Je ne sais pas si on doit partager la vue à 100 pour cent optimiste sur la Chine de Jürgen Kurz. Cependant il est sûr : 99 que cent des informations sur le pays que produisent les médias occidentaux sont essentiellement de la propagande états-unienne.
6.3.2025 von Raphael Schmeller - Jürgen Kurz ist Grünen-Mitglied und gleichzeitig Verfechter einer chinafreundlicheren Politik. Im Interview erklärt er, warum die deutsche Außenministerin ihr Amt nicht verstanden hat.
Jürgen Kurz ist Gründungsmitglied der Grünen. Er gehört zu der Minderheit in seiner Partei, die die aktuelle grüne China-Politik kritisiert. Seiner Parteikollegin und Noch-Bundesaußenministerin Annalena Baerbock wirft er sogar eine kolonialistische Haltung gegenüber der Volksrepublik vor.
Im Interview mit der Berliner Zeitung erklärt Kurz, warum er dennoch nicht aus der Grünen-Partei ausgetreten ist und wie er mit Reisen nach China Missverständnisse über das Land ausräumen will. Den westlichen Medien wirft er eine besserwisserische und zum Teil feindselige Berichterstattung über China vor, die auf massiver Unkenntnis oder auch US-Propaganda beruhe.
Herr Kurz, Sie leben seit mehr als 20 Jahren in China und haben das Land intensiv bereist. Was sind Ihrer Meinung nach die größten Missverständnisse im Westen über China?
Was im Westen nicht verstanden wird, ist, dass China ein ganz eigenes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem entwickelt hat und dass die Chinesen mit diesem System sehr zufrieden sind. Im Westen hört man oft, dass die armen Chinesen von der Regierung bespitzelt und unterdrückt werden. Aber in China gibt es kaum jemanden, der das bestätigt.
China wird im Westen als autoritärer Einheitsstaat dargestellt, der seine Bürger unterdrückt. Mit der Realität vor Ort hat das Ihrer Meinung nach nichts zu tun?
China ist sehr wohl hierarchisch organisiert. Hier gilt immer noch: Wenn jemand Chef ist, geht man mit ihm anders um als mit jemandem, der nicht Chef ist. Das ist kulturell verankert, das kommt aus zweieinhalbtausend Jahren Geschichte. Der Staat hat sicherlich auch mehr Eingriffsmöglichkeiten, als das bei uns der Fall ist. Wenn Dinge einmal entschieden sind, dann gelten sie als Regeln. Das kann man autoritär nennen, aber ob das negativ ist, wenn Dinge umgesetzt werden und nicht immer wieder zerredet werden, das ist eine andere Diskussion. China ist nicht Deutschland, ganz klar. China ist auch keine westliche Demokratie. Aber dieses System, das hier entwickelt wurde, ist außerordentlich erfolgreich, um das Leben der Menschen zu verbessern und den Menschen mehr Freiheit zu geben.
Und die Uiguren, die werden nicht unterdrückt? Laut einem UN-Bericht gibt es in Xinjiang Hinweise auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Das ist Quatsch. So leid es mir tut und so drastisch ich das sagen muss, es ist einfach falsch. Die Region Xinjiang, in der die Uiguren leben, grenzt an Afghanistan und Pakistan. In diesen Ländern herrscht große Armut und der Islamismus ist stark verankert. In Ürümqi, der Hauptstadt von Xinjiang, wurden 2009 bei einem Anschlag fast 200 Menschen getötet. China hat in den vergangenen Jahren einen harten Kampf gegen den islamistischen Terrorismus geführt. Dieser Kampf ist gewonnen. China hat auch einen anderen Umgang mit Religion: Kinder und Jugendliche dürfen bis zum Alter von 18 Jahren in der Schule nicht religiös erzogen werden. Danach dürfen sie jeder Religion angehören. Auch darf niemand den Frauen vorschreiben, dass sie einen Schleier tragen müssen. Fakt ist: Die Uiguren sind nicht ausgerottet worden, und sie werden auch nicht unterdrückt. Ich kenne die Region übrigens sehr gut, meine Frau stammt selbst aus Xinjiang.
In der westlichen Presse ist oft von Völkermord die Rede, wenn es um die Uiguren geht. Glauben Sie wirklich, dass an diesen Berichten nichts dran ist?
Da muss man genau hinschauen: Welcher Journalist, der in westlichen Medien über Xinjiang berichtet, war überhaupt schon einmal dort? Die Realität ist, dass kaum jemand Xinjiang kennt. Also wird berichtet, was andere berichten, es wird mehr oder weniger abgeschrieben. Und dann gibt es natürlich noch einen ganz anderen Punkt: Xinjiang ist ein geopolitischer Brennpunkt, weil es Chinas Tor zum Westen ist. Man muss sich nur die amerikanischen Strategiepapiere anschauen: Da steht schwarz auf weiß, dass man Xinjiang destabilisieren muss, um die wirtschaftliche Entwicklung Chinas zu bremsen. Überhaupt, wenn man China schaden will, dann nimmt man immer Xinjiang, Hongkong, Taiwan und Tibet, und dann hat man die Themen, mit denen man der Weltöffentlichkeit immer wieder zeigen kann, wie böse China ist. Die entsprechenden Narrative werden vor allem von amerikanischen, aber auch von australischen Geheimdiensten produziert.
