschaftswissenschaftler Wolfram Elsner.

    In seinem Buch „China und der Westen“ schildert Wolfram Elsner den Aufstieg Chinas und den Abstieg des Westens, seiner Beobachtung nach flankiert durch eine verzerrte mediale Berichterstattung. Telepolis sprach mit dem Autor.

    Herr Elsner, mir scheint, als ob es China in der deutschen Öffentlichkeit nicht gerade leicht hätte: So wurde beispielsweise während der rigiden Corona-Politik der chinesischen Regierung erst einmal diese als skrupellose Diktatur und jeder Gegen-Demonstrant als Freiheitsheld dargestellt.Nun, nachdem die Regierung ihren Kurs geändert und ihre Null-Covid-Politik aufgegeben hat, bekommt man zu hören, die Chinesen würden Tausende von Toten einkalkulieren und die Krankenhäuser, bzw. die Krematorien wären überfüllt. Können Sie uns das erklären?

    Wolfram Elsner: Weltweit sind sich Virologen einig: Hätten Anfang 2020 auch nur für drei Wochen lang alle Länder Null Covid praktiziert, mit Testen, Diffusionsverfolgung und Lockdowns, wäre Corona seit 2020 Geschichte gewesen. Dazu aber war der Westen weder staatlich-organisatorisch in der Lage noch politisch-ideologisch bereit.

    Zwar hat man mehr oder weniger das Konzern-Businessmodell des mRNA-Impfens gepusht, ansonsten jedoch gesundheitspolitisch früher oder später resigniert und mehr oder weniger kapituliert.

    Das beschönigende Narrativ dazu heißt: „Leben mit Corona“. Dabei sterben im Westen immer noch jeden Tag viele an Corona und erkranken an Long Covid, beides eher tabuisiert: In den USA z.B. sind 23 Millionen Menschen an Long-Covid erkrankt, an die fünf Millionen davon dauerhaft arbeitsunfähig. Kein Pappenstiel!
    „Der westliche Medien- und Politik-Mainstream ist vor allem ideologisch motiviert“

    Und in China?

    Wolfram Elsner: Dort hat man hingegen mit Null-Covid geschätzte fünf Millionen Corona-Tote und Millionen Long-Covid-Erkrankte verhindert. Und international bekannte Virolog:innen wie Eric Feigl-Ding, Devi Sridhar oder auch Christian Drosten sagen, China war mit Null-Covid sehr erfolgreich.

    Die Datenkurven lassen daran keinen Zweifel. Aber Null-Covid (Null Tote) lässt sich eben auf Dauer nicht in einem Land allein durchhalten. Zumal Sars-CoV-2 mit den neueren Omikron-Varianten seit Ende 2021 zu einem sehr infektiösen Virus mutiert ist.

    Nun hat der Westen, trotz eigenem gesundheitspolitischen Durcheinander, China einerseits wegen Null-Covid immer „gebasht“, aber nun, wo man China anscheinend dort hat, wo man es immer haben wollte, nämlich auf einem Weg der Annäherung der Infektionssituation an den Westen, ist es auch wieder nicht recht.

    Jetzt wird die Beendigung von Null-Covid kritisiert, wird über Millionen Tote spekuliert und werden Einreisebeschränkungen für Chines:innen gefordert – Reisebeschränkungen, die China soeben beseitigt hat. Das zeigt, dass der westliche Medien- und Politik-Mainstream weiterhin vor allem ideologisch und nicht sachlich motiviert ist: Hauptsache „bashen“ und die Welt weiter spalten.

    Dabei liegt die Logik in Chinas Beendigung von Null-Covid ja darin, dass die dominierenden Omikron-Varianten (in China v.a. BF.7) deutlich weniger pathogen und letal geworden sind. Im Moment reagiert die Statistik der Coronatoten für China noch nicht und schwere Verläufe bleiben selten.

    Wenn alles gut geht, wird China in den nächsten wenigen Monaten also die gesamte Bevölkerung „durchseucht“ haben, wie im Westen. Ein Paradies übrigens für das Virus, das dort – eben wegen Null-Covid und wegen z.T. noch relativ geringem (und konventionellem) Impfschutz – auf Hunderte Millionen Menschen mit noch geringer Immunisierung trifft.

    Die Kalkulation Chinas dabei: Gerade weil Omikron es nun so leicht hat, hat es kein „Motiv“, „Immunflucht“ zu begehen und gefährlichere Mutationen zu entwickeln.
    „Ich sehe keinen Grund für die Schnelligkeit der Wende“

    Also halten Sie die aktuellen Maßnahmen für richtig?

    Wolfram Elsner: Ich halte den Zehn-Punkte-Plan von Anfang Dezember dennoch für um zwei bis drei Monate verfrüht. Da man immer extreme Rücksicht auf die konservativen und ängstlichen Älteren genommen hat (von wegen Diktatur), haben wir bei den Über-80-Jährigen eine Impfquote von noch unter 50 Prozent (Über-60-Jährige: gut 70 Prozent).

    Die Impfkampagne läuft zwar und könnte in zwei bis drei Monaten alle auf 90 Prozent, besser noch 95 Prozent, bringen. Aber parallel dazu darf sich das Virus schon mal austoben, insbesondere in der chinesischen Reisewelle zum jetzt anstehenden Neujahrsfest (Jahr des Hasen, Beginn 22. Januar).

    Und ob es tatsächlich keine gravierend tödlicheren Mutationen geben wird und ob Long-Covid wirklich keine Rolle spielen wird, können wir eben noch nicht mit Sicherheit sagen, da niemand die exakte „Variantensuppe“ und damit die konkreten Evolutionsbedingungen kennt. Also, eine nicht risikofeie Strategie. Erst hätte wohl besser das Impfen kommen müssen.

    Den ganzen Druck von außen hat man ja bisher ohne Weiteres ausgehalten, die hohen ökonomischen und sozialen Kosten auch. Und neben den Demonstranten für weniger rigide Lockdowns hat es genauso viele Stimmen aus Städten und Provinzen gegeben, gerade jetzt nichts zu überstürzen.

    Man hätte es also ohne Weiteres noch zwei bis drei Monate ausgehalten, vor allem wenn man einen Stufenplan verabschiedet hätte und ein Ende möglicher Lockdowns vom Fortschritt der (Impf-)Immunität abhängig gemacht hätte.

    Eine Frage von einigen Wochen. Ich sehe also keinen Grund für die Schnelligkeit der Wende. Jeden Opportunismus gegenüber dem Westen kann man aber bei der chinesischen Regierung getrost ausschließen.
    „China organisiert eine atemberaubende Energie- und Emissions-Transformation“

    Was sind denn Ihrer Einschätzung nach die schwerwiegendsten medialen Verzerrungen über China? Sie schreiben etwa, dass der Schadstoffausstoß in China in einem falschen Licht dargestellt würde…

    Wolfram Elsner: Das Elend des Westens – seiner Medienindustrie, „Dienste“, „Denkpanzer“ (Think Tanks), und der von den Medien vorangetriebenen Politiker sowieso, aber eben auch seiner Bildungsbürger und (linksliberalen und linken) Intellektuellen – ist, dass sie nichts wirklich wissen (oder wissen wollen) über China, aber glauben, alles zu wissen (während Chines:innen sehr gut über Deutschland, deutsche Geschichte und Kultur Bescheid wissen).

    Dass China z.B. eine atemberaubende Energie- und Emissions-Transformation organisiert, jeder zweite gepflanzte Baum in der Welt in China gepflanzt wird, rechnerisch 86 Prozent seiner Emissionen über seine gigantischen neu gepflanzten Waldgebiete wieder aus der Luft holt, eine ökologische Zivilisation auf allen denkbaren Gebieten des Alltagslebens entwickelt, will niemand im hiesigen Medien- und Politzirkus wahrnehmen.

    Wenn ich mit meinen Vorträgen durch die Lande reise (physisch und online), wird aus meinem Themenportfolio gern „Ökologie“ gewählt, und ich sehe nach 5 Minuten „Facts and Figures“ erstaunte Gesichter und offene Münder und höre erstaunte Kommentare.

    Ich benutze übrigens gezielt öffentliche, leicht recherchierbare Statistiken, Daten und Analysen von UN-Organisationen, Weltbank, IWF, Statista, US-Unis und sogar Nasa, FBI u.ä. sowie Reiseberichte (aus Xinjiang) von UN-Politikern, Staatsmännern und -frauen und Journalisten nicht-westlicher Länder auf den Uno-Seiten.

    Die Zuhörer glauben, dass unsere Medien das auch alles selbstverständlich recherchiert hätten, und fallen dann aus der einen oder anderen Wolke. Welches Thema wir auch immer faktenmäßig im Detail betrachten, seien es Sozialkreditpunkte-Systeme, Bevölkerungs-Politik, Arbeitsrecht, Sozialversicherungen, allgemeines Sozialvertrauen, neue Jugend-, Familien- und Altenpolitik, Antimonopol-Politik gegen IT- und Immobilien-Konzerne, Rückverteilung nach unten usw., die meisten der allgemein zugänglichen Fakten und Studien sind hier völlig unbekannt.

    Stattdessen viele Mythen und bestenfalls Wissensstände von vor 15 bis 20 Jahren.

    „Verbrechen im Individualbereich werden milder bestraft als in den USA“

    Gleichzeitig wird in China am häufigsten weltweit die Todesstrafe vollzogen. Wie passt das zu Ihrem positiven China-Bild?

    Wolfram Elsner: Da geht auch oft einiges durcheinander, auch weil es natürlich ein stark emotionalisiertes Thema ist. Die Amnesty-Schätzungen besagen das so, ja.

    Gemessen an der Bevölkerungsgröße relativieren sich die absolute Zahlen erheblich, wie immer bei China, und das Land liegt keineswegs auf Platz 1 bei der Todesstrafe. Wir denken in Größenordnungen von Deutschland, 83 Millionen, aber nicht in der 17-fachen Größenordnung. Es soll hier nichts heruntergespielt werden, es sollte aber begriffen werden.

    Noch heute werden Urteile zu den terroristischen Massakern der ETIM-Terroristen vollstreckt, die bis 2016 über Chinas Westgrenzen eingeschleust wurden und in Xinjiang gewütet haben. Auch noch Urteile aus der Zeit des „Wilden Ostens“ bis in die 2000er, mit erheblicher wildwüchsiger Finanz-, Korruptions- und organisierter Allgemein-Kriminalität.

    Ich habe mit chinesischen Kollegen über die Todesstrafe in China gesprochen, geschätzte, bekannte, auch westlich sozialisierte Ökonom:innen und Juraprofessor:innen, die keine Probleme damit haben, wo nötig ihre Regierung zu kritisieren. Mein Argument: „Das habt ihr doch längst nicht mehr nötig. Der Bürgerkrieg ist lange vorbei.“

    Ihre Antwort: „Ihr verseht unsere konfuzianische Kulturtradition nicht. Verbrechen im Individualbereich werden bei uns sogar milder bestraft als z.B. in den USA, aber bei Verbrechen gegen die Allgemeinheit, einschließlich Umwelt und Finanzsystem, muss die Gesellschaft sich wehren.“

    Bei fast 4.000 Jahren chinesischer Hochkultur kann ich nicht einfach unterstellen, dass das primtive diktatorische Mentalität ist. Hat es mit gesellschaftlicher evolutionärer „Fitness“ zu tun, wie so oft bei sozialen Institutionen, die wir nicht auf den ersten Blick verstehen? Ich bin auch nach vielen China-Besuchen immer noch damit beschäftigt, das andere, chinesische Wertesystem in dieser Frage zu verstehen.
    „Der Kapitalismus hat die produktive Dynamik des klassischen Industriekapitalismus verloren“

    Sie argumentieren in Ihrem Buch so, dass in den westlichen Ländern der Kapitalismus in eine Degenerationsphase eingetreten sei, insofern die mittlerweile weitgehend unkontrollierten Kräfte des Marktes zu starken Konzentrationsmechanismen führen, die es Großkonzernen und Lobbies mittlerweile erlauben, ihre neoliberale Politik über ihre monetäre Macht den politischen Entscheidungsträgern aufzuoktroyieren, was wiederum zu sozialen Verwerfungen führt. Was macht hier China anders?

    Wolfram Elsner: In der Tat, die „Kräfte des Marktes“ existieren im Westen nicht mehr, wie im Lehrbuch und der Alltagsideologie unterstellt. Nichts degeneriert so schnell in sein Gegenteil wie ein unregulierter Markt. Hin zu was? Zunächst zu engen Oligopolen in allen Sektoren, dann zu Finanz-Industrie-Hubs, die Zehntausende von Unternehmen in mehreren Abhängigkeitsschichten beherrschen.

    Globale Netzwerkanalysen haben das zum Vorschein gebracht. Die weltweite Medienindustrie z.B. ist ein System von wenigen Oligarchen. Paul Sethe hätte sich gar nicht vorstellen können, wie sehr seine dystopische Charakterisierung der Medien übertroffen wurde.

    Mit dem Neoliberalismus (weder „neo“ noch liberal) kamen Entstaatlichung, Privatisierung und Finanzialisierung, und der Kapitalismus änderte seinen Charakter von einer Kultur des Produzierens und Innovierens zu einer des Umverteilens von unten nach oben.

    Später, in der Degenerationsphase, nach mehr als vier Jahrzehnten Neoliberalismus, ist aus Oligopolen, Oligarch:innen, Finanzunternehmen und Multimilliardären ein autoritäres Herrschaftssystem einer Plutokratie entstanden.

    Die „0,1 Prozent“ gewinnen, was auch immer passiert, gerade auch wenn „das Blut auf den Straßen fließt“, also in Krisen, nicht zuletzt zwangsunterstützt von den Steuerzahler:innen. Sie besitzen große Landflächen, Swaps auf mehrfache weltweite Jahresernten an Weizen, gewinnen an der (und machen) Inflation und blasen das fiktive Geld-Kapital durch ihre Derivate-Pyramiden auf.

    Der Kapitalismus hat so die produktive Dynamik des klassischen Industriekapitalismus verloren, und Korruption ist zum Kern des Kerns des Spät-Neoliberalismus geworden. Während die Gesellschaft immer größere Armutsbereiche aufweist, große soziale Innovationspotentiale also brachliegen, die Gesellschaft fragmentiert, Gewalt, Gewaltverherrlichung und neue Todeskulte sich ausbreiten.

    Ich will nicht nostalgisch werden, auch der klassische keynesianisch regulierte Industriekapitalismus der 1970er ist ja gescheitert, an Verteilungskämpfen und resultierender Stagflation. Wir müssten einen regulierten, leistungsfähigen Kapitalismus neu erfinden, auch, um etwa weltweit attraktiver Kooperationspartner (nicht zuletzt für China) zu bleiben.

    Und was macht China hier anders?

    Wolfram Elsner: Ich haben in meinen Büchern über China und den Westen beschrieben, wie China Millionen Menschen und Millionen junge Gründer zu technischen und sozialen Innovationen mobilisiert.

    Ein neuartiges Verhältnis von Regulierung, Standardisierung, Gehenlassen, Experimentieren, gemeinsamem Lernen (einschließlich der Behörden, die gleichberechtigt an den Diskussionen in den Netzwerken teilnehmen), neuer Standardisierung, erneutem Gehenlassen usw. Ich habe das als agile Industrie-, Umwelt- und Sozialpolitiken beschrieben.

    Das begreifen hier die wenigsten, eurozentrierte Marxologen und Marxianer inbegriffen. Unsere Ingenieure, Techniker, Manager und Wissenschaftler mit Chinaerfahrung haben es begriffen. Und wissen daher, dass es schlecht um uns steht, wenn wir nicht die Kraft zur eigenen Neuerfindung aufbringen.

    Aber wer soll es noch machen? Eine aufgeheizte Medien- und Politiklandschaft in Niedergangspanik, mit einem Staat, der organisatorisch kaum noch nötigste Infrastrukturen und Dienstleistungen bereitstellen kann?
    „Fünfjahrespläne sind in China Mobilisierungsinstrumente“

    Sind das die Gründe für den Aufstieg Chinas und dem Abstieg des Westens?

    Wolfram Elsner: Ja, es ist eben diese neuartige Kombination von organisatorischer Leistungsfähigkeit, staatlich wie privat und gesellschaftlich, politischem Willen, langfristigem Entwicklungs-Leitbild und enormer sozialer Mobilisierung.

    Das hatte der europazentrierte Staatssozialismus nur vorübergehend geschafft, möglicherweise aber in dieser Form auch nie. Fünfjahrespläne z.B. sind in China keine Top-Down-Vorgaben mehr, sondern Mobilisierungsinstrumente durch grand ideas.

    Und China verändert so die Welt, und damit verbessert es seine eigenen Entwicklungsbedingungen, mit inzwischen 140 Partnerländern und 40 internationalen Partnerorganisationen der BRI (darunter etlicher UN-Organisationen).
    „Die Militärs der USA wissen genau, dass sie einen Krieg gegen China nicht mehr gewinnen könnten“

    Wie schätzen sie in diesem Zusammenhang die Taiwan-Krise ein?

    Wolfram Elsner: Der Westen hat sich hier entschieden, den weltweiten Uno-Konsens von 1971 zu revidieren, ein revisionistischer Akteur zu werden. China allerdings kann warten, und die Welt scheint sich eher zu seinen Gunsten zu verändern. Wo die „Post abgeht“, sehen wir am Beispiel der südostasiatischen RCEP und der jüngsten Asean-, Bricsplus-, SCO- und EAEU-Konferenzen.

    Der Westen verliert im Systemwettbewerb zusehends Marktanteile. Ein ordentlicher Kaufmann setzt sich in einer solchen Situation hin und entwickelt seine Strategie weiter. Was habe ich falsch gemacht? Wo liegen meine Potentiale? Wie sieht eine bessere Strategie unter neuen Bedingungen aus?

    Panik und geringe Handlungsfähigkeit aber verführen den Westen dazu, eine Eskalationsstrategie zu betreiben, die Kalaschnikows aus dem Schrank zu holen, die Mafia anzurufen und vor das Headquarter des Konkurrenten zu ziehen.

    Einige im Westen wollen also Taiwan zur nächsten Ukraine machen. Die jüngsten Umfragen auf Taiwan aber haben gezeigt, dass 85 Prozent der Menschen dort den Status Quo nicht verändern wollen, von dem sie profitieren. Ich habe auch in Taipei gelehrt und zur engen Verflechtung zwischen Taiwan und dem Festland (Taiwan-Investitionen, Reisen der Taiwanesen aufs Festland) berichtet.

    Und wenn in zwei Jahren die GMD auf Taiwan die Wahlen gewinnen sollte, sieht die Lage ohnehin wieder anders aus. Ganz am Rande: Die Militärs der USA wissen genau, dass sie einen Krieg gegen China nicht mehr gewinnen könnten. Ich setze daher für eine friedliche Systemkonkurrenz auch auf gut informierte und halbwegs rationale Militärs.

    „Kultur der Diplomatie statt Werte-Ramboismus“

    Letzte Frage, auch vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges: Wie wird es mit China und dem Westen weiter gehen?

    Wolfram Elsner: China gewinnt Partner in Afrika, Lateinamerika, Asien, in der Uno, und der Westen ist schlecht beraten, sich in die Rolle des Verhinderers zu begeben. Chinas Aufstieg zur Nummer eins, eingebettet in ein wachsendes internationales Handels- und Kooperations-Netzwerk, ist ja nichts anderes als die Wiederherstellung einer Jahrtausende alten Normalität.

    Die 300 Jahre europäisch-angelsächsischer Kolonialismus waren eine historische Ausnahme und sind vorbei. Und bloße Bremser überzeugen in der Welt nicht mehr.

    Die Anti-BRI-Initiativen der USA und EU sind alle mehr oder weniger Flops. Und selbst mit einem Chipkrieg werden die USA nichts aufhalten können. Eher werden sie ihr letztes Pulver (vor einem Atomkrieg) verschießen, denn China hat schon ganz andere Technologieboykotte gemeistert und wird wohl mit Photonik das Wettrennen um die Nanometer zwar nicht gewinnen, aber mit einer neuen Technologie umgehen.

    Ich setze darauf, dass auch die westlichen Konzerne – von den BlackRocks und Vanguards an Hongkongs, Beijings und Shanghais Börsen bis zu Tesla, VW, BMW, Bosch, Siemens, SAP usw. – und ihre Bosse Klartext reden und die Politiker, deren Diäten sie schließlich nicht zuletzt in China erwirtschaften, zurück auf den Boden holen.

    Im Moment bauen sie in China nur leise einen autarken deutschen Industriesektor auf, mit chinesischen Zulieferern, um sich vor künftigen westlichen Sanktionswellen zu schützen. Eine Entkopplung, die sich Habeck und Baerbock so nicht erträumt haben.

    Deutschland und die EU sind jetzt schon erkennbar die Verlierer der Sanktionsorgien, die USA haben ihre alte angelsächsische, anti-eurasische Heartland-Strategie ("Verhindere jegliche eurasische Kooperation!") endlich erfolgreich durchgesetzt und den deutschen Hauptkonkurrenten nach 70 Jahren wieder in die zweite Reihe verwiesen.

    Insofern ist erkennbar, dass das westliche Sanktionsregime, Gas- und Ölboykott, Nordstream-Sprengung usw. in erster Linie die transatlantischen Konkurrenzverhältnisse verändert haben. Manche sagen, dass das der ganze Sinn der Washingtoner Regie der letzten Jahre und der transatlantischen Schulungen der westeuropäischen Young Global Leaders war.

    Wie kommen wir zurück zu einer Kultur der Diplomatie statt Werte-Ramboismus, zu gutem altem bürgerlichem Völkerrecht und Vernunft statt Kriegs- und Siegeseuphorie, zu Akzeptanz und Koexistenz statt Vernichtung des anderen, zu Kooperation, Win-Win und einem guten Leben für alle?

    Ich bin heute weniger optimistisch als noch vor drei Jahren. Wenn wir die westliche mediale Käseglocke nicht endlich anheben, die Veränderungen der Welt realistisch wahrnehmen und uns selbst weiterentwickeln, werden wir uns aus der Geschichte verabschieden und wieder eine kleine Halbinsel am Rande Eurasiens werden.

    #Chine #covid-19 #économue #impérialisme