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Alle die mit uns auf Kaperfahrt fahren, müssen Männer mit Bärten sein. Jan und Hein und Klaas und Pit, die haben Bärte, die haben Bärte. Jan und Hein und Klaas und Pit, die haben Bärte, die fahren mit.

  • Deutsche Bahn : Alles wird digital und der Fahrgast zum Problem
    https://www.telepolis.de/features/Deutsche-Bahn-Alles-wird-digital-und-der-Fahrgast-zum-Problem-9586236.html

    Voilà pourquoi je serai obligé d’acheter une voiture pour voyager. C’est assez ennuyeux car c’est cher et en principe le train est les meilleur moyen de transport pour se déplacer à l’intérieur de l’Europe. Pourtant avec les changements introduits depuis la transformation du service publique Bundesbahn en société anonyme Deutsche Bahn on ne peut plus voyager en train sans s’exposer à un bel ensemble de nuisances insupportables. Plusieurs problëmes mentionnés par l’auteur concernent également les trains français, mais la somme des aspects mégatifs est bien plus grande en Allemagne.

    4.1.2024 von Timo Rieg - Über Service-Rückbau und Probleme mit Bezahlmöglichkeiten. Kritische Analyse einer Institution, der die demokratische Steuerung fehlt. (Teil 2 und Schluss)

    Bereits Ende 2018 wurde die Bezahlmöglichkeit per Lastschrift (SEPA) für Sparpreistickets abgeschaltet, wohl weil es zu Betrügereien über die Storno-Funktion kam. Der Spiegel zitierte seinerzeit einen Bahnsprecher mit den Worten:

    Wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass unsere Services so schnell wie möglich wieder wie gewohnt zur Verfügung stehen werden.

    Wie es nach fünf Jahren um diesen Hochdruck steht, beantwortete eine dazu von Telepolis befragte Sprecherin nun nicht. Zur Auswahl steht die SEPA-Zahlung ebenso weiterhin, wie sie weiterhin nicht funktioniert.

    Und dies nicht nur bei Sparpreistickets, sondern nach einer durch Trial and Error bisher nicht entschlüsselten Häufigkeit auch bei anderen Tickets und Reservierungen.

    Warum die Bahn die gute alte Überweisung nicht akzeptiere oder wenigstens ein Guthabenkonto anbiete, das ja immerhin beim Stornieren von Tickets zwangsweise eingerichtet wird (denn eine Zahlungserstattung gibt es nicht), wollte die Sprecherin nicht sagen. Stattdessen:

    „Alternativ haben wir unser Zahlungsportfolio vor Kurzem um Apple Pay erweitert.“

    Der Ticketverkauf im Zug wurde bereits zum Jahreswechsel 2021/22 eingestellt. Seitdem kann man als spontan Reisender im Zug nur noch ein digitales Ticket selbst buchen – oder den Schwarzfahrerpreis später bei der Fahrpreisnacherhebungsstelle zahlen.

    Selbst wenn man argumentieren wollte, die nur noch selten genutzten On-Board-Käufe stünden in keinem Verhältnis zum Abrechnungsaufwand mit Barzahlungen bei einzelnen Schaffnern: Zum einen gab es schon lange die Möglichkeit der Kartenzahlung (zeitweise allerdings nicht mit der EC-Karte), zum anderen gibt es noch (!) eine Barkasse im Fernzug, nämlich im Bordbistro.

    Da inzwischen auch immer mehr Reisende mit dem „Komfort-Check-in“ quasi ihre eigenen Schaffner sind, kann der stetige Serviceabbau nur auf eine Reduktion des Zugbegleitpersonals hinauslaufen, das sich auf längeren Strecken ohne Haltebahnhof schon längst langweilt.

    Denn neue Serviceaufgaben, wie man sie etwa von Flugbegleitern kennt, nimmt nur ein verschwindend kleiner Teil des Bahnpersonals wahr.
    Kein Papier mehr

    Mit Corona verschwanden aus den ICE die gedruckten Tageszeitungen. Ohne jede Evidenz war dies seinerzeit mit einem Infektionsrisiko begründet worden. (Aber evidenz- wie sinnfrei wurden ja auch Züge desinfiziert ...)

    Nachdem das eigene Kundenmagazin mobil bereits als Druckwerk zurückgekehrt war, kündigte die DB auf Nachfrage im Oktober 2020 an:

    Ab dem 4.11. werden wir in der 1. Klasse auch wieder Zeitungen auf einzelnen Verbindungen anbieten. Auf anderen Verbindungen bleibt es weiterhin beim digitalen Zeitungsangebot im „ICE Portal“, das von den Kunden sehr gut angenommen wird.

    Die weitere Entwicklung war vorhersehbar: Zeitungen auf Papier gibt es inzwischen nirgends mehr, auch das eigene Magazin gibt es nur noch als Website.
    Hält nur zum Aussteigen

    Zu den besonderen Ärgerlichkeiten im Service-Rückbau gehört, dass Züge in ihren Zielorten mit mehreren Bahnhöfen nur noch zum Aussteigen halten (und in ihren Startbahnhöfen nur zum Einsteigen, was jedoch schwieriger zu kontrollieren ist).

    Für den Fernverkehr hatte die DB dies zunächst auf Anfrage wie folgt begründet:

    Fernzüge dienen dem Schnellverkehr zwischen den Städten. Nahverkehrs- und Verbundfahrkarten werden im Regelfall nicht anerkannt. Daher sind die Bahnhöfe am Zielort ausschließlich für den Ausstieg vorgesehen.

    Darauf angesprochen, dass diese Vorgabe aber auch bei Nahverkehrszügen anzutreffen ist, antwortete der Bahnsprecher:

    Wenn Regionalzüge nur zum Aussteigen halten, hat dies betriebliche Gründe. So soll im Einzelfall sichergestellt werden, dass die Pünktlichkeit und Anschlusssicherheit für diejenigen gesichert wird, die schon im Zug sind. Eine solche Maßnahme wird aber nur dann ergriffen, wenn für die anderen Fahrgäste eine entsprechende Alternative besteht.

    Die Wahrheit dürfte eine andere sein, die auch mehrere Schaffner unabhängig voneinander bestätigt haben: Man mag auf den letzten Metern keine Tickets mehr kontrollieren. Deshalb werden Menschen auch mit gültigem Ticket von der Nutzung eines vorhandenen Zugs ausgeschlossen.

    Entscheiden darf dies – siehe Teil 1 – das Bahnmanagement.

    Datenschutz

    Eine weitere Ärgerlichkeit ist die mit der Digitalisierung einhergehende Personalisierung von Fahrkarten. Nicht nur unter Datenschutzgesichtspunkten ist dies eine Ungeheuerlichkeit, schließlich war das anonyme Reisen gängige Praxis und eine Personalisierung ist auch als Zahlungsnachweis schlicht nicht notwendig.

    Ein personalisiertes Ticket ist nicht übertragbar, was die Entscheidung verlangt: Reisen oder der Bahn für eine Null-Leistung Geld schenken. Dieses offenkundig lukrative Geschäftsmodell hat die DB gerade nochmals erweitert: auch in Verkaufsstellen erworbene Tickets müssen nun personalisiert werden.

    Zeitkarten (Monats- und Jahrestickets) gibt es schon seit 2023 – außer für Schüler – nur noch als Handy-Ticket. Wer in diese Veränderung seines Abonnements nicht einwilligen wollte, wurde gekündigt.

    Da künftig auch Bahn-Cards nur noch digital angeboten werden und die Plastikkarte abgeschafft wird, droht auch den Bahn-Card-100-Inhabern die totale Überwachung ihres Reiseverhaltens.

    Noch ist zwar laut DB nicht ausgemacht, welche Daten dann erhoben und gespeichert werden, aber alles spricht dafür, dass sie sich diesen attraktiven Datenfundus nicht entgehen lassen wird.

    Als nächste Stufe darf man dann schon mal für alle Dauerkarten an neue Flat-Rate-Modelle denken, die wie bei Internet-Tarifen eben keine unbegrenzte Nutzung mehr erlauben, sondern nur noch ein vorher gekauftes Volumen umfassen.
    Versteckte Preiserhöhungen

    Den kontinuierlichen Leistungsabbau kann man auch als versteckte Preiserhöhungen sehen. Am offensichtlichsten war dies mit der Streichung der in 1. Klasse Tickets enthaltenen Sitzplatzreservierung bei Sparpreisen. Sie kostet nun 5,90 EUR pro Strecke, was je nach Buchungstermin einer Gesamtpreiserhöhung von 10 bis 20 Prozent entspricht.

    Bei der Bahn-Card 100 wurde der ursprünglich täglich mögliche Gepäcktransport per Hermes auf zwei Gepäckstücke pro Monat limitiert und dann ganz abgeschafft.

    Als für alle übrigen Bahnkunden mit dem 9-Euro-Ticket das Chaos mit den vielen Verkehrsverbünden aufgehoben wurde, blieb die Nutzung der Bahn-Card-100 auf ausgewählte City-Zonen beschränkt. Begründung der DB: Die Bahn-Card-100 sei ein Angebot des Fernverkehrs, nicht des Nahverkehrs.

    Dass die meisten Menschen nicht nur von Bahnhof zu Bahnhof, sondern von einer Adresse zu einer anderen wollen, begreift die Bahn bis heute nicht.
    Problem: Fahrgast

    Natürlich kann man auch Positives zur Bahn sagen. Die Züge sind überwiegend sauber und gegen den ein oder anderen ungehobelten Fahrgast ist eben kein Kraut gewachsen. Das Zugpersonal ist in der Regel freundlich, sein Auftreten etwas weniger von oben herab als zur Zeit der ausschließlichen Beamtenbahn.

    Wie auch für Verschmutzungen sind für Unfreundlichkeiten häufig Reisende verantwortlich. Nicht nur, weil sich einzelne schlicht unverschämt benehmen. Sondern auch, weil jede Abweichung vom Protokoll heute zu einer Beschwerde führt, vorzugsweise in den sozialen Medien.

    Eine flapsige Zugdurchsage genügt, dass sich irgendein Denunziant berufen fühlt, den digitalen Pranger zu benutzen und auf Konsequenzen für den Mitarbeiter zu hoffen.

    Doch ob Preisgestaltung, Service oder Entscheidungen über Prioritäten: Das entscheidende Problem der Bahn ist ihre wirtschaftliche statt demokratische Steuerung. Wie sollten Bahnhöfe aussehen? Sind gepflegte Bahnsteige in Pusemuckel oder eine häufigere Taktung der Zugverbindungen wichtiger?

    Wie viel Komfort darf es in einem Zug sein (zur Erinnerung: vom ICE 1 bis zum ICE 4 wurde die Zugbreite und damit das Platzangebot stetig verringert, nur Flixtrain quetscht seine Fahrgäste noch enger aneinander).

    Bei einem Unternehmen, das zu 100 Prozent dem Staat gehört und damit den verpönten Namen „volkseigener Betrieb“ tragen dürfte, ist es nicht hinzunehmen, dass ein bestens vergütetes Management, das die Folgen seines Handelns am wenigsten zu tragen hat, quasi nach Gutsherrenart entscheiden kann.

    Da von der Bahn alle betroffen sind und keineswegs nur ihre Nutzer, denken wir an Anwohner viel befahrener Strecken und Steuerzahler, die aus welchen Gründen auch immer niemals die DB nutzen, ist eine Beteiligung von einzelnen Interessengruppen nicht ausreichend.

    Es braucht einen Bürgerbeirat, der alle Perspektiven vertritt.

    #Allemagne #voyage #train #transport #privatisation #surveillance #chemins_de_fer

  • Deutsche Bahn : Preise rauf, Service runter
    https://www.telepolis.de/features/Deutsche-Bahn-Preise-rauf-Service-runter-9584729.html?seite=all

    J"aime voyager en train mais le développement des tranports ferroviaires allemands m’obligera à choisir d’autres moyens de transport pour les trajets qui ne sont pas inclus dans mon ticket de 49 Euros.

    2.1.2024 von Timo Rieg - Wer wundert sich über die Preisgestaltung der Tickets? Über Management und Entwicklung einer Institution, der die demokratische Steuerung fehlt. (Teil1)

    Zum großen Fahrplanwechsel vor fünf Jahren haben wir Nervigkeiten und Schwachstellen der Deutschen Bahn ausführlich beleuchtet. Wie hat sich das Unternehmen seitdem entwickelt?

    Das Grundproblem ist weiterhin die fehlende demokratische Steuerung der Bahn. Sie ist als Aktiengesellschaft mit Hunderten von Einzelbetrieben organisiert, der Bund als Alleineigentümer kann ins Alltagsgeschäft nicht reinregieren, sondern nur über seine Sitze im Aufsichtsrat bestimmte Weichen stellen.

    Die Bürger, denen das Unternehmen eigentlich gehört und die es allesamt wenigstens indirekt über unvermeidliche Steuern wie die Mehrwertsteuer mitfinanzieren, haben nichts zu entscheiden.
    Fahrpreise weiterhin willkürlich

    Wer sich etwa über die Preisgestaltung der Tickets wundert, angefangen von undurchschaubaren Sparpreisangeboten bis hin zur kostenlosen Kindermitnahme in der ersten Klasse und der kostenpflichtigen Beförderung auch kleinster Hunde (die nicht in eine Box gesperrt sind), muss nicht nach dem demokratischen Bürgergremium suchen, das sich dies ausdenkt.

    „Das Preismanagement wird bei der DB Fernverkehr AG auf Vorstandsebene entschieden“, sagt ein Bahnsprecher und ergänzt auf Nachfrage, auch die teilweise kostenlose Reise von Kindern sei „der DB nicht vorgegeben worden, sondern eine eigenständige Entscheidung des Managements der DB Fernverkehr AG“.

    Dabei legt das Management immer mal neue Regeln fest – obwohl die Kosten letztlich einzelne Fahrgäste oder – durch die diversen staatlichen Zuschüsse – die Bürger insgesamt zu zahlen haben. So waren vor fünf Jahren nur eigene Kinder und Enkelkinder bis 14 Jahren kostenlos, inzwischen kommt es auf Abstammung oder Adoption nicht mehr an.

    Geblieben ist aber: Allein reisende Kinder ab 6 Jahren müssen wie Hunde den 50 Prozent-Preis zahlen. Dabei wissen Vielfahrer: Kinder fallen vor allem durch ihre Eltern bzw. deren Interaktion mit ihnen auf. Dass es sittsamer zuginge und daher preislich zu begünstigen wäre, wenn Kinder ältere Begleiter bei sich haben, ist nicht offensichtlich.
    Schreibtischmanagement

    Ein sich an die mangelnde demokratische Erdung der Bahn anschließendes Grundproblem sind die unzähligen Schreibtischentscheidungen des Managements. Die treffendste Aussage dazu gab einmal ein ICE-Schaffner, auf den Ausfall einzelner Halte seines Zugs an bestimmten Wochentagen angesprochen:

    „Das haben sich studierte Leute überlegt, da müssen Sie die fragen – ich weiß es nicht.“

    Wer dieses Schreibtischmanagement körperlich besichtigen möchte, schaue sich die Toiletten der verschiedenen Zuggattungen im deutschen Schienennetz an. Die erste Feststellung wird sein: Jeder Zugtyp hat seinen eigenen Toilettentyp.

    Auch 220 Jahre nach Einführung der Dampflokomotive als Beginn der Bahnzeit scheint das optimale Klo für die Schiene noch nicht gefunden. Und so darf der Fahrgast mit jedem neuen Zug gespannt sein, was sich das Management wieder neues ausgedacht hat.

    Für die Schreibtischgenese spricht u.a. der Winkel eines hochgeklappten Toilettensitzes, der keineswegs bei den ältesten Modellen so gewählt ist, dass er mitten während der Benutzung als Pissoir (das es als eigenständiges Angebot bis heute nicht gibt) zurück auf die Metallschüssel fällt. Entsprechend sieht es an diesen Örtchen dann aus.

    Selbst die Haltevorrichtung für Toilettenpapier wird jedes Mal neu erdacht – die in vielerlei Hinsicht kurioseste Form findet sich im aktuellen ICE 4.

    Eine demokratische Bahngestaltung, die gerade nicht auf Mehrheitsentscheid und das damit verbundene Dogma vom „one size fits all“ setzt, würde etwas Vielfalt anbieten, weil Menschen vielfältig sind.

    Verschiedene Toiletten, verschiedene Sitze, unterschiedliche Beleuchtungen, kleine und große Abteile. Doch Vielfalt ist bei der Bahn nicht vorgesehen. Das Management entscheidet, was für alle gut ist – und dies bei jedem neuen Zug, bei jedem umgestalteten Bahnhof aufs Neue.
    Selbstgeschaffene Probleme

    So schafft sich die DB viele Probleme selbst, weil sie meint, zentralistisch die Wünsche und Anforderungen aller Transportgüter einheitlich regeln zu können.

    Für die weitverbreitete Unzufriedenheit sind nicht Wind und Wetter verantwortlich, nicht der umgestürzte Baum oder die eine technische Störung an einem Zug, sondern die Unflexibilität des ganzen Unternehmens.

    (Die lautstark über eine 10-minütige Verspätung meckernden Fahrgäste mit der Parole „Das war das letzte Mal, dass wir die Bahn genommen haben“, sind fast ausnahmslos Seltenst-Fahrer, die einmal den inkludierten Fahrschein ihrer Flugreise nutzen wollten oder aus Gründen, über die wir nicht spekulieren wollen, ausnahmsweise auf die Bahn angewiesen waren.)

    Beispielsweise vermisst man regelmäßig eine Kosten-Nutzen-Abwägung der Bahn, die stattdessen durch Prinzipien ersetzt wird. Wenn ein möglicher Anschlusszug auf einen verspäteten Fernzug warten soll, mag das tatsächlich kompliziert sein.

    Schließlich sitzen in dem Zug, der durch seine spätere Abfahrt selbst eine Verspätung erhalten wird, ebenfalls Menschen, die Anschlüsse brauchen – oder schlicht pünktlich zur Arbeit oder einem Termin kommen wollen.

    Angesichts der rechtlichen Entschädigungsansprüche wird dies aber manchmal betriebswirtschaftlich und damit auch demokratisch wieder fragwürdig, wenn dutzende bis Hunderte von Fahrgästen mit Taxis durchs Land gefahren werden müssen, weil die letzte Regionalbahn keine fünf Minuten warten konnte.

    Polizei gegen Schwarzfahrer

    Manche Verspätung über 60 Minuten, die dann eine Fahrpreiserstattung von 25 Prozent für alle Reisenden (mit erheblichem Aufwand für alle Beteiligten) begründet, entsteht allein, weil ein einzelner Fahrgast nach Ansicht des Schaffners kein gültiges Ticket besitzt.

    Daten dazu will die DB nicht nennen und sagt auf Anfrage nur allgemein:

    „Der Zugführer entscheidet nach Ermessen über Ausschluss von Reisenden, in Fällen beispielsweise von starker Einschränkung des Reisekomforts von Mitreisenden, Verletzungsgefahr für Mitreisende, bei Beschädigung des Wagenmaterials, bei Mitführung von ausgeschlossenen Gegenständen.“

    So bleibt die anekdotische Evidenz, dass genau dies vorkommt: wegen einer einzelnen „Fahrpreisnacherhebung“, die den Einsatz der Bundespolizei erfordert, vergrößert sich die Zugverspätung auf über 60 Minuten, begründet Regressforderungen von Hunderten, bringt u.a. aufgrund der Blockierung des Gleises im Bahnhof auch den Fahrplan nachfolgender Züge durcheinander und verärgert schnell über tausend Reisende.

    Aber, wie sagte doch ein dazu befragter Schaffner:

    „Wenn wir das durchgehen lassen, macht es jeder, deshalb müssen wir da konsequent sein.“

    Wie oft kommt es nun zu Polizeieinsätzen wegen „Schwarzfahrern“? DB: „Hierzu liegen keine Daten vor.“

    Die Verspätungsbegründung „Notarzteinsatz am Gleis“ muss keinesfalls bedeuten, dass es zu einem schweren Unfall oder gar einem Suizidversuch gekommen ist. Es genügt, dass sich ein Fahrgast (nach Angabe von Mitreisenden) unwohl fühlt.

    Anstatt den Patienten aus dem Zug zu bringen, wartet die versammelte Zwangsgemeinschaft darauf, dass irgendwann zwei gelangweilte Sanitäter in den Zug kommen.

    Die Verspätung „wegen eines Polizeieinsatzes“ kann auch bedeuten – anekdotische Evidenz aus Leipzig –, dass die Polizei einen Drogenhändler gefasst zu haben glaubt, ihm aber – nach öffentlicher Leibesvisitation auf dem Bahnsteig – keinen Drogenbesitz nachweisen kann, weshalb alle Gleise abgesucht werden, ob der mutmaßliche Straftäter seine Ware dort irgendwohin geworfen haben könnte. Kosten-Nutzen-Ergebnis?

    Die Frage stellt man bei der Drogenprohibition schon lange nicht mehr (siehe die aktuellen Vorgaben zur teilweisen Freigabe von Cannabis-Besitz). Jedenfalls scheint nicht im Blick zu sein, dass in einem Zug, der wegen diesem oder jenem nicht weiterfahren darf, auch Menschen sitzen könnten, die für die Gesellschaft relevante Aufgaben zu verrichten haben - wenn sie denn mal an ihrem Ziel ankommen.
    Personen im Gleis

    Streckensperrungen wegen „unbefugter Personen im Gleis“ gehören ebenfalls in diese Reihe selbstgeschaffener Probleme. Jeder Brombeerpflücker in Sichtweite eines Lokführers scheint heute für diesen Alarm zu genügen, ganz egal, wie langsam die Strecke auch regulär befahren wird.

    Man stelle sich eine ähnliche Vorsichtsmaßnahme an Bundesstraßen vor. Oder gar bei Straßenbahnen, die mitten durchs städtische Menschengewimmel fahren.

    Wiederum aus eigener Beobachtung: Das verbotene Rauchen einer Zigarette auf der Zugtoilette kann zu einem sofortigen Zugstopp mit Polizei- und Feuerwehreinsatz führen – den letztlich natürlich der überführte Täter zu bezahlen hat.

    Dazu kommen kann es nur, weil die Bahn auf ihren stillen Örtchen bewusst Rauchmelder installiert hat, die - anders als die in Haushalten inzwischen verpflichtend anzubringenden – gerade auch auf Zigarettenrauch reagieren, und nicht nur auf Feuer oder Kohlenmonoxid.

    Ein Bahnsprecher schreibt dazu:

    „Die Rauchmelder in den Zugtoiletten sind mit einem Sensor ausgestattet, der bei Rauchentwicklung aller Art einen entsprechenden Warnhinweis an das Zugpersonal übermittelt. Damit entsprechen wir dem Sicherheitsbedürfnis unserer Fahrgäste.“

    Ob „Sicherheitsbedürfnis“ hier mit „Kontrollwahn“ verwechselt wird?

    Immerhin gab es Zeiten, da in Zügen auf Polstersitzen dicke Zigarren geraucht werden durften, und der Erinnerung nach gab es das ein oder andere kleine „Lagerfeuer“ im sehr üppig dimensionierten Aschenbecher, ohne dass die Sicherheit Mitreisender im Raucherabteil gefährdet werden konnte.
    Paternalismus

    Zu Problemen führt auch die Überbetreuung der Reisenden – man kann sie gelegentlich auch Entmündigung nennen. Selbstverständlich kann eine Zugtür außerhalb eines Bahnsteigs nicht geöffnet werden, selbst wenn das Gefährt bei brütender Sommerhitze wegen eines technischen Defekts, oder weil das Computersystem mal wieder resettet werden muss, ohne Klimaanlage zum Backofen wird.

    Am Bahnsteig wiederum darf der Zug nur betreten werden, wenn auch ausreichend Personal an Bord ist. Bis dahin steht man vor verschlossenen Türen.

    Auch dies dient der „Sicherheit unserer Fahrgäste“, wie eine Bahnsprecherin mitteilt, gilt aber – fast logischerweise – nur im Fernverkehr, da Regionalzüge regelmäßig ganz ohne oder allenfalls mit einem Schaffner bestückt werden. Wer die Wartenden im Falle eines Falles dann allerdings auf dem Bahnsteig an die Hand nimmt, ist ungeklärt.

    Ein letztes Beispiel für selbstgeschaffene Probleme der Bahn: die bereits erwähnten Klimaanlagen und ihre Notwendigkeit fürs Überleben. Da sich in keinem modernen Zug noch irgendein Fenster auch nur einen Spalt breit öffnen lässt, müssen Waggons komplett gesperrt werden, wenn die Klimaanlage ausgefallen ist. Denn damit ist auch die überlebenswichtige Luftzufuhr laut DB nicht mehr gewährleistet.

    Wo sie zwar noch pustet, aber nicht kühlt, wird aus Vorsorge vor dem Hitzekollaps dennoch der Wagen gesperrt, auch wenn wärmeaffine Reisende lieber dort sitzen als anderswo stehen würden. „One size fits all“ gilt auch hier.

    Zur Frage, wie man jemals auf die Idee kommen konnte, hermetisch abgeschlossene Züge in Betrieb zu nehmen, antwortete eine Schaffnerin reichlich genervt: „Das will ich nicht mehr diskutieren.“

    Zumindest vor einigen Jahren war die offizielle Antwort der Bahn noch, geöffnete Fenster könnten bei einer Begegnung mit einem entgegenkommenden Zug im Tunnel zu ungeheuren Druckschwankungen führen.

    Dass selbst ICE auf den meisten Strecken heute nicht schneller fahren als vor Jahrzehnten ein IC, Eilzug oder Interregio, und dass es neben dem Schiebefenster noch viele Möglichkeiten gäbe, Außenluft ohne Klimatisierung ins Wageninnere zu lassen, ignoriert die Bahn geflissentlich.

    #Allemagne #voyage #train #transport #privatisation #surveillance #chemins_de_fer

  • GPT-4 kostenlos nutzen : Microsoft Copilot für iPhone, iPad und Mac
    https://www.heise.de/news/GPT-4-kostenlos-nutzen-Microsoft-Copilot-fuer-iPhone-iPad-und-Mac-9585553.html

    Encore une offre « gratuite » où on paye avec ses données personnelles. Pourtant c’est tentant d’avoir les générateurs d’images et textes artificiels à sa disposition. Nous avons tellement pris l’habitude de’accepter des pactes avec le diable qu’on peut se permettre celui-ci aussi. On verra bien si c’est vrai.

    2.1.2024 von Malte Kirchner - Wenige Tage nach der Android-Version veröffentlichte Microsoft jetzt auch Copilot für iOS und iPadOS. Auch Mac-Nutzer können die App verwenden.

    Microsoft hat seine App Copilot jetzt auch für iOS, iPadOS und macOS veröffentlicht. Sie ist im App Store kostenlos verfügbar. Der KI-Chatbot erlaubt das Generieren von Texten unter anderem auch mit dem Large Language Model (LLM) GPT-4 – und das kostenlos und ohne Anmeldung. Von Interesse dürfte für einige sicherlich auch der Text-zu-Bild-Generator DALL-E3 sein, der integriert ist.

    Die Variante für Apple-Geräte folgte wenige Tage, nachdem Microsoft die App für Android-Geräte veröffentlicht hatte. Offiziell ist sie nur für iOS und iPadOS vorgesehen. Doch Microsoft lässt es zu, dass sie auch auf Macs mit Apple Silicon aus dem Mac App Store geladen werden kann. Dort gilt sie zwar als ungeprüft, funktionierte aber in unseren Tests einwandfrei.
    Bis zu 30 Antworten pro Thread

    Der zuerst Bing Chat genannte KI-Assistent ist auch ohne Anmeldung nutzbar. Dann allerdings sind pro Thread nur fünf Fragen und Antworten möglich. Das Erzeugen von Bildern ist nur nach Anmeldung möglich. Mit einem Microsoft-Account erhöht sich zudem die Zahl der Antworten pro Thread auf 30. Neben Texteingaben können auch Fotos und Spracheingaben zur Verarbeitung hochgeladen werden. Gegenwärtig lassen sich komplette Chatverläufe nicht sichern. Einzelne Antworten können kopiert werden.

    Microsofts Copilot gesellt sich im App Store zur offiziellen App ChatGPT von OpenAI, die aber nicht für den Mac bereitsteht. Zudem ist die Nutzung von GPT-4 bei ChatGPT nur mit einem kostenpflichtigen Plus-Abo möglich. Der Copilot wurde bereits auch in Windows, in Office-Anwendungen und weiterer Software integriert.

    #Microsift #intelligence_artificielle #service_gratuit

  • Die Kommunistische Partei Chinas ist die erfolgreichste politische Partei der Geschichte
    http://german.china.org.cn/txt/2022-10/27/content_78488110.htm


    Eine Patientin konsultiert am 11. April 2022 in einem provisorischen Krankenhaus im Shanghai World Expo Exhibition Center ein Ärzte-Team. (Foto : Liu Xiaojing/Xinhua)

    Qu’on soit d’accord avec le parti communiste de Chine ou non, on doit accepter la vérité de l’article suivant. Le PC de Chine est le parti politique le plus performant du monde.

    27.10.2022 von Carlos Martinez - Der XX. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas, der vom 16. bis 22. Oktober 2022 abgehalten wurde, gilt als Meilenstein in der Geschichte dieser Partei.
    ...
    Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, erklärte, dass China „die größte Errungenschaft der Armutsbekämpfung in der Geschichte“ vollbracht habe. Die Beseitigung der extremen Armut in einem Entwicklungsland mit 1,4 Milliarden Einwohnern – das zum Zeitpunkt der Gründung der Volksrepublik China im Jahr 1949 eines der ärmsten Länder der Welt war – ist zweifellos eine außerordentliche Leistung.

    Warum China? Warum hat gerade China und nicht ein anderes Land die umfassendste Armutsbekämpfung der Geschichte erfolgreich durchgeführt? Wie konnte China in nur 73 Jahren aus einem Zustand extremer Armut, Unterentwicklung und Rückständigkeit zu einem Land mit der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt aufsteigen, in dem die durchschnittliche Lebenserwartung seiner Bevölkerung die der Menschen in den Vereinigten Staaten übertrifft?

    Die Antwort liegt in Chinas politischem System, seiner revolutionären Geschichte und der Führung der KP Chinas – die sicherlich nach jedem vernünftigen Maßstab die erfolgreichste politische Partei der Geschichte ist. Was das moderne China ausmacht und die Grundlage für seinen Erfolg bildet, ist im Grunde das sozialistische System. Die Macht wird von den und im Auftrag der Menschen ausgeübt, nicht von einer kleinen Gruppe von Menschen, die Kapital besitzen und einsetzen. In kapitalistischen Ländern ist die Kapitalistenklasse die herrschende Klasse und verfügt über politische Mechanismen, die es ihr ermöglichen, ihre eigenen Interessen gegenüber denen der einfachen Menschen in den Vordergrund zu stellen.

    Die USA sind ein weitaus reicheres Land als China, da sie zwei Jahrhunderte früher industrialisiert wurden und ein globales imperialistisches System aufgebaut haben, über das sie weiterhin erhebliche wirtschaftliche Vorteile erzielen. Und doch können die USA ihrem Volk nicht die gleichen grundlegenden Menschenrechte garantieren, die die Menschen in China genießen. In den USA gibt es Hunderttausende von Obdachlosen; es gibt Millionen von Kindern, die in Armut leben; es gibt außerdem zig Millionen Menschen, die keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Diese Probleme werden schlimmer, nicht besser, weil die herrschende Klasse nicht bereit oder nicht in der Lage ist, die enormen Ressourcen zur Behebung der Probleme einzusetzen. Während sich das Leben der chinesischen Bevölkerung verbessert, leiden die Menschen in den USA, Großbritannien und vielen anderen Ländern unter der neoliberalen Sparpolitik.

    Pour comprendre quelques éléments de la politique du PCC l’article suivant est un bon point de départ.

    Socialism with Chinese characteristics (.中国特色社会主义 )
    https://en.m.wikipedia.org/wiki/Socialism_with_Chinese_characteristics

    Simplified Chinese
    中国特色社会主义
    Traditional Chinese
    中國特色社會主義
    Hanyu Pinyin
    Zhōngguó tèsè shèhuìzhǔyì

    Une fois qu’on a constaté le statu quo on doit analyser et critiquer la signification et les détails de cette politique, mais on doit être sur sales gardes. On n’obtiendra pas de résultats concluants sur la Chine et son parti communiste si on accepte la propagande occidentale (cad religieuse, capitaliste et impérialiste) comme source d’information.

    #Chine #politique #communisme #iatrocratie

  • Kastrationen gegen Bezahlung im Wohnzimmer ? 74-Jähriger aus Thüringen vor Gericht
    https://www.berliner-zeitung.de/news/kastrationen-gegen-bezahlung-im-wohnzimmer-74-jaehriger-vor-gericht

    Apparamment il n’est pas facile d’être un viel homme blanc. Ces dernières années on a vu plusieurs castrateurs passer devant la justice allemande après avoir proposé et pratiqué des solutions « maison » sans autorisation de l’ordre des médecins. Si ca continue comme ça il n’y aura bientôt plus de specimen de cette espèce, ils seront ou morts ou émasculés. Tant pis.

    4.1.2024 - Er soll Männern gegen Bezahlung in seinem Wohnzimmer unter anderem Hoden entfernt haben. Jetzt steht der 74-Jährige wegen dieser Eingriffe vor Gericht.

    Ein 74 Jahre alter Mann soll Kastrationen und andere operative Eingriffe gegen Bezahlung angeboten und durchgeführt haben – ohne medizinische Ausbildung. Deshalb muss sich der Mann aus dem thüringischen Sömmerda seit Donnerstag wegen schwerer Körperverletzung vor dem Landgericht Erfurt verantworten.

    Um die Opfer zu schützen, wurde die Anklage unter Ausschluss der Öffentlichkeit verlesen. In acht Fällen soll der 74-Jährige Eingriffe durchgeführt haben. Sieben Männer aus verschiedenen Regionen Deutschlands sollen betroffen sein, hieß es auf Nachfrage seitens der Staatsanwaltschaft. Angeklagt ist der 74-Jährige unter anderem wegen schwerer Körperverletzung, da die Betroffenen dauerhaft ihre Fortpflanzungsfähigkeit verloren haben sollen.

    Der Angeklagte soll seine Dienste in Internetforen angeboten und die Eingriffe im Wohnzimmer seiner Wohnung durchgeführt haben. Es soll dabei unter anderem um die Amputation von Hoden und Penis gegangen sein. Die betroffenen Männer sollen für die Eingriffe zwischen 500 und 2200 Euro gezahlt haben.

    Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Taten strafbar sind, auch wenn sich die betroffenen Männer selbst dazu bereit erklärt haben. Im Falle einer Verurteilung bewegt sich der Strafrahmen laut Staatsanwaltschaft zwischen drei und 15 Jahren.

    Bayern: Weiterer Senior bat „Kastrationen“ im Internet an

    Der Angeklagte selbst schwieg beim Prozessauftakt. Sein Verteidiger gab allerdings an, dass sich der Mann gegebenenfalls im weiteren Verhandlungsverlauf äußern werde. Unklar ist, wann der Prozess weitergeht. Der Angeklagte ist selbst krank und plant, sich einer Operation zu unterziehen.

    Die Eckdaten erinnern an einen Fall aus Bayern: Im Dezember 2021 wurde am Landgericht München II ein damals 67 Jahre alter Elektriker wegen schwerer, gefährlicher und einfacher Körperverletzung zu mehr als acht Jahren Haft verurteilt. Er hatte zugegeben, in Sadisten-Foren im Internet „Kastrationen“ angeboten zu haben. Mehrere Männer zahlten ihm demnach Geld dafür, dass er sie beispielsweise folterte und die Hoden entfernte. Einer der Männer starb nach dem Eingriff – woran, konnte das Gericht nicht mehr ergründen.

    #hommes #castration #wtf

  • Die faschistische Ideologie des israelischen Staats und der Genozid in Gaza
    https://www.wsws.org/de/articles/2023/12/20/pylj-d20.html

    Diesen Vortrag hielt David North, Leiter der internationalen Redaktion der World Socialist Web Site, am 14. Dezember 2023 an der Humboldt-Universität in Berlin.

    Wer an der Humboldt-Universität ankommt und die Eingangshalle des Gebäudes betritt, erblickt das berühmte Zitat von Marx: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern.“ Dieser grundlegende Aufruf von Marx sollte jeden Redner leiten, wenn er vor einer Versammlung spricht. Wie wird das, was er sagt, dazu beitragen, die Welt zu verändern?

    Zunächst möchte ich meinen Genossinnen und Genossen von der deutschen Sektion der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) dafür danken, dass sie mich eingeladen haben, heute Abend an der Humboldt-Universität zu sprechen. Soweit ich weiß, gab es gewisse Probleme bei der Festlegung des Vortragsthemas, und sie wurden darüber informiert, dass der Titel keinen Hinweis auf den derzeitigen Völkermord durch die israelische Regierung in Gaza enthalten darf. Nun, sie haben sich an diese Regel gehalten, und im Titel findet sich kein Hinweis auf dieses immens wichtige Ereignis. Diese offenkundige Einschränkung der Meinungsfreiheit ist Teil der Bestrebungen der deutschen Regierung, der Medien und der unterwürfigen akademischen Einrichtungen, Widerstand gegen die Verbrechen der Netanjahu-Regierung zu unterbinden und zu diskreditieren.

    Nachdem wir uns nun an die Auflagen zum Vortragstitel gehalten haben, werde ich dennoch über die Ereignisse in Gaza sprechen. Wie wäre es möglich, dies nicht zu tun?

    In den letzten zwei Monaten hat die Welt miterlebt, wie die israelische Regierung mit ungeheurer Brutalität Krieg gegen eine wehrlose Bevölkerung führt. Die Zahl der Todesopfer nähert sich der Marke von 20.000 oder hat sie vielleicht schon überschritten. Mehr als die Hälfte der Getöteten sind Frauen und Kinder. Die Gesamtzahl der Opfer beträgt ein Vielfaches dieser Zahl. In den ersten sechs Wochen dieses Krieges hat Israel 22.000 von den Vereinigten Staaten gelieferte Bomben auf Gaza abgeworfen. Das war nur in den ersten sechs Wochen, seitdem ist eine beträchtliche Zeitspanne vergangen. Um eine Vorstellung vom Ausmaß dieses Angriffs zu gewinnen, sollte man bedenken, dass der Gazastreifen insgesamt 365 Quadratkilometer groß ist, also weniger als die Hälfte der Fläche Berlins (891,3 Quadratkilometer).
    Aufsteigender Rauch nach einem israelischen Bombardement im Gazastreifen, 16. Dezember 2023 [AP Photo/Ariel Schalit]

    Die israelischen Streitkräfte verschonen keinen Teil des Gazastreifens und keinen Teil seiner Bevölkerung. Krankenhäuser, Schulen, Bibliotheken, Flüchtlingslager und andere öffentliche Gebäude werden bombardiert. Journalisten, Ärzte, Lehrer, Schriftsteller und Künstler werden gezielt ins Visier genommen. Der Mord an dem Dichter Refaat Al-Ar’eer ist nur das bekannteste Beispiel für die Tötungen, die auf Geheiß der israelischen Regierung verübt werden.

    Dieses Gemetzel muss gestoppt werden. Und alle, die für die Verbrechen gegen die Bevölkerung im Gazastreifen und gegen die gesamte palästinensische Bevölkerung, die unter der Besatzung lebt, verantwortlich sind, müssen gemäß den in den Nürnberger Prozessen von 1945–1946 aufgestellten Grundsätzen in vollem Umfang zur Rechenschaft gezogen werden. Und wenn es dabei nach mir ginge, würden sie die gleichen Strafen erhalten.

    Die Einschränkung für den Titel dieses Vortrags enthält ein Element der Ironie. Vor fast genau zehn Jahren, im Februar 2014, wurde ich von Sicherheitskräften daran gehindert, an einem Kolloquium teilzunehmen, auf dem der Geschichtsprofessor Jörg Baberowski hier an der Humboldt-Universität eine neue Biografie über Leo Trotzki vorstellen wollte, die Professor Robert Service von der Universität Oxford verfasst hatte. In der Einladung zu der öffentlichen Veranstaltung hieß es, dass Service die Fragen der Teilnehmer beantworten werde.
    Baberowski (olivfarbene Jacke, Hintergrund) und seine Sicherheitsleute versperren David North 2014 den Zutritt zu einem Kolloquium

    Services Trotzki-Biografie ist eine schamlose Geschichtsfälschung. Die Verleumdungen gegen Trotzki darin sind so eklatant, dass führende deutsche Historiker öffentlich dagegen protestierten, weshalb die deutsche Ausgabe erst mit einem Jahr Verzögerung erscheinen konnte.

    Einer meiner Einwände gegen Services Biografie, die ich in mehreren Rezensionen detailliert dargelegt habe, bezog sich auf die antisemitischen Stereotypen, deren sich der britische Historiker in seiner Denunziation von Trotzki ausdrücklich bediente. Dazu gehörten unter anderem Anspielungen auf die Form von Trotzkis Nase und die Änderung seines russischen Vornamens von „Lew“ in „Leiba“ – eine jiddische Variante, die ausschließlich von antisemitischen Feinden des jüdischstämmigen Trotzki verwendet wurde.

    Wie sich bald herausstellte, beruhte das Bündnis der Professoren Baberowski und Service auf einer gemeinsamen antikommunistischen Agenda. Genau an dem Tag, an dem ich von dem Kolloquium an der Humboldt-Universität ausgeschlossen wurde, brachte Der Spiegel in seiner neuesten Ausgabe einen langen Essay, in dem die Verbrechen der Nazis mit dem Argument gerechtfertigt wurden, dass Hitlers Politik eine legitime Antwort auf die „Barbarei“ der bolschewistischen Revolution gewesen sei.

    Neben anderen Interviewpartnern zitierte der Spiegel in diesem Beitrag auch Baberowski, der erklärte: „Hitler war kein Psychopath, er war nicht grausam. Er wollte nicht, dass an seinem Tisch über die Judenvernichtung geredet wird.“[1] Im Weiteren verteidigte Baberowski die nazifreundlichen Ansichten des inzwischen verstorbenen Professors Ernst Nolte, der damals Deutschlands führender Hitler-Apologet war.

    Während die Studierenden der Humboldt-Universität über die Aussagen im Spiegel entsetzt waren, stellten sich die Verwaltung der Humboldt-Universität und die Medien hinter Baberowski. Dies änderte sich auch nicht, nachdem ein deutsches Gericht entschieden hatte, dass Baberowski als Rechtsextremist bezeichnet werden darf. Baberowski genoss und genießt die uneingeschränkte Rückendeckung der Humboldt-Universität. Deshalb konnte er auch einen wissenschaftlichen Mitarbeiter an den Lehrstuhl für die Geschichte Osteuropas berufen, der vor seiner Berufung an die Humboldt-Universität an einer Neonazi-Demonstration gegen die Aufdeckung von Gräueltaten der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg teilgenommen hatte.

    Vor zehn Jahren wurde ich von der Teilnahme an einem Kolloquium an der Humboldt-Universität ausgeschlossen, weil ich beabsichtigte, die Fälschungen von Service und seine Verwendung antisemitischer Verunglimpfungen zu anzuprangern. Heute verbietet die Universität, die sich als unversöhnlicher Gegner des Antisemitismus aufspielt, im Namen der Bekämpfung des Antisemitismus die Erwähnung des Völkermords in Gaza.

    Ich erinnere an diesen Vorfall aus der nicht allzu fernen Vergangenheit, weil er beispielhaft ist für den Zynismus, die Heuchelei, die Demagogie und die hemmungslose Verlogenheit hinter der Kampagne, Opposition gegen Israels Angriff auf Gaza als „antisemitisch“ zu diskreditieren. Diese Verleumdung ist eine wichtige Waffe in den Bemühungen Israels und seiner imperialistischen Komplizen, all diejenigen einzuschüchtern und zu isolieren, die gegen den Völkermord an den Palästinensern protestieren.

    Plötzlich und von vielen überraschenden Seiten sind Kämpfer gegen Antisemitismus aufgetaucht. Letzte Woche wurden in den Vereinigten Staaten Universitätspräsidentinnen nach Washington D.C. vorgeladen, weil sie es versäumt hatten, angeblich antisemitische Proteste auf amerikanischen College-Campussen zu unterbinden. Angeführt wurde die inquisitorische Befragung von der Kongressabgeordneten Elise Stefanik, einer Republikanerin aus einem Bezirk im Bundesstaat New York. Sie wollte wissen, warum die Präsidentinnen der University of Pennsylvania, von Harvard, des Massachusetts Institute of Technology und anderer großer Universitäten Aufrufe zum „Völkermord“ dulden würden – worunter die Kongressabgeordnete jeden Studentenprotest versteht, der ein Ende des Apartheidregimes fordert, das den Palästinensern demokratische Rechte vorenthält.
    Die Abgeordnete Elise Stefanik, eine Anhängerin der faschistischen „Bevölkerungstausch-These“ und Unterstützerin des Aufstands vom 6. Januar 2021, ist auch eine führende Vertreterin der Behauptung, Antizionismus sei Antisemitismus [AP Photo/Mark Schiefelbein]

    Aber was sind die Referenzen von Frau Stefanik als Kämpferin gegen Antisemitismus? Sie ist eine bekannte Verfechterin der so genannten „Bevölkerungsaustausch-Theorie“, wonach die Juden die Vernichtung der weißen Christen planen, um die Weltherrschaft zu übernehmen. Mit anderen Worten, sie ist eine ausgewiesene Antisemitin, im klassischen Sinne des Wortes.

    Das Bündnis von Kräften der extremen Rechten mit dem israelischen Regime ist ein internationales politisches Phänomen. Wie ihr wisst, hat sich die Alternative für Deutschland (AfD), in der ein Politiker den Holocaust als „Vogelschiss“ in der Geschichte abtut, dem Kreuzzug gegen den Antisemitismus angeschlossen. Und würde er noch leben, würde sich zweifellos auch der Führer anschließen.

    Eine Delegation der ukrainischen Asow-Brigade, deren Kämpfer vielfach Nazi-Symbole als Tattoos tragen, besuchte im vergangenen Dezember Israel, um ihre Solidarität mit dem Netanjahu-Regime zu bekunden. All dies sind keine vereinzelten und abstrusen Zerrbilder ansonsten legitimer Bemühungen zur Bekämpfung des Antisemitismus. Vielmehr basiert die gesamte Kampagne auf einer Verfälschung der historischen Ursprünge und der politischen Funktion des Antisemitismus. Die aktuelle Kampagne steht für einen Prozess, den man als „semantische Umkehrung“ bezeichnen könnte. Hierbei wird ein Wort auf eine Weise und in einem Kontext verwendet, die das genaue Gegenteil seiner eigentlichen und seit langem akzeptierten Bedeutung sind.

    Durch die schiere Kraft der Wiederholung, verstärkt durch alle dem Staat und den Leitmedien zur Verfügung stehenden Mittel, wird die Bedeutung eines Begriffs grundlegend verändert. Das angestrebte Ergebnis dieser Verfälschung besteht darin, das politische Bewusstsein in der Bevölkerung zu senken und die Fähigkeit zur Erkenntnis der Realität zu mindern.

    Ein bezeichnendes Beispiel dafür, wie der Begriff „Antisemitismus“ zur Verfälschung der Geschichte, zur Verzerrung der politischen Realität und zur Desorientierung des öffentlichen Bewusstseins verwendet wird, findet sich in der jüngsten Ansprache des überaus redegewandten Robert Habeck, Vizekanzler der Ampel-Regierung in Berlin. In einer Schlüsselpassage erklärte dieser politische Tartuffe:

    Sorge macht mir aber auch der Antisemitismus in Teilen der politischen Linken und zwar leider auch bei jungen Aktivistinnen und Aktivisten. Anti-Kolonialismus darf nicht zu Antisemitismus führen.

    Kann jemand auch nur ansatzweise erklären, wie Anti-Kolonialismus einen antisemitischen Charakter annehmen soll? Habeck weiter:

    Insofern sollte dieser Teil der politischen Linken seine Argumente prüfen und der großen Widerstandserzählung misstrauen.[2]

    In dieser Passage offenbart sich der zentrale Zweck der semantischen Umkehrung des Wortes Antisemitismus. Ein Phänomen, das historisch mit der politischen Rechten assoziiert wurde, wird in ein zentrales Attribut der politischen Linken umgewandelt. Der reaktionäre Zweck dieses Verfälschungsverfahrens zeigte sich in der politischen Vernichtung von Jeremy Corbyn in Großbritannien. Ich bin kein Anhänger von Herrn Corbyn, dessen auffälligster politischer Charakterzug das Fehlen eines Rückgrats ist. Aber ungeachtet aller opportunistischen Sünden, die er begangen hat, ist der Vorwurf des Antisemitismus gegen Corbyn und seine Anhänger in der britischen Labour Party eine üble Verleumdung, die von seinen rechten Gegnern ausgeheckt wurde, um ihn politisch zu vernichten.

    Ein weiteres, noch schmutzigeres Beispiel für diese Verleumdung ist die bösartige Hexenjagd auf Roger Waters. Ein Künstler, der sein Leben und seine Kunst der Verteidigung der Menschenrechte gewidmet hat, wird in einer international orchestrierten Kampagne verfolgt, um ihn als Antisemiten abzustempeln. Hier in Deutschland, in Frankfurt und Berlin, wurden Versuche unternommen, seine Konzerte abzusagen. Und was ist die Motivation für seine Verfolgung? Roger Waters setzt sich für die demokratischen Grundrechte der Palästinenser ein und spricht sich gegen deren Unterdrückung aus.

    Die völlige Entkopplung des Begriffs „Antisemitismus“ von seiner eigentlichen historischen und politischen Bedeutung ist erreicht, wenn er gegen jüdische Menschen gerichtet wird, die zu Tausenden gegen die verbrecherische Politik des israelischen Regimes protestieren. Gegen sie wird ein besonders abscheulicher Ausdruck verwendet: „jüdischer Selbsthass“. Der Kern dieser Beleidigung besteht darin, dass Widerstand von Jüdinnen und Juden gegen die israelische Politik und gegen das gesamte zionistische Projekt nur als Ausdruck eines psychologischen Problems erklärt werden könne, einer pathologischen Ablehnung der eigenen Identität.

    Diese Diagnose geht von der Voraussetzung aus, dass das Judentum als besondere religiöse Identität vollständig im israelischen Staat und der nationalistischen Ideologie des Zionismus aufgegangen ist. Die religiöse Zugehörigkeit eines Individuums – die im Leben des einen oder anderen jüdischen Menschen eine geringe oder gar keine besondere Rolle spielen mag – wird mit einer enormen metaphysischen Bedeutung aufgeladen.

    Dieses ideologische Gebräu beruht nicht auf der Geschichte, sondern auf der biblischen Mythologie. Tatsächlich beruht die Legitimität des zionistischen Projekts auf der Behauptung, dass die Gründung Israels vor gerade einmal 75 Jahren die so genannte „Rückkehr“ des jüdischen Volkes nach 2.000 Jahren Exil in die ihm „von Gott versprochene“ Heimat seiner Vorfahren markiert.

    Dieser mythologische Unsinn entbehrt jeder Grundlage in der historischen Realität. Mehr als 350 Jahre sind vergangen, seit Spinoza in seiner theologisch-politischen Abhandlung die Behauptung widerlegt hat, der Pentateuch sei Moses von Gott diktiert worden. Die Bibel war das Werk vieler Autoren. Wie der Historiker Steven Nadler, eine Autorität in Sachen Spinoza, erklärt:

    Spinoza bestreitet, dass Moses die gesamte oder auch nur den größten Teil der Thora geschrieben hat. Die Verweise im Pentateuch auf Moses in der dritten Person, die Schilderung seines Todes und die Tatsache, dass einige Orte mit Namen benannt werden, die sie zur Zeit Moses nicht trugen, machen ‚ohne jeden Zweifel deutlich‘, dass die Schriften, die gemeinhin als ‚die fünf Bücher Mose‘ bezeichnet werden, in Wirklichkeit von jemandem geschrieben wurden, der viele Generationen nach Mose lebte.[3]

    Ausgehend von seiner Missachtung der Autorität der Bibel erzürnte Spinoza die oberste Geistlichkeit der Rabbiner von Amsterdam weiter und provozierte seine Exkommunikation, indem er die für das Judentum als Religion und den Zionismus als politische Ideologie zentrale Behauptung leugnete, die Juden seien das „auserwählte Volk“. Nadler schreibt:

    Wenn die Ursprünge und die Autorität der Heiligen Schrift heute in Zweifel gezogen werden, dann gilt das auch für ihre vollmundigen Behauptungen über die ‚Berufung‘ der Hebräer. Es ist ‚kindisch‘, so Spinoza, wenn jemand sein Glück auf die Einzigartigkeit seiner Gaben gründet; im Falle der Juden wäre es die Einzigartigkeit ihrer Auserwähltheit unter allen Menschen. In der Tat übertrafen die alten Hebräer andere Völker weder in ihrer Weisheit noch in ihrer Nähe zu Gott. Sie waren den anderen Völkern weder geistig noch moralisch überlegen.

    Spinozas Abtrünnigkeit war durch den rasanten Fortschritt der Wissenschaft im 17. Jahrhundert geprägt und im philosophischen Materialismus verwurzelt. Er ebnete den Weg für die fortschrittlichsten und radikalsten politischen Tendenzen. Damit zog er den Zorn der rabbinischen Hüter der Orthodoxie auf sich. Die Exkommunikation Spinozas wurde in einer Sprache verkündet, die in ihrer Schärfe ohne Beispiel war. Die Exkommunikation lautete auszugsweise:

    Verflucht sei er bei Tag und verflucht sei er bei Nacht; verflucht sei er, wenn er sich niederlegt, und verflucht sei er, wenn er sich erhebt. Verflucht sei er, wenn er hinausgeht, und verflucht sei er, wenn er hereinkommt. Der Herr wird ihn nicht verschonen, sondern dann wird der Zorn des Herrn und sein Eifer über diesen Menschen rauchen, und alle Flüche, die in diesem Buch geschrieben sind, werden auf ihm liegen, und der Herr wird seinen Namen auslöschen unter dem Himmel.[4]

    „Exkommunizierter Spinoza“, Gemälde von Samuel Hirszenberg, 1907 [Photo: Samuel Hirszenberg]

    Obwohl Spinoza auf diese Weise gebrandmarkt wurde, konnte sein Name nicht ausgelöscht werden. Der Einfluss seiner ketzerischen Ideen hat Jahrhunderte überdauert und wesentlich zur Entwicklung des aufklärerischen Denkens – einschließlich der als Haskala bekannten jüdischen Aufklärung – und ihrer revolutionären politischen Folgen im 18., 19. und sogar 20. Jahrhundert beigetragen.

    Die politische Theologie des heutigen Zionismus ist die extreme konterrevolutionäre Antithese und Zurückweisung der fortschrittlichen, demokratischen und sozialistischen Tradition, die sich aus dem an Spinoza und später am Marxismus angelehnten Denken von Generationen jüdischer Arbeiter und Intellektueller herleitet. Durch die Neuinterpretation des religiösen Mythos im Geiste eines extremen Nationalchauvinismus verleiht die zeitgenössische zionistische Theologie der Vorstellung des „auserwählten Volks“ einen durch und durch rassistischen und faschistischen Charakter.

    Die Tatsache, dass sich die israelische Regierung aus Parteien der extremen Rechten zusammensetzt, wird zwar weithin anerkannt, wird jedoch als nebensächliches Detail behandelt, das keinen besonderen Bezug zu den Ereignissen des 7. Oktober und der Reaktion des israelischen Staates hat. Der Einfluss einer apokalyptischen „Theologie der Rache“, die ausdrücklich die Vernichtung aller Feinde Israels fordert, auf die Politik der Netanjahu-Regierung wird in der politischen Berichterstattung über den Krieg praktisch nicht erwähnt.

    Eine zentrale Figur in der Entwicklung der „Theologie der Rache“ war Meir Kahane, der 1932 in Brooklyn geboren wurde und mittlerweile verstorben ist. Sein Vater, Charles Kahane, war ein Freund und Mitarbeiter von Zeev Jabotinsky, dem Führer eines erklärtermaßen faschistischen Flügels der zionistischen Bewegung. Meir Kahane wurde zunächst als Gründer der neofaschistischen Jewish Defense League (JDL) in den Vereinigten Staaten berüchtigt. Die JDL hatte es auf schwarze Organisationen in New York abgesehen, die Kahane als Bedrohung für die Juden verteufelte.

    1971 siedelte Kahane nach Israel über und gründete die vehement anti-arabische Kach-Partei. Seine Anhänger in den Vereinigten Staaten blieben aktiv. Die Workers League, die Vorgängerin der Socialist Equality Party in den Vereinigten Staaten, wurde zur Zielscheibe der JDL, die 1978 in Los Angeles durch einen Bombenanschlag versuchte, eine vom Internationalen Komitee organisierte Vorführung des Dokumentarfilms „The Palestinian“ zu stören.
    Meir Kahane im Jahr 1984 [Photo: Gotfryd, Bernard]

    Kahanes Rolle und Einfluss in Israel wird in einem Essay mit dem Titel „Meir Kahane and Contemporary Jewish Theology of Revenge“ analysiert, der 2015 veröffentlicht wurde. Die Autoren sind zwei israelische Wissenschaftler, Adam und Gedaliah Afterman. Sie erklären, dass die Theologie Kahanes

    um die Behauptung kreiste, dass der Staat Israel von Gott gegründet wurde, als Racheakt gegen die Ungläubigen für deren Verfolgung der Juden, insbesondere für die systematische Ermordung der Juden während des Holocausts.

    Kahanes Kach-Partei forderte die Annexion aller im Krieg von 1967 von Israel eroberten Gebiete und die gewaltsame Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung. Kahane wurde 1984 in die Knesset, das israelische Parlament, gewählt. Die Kach-Partei wurde bei den Wahlen von 1988 verboten, doch ihr Einfluss dauerte an, obwohl Kahane im Jahr 1990 während einer Reise nach New York ermordet wurde.

    Das Essay der Aftermans fasst die drei Grundpfeiler von Kahanes Rachetheorie zusammen.

    Erstens:

    Das Volk Israel ist ein kollektives mythisches Wesen, das ontologisch in der Göttlichkeit verwurzelt ist und sich seit frühesten Tagen zusammen mit Gott einem mythischen Feind gegenübersah. Dieser mythische Feind, „Amalek“, wird im Laufe der jüdischen Geschichte durch verschiedene tatsächliche Feinde verkörpert, und die verschiedenen Verfolgungen und Qualen, die die Juden im Laufe der Geschichte erlitten haben, sind Ausdruck ein und desselben mythischen Kampfes. Darüber hinaus gibt es einen ontologischen Unterschied zwischen der mythischen Nation Israel und den Ungläubigen, insbesondere den Feinden Israels. Der ontologische Unterschied zwischen der jüdischen und der nichtjüdischen Seele setzt den jüdischen Grundsatz außer Kraft, dass die gesamte Menschheit nach dem Bild Gottes geschaffen wurde. Der Glaube, dass Nichtjuden minderwertig seien und die dämonischen Mächte der Geschichte verkörpern, rechtfertigt tödliche Gewalt und Racheakte.

    Zweitens:

    ...Daher, so die Argumentation, trägt das Volk Israel eine religiöse Pflicht, alle möglichen Mittel einzusetzen, um sich an seinen gemeinsamen Feinden zu rächen und seinen gemeinsamen Stolz und Status zu rehabilitieren. Ob sie sich dessen bewusst sind oder nicht, die Palästinenser und andere Kräfte, die Israel bekämpfen, sind Teil eines mythischen, religiösen Kampfes, der die Zerstörung des Volkes Israel und seines Gottes zum Ziel hat. Diese Faktoren erlauben den Einsatz aller Mittel, um die Feinde zu besiegen.

    Drittens:

    Die Gründung des Staates Israel im Jahr 1948, kurz nach dem Holocaust, muss einem einzigen Zweck dienen: die erlösende Rache an den Ungläubigen zu ermöglichen. Die Gründung des modernen jüdischen Staates im historischen Land Israel ist eher ein Instrument, den Erlösungsprozess in Gang zu setzen, als ein Ergebnis oder ein Zeichen eines solchen Prozesses.

    Die drei Säulen zusammenfassend, erklären die Aftermans:

    ...Kahane argumentiert, dass die Ausübung von Rache an dem metaphysischen Feind ‚Amalek‘ (feindliche Ungläubige) von grundlegender Bedeutung ist, um Gott und sein Volk zu erretten, die beide infolge des Holocausts beinahe umgekommen wären. Die Gründung des jüdischen Staates mit seiner institutionalisierten Macht und militärischen Stärke sollte nach Kahanes Ansicht in den Dienst der Erlösung versprechenden Rache gestellt werden. Kahane geht so weit, dass er Racheakte auch an unschuldigen Menschen mit dem Argument rechtfertigt, sie gehörten zum mythischen Feind, der als Voraussetzung für die Erlösung Israels und seines Gottes ausgerottet werden müsse. Seiner Ansicht nach ist der Verlust von unschuldigem Leben, wenn nötig, ein gerechtfertigtes Opfer.[5]

    Kahane interpretierte die Doktrin des „auserwählten Volkes“ so, dass jegliche Verbindung mit traditionellen westlichen Werten völlig abgelehnt wird. In seinem Buch Or Ha’Raayon schrieb er:

    Dies ist ein jüdischer Staat. Er verneigt sich vor dem Judentum und widerspricht ihm nicht. Er handelt nach jüdischen Werten und jüdischen Geboten, auch wenn diese dem Völkerrecht und der Diplomatie widersprechen, auch wenn sie im Gegensatz zum normalen westlichen und demokratischen Lebensstil stehen; dies ist so, auch wenn es seine Interessen gefährdet und ihn von den zivilisierten Nichtjuden zu isolieren droht … Die Aufgabe des Judentums ist es, getrennt, einzigartig, anders und auserwählt zu sein. Dies ist die Rolle des jüdischen Volkes und seines Instruments, des Staates … Wir haben keinen Anteil an den normierten Werten der Nationen. Assimilation beginnt nicht mit Mischehen, sondern mit dem Kopieren und Übernehmen fremder Werte, fremder und nicht-jüdischer Begriffe und Ideen.

    Kahanes Theorie der Rache wurde im Hebräischen mit dem Konzept dessen identifiziert, was er Kiddusch Haschem nannte. Er schrieb:

    Eine jüdische Faust im Gesicht einer verblüfften ungläubigen Welt, die sie seit zwei Jahrtausenden nicht mehr gesehen hat, das ist Kiddusch Haschem. Jüdische Herrschaft über die christlichen heiligen Stätten, während die Kirche, die unser Blut gesaugt hat, ihre Wut und Frustration erbricht – das ist Kiddusch Haschem.

    Tatsächlich kann man Kahanes Kiddusch Haschem – trotz seiner halbherzigen Beschwörung einer angeblich einzigartigen jüdischen Philosophie – als eine hebräischsprachige Variante der Philosophie von Adolf Hitlers Mein Kampf bezeichnen, wobei der Hauptunterschied darin besteht, dass Kahanes hasserfüllte und rassistische Hetzschrift auf Hebräisch von rechts nach links und nicht von links nach rechts geschrieben wurde.

    Kahanes Einfluss blieb auch nach seiner Ermordung in dem zunehmend reaktionären politischen Umfeld Israels bestehen. Am 25. Februar 1994 ermordete einer von Kahanes Studenten, Baruch Goldstein, bei einem Anschlag auf eine Moschee in Hebron 29 Palästinenser und verwundete 150 weitere. Dieses Verbrechen wurde von Kahanes Anhängern gepriesen – darunter der äußerst einflussreiche Rabbiner Yitzchak Ginsburgh, der verkündete, dass der von Goldstein verübte Massenmord ein Akt des Kiddusch Haschem sei.

    Was hat das nun mit heute zu tun? Itamar Ben-Gvir, der Führer der fremdenfeindlichen Partei Otzma Jehudit, ist jetzt Minister für nationale Sicherheit in Netanjahus Koalitionsregierung. Er war Mitglied der Kach-Partei, bevor diese verboten wurde. Er ist nach wie vor ein entschiedener Verfechter der faschistischen Theologie und Politik von Meir Kahane. Im April dieses Jahres hielt Ben-Gvir – flankiert von einem Sicherheitsdienst aus dem Büro des Ministerpräsidenten – eine Rede, in der er sowohl Kahane als auch Baruch Goldstein lobte.
    Präsident Joe Biden (links) und der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu auf dem internationalen Flughafen Ben Gurion, Tel Aviv, 18. Oktober 2023 (AP Photo/Evan Vucci)

    Seit Beginn des Krieges kommt es immer häufiger vor, dass israelische Führer sich auf Kahanes Doktrin der Rache berufen. Letzten Monat erklärte Netanjahu in einer öffentlichen Rede: „Ihr müsst euch daran erinnern, was Amalek euch angetan hat, sagt unsere Heilige Bibel. Und wir erinnern uns.“ Die Tragweite von Netanjahus Verweis auf Amalek wurde in einer Erklärung des israelischen Verteidigungsministers Yoav Gallant deutlich gemacht: „Wir kämpfen gegen menschliche Tiere, und wir handeln entsprechend. Wir werden alles eliminieren – sie werden es bereuen.“ Seit Beginn des Krieges haben führende israelische Politiker zahlreiche Erklärungen gleichen Inhalts abgegeben, die in den genozidalen Taten der israelischen Regierung und des Militärs ihren Ausdruck gefunden haben.

    Inmitten der Verbrechen, die das israelische Regime begeht, gibt es keine größere und heimtückischere Lüge als die Behauptung, dass Widerstand gegen den Zionismus antisemitisch sei und sein müsse. Diese Lüge wird durch die lange Geschichte der Opposition gegen den Zionismus vor 1948 widerlegt. Zigtausende jüdische Arbeiter und Intellektuelle leisteten diesen Kampf über mehrere Generationen hinweg und wiesen den auf einem Mythos beruhenden Ruf nach einer Rückkehr nach Palästina zurück.

    Die Opposition gegen den Zionismus wurde mit größter politischer Klarheit von der sozialistischen Bewegung zum Ausdruck gebracht, die den politisch reaktionären Charakter der Perspektive, einen jüdischen Staat in Palästina zu errichten, erkannte und verurteilte. Man verstand, dass dieses Projekt ein kolonialistisches Unterfangen war, das nur im Bündnis mit dem Imperialismus und auf Kosten der palästinensisch-arabischen Bevölkerung verwirklicht werden konnte, die seit 2.000 Jahren in diesem Gebiet lebt.

    Darüber hinaus strebte die große Mehrheit der Jüdinnen und Juden in ihrem Kampf gegen die traditionelle religiöse Verfolgung und den seit dem späten 19. Jahrhundert aufkommenden politischen Antisemitismus nach politischer und sozialer Gleichberechtigung innerhalb der Länder, in denen sie lebten. Das war vor allem in Deutschland eine wahrhaftige Tatsache. Sie wollten Teil der Massenbewegung gegen Unterdrückung sein. Bei den politisch bewusstesten Teilen der jüdischen Jugend, der Arbeiter und Intellektuellen führte dieses Streben dazu, dass sie aktiv an der sozialistischen Bewegung teilnahmen.

    Die heutige Behauptung, wonach der Zionismus der notwendige und wahre Ausdruck der jüdischen Identität sei, entbehrt jeder historischen Grundlage. Das Fortbestehen demokratischer Überzeugungen und ein Mitgefühl für die Unterdrückten, das in der Erfahrung antisemitischer Vorurteile und Verfolgung wurzelt, kommt auch in der großen Zahl jüdischer Jugendlicher zum Ausdruck, die sich an den Demonstrationen gegen den israelischen Angriff auf die Bewohner des Gazastreifens beteiligen.

    Aller Propaganda zum Trotz wecken die Bilder der Massentötung wehrloser Palästinenser zwangsläufig historische und familiäre Erinnerungen an das Schicksal der Juden unter den Händen der Nazis. Der Krieg gegen die Bevölkerung des Gazastreifens ruft damit nicht nur ein Gefühl der Solidarität mit den Opfern der israelischen Gräueltaten hervor, sondern auch tiefen Zorn, dass die Tragödie des Holocausts für die Rechtfertigung dieses Krieges missbraucht wird.

    Natürlich werden die Zionisten und ihre Apologeten behaupten, dass alles, was ich gesagt habe, nur ein Beweis für meinen eigenen tief verwurzelten Antisemitismus ist, den sie – wie ich bereits erklärt habe – als ein in der sozialistischen Bewegung weit verbreitetes Vorurteil bezeichnen. Je weiter links jemand steht, je nachdrücklicher er oder sie sich gegen Kapitalismus und Imperialismus ausspricht, desto unversöhnlicher ist die Ablehnung des jüdischen Staates und damit der Antisemitismus dieser Person.

    Diese Behauptung ist ebenso absurd wie politisch reaktionär. Da ich seit mehr als einem halben Jahrhundert in der sozialistischen Bewegung aktiv bin, bin ich persönlich wahrhaftig nicht verpflichtet, auf die Behauptung zu antworten, dass ich oder meine Genossen in der trotzkistischen Bewegung Antisemiten seien. Wie man so schön sagt, spricht meine Laufbahn für sich selbst.

    Doch leider trifft das nicht immer zu. Der Vorwurf des Antisemitismus erfordert, dass der politische Werdegang der angegriffenen Person ignoriert und verzerrt werden muss.

    Daher werde ich zum ersten Mal auf diesen Vorwurf reagieren, indem ich meiner bekannten öffentlichen politischen Bilanz Informationen über meinen persönlichen Hintergrund hinzufüge. Da ich nun ein eher fortgeschrittenes Alter erreicht habe und in etwas mehr als einem Jahr meinen 75. Geburtstag feiern werde, halte ich die Zeit für gekommen, dies zu tun. Und zwar nicht, weil es irgendeine Wirkung auf die Verleumder haben würde, sondern weil es in meiner persönlichen Erfahrung Elemente gibt, die bei einer jüngeren Generation Widerhall finden und sie ermutigen könnten, ihren Kampf zur Verteidigung der Palästinenser und gegen alle Formen der Unterdrückung zu verstärken.

    Der prägende Faktor in der Entwicklung eines jeden Menschen ist das soziale und politische Umfeld seiner Zeit, das auf der grundlegendsten Ebene durch die sozioökonomischen Strukturen der Gesellschaft, in die er hineingeboren wurde, bestimmt wird. Die Persönlichkeit eines Menschen wird durch das geformt, was Marx als „Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse“ bezeichnet hat. Aber diese gesellschaftlichen Verhältnisse werden durch persönliche Erfahrungen gebrochen, sowohl durch eigene als auch durch solche, die durch Familie, Freunde, Lehrer, Bekannte usw. vermittelt werden.

    Ich bin ein Amerikaner der ersten Generation, geboren 1950. Der Ort meiner Geburt – ja, meine Existenz – wurde durch die Ereignisse bestimmt, die zum Zweiten Weltkrieg geführt hatten, der nur viereinhalb Jahre zuvor zu Ende gegangen war. Meine Eltern waren beide aus Europa geflohen, um der Verfolgung der Juden durch die Nazis zu entgehen. Meine Mutter Beatrice wurde am 18. Dezember 1913 in Wilmersdorf geboren – genau am selben Tag, an dem Herbert Frahm, auch Willy Brandt genannt, geboren wurde. Das Wohnhaus, in dem sie zur Welt kam, steht noch heute in der Konstanzer Straße. Ihr Vater – mein Großvater – nahm eine bedeutende Stellung im kulturellen Leben Berlins ein. Sein Name war Ignatz Waghalter. 1881 in Warschau in eine sehr arme Musikerfamilie hineingeboren, machte sich Waghalter im Alter von 17 Jahren auf den Weg nach Berlin, um eine ordentliche musikalische Ausbildung zu erhalten.
    Die Familie Waghalter 1889 in Warschau

    Mein Großvater war das 15. von 20 Kindern. Von diesen 20 Kindern starben 13 im Kindesalter, vier davon an einem Tag während der Typhusepidemie von 1888. Von den 20 Kindern überlebten sieben – vier Jungen und drei Mädchen. Mein Großvater war von frühester Kindheit an musikalisch sehr begabt. Im Alter von sechs Jahren trat er bereits im Warschauer Zirkus auf. Im Alter von acht Jahren schrieb und komponierte er eine Revolutionshymne, die so beliebt war, dass die Polizei nach dem Namen und der Identität des rebellischen Musikers forschte. Die Polizei war ziemlich schockiert, als sie feststellte, dass es sich um einen Achtjährigen handelte. Die Familie Waghalter hatte tiefe Wurzeln im revolutionären demokratischen Kampf des polnischen Volkes. Kürzlich entdeckte ich in einer Bibliothek einen revolutionären Marsch, den der Großvater meines Großvaters im Jahr 1848 komponiert hatte.

    Mein Großvater wollte eine echte Ausbildung erhalten. Er wollte nicht nur ein Wandermusiker sein, er wollte in die musikalische Welthauptstadt Berlin ziehen und lernen, wie man ein richtiger Komponist wird. Im Jahr 1897 wurde er mittellos über die Grenze geschmuggelt. Er lebte unter großen Entbehrungen, als der große Geiger und Freund von Johannes Brahms, Joseph Joachim, auf ihn aufmerksam wurde. Auf Joachims Empfehlung wurde mein Großvater in die Akademie der Künste aufgenommen. Im Jahr 1902 wurde seine Sonate für Violine und Klavier mit dem begehrten Mendelssohn-Preis ausgezeichnet. Zwei Jahre später wurde Ignatz‘ jüngerer Bruder Wladyslaw, der ihm nach Berlin gefolgt war, mit demselben Preis für seine Leistungen als Geiger ausgezeichnet.

    Nach dem Studienabschluss erhielt Ignatz eine Stelle als Kapellmeister an der Komischen Oper. Einige Jahre später folgte eine Berufung an das Essener Opernhaus. Der entscheidende Wendepunkt in seiner musikalischen Laufbahn kam jedoch 1912, als er zum Ersten Kapellmeister am neu erbauten Deutschen Opernhaus in der Bismarckstraße in Charlottenburg berufen wurde, heute als Deutsche Oper bekannt. Das ursprüngliche Gebäude wurde natürlich im Zweiten Weltkrieg zerstört und später wieder aufgebaut, befindet sich aber heute noch in derselben Straße. Wladyslaw Waghalter wurde zum Konzertmeister des neuen Opernhauses ernannt, das am 7. November 1912 mit einer Aufführung von Beethovens „Fidelio“ eröffnet wurde. Trotz des lautstarken Widerstands von Antisemiten und zahlreicher Morddrohungen dirigierte Ignatz Waghalter die Uraufführung.

    In den folgenden zehn Jahren behielt mein Großvater seine Position als Erster Kapellmeister am Deutschen Opernhaus. Drei seiner Opern, „Mandragola“, „Jugend“ und „Sataniel“, wurden am Opernhaus uraufgeführt. Waghalter war bekannt dafür, dass er sich für die Opern von Giacomo Puccini einsetzte, dessen Musik ein auf Richard Wagner fixierter Musikbetrieb zuvor abgelehnt hatte. Waghalter dirigierte im März 1913 die deutsche Uraufführung von Puccinis „La Fanciulla del West“ [Das Mädchen aus dem goldenen Westen], bei der Puccini selbst anwesend war. Es war ein Triumph, der Puccinis Ruf als großer Komponist in Deutschland begründete.
    Ignatz Waghalter mit Giacomo Puccini, Berlin, März 1913

    Während seiner langjährigen Tätigkeit am Deutschen Opernhaus hatte Waghalter mit antipolnischen und antisemitischen Vorurteilen zu kämpfen. Obwohl er selbst keine religiösen Rituale pflegte und keine Synagoge besuchte, weigerte sich Waghalter – im Gegensatz zu vielen anderen jüdischstämmigen Dirigenten – zum Christentum zu konvertieren. Der Gedanke, seine Religion zu wechseln, um seine Karriere zu fördern und sich damit den antisemitischen Vorurteilen anzupassen, war ihm zuwider.

    1914, bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs, erhielt Waghalter ein Dirigierverbot, weil er im Russischen Reich geboren war, mit dem sich das kaiserliche Deutschland im Krieg befand. Proteste des opernbegeisterten Publikums in Charlottenburg führten jedoch zu seiner Wiedereinstellung.

    Waghalter blieb am Deutschen Opernhaus, bis dieses 1923 inmitten der katastrophalen Inflationskrise in Konkurs ging. Er verbrachte ein Jahr in den Vereinigten Staaten als Leiter des New York State Symphony Orchestra. Anschließend kehrte er nach Deutschland zurück, wo er zum Generalmusikmeister der Filmgesellschaft UFA ernannt wurde. Eine Rückkehr an die Städtische Oper, wie das reorganisierte und wiedereröffnete Deutsche Opernhaus damals hieß, war für ihn jedoch nicht möglich.

    Die Machtergreifung Hitlers beendete seine Karriere und die seines Bruders als Musiker in Deutschland. Meine Mutter, damals noch keine 20 Jahre alt, hatte eine Vorahnung, dass das Dritte Reich Juden nicht nur die Karriere, sondern auch das Leben kosten könnte. Beatrice drängte ihre Eltern, Deutschland zu verlassen, ehe eine Flucht nicht mehr möglich sein würde. Sie folgten ihrem Rat und verließen Deutschland, reisten zunächst in die Tschechoslowakei und dann nach Österreich.

    Meine Mutter, eine hochbegabte Musikerin, blieb in Deutschland. Sie trat dem Jüdischen Kulturbund bei, wo sie als Sängerin in jüdischen Privathäusern in ganz Deutschland auftrat. Im Jahr 1937 erhielt sie ein Visum für die Einreise in die Vereinigten Staaten. Es gelang ihr, Einreisevisa auch für ihre Eltern zu besorgen. Meine Großeltern trafen im Mai 1937 in New York ein. Schon wenige Tage nach ihrer Ankunft initiierte Ignatz ein Projekt von historischer Bedeutung: die Gründung des ersten klassischen Musikorchesters, das aus afroamerikanischen Musikern bestand.

    Dieses radikale Projekt stieß in dem rassistischen Umfeld der damaligen Zeit auf erbitterten Widerstand. Waghalter lud häufig schwarze Musiker zu Proben in seine Wohnung ein. Dies führte dazu, dass eine Petition in Umlauf gebracht wurde, die von fast allen weißen Bewohnern des Appartementhauses unterzeichnet wurde, und in der sie forderten, Waghalter aus der Wohnung zu werfen , falls er dieses Gebahren fortsetzte.
    Ignatz Waghalter bei einer Probe mit dem Nego Symphony Orchestra. Rechts ein Artikel darüber: „Musik kennt weder Glaubensbekenntnis noch Nationalität“

    Mein Großvater wurde von der afroamerikanischen Zeitung von Baltimore interviewt. Er drückte die Überzeugung aus, die ihn zur Gründung des Symphonieorchesters inspiriert hatte: „Musik, die stärkste Festung der universellen Demokratie, kennt weder Hautfarbe noch Glaube oder Nationalität.“

    Trotz Waghalters immenser Bemühungen machte das reaktionäre Umfeld es unmöglich, das Orchester aufrechtzuerhalten. In den letzten zehn Jahren seines Lebens wurde Waghalter zusehends isoliert. Er verlor den Kontakt zu seiner Familie. Erst nach dem Krieg erfuhr er, dass sein Bruder Wladyslaw (der Deutschland nicht hatte verlassen können) 1940 nach einem Besuch im Gestapo-Hauptquartier plötzlich verstorben war. Seine Frau und eine Tochter kamen 1943 in Auschwitz ums Leben. In der Brandenburgerstraße 49, der Adresse, an der mein Großonkel Wladyslaw gewohnt hatte, sind Stolpersteine eingelassen, die an das Leben und den Tod Wladyslaws und seiner Familie erinnern.
    Stolpersteine für Wladyslaw Waghalter und seine Familie an der Brandenburgerstraße 49, Berlin

    Glücklicherweise gelang einer Tochter Wladyslaws, Yolanda, die Flucht. Sie schaffte es nach Südamerika, lebte in Peru, wo sie erste Geigerin im Symphonieorchester von Lima wurde. Ihr Sohn Carlos, mein Cousin zweiten Grades, lebt heute in New Orleans, und wir sind, praktisch seit wir erwachsen sind, eng befreundet. Ignatz‘ Bruder Joseph starb im Warschauer Ghetto. Zwei der drei Schwestern kamen ebenfalls in Polen ums Leben. Nur sein ältester Bruder, der große polnische Cellist Henryk Waghalter, überlebte den Krieg. Mein Großvater starb unerwartet im April 1949 in New York, im Alter von 68 Jahren.
    Portrait von Toni und Ignatz Waghalter, April 1949. Links: Nachruf der New York Times für Waghalter, 8. April 1949

    Während seines kurzen Exils in der Tschechoslowakei in den Jahren 1935–1936 schrieb mein Großvater seine Memoiren, die mit einem Bekenntnis seine Ideale als Künstler schließen. Er wusste, dass die Nazis eine tödliche Bedrohung für die Juden darstellten, aber er gab seiner Überzeugung Ausdruck, dass die Verbrecher des Dritten Reiches nicht über das ethische und moralische Engagement des jüdischen Volks für Gerechtigkeit siegen würden. Waghalter gab zu, dass er noch nicht wusste, wo er Zuflucht finden würde. Und so beendete er seine Memoiren mit den Worten:

    Wo immer es auch sein mag, ich möchte der Kunst und der Menschheit dienen, gemäß den Worten von Moses: „Du bist aus der Sklaverei befreit worden, um deinen Brüdern zu dienen.“

    Die Auffassung meines Großvaters von der jüdischen Ethik unterschied sich eindeutig von derjenigen, die in der Netanjahu-Regierung und dem heutigen zionistischen Staat vorherrscht. Er wäre entsetzt und erschüttert, wenn er wüsste, was im Namen des jüdischen Volks getan wird. Es gibt keine größere Verleumdung, kein größeres Geschenk an die wahren Antisemiten, als das jüdische Volk mit den Verbrechen in Verbindung zu bringen, die gegenwärtig jeden Tag gegen das unterdrückte palästinensische Volk begangen werden.

    Die Geschichte von meines Großvaters Leben und seiner Beziehung zu der Katastrophe, die das europäische Judentum überrollt hatte, war ein ständiges Gesprächsthema in meinem Elternhaus. Meine Großmutter, Ignatz‘ Witwe, die wir Omi nannten, lebte bei uns. Ich verbrachte unzählige Stunden in ihrem Zimmer, wo sie mir vom Leben in Berlin erzählte, von den Freundschaften mit so vielen großen Künstlern, davon, dass Giacomo Puccini sie in den Hintern gekniffen hatte, von all den Freunden, die sie kannte, von den Schriftstellern und sogar von Wissenschaftlern wie Albert Einstein, der häufig in der Wohnung in der Konstanzerstraße zu Gast war. Gern spielte er dort mit seiner Geige in einem Streichquartett mit. Die Mitbewohner hatten nichts dagegen.

    Die Geschichten meiner Großmutter wurden durch die Erzählungen meiner Mutter ergänzt, die ein besonders enges Verhältnis zu ihrem Vater gehabt hatte. Die meisten Geschichten wurden auf Deutsch erzählt, das bei uns zu Hause gleichberechtigt neben dem Englischen stand.

    Zumindest in der Straße, in der ich wohnte, war das nicht ungewöhnlich. Viele unserer Nachbarn waren Flüchtlinge: Dr. Jakobius, Frau London, Frau Spitzer, Frau Rehfisch, Walter und Uschi Bergen, Dr. Hartmann und Dr. Gutfeld. Es gab noch andere, an deren Namen ich mich nicht erinnere, aber es war, als ob ein beträchtlicher Teil Charlottenburgs in einem Vorort von New York City neu entstanden wäre. Und dann waren da noch die vielen Freunde, die in anderen Teilen der Stadt lebten, aber häufig zu Besuch kamen: Greta Westman, Dela Schleger, Kurt Stern ...

    Viele der Gespräche, in denen das Leben in Berlin geschildert wurde, endeten mit dem Satz: „Und dann kam Hitler.“ Das war das Ereignis, das alles veränderte. In meinem jungen Kopf führte das zu vielen Fragen. „Wie kam Hitler?“ „Warum kam Hitler?“ „Hat ihn jemand vor 1933 kommen sehen?“ „Wann haben meine Großeltern und meine Mutter zum ersten Mal von Hitler gehört und erkannt, dass er kommen könnte?“ Und schließlich die wichtigste Frage von allen: „Warum haben die Menschen Hitlers Kommen nicht verhindert?“

    Das war eine Frage, auf die niemand, den ich kannte, eine vollständige und überzeugende Antwort hatte. Immerhin waren die Antworten, die ich zu Hause erhielt, in einigen Punkten hilfreich. Erstens wurden die Nazis eindeutig als rechtsgerichtete Bewegung gekennzeichnet. Die Trennlinie zwischen Gut und Böse verlief in meiner Familie also nicht zwischen Deutschen und Juden, sondern zwischen links und rechts. Diese Trennung, so betonte meine Mutter, gab es nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt und natürlich auch in den Vereinigten Staaten. Gelegentlich schaute sie sich bestimmte amerikanische Politiker an und sagte: „Ich traue dieser Bande nicht.“

    In diesem Punkt war meine Mutter besonders nachdrücklich. Sie hasste den Faschismus. Wenn sie eine bestimmte, besonders anstößige soziale und politische Haltung feststellte oder ihr begegnete, neigte sie dazu, die betreffende Person als „einen echten Faschisten“ zu bezeichnen.

    Sie war sich der Existenz von Antisemitismus in Deutschland vor Hitler durchaus bewusst. Solchen Tendenzen begegnete sie schon vor Hitlers Aufstieg unter den Lehrern ihrer Schule. Aber über diese Tendenzen sagte sie oft, dass sie nie geglaubt hätte, dass sie sich zwangsläufig bis zum Massenmord entwickeln würden. Sie glaubte nicht an eine solche Unvermeidbarkeit. Außerdem hat sie nie eine Spur von Hass oder Bitterkeit gegenüber den Deutschen gezeigt. Sie war stolz darauf, dass ihre Kenntnisse der deutschen Sprache auch 60 Jahre nach ihrer Flucht aus Deutschland nicht verblasst waren.

    Es sollte noch viele Jahre dauern, bis ich eine politisch überzeugende Antwort finden konnte, die erklärte, wie der Faschismus in Deutschland an die Macht gekommen war. Wie viele meiner Generation habe ich die Bürgerrechtsbewegung, die Ghettoaufstände und den Vietnamkrieg miterlebt. Die explosiven Ereignisse der 1960er Jahre regten mich zum Geschichtsstudium an und förderten mein Bedürfnis, aktuelle Ereignisse in einen größeren zeitlichen Rahmen einzuordnen. Darüber hinaus trieben mich die Wut über den nicht enden wollenden Vietnamkrieg und die stetig wachsende Desillusionierung über die Demokratische Partei und den amerikanischen Liberalismus weiter in Richtung Sozialismus. Dieser Prozess führte schließlich dazu, dass ich im Herbst 1969 erstmals die Schriften von Leo Trotzki entdeckte.

    Ich vertiefte mich in das Studium seiner verfügbaren Schriften: seine monumentale „Geschichte der Russischen Revolution“, seine Autobiographie „Mein Leben“, „Der neue Kurs“, „Die Lehren des Oktober“ und „Die verratene Revolution“. Alle diese Werke bildeten die Grundlage für meine Entscheidung, mich der trotzkistischen Bewegung anzuschließen. Aber der Band, der mich am meisten beeindruckte, war eine Sammlung von Trotzkis Schriften, die dem Kampf gegen die Machtergreifung der Nazis zwischen 1930 und 1933 gewidmet waren.

    Während dieser entscheidenden Jahre lebte Trotzki im Exil auf der Insel Prinkipo, vor der Küste Istanbuls. Das stalinistische Regime hatte ihn dorthin verbannt. Von dort, aus einer Entfernung von über 2.000 Kilometern, verfolgte er die Ereignisse in Deutschland. Seine Artikel, seine Warnungen vor der Gefahr, die von Hitler und der Nazipartei ausging, sind in der politischen Literatur ohne Beispiel.
    Leo Trotzki an seinem Schreibtisch in Prinkipo

    Trotzki erläuterte nicht nur das Wesen des Faschismus – seine Klassenbasis und seine wesentliche Funktion als Instrument des politischen Terrors gegen die sozialistische und die Arbeiterbewegung –, sondern er erklärte auch, wie die Nazis besiegt werden könnten. Er entlarvte die Politik der stalinistischen Kommunistischen Partei, der so genannten Dritten Periode, die behauptete, dass Sozialdemokratie und Faschismus identisch seien. Dieser bankrotten ultralinken Politik setzte er den Aufruf zu einer Einheitsfront aller Parteien der Arbeiterklasse entgegen, um die faschistische Gefahr zu besiegen. Seine Warnungen wurden ignoriert. Der Stalinismus und der Verrat der Sozialdemokratie machten den Sieg der Nazis möglich.

    Aber Hitlers Aufstieg zur Macht, die darauf folgende Katastrophe des Zweiten Weltkriegs und der Holocaust waren nicht unvermeidlich. Sie waren das Ergebnis des politischen Verrats der reformistischen und stalinistischen Führungen der Arbeiterklasse. Das zu verstehen, zu begreifen, was Faschismus war – und, wenn ich daran zurückdenke, die Erkenntnis, dass ich nur wenige Jahrzehnte nach all dem aufgewachsen bin – hatte eine tiefgreifende Wirkung auf mich. Die Überzeugung, dass es nie wieder Faschismus geben darf, und die Einsicht, dass es möglich ist, diesen politischen Horror zu besiegen, verpflichteten mich, in der sozialistischen Bewegung aktiv zu werden, insbesondere in jener politischen Organisation, die die größte Bedrohung der Menschheit richtig analysiert und eine Antwort darauf gegeben hatte.

    Trotzki sah den Grund für den Aufstieg des Faschismus nicht in der deutschen Psyche, sondern in der historischen Krise des Kapitalismus und des Nationalstaatensystems. Hitler und das faschistische Regime stellten letztlich den verzweifelten Versuch des deutschen Kapitalismus dar, durch Krieg und Massenmord eine Lösung für die Schranken zu finden, die ihm durch das bestehende nationalstaatliche System auferlegt worden waren. Er war gezwungen, „Europa neu zu ordnen“. Aber dies war kein ausschließlich deutsches Problem. Die Krise hat den amerikanischen Imperialismus vor eine noch größere Herausforderung gestellt, die ihn bis heute beschäftigt: die Aufgabe, die Welt neu zu ordnen.

    In späteren Schriften, die er nach Hitlers Machtübernahme verfasste, warnte Trotzki davor, dass dem europäischen Judentum durch den Sieg des Faschismus und den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs die Vernichtung drohte. Diese Gefahr, so schrieb er, könne der Zionismus nicht abwenden, weil er eine nationale Lösung für ein Problem anstrebe, das in den globalen Widersprüchen des kapitalistischen Systems wurzelt.

    Nach dem Sieg der Nazis betonte Trotzki, dass das Schicksal der Juden mehr denn je mit dem Schicksal des Sozialismus verbunden sei. In einem Brief vom 28. Januar 1934 schrieb er:

    Die jüdische Frage ist nun, als Ergebnis des ganzen historischen Schicksals des Judentums, eine internationale Frage geworden. Sie kann nicht durch den „Sozialismus in einem Land“ gelöst werden. Unter den gegenwärtigen Bedingungen der übelsten und niederträchtigsten antisemitischen Verfolgungen und Pogrome können und müssen die jüdischen Arbeiter revolutionären Stolz aus dem Bewusstsein schöpfen, dass die Tragik des jüdischen Volkes nur durch einen vollständigen und endgültigen Sieg des Proletariats überwunden werden kann.[6]

    Diese Perspektive hat sich in der Geschichte bestätigt. Diejenigen, die behaupten, die Gründung Israels sei ein politischer Triumph gewesen, haben eine merkwürdige Vorstellung davon, was ein politischer Triumph ist. Die Schaffung eines Staates, der auf dem unverhohlenen Diebstahl von fremdem Land beruht, der auf rein rassistischer Grundlage die demokratischen Grundrechte, die allen Bürgern zustehen sollten, verweigert, der Hass und Rache als Grundlage der Staatspolitik etabliert, der seine eigenen Bürger systematisch darauf abrichtet, die Menschen zu töten und zu quälen, denen er das Land gestohlen hat, und der sich zum meistgehassten Staat der Welt gemacht hat – das kann kaum als „politischer Triumph“ bezeichnet werden. Es ist eine politische Degradierung.

    Der anhaltende Krieg hat trotz all seiner Schrecken einen wichtigen politischen Beitrag geleistet. Er hat die Jugend wachgerüttelt. Er hat der Welt die Augen geöffnet. Er hat das zionistische Regime und seine imperialistischen Komplizen als die Verbrecher entlarvt, die sie sind. Er hat eine Flutwelle der Empörung in Bewegung gesetzt, die sich weltweit ausbreitet. Sie wird auch die Verantwortlichen für diesen Völkermord überschwemmen.

    Aber die große Herausforderung, vor der unsere Bewegung steht, besteht darin, die Empörung mit einem revolutionären sozialistischen Programm zu verbinden, das die globale Arbeiterklasse in einem gemeinsamen Kampf gegen die imperialistische Barbarei vereinen kann. Unsere Bewegung – und nur unsere Bewegung – ist in der Lage, diese Herausforderung zu meistern. Sie verkörpert eine große politische Geschichte und eine große politische Erfahrung, die nun ein ganzes Jahrhundert umspannt. Es gibt keine andere Partei, die in einer Krise, wie wir sie jetzt erleben, ein Verständnis für ihre Dynamik und eine Perspektive vorlegen kann, um in die Situation einzugreifen und sie im Interesse der Arbeiterklasse zu ändern.

    Auch wenn dieser Vortrag kein formeller Bericht über den 100. Jahrestag des Trotzkismus war, hoffe ich doch, dass er zum Verständnis dessen beigetragen hat, was die trotzkistische Bewegung ist und in welchem Verhältnis sie zu den aktuellen Kämpfen steht, mit denen wir konfrontiert sind.

    #Pologme #USA #Israël #Palestine #Allemagne #Berlin #Charlottenburg #Konstanzer_Straße #Bismarckstraße #opéra #musique #nazis #antisemitisme #sionisme #fascisme #auf_deutsch

  • The Israeli state’s fascist ideology and the genocide in Gaza
    https://www.wsws.org/en/articles/2023/12/19/pers-d19.html

    Dans ce discours David North avance quelques arguments pour la thèse que le sionisme est un fascisme.

    Il souligne ces arguments d’actualité par le récit de son hisoire familiale marquée par l’ascension de pauvres musicients ambulants juifs en Pologne à la direction de l’opéra de Charlottenburg, ville indépendante intégrée dans la ville de Berlin en 1920. Après 1933 une partie de sa famille a émigré aux États Unis pendant que les autres ont péri dans les camps nazis.

    This lecture was given by World Socialist Web Site International Editorial Board Chairman David North at Humboldt University in Berlin, Germany on December 14, 2023.

    When one arrives at Humboldt University and one comes into the entrance of the building, one sees the famous quotation from Marx, “The philosophers have only interpreted the world; the point is to change it.” That basic invocation by Marx is one that should always guide speakers when they address a meeting. How is what they say going to contribute to changing the world?

    First of all, I want to thank my comrades in the German section of the International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) for inviting me to lecture this evening at Humboldt University. I understand that they encountered certain problems in establishing the topic of this lecture, and they were informed that the title of my lecture could not include a reference to the ongoing genocide by the Israeli government in Gaza. Well, they have observed this rule and there is nothing in the title which references this immensely significant event. This obvious restriction on free speech is part of the efforts of the German government, the media and subservient academic institutions to forbid and discredit opposition to the crimes being carried out by the Netanyahu government.

    Nevertheless, now that we have observed the restriction on the title of the lecture, I will proceed to speak about the events in Gaza. Is it possible not to?

    During the last two months, the world has been witnessing the Israeli government wage a war of staggering brutality against a defenseless population. The death toll is approaching, and may exceed, 20,000. More than half of those killed are women and children. The total number of casualties is a multiple of that number. During the first six weeks of this war, Israel dropped 22,000 bombs, supplied by the United States, on Gaza. That was just in the first six weeks; a substantial period of time has passed since then. To have some sense of the scale of the assault, bear in mind that the total size of Gaza is 365 square kilometers, which is less than half the area of Berlin (891.3 square kilometers).
    Smoke rises following an Israeli bombardment in the Gaza Strip, as seen from southern Israel, Saturday, December 16, 2023. [AP Photo/Ariel Schalit]

    No section of Gaza and no segment of the Gazan population is being spared by the Israeli military forces. Hospitals, schools, libraries, refugee camps and other public buildings are being bombed. Journalists, doctors, teachers, writers and artists are being deliberately targeted. The murder of the poet Refaat Al-Ar’eer is only the most prominent of the assassinations being carried out at the instructions of the Israeli government.

    This slaughter must be stopped and all those responsible for the crimes that are being committed against the Gazan population, and against all the Palestinian people living under occupation, must be held fully responsible, in accordance with the principles established at the Nuremberg Trials in 1945-46. And if I had any say in the matter, the same penalties would be applied.

    The restriction placed on the title of my lecture contains an element of irony. It is almost exactly one decade ago, in February 2014, that I was physically barred by security guards, summoned by Professor of History Jörg Baberowski, here at Humboldt, from attending a seminar that he had organized to discuss a new biography of Leon Trotsky by Professor Robert Service of Oxford University. In his announcement of the public seminar, it was stated that Service would answer questions from the attendees.
    Baberowski (in green jacket) and his security detail bar David North from entering the seminar in 2014

    Service’s biography was a shameless exercise in historical falsification. Its slanders against Trotsky were so blatant as to evoke a public protest from leading German historians, which resulted in a one-year delay in the release of the biography’s German-language edition.

    Among my objections to Service’s biography, which were detailed in several review essays, was the British historian’s explicit use of stereotypical antisemitic tropes in his denunciation of Trotsky. They included, among many other things, references to the shape of Trotsky’s nose and the changing of his actual Russian first name from “Lev” to “Leiba,” a Yiddish variant of the name used exclusively by antisemitic enemies of the Jewish-born Trotsky.

    As was soon to emerge, the alliance of Professors Baberowski and Service was based on a shared anti-communist political agenda. On the very day that I was barred from the Humboldt seminar, a new issue of Der Spiegel was published featuring a lengthy essay justifying Nazi crimes by arguing that Hitler’s policies were a legitimate response to the “barbarism” of the Bolshevik Revolution.

    Among those who were interviewed by Der Spiegel was Baberowski, who stated: “Hitler was not cruel. He didn’t like to hear of the extermination of the Jews at his table.” Baberowski went on to defend the pro-Nazi views of the now deceased Professor Ernst Nolte, who was at that time Germany’s leading Hitler apologist.

    In the face of the outrage among Humboldt students that followed the publication of Der Spiegel’ s essay, the administration of Humboldt University and the media stood behind Baberowski. This did not change even after a legal ruling by a German court that Baberowski can be referred to as a right-wing extremist. Baberowski enjoyed and continues to enjoy unlimited backing from Humboldt, which enabled him to appoint to the teaching staff of the Department of Eastern European Studies a certain Fabian Thunemann, whose curriculum vitae prior to his Humboldt appointment included participation in a neo-Nazi demonstration protesting the exposure of atrocities committed by the Wehrmacht during World War II.

    Ten years ago, I was barred from attending a seminar at Humboldt because I intended to challenge Service’s falsifications and his use of antisemitic slurs. Now the university, posturing as an irreconcilable opponent of antisemitism, forbids the inclusion of a reference to the Gaza genocide in the name of fighting antisemitism.

    I recall this incident from the not-so-distant past because it exemplifies the cynicism, hypocrisy, demagogy and unrestrained lying that drives the campaign to discredit opposition to Israel’s onslaught against Gaza as “antisemitic.” The use of this slur has become a critical weapon in the efforts of Israel and its imperialist accomplices to intimidate and isolate all those who are protesting the genocide of Palestinians.

    Suddenly, and from so many surprising quarters, warriors against antisemitism have emerged. Last week, in the United States, university presidents were summoned to Washington D.C. and questioned on their failure to suppress allegedly antisemitic protests on American college campuses. Leading the inquisitorial questioning was Congresswoman Elise Stefanik, a Republican from a district in New York State. She demanded to know why the presidents of the University of Pennsylvania, Harvard, the Massachusetts Institute of Technology and other major universities were tolerating calls for “genocide”—which the congresswoman identifies as any student protest that demands an end to the apartheid regime that deprives Palestinians of their democratic rights.
    Rep. Elise Stefanik, an advocate of the fascist “Great Replacement Theory” and supporter of the January 6 insurrection, is a leading proponent of the claim that “Anti-Zionism is antisemitism.” [AP Photo/Mark Schiefelbein]

    But what are Ms. Stefanik’s credentials as a fighter against antisemitism? She is a well-known advocate of what is known as the “Great Replacement Theory,” which claims that Jews are planning the elimination of white Christians in a plot to take over the world. In other words, she is an out-and-out antisemite, in the most classical definition of the term.

    The alliance of forces from the extreme right with the Israeli regime is an international political phenomenon. As you know, the Alternative für Deutschland (AfD), one of whose leaders dismissed the Holocaust as nothing more than a piece of “birdshit” in history, has joined the crusade against antisemitism. And, no doubt, were he still alive, the Führer would join it.

    Last December, a delegation from the Ukrainian Azov Battalion, many of whose members tattoo themselves with Nazi symbols, visited Israel to express its solidarity with the Netanyahu regime. These are not merely isolated and bizarre distortions of what is otherwise a legitimate effort to combat antisemitism. Rather, the entire campaign is based on the falsification of the historical origins and political function of antisemitism. The current campaign exemplifies a process which might be called “semantic inversion,” in which a word is utilized in a manner and within a context that is the exact opposite of its real and long-accepted meaning.

    Through sheer force of repetition, amplified by all the powers at the disposal of the state and the corporate media, the meaning of a term is fundamentally altered. The intended outcome of the falsification is the degrading of popular consciousness and its ability to understand reality.

    A significant example of how the term “antisemitism” is being used to falsify history, distort political reality and disorient popular consciousness is to be found in the recent speech by the silver-tongued Robert Habeck, the vice-chancellor in the present German coalition government. In a key passage, this political Tartuffe stated:

    However, I am also concerned about antisemitism in parts of the political left and unfortunately also among young activists. Anti-colonialism must not lead to antisemitism.

    Can anyone even begin to explain how anti-colonialism would acquire an antisemitic character? He goes on to say:

    In this respect, this part of the political left should examine its arguments and distrust the great resistance narrative.

    I’ll read this in German so that everyone can get the full weight of it:

    Sorge macht mir aber auch der Antisemitismus in Teilen der politischen linken und zwar leider auch bei jungen Aktivistinnen und Aktivisten. Anti-Kolonialismus darf nicht zu Antisemitismus führen.

    Insofern sollte dieser Teil der politischen Linken seine Argumente prüfen und der großen Widerstand Erzählung mistrauen.

    Revealed in this passage is the central purpose of the application of semantic inversion to the word antisemitism. A phenomenon historically associated with the political right is transformed into a central attribute of the political left. The reactionary purpose of this process of falsification was demonstrated in the destruction of Jeremy Corbyn in Britain. I am hardly an admirer of Mr. Corbyn, whose most conspicuous political trait is the absence of a backbone. But for all his opportunist sins, the allegation of antisemitism against Corbyn and his supporters in the British Labour Party is a vicious smear, concocted by his right-wing opponents to destroy him politically.

    Another and even filthier example of the use of the slur is the vicious witch-hunt of Roger Waters. An artist who has devoted his life and art to the defense of human rights is being hounded in an internationally orchestrated campaign to label him an antisemite. Here in Germany, in Frankfurt and Berlin, attempts were made to have his concerts canceled. And what is the motivation for his persecution? Roger Waters defends the basic democratic rights of Palestinians and speaks out against their oppression.

    The complete separation of the term “antisemitism” from its actual historical and political meaning is fully achieved in its use against those who are Jewish who have protested in their thousands against the criminal policies of the Israeli regime. A particularly vile phrase is used against them: “self-hating Jews.” The gist of this insult is that opposition by those who are Jewish to Israeli policies, and to the entire Zionist project, can only be explained as the manifestation of some sort of psychological problem, a pathological rejection of one’s own identity.

    This diagnosis proceeds from the complete dissolution of Judaism as a specific religious identity into the Israeli state and the nationalist ideology of Zionism. An individual’s religious affiliation—which may, in the life of one or another Jewish person, be of limited or even no special importance—is endowed with a vast metaphysical significance.

    This ideological concoction is based not on history, but on biblical mythology. Indeed, the legitimacy of the Zionist project proceeds from the claim that the creation of Israel just 75 years ago marked the so-called “return” of the Jewish people after 2,000 years of exile to their ancestral home “promised” to them by God.

    This mythological nonsense has no basis in historical reality. More than 350 years have passed since Spinoza demolished, in his Theological-Political Treatise, the claim that the Pentateuch was dictated by God to Moses. The Bible was the work of many authors. As the historian Steven Nadler, an authority on Spinoza, has explained:

    Spinoza denies that Moses wrote all, or even most, of the Torah. The references in the Pentateuch to Moses in the third person; the narration of his death; and the fact that some places are called by names that they did not bear in the time of Moses all “make it clear beyond a shadow of doubt” that the writings commonly referred to as “the Five Books of Moses” were, in fact, written by someone who lived many generations after Moses.

    Proceeding from his repudiation of the authority of the Bible, Spinoza further enraged the elders of Amsterdam and provoked his excommunication by denying the claim—which was central to Judaism as a religion and Zionism as a political ideology—that Jews are a “chosen people.” As Nadler writes:

    If the origins and authority of Scripture are now suspect, then so must its grand claims about the “vocation” of the Hebrews. It is “childish,” Spinoza insists, for anyone to base their happiness on the uniqueness of their gifts; in the case of the Jews, it would be the uniqueness of their being chosen among all people. The ancient Hebrews, in fact, did not surpass other nations in their wisdom or in their proximity to God. They were neither intellectually nor morally superior to other peoples.

    Spinoza’s apostasy was informed by the rapid advance of science in the 17th century and rooted in philosophical materialism, and cleared the path for the most progressive and radical political tendencies. It brought down upon his head the wrath of the rabbinical enforcers of orthodoxy. The excommunication of Spinoza was proclaimed in language that was without precedent in its harshness. The excommunication read in part:

    Cursed be he by day and cursed be he by night; cursed be he when he lies down and cursed be he when he rises up. Cursed be he when he goes out and cursed be he when he comes in. The Lord will not spare him, but then the anger of the Lord and his jealousy will smoke against that man, and all the curses that are written in this book shall lie upon him, and the Lord shall blot out his name from under heaven.

    “Excommunicated Spinoza,” 1907 painting by Samuel Hirszenberg [Photo: Samuel Hirszenberg]

    Notwithstanding this denunciation, the name of Spinoza could not be blotted out. The influence of his heretical conceptions has persisted over centuries, contributing profoundly to the development of Enlightenment thought—including the Jewish Enlightenment known as the Haskalah—and its revolutionary political consequences in the 18th, 19th and even 20th centuries.

    The political theology of contemporary Zionism represents the extreme counterrevolutionary antithesis and repudiation of the progressive, democratic and socialist tradition derived from Spinozist and, later, Marxist thought among generations of Jewish workers and intellectuals. Reinterpreting religious myth in the spirit of extreme national chauvinism, contemporary Zionist theology imparts to the concept of a “chosen people” a thoroughly racist and fascistic character.

    While it is widely acknowledged that the Israeli government is composed of parties of the extreme right, this political fact is treated as a minor detail that has no particular relation to the events of October 7 and the Israeli state’s response. Virtually no reference is to be found in political coverage of the war to the influence of an apocalyptic “Theology of Revenge,” which explicitly demands the annihilation of all enemies of Israel, on the policies of the Netanyahu government.

    A central figure in the development of the “Theology of Revenge” was the late Meir Kahane. Born in Brooklyn in 1932, his father, Rabbi Charles Kahane, was a friend and associate of Ze’ev Jabotinsky, the leader of an avowedly fascist wing of the Zionist movement. Meir Kahane initially achieved public notoriety in the United States as the founder of the neo-fascist Jewish Defense League. The JDL targeted black organizations in New York, which Kahane denounced as a threat to Jews.

    In 1971, Kahane relocated to Israel and founded the virulently anti-Arab Kach party. His followers in the United States remained active. The Workers League, the predecessor of the Socialist Equality Party in the United States, became a target of the JDL in 1978 when it sought to disrupt through a bomb attack a showing in Los Angeles of the documentary titled The Palestinian, that had been sponsored by the International Committee.
    Meir Kahane in 1984 [Photo: Gotfryd, Bernard]

    Kahane’s role and influence in Israel is analyzed in an essay titled “Meir Kahane and Contemporary Jewish Theology of Revenge.” Published in 2015, its authors are two Israeli scholars, Adam and Gedaliah Afterman. They explain that Kahane’s theology

    centred on the claim that the State of Israel was established by God as an act of revenge against the Gentiles for their persecution of Jews, especially the systematic killing of Jews during the Holocaust.

    Kahane’s Kach party called for the annexation of all territory seized by Israel in the 1967 war and the violent expulsion of the Palestinian population. Kahane was elected to the Israeli parliament, the Knesset, in 1984. The Kach party was banned from running in the 1988 elections, but its influence continued despite Kahane’s assassination during a trip to New York in 1990.

    The Aftermans’ essay summarizes the three fundamental pillars of Kahane’s theory of revenge.

    First:

    The people of Israel are a collective mythical being ontologically rooted in divinity, that together with God faced a mythical enemy from its early days. This mythical enemy, “Amalek,” is embodied in different actual enemies throughout Jewish history, and the various persecutions and ordeals the Jews have suffered throughout history are manifestations of the same mythical struggle. Furthermore, there is an ontological difference between the mythical nation of Israel and the Gentiles, especially Israel’s enemies. The ontological difference between the Jewish and Gentile soul overrides the Jewish principle that all of humanity was created in the image of God. The belief that Gentiles are inferior and embody the demonic powers of history justifies acts of deadly violence and revenge.

    Second:

    …Thus, the argument proceeds, the people of Israel are religiously obliged to use all means possible to take revenge against their mutual enemies and to rehabilitate their mutual pride and status. Whether or not they realize it, the Palestinians and other forces fighting Israel are part of a mythical, religious battle that seeks the destruction of the people of Israel and its God. These factors permit the use of any and all measures to overcome the enemies.

    Third:

    The establishment of the State of Israel in 1948, shortly after the Holocaust, must serve one purpose: to facilitate redemptive revenge against the Gentiles. The establishment of the modern Jewish state in the historical land of Israel is an instrument for activating the redemptive process, rather than a result or a sign of such a process.

    Summing up the three pillars, the Aftermans explain that

    …Kahane argues that carrying out vengeance against the metaphysical enemy “Amalek” (hostile Gentiles) is fundamental to saving God and his people, both of whom almost ceased to exist as a result of the Holocaust. The establishment of the Jewish state, with its institutionalized power and military might, should, in Kahane’s view, be placed at the service of redemption-bound revenge. Kahane goes so far as to justify acts of vengeance even against innocent people by arguing that they belong to the mythical enemy that must be eradicated as a condition for the redemption of Israel and its God. In his view, the loss of innocent lives, if necessary, is a justifiable sacrifice.

    Kahane interpreted the doctrine of the “chosen people” as a comprehensive repudiation of all association with traditional Western values. He wrote in his book, Or Ha’Raayon:

    This is a Jewish state. It bows in front of Judaism and does not contradict it. It acts in accordance with Jewish values and Jewish commandments even if these contradict international law and diplomacy, even if they contrast the normal Western and democratic lifestyle; this is so even if this puts its interests under risk and threatens to isolate it from the civilized gentiles. … The duty of Judaism is to be separate, unique, different and chosen. This is the role of the Jewish people and their instrument, the State … We have no part in the standard values of the nations. Assimilation does not begin with mixed marriages, but in copying and adopting foreign values, alien and non-Jewish concepts and ideas.

    Kahane’s theory of revenge was identified in Hebrew as the concept of what he called Kiddush Hashem. He wrote:

    A Jewish fist in the face of an astonished gentile world that had not seen it for two millennia, this is Kiddush Hashem. Jewish dominion over the Christian holy places while the Church that sucked our blood vomits its rage and frustration, this is Kiddush Hashem.

    Actually, notwithstanding its semi-deranged invocation of a supposedly unique Jewish philosophy, Kahane’s Kiddush Hashem can be described as a Hebrew-language variant of the philosophy of Adolf Hitler’s Mein Kampf, the main difference being that Kahane’s hate-filled and racist diatribe was written in Hebrew from right to left rather than from left to right.

    Kahane’s influence persisted after his assassination in the increasingly right-wing political environment of Israel. On February 25, 1994, one of Kahane’s students, Baruch Goldstein, murdered 29 Palestinians and wounded another 150 in an attack on a Mosque in Hebron. This crime was praised by Kahane’s followers, including the extremely influential Rabbi Yitzchak Ginsburgh, who proclaimed that the mass murder carried out by Goldstein was an act of Kiddush Hashem.

    Now what does this have to do with today? Itamar Ben-Gvir, the leader of the xenophobic Otzmah Yehudet party, is now the Minister of National Security in Netanyahu’s coalition government. He was a member of the Kach party before it was outlawed. He remains an outspoken defender of the fascist theology and politics of Meir Kahane. This past April, Ben-Gvir, flanked by a security detail provided by the office of the prime minister, delivered a speech in which he praised both Kahane and Baruch Goldstein.
    President Joe Biden is greeted by Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu after arriving at Ben Gurion International Airport, Wednesday, Oct. 18, 2023, in Tel Aviv. (AP Photo/Evan Vucci)

    The invocation of Kahane’s doctrine of revenge by Israeli leaders has become increasingly common since the war began. Last month, Netanyahu declared in a public speech, “You must remember what Amalek has done to you, says our Holy Bible. And we do remember.” The implications of Netanyahu’s reference to Amalek was made explicit in a statement by Israeli Defense Minister Yoav Gallant: “We are fighting human animals, and we are acting accordingly. We will eliminate everything—they will regret it.” Many statements of an identical character have been made by Israeli leaders since the beginning of the war, and these statements have been actualized in the genocidal actions of the Israeli government and military.

    In the midst of the crimes being committed by the Israeli regime, there is no greater and more insidious lie than the claim that opposition to Zionism is, and must be, antisemitic. This is a lie that is refuted by the long history of pre-1948 opposition to Zionism among countless thousands of Jewish workers and intellectuals, spanning several generations, who rejected the myth-based call for a return to Palestine.

    The opposition to Zionism was expressed with the greatest political clarity by the socialist movement, which identified and denounced the politically reactionary character of the perspective of establishing a Jewish state in Palestine. It was understood that this project was a colonialist enterprise, which could only be achieved in alliance with imperialism and at the expense of the Palestinian Arab population that had lived in the territory for 2,000 years.

    Moreover, in their struggle against traditional religious persecution and the emergence, beginning in the late 19th century, of political antisemitism, the great mass of Jews sought to achieve political and social equality within the countries in which they lived. That was of profound truth especially in Germany. They wished to be part of the mass movement against oppression. For the most politically conscious section of Jewish youth, workers and intellectuals, this striving led to active involvement in the socialist movement.

    The present-day claim that Zionism is the necessary and genuine expression of Jewish identity has no basis in history. Moreover, the persistence of democratic convictions and a sympathy for the oppressed rooted in the experience of antisemitic prejudice and persecution finds expression in the large number of Jewish youth who have been involved in demonstrations opposing the Israeli onslaught against the Gazans.

    Despite all the propaganda, the images of the mass killing of defenseless Palestinians cannot help but evoke historical and familial recollections of the fate of the Jews at the hands of the Nazis. Thus, the war against the Gazan people evokes not only a sense of solidarity with the victims of Israeli atrocities, but also a deep anger against the exploitation of the tragedy of the Holocaust to justify the war.

    Of course, the Zionists and their apologists will claim that all that I have said is simply evidence of my deeply rooted antisemitism, which they claim—as I have already explained—is a prejudice widely held within the socialist movement. The more left an individual, the more emphatic his or her opposition to capitalism and imperialism, the more irreconcilable their opposition to the Jewish state and, therefore, their antisemitism.

    This allegation is as absurd as it is politically reactionary. Having been involved in the socialist movement for more than a half century, I really do not have any personal obligation to answer the claim that I and my comrades in the Trotskyist movement are antisemites. As the saying goes, my record speaks for itself.

    But, unfortunately, that is not generally true. The accusation of antisemitism requires the ignoring and distortion of a given individual’s political record.

    So I will, for the first time, respond to the accusation, by adding to my well-known public political record information relating to my personal background. Now having reached a somewhat more advanced age, just a little more than a year away from what will be my 75th birthday, I think the time has come to do this. I do not do so because it will have any effect on the slanderers, but because there are elements of my personal experience that may resonate with a younger generation and encourage them to intensify their struggle in defense of the Palestinians and against all forms of oppression.

    The dominant factor in the development of all individuals is the social and political environment of their time, conditioned at the most fundamental level by the prevailing socioeconomic structures of the societies into which they were born. The personalities of human beings are shaped by what Marx referred to as “an ensemble of social relations.” But these social relations are refracted through personal experiences, both one’s own and those transmitted through family, friends, teachers, acquaintances, and so on.

    I am a first generation American, born in 1950. The location of my birth—in fact, my existence—was determined by the events that had led to the Second World War, which had ended only four and a half years earlier. Both my parents had fled Europe to escape the Nazi persecution of the Jews. My mother, Beatrice, was born in Wilmersdorf on December 18, 1913—the exact same day Herbert Frahm, aka Willy Brandt, was born. The apartment building in which she was born, located on Konstanzer Strasse, still stands. Her father—my grandfather—occupied a significant position in the cultural life of Berlin. His name was Ignatz Waghalter. Born in Warsaw in 1881 into a very poor family of musicians, Waghalter made his way to Berlin at the age of 17 with the intention of receiving a proper musical education.

    My grandfather was the 15th of 20 children. Of those 20 children, 13 died in childhood, four in one day during the typhus epidemic of 1888. Of the 20 children, seven survived—four boys and three girls. My grandfather, from his earliest years, exhibited immense musical talent. By the age of six, he was already performing in the Warsaw circus. At the age of eight, he wrote and composed a revolutionary anthem that was so popular that a search began by the police to discover the name and identity of the insurrectionary musician. They were quite shocked when they discovered that it was an eight-year-old. The Waghalter family had deep roots in the revolutionary democratic struggle of the Polish people. In fact, I recently discovered in a library a revolutionary march written by my grandfather’s grandfather that had been composed in 1848.

    My grandfather wanted to obtain a genuine education. He didn’t want to be just an itinerant musician, he wanted to go to the musical capital of the world—Berlin—and learn how to become a serious composer. He was smuggled across the border in 1897 without any money. He endured great hardship, but eventually came to the attention of the great violinist and friend of Brahms, Joseph Joachim. Upon the recommendation of Joachim, my grandfather was admitted to the Akademie der Kunste. In 1902, his Sonata for Violin and Piano was awarded the coveted Mendelssohn Prize. Two years later, Ignatz’s younger brother Wladyslaw, who had followed him to Berlin, was awarded the same prize for his achievements as a violinist.

    Following his graduation, Ignatz obtained a post as a conductor at the Komische Oper. An appointment to the Essen Opera house followed several years later. But the decisive turning point in his musical career came in 1912, when he was appointed first conductor at the newly constructed Deutsches Opernhaus on Bismarck Strasse in Charlottenburg, known today as the Deutsche Oper. Of course, the original building was destroyed in the course of the Second World War and rebuilt, though it’s located on the same street today. Wladyslaw Waghalter was appointed concertmaster of the new opera house, which opened on November 7, 1912 with a performance of Beethoven’s Fidelio. Despite vocal opposition from antisemites and numerous death threats, Ignatz Waghalter conducted the premier performance.

    For the next 10 years, my grandfather maintained his position as first conductor at the Deutsches Opernhaus. Three of his operas, Mandragola, Jugend and Sataniel, had their premier at the opera house. Waghalter was known for his championing of the operas of Giacomo Puccini, whose music had been previously dismissed by a musical establishment obsessed with Richard Wagner. Waghalter conducted the German premier of Puccini’s La Fanciulla del West [Das Mädchen aus dem goldenen Westen] in March 1913, with Puccini in attendance. It was a triumph that established Puccini’s reputation as a great master in Germany.

    Throughout his lengthy tenure at the Deutsches Opernhaus, Waghalter had to contend with both anti-Polish and antisemitic prejudice. Though he himself did not observe any religious rituals or attend synagogue, Waghalter refused—in contrast to many other Jewish-born conductors—to convert to Christianity. The thought of changing one’s religion for the purpose of advancing one’s career, thereby adapting to antisemitic prejudice, was abhorrent to him.

    In 1914, upon the outbreak of World War I, Waghalter was forbidden to conduct because he had been born in the Russian Empire, with which Imperial Germany was at war. Protests by the opera-loving public of Charlottenburg led to his reinstatement.

    Waghalter remained at the Deutsches Opernhaus until 1923, when it went bankrupt in the midst of the catastrophic inflationary crisis. He spent a year in the United States as head of the New York State Symphony Orchestra. He then returned to Germany, where he was appointed musical director of the film company, Ufa. But he was unable to return to the Städtische Oper, as the reorganized and reopened Deutsches Opernhaus was then known.

    The coming to power of Hitler effectively ended his career, and that of his brother, as musicians in Germany. My mother, not yet 20, had a premonition that the Third Reich would cost Jews not only their careers, but also their lives. Beatrice urged her parents to leave Germany before it became impossible to escape. They followed her advice and left Germany, traveling first to Czechoslovakia and then to Austria.

    My mother, a highly gifted musician, remained in Germany. She joined the Jüdische Kultur Bund, where she performed as a singer at private homes of Jews throughout Germany. In 1937, she obtained a visa to enter the United States. She managed to secure entry visas for her parents. My grandparents arrived in New York in May 1937. Within days of arriving, Ignatz initiated a project of historic significance, the creation of the first classical music orchestra composed of African American musicians.

    This radical project encountered bitter opposition in the racist environment of the time. Waghalter frequently invited black musicians to rehearse at his apartment. This resulted in the circulation of a petition, signed by virtually all the white residents of the apartment building, demanding Waghalter’s eviction if he continued this practice.

    My grandfather was interviewed by the African American newspaper of Baltimore. He expressed the convictions that had inspired his creation of the symphony orchestra, stating, “Music, the strongest citadel of universal democracy, knows neither color, creed nor nationality.”

    Despite Waghalter’s immense efforts, the reactionary environment made it impossible to sustain the orchestra. During the final decade of his life, Waghalter became increasingly isolated. He lost contact with his family. Only after the war did he learn that his brother Wladyslaw—who had not been able to leave Germany—died suddenly in 1940 after a visit to Gestapo headquarters. His wife and one daughter perished in Auschwitz in 1943. In fact, on Brandenburgerstrasse 49, the location and address of my great uncle Wladyslaw, you can see Stolpersteine in which the life and death of Wladyslaw and his family are memorialized.

    Fortunately, one daughter of Wladyslaw, Yolanda, managed to escape. She made it to South America, lived in Peru, where she became first violinist in the Lima Symphony Orchestra, and her son Carlos, my second cousin, now lives in New Orleans, and we have been close friends for most of our adult lives. Ignatz’s brother Joseph died in the Warsaw Ghetto. Two of the three sisters also perished in Poland. Only his oldest brother, the great Polish cellist Henryk Waghalter, managed to survive the war. My grandfather died suddenly in New York at the age of 68 in April 1949.

    During his brief exile in Czechoslovakia in 1935-36, my grandfather wrote a brief memoir, which concludes with a statement of his ideals as an artist. He recognized that the Nazis represented a mortal threat to the Jews, but he expressed the conviction that the criminals of the Third Reich would not emerge victorious over the ethical and moral commitment of the Jewish people to justice. Waghalter acknowledged that he did not yet know where he would be able to find refuge. And so he ended his memoir with the words:

    Wherever it may be, I wish to serve art and humanity in accordance with the words of Moses, “You were freed from slavery in order to serve your brothers.”

    Clearly, my grandfather’s conception of Jewish ethics was very different from that which prevails in the Netanyahu government and the present-day Zionist state. He would be appalled and horrified if he knew what was being done in the name of the Jewish people. There could be no greater slander, no greater gift to the real antisemites, than to associate the Jewish people with the crimes that are being presently committed each day against the oppressed Palestinian people.

    The story of my grandfather’s life and its relation to the catastrophe that had overwhelmed European Jewry was a constant topic of discussion in my childhood home. My grandmother, Ignatz’s widow, whom we called Omi, lived with us. I spent countless hours in her room, where she told me of life in Berlin, the friendships with so many great artists, being pinched on her backside by Giacomo Puccini, all the friends she knew, the writers, and even scientists, including Albert Einstein, who frequently visited the apartment on Konstanzerstrasse, where he enjoyed playing his violin as part of a string quartet. The apartment residents did not object.

    The stories of my grandmother were supplemented by those told by my mother, who had enjoyed an especially close relationship with her father. Most of the stories were told in German, which enjoyed equal status with English in our home.

    At least on the street where I lived, this was not unusual. Many of our neighbors were refugees: Dr. Jakobius, Frau London, Frau Spitzer, Frau Rehfisch, Walter and Uschi Bergen, Dr. Hartmann and Dr. Gutfeld. There were others whose names I do not remember, but it was as if a substantial portion of Charlottenburg had been reassembled in a New York City suburb. And then there were the many friends who lived in other parts of the city but were frequent vistors: Greta Westman, Dela Schleger and Kurt Stern.

    So many of the discussions describing life in Berlin led to the phrase: “Und dann kam Hitler.” Then came Hitler. That was the event that changed everything. And this, in my young mind, led to so many questions. “How did Hitler come?” “Why did Hitler come?” “Did anyone, before 1933, see him coming?” “When did my grandparents and mother first hear of Hitler and realize that he might come?” And, finally, the most important question of all, “Why didn’t people stop Hitler from coming?”

    This was a question for which no one I knew had any fully formed and convincing answers. But there were certain elements of the answers that I received at home that were helpful. First, the Nazis were clearly identified as a right-wing movement. The dividing line, therefore, in my family between good and evil had not been between German and Jew, but between left and right. This division, my mother insisted, existed not only in Germany, but throughout the world, and, of course, within the United States. She would occasionally look at some American politicians and she would say, “Ich traue nicht dieser Bande” (“I don’t trust this gang.”)

    My mother was especially emphatic on this point. She hated fascism. When she noticed or encountered certain exceptionally objectionable social and political attitudes, she was inclined to describe the offending individual as “ein echter Fascist,” a real fascist.

    She was certainly aware of the existence of antisemitism in Germany prior to Hitler. She encountered such tendencies even before Hitler began to come, among teachers at her school. But she often made the point about these tendencies, that she would never have believed, and did not believe, that they would develop inevitably into mass murder. She did not believe in such an inevitability. Moreover, she never expressed a trace of hatred or bitterness towards Germans. She was proud that her command of the German language had not diminished even 60 years after her flight from Germany.

    It would take many years before I could find a politically convincing answer that explained how fascism had come to power in Germany. Like many of my generation, I passed through the experience of the Civil Rights movement, the ghetto uprisings and the Vietnam War. The explosive events of the 1960s stimulated my study of history, and encouraged the tendency to situate contemporary events in a broader temporal framework. Moreover, anger over the never-ending Vietnam War and steadily increasingly disillusionment with the Democratic Party and American liberalism impelled me further toward socialism. This process led finally toward my initial discovery, in the autumn of 1969, of the writings of Leon Trotsky.

    I immersed myself in the study of his available writings: his monumental History of the Russian Revolution, his autobiography My Life, The New Course, Lessons of October, and The Revolution Betrayed. All of these works served as the foundation of my decision to join the Trotskyist movement. But the volume that had the greatest impact upon me was a collection of Trotsky’s writings devoted to the struggle against the rise of the Nazis to power between 1930 and 1933.

    During those critical years, Trotsky lived in exile on the island of Prinkipo, off the coast of Istanbul. He had been exiled there by the Stalinist regime. Nearly 2,000 miles away from Germany, he followed the events that were unfolding. His articles, the warnings he made of the danger posed by Hitler and the Nazi party, are unequalled in political literature.
    Leon Trotsky at his desk in Prinkipo

    Trotsky not only explained the nature of fascism—its class basis and essential function as an instrument of political terror against the socialist and working class movement—but he also explained how the Nazis could be defeated. He exposed the policies of the Stalinist Communist Party, of the so-called Third Period, which declared that Social Democracy and fascism were identical. He countered this bankrupt ultra-left policy with a call for a united front of all the working class parties to defeat the Nazi threat. His warnings were ignored. Stalinism, as well as the betrayals of Social Democracy, made possible the victory of the Nazis.

    But Hitler’s rise to power and the ensuing catastrophe of World War II and the Holocaust were not inevitable. They were the outcome of the political betrayals of the reformist and Stalinist leaderships of the working class. To understand that, to understand what fascism was—and, when I think back on it, realizing that I was growing up only a few decades after this all had happened—had upon me a profound effect. Realizing that there must never again be fascism, and coming to understand that it was possible to defeat this political horror, one was obligated to become active in the socialist movement, and particularly in that political organization which had correctly analyzed and provided an answer to the greatest threat that humanity confronted.

    Trotsky rooted the rise of fascism not in the German psyche, but in the historical crisis of capitalism and the nation-state system. Hitler and the fascist regime represented, in the final analysis, the desperate attempt of German capitalism to find a solution, through war and mass murder, to the restraints imposed upon it by the existing nation-state system. It was compelled to “reorganize Europe.” But this was not an exclusively German problem. The crisis imposed upon American imperialism an even greater challenge, in which it is engaged today: the task of reorganizing the world.

    In subsequent writings, written after Hitler had come to power, Trotsky warned that fascism and the outbreak of World War II would confront European Jewry with the danger of extermination. The danger, he wrote, could not be averted by Zionism, which advanced a national solution to a problem rooted in the global contradictions of the capitalist system.

    Following the victory of the Nazis, Trotsky insisted that the fate of the Jews was more than ever bound up with the fate of socialism. He wrote, in a letter dated January 28, 1934:

    The entire Jewish historical fate being what it is, the Jewish question is an international one. It cannot be solved through “socialism in a separate country.” Under the circumstances of the present vile and detestable anti-Semitic persecutions and pogroms, the Jewish workers can and should derive revolutionary pride from the knowledge that the fate of the Jewish people can only be solved through the full and final victory of the proletariat.

    This perspective has been vindicated by history. Those who claim that the founding of Israel was a political triumph have a peculiar idea of what a political triumph consists of. The creation of a state that is founded on the blatant theft of other people’s land, that denies on a purely racialist basis the basic democratic rights that should be afforded to all citizens, that sanctifies hate and revenge as a basis of state policy, that systematically conditions its own citizens to kill and torment the people it has stolen from, and which has turned the country into the most hated in the world—this can hardly be described as a “political triumph.” It is a political degradation.

    The ongoing war, for all its horrors, has made one significant political contribution. It has awakened the youth. It has opened the eyes of the world. It has exposed the Zionist regime and its imperialist accomplices for the criminals they are. It has set into motion a tidal wave of outrage that is sweeping across the world and will sweep across those responsible for this genocide.

    But the great challenge that confronts our movement is to imbue the outrage with a revolutionary socialist program that can unify the global working class in a common struggle against imperialist barbarism. Our movement and only our movement is equipped to meet this challenge. It embodies a vast political history and a vast political experience that spans now an entire century. There is no other party which can bring to bear, in a crisis such as that which we now face, an understanding of its dynamic and a perspective to intervene in the situation and change it in the interests of the working class.

    So while this lecture was not a formal report on the centenary of Trotskyism, apart from present day events, I hope that it has contributed to your understanding of what the Trotskyist movement is and its relationship to the present-day struggles which we confront.

    #Pologme #USA #Israël #Palestine #Allemagne #Berlin #Charlottenburg #Konstanzer_Straße #Bismarckstraße #opéra #musique #nazis #antisemitisme #sionisme #fascisme

  • Micky Maus wird gemeinfrei – aber wohl nicht in Deutschland
    https://www.heise.de/news/Steamboat-Willie-Disney-verliert-in-den-USA-Urheberrecht-an-Micky-Maus-9584890

    Le droit d’auteur international est kaputt .

    2.1.2024 von Daniel Herbig - Disneys Urheberrecht an „Steamboat Willie“ und damit Micky Maus ist in den USA ausgelaufen. Doch in Deutschland ist die Disney-Maus wohl noch nicht gemeinfrei.

    Nach langem Kampf verliert Disney in den USA das Urheberrecht an der frühen Fassung seiner wohl bekanntesten Figur: Die 1928 im Trickfilm „Steamboat Willie“ gezeigte Version von Micky Maus ist seit dem 1. Januar in den USA gemeinfrei. „Steamboat Willie“ und die darin enthaltene Version von Micky Maus können also von jedem verbreitet und verändert werden.

    Doch es gibt Einschränkungen: Einerseits betrifft das abgelaufene Copyright nur die alte Version von Micky Maus, die beispielsweise keine Handschuhe trägt. Zudem behält Disney weiterhin das Markenrecht an der berühmten Comic-Maus. Das soll vorrangig Verwirrung beim Publikum verhindern, erklärt Jennifer Jenkins, die Direktorin des Duke Center for the Study of the Public Domain, in einem Artikel. Demnach dürfe bei unabhängigen Werken mit Micky Maus nicht der Eindruck entstehen, dass Disney selbst an der Produktion beteiligt war.

    Disney behält Urheberrecht in Deutschland wohl

    Das Copyright an Micky Maus läuft zudem grundsätzlich nur in den USA aus. Etwa in Deutschland behält Disney wohl weiterhin das Urheberrecht an Micky Maus, schätzt der Medienrechtler Nicolas John in einem Beitrag im Infobrief Recht des DFN-Vereins (pdf) die Rechtslage ein.

    In vielen Ländern, darunter auch Deutschland, gilt das Urheberrecht bis 70 Jahre nach dem Tod des zuletzt gestorbenen Beteiligten. Im Fall von „Steamboat Willie“ ist das Ub Iwerks, der bis 1971 gelebt hat. Der Völkerrechtsvertrag Berner Übereinkunft lege zwar fest, dass ein Werk maximal so lange wie im Ursprungsland geschützt sein kann. Allerdings haben Deutschland und die USA bereits 1892 ein bilaterales Urheberrechtsabkommen unterzeichnet, das laut John Vorrang genießt – und keine Klauseln enthält, die die Schutzfrist in Deutschland mit der in den USA gleichsetzen.

    In der Praxis würde das bedeuten, dass von US-Bürgern oder -Unternehmen geschaffene Werke in Deutschland auch dann noch geschützt bleiben können, wenn die Urheberrechte in den USA bereits abgelaufen sind. Es müsste dann die normale deutsche Schutzfrist gelten. Demnach wären „Steamboat Willie“ und Micky Maus in Deutschland noch bis 2041 geschützt – 70 Jahre nach Ub Iwerks’ Tod. „Ein Urteil könnte für Klarheit in dieser Rechtsfrage sorgen“, sagte John auf Nachfrage von heise online.
    Mickys dritter Film

    In den USA hätte das Urheberrecht an „Steamboat Willie“ bereits mehrfach ablaufen sollen, wogegen Disney sich erfolgreich wehrte: Nach Lobbyarbeit von Disney und anderen Unternehmen erhöhten die USA zuletzt 1998 den Urheberrechtsschutz für Werke von Unternehmen, die vor 1978 erschaffen wurden, auf 95 Jahre. Nun ist auch diese Frist verstrichen. Die Schutzrechte an einer anderen Figur hat Disney bereits verloren: 2022 endete in den USA das Copyright an Winnie Puh.

    „Steamboat Willie“ war zumindest nach Produktionsreihenfolge der dritte Film der heute so kultigen Comic-Maus, die vorher bereits in den Stummfilmen „Plane Crazy“ und „The Gallopin’ Gaucho“ vertreten war. Das Copyright am ersten Micky-Film „Plane Crazy“ ist in den USA ebenfalls am 1. Januar abgelaufen. „The Gallopin’ Gaucho“ wurde zwar vor „Steamboat Willie“ produziert, allerdings erst danach veröffentlicht. Laut dem Center for the Study of the Public Domain endet das Urheberrecht an dem Stummfilm in den USA erst 2025.

    #USA #Allemagne #droit_d_auteur #disney #public_domain #wtf

  • Erinnerung als umkämpftes Terrain
    https://www.unsere-zeit.de/erinnerung-als-umkaempftes-terrain-4786896

    Le cinquantième anniversaire de la révolution des Œillets est proche. Il faudra défendre la perspective socialiste sur l’histoire et dénoncer l’intervention des social-démocrates allemands et des autres forces contre-révolutionnaires qui ont étouffé le progrès vers une véritable dèmocratie au Portugal.

    https://www.youtube.com/watch?v=gaLWqy4e7ls&pp=ygUdZ3JhbmRvbGEgdmlsYSBtb3JlbmEgMjUgYWJyaWw%3D

    22.12.2023 von Martin Leo - Im April 2024 jährt sich die Nelkenrevolution zum 50. Mal

    Es bedarf nicht erst des im nächsten Jahr bevorstehenden 50. Jahrestags der portugiesischen Revolution vom 25. April 1974, um zu erkennen, dass es einen Kampf um die Deutungshoheit dieses nicht nur für Portugal wichtigen Ereignisses gibt. Naturgemäß reicht die Auseinandersetzung um die Ziele der damaligen antifaschistisch-demokratischen Revolution, die den portugiesischen Faschismus nach 48 Jahren beendete, bis in die Gegenwart. Naturgemäß gibt es politische und soziale Kräfte in der portugiesischen Gesellschaft, denen sich die bürgerliche Demokratie auf der Grundlage modernisierter kapitalistischer Verhältnisse als längst verwirklichtes Hauptziel der Aprilrevolution darstellt. Sie feiern im kommenden April insgeheim wahrscheinlich weniger diesen 25. April 1974 als den 25. November des darauf folgenden Jahres, dessen Ergebnisse die weitere revolutionäre Dynamik stoppten und die kapitalistische Rückeroberung der den großen Konzernen, Banken und Grundbesitzern verloren gegangenen Produktionsmittel einleiteten. Ihre eigentliche Aufmerksamkeit dürfte den Neuwahlen zum portugiesischen Parlament am kommenden 10. März gelten, bei denen es ihnen – wie nun seit 50 Jahren – hauptsächlich darum geht, jene Kräfte am Wiederaufstieg zu hindern, die fortlaufend die tiefgreifenden sozialen und demokratischen Ideale ihrer Revolution von 1974 in Erinnerung rufen. Für sie ist die Vergangenheit noch gar nicht vergangen und benötigt die Zukunft eine neue Chance.

    Nelken im April

    Unvergessen auf beiden Seiten ist daher auch nach fünf Jahrzehnten, dass der Klassenkampf bis zum Höhepunkt im politisch „heißen“ Sommer 1975 dazu geführt hatte, selbst die bis dahin herrschenden Eigentumsverhältnisse radikal zu demokratisieren und damit bürgerlich-demokratische Grenzen mutig zu überschreiten. „Diese Revolution war unsere“ – das sagen heute die fortschrittlichsten unter den lohnabhängigen Menschen Portugals, die aktuell vor allem um die Erhöhung des Mindestlohns und um eine allgemeine Lohnerhöhung von 15 Prozent, um Rentenerhöhungen um 7,5 Prozent und um eine Festsetzung der Preise für Treibstoff und Lebensmittel kämpfen. Weitere zentrale Forderungen beziehen sich insbesondere auf das erst nach der Revolution entstandene staatliche Gesundheitswesen und auf die prekäre Situation auf dem Wohnungsmarkt.

    Für diese Menschen waren weder die bisherigen 49 Jahrestage leere Feiertage und noch weniger wird es der 50. Jahrestag der Revolution sein. Er hat eine ganz praktische und verpflichtende Bedeutung. Das weiß auch die portugiesische Reaktion, die ihre drohende Niederlage von 1975 – die Eingriffe in die Eigentumsverhältnisse – nicht vergessen hat. Auch ihr ist klar, dass die damalige Revolution „in gewisser Hinsicht“ unvollendet geblieben ist.

    Flamme oder Asche

    Daher gibt es grundsätzlich zwei Erinnerungskulturen. Die eine möchte gerne die entscheidende Rolle der Bevölkerung, insbesondere im Kampf um soziale Gerechtigkeit und Entkolonialisierung – vergessen machen. Politische und soziale Rechte waren dem Volk in Portugal nicht von einem abtretenden Regime „gewährt“ worden, vielmehr musste es seine Rechte auf der Straße, in den Wohnvierteln und in den Betrieben erkämpfen. Das genau ist der wirkliche genetische Fingerabdruck der portugiesischen Revolution. Wer das in den Hintergrund drängt, will die arbeitenden Menschen ihres kollektiven historischen Gedächtnisses und ihrer Klassenidentität berauben.

    Die progressive Erinnerungskultur steht in der Kontinuität der aktiven Revolutionäre der 1970er Jahre und ist deren Erbe. Mit Jean Jaurès kann man sagen, dass ihre Anhänger aus diesem Erbe „die Flamme vieler Generationen“ holen, während die restaurativen Kräfte höchstens „die Asche bewahren“.

    Wie der widersprüchliche revolutionäre Prozess nach dem April bewies, war er Ausdruck bestimmter – sich ständig verändernder – politischer und sozialer Kräftekonstellationen. Nicht anders verhält es sich mit der Art und Weise, in der die Portugiesen bis heute auf ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft blicken. Auch die „Erinnerung“ ist umkämpftes Terrain im Klassenkampf. Für Portugiesen gilt darüber hinaus wie für andere Völker, die faschistische Herrschaft erlebten, dass die Erinnerung daran zwar nicht leicht, aber das Vergessen sogar unmöglich ist.

    Unterschiedliche Generationen

    Menschen, die aufgrund ihres Alters die politischen Geschehnisse Mitte der 1970er Jahre bewusst wahrgenommen haben, müssen sich vergegenwärtigen, dass bereits 50 Jahre zurückliegende Ereignisse für viele andere zu einer Vergangenheit gehören, zu der sie keinen Bezug haben. Gemessen an der 2021 ermittelten portugiesischen Altersstruktur bedeutet das, dass heute nur noch ein gutes Drittel der Bevölkerung überhaupt als „Zeitzeugen“ der Revolution gelten kann.

    Entsprechend muss Geschichtswissen für verschiedene Generationen aufbereitet werden. Es gab bereits unzählige Veranstaltungen, die sich dem 50. Jahrestag der Revolution unter sehr unterschiedlichen Blickwinkeln näherten und sich den didaktischen Herausforderungen zu stellen versuchten. Das prägte schon das diesjährige Pressefest der Zeitung „Avante!“ der Portugiesischen Kommunistischen Partei (PCP).

    Im Juni 2021 rief ein Ministerratsbeschluss die „Kommission zur Erinnerung an den 50. Jahrestag des 25. April“ unter Schirmherrschaft des Staatspräsidenten ins Leben. Veranstaltungen der PCP oder der zur Intersindical gehörenden Gewerkschaften sowie anderer demokratischer Organisationen sind dem von der Kommission entwickelten inhaltlichen Rahmen nicht unterworfen. Sie vermitteln ein an revolutionären Werten und Zielen festhaltendes Geschichtsbild, das dazu inspiriert, für diese Werte zu kämpfen. Das gewährleistet Unabhängigkeit von den ideologischen Botschaften, die die bisher mit absoluter Mehrheit regierende Sozialistische Partei den Portugiesen auf den weiteren Weg geben möchte. Ein Beispiel, wie die erhöhte politische Aufmerksamkeit um den Jahrestag herum für die politische Aufklärung genutzt wird, ist der von der PCP gestartete Internet-Podcast „Tausend Gespräche um den April“. Bereits drei Gesprächsrunden sind veröffentlicht, in denen führende Vertreter der PCP Gästen politisches und persönliches über den „25. April“ entlockten. So trat dort der aus Angola stammende Fußballtrainer Blessing Lumueno zusammen mit der Schauspielerin Sofia Aparício auf. Der 39-jährige Musiker und Produzent Luis Clara Gomes bestätigte die Bedeutung der Revolution für die Kultur, während die acht Jahre jüngere Filmemacherin Leonor Teles den Wert persönlicher und kollektiver Erinnerung an Geschichte unterstrich. Der Komiker Diogo Faro, dessen Humor der bürgerliche „Expresso“ gerade „zunehmend politisch und aktivistisch“ nannte, verlangt mehr Wohnraum, ein besseres öffentliches Gesundheitswesen und weniger Diskriminierung.

    Offizielles Gedenken

    Zur regierungsamtlichen „Erinnerungskommission“ gehören der Premierminister, der Parlamentspräsident, die Präsidenten der obersten Gerichte, der Präsident des Rechnungshofs und als prominenter Vertreter der früheren „Bewegung der Streitkräfte“ (MFA) der Präsident der „Vereinigung des 25. April“, Vasco Lourenço. Für die Planung und Durchführung des Programms wurde im Verantwortungsbereich des Kulturministeriums eine Projektkommission unter Leitung der Historikerin Inácia Rezola (Jahrgang 1967) gebildet.

    Im Rahmen der Vorgaben begannen die offiziellen Feiern und Veranstaltungen bereits am 24. März 2022, denn an diesem Tag existierte die portugiesische Demokratie bereits mehr Tage als die nach 48 Jahren gestürzte faschistische Diktatur. Offiziell beendet werden alle Veranstaltungen im Jahr 2026: Nach offizieller Lesart habe sich nämlich die portugiesische Demokratie erst 1976 „konsolidiert“ – und zwar durch die Annahme der Verfassung, durch die Bildung der ersten verfassungsmäßigen Regierung, durch die Wahl des Staatspräsidenten und durch die Kommunalwahlen sowie die Regionalwahlen auf Madeira und den Azoren. An die Stelle der „revolutionären Legitimität von MFA und Volksmassen“ trat die „Legitimität der Urnen“, schrieb dazu 2004 treffend der linke Historiker Fernando Rosas.

    Jedes Jahr wurde von der Projektkommission unter ein Generalthema gestellt. Erklärtes Ziel der Veranstaltungen ist es, sich an alle Altersgruppen zu wenden, alle „sozialen Schichten“ zu erreichen, die Emigranten einzubeziehen, Künstler und Wissenschaftler zur aktiven Teilnahme aufzurufen und die Jugend für eine bewusste Teilnahme am demokratischen Leben zu gewinnen. Erinnerungen und Zeitzeugnisse sollen gesammelt und gesichert werden. Verbunden ist dies mit Aufrufen zu geförderten Forschungsprojekten im Zusammenhang mit der Aprilrevolution, mit der Sammlung von Amateurfilmen vom 25. April 1974 und mit geförderten Dokumentarfilmprojekten.

    2022 bildeten das Leitthema vor allem die demokratischen und sozialen Bewegungen, die seit Ende der 1960er und Beginn der 1970er Jahre „die Revolution ermöglichten“, wozu die demokratische Studentenbewegung vom Ende der 1960er Jahre gehörte, aber auch die antifaschistische demokratische Frauenbewegung sowie widerständige Strömungen in der katholischen Kirche und in der künstlerischen Intelligenz.

    2023 waren Leitthema die Gewerkschafts- und Arbeiterbewegung und deren Beitrag zum Sturz der Diktatur. So gibt es zum Beispiel in Porto eine Ausstellung „Vereint werden wir siegen!“ über die Proteste und Streiks der Gewerkschaften zwischen 1968 und 1974. Gleichzeitig wurde mit einer anderen Ausstellung in Lissabon der 100. Geburtstag des 2013 verstorbenen antifaschistischen und mit der PCP verbundenen Schriftstellers Urbano Tavares Rodrigues gewürdigt.

    2024 sollen die MFA und die Entkolonialisierung in den Mittelpunkt gestellt werden. Im darauf folgenden Jahr 2025 gilt die Aufmerksamkeit der Errungenschaft freier Wahlen. Im selben Jahr will man eine Debatte führen über die Vertiefung der portugiesischen Demokratie, über ihre Qualität und ihre Zukunft. Wie die regierungsoffizielle Homepage zum Jahrestag informiert, erwarte man eine breite Debatte über die „turbulenteste und polemischste Phase“ der Revolution 1974/75 und eine Einbeziehung der Universitäten und der „allgemeinen Gesellschaft“.

    Das Leitthema für 2026 soll schließlich „Entwicklung“ lauten.

    Für alle offiziellen Veranstaltungen komponierte Bruno Pernadas die Hymne „O governo do Povo“ („Die Regierung des Volkes“) in Anlehnung an die Werke von drei antifaschistischen Komponisten Portugals: „Die Gedenkkommission für den 50. Jahrestag des 25. April wollte den Feierlichkeiten eine musikalische Handschrift geben, die Erinnerung und Zukunft miteinander verbindet.“

    Alle Veranstaltungen zum großen runden Jahrestag der Revolution bieten den demokratischen Kräften in Portugal die Möglichkeit, sich dazu mit ihrer eigenen Stimme zu Wort zu melden und die „Werte des April“ mit den Kämpfen der Gegenwart zu verknüpfen. Sie werden diese Chance weiterhin nutzen.

    #Portugal #révolution #1974

  • Absurdität und Arroganz: Was Wolfgang Schäubles Wirken im Einigungsprozess den DDR-Bürgern brachte
    https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/absurditaet-und-arroganz-was-wolfgang-schaeubles-wirken-im-einigung


    Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (l.) und DDR-Staatssekretär Günther Krause bei der Unterzeichnung der Urkunden zum Einigungsvertrag am 31.08.1990. In der Mitte DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière. Im Palais Unter den Linden in Berlin wurde der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik per 3. Oktober 1990 besiegelt.

    1.1.2024 von Hans Modrow, mtk| - Hans Modrow beschrieb in einer Rede in Zürich die Haltung der westdeutschen Eliten in den Jahren nach 1990 und die offiziöse Geschichtsschreibung: Sind wir inzwischen „ein Volk“?

    Der am Dienstag im Alter von 81 Jahren verstorbene CDU-Politiker Wolfgang Schäuble hat in den vergangenen Tagen vielfache Würdigung erfahren. In frischer Erinnerung sind seine Jahre als Minister in der Regierung Merkel und als Präsident des Deutschen Bundestages – als energischer Verteidiger der Demokratie. Sein Anteil als von Bundeskanzler Helmut Kohl beauftragter Verhandlungsführer am Zustandekommen des Vertrages über die deutsche Einheit im Jahr 1990 fand in den Nachrufen allenfalls kurze Erwähnung. Das mag einerseits an dem Gebot des Anstandes und der Pietät liegen, einem jüngst Verstorbenen nichts Schlechtes nachzureden, andererseits daran, dass der Inhalt dieses Vertrages das Leben der Bürger der alten Bundesrepublik wenig beeinflusste – und damit auch das der Nachrufautorinnen und -autoren.

    In einem von der ARD ausgestrahlten Nachruf erinnerte Richard Schröder, seinerzeit Vorsitzender der SPD-Fraktion in der letzten DDR-Volkskammer, dass die Seite mit dem Geld den Lauf der Verhandlungen bestimmt habe. Der Mann mit dem Geld war Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble gewesen. Er trat im Mai 1990 mit einem Entwurf des Einigungsvertrages an, dem DDR-Verhandlungsführer Günther Krause mit einem Fünf-Seiten-Papier begegnete.

    Etliche der im Vertrag festgelegten Regeln sollten in den kommenden Jahren das Leben der DDR-Bürger über den Haufen werfen – man denke nur an das Prinzip Rückgabe vor Entschädigung von Eigentum in der DDR, (Richard Schröder hatte sich für Entschädigung vor Rückgabe starkgemacht.), die von der Treuhand zu erledigende Komplettabwicklung des Volkseigentums und die Privatisierung in „pragmatischer Eile“ oder die Frage der Berufsabschlüsse. DDR-Bürgern wurde in Kapitel VII des Vertrages die Gnade eingeräumt, auf Antrag eine „Gleichwertigkeitsfeststellung“ zu erlangen.

    Wolfgang Schäuble, in den Nachrufen politisch auch als „harter Knochen“ bezeichnet, hat bis zum Schluss keinen Hinweis gegeben, ob er Teile des Vertragswerkes später als unglücklich und der inneren Einheit nicht dienlich empfand. Zwei Jahre nach Unterzeichnung des Vertrages durch Schäuble und seinen im Westen viel verspotteten DDR-Partner Günther Krause schrieb der Spiegel: „Das Dogma Eigentumsrecht, die Ideologie, dass der Grundbesitz des Einzelnen über allem steht, erweist sich immer stärker und bedrohlicher als schwerster Fehler bei der Gestaltung der Einheit.“ Als Folgen diagnostizierte das Blatt: „Der Hass auf die Raffkes aus dem Westen wächst.“ Das Vertrauen in den Rechtsstaat schmelze dahin. Über den Vereinigungsvertrag, das Werk des Juristen Schäuble, heißt es: „Ein juristisches Glanzstück war das nicht.“

    Im März 1990 hatte die DDR-Regierung unter Hans Modrow noch ein Gesetz erlassen, demgemäß Bürger die volkseigenen Grundstücke, auf denen ihr Eigenheim stand, noch günstig kaufen und so vor dem West-Zugriff schützen konnten. Das war eine der Maßnahmen, mit denen Hans Modrow, letzter Ministerpräsident der DDR mit Parteibuch der PDS, vormals SED, die Einheit vorbereitete. Er hatte die erste freie Wahl am 18. März 1990 vorbereitet, in der eine klare Mehrheit unmissverständlich den Wunsch nach rascher Wiedervereinigung ausdrückte. Die Machtübergabe an seinen CDU-Nachfolger Lothar de Maizière verlief ruhig und geordnet.

    Am 16. April 2019 hielt der kürzlich verstorbene Hans Modrow einen Vortrag an der international hoch anerkannten Schweizer Eidgenössischen Technischen Hochschule, ETH, in Zürich, in dem er ohne Bitterkeit die Absurdität und auch Arroganz der westdeutschen Eliten aufzeigt, die gegenüber ostdeutscher Lebenswirklichkeit bis heute durchgehalten wird. Eine Einladung einer deutschen Hochschule hatte er nie erhalten. Die Schweizer gaben ihm die Möglichkeit, eine solche Rede zu halten, die im eigenen Land keiner hören wollte. Wolfgang Schäuble wird in dem Text nicht namentlich genannt. Sein Wirken aber liegt an der Wurzel von Modrows Lebensbilanz.
    Maritta Tkalec

    Hier die Rede mit dem Titel „30 Jahre nach dem Fall der Mauer – Europa damals und heute“ im Wortlaut:

    In den frühen Siebzigerjahren erschien ein Roman des deutschjüdischen Schriftstellers Stefan Heym mit dem Titel „Der König David Bericht“. In diesem ging es im Wesentlichen darum, dass im Nachgang historische Vorgänge umgeschrieben wurden, damit diese die Gegenwart und vor allem den Auftraggeber rühmten. Die damalige Literaturkritik in West und Ost, nicht frei vom Zeitgeist, interpretierte diesen Vorgang auf unterschiedliche Weise. Heute, wo es nur noch Westen gibt, ist sie sich einig: Heym attackierte damit den Stalinismus, den Machtmissbrauch, die Zensur und auch den Antisemitismus.

    Dabei sind jene, die dies postulieren, sich nicht einmal bewusst, dass sie selbst eigentlich nicht frei sind von jenen Verhaltensmustern, die der DDR-Autor Heym kritisierte.

    Mit dem Herbst ’89, der DDR im Allgemeinen und ihrem Ende im Besonderen ist es nicht anders.

    Seit dreißig Jahren wird ein Bild vornehmlich von jenen gezeichnet, die entweder nicht dabei waren, oder aber von Menschen, die sich als Opfer der DDR verstehen. Nun stelle ich keineswegs in Zweifel, dass etliche Ostdeutsche aus unterschiedlichen Gründen in der DDR nicht heimisch wurden und lieber gingen als blieben. Aber in keinem Staat leben nur glückliche Menschen. Allenfalls im biblischen Paradies – doch auch dort wurde das Machtmonopol repressiv eingesetzt. Bekanntlich wurden die Bürger Adam und Eva ausgewiesen.

    In der offiziösen Geschichtsschreibung über die DDR dominiert die sogenannte Opferperspektive. Weil sie die These von der Befreiung stützt und dem vermeintlichen Sieger Lob und Legitimation für sein Tun verschafft. Eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Sicht findet allenfalls an der Peripherie und selten im akademischen Raum statt. Die vorherrschende Meinung war und ist die Meinung der in Politik, Medien und Wissenschaft Herrschenden. Widersprechende Zeitzeugen, so sie aus der politischen Klasse der DDR stammen, bekommen entweder einen Maulkorb oder das Etikett „Täter“ verpasst. Wer ein gutes Haar an dieser untergegangenen DDR lässt, gilt als ewiggestrig, als unbelehrbar, als dogmatisch und – was ja der Sinn dieser denunziatorischen Übung war und ist – als unglaubwürdig.

    Da hilft es auch nicht, wenn man die deutsche Frage in einen internationalen Kontext stellt, wenn man vom Kalten Krieg spricht und beide Seiten zu gleichen Teilen für diesen unfriedlichen Zustand verantwortlich macht. Schuld haben nur die einen: die Verlierer.

    Noch weniger hinnehmbar ist, dass man von der „zweiten deutschen Diktatur“ spricht und ein Gleichheitszeichen setzt zwischen dem verbrecherischen Nazi-Reich und der zweiten deutschen Republik, der DDR. Einige behaupteten sogar, der Strich auf dem Bahnhof Friedrichstraße in Berlin gliche dem auf der Rampe in Auschwitz. Und da es keine vergleichbaren Leichenberge gab, sprach man ersatzweise vom „Auschwitz der Seelen“. Dass dies nicht nur die Menschen empörte, die die Nazibarbarei in Konzentrationslager und im Exil überlebt hatten und zur Gründergeneration der DDR gehörten, muss ich nicht betonen.

    Erfahrung von Krieg und Gefangenschaft

    Ich selbst kam 1949 – in jenem Jahr, als die Bundesrepublik und die DDR gegründet wurden – aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Nicht nach Hause, denn das lag in Pommern und nunmehr in Polen. Die Nazis hatten mich 17-jährig in ihr letztes Aufgebot gesteckt, und ohne jemals einen Schuss abgegeben zu haben, durfte ich vier Jahre lang in den Weiten Russlands Holz schlagen. Aber, und deshalb setze ich dies an den Beginn meines Vortrags: Ich war damals auch mit jener Unwissenheit geschlagen, die die Herrschenden – damals also die Nazi-Clique – brauchen, um Menschen in den Krieg zu schicken. Gegen diese Unwissenheit setzten damals die Sowjets die Aufklärung. In den sogenannten Antifa-Schulen klärten sie deutsche Ex-Soldaten darüber auf, wer diesen Krieg gemacht hatte, warum er geführt wurde, wer davon profitierte und wer dafür bezahlen musste. Auch ich hörte dort zum ersten Male davon.

    Kriege werden immer um Territorien, um Rohstoffe und Absatzmärkte, um Macht und Einfluss geführt. Die Ideen, um deren Verbreitung angeblich immer gekämpft würde, und die vermeintliche Befreiung von in Knechtschaft gehaltenen Menschen, sind reine Propaganda. Die angebliche „Rettung des Vaterlandes“ und die „Beseitigung des jüdischen Bolschewismus“ kostete zwischen 1933 und 1945 mehr als fünfzig Millionen Menschen das Leben.

    Europa war nach dem 8. Mai 1945 – die Schweiz ausgenommen – ein Leichen- und Trümmerfeld. Und die Siegermächte der Antihitlerkoalition beschlossen in Potsdam die Nachkriegsordnung für den Kontinent. Am 30. Januar 1933 hatte das deutsche Großkapital die Nazis an die Macht gebracht, weil es sich von ihnen höhere Rendite erwartete. Ohne diesen 30. Januar 1933 wären zwölf Jahre später in Berlin nicht die Kapitulation besiegelt und Deutschland nicht militärisch besetzt worden. Unmittelbar danach brachen die Interessengegensätze zwischen den einstigen Verbündeten auf, es begann ein Kalter Krieg, der zur Spaltung nicht nur Deutschlands, sondern Europas führte. Die Teilung Deutschlands, die ich bei meiner Rückkehr vorfand, empfand ich stets als Quittung für den von Deutschland 1939 begonnenen Eroberungskrieg. Ich war damals elf Jahre alt und daran unschuldig. Doch ich war jetzt nicht nur um eine Erfahrung reicher, sondern nunmehr auch verantwortlich dafür, dass Faschismus und Krieg nie, nie wieder stattfinden durften. Ich hatte meine Lektion in der Kriegsgefangenschaft gelernt.
    „Lass uns dir zum guten dienen, Deutschland einig Vaterland“

    Die Teilung Deutschlands hielten wir im Osten für einen temporären Vorgang – zumal die Bildung der DDR im Nachgang zur Gründung eines Separatstaates in den drei westlichen Besatzungszonen erfolgt war. Zwangsläufig. Denn wenn es auf der einen Seite eine Bundesrepublik Deutschland gab, durfte auf der anderen Seite das sowjetisch besetzte Territorium nicht weiter eine Zone bleiben. Auch wenn absichtsvoll bis in die 1960er-Jahre Bundeskanzler Adenauer nur von der „Sowjetzone“ sprach und später das Kürzel DDR in Anführungszeichen gesetzt wurde.

    Erst als 1973 beide deutsche Staaten gleichberechtigte Mitglieder der Uno wurden, zog mit der Entspannungspolitik auch ein wenig Normalität in die deutsch-deutschen Beziehungen ein. Eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR durch die BRD, eine Respektierung ihrer Bürger als Staatsbürger eines anderen Landes erfolgte bis zum Ende 1990 jedoch nie. Aber noch einmal: Die DDR verstand sich mindestens in ihrer Anfangszeit als Provisorium, ihr Parlament hieß „Provisorische Volkskammer“, und in der Nationalhymne sangen wir (erstmals am 6. Oktober 1949): „Auferstanden aus Ruinen / und der Zukunft zugewandt, / lass uns dir zum Guten dienen, / Deutschland, einig Vaterland.“

    Meine Partei, die SED, forderte „Deutsche an einen Tisch!“, unterbreitete Vorschläge, wie man zu einer Konföderation käme, und wollte den anormalen Zustand – denn die Teilung Deutschlands wurde als widernatürlich empfunden – überwinden. Diese Teilung wurde in der BRD jedoch zementiert. Man lehnte dort die Stalin-Noten von 1952 ab, mit denen Moskau u. a. freie Wahlen in ganz Deutschland und den Abzug aller Besatzungstruppen vorgeschlagen hatte. Die Adenauer-Regierung forcierte stattdessen die Westintegration der Bundesrepublik und die Wiederbewaffnung und grenzte sich vom Osten ab.

    Der Beitritt der BRD zur Nato 1955 verursachte auf der Gegenseite die Bildung eines Warschauer Paktes, dem sich die DDR anschloss. Damit wurde die Westgrenze der DDR – im westdeutschen Sprachgebrauch fälschlich immer als „innerdeutsche Grenze“ bezeichnet – zur Ostgrenze der Nato in Europa und zur Westgrenze des östlichen Bündnisses.

    Damit fiel die Oberhoheit an dieser Trennlinie der Systeme den jeweiligen Führungsmächten zu. Nicht die BRD und die DDR, sondern Washington und Moskau diktierten im Wesentlichen die Bedingungen. Wie das Grenzregime gestaltet wurde, wer wo was zu tun und zu unterlassen hatte.
    Heikler Sonderfall Berlin

    Berlin, auf dem Territorium der DDR gelegen, war ein heikler Sonderfall: Dort saßen die vier Mächte und achteten darauf, dass die Stadt – in der es keine Grenze zwischen den Sektoren gab – weder von der einen noch von der anderen Seite regiert werden durfte. Und nach West-Berlin durften auf drei Trassen nur die Flugzeuge der Siegermächte verkehren. Unkontrolliert von deutschen Behörden.

    Unproblematisch hingegen war es auf der Erde. Mit einem Ticket für 20 Pfennig gelangte man mit der S-Bahn von Ost- nach West-Berlin und umgekehrt. Als DDR-Bürger bekam man, so man es wünschte, im Westen sofort einen westdeutschen Pass, denn die BRD maßte sich an, für alle Deutschen zu sprechen. Auch für die in Polen, der ČSSR und in der Sowjetunion lebenden. Bonn überzog entsprechend seiner Hallstein-Doktrin sogar Drittstaaten mit Sanktionen, sofern diese – im Unterschied zur BRD – die DDR und die Pässe ihrer Bürger anerkannten.

    Das führte zu zusätzlichen Spannungen, die im Juni 1961 die Staatschefs der beiden Großmächte in Wien bei ihrem ersten Gipfeltreffen zu beheben hofften. Chruschtschow und Kennedy einigten sich jedoch nur darauf, dass die Rechte der Westmächte in West-Berlin nicht angetastet, ihr Zugang zur einstigen Reichshauptstadt nicht behindert und die Sicherheit der West-Berliner durch sie geschützt werden durften. Dadurch blieb das grundsätzliche Problem – das der offenen Grenze zwischen Ost- und West-Berlin – ungelöst, worauf Moskau Anfang August entschied, diese Grenze zu schließen und eine Mauer rund um West-Berlin zu errichten. Die am 13. August 1961 getroffenen Maßnahmen wurden als Bündnisentscheidung deklariert. Das waren sie auch, denn alle Staaten des Warschauer Vertrages stimmten zu. Auch die DDR.

    Aber es war eben nicht die DDR und schon gar nicht Walter Ulbricht, der den Mauerbau befahl.

    Und es waren eben nicht die Kommunisten allein, die Deutschland und Europa geteilt haben, was wahrheitswidrig seither behauptet wird. Der Mauerbau und seine Konsequenzen waren die Folge der Politik beider Seiten. Die Logik des Kalten Krieges erzwang Aktion und Reaktion, auf die Provokation der einen folgte die der anderen Seite. Ich gehörte damals der Leitung der Berliner SED-Organisation an und weiß, worüber ich rede. Nicht jeder Schritt war von Vernunft diktiert.

    Erst die Einsicht, dass zwischen den beiden Blöcken ein militärstrategisches Gleichgewicht bestünde, führte zur Entspannung. Beide Seiten wussten: Schieße ich als Erster, sterbe ich als Zweiter. Die Möglichkeit wechselseitiger Vernichtung führte zur Einsicht, dass man sich arrangieren müsse, um friedlich miteinander zu existieren. Das führte erstmals in der Geschichte zur Schaffung eines Systems kollektiver Sicherheit, geknüpft durch eine Vielzahl bilateraler und multilateraler Verträge.

    Die Krönung dieser globalen diplomatischen Anstrengungen war die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, deren Schlussdokument 1975 von Staats- und Regierungschefs der 33 Staaten des Kontinents sowie der USA und Kanadas in Helsinki unterzeichnet wurde.

    Dieses in Jahrzehnten entstandene Netzwerk vertrauensbildender Abkommen und Vereinbarungen überstand viele Belastungen – selbst den Untergang des Ostblocks. Der gegenwärtig in Washington herrschende Präsident und die ihn stützenden Kräfte vermochten es allerdings, dieses System binnen zweier Jahre zu liquidieren. Seither bestimmen wieder Argwohn und Misstrauen die Weltpolitik und es wird, wenn überhaupt, Jahrzehnte brauchen, um dieses Vertrauen wiederherzustellen.

    Wir lernten in der Folgezeit nicht nur mit der Bombe zu leben, sondern auch mit der Mauer. Beide aber sollten verschwinden. Das war nicht nur der Wunsch vieler Menschen im Westen, sondern auch im Osten. Honecker nannte die Raketen, die auf deutschem Territorium stationiert und mit Atomsprengköpfen bestückt waren, „Teufelszeug“ und verlangte ihren Abzug. In dieser Hinsicht war er sich mit Bundeskanzler Kohl einig. Sie erklärten am 12. März 1985 in Moskau gemeinsam, dass „die Unverletzlichkeit der Grenzen und die Achtung der territorialen Integrität und Souveränität der Staaten in Europa in ihren gegenwärtigen Grenzen“ (...) „grundlegende Bedingungen für den Frieden“ seien. Und: „Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg, von deutschem Boden muss Frieden ausgehen.“

    Honecker, der zwei Jahre später als Staatsgast die Bundesrepublik bereiste, wollte durchaus auch die Mauer durchlässiger machen. Er war zwar beim Abendessen mit Kohl in Bad Godesberg am 7. September 1987 der Auffassung, „dass Sozialismus und Kapitalismus sich ebenso wenig vereinigen lassen wie Feuer und Wasser“, womit er gewiss nicht Unrecht hatte. Doch in Neunkirchen im Saarland meinte er Tage später, dass man auf einen Zustand hinarbeiten wolle, dass die Verhältnisse an dieser Grenze so sein würden wie die an der Grenze zu Polen oder zur Tschechoslowakei.

    Nun will ich Honecker nicht zum Heiligen machen. Es gibt reichlich Gründe, ihn auch kritisch zu beurteilen. Aber was wahr ist, sollte auch als historische Wahrheit zur Kenntnis genommen werden. Wäre Honecker nicht am 29. Mai vor 25 Jahren in Chile verstorben, sondern vielleicht schon sechs, sieben Jahre früher und zwar im Amte, dann wäre halb Bonn nach Berlin geeilt, um dem ostdeutschen Staatsmann die letzte Ehre zu erweisen. Erst als er gestürzt und die DDR zu Grabe getragen war, wurde er zu jenem Schuft erklärt, als der er heute öffentlich geschmäht wird.

    Ganz nebenbei: Als der Wehrmacht-Leutnant Helmut Schmidt – dem wiederholt eine „einwandfreie nationalsozialistische Haltung“ von seinen Vorgesetzten attestiert wurde – Leningrad belagerte und in jener Zeit mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet wurde, saß Honecker im faschistischen Zuchthaus Brandenburg-Görden. Dort saß er ganze zehn Jahre für seine antifaschistische Gesinnung ein. Schmidt wurde später Bundeskanzler, Honecker Staats- und Parteichef. Schmidt ist heute ein Denkmal und sein Wohnhaus in Hamburg Museum, Honecker hat nicht einmal ein Grab in Deutschland. Wogegen ich im Übrigen auch bin. Denn ich fürchte, dass es nicht sicher wäre angesichts der üblen Nachrede, die er seit seinem Abgang von der politischen Bühne erfährt.

    Das alles gehört in Erinnerung gerufen, wenn wir über den 9. November 1989 reden. Denn der sogenannte Mauerfall hat eine Vor- und nicht nur eine Nachgeschichte. Außerdem fiel die Mauer erst 1990, als die Bagger und Mauerspechte kamen. An jenem 9. November öffnete die DDR Grenzübergangsstellen, und sie tat dies, weil a) einer aus der Führung auf einer Pressekonferenz fahrig und unkonzentriert die Sperrfrist übersah, die der Reiseverordnung beigegeben war, und weil b) diese Meldung übers Westfernsehen sogleich über die Mauer flog und viele DDR-Bürger an Grenzübergänge lockte. Sie wollten sehen, ob Schabowskis „sofort, unverzüglich“ auch zuträfe.

    Und nun tritt ein Moment hinzu, das für die Moral und den Anstand der DDR-Grenzer spricht. Nicht einer griff zur Waffe. Sie taten in dieser Minute das einzig Richtige, weil Vernünftige: Sie öffneten die Übergänge.

    Warum gab es in der DDR keine bürgerkriegsähnlichen Zustände wie etwa in anderen Staaten, in denen ebenfalls das sozialistische System sowjetischer Prägung implodierte? Warum blieb alles friedlich, floss kein Blut? Der Staat besaß das Gewaltmonopol, er hatte die Waffen – die Demonstranten Kerzen.

    Die sozialistische Staatsmacht kapitulierte nicht vor Kerzen und Friedensgebeten, sondern vor der Einsicht, dass man nicht auf das eigene Volk schießen darf. Solche Skrupel waren zum Beispiel der sozialdemokratischen Führung fremd, die die Novemberrevolution 1918 an die Macht gebracht hatte. Die schloss einen Pakt mit den kaiserlichen Militärs und ließen auf Menschen wie auf Hasen schießen. Nicht nur auf Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht.

    Und später, als die Rechten marschierten, vermieden diese Sozialdemokraten den Schulterschluss mit den Linken. Auf ihre 94 Nein-Stimmen gegen das Ermächtigungsgesetz der Nazis am 24. März 1933 sind sie mit allem Recht stolz. Sie waren die Einzigen, die im Reichstag gegen die Entmündigung der Parlamentarier und des Parlaments, gegen die Abschaffung der Demokratie und die Errichtung der faschistischen Diktatur stimmten.

    Die 81 Abgeordneten der KPD, die gesamte Fraktion, konnten es nicht mehr: Diese Abgeordneten waren bereits verhaftet oder auf der Flucht wie eben auch 26 SPD-Parlamentarier.

    Der Bruderkrieg im linken Spektrum hatte die Nazidiktatur möglich gemacht, weshalb der Umkehrschluss lautete: Wir brauchen die Einheit, um Wiederholung zu verhindern! Sie wurde im Osten auf der Parteiebene vollzogen und im Westen aktiv verhindert. Die Sozialistische Einheitspartei sollte die Geschicke der DDR bis 1989 leiten. Ich war, wie es immer heißt, der letzte Ministerpräsident der SED. Mein Nachfolger Lothar de Maizière kam von der CDU und verantwortete den Beitritt.
    Kohls Fahrplan zur Einheit

    Die staatliche Vereinigung der beiden Staaten wurde weder in Bonn noch in Berlin beschlossen. Sie wurde auch nicht vom Volk der DDR erzwungen. Die Mehrheit jener, die im Herbst ’89 demonstrierten – darunter nicht wenige der etwa 2,3 Millionen Mitglieder der SED –, wollten eine andere, eine bessere, eine sozialistische DDR. Erst später wurde aus dem Ruf „Wir sind das Volk!“ die Parole „Wir sind ein Volk!“

    Mit dem Ruf „Wir sind das Volk!“ stellte der Souverän klar, wer laut Verfassung das Sagen im Lande hatte. Die andere Parole wurde gewissermaßen von außen hereingetragen. Aus der von mir angedachten Vertragsgemeinschaft mit der Bundesrepublik wurde nichts. Bundeskanzler Kohl präsentierte am 28. November 1989 einen Zehn-Punkte-Plan, mit dem er ein „Selbstbestimmungsrecht der Deutschen“ einforderte.

    Diesen Fahrplan hatte er mit US-Präsident Bush abgestimmt, sonst mit niemandem. Gorbatschow fühlte sich übergangen, die deutsche Teilung war für ihn ein Ergebnis der Geschichte. Aber Kohl hielt sich nicht an seine eigene Zusage, die er 1985 gemeinsam mit Honecker gemacht hatte: Die Unverletzlichkeit der Grenzen und die Achtung der territorialen Integrität und Souveränität der Staaten in Europa in ihren gegenwärtigen Grenzen sind eine grundlegende Bedingung für den Frieden. Damit war auch die Souveränität der DDR und ihre territoriale Integrität gemeint.

    Die Gefahr von Kohls Fahrplan wurde in Moskau sehr wohl erkannt. Der sowjetische Außenminister Schewardnadse ließ seinen Kollegen Genscher wissen: „Nicht einmal Hitler hat sich Derartiges erlaubt!“

    Ende Januar 1990 war ich bei Michail Gorbatschow und präsentierte ihm mein Konzept, das ich unter eine Zeile aus unserer Nationalhymne von 1949 gestellt hatte: Deutschland einig Vaterland. In einem Vierstufenplan sollte die Einheit über eine Vertragsgemeinschaft mit konföderativen Elementen, die Bildung einer Konföderation von DDR und BRD mit gemeinsamen Organen, die Übertragung von Souveränitätsrechten beider Staaten an Machtorgane der Konföderation und schließlich die Bildung eines einheitlichen deutschen Staates in Form einer Deutschen Föderation oder eines Deutschen Bundes durch Wahlen erfolgen. Diesen Plan stellte ich am 1. Februar 1990 auf einer Pressekonferenz in Berlin vor.

    Allerdings hatten Gorbatschow und Kohl andere Pläne. Kohl reiste mit „Bimbes“ nach Moskau, versprach der Sowjetunion Nahrungsmittelhilfen von 220 Millionen D-Mark, um die Moskau nachgesucht hatte, und bekam dort einen Freifahrtschein.

    Am 10. Februar erklärte der Bundeskanzler vor der Presse in der sowjetischen Hauptstadt: „Ich habe heute Abend an alle Deutschen eine einzige Botschaft zu übermitteln. Generalsekretär Gorbatschow und ich stimmen darin überein, dass es das alleinige Recht des deutschen Volkes ist, die Entscheidung zu treffen, ob es in einem Staat zusammenleben will.“
    Wo die Entscheidungen fielen

    Das deutsche Volk wurde nicht gefragt. Die Entscheidungen wurden in Bonn und in Washington getroffen, die Widerstände in London und Paris, wo man gegen eine Vereinigung war, wurden ausgeräumt. Moskau konnte und wollte sich nicht mehr widersetzen: Das Land lag wirtschaftlich danieder, die Strategie der USA, die UdSSR totzurüsten, war erfolgreich gewesen. Wie eben auch die Nachkriegsstrategie der USA in Europa aufgegangen ist. Sie bestand aus zwei Prämissen: Erstens wollten sie sich dauerhaft in Europa festsetzen, zweitens die Sowjets aus Zentraleuropa verdrängen. 1994 zogen die letzten russischen Soldaten aus Deutschland ab.

    Die Amerikaner sind noch immer da.

    Im Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz lagern noch immer Nuklearwaffen.

    Die Nato steht inzwischen an der russischen Grenze.

    Die USA haben wichtige Rüstungsbegrenzungsverträge mit den Russen aufgekündigt.

    Washington droht selbst Verbündeten mit Sanktionen, wenn diese die Boykottmaßnahmen gegen Russland unterlaufen.

    Die EU steht in Nibelungentreue fest zu den USA. Die Chance zu einer eigenständigen Politik, die eine Emanzipation von den USA zwingend voraussetzt, wurde bis dato nicht genutzt.

    Deutschland verhält sich so wenig souverän wie vor 1989 unter den Bedingungen der Zweistaatlichkeit.

    1999 beteiligte sich die Bundesrepublik erstmals seit 1945 an einem Angriffskrieg – den der Nato in Jugoslawien. Aktuell ist die Bundeswehr in dreizehn Staaten und Regionen in sogenannten Friedensmissionen unterwegs.

    Und innenpolitisch? Sind wir inzwischen „ein Volk“?

    Wir haben die staatliche, jedoch keine innere Einheit. In dreißig Jahren wurde es nicht geschafft, den inneren Frieden herzustellen. Die Lebensbedingungen in West und Ost sind verschieden. Nachdem man jahrelang dafür die SED und die „marode Wirtschaft“ der DDR verantwortlich machte, kommt man inzwischen nicht umhin einzugestehen, dass bei der Vereinigung Fehler gemacht worden seien. Das Wort von der Kolonisierung macht die Runde. Wichtige Funktionen in Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft werden unverändert von Westdeutschen besetzt, und diese ziehen wiederum ihresgleichen nach. Obgleich die Arbeitslosigkeit im Osten so niedrig ist wie seit 1990 nicht, es spürbare Bemühungen gibt, Renten und Gehälter dem Westniveau anzunähern, bleibt immer noch eine bemerkenswerte Differenz. Nach dreißig Jahren!

    Es ist auch weniger die soziale Ungerechtigkeit, die die Menschen im Osten bedrückt. Es ist die ungebrochene Vormundschaft, die über sie ausgeübt wird. Ihnen wird ihre Vergangenheit interpretiert, vorgeschrieben, gedeutet. In letzter Konsequenz ist es eine fortgesetzte Entmündigung. Der Vertrauensverlust in die Institutionen des Staates – Parteien eingeschlossen – ist so groß wie nie. Die Stunde der braunen Rattenfänger ist da. Faschisten saßen schon immer im Bundestag. Noch nie aber mit einer eigenen Fraktion ...

    Der Historiker in Heyms Roman „Der König David Bericht“, der mit der „richtigen“ Geschichtsschreibung beauftragt wurde, hieß Ethan ben Hoshaja. In Erinnerung an diesen Mann und seine Mission kann ich nur sagen: Solange die deutschen Ethans das Monopol auf die DDR-Geschichte, auf die Deutung von Mauerbau und Mauerfall besitzen, werden sich die Ostdeutschen bevormundet fühlen.

    Auch deshalb bin ich Ihnen dankbar, dass Sie mir Gelegenheit gaben, hier heute zu sprechen. In Zürich, in der Schweiz.

    Eine solche Einladung habe ich bisher von keiner deutschen Universität oder Fachhochschule erhalten. Und es gibt weit über dreihundert davon.

    Muss ich noch mehr sagen?

    #DDR #histoire

  • Kuba : 65 Jahre Kubanische Revolution
    https://www.jungewelt.de/artikel/466178.kuba-65-jahre-kubanische-revolution.html


    Fidel Castro bei einer Rede in Havana (ohne Datum)
    La résistance contre le super-puissances est possible. Aujourd’hui nous fêtons les 65 années de socialisme au Cuba.

    30.12.2024 von Volker Hermsdorf - Am Montag feiert das Land das Ende der Diktatur von Fulgencio Batista

    Millionen Kubaner feiern diesen Montag auch den 65. Jahrestag ihrer Revolution. Wie üblich, werden das neue Jahr und das Revolutionsjubiläum zu Silvester um Mitternacht auf der Festung San Carlos de la Cabaña über der Hafeneinfahrt der Hauptstadt mit 21 Salutschüssen begrüßt. Neben zahlreichen Aktivitäten im ganzen Land findet eine zentrale Feier im Céspedes-Park von Santiago de Cuba statt. Dort hatte Revolutionsführer Fidel Castro am 1. Januar 1959 von einem Balkon den Sieg der von ihm angeführten Rebellenarmee über das Regime des US-freundlichen Diktators Fulgencio Batista verkündet.

    »Wir können sagen, dass wir in den vier Jahrhunderten, seit unsere Nation begründet wurde, zum ersten Mal völlig frei sein werden«, erklärte Castro dort. Als ahnte er die kurz darauf beginnenden Angriffe von US-Regierungen auf die Unabhängigkeit und Souveränität seines Landes, fügte er hinzu: »Die Revolution beginnt jetzt. Sie wird keine einfache Aufgabe sein, sondern eine harte und gefahrvolle Unternehmung.«

    Seitdem unterliegt das erste sozialistische Land auf dem amerikanischen Kontinent der längsten und umfangreichsten Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade, die je gegen ein Volk verhängt wurde. Trotzdem verfügt Kuba seit Jahrzehnten über das politisch stabilste System der Region. Während viele Länder Lateinamerikas in den vergangenen Jahrzehnten unter meist US-freundlichen Diktatoren litten, die ihre Macht mit Todesschwadronen, Folter, »Verschwindenlassen« und Morden an Oppositionellen zu sichern versuchten, verteidigte Kuba mit Erfolg die Ziele der Revolution. In wenigen Jahren gelang es, die bis dahin im Bildungs- und Gesundheitsbereich rückständige Insel zum ersten vom Analphabetismus befreiten Land der Region zu machen. Und trotz US-Blockade verfügt Kuba weiterhin über die größte Anzahl von Ärzten und medizinischen Einrichtungen in Lateinamerika.

    Obwohl »die Last des Mangels« in vielen Bereichen auch an diesem Jahresende weiterbestehe, gebe es Errungenschaften, »die uns nicht einmal die schlimmsten Naturgewalten oder das Imperium nehmen konnten«, so Präsident Miguel Díaz-Canel in der letzten Parlamentssitzung des Jahres am 22. Dezember. »Feiern wir unsere Unabhängigkeit, unsere Souveränität und unsere Freiheit!«

    #Cuba #Révolution #Socialisme

  • Review of zur Nieden, Susanne, Unwürdige Opfer : Die Aberkennung von NS-Verfolgten in Berlin 1945 bis 1949
    https://www.h-net.org/reviews/showrev.php?id=18269

    C’est un sujet pour l’année 2024 : l’exclusion et la culpabilisation des plus pauvres. La pratique la plus radicale de l’idéologie de la responsabilité individuelle pour la maladie et la pauvreté fut la définition assez floue et l’emprisonnement dans les camps nazis des « asociaux et criminels professionnels ».

    En principe et d’un point de vue de pauvre et de malade les déologies nazies et libérales sont identiques. Il y a une différence dans le détail : Les nazis t’assassinaient et t’euthanasiaient, les libéraux te laissent crever tout seul des suites de ta pauvreté et de ta maladie.

    Comme à l’époque nazie chaque personne non fortunée est encore aujourd’hui soumise à l’accusation de responsabilité pour son propre malheur. La transformation des états de providence en sociétés libérales ("there is no such thing as society", Thatcher) continue et se radicalise en temps de guerre.

    En 2024 on aura beaucoup de choses à découvrir et à contester.

    Reviewed by Veronika Springmann
    Published on H-Soz-u-Kult (November, 2003)

    In den vergangenen Jahren ist nicht nur einiges zur Geschichte der Nachkriegszeit in beiden deutschen Staaten veröffentlicht worden, auch die Anfänge der Debatten um Entschädigung und Wiedergutmachung wurden in den Blick genommen. Stellvertretend erwähnt sei hier der Sammelband Klaus Naumann (Hg.), Nachkrieg in Deutschland, Hamburg 2001.
    Susanne zur Nieden versteht ihre Untersuchung zum „Berliner Hauptausschuss Opfer des Faschismus“ als eine „Detailstudie im Kontext der Vergangenheitspolitik“ (S.11). Sie fokussiert sich auf die Diskussion um die Wiedergutmachung von NS–Verfolgten und deren Umsetzung in Berlin von Mai 1945 bis Ende 1948.

    Im ersten Teil der Untersuchung beschreibt Susanne zur Nieden die Versuche einer Gruppe von Überlebenden, eine „überparteiliche und gesamtdeutsche Verfolgtenpolitik“ zu initiieren. Das wurde bereits von Olaf Groehler 1995 Vgl. hier Olaf Goehler, Verfolgten- und Opfergruppen in den politischen Auseinandersetzungen in der SBZ und DDR, in: Jürgen Danyel (Hg.), Die geteilte Vergangenheit. Zum Untergang mit dem Nationalsozialismus und Widerstand in beiden deutschen Staaten, Berlin 1995, S. 17 – 31. beschrieben. Dies wird nun sehr detailreich ausgeführt, vor allem im zweiten Teil der Monographie, der sich nicht nur mit der konkreten Arbeit des Berliner Hauptausschusses „Opfer des Faschismus“ beschäftigt, sondern aufzeigt, nach welchen Kriterien Verfolgte des Nationalsozialismus aus der Entschädigungspraxis ausgeschlossen wurden. In ihrem Ergebnis kommt sie zu einem Resultat, welches bereits Constantin Goeschler formulierte: “Zwischen der Gesamtzahl derer, die im Dritten Reich oder durch dieses diskriminiert, verfolgt oder ermordet, und der Zahl derer, die nach dem Krieg in Deutschland als Verfolgte des Nationalsozialismus in Betracht gezogen wurden, herrscht eine erhebliche Diskrepanz. Vgl. Constantin Goschler, Nachkriegsdeutschland und die Verfolgten des Nationalsozialismus, in: Hans – Erich Volkmann (Hg.), Ende des Dritten Reiches – Ende des zweiten Weltkrieges. Eine perspektivische Rückschau, München/Zürich 1995, 317 – 342, hier: 318. Von dieser Diagnose ausgehend schält sich eine der Hauptfragen der Untersuchung heraus: Welche Überlegungen lagen der gängigen Praxis des Ein – bzw. Ausschlusses in die Gemeinschaft der Verfolgten zugrunde. Susanne zur Nieden lässt sich hier von der Annahme leiten, dass „Ausschluss und Grenzziehung“ konstitutive Elemente der Entschädigungspraxis gewesen seien. Dass sie diese Ausschlüsse nicht immer rückbindet an Normvorstellungen der Akteure, ist eine Schwäche des Bandes.

    Bereits im März 1945 hatte sich in Berlin eine Gruppe von Gegnern des nationalsozialistischen Staates zusammengeschlossen. Noch war Berlin nicht in Sektoren aufgeteilt und unterstand der sowjetischen Verwaltung. Der von der sowjetischen Militäradministration eingesetzte Berliner Magistrat arbeitete unter den extremen Bedingungen einer zerstörten Infrastruktur, einer Stadt voller Flüchtlinge und obdachloser Menschen. Im Mai 1945 gelang es einer Gruppe von Häftlingen um Ottomar Geschke eine Interessenvertretung für NS-Verfolgte zu initiieren. Ottomar Geschke, Stadtrat für Soziales, strich bereits in seiner ersten Rede heraus, dass er die soziale Betreuung der „Opfer des Faschismus“ für das Kernstück der Sozialpolitik halte: „ Ich habe mir gesagt, das deutsche Volk insgesamt, das tatenlos zugesehen hat, wie Millionen und Abermillionen in die KZ’s (sic!) in die Zuchthäuser und die Gefängnisse geworfen und durch Krematorien gejagt wurden, dieses deutsche Volk, also die Gesellschaft muss wiedergutmachen an uns.“ Zit. nach Susanne zur Nieden, Unwürdige Opfer, 31. Diese Passage macht deutlich, was Susanne zur Nieden erst im Schlusswort deutlich formuliert, sich aber als „leise“ Frage dennoch durch den ganzen Band zieht: Wie eng die Frage nach Wiedergutmachung von NS-Verbrechen mit einer anderen zweiten zusammenhing, nämlich wie die sich neu bildenden Instanzen im besetzten Deutschland mit den NS-Aktivisten beziehungsweise mit der Mehrheit der Mitläufer umgehen sollten.“(S. 186).

    Der Hauptausschuss, keinesfalls nur von Kommunisten geprägt, Das zeigt bereits die erwähnte Studie von Olaf Groehler. Vgl. dazu Barck, Simone, Antifa-Geschichte(n). Eine literarische Spurensuche in der DDR der 1950er und 1960er Jahre, Köln 2003. Vgl. Susanne zur Nieden, “...für das Ansehen, der ‚Opfer des Faschismus’ nicht tragbar“. Auseinandersetzungen um den Verfolgtenstatus von Minna R., Blockälteste im KZ Ravensbrück, in: Insa Eschebach/Sigrid Jacobeit/Susanne Lanwerd (Hgg.), Die Sprache des Gedenkens. Zur Geschichte der Gedenkstätte Ravnebsrück 1945-1995, Berlin 1999, 184 – 195. setzte sich zusammen aus ehemaligen NS-Verfolgten, unterschiedlichster politischer Couleur: „Ausschließlich NS-Verfolgte sollten ihre Leidensgenossen vertreten und betreuen.“ (S. 35). Sieht Jürgen Danyel in dieser pluralen Zusammensetzung demokratische Versuche, wertet es Susanne zur Nieden v.a. als taktisch. Eine Annahme, die in der Untersuchung nicht überzeugend belegt werden kann, auch nicht im zweiten Teil, der sich mit „Unwürdigen Opfern“ auseinandersetzt, und Fragmente von „Verfolgungsbiografien“ vorstellt. Insgesamt liest sich dieser Teil ungleich spannender als der vorhergehende.

    Susanne zur Nieden beschäftigt sich hier mit Überprüfungsaktionen des Berliner Hauptausschusses, in deren Verlauf Menschen der Status eines NS-Verfolgten aberkannt wurde. Susanne zu Nieden zeigt auf, an welchen Schnittstellen diese Überprüfungsaktion angesiedelt war. So geben uns diese Akten nicht nur Auskunft über das tatsächliche Procedere des Ausschusses, sondern berichten über die moralisch-politischen Vorstellungen der Gruppe, die darüber entschied, wer sich „Opfer des Faschismus“ nennen durfte. Deutlich wird hier, wie stark kollektive Erinnerung und Erinnerungsarbeit vom politischen und moralischen Impetus unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen geleitet wird.

    Gegliedert ist der zweite Teil in vier Kapitel. Zunächst widmet sich Susanne zur Nieden der Frage, unter welchen Umständen es zu einer Überprüfung der anerkannten „Opfer des Faschismus“ kam. Im zweiten Kapitel wird von Menschen erzählt, die ihre Anerkennung als Opfer des Faschismus verloren haben. Moralischer und politischer Anspruch des Hauptausschusses zeigten sich in seiner formulierten gesellschaftlichen Vorbildfunktion, die es nicht zulassen konnte, dass sich innerhalb des OdF Menschen befanden, „die sich kriminelle Handlungen zuschulden kommen lassen“ (S.120). Susanne zur Nieden führt aus, dass es zwar einerseits einen rigiden moralischen Anspruch gegeben habe, andererseits dieser zunächst in den Richtlinien keinen ausdrücklichen Niederschlag fand. Bezeichnend hierfür der Fall zweier Frauen, denen homosexuelle Handlungen vorgeworfen wurden. Rechtlich gesehen konnten sie nicht belangt werden, da gleichgeschlechtliche Beziehungen unter Frauen nicht unter Strafe standen; der Leiter des Hauptausschusses fürchtete um das Ansehen des OdF und entzog beiden Frauen die Anerkennung (S. 128). Interessant an der Stelle die Auseinandersetzungen innerhalb des Hauptausschusses, nachdem die beiden Frauen Widerspruch einlegten: Hinsichtlich der Beurteilungen gab es keinesfalls einen Common Sense, sondern im Gegenteil sehr differierende Meinungen und Vorstellungen hinsichtlich der eigenen Rolle als „Sittenwächter“.

    Gesetzeskonflikte, in die „Opfer des Faschismus“ verwickelt waren, sind das Thema von Kapitel 3. Geschildert werden hier Schicksale von Menschen, die es nicht geschafft haben, sich im Nachkriegsdeutschland zu situieren. Tragisch komisch liest sich die Geschichte von Kurt W., der im Bezirksamt Charlottenburg für die Ausgabe von Bezugsscheinen für Kleidung zuständig war. Ihm wurde nun vorgeworfen, er habe etlichen Personen unabhängig von ihren behördlichen Ansprüchen Bezugsscheine ausgestellt. Während ihm ein Prüfer aufgrund dieses gesetzeswidrigen Verhaltens die Anerkennung absprach, setzte sich Maria Wiedmaier, Überlebende des Konzentrationslagers Ravensbrück, nun Leiterin des Charlottenburger OdF Ausschusses für Kurt W. ein mit der Begründung, Kurt W. würde immer noch das Lager mit den heutigen Verhältnissen verwechseln.
    Zur Aberkennung des Verfolgtenstatus konnte aber auch nachgewiesenes „schlechtes Verhalten im KZ“ führen. Susanne zur Nieden erläutert dies am Beispiel von Minna R., der vorgeworfen wurde, im Lager andere Häftlinge misshandelt zu haben. Vgl. dazu Barck, Simone, Antifa-Geschichte(n). Eine literarische Spurensuche in der DDR der 1950er und 1960er Jahre, Köln 2003. Weitere Gründe für die Annullierung einer Anerkennung lagen aber auch in „sozial auffälligem Verhalten“ (S. 124). Dazu gehörte auch der Handel mit den „roten Ausweisen“, die ein begehrtes Tauschobjekt darstellten. Deutlich wird in dieser Monografie aufgezeigt, dass es nicht nur eine scharfe Grenzziehung von Seiten der politischen Häftlinge gegenüber anderen Opfergruppen gab, sondern der Status eines OdF als „Ehrentitel“ zu verstehen sei(S.188). Geschaffen wurde das Bild des männlichen, sich selbstaufopfernden Widerstandskämpfers.[7]

    Bekanntermaßen folgten spätestens ab 1949 Ost– und Westdeutschland unterschiedlichen Prinzipien der Wiedergutmachung; in der Bundesrepublik wurden 1953 die Anordnungen im Bundesentschädigungsgesetz festgehalten; in der SBZ, bzw. DDR setzte sich ab 1949 das Fürsorgeprinzip durch. Alles in allem verrät die Untersuchung von Susanne zur Nieden ausführliche Quellenkenntnisse; gewünscht hätte ich mir an manchen Stellen eine genauere Analyse der Binnenstrukturen des Hauptausschusses, in die u.a. die unterschiedlichen politischen Traditionen und Absichten der Akteure miteinbezogen worden wären und somit eine Annäherung an die Motive und vielleicht auch Ängste, die handlungsleitend für die Entscheidungen waren, erfolgen hätte können. Den Grundstein für eine derartige Untersuchung hat aber Susanne zur Nieden mit der vorliegenden Studie gelegt. Leider ist das Buch nicht optimal redigiert; so sind Susanne zur Niedens zahlreiche Publikationen einer anderen Autorin zugeschlagen worden; eine Bescheidenheit , die - wenn auch unbeabsichtigt - überflüssig ist.

    Susanne zur Nieden. Unwürdige Opfer: Die Aberkennung von NS-Verfolgten in Berlin 1945 bis 1949. Berlin: Metropol Verlag, 2003. 208 S. ISBN 978-3-936411-20-1.

    #iatrocatie #maladie #santé #pauvreté #exclusion #néolibéralisme #capitalisme #nazis #euthanasie

  • 3. Februar 1945
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Luftangriffe_der_Alliierten_auf_Berlin

    Dans une seule journée de février 1945 autant d’hommes, femmes et enfants on perdu la vie à Berlin par deux raids aeriens de la US Air Force que d’habitants de la bande de Gaza depuis le 7 octobre de l’an 2023. Il s’agit de deux moments historiques quand une partie significative de la population civile d’une région a été sacrifié d’une manière exemplaire.

    Ce sont deux cas de guerre totale que seulement une minorité fanatique des victime a voulu et mérité. La mort et les blessures des autres s’ajoutent au bilan des crimes sans punition, jamais oubliés par leurs familles et amis. Les stratèges des États-Unis et d’Israël les ont transformé en pions à sacrifier sur l’échquier de leur politique impérialiste.

    Je douhaite à tous les Russes, aux Ukraniens et Palestiniens, aux Allemand er Français et à tous les peuples du monde que l’an 2024 soit celle de leur libération. Les peuples ne font pas la guerre. Il y sont contraints par les élites incendiaires.

    Bonne année à toutes et à tous !

    Am 3. Februar 1945, einem Samstag, wurde Berlin von 958 Maschinen der USAAF angegriffen, davon kamen 939 Flugzeuge durch die deutschen Verteidigungslinien. Der 288. Luftangriff auf Berlin verlief in zwei Wellen, die erste von 11:02 bis 11:18 Uhr durch die 1st Air Division und eine zweite von 11:24 bis 11:52 Uhr durch die 3rd Air Division mit Boeing B-17. Insgesamt wurden über 2000 t Spreng- und 250 t Brandbomben auf weite Teile des Nordwestens von Kreuzberg und des Bezirks Mitte abgeworfen, wobei das Zeitungsviertel und das Exportviertel um die Ritterstraße schwer getroffen wurden. Durch den an diesem Tag herrschenden starken Wind wurden die Brände zusätzlich angefacht.

    Der Wehrmachtbericht vom 14. Februar 1945 sprach von 2.894 Toten; die tatsächliche Zahl dürfte weit größer gewesen sein. Britische und amerikanische Quellen geben die zivilen Opfer mit 25.000 Menschen an. Gemessen an der Zahl der Todesopfer war es der schwerste Luftangriff auf Berlin. Ein prominenter Toter war der Vorsitzende des Volksgerichtshofes Roland Freisler. Bei dem Angriff wurden mindestens 20.000 Menschen verletzt und 120.000 obdachlos. Unter den Opfern waren viele Häftlinge und Zwangsarbeiter, denen der Schutz durch Luftschutzeinrichtungen generell verwehrt war.

    2.296 Bauten wurden total zerstört, 909 wurden schwer und 3.606 mittel bis leicht beschädigt, 22.519 Wohnungen wurden vernichtet und weitere 27.017 mussten wegen Einsturzgefahr geräumt werden. 360 Rüstungsbetriebe wurden völlig zerstört und weitere 170 stark beeinträchtigt Potsdamer und Anhalter Bahnhof mit ihren weiträumigen Gleisanlagen wurden völlig zerstört. Zu den zahlreichen weitgehend ausgebrannten Baudenkmalen gehörten das Berliner Schloss und die 1942 wiederaufgebaute Staatsoper Unter den Linden.

    #guerre #impérialisme

  • Was steckt eigentlich hinter der Israelfreundschaft des deutschen Imperialismus? - 2. Teil – Zionismus als Spiegelung des deutschen völkischen Nationalismus
    https://www.kaz-online.de/artikel/2-teil-zionismus-als-spiegelung-des-deutschen

    zu Teil 1 der Artikelserie
    https://seenthis.net/messages/1034371

    Der Zionismus war (und ist) eine bürgerliche Nationalbewegung. Er entstand im 19. Jahrhundert in Mitteleuropa, vornehmlich im deutschsprachigen Raum und übernahm die deutsche völkische Idee von Nation als „ethnisch reiner“ Gemeinschaft. Dies steht im Gegensatz zum modernen, gerade auch marxistischen, Begriff der Nation als einer „historisch entstandenen Gemeinschaft“. Historisches Entstehen beinhaltet hierbei gerade auch die Mischung der verschiedenen, vorhandenen vor-nationalen Bevölkerungsgruppen, Stämme, „Völker“, etc. Die Nation ist weder räumlich-geographisch noch zeitlich, in ihrer Entwicklung ein feststehendes, unveränderliches Gebilde, sondern formt sich während ihres Bestehens fortlaufend um.

    Der deutsche, historische Nationalismus war wesentlich geprägt durch einen völkischen Nationalismus, ganz im Gegensatz zum Nationenbegriff der Französischen[1] oder auch US-Amerikanischen Revolution in den Nordstaaten der USA[2].

    Der völkische Nationalismus unterstellt eine homogene Nation im Sinne eines ethnisch-kulturellen (oder auch ethnisch-biologischen) Volkskörpers, der dann ideologisch zu einem Kollektivsubjekt, einer Schicksalsgemeinschaft überhöht wird. Meist beruft er sich dabei auf einen gemeinsamen Feind, nach außen hin, oder im Inneren („Volksfeinde“, „Andersartige“, „Fremde“). Die vermeintliche Sicherung der „Volksgemeinschaft“ rechtfertigt dabei den Ruf nach einem starken Staat im Inneren und eine aggressiv-chauvinistische Machtpolitik gegenüber anderen Völkern, Nationen oder Staaten.

    Im Preußischen Judenedikt am 12. März 1812, während der Napoleonischen Kriege (1800-1814) reichte es nur zum Wandel vom geduldeten Schutzjuden zum preußischen Bürger jüdischen Glaubens, aber ohne volle rechtliche Emanzipation und wirtschaftliche Freisetzung… In der folgenden Phase der Reaktion traten die Gegner der Emanzipation auf den Plan. Sie richteten sich nicht nur aber auch gegen Juden und argumentierten mit Fremdenhass und Identitätsangst im „christlich-teutschen Kreis“. Emanzipatorische Gesetze wurden revidiert und erst 1847, in der Vorrevolution gab es wieder Ansätze und Vorschläge zur neuerlichen Erweiterung der Emanzipation, sowohl allgemein, als auch speziell für Juden. Die neuen Gesetze der Paulskirche banden die Bürgerrechte nicht mehr an die Religion. Die Revolution 1848 wurde jedoch vom Bürgertum selbst aufgegeben. Die bürgerlichen Liberalen waren also keineswegs verlässliche „Weggefährten“ für die deutschen Juden, sondern schwankten selbst ständig zwischen Emanzipation und Restauration.
    Völkischer Nationalismus und Zionismus[3]

    Was die Zionisten mit den deutschen völkischen Nationalisten einte, war eine grundlegend völkische Vorstellung[4]. Geprägt waren die deutschen Nationalstaatsdenker dabei von den politischen Umständen zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Ihr nationaler Weckruf entwickelte sich oftmals in scharfer Abgrenzung gegen die Franzosen, die als napoleonische Besatzungstruppen in den versprengten deutschen Einzellanden standen, und zwar nicht nur politisch gegen eine Herrschaftsform, sondern rasch gegen „alles Französische“, die französische Nation als solche. Hinzu trat die, gerade den Romantikern eigene Vorstellung von der deutschen Volkseele als einer übergeschichtlichen, immerwährenden Gemeinschaft, die durch „Überfremdung“ oder „Vermischung“ bedroht sei. Diese Gedankenwelt reichte bis tief in die Reihen der Aufklärer.

    Ganz ähnlich die Zionisten 100 Jahre später; für sie waren feststehende, unwandelbare Nationalitäten (und auch Rassen) einfache Tatsachen, die nationale (sei es kulturell-ethnische, oder auch „rassische“) Trennung erschien ihnen natürlich und wünschenswert. Einige von ihnen begeisterten sich auch für den Sozialdarwinismus.

    Eine Sonderrolle im deutschen Nationalismus spielt dabei der völkische Antisemitismus, also knapp ausgedrückt, die Idee von der Eliminierung jüdischen Lebens in Deutschland. Grob kategorisierend kann das auf drei Wegen geschehen: Durch Integration, Segregation oder Ausschluss. Erstens, die Idee der Integration setzt auf Assimilierung, aber auf eine, die, zu Ende gedacht, dazu führen sollte, dass der Jude aufhört, Jude zu sein. Die Segregation will zweitens eine „Durchmischung“ mit den „volksdeutschen“ Nicht-Juden verhindern – sei es durch Ghettoisierung oder gesetzliche Beschränkungen bürgerlicher Freiheiten – und so den Prozess der Assimilierung beschränken, wieder revidieren. Und schließlich, drittens, bedeutete der Ausschluss die physische Entfernung der Juden aus Deutschland. In der Folgezeit traten alle drei Elemente in unterschiedlicher Mischung bei allen völkischen deutschen Nationalisten und Antisemiten auf. Über eine Spanne von 150 Jahren, vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis Ende der 1930er Jahre, lautete das Programm: Eliminierung jüdischen Lebens, in der jeweils einen oder anderen Form.

    So rief selbst der große Vertreter des deutschen Idealismus J.G. Fichte (1762-1814) Anfang des 19. Jahrhunderts in seinen „Reden an die deutsche Nation“ dazu auf, den „Volksgeist“ hochzuhalten und zu ehren. Er warnte vor der Judenemanzipation und schlug vor, die Juden nach Palästina zurückzuschicken, denn die Juden könnten niemals als Deutsche gelten; sie seien ein „dickköpfiges, hartes, undankbares, anmaßendes Volk“[5]. Und an anderer Stelle fordert er: „Um uns vor ihnen zu schützen, dazu sehe ich wieder kein ander Mittel, als ihnen ihr gelobtes Land zu erobern, und sie alle dahin zu schicken. (…)“[6]

    Als „Patriarch“ des rassisch motivierten Antisemitismus – also einer rassistisch statt religiös begründeten Judenfeindschaft – gilt Wilhelm Marr (1819-1904). Er war es auch, der den neuen Begriff „Antisemitismus“ prägte[7]. Allerdings, trotz seines schäumenden Judenhasses setzte Marr nicht auf physische Vernichtung, sondern schwankte stattdessen in seinem Wunsch nach Eliminierung zwischen vollkommener Assimilation oder Auswanderung. Er stellte – geradezu bedauernd – fest, dass die Juden kein eigenes Vaterland hätten und beklagte als Judenhasser, dass sie jemals „ihre biblische Heimat“ Palästina verlassen hätten… Zugleich warb er für ihre Auswanderung nach Palästina, in der Hoffnung, dass dies letztendlich den Sieg des Deutschtums über das Judentum sichern helfen könnte.
    Überschäumender Antisemitismus (P. Lagarde)

    Eine wichtige Rolle spielte auch der Göttinger[8] Orientalist Paul de Lagarde (1827-1891). Er befand: „Mit jedem einzelnen Juden ist Freundschaft möglich, allerdings nur unter der Bedingung, daß er aufhöre Jude zu sein: die Judenheit als solche muß verschwinden.“ In seiner vielzitierten Hetzschrift „Juden und Indogermanen“ 1887 führte er biologistische und eliminatorische Begrifflichkeiten ein und sprach von Juden als Ungeziefer.

    „Es gehört ein Herz von der Härte der Krokodilshaut dazu, um mit den armen ausgesogenen Deutschen nicht Mitleid zu empfinden und – was dasselbe ist – um die Juden nicht zu hassen, um diejenigen nicht zu hassen und zu verachten, die – aus Humanität! – diesen Juden das Wort reden oder die zu feige sind, dies Ungeziefer zu zertreten. Mit Trichinen und Bacillen wird nicht verhandelt, Trichinen und Bazillen werden auch nicht erzogen, sie werden so rasch und so gründlich wie möglich vernichtet.“[9]

    Der Tonfall Lagardes mag im Nachhinein zwar so klingen wie der der Nazis, und Lagarde war zweifellos einer ihrer geistigen Wegbereiter. Jedoch forderte er selbst keineswegs die physische Vernichtung der Juden in Deutschland und Europa. Stattdessen betrachtete er den Zionismus als nützliches Instrument, das Ziel der jüdischen Ausschaffung zu erreichen, „nach Palästina oder noch lieber nach Madagaskar“… Statt Ausrottung also Auswanderung:

    „Möge Israel als eigenes Volk existieren und einen eigenen Staat gründen: Deutschland und Österreich werden mit diesem Volke und Staate in freundlichem Einvernehmen leben, und Angehörige dieses israelitischen Staates werden bei uns so wohlwollend und artig behandelt werden, wie die Angehörigen jedes anderen Staates es werden – als Ausländer.“[10]

    Wir sehen hier bereits die geradezu bizarre Verknüpfung eines auf rassistischem Hass gründenden „Wohlwollens“ mit einer auch heute gerühmten „besonderen deutschen Freundschaft“ mit Israel.

    Folgerichtig wurde Lagarde führendes Mitglied im illustren[11] „Deutschen Verein zur Erforschung Palästinas“ (Palästinaverein)[12]. Gegründet 1877/78, orientierte sich dieser am Vorbild des Britischen Survey of Palestine, welcher wiederum die britische Kolonisierung Palästinas vorbereiten half. Bei beiden Vereinen ging es zwar um ‚Palästina‘, aber stets nur um Landraub, nie um die Palästinenser und deren Wünsche und Nöte[13].

    Daneben entwickelte Lagarde auch die imperialistische Idee eines deutschen Grenzkolonialismus im Osten. An Russland gerichtet, forderte Lagarde „freiwilligen“ Gebietsabtritt, verbunden mit „Abschaffung“ der dortigen Juden (nach Palästina „oder noch lieber nach Madagaskar“):

    „Möge es die Gewogenheit haben, freiwillig einige fünfzig Meilen nach Mittelasien hinüberzurücken, wo Platz die Hülle und Fülle ist, der ihm zur Seite, uns ferne abliegt: möge es uns so viel Küste am schwarzen Meere geben, daß wir von da aus unsre Bettler und Bauern in Kleinasien ansiedeln können. (…) Das von Rußland in Gutem oder in Bösem zu erwerbende Land muß weitläufig genug sein, um in Bessarabien[14] und nordöstlich von ihm auch alle in Österreich und in der Türkei lebenden Rumänen ((aber) weniger der, mit den Juden Polens, Russlands (und) Österreichs, nach Palästina oder noch lieber nach Madagaskar abzuschaffenden rumänischen Juden) als Unterthanen des Königs Karl anzusiedeln. Diese Politik ist etwas assyrisch[15], aber es gibt keine andere mehr als sie.“[16]

    Interessant ist bei Lagarde auch eine weitere Verknüpfung in Sachen deutsche Staatsräson: Er warf nämlich den Juden vor, die Revolutionen von 1848 angezettelt zu haben, um Deutschland und Österreich zu zerstören; eine frühe Variante dessen, was später ein Kernpunkt der Nazi-Hetze werden sollte – die Idee von der jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung. Bei Lagarde war es allerdings noch sein Hass auf die bürgerliche, nicht etwa proletarische Revolution.
    Antisemitismus zur Jahrhundertwende (Chamberlain, Dühring, Treitschke, etc.)

    Doch zurück zum 19. Jahrhundert: Heinrich von Treitschke (1834-1896) betrachtete den in seiner Zeit auftretenden Antisemitismus als „eine natürliche Reaktion des germanischen Volksgefühls gegen ein fremdes Element“ und wünschte sich die Emigration der Juden (und die Schaffung einer Heimstätte für sie – in Palästina oder andernorts), denn niemand könne „gleichzeitig Deutscher und Jude“ sein… Auch Adolf Stöcker (1835-1909) von der Christlich-sozialen Partei machte sich für eine „Rückkehr“ der Juden nach Palästina stark.

    Der antisemitische Vordenker Eugen Dühring (1833-1921) war besessen von der Idee eines „Rassenkampfes“ zwischen Juden und „Ariern“, denn die Juden wären „zu keinem innovativen und positiven Gedanken fähig“, sie lebten „parasitär“ und wären nur auf „Ausbeutung und Weltherrschaft“ versessen[17]. Einerseits beabsichtigte er, die Juden in einer Art Staat außerhalb von Europa, möglicherweise in Palästina, „zusammenzudrängen“. Zugleich aber warnte er[18], wie zuvor schon Houston Stewart Chamberlain (1855-1927) vor den Gefahren, die ein unabhängiger jüdischer Staat mit sich bringen würde, nämlich als Machtbasis für eine jüdische ‚Weltverschwörung‘, wie sie besonders der deutsche Rassenantisemitismus als seinen Kerngedanken erfand und postulierte.[19]
    Antisemitismus und Auswanderung zur Jahrhundertwende

    Der Wirtschaftswissenschaftler Werner Sombart (1861-1941)[20] bestand 1912 darauf, dass die jüdische Assimilation weder möglich noch wünschenswert sei, denn die „Judaisierung“ der deutschen Kultur wäre genauso verwerflich wie die „Germanisierung“ der jüdischen Kultur. Deshalb unterstützte er den Zionismus und befand, dass allein der jüdische Nationalismus die „Judenfrage“ lösen könne. Während damals die Nicht- oder Anti-Zionisten Sombart des Antisemitismus beschuldigten, stimmten die Zionisten mit seinen Schlussfolgerungen und Empfehlungen überein.

    Heinrich Claß (1868-1951) vom Alldeutschen Verband verknüpfte dann die „Lösung der Judenfrage“ auch gleich noch wie Lagarde mit einer deutschen Expansion nach Osteuropa: Nach seinem Konzept sollten die Juden nach Palästina geschickt und die Polen und Russen weiter nach Osten zurückgedrängt werden.

    Wir haben hier also feine Unterschiede – Emigration ja, Judenstaat nein. Das änderte sich nach dem Ersten Weltkrieg.
    Deutsche Staatsräson und Judenfrage in der Weimarer Republik

    In der Weimarer Republik betrachteten viele Deutschnationale und offene Antisemiten den Zionismus als eine „vernünftige“ Lösung der „Judenfrage“ – so z.B. Wilhelm Stapel, Hans Blüher, Max Wundt und der evangelische Pastor Johann Pepperkorn. (Und in seiner Rede im Bürgerbräukeller im Juli 1920 sagte Hitler noch: „Menschenrechte soll er (der Jude) sich da suchen, wo er hingehört, in seinem eigenen Staat Palästina.“)

    Wir sehen also: Der völkische Nationalismus als aggressive, chauvinistische Staatsräson war nicht nur tief verwurzelt im Kaiserreich sondern auch später in der Weimarer Republik und er lieferte gleichsam auch die Vorlage für den Zionismus als mitteleuropäischer Ideologie ihrer Zeit. Es nimmt daher wenig Wunder, dass die deutsche Staatsräson stets großen Gefallen an der Idee einer jüdischen, kolonialen Ausgründung fand. Überdies griffen die (im Wesentlichen deutschen) Zionisten durchaus auch auf antisemitische Stereotype zurück, eigneten sie sich an und entwickelten sie fort:

    So vertrat der jüdische, im kaiserlichen Österreich geborene Arzt, Journalist und bekennende Sozialdarwinist Max Nordau (1849-1923) die Idee eines „Muskeljudentums“: „Der Zionismus erweckt das Judentum zu neuem Leben (…). Er bewirkt dies sittlich durch Auffrischung der Volksideale, körperlich durch die physische Erziehung des Nachwuchses, der uns wieder das verloren gegangene Muskeljudentum schaffen soll.“

    Demgegenüber verwarf der österreichisch-jüdische Kritiker Karl Kraus (1874-1936) Herzls Argumente und beschuldigte ihn, die antisemitische Propaganda über mehrfache, einander widerstrebende jüdische Loyalitäten zu bestätigen. Herzl war damit laut Kraus ein Sprachrohr für die antisemitische Forderung, Juden sollten ihr Geburtsland verlassen.[21]
    Zionismus als Spiegelung des völkischen Nationalismus

    Der Zionismus war demnach eine Reaktion auf den völkischen und zunehmend auch rabiat antisemitischen deutschen Nationalismus – jedoch in Form einer Spiegelung, nicht einer Negation oder Aufhebung von dessen völkischem Charakter; in ihm erblickt der deutsche Chauvinismus und Nationalismus sein Spiegelbild. An die Stelle der ethnisch/völkisch homogenen deutschen Volksgemeinschaft setzte er eine eigene jüdische Volksgemeinschaft. Er „erfand“ – wie Shlomo Sand es ausdrückt – das jüdische Volk[22] und behauptete dessen Existenz als Nation, in scharfer Abkehr vom modernen, demokratischen Nationenbegriff. Wie der deutsche, völkische Nationalismus beinhaltet der Zionismus als sein grundlegendes Element die Eigenschaft, sich über eine aggressive Abgrenzung nach außen, gegenüber anderen Völkern, Nationen oder Ethnien zu definieren. Dieser prinzipiell negative Nationenbegriff findet bis heute seine aggressive Anwendung gegenüber den Palästinensern, deren schiere Existenz und Anwesenheit als störend, ja, als Bedrohung begriffen wird.[23] Ein Gedanke, welcher der deutschen Staatsräson alles andere als fremd ist. Hierbei ist zu betonen, dass die Juden Mitteleuropas und speziell Deutschlands natürlich allen Grund dazu hatten, von einer den Juden „feindlichen Umwelt“ auszugehen. Es bedarf deshalb zweierlei: Einerseits Verständnis für die Suche nach einem Ausweg angesichts des ausgrenzenden völkischen Nationalismus und Antisemitismus. Zugleich aber muß verstanden werden, dass die Übernahme und Neuanwendung desselben völkischen Prinzips ungeeignet ist für die Formulierung eines zukunftsfähigen, demokratischen Programms. Dies gilt insbesondere für den Zionismus an der Macht – die zionistische Praxis gegenüber einem kolonial unterdrückten Volk – wie wir ihn heute in Israel vorfinden. Und es ist die deutsche Staatsräson selbst, die systematisch diesen wesentlichen Unterschied bis heute verwischt und in die verheerende Formel umpackt: Juden = Zionismus = Israel!
    Der Zionismus und das deutsche Kaiserreich

    Eines der deutschen Kriegsziele im Herbst 1914 war es, Osteuropa zu erobern, dabei aber die Juden aus den „Neulanden des Ostens“ unbedingt zu entfernen. Sie sollten im verbündeten Osmanischen Reich, in Palästina, angesiedelt werden. Ganz im Sinne des Zionismus wollte sich Deutschland nach dem Sieg gegenüber dem Sultan „ausbedingen, dass Palästina unter türkischer Oberhoheit dem nationalen Judenstaat zur Verfügung gestellt wird.“[24] Also eine „jüdische Heimstätte“ nicht unter Britischem Mandat, sondern unter osmanischem, bzw. einem gemeinsamen, deutsch-osmanischen „Schutzdach“.

    Der rabiate Antisemitismus des Kaisers, wie auch aller anderer europäischen Monarchen schreckte Herzl nicht ab[25]. Im Gegenteil: Er, genau wie später (und weitaus erfolgreicher!) der zionistische Emissär Chaim Weizman in London, machte sich genau diesen abscheulichen Judenhass zunutze. Versprach doch der Zionismus die Erfüllung des Traums aller Antisemiten, nämlich ihr Verschwinden aus Europa! Dieser „Pragmatismus“ zeichnet den Zionismus bis heute aus[26], und erklärt auch teilweise die stets anzutreffende besondere Nähe des Staates Israel mit den am meisten reaktionären, rassistischen, ja, sogar antisemitischen Staaten und Herrschern weltweit – ob Südafrika unter der Apartheid, Persien unterm Schah, Bolsonaro in Brasilien, Orban in Ungarn, Modi in Indien oder seit jüngstem: Bin Salman in Saudi-Arabien.

    Doch das Deutsche Kaiserreich verlor den 1. Weltkrieg und so kam es wie es kam – England, nicht Deutschland wurde Schutzmacht in Palästina.
    Bei all dem – Palästinenser spielen keine Rolle

    Ihre nationalen und politischen Rechte tauchten in den deutschen und zionistischen Gleichungen und Berechnungen als eigenständiger Faktor überhaupt nicht auf. Während die schiere Existenz von Palästinensern („Arabern“) im zionistischen und v.a. deutschen Diskurs völlig ignoriert wurde, war aber das imaginierte „Land ohne Volk“ natürlich sehr wohl bewohnt, und den Zionisten war dies auch völlig bewusst: Nicht umsonst hatte eine zionistische Erkundungsmission schon 1905 aus Palästina zurück an den Kongress gekabelt: „Die Braut ist schön, aber sie ist bereits verheiratet.“ Der Spruch vom Land ohne Volk war also, von Anbeginn eine Lüge. Gleichwohl eine wirkmächtige Lüge. Sie war Teil der damaligen deutschen Staatsräson und ebenso sollte sie den Zionismus und seinen kolonialen Aufbau in Palästina auf Jahrzehnte hinaus prägen.

    AG Palästina

    1 Die Französische Revolution brachte erstmals in der Geschichte, per Gesetz vom 13.11.1791 den Juden die sofortige uneingeschränkte Gleichstellung

    2 Die Nordstaaten waren zwar auch ein Siedlerkolonialismus, der die sog. „Indianer“ gewaltsam eliminierte, er war aber zugleich, nach innen, ein ausdrücklich multi-ethnisches Einwanderungsland – wovon die Inschrift der Freiheitsstatue zeugt: „Gebt mir eure Müden, eure Armen, / Eure geknechteten Massen, die frei zu atmen begehren, / Den elenden Unrat eurer gedrängten Küsten; / Schickt sie mir, die Heimatlosen, vom Sturme Getriebenen, …“ (Nach dem Sonett der New Yorker jüdischen Dichterin Emma Lazarus, 1883).

    3 Die folgende Auflistung stützt sich in weiten Teilen auf Arbeiten von Yehuda Bauer und von Francis Nicosia, dessen Aufsatz „Ein nützlicher Feind. Zionismus im nationalsozialistischen Deutschland 1933-1939“ aus dem Jahre 1989 für tiefergehende Lektüre empfohlen wird. www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1989_3_1_nicosia.pdf

    4 Die völkische Vorstellung von der Nation beinhaltet zugleich die Ablehnung eines multinationalen Staates.

    5 Auch Kant hatte das Judentum als eine unmoralische und veraltete Religion beschrieben und die Juden als fremdes Volk charakterisiert.

    6 Und weiter: „Aber ihnen Bürgerrechte zu geben, dazu sehe ich wenigstens kein Mittel, als das, in einer Nacht ihnen alle Köpfe abzuschneiden und andere aufzusetzen, in denen auch nicht eine jüdische Idee sey.“ aus: Berichtigung der Urtheile des Publicums über die französische Revolution. Fichtes Werke, Bd. 6, Berlin 1971.

    7 Er begründete die erste Organisation ihrer Art, die „Antisemitenliga“, und das Substantiv „Antisemitismus“ tauchte erstmals in einem Zeitungsbericht über diese Gründung im Jahr 1879 auf.

    8 Bis heute trägt das Gebäude der Akademie der Wissenschaften in Göttingen stolz den Namen Lagarde-Haus.

    9 Paul A. de Lagarde: Juden und Indogermanen. Ausgew. Schriften; München, 1924: 339

    10 a.a.O.

    11 Kaiser Wilhelm II. trat sofort bei und blieb bis zu seinem Tode stets Mitglied Nr. 1. Daneben: Wilhelm I., Kronprinz Friedrich III., Helmuth von Moltke …

    12 Dieser Verein besteht heute noch (www.palaestina-verein.de/) und widmet sich der „Erforschung der Geschichte und Kultur Palästinas, insbesondere seiner biblischen Vergangenheit“, womit wieder einmal alles andere als die Palästinenser gemeint sind. Neben Archäologen, Orientalisten und Bibellandforschern, führte der Verein stets deutsche Industrielle, Reichstagsabgeordnete, Diplomaten und Konsuln – heute z.B. das Auswärtige Amt… Den gesamten Faschismus hindurch, bis 1945, operierte er unbeschadet und unbehelligt von Leipzig aus. Eine Unterbrechung erfuhr er lediglich durch seine Abschaffung in der DDR, bis zur Neugründung in Bonn 1952. Heute betreibt er hauptsächlich sog. Biblische Archäologie (ein Widerspruch in sich), und ist auch darin eng verwandt mit Israel, wenngleich ein gewisses Spannungsverhältnis nie ganz verschwinden kann, denn der Verein gräbt nach christlichen, Israel hingegen nach jüdischen Belegen für die Bibel und seine Staatsräson.

    13 Während der britische Palestine Exploration Fund neben der kolonialen auch eine stark anglikanische, soz. christlich-zionistische Note trug, war der deutsche Palästinaverein stärker säkular, setzte dafür deutlicher völkische Akzente. Trotzdem feierte und feiert er bis heute das Erbe der deutschen christlichen Templerkolonien als Segensbringer deutscher Zivilisation für Palästina in Sachen Bodenverbesserung und Ingenieurskunst (Hafen- und Eisenbahnbau).

    14 Bessarabien: Heute ziemlich genau das Gebiet Moldawiens (Republik Moldau) zwischen Ukraine und Rumänien. Sein deutsches „Mitteleuropa“ sollte also von Litauen bis zur Adria und von der Nordsee bis kurz vor die Krim reichen und mit der preußischen Germanisierung Polens als Hauptziel (siehe KAZ Nr. 377).

    15 Das Neuassyrische Reich gilt als erstes Großreich der Weltgeschichte (ab 9. Jhd vuZ), bekannt als kriegerisch und expansiv

    16 Lagarde: Über die nächsten Pflichten deutscher Politik. Göttingen, 1891: 390–391

    17 Eugen Dühring (1882): Die Judenfrage als Frage der Rassenschädlichkeit für Existenz, Sitte und Kultur der Völker. Berlin. 1882; S. 127 ff.

    18 „irgend eine exotische Zionsgründung … als eine Art Lösung der Judenfrage. Wäre derartiges überhaupt ausführbar, so würde seine Durchführung nur eine Steigerung der Judenmacht bedeuten.“ (Dühring, a.a.O., S 127)

    19 F. Nicosia schreibt, dass Chamberlain damit „die intellektuelle Verbindung zwischen dem Antisemitismus des 19. Jahrhunderts und dem nach dem Ersten Weltkrieg aufkeimenden Nationalsozialismus“ herstellte.

    20 Sombart, Werner, Die Zukunft der Juden, Leipzig 1912.

    21 So in seiner Satire: Eine Krone für Zion (Karl Kraus, Wien, 1898).

    22 Shlomo Sand: Die Erfindung des jüdischen Volkes (auf Deutsch: Propyläen Verlag, 2010; Orig. auf Hebräisch)

    23 Es gab eine verwirrende Vielzahl unterschiedlicher Strömungen im Zionismus. Der Einfachheit halber beziehen wir uns hier ausschließlich und durchgehend auf die jeweils herrschende, also praktisch und politisch wirkkräftige Hauptströmung innerhalb der zionistischen Bewegung. In der heutigen Knesset sind alle jüdischen Parteien zionistisch. Die arabischen Parteien belegen nur 10 von 120 Sitzen.

    24 So der Alldeutsche Verband 1914 (Zitat, siehe KAZ Nr. 318)

    25 Über 20 Jahre hinweg, von 1897 bis 1917, bot Herzl allen reaktionären Monarchien Europas die zionistische Ausgründung als verlässlichen, kolonialen Vorposten im Nahen Osten und im Dienste der jeweils angefragten Macht wie Sauerbier an. Das waren der Zar, die beiden deutschsprachigen Kaiser, die Hohe Pforte Konstantinopels, die britische Krone, wie auch die einzige Republik, Frankreich. Als bevorzugte, soz. „natürliche“ Schutzmacht betrachtete er dabei das preußisch-deutsche Kaiserreich, auf dessen „kulturelle Verwandtschaft“ er sich positiv bezog.

    26 Vgl. die jüngsten, mithilfe Trumps eingefädelten „Abraham-Abkommen“, treffsicher mit den weithin reaktionärsten, rassistischsten Regimen der Region – den Golfmonarchien. Premierminister Bennetts dortiger Besuch im Dezember 2021 war geprägt von besonderer „Wärme und Herzlichkeit“, wie israelische Tageszeitungen vermeldeten…

  • Was steckt eigentlich hinter der Israelfreundschaft des deutschen Imperialismus? - 1. Teil – Siedlerkolonialismus, die preußische DNA des Zionismus
    https://www.kaz-online.de/artikel/1-teil-siedlerkolonialismus-die-preussische

    zu Teil 2 der Artikelserie
    https://seenthis.net/messages/1034372

    10. Oktober 2021: Letzter Staatsbesuch in Israel. Merkel beteuert gegenüber ihrem treuen Freund[1], Premierminister Naftali Bennett – auch im Namen zukünftiger deutscher Regierungen[2] – ihre unverbrüchliche Treue und Freundschaft zu Israel (angeblich als Lehre aus dem Holocaust) und deutsche Staatsräson als Selbstverpflichtung, Unterstützung und Treueschwur zum Projekt „jüdischer Staat“. Die Palästinenser fallen hinten runter; ihr Geschick sind „Einzelfragen“ und Merkel nur eine einzige Nennung ganz am Rande wert.

    Was steckt eigentlich hinter dieser deutschen Staatsräson`? Dieser Frage wollen wir in einer losen Folge mehrerer Artikel nachgehen. Sind es wirklich die Lehren aus dem Holocaust, (und wenn ja, welche Lehren werden da gezogen)? Oder spielen etwa noch ganz andere Gründe eine Rolle? Gibt es lange Linien des engen deutsch-imperialen Verhältnisses zum Zionismus?
    1. Teil – Siedlerkolonialismus, die preußische DNA des Zionismus
    Frühe Versuche deutscher Besiedlung Palästinas

    Bevor wir uns dem Zionismus zuwenden, beginnen wir mit der knappen Nennung einer wenig bekannten deutschen Traditionslinie kolonialer Landnahme und Besiedelung – dem Versuch, Palästina in eine deutsche, christliche Kolonie zu verwandeln. Er begann erheblich früher (und zunächst sogar erfolgreicher) als die jüdisch-zionistische Bewegung, nämlich bereits 1861 durch deutsche lutherisch-pietistische (millenaristische[3]) „Jerusalemfreunde“, die sog. „Templer“[4]. Diese gründeten bereits 1866 ihre erste deutsche Siedlerkolonie in der Nähe Nazareths, 1869 dann in Haifa, gefolgt von weiteren deutschen Kolonien in der Küstenebene, in Galiläa und nahe Jerusalems mit so klingenden Namen wie Walhalla, Waldheim und Wilhelmia. Der deutsche Imperialismus musste diese frühe koloniale Siedlungstätigkeit allerdings mit Waffengewalt gegen die Osmanischen Herrscher absichern. Zur Durchsetzung dieser frühen Form deutscher Staatsräson schickte Kaiser Wilhelm 1877-78[5] Kriegsschiffe vor die Küste Palästinas. So wie heute bei der Merkel‘schen „Sicherheit Israels“, ging es damals der kolonial-kaiserlichen Staatsräson um nichts weniger als die „Sicherheit“ jener Templergesellschaft. Ihr göttlich-germanischer Auftrag war dabei die Umwandlung Palästinas in einen christlichen Staat, welcher nach einem gewonnenen Weltkrieg Deutschland hätte zugesprochen werden sollen. Und genau wie später die Zionisten agierten auch die deutschen Templer in völliger Missachtung etwaiger Rechte der dort ansässigen Palästinenser. Palästinensische Bauern kämpften bereits damals an zwei Fronten, gegen zionistisch-jüdische, wie auch gegen christlich-deutsche Siedler – so etwa während des Aufstands der Jungtürken im Jahre 1908. Wieder schickte Kaiser Wilhelm Kanonenboote nach Palästina für die Sicherheit dieser treuen Träger deutscher Staatsräson. 1914, am Vorabend des 1. Weltkriegs, betrug die Zahl der Templer bereits fast 2.000, also mehr als die Gesamtzahl jüdischer Auswanderer aus Deutschland bis 1933 (über das weitere Schicksal der Templer, siehe nächster Teil).

    Der Zionismus war geistig ein Kind des 19. Jahrhunderts Mitteleuropas, der Phase bürgerlicher Nationalstaats- und Reichsgründungen, ausgedrückt im Slogan: „Ein Land ohne Volk für Volk ohne Land“. Die in Mitteleuropa verfolgten Juden sollten sich in der Welt umschauen, ein Land aussuchen und sich in diesem niederlassen, um dort ihr „Altneuland“ auszugründen, so die Idee Theodor Herzls. Diese Idee fußte natürlich nicht nur auf dem herrschenden europäischen, dem bürgerlich national-liberalen Denken, sondern im Besonderen auch auf dem seiner grausigen Zwillingsschwester, jener Methode, die gerade ihre traurige Blütephase erlebte – der imperialen Kolonialidee, dem Kolonialismus: Die besondere Brutalität des Kolonialismus, seine kaum aufzuzählenden Gräuel, die Massaker, Ausbeutung, Hungerkatastrophen und Sklaverei, bis hin zum Völkermord sind dabei mitnichten ein „Rückfall ins Mittelalter“; im Gegenteil – sie sind Ausdruck einer damals hochmodernen Ausbeutergesellschaft auf der Höhe ihrer Zeit[6]. Der Zionismus als siedlerkolonialistische Eroberungs- und Herrschaftsform ist hierbei keine Abweichung oder Ausnahme, sondern ein charakteristischer, wenngleich verspäteter Vertreter. Für die frühen Zionisten des 19. Jahrhunderts war der Kolonialismus eine ganz selbstverständliche, hochmoderne Methode.
    Auf der Suche nach dem passenden Kolonisationsmodell

    Es gab jedoch viele unterschiedliche Formen des Kolonialismus. Für welche besondere Richtung nun entschied sich der Zionismus? Die Beantwortung dieser Frage ist nötig, um das besondere Wesen des Zionismus bis hin zum Wesen des heutigen Staates Israel zu bestimmen.

    Der klassische Besatzungs- oder Mutterlandkolonialismus setzte eine kleine[7], militärisch-administrative Elite als Staatsbeamte ein, welche die Kolonie und ihre Bevölkerung im Auftrag des Mutterlandes beherrschte und ausbeutete. (So die Mehrzahl der Kolonien in Afrika und natürlich das Kronjuwel des Empires, der Subkontinent der britischen Ostindien-Kompanie. Eine andere Form kolonialer Ausbeutung bot die sog. Pflanzer-Kolonie, die überseeische Plantagenwirtschaft mit Zuckerrohr in Haiti und Kuba, oder mit den Baumwollplantagen in den amerikanischen Südstaaten. Auch das Modell französisch Algeriens (ab 1836[8]) war ein Pflanzer-Kolonialismus[9]. Im Gegensatz dazu stand das Modell des Siedlerkolonialismus, also der Ausgründung und Lossagung vom Mutterland, wie in den abtrünnigen Kolonien Englands – den puritanischen Nordstaaten (USA), der Sträflingskolonie Australien[10] oder der Kapkolonie der Buren (Südafrika).

    Vor dieser Entscheidung standen auch die zionistischen Einwanderer im osmanischen Palästina um die Jahrhundertwende. Manche befürworteten das Modell der französischen Pflanzerkolonie – die ersten kolonialen Erfolge erzielte Baron de Rothschild, der palästinensische Latifundien aufkaufte[11] und mit großem Kapital der Jüdischen Kolonisationsvereinigung (JCA)[12] in erfolgreiche Exportplantagen für Orangen und Wein umwandelte. Für ihn sprachen v.a. die wirtschaftlichen Erfolge, die Profitabilität der agrarischen Plantagenindustrie[13], welche jedoch auf Ausbeutung billiger lokaler, also palästinensischer Arbeitskraft beruhte. Hiergegen wandten sich die Führer der Jüdischen Agentur (JA) und der Zionistischen Weltorganisation (WZO), sowie des Jüdischen Nationalfonds (JNF).

    Als bestimmendes Merkmal ihres Kolonisierungsansatzes legte der JNF in seiner Präambel die Unveräußerlichkeit einmal erworbenen „jüdischen“ Landes fest, also das Verbot der Rückgabe und sogar der Nutzungsüberlassung für Nichtjuden. Dies war die Grundsatzentscheidung für einen ethnisch reinen Siedlerkolonialismus, das Wesensmerkmal des Zionismus und Israels bis heute – ein Ansatz der unmittelbar, grundsätzlich und systematisch auf Verdrängung der ansässigen Bevölkerung setzte und setzt.
    Der Kongress spricht deutsch

    Woher aber kam diese Idee? Wer diente als Leitbild? Wessen Kolonisationsmodell wurde da übernommen?

    Hierzu muss man wissen, dass der Zionismus eine mitteleuropäische Bewegung war, deren Führer und Vordenker ganz überwiegend aus dem deutschen Sprachraum stammten. Die Lingua franca der auf dem Ersten Zionistenkongress in Basel 1897 gegründeten Bewegung war nicht etwa englisch, geschweige denn russisch[14] oder jiddisch[15]: Der Kongress sprach deutsch, zumindest seine Führung. Allerdings fand das Anliegen der Auswanderung und Kolonisierung Palästinas unter der Masse deutschen Juden[16] keinen Widerhall: Von 1900 bis 1933 wanderten gerade einmal 2.000 deutsche Juden nach Palästina aus. Das sollte sich mit der Machtübernahme des deutschen Faschismus schlagartig ändern[17] ...

    Gleichwohl orientierten sich die zionistischen Planer und Entscheidungsträger an ihrem deutschen, wilhelminischen Umfeld und dabei unmittelbar an den deutschen Kolonialerfahrungen – sie feierten deren Erfolge und übten konstruktive Kritik an ihren „Fehlschlägen“. Sie waren aktive Teilnehmer am deutschen Kolonial-Diskurs, und nicht etwa als Kritiker: Sie waren eng mit den nicht-jüdischen deutschen Kolonialplanern und -Wissenschaftlern bekannt und befreundet, besuchten deren Kolonialtagungen[18] und lasen und publizierten in der Kolonialzeitschrift „Der Tropenpflanzer“[19], etc.

    Nach einem Jahrzehnt heißer Diskussionen entschieden sich die Funktionäre der WZO und des JNF gegen den französischen Pflanzer-Kolonialismus in Algerien und für ein, im wörtlichen Sinne, viel näherliegendes Konkurrenzmodell[20]:
    Das Modell der Königlich-Preußischen Ansiedlungs­kommission für Westpreußen und Posen.

    Seine besondere Aggressivität verdankt der deutsche Imperialismus nicht zuletzt seiner preußischen DNA, der Herrschaftsform des preußischen Militarismus. Dieser ruhte seit jeher auf zwei Säulen, also lange vor der Deutschen Reichsgründung 1871 und noch lange nach dessen Untergang 1918: Einerseits der räumlichen Expansion, also äußerer Kolonisation durch Krieg, Raub und Annexion und andererseits der demographischen Expansion, der sog. „Inneren Kolonisation“, also ethnischer Säuberung durch Verdrängung, Vertreibung oder Mord. War das Geschäftsmodell des Preußentums seit jeher die gewaltsame Expansion, so war seine Richtung „gen Osten“ – die Eroberung von „Lebensraum“ und seine „Germanisierung“[21]. Ein besonderes Kapitel nahm dabei die Provinz Posen ein, welche das Deutsche Reich in mehreren Schritten nach der zweiten Teilung Polens erobert und schließlich annektiert hatte[22]. Die räumliche Eroberung und gewaltsame Eingliederung ins Deutsche Kaiserreich genügten dem deutschen Imperialismus jedoch nicht.

    Im April 1886 beschloss das Preußische Abgeordnetenhaus per Gesetz eine Königliche Kommission[23] für die Ansiedlung Deutscher in den Provinzen Westpreußen und Posen. „Ansiedlung“ war dabei die euphemistische Umschreibung einer beispiellosen Gewaltkampagne mit dem Ziel der „Germanisierung“ Poznańs. Diese umfasste hauptsächlich zwei, miteinander verschränkte Elemente: Landerwerb zum Zwecke der „Neuansiedlung“, sowie Vertreibung; also, zunächst durch systematischen, selektiven und staatlich finanzierten Landkauf von polnischen Bauern. Aus dem Reich sollten „germanische“ Neusiedler angeworben, mit üppigen staatlichen Geldern ansässig gemacht und zu Bauern umgewandelt werden. Die Kampagne steigerte sich von systematischer Diskriminierung hin zu offener Gewalt. Bereits das Ansiedlungsgesetz von 1886 verbot Polen, ein Haus zu bauen. Zugleich war aber der Landaufkauf von polnischen Besitzern zunehmend nicht mehr zu „freiwillig“ bewerkstelligen. Der Ostmarkenverein (gegr. in Posen 1894), angelehnt an die Deutschen Ritterorden und unterstützt durch Altkanzler Bismarck, befand folgerichtig die herrschende Germanisierungspolitik als zu lasch und tolerant und forderte eine aggressivere Siedlungsförderung. Die Kommission schaltete auf eine härtere Gangart um: Das Enteignungsgesetz von 1908 erlaubte es der Kommission, polnisches Land zu enteignen, „zur Stärkung des Deutschtums“.
    Fazit

    Wir können feststellen: Die Ansiedlungskommission folgte hier, anders als der französische, britische oder spanische Pflanzer-Kolonialismus, nicht dem Kalkül optimaler, rentabler Ausbeutung. Im Gegenteil, es ließ sich diese 30-jährige Gewaltkampagne bis zum Untergang des Deutschen Kaiserreiches 1918 und der Abtretung Poznańs an Polen 1920 Unsummen staatlicher Gelder kosten – geschätzt rund eine Milliarde Reichsmark[24]. Zugleich mussten Polen vertrieben werden, denn dies war ja von vornherein das erklärte Ziel. Zunächst geschah das ökonomisch, mit wenig Erfolg; schließlich und deshalb durch stetig wachsende staatliche Repression.

    Am Rande sei hier bemerkt: Letztlich scheiterte die Ansiedlungskommission krachend – an inneren Widersprüchen[25], polnischem Widerstand[26] und nicht zuletzt auch dem verlorenen Weltkrieg. (Das hielt den deutschen Imperialismus nicht davon ab, es 20 Jahre später erneut, umso erbitterter, in vielem größerem Maßstab und mit unvergleichlich höherer Gewaltbereitschaft, wieder zu versuchen – im Kampf um deutschen „Lebensraum“ und seine „Germanisierung“ ... Das Rezept hierzu blieb ein und dasselbe: Einerseits Expansion durch „Aneignung“, als Raub; sowie andererseits Besiedlung durch Germanen, also „Verdrängung“ durch Entrechtung, Vertreibung und Massenmord[27].)
    Zionistische Grundsatzent­scheidung

    Einer der wichtigsten Führer der zionistischen Bewegung war der deutsche Soziologe und Rasse-Eugeniker Arthur Ruppin, geboren in preußisch Posen 1876. Anders als Ben Gurion war dieser „Vater der zionistischen Siedlungsbewegung“ mehr Funktionär und strategischer Planer für die Raumplanung, Landkäufe und Ansiedlung zionistischer Einwanderer, also die „jüdische Kolonisation Palästinas“, insbesondere der Landwirtschaft[28]. Ruppin untersuchte eingehend die v.a. wirtschaftsgeographischen Gegebenheiten osmanisch Palästinas und prüfte sie im Hinblick auf ihre Eignung für die jüdische Kolonisation[29]. Entsandt als Leiter einer Erkundungsmission der zionistischen Exekutive[30] brach er bereits im Juni 1907, nur zwei Wochen nach seiner Ankunft in Palästina radikal mit den vorherrschenden Konzepten der jüdischen Pflanzungen eines Baron Rothschild. Er empfahl stattdessen das deutsche Modell:

    „Ich betrachte die Arbeit des JNF als ähnlich wie die der Kolonisierungskommission in Posen und Westpreußen. Der JNF wird Land kaufen, wenn es von Nichtjuden angeboten wird, und es entweder ganz oder teilweise an Juden weiterverkaufen.“[31]

    Ein weiterer, fast ebenso wichtiger zionistischer Führer war der Agrarwissenschaftler Otto Warburg[32] (1859-1938), seines Zeichens Mitbegründer des Kolonialwirtschaftlichen Komitees (KWK) des Deutschen Reiches und selbst Mitglied der Königlich-Preußischen Ansiedlungskommission in Posen, sowie später, ab 1911, zehn Jahre lang Präsident der Zionistischen Organisation (ZO) – also während der entscheidenden Jahre der zionistischen Weichenstellung und noch vor dem Zusammenbruch der deutschen Welteroberungspläne[33]. Der Raumplaner und Tropenbotaniker Warburg bestätigte und bekräftigte[34] die königlich-preußische DNA des damaligen Zionismus; über die Methoden der Land-Entwicklungsgesellschaft Palästina (PLDC) betonte er, sie werde:

    „keine neuen Wege, keine neuen Experimente unbekannter Natur vorschlagen. Wir gehen stattdessen von der preußischen Kolonisationsmethode aus, wie sie in den letzten zehn Jahren von der Ansiedlungskommission praktiziert wurde.“
    Unterschiede und Gemein­samkeiten

    Anders als die Arbeit der Ansiedlungskommission für Posen wurde dieses neue, zionistische Projekt der „jüdischen Autonomie“ kein Fehlschlag, sondern ein bahnbrechender Erfolg – aus zionistischer, nicht aus palästinensischer Sicht, versteht sich.

    Frappierend sind hierbei die Ähnlichkeiten der beiden Unternehmen, bis ins planerische Detail:

    – Die Größe des Landes – Posen war gleich groß wie Palästina

    – Landwirtschaftliche Anbauarten und -formen

    – Die durchschnittliche Farmgröße der Neusiedler

    – Die eingesetzten finanziellen Mittel: Landkauf und staatliche, bzw. proto-staatliche Zuteilung

    – Unterordnung des Profits unter die politische Zielstellung[35]: Raumplanung & Demographie

    – Vor allem aber die einseitige und grundsätzliche Feinderklärung gegen das bereits ansässige, hierbei hinderliche Volk,

    – und die Zielstellung der demographischen Verdrängung, bis hin zur Wahl der hierfür erforderlichen Mittel (Verdrängung, ökonomische Austrocknung, gewaltsame Vertreibung)

    Vor allem in diesem letzten Punkt, der Verdrängung der Palästinenser zum Zwecke der Herstellung einer jüdischen Mehrheit zeigte er sich als ein gelehriger Schüler Theodor Herzls. Denn Herzl schrieb schon 1896 seinen Vorschlag in dem Buch „Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage“ nieder, die Juden sollen sich in Palästina ansiedeln und einen „Schutzwall gegen Asien“ bilden: „Wir würden den Vorpostendienst der Kultur gegen die Barbarei besorgen.“ Die Amtssprache sollte Deutsch sein, Deutschland sogar die Schutzmacht[36]. Zum Vergleich: Ziel und Auftrag der Preußischen Ansiedlungskommission war: Ein „lebendiger Wall gegen die slawische Flut“[37].

    Bevor wir diesen historischen Abriss in den nächsten Ausgaben fortsetzen, sei hier bereits festzuhalten: Die heute wieder ausgerufene Staatsräson richtet sich nicht nur unmittelbar gegen die elementaren Lebens- und Freiheitsinteressen des palästinensischen Volkes. Indem sie die deutsche Unterstützung israelischer Kriegsverbrechen heute auf das „historische Erbe“ des Holocaust und damit die ganze deutsche Geschichte auf diese einzige Ereignis reduziert, verharmlost sie all die anderen finsteren Kapitel der Geschichte des deutschen Imperialismus und versucht sie vergessen zu machen. Eine neue Tradition wird erfunden. Sie beinhaltet die Verdrängung und sogar Leugnung der fortdauernden Kontinuitäten deutscher Kolonial- und Kriegsverbrechen – vom Völkermord an den Herero und Nama[38] bis zur kolonialen Raubkunst, dem Luf-Boot im Berliner Humboldt-Forum. Der Holocaust mutiert damit vom Gipfelpunkt deutscher Kriegsverbrechen zu einem einmaligen Ausrutscher, einem Betriebsunfall einer ansonsten blitzsauberen Nationalgeschichte, oder wie Gauland von der AfD es ausdrückt: „ein Vogelschiss in über 1.000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“.

    AG Palästina

    1 und ehem. Chef des sog. „Siedlerrates“

    2 Im nur 12 Seiten kurzen ersten Sondierungspapier der neuen Ampelkoalition muss bereits, und ohne jeden inhaltlichen Zusammenhang, diese Staatsräson beteuert werden.

    3 Eine christliche Heils- und Endzeitlehre; eine ihrer Ausprägungen ist auch als christlicher Zionismus bekannt.

    4 Ihren Namen entlehnten diese nicht den gleichnamigen Orden aus den Kreuzzügen des Mittelalters; vielmehr wollten sie vor dem nahenden Weltuntergang eine eigene Kirche, einen rettenden, einzig wahren „Deutschen Tempel“ in Palästina errichten.

    5 Während des osmanisch-russischen Krieges.

    6 in schroffem Kontrast, geradezu als Zerrspiegelung jener bürgerlichen Freiheitsideale, die sich die Französische Revolution aufs Panier geschrieben hatte und im Inneren, in den Mutterländern des Kolonialismus, wenngleich zu unterschiedlichem Grad, durchsetzte.

    7 Nur 20.000 britische Kolonialbeamte und Truppen herrschten über 300 Millionen Inder (ein „Bevölkerungs“-Anteil von 0,007%)!

    8 Mit einer Politik der sog. „begrenzten Kolonisation“ ab 1837; fr.wikipedia.org/wiki/Algérie_française

    9 Auch der deutsche Imperialismus hatte beiden Optionen im Auge, sei es als Überseegebiete und Hafenstützpunkte wie der sog. Musterkolonie Kiautschou in China oder den typischen Plantagenkolonien der deutschen Kolonialzeitschrift: „Der Tropenpflanzer“ in tropischen Regionen Afrikas – in Togo, Kamerun und Deutsch-Ostafrika.

    10 Anders als Neuseeland.

    11 Petah Tiqwah (1878), Zikhron Yaakov (1882)

    12 Einer 1891 in London nach englischem Recht gegründeten Aktiengesellschaft.

    13 Diese erforderte auch große Investitionen in Abfüllanlagen, Eisenbahnstrecken zu den Häfen, etc.

    14 Die riesige Masse der Juden Europas lebte im damaligen Zarenreich, welches auch Polen umfasste.

    15 Jiddisch war eine eigene Sprache der osteuropäischen Juden, eine Mischung, bzw. Abwandlung des Deutschen mit vielen hebräischen Lehnswörtern aber ansonsten deutschem Wortschatz und deutscher Grammatik. Im Gegensatz zu den Zionisten sprach der Jüdische Bund, die sozialdemokratische, revolutionäre Arbeiterbewegung im zaristischen Russland, Jiddisch. Die Bundisten waren scharfe Gegner der bürgerlichen Zionisten und ihrer Auswanderungspläne. Sie kämpften für den Sozialismus, an der Seite ihrer nichtjüdischen Klassengenossen, für ein sozialistisches Russland ohne Antisemitismus und ohne jede Klassenunterdrückung und Rassismus. In Osteuropa vertrat der Bund die riesige Mehrheit der modernen nicht-orthodoxen Juden, v.a. des Proletariats.

    16 Wenngleich die Zionisten unter den Juden Deutschlands im Jahre 1900 nur eine verschwindende Minderheit von 4% darstellten.

    17 siehe nächster Teil der Artikelserie.

    18 „Köthener Kurse für koloniale Technik“ (1905); in: „Altneuland: Monatsschrift für die wirtschaftliche Erschließung Palästinas“; sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/titleinfo/2266000.

    19 Welche vom späteren Zionisten Otto Warburg initiiert worden war.

    20 Bis 1916 erwartete Ben Gurion, die Deutschen und Osmanen würden den 1. Weltkrieg gewinnen. Deshalb bemühten sich die Zionisten von Anbeginn um eine Konvergenz mit den deutschen Kolonial-Interessen und ihren Konzepten (z.B. der Bagdadbahn ...).

    21 Pate stand hierbei der Deutsche Orden, ein Ritterorden seit den Kreuzzügen im späten 12. Jahrhundert.

    22 Auch hier war die räumliche militärische Expansion nach außen – in Konkurrenz zum Zaren- und Habsburger Reich – ständig begleitet von innerer Expansion und Aggression, also der Niederschlagung polnischer Aufstände gegen die preußische Unterjochung und Fremdherrschaft.

    23 mit Sitz in Posen.

    24 Zu einer Zeit, da das monatliche Durchschnittseinkommen im Deutschen Reich 58,– RM betrug.

    25 Willige Neusiedler aus dem Reich ließen sich kaum finden – im Gegenteil: Immer mehr verarmte Reichsdeutsche wanderten nach Westen ab, Richtung Industrie. Zugleich erpressten die bankrotten Junker den preußischen Staat mit der Androhung von Landverkauf. Preußen kaufte letztlich vor allem ihnen, und nicht Polen Land ab – zu horrenden Preisen – genau wie wir es hundert Jahre später durch die Treuhand erleben sollten.

    26 Die Polen Poznańs gründeten eine eigene, erfolgreichere Landkaufbank (Bank Ziemski) und nicht zuletzt führten gerade die preußischen Gewaltmaßnahmen zu einem Aufschwung der polnischen Nationalbewegung mit vielfältigen Widerstandsformen auf allen Ebenen, genau wie Jahrzehnte die Palästinenser.

    27 Der „Hungerplan“ der deutschen Generalität und Staatssekretäre vom Mai 1941 sah die Ermordung von 32 Millionen slawischer „Untermenschen“ vor.

    28 So sein Buch von 1925: „Die landwirtschaftliche Kolonisation der zionistischen Organisation in Palästina.“ (Berlin, Aufbau), www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/EAMEFO2BTUUSJZKL426GB3C5G4ORB7KL

    29 A. Ruppin (1916): „Syrien als Wirtschaftsgebiet“. www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/XZGNBOXOORYVH4TRF35G3IGA6ECL4XUJ

    30 Später Leiter des „Palästinaamts“, der offiziellen Vertretung der Zionistischen Weltorganisation (WZO)

    31 Brief an den Präsidenten des JNF, Juni 1907; zit. nach: Kressel, G. (1951): „Korot“ („Die Ereignisse“). Der Jüdische Nationalfonds, Jerusalem (auf Hebräisch), S. 60.

    32 Nicht zu verwechseln mit dem Freiburger Biochemiker und Nobelpreisträger Otto Heinrich Warburg ...

    33 Ab 1920 und bis zu seinem Tod 1938, vertrat Warburg die WZO in Berlin

    34 Brief an Ussishkin (1908); zit. nach G. Shafir (1989): Land, Labour and the Origins of the Israeli-Palestinian Conflict. 1882-1914. Cambridge

    35 Was jedoch nichts mit „Sozialismus“ zu tun hat, wie oft missverständlich interpretiert wird

    36 www1.wdr.de/stichtag/stichtag3000.html

    37 Die Hetze gegen angebliche „Fluten“ fremder Einwanderer, sog. „Asylanten“, ist längst wieder täglicher Sprachgebrauch der herrschenden Klasse. Beim Abzug der deutschen Truppen aus Kabul, im August 2021, tönte es unisono, von Grünen bis AfD, eine „Flutwelle“ wie „2015 darf sich nicht wiederholen“.

    38 Noch im Mail 2021 verweigerte Steinmeier Reparationszahlungen an die Nachkommen der Opfer in Namibia, www.fr.de/politik/ich-habe-deutsche-vorfahren-dank-einer-vergewaltigung-90988520.html

    Kommunistische Arbeiterzeitung, KAZ Nr. 377

    #Allemagne #Israël #sionisme #impérialisme #nationalisme #histoire

  • I nuovi barbari
    https://en.m.wikipedia.org/wiki/The_New_Barbarians


    Tsahal meets John Wayne and Mad Max

    The plot takes place in 2019, following a nuclear holocaust, where two loners among the remains of the starving human race protect a group of pilgrims from a vicious gang bent on genocide.

    Ce film est comme une prophétie du Docteur Mabuse. La bande de génocidaires conduit des buggys fabriqués sur base de coccinelles de 1965, équipés de lance-flammes et de canons d’artillerie.

    Docteur Mabuse
    https://fr.m.wikipedia.org/wiki/Docteur_Mabuse

    ... son but n’est pas de conquérir le monde et de le soumettre, mais bien de le détruire, et ne régner que sur ses ruines.

    Le projet du Docteur Mabuse ressemble au projet sioniste. Ce n’est pas étonnant vu que les deux ont des racines dans la même époque.

    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Dr._Mabuse

    Der Traum der Romanfigur Dr. Mabuse ist die Schaffung einer neuen Gesellschaft, frei von Korruption und Fäulnis. Er plant eine utopische Kolonie in Brasilien namens Eitopomar, die er mit den Früchten seiner Verbrechen auf die Beine stellen möchte. (Eine spätere Fortsetzung, Mabuses Kolonie, blieb unvollendet.)

    Le crime est la condition préalable de l’utopie. Le criminel et le sauveteur se confondent

    #Gaza #cinéma #action #nanar #trash #wtf #camp #cheapness

  • Sommergäste (1976), russisch Datschniki Дачники
    https://de.wikipedia.org/wiki/Sommerg%C3%A4ste_(1976)

    Sommergäste ist ein 1975 gedrehter und 1976 erschienener deutscher Spielfilm von Peter Stein, nach einem Theaterstück (1904) von Maxim Gorki. Stein besetzte diese filmische Umsetzung einer seiner zuvor an der Schaubühne am Halleschen Ufer gezeigten Inszenierungen mit seinen damaligen Ensemblestars Bruno Ganz, Otto Sander, Edith Clever und Jutta Lampe in den Hauptrollen.
    ...
    Sommergäste entstand Mitte 1975 auf der Pfaueninsel in Berlin. Die Uraufführung fand am 29. Januar 1976 statt, Massenstart war der 6. Februar 1976. In der DDR wurde der Film das erste Mal nachweisbar am 12. März 1977 im Berliner Kino Studio Camera in der Oranienburger Straße 54 aufgeführt.

    Steins Sommergäste-Inszenierung an der Schaubühne erwies sich als ungewöhnlicher Erfolg, sie wurde seit der Premiere im Dezember 1974 nahezu 150 Mal gezeigt

    Zieglerfilm
    https://www.zieglerfilmkoeln.de/produktionen/kino/produktion/sommergaeste.html

    Regie Peter Stein
    Drehbuch Botho Strauß, Peter Stein (Mitarbeit)
    Produktion Regina Ziegler mit dem Ensemble der Berliner Schaubühne Musik Peter Fischer
    Kamera Michael Ballhaus
    Schnitt Siegrun Jäger

    Summerfolk
    https://en.wikipedia.org/wiki/Summerfolk

    Summerfolk (Russian: Дачники, romanized: Dachniki) is a play by Maxim Gorky written in 1904 and first published in 1905 by Znaniye (1904 Znaniye Anthology, book Three), in Saint Petersburg.

    Full of characters who “...might have stepped out of a Chekhovian world”, it takes place in 1904—the same year that Anton Chekhov died. The play dramatises the Russian bourgeois social class and the changes occurring around them.[4] In Russia the play premiered on 10 November 1904 at the Komissarzhevskaya Theatre in Saint Petersburg.

    The British premiere of the play was given by the Royal Shakespeare Company at the Aldwych Theatre in London on 27 August 1974. It was directed by David Jones, who introduced several of Gorky’s plays to Britain.

    The Royal Shakespeare Company and BAM: A Brief History
    https://blog.bam.org/2013/03/the-royal-shakespeare-company-and-bam.html

    The 1974 season was so successful that the RSC returned for repertory engagements in the spring of both ’75 and ’76, including David Jones’ production of Gorky’s Summerfolk. Lichtenstein thought it was so successful that he tapped Jones a few years later for the position of artistic director of the BAM Theater Company, BAM’s short-lived experiment at maintaining an in-house repertory company largely modeled on the RSC.

    Dacha - Wikipedia
    https://en.wikipedia.org/wiki/Dacha

    https://de.wikipedia.org/wiki/Datsche

    Die Aufhebung der Leibeigenschaft führte in den 1860er Jahren zu einem Niedergang der Landbesitzer, die ihr Land nun häufig verkaufen mussten, wodurch sich die Datsche als Sommerfrische für wohlhabendere Städter etablierte. 1904 verewigte Maxim Gorki die Sommertage auf der Datsche im Theaterstück Sommergäste (russisch Дачники; transkribiert datschniki). In der Zeit nach der Oktoberrevolution, als die Eigentumsverhältnisse an Grund und Boden noch nicht geregelt waren, nahmen Stadtbewohner brachliegende Parzellen in Besitz und erschlossen sie als Zweitwohnsitz.

    En RDA / #DDR 3,4 millions des 16 millions d’abitants possédaient une datcha . Ceci signifiait que même sans en posséder soi-même on connaissait toujous quelqu’un chez qui passer les weekends et l’été á la campagne.

    entstand eine große Anzahl von Siedlungen, insbesondere an Ufern der zahlreichen Seen im Norden der DDR. Die Vergabe wurde vom Staat geregelt. Die Datschen waren vom Hauptwohnsitz aus meist innerhalb einer Stunde zu erreichen. Es wird geschätzt, dass es in der DDR etwa 3,4 Millionen Datschen gab – „die weltweit höchste Dichte an Gartengrundstücken“.

    Maxim Gorky / Gorki - Dachniki (1905)
    http://gorkiy-lit.ru/gorkiy/pesy/dachniki/dachniki.htm

    Mit Gorki im Birkenwald - Maxim Gorki: Sommergäste
    https://www.die-deutsche-buehne.de/kritiken/mit-gorki-im-birkenwald

    Theater:SchaubühnePremiere:22.12.1974Regie:Peter Stein

    Foto: Sommergäste, 1974 © Anne Fritsch Text:Anne Fritsch am 2. April 2020

    Nie hätte ich gedacht, dass ich mal eine Kritik schreibe über eine Inszenierung, die älter ist als ich. (Aber ich hätte auch sonst einiges nie geglaubt, was gerade Wirklichkeit ist.) Nun also ist es soweit. Das Streamen, aus der Not des Corona Shut-Downs geboren, macht’s möglich. Am 22.12.1974 hatten Gorkis „Sommergäste“ in der Schaubühne am Halleschen Ufer Premiere. Regie führte Peter Stein. Ein Jahr später verfilmte er die Inszenierung mit dem Kameramann Michael Ballhaus.

    Es ist dies eine eigentümliche Mischung aus Theater und Film, ein bisschen Freilufttheater, ein bisschen Stationendrama. Hier wird nichts verfremdet, nichts aktualisiert. Hier sieht die russische Datscha aus, wie man sich eine russische Datscha vorstellt: weiße Sprossenfenster, ein niedriger Bau aus Holz inmitten eines Birkenwäldchens. Denn die Birken, die liebt der Russe ja bekanntlich. Die Möbel sind aus dunklem Holz gedrechselt, die Beleuchtung so trübe wie die Stimmung der gelangweilten Sommergäste. Wenn sie nach draußen gehen, tragen die Männer Sommeranzüge und Hüte, die Frauen weiße Blusen, lange Röcke und Sonnenschirme. Manchmal pflücken sie sogar Gänseblümchen. Das war schon 1974 altmodisch – und führt einen mal wieder zurück zu der Frage, ob sich alles aktualisieren lässt. Oder ob bestimmte Geschichten einfach in ein bestimmtes Umfeld gehören?

    Immerhin gelingt dieser Inszenierung etwas, was die „Sommergäste“ des vergangenen Jahres, bei den Salzburger Festspielen (Regie: Evgeny Titov) und am Münchner Residenztheater (Regie: Joe Hill-Gibbins), vermissen ließen: zwar etwas altmodische, aber echte Menschen zu zeigen. Das Ensemble spricht die Texte so unbefangen, als würden sie tatsächlich in diesem Moment entstehen. Vielleicht passt dieses Stück einfach nicht in holzgetäfelte Hotel-Lobbys (wie in Salzburg) oder auf steril-leere Drehbühnen (wie in München). Vielleicht sind die Themen und Fragen des Stückes zwar zeitlos, das Kreisen um die eigenen privaten Probleme, das Ausblenden der Welt um einen herum; vielleicht sind die Gespräche aber doch zu sehr in ihrer Zeit verwurzelt, als dass man sie eins zu eins ins 21. Jahrhundert verfrachten kann. Vielleicht braucht dieser Text eher ein wenig Distanz als Anbiederung, um wirken zu können.

    Die Steinschen Schauspielerinnen und Schauspieler laufen also durch Birkenwälder und lamentieren über ihre Sinnkrisen und Sehnsüchte. Die Männer haben wenig Scheu, sich dominant und zuweilen brutal zu verhalten. Sie tun das mit einer Selbstverständlichkeit, die heute undenkbar wäre. In so einem Setting ist auch ein Samowar, wie er ja in Gorki- und Tschechow-Inszenierungen gerne auf den Bühnen steht, kein Fremdkörper, sondern Alltag. Hier distanziert sich niemand von Stück, Sprache oder Rolle. Die Kritik am Text wird nicht mitgespielt, die Kritik an den Umständen ergibt sich durch das Darstellen derselben.„Was ist aus mir geworden?“, fragt Sabine Andreas als Olga. „Ich war doch auch einmal glücklich.“ Sie spricht diese Sätze klar und ohne Attitüde. Nicht als Fazit des Stückes, sondern als ganz persönliche Feststellung. Sie alle sprechen über die meist fehlende Liebe, das Schreiben und den ganzen Rest. In allem, was sie reden, schwingt all das mit, über das sie nicht reden.

    „Mein Gott, was sind wir für gleichgültige Menschen“, sagt Edith Clever als Varvara in der Schlüsselszene des Stückes, auf einer kleinen Feier unter bunten Lampions. „Wir sind Sommergäste in unserem Land.“ Die viel reden und nichts tun. Die sich verhalten, als wären sie nur zu Gast auf dieser Welt, nur zu ihrem Vergnügen hier, ohne Verantwortung für den ganzen Rest.

    Dieser Stream ist ein Blick in die Vergangenheit. Auf Schauspieler wie Otto Sander, Ilse Ritter, Jutta Lampe, Rüdiger Hacke oder Bruno Ganz. Ein Blick, der in der Gegenwartskunst Theater sonst nicht möglich ist. Das Theater lebt vom Moment, vom gleichzeitigen Produzieren und Konsumieren der Kunst, von seiner Vergänglichkeit. Eine Aufführung stirbt für gewöhnlich am Tag ihrer Derniere. Höchstens Theaterwissenschaftler blicken hie und da noch in die aufgezeichneten Überbleibsel prominenter Aufführungen. Nun aber, da der Live-Moment des Theaters, das Zusammen-Theater-Schauen-und-Spielen zum Problem geworden ist, wagt die Schaubühne selbst den Blick zurück in ihr Archiv, streamt längst vergangene Produktionen und macht sie der Öffentlichkeit zugänglich. Natürlich ersetzt das nicht das reale Theatererlebnis. Aber man bekommt Dinge zu sehen, die man immer mal sehen wollte, aber nicht konnte: weil man am falschen Ort war. Oder schlicht noch nicht geboren. So eine gelegentliche Rückschau könnten die Theater sich ruhig auch dann noch gönnen, wenn wir eines Tages in einen normalen Theateralltag zurückkehren können.

    Kleinbildnegativ: Schaubühne, 1974
    https://berlin.museum-digital.de/index.php?t=objekt&oges=44306

    Dachniki and gardeners: The Presidential Library spotlights the history of the country life in Russia | Presidential Library
    https://www.prlib.ru/en/news/1344295

    20 August 2022, Source: The Presidential Library

    Ever since Peter I initiated the donation of land, a unique phenomenon occurred and developed in Russia – the country life.

    The first measurement and “dacha” (distribution) of “convenient and inconvenient lands” were meant for peasants and craftspeople. Evidence of that is the decree of June 3 (14), 1712 On distributing lands in Ingria as plots for the peasants’ and craftspeople’ settlement, the text of which is available on the Presidential Library’s portal.

    The best lands were given to Peter’s entourage “for strolls and clear air”, as well as “for the fun of animal and bird hunt”. Dachas were located on the shores of the rivers, the Gulf of Finland and along the roads.

    By the early XIX century, the country life captured not only “circles close to the emperor” but also officials and the bourgeoisie. Therefore, the “great dacha migration” happened. The travel guide Regarding the health benefits of Petersburg dacha areas (1881), available in the digital collections of the Presidential Library, says: “The main goal of relocating to dachas is “health improvement” and an opportunity to “touch the living rays of sunshine””.

    Townspeople found it more convenient to rent a dacha, instead of owning one (“a good dacha could’ve been rented for 150-200 rubles, while buying one costs 600-700 rubles”). It was only a matter of picking a “dacha direction”.

    The country life of Old Peterhof was especially luxurious. Here, dachas were owned by the “big” aristocratic families.

    The most popular place for staying in dachas was Pavlovsk, as Petersburg residents considered the Pavlovsk Railway Station a “cultural centre” – orchestra and choir concerts were held there. The book Dachas and suburbs of Petersburg (1891), available in the collections of the Presidential Library, says: “Dachas in Pavlovsk were acquired, like seats in operas, year after year… and “the audience” not only knew who lives where, but also the amount of one’s dresses, hats, horses… Everyone had fun, and the Pavlovsk “trend” grew stronger”.

    The dacha direction along the Nikolayevskaya Railway Road that connected St. Petersburg in Moscow was the most perspective in the first half of the XIX century. “Lately, Tosno, Sablino, Ushaki… give shelter to hundreds of families, and it is undeniable that all of these places have a future. If one wants to enjoy the summer village life, milk, fields and air, then he should definitely stay on the Nikolayevskaya line; dachas here are half the price of the Finnish ones and four times cheaper than the Baltic ones. It provides a complete privacy and the most natural village idyll”.

    The Finland direction was also lively: “Over 5,000 dacha people leave this road every day”. The empty locations along the railway road were immediately filled up with dachniki. In 1903, the Kellomäki station (currently the settlement Komarovo) was founded on the spot of the “moose swamp” and became the centre of literary pilgrimage.

    The country life of the XIX – early XX centuries consisted of reading, parties, woodland walks, sailing on boats, music and swimming in ponds. Dachniki didn’t do farming and considered it odd.

    Despite the fact that “dachniki of Tsarist Russia” were associated with the bourgeois lifestyle, “middle-class comfort” and had an unspoken status of “idlers, only caring for entertainment”, the dacha culture not only survived the revolution, but also got a new development in the Soviet times.

    In the second half of the XX century, “dachniki-idlers” transformed into productive gardeners. The gardening movement became a part of the agrarian policy of the state. It began in accordance with the Decree of the Council of Ministers of USSR of 1949 On the collective and individual farming and gardening of workers and officials. Therefore, the “collective gardens” owned by enterprises were created. New horticultural areas were founded near the railway platforms: Mshinskaya (Luzhsky District), Pupyshevo (Volkhovsky District), Chashcha (Gatchinsky District), Trubnikov Bor (Tosnensky District).

    The 1970-1990s are associated with the gardeners’ dreams of “their own land”. Soon, these dreams became true and formed a new type of dachniki – “owners” of the gardens.

    In the early XXI century, dachas with gardens transformed into real country houses where people could live all year round.

    Alexandra Kasatkina’s abstract of theses Country conversations as a subject of ethnographic research: creating a method based on the materials of interviews about the development of garden plots in the 1980-1990s (2019) is available in the electronic reading room of the Presidential Library. Garden maintenance, plot’s planning, house renovation, socialization in villages, family members’ attitude to the dacha, - those seemingly “mundane” aspects of dachniki’s conversations became a material, revealing the great importance of country life for a contemporary resident of Russia.

    Researchers, who study the phenomena of country life, view it as an evidence of a “special Russian way”. The correlation of the country life with the history of Russia reveals that the former mirrors the realities of the country. Depending on the situation, a townsman either became a dachnik-beholder, or a gardener and a farmer. Still, in both cases, the image of dacha had a special charm, evident in the excitement about going to dacha as some kind of “shelter full of meanings”, as well as the heroic cultivation of “your own garden”, accompanied by the traditional tea parties on the terrace and slow conversations about anything and everything.

    #théâtre #Russie #Allemagne #Berlin-Ouest

  • CDU-Spendenaffäre : Von schwarzen Kassen, Geheimnissen und dem Erbe Wolfgang Schäubles
    https://www.telepolis.de/features/CDU-Spendenaffaere-Von-schwarzen-Kassen-Geheimnissen-und-dem-Erbe-Wolfgang

    Avec le docteur Schäuble nous enterrons les souvenirs d’une génération de corrompus. Les élites politiques allemandes n’ont jamais cessés de se faire acheter par les producteurs d’armes et d’autres fabricants de la mort. Noublions jamais que les cercles du pouvoir ont sans exception des racines dans le régime nazi.

    28.12.2023 von Harald Neuber - Wolfgang Schäubles Karriere war auch von Machenschaften geprägt. Vor allem von der Spendenaffäre. Es gab noch andere Verantwortliche, wie ein Interview aus 2004 zeigt.

    Wolfgang Schäubles Karriere war auch von Machenschaften geprägt. Vor allem von der Spendenaffäre. Es gab noch andere Verantwortliche, wie ein Interview aus 2004 zeigt.

    Wenig Negatives wurde über Wolfgang Schäuble nach seinem Tod am Dienstag dieser Woche geschrieben. Über Tote (fast) nur Gutes, galt auch hier. Ein wenig in Vergessenheit scheint das Motto des Verstorbenen und des ehemaligen Bundeskanzlers, Vorgesetzten und Parteifreund Helmut Kohl: "De donatoribus nil nisi bene. Über Spender nichts Schlechtes.

    Eigentlich sogar überhaupt nichts: Nach der CDU-Parteispendenaffäre behielten beide Christdemokraten, allen voran Kohl, Details zu den Zuwendungen, Geldgebern und möglichen Deals für sich.

    Die CDU-Spendenaffäre hatte Ende der 1990er-Jahre die deutsche politische Landschaft Deutschlands erschüttert. Der Skandal drehte sich um illegale Parteispenden, die die CDU in den Jahren 1991 bis 1999 entgegengenommen hatte. Eine Schlüsselfigur war Wolfgang Schäuble, damals Generalsekretär der CDU und später Bundesinnenminister. Schäuble ist nun im Alter von 81 Jahren gestorben.

    Die Affäre nahm ihren Lauf, nachdem enthüllt wurde, dass die CDU erhebliche Geldsummen aus schwarzen Kassen erhalten hatte. Diese nicht deklarierten Gelder stammten von Unternehmen und Einzelpersonen, die ihre Identität verschleierte. Sie flossen unter anderem in den Wahlkampf der Partei. Der Vorwurf lautete auf Verstoß gegen das deutsche Parteispendengesetz, da die Herkunft der Spenden nicht offengelegt wurde.

    Wolfgang Schäuble trug als Generalsekretär der CDU die politische Verantwortung für die Vorgänge in der Partei. Im Februar 2000 übernahm er die Konsequenzen und trat als CDU-Vorsitzender zurück. Schäuble betonte stets, erst nachträglich von den illegalen Spenden erfahren zu haben, und bestritt jegliches Wissen oder Beteiligung an unrechtmäßigen Machenschaften.

    Die Affäre hatte weitreichende politische Folgen. Mehrere führende CDU-Politiker traten ebenfalls zurück, und es wurden Ermittlungen eingeleitet. Obwohl Wolfgang Schäuble selbst nicht strafrechtlich belangt wurde, prägte die Spendenaffäre sein politisches Erbe.
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    Sie trug dazu bei, die Diskussion über Transparenz in der Parteienfinanzierung zu intensivieren und führte zu verstärkten Bemühungen um Reformen in diesem Bereich. Insgesamt hatte die CDU-Spendenaffäre einen nachhaltigen Einfluss auf die deutsche politische Kultur und die Wahrnehmung von Parteienfinanzierung.

    Journalisten und politische Beobachter gehen davon aus, dass die Spenden politische Entscheidungen der CDU beeinflussten. Die Gelder, die über Schweizer Konten flossen, wurden unter anderem für den Wahlkampf und andere politische Aktivitäten verwendet. Als die Affäre aufflog, führte sie zu politischen Konsequenzen, Rücktritten von führenden CDU-Politikern und Ermittlungen.

    Im Dezember 2000 verlor die CDU aufgrund der illegalen Spenden 7,7 Millionen D-Mark aus der staatlichen Parteienfinanzierung. Kohl verweigerte sich trotz dieser Konsequenzen weiterhin, die Namen der Spender zu nennen.
    Warum Helmut Kohl nicht in Beugehaft kam

    Als Geschädigte hätte die CDU Kohl in Beugehaft nehmen lassen können, um ihn zur Namensnennung zu zwingen. Die Partei verzichtete jedoch auf diesen Schritt. Mitte Januar des Jahres 2000 trat Kohl als CDU-Ehrenvorsitzender zurück.

    Zu der kriminellen Struktur um Kohl und Schäuble gehörte auch Holger Pfahls. Der CSU-Politiker war in den 1990er-Jahren auch für einige Zeit Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium unter Minister Volker Rühe.

    Pfahls geriet ins Visier der Ermittlungen, weil er im Jahr 1991 von dem Waffenhändler Karlheinz Schreiber eine Million Mark erhalten hatte. Es wurde angenommen, dass dies als Gegenleistung für die Vermittlung von Rüstungsaufträgen gedacht war. Pfahls wurde deswegen im Zusammenhang mit Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung angeklagt.
    Staatssekretär Pfahls in Haft

    Im Jahr 2001 wurde Pfahls in Paris festgenommen, nachdem er sich mehrere Jahre der Fahndung entzogen hatte. 2003 wurde er in Deutschland zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Seine Verurteilung trug dazu bei, die Verwicklungen der CDU in die Parteispendenaffäre zu beleuchten und legte einen Teil der fragwürdigen Finanzpraktiken offen, die zu einem Umdenken in der deutschen Parteienfinanzierung führten.

    Mitte August 2004, sprach Telepolis mit dem damaligen grünen Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele. Ströbele, der Ende August vergangenen Jahres verstorben ist, gehörte zu den vehementesten Aufklärern der CDU-Parteispendenaffäre. Im Interview mit Telepolis sprach er über die Auslieferung von Pfahls und die Position der damaligen CDU-Generalsekretärin, Angela Merkel. Merkel übernahm im Jahr darauf das Amt der Bundeskanzlerin.
    Hans-Christian Ströbele im August 2004 zur CDU-Spendenaffäre