Sie haben es gesagt, Xinjiang ist das Tor zum Westen und spielt damit auch eine wichtige Rolle für Chinas riesiges Infrastrukturprojekt Neue Seidenstraße. Sie sagen, dass Peking damit viel Gutes tut. Was meinen Sie damit?
China tut damit zunächst einmal sich selbst viel Gutes. Ein so riesiges Reich mit 1,4 Milliarden Menschen braucht viel Handel. China hat in den letzten 40 Jahren 800 Millionen Menschen aus der Armut geholt. Um weiter so erfolgreich zu sein, müssen die Wirtschaftsbeziehungen ausgebaut werden. Das andere ist: Gehen Sie heute nach Afrika und sprechen Sie mit den Regierungschefs dort. Die sagen Ihnen klipp und klar: Wenn sie mit den Chinesen über Projekte reden, dann bekommen sie eine Brücke, ein Krankenhaus, einen Flugplatz, eine Eisenbahn. Wenn sie mit westlichen Ländern über Hilfe reden, dann bekommen sie erst mal einen Vortrag über freien Markt und Demokratie. China investiert, weil sie sagen, nur wenn es unseren Partnern gut geht, geht es auch uns gut. Das ist dieser Win-win-Gedanke, der ganz tief im Konfuzianismus, aber auch in der ganzen chinesischen Philosophie verankert ist.
Dennoch wird immer wieder der Vorwurf laut, China nehme die alte Rolle der westlichen Kolonialstaaten ein und treibe die Länder des globalen Südens beispielsweise in eine Schuldenfalle.
Auch das ist ein schönes Narrativ. Immer wenn man hört: „Oh, da hat China die Kreditfalle gebaut“, dann sollte man einmal genauer in die Analyse einsteigen, und dann wird man überrascht sein: Der größte Teil der Kredite im Süden kommt von privaten und oft von westlichen Unternehmen, nicht von China. Man muss also aufpassen, wenn man von den Krediten der Chinesen spricht. Denn dann geht es im Kern darum, den Aufstieg Chinas zu diskreditieren und zu erschweren. Aus amerikanischer Sicht kann ich das verstehen, weil man nicht mehr der alleinige Platzhirsch ist. Plötzlich taucht jemand auf, der die Welt völlig verändert hat. Wenn Sie sich die Handelsbeziehungen anschauen: 2005 hat die Mehrheit der Welt noch den größten Teil ihres Handels mit den Amerikanern abgewickelt. Heute wird das meiste mit den Chinesen gehandelt. Und das ist natürlich ein Problem, dass plötzlich durch das Auftauchen von China die eigene Rolle, die Dominanz weg ist. Niemand hat mehr wirklich Angst vor den Amerikanern, weil man jetzt die Alternative hat, auch mit den Chinesen zu handeln. Es geht also um geopolitische Macht.
Sie kritisieren die deutsche China-Politik, insbesondere die ihrer Parteikollegin und Noch-Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. Sie sprechen sogar von einer „altkolonialistischen“ Haltung. Was meinen Sie damit?
Wenn man aus der Sicht eines europäischen Staates einem sich entwickelnden Land wie China immer wieder vorschreiben will, wie es sich kulturell, politisch, wirtschaftlich zu positionieren hat, dann ist das aus meiner Sicht nichts anderes als Kolonialismus nach dem Motto: „Wir wissen, wie es besser geht. Wir sagen dir, wie du dich zu verhalten hast. Und unser Wertesystem ist deinem überlegen, weil wir die Freiheit des Menschen im Auge haben“. Dass auch Wohnen, Arbeiten, Essen positive Werte sind, wird meist ausgeblendet. Jemanden aus der Armut zu befreien, wie es in China massiv geschieht, wird von den meisten westlichen Kritikern überhaupt nicht als Menschenrecht bewertet.
Warum ist gerade in Ihrer Partei, Bündnis 90/Die Grünen, diese Anti-China-Haltung so stark?
Diese Frage stelle ich mir auch immer wieder. Ich glaube, es ist ein bisschen verständlich, weil es in unserer Partei sehr viele Menschen gibt, die Gutes tun wollen. Und weil wir so viel Schlechtes über China hören, durch Berichte und durch Unkenntnis, ziehen diese Menschen, die Gutes tun wollen, die falschen Schlüsse. Die Haltung der Grünen gegenüber China beruht also auf Unkenntnis der wirklichen Situation in China. Und genau das versuche ich mit meinen Reisen nach China, die ich auch für Grünen-Mitglieder organisiere, zu ändern.
Sind schon bekanntere Grünen-Politiker mit Ihnen nach China gereist?
Von den bekannteren hat sich keiner nach China getraut, zumindest nicht, als die Ampelkoalition noch bestand, weil das politischer Selbstmord gewesen wäre. Aber ich habe schon mit prominenteren Grünen darüber gesprochen und auch versucht, meine Sicht der Dinge zu vermitteln.
Haben Sie schon einmal an Parteiaustritt gedacht?
Der Reflex, eine Partei zu verlassen, wenn sich die Dinge so dramatisch verändern, der ist immer da. Aber ich habe die Partei mitgegründet und bin zutiefst davon überzeugt, dass das, was ich zum Thema Krieg, Waffenlieferungen oder China sage, das ist, wofür die Grünen eigentlich stehen sollten, woher die Grünen ursprünglich kommen. Bei manchen Grünen-Politikern, die heute zum Beispiel diese starke Anti-China-Haltung haben, muss ich fast sagen, dass sie die Partei okkupieren.
Sie betonen, dass China kein Rivale, sondern ein wichtiger Partner ist. Weshalb ist die Partnerschaft mit China so wichtig?
Für Deutschland ist sie wichtig, weil Deutschland ein reines Exportland ist. Wir haben nichts zu bieten außer Export. Wir haben Know-how, wir haben Ideen, wir haben Systeme. Das müssen wir exportieren, sonst sinkt der Wohlstand in Deutschland. Deshalb brauchen wir offene Handelspartner, und der Witz ist, dass die Chinesen großen Respekt vor Deutschland haben. Der Name für Deutschland ist in China Déguó, übersetzt das Land der Tugend. Wenn man von Deutschland spricht, sagen die Chinesen immer: „Oh, Deutschland, ganz toll“. Eine gute Partnerschaft mit China ist also zunächst einmal eine Frage der wirtschaftlichen Vernunft.
Aber dann gibt es noch einen ganz anderen Punkt, der gerade aus grüner Sicht wichtig ist: Wenn ich mich für den Klimaschutz engagiere, dann muss ich mit China zusammenarbeiten. Das Land ist in Sachen Klimaschutz technologisch und organisatorisch viel weiter als wir in Europa. Wenn wir neue Technologien entwickeln wollen, wenn wir genügend Systeme in die Welt bringen wollen, um den Klimawandel noch abzufedern, dann gibt es keinen Partner außer China, der diese Kapazität hat. Das macht es besonders absurd, dass die Grünen nicht offen sind für China.
Sie sagen, dass Deutschland eigentlich ein gutes Image in China hat. Wie kommt das an, wenn aber zum Beispiel Bundesaußenministerin Baerbock China als „systemischen Rivalen“ und Xi Jinping als „Diktator“ bezeichnet?
Dann schauen einen die Chinesen an und fragen: „Was ist los bei euch in Deutschland, dass jemand mit dieser Einstellung eine so wichtige Rolle spielen kann? Habt ihr Probleme?“ Sie fragen tatsächlich nach unserem Geisteszustand. Es ist völlig unerklärlich, wie man in der Wahrnehmung der Welt so abdriften kann. Das Schlimme ist, dass weder Annalena noch Robert vorher in China waren. Sie reden über China, aber sie kennen das Land überhaupt nicht. Und wenn man ihnen anbietet, mit ihnen auch über das Land zu reden und auch Dinge zu klären, dann reagieren sie gar nicht darauf, weil es gegen ihr eigenes Weltbild geht.
Was würden Sie dem neuen Bundeskanzler, also höchstwahrscheinlich Friedrich Merz, in Bezug auf China empfehlen?
Zunächst einmal, die China-Strategie der alten Bundesregierung ganz vorsichtig verschwinden zu lassen. Gleichzeitig viel mehr China-Kompetenz in der Regierung und generell in Deutschland aufbauen. Außerdem regelmäßige Treffen mit China und vor allem eine viel engere wissenschaftliche Zusammenarbeit mit China. In vielen Bereichen wie Elektromobilität oder Medizintechnik hinken wir China hinterher, da müssen wir von China lernen. Die neue Bundesregierung sollte sich auch für eine eigenständige europäische Position in diesem geopolitischen Wettbewerb zwischen den USA und China einsetzen, sodass Europa nicht Verbündeter der einen oder anderen Seite ist, sondern mit eigenen Interessen vermittelt und gleichzeitig versucht, mit beiden Seiten zu kooperieren.
ZUR PERSON
Jürgen Kurz (68) war 1980 Mitbegründer der Grünen und saß von 1983 bis 2003 für die Partei im Kreistag Mayen-Koblenz. Seit 2003 lebt er in China und Deutschland und beobachtet nach eigener Aussage, wie sehr die westlichen Länder die Supermacht China missverstehen. Er plädiert für einen Richtungswechsel in der China-Politik der Grünen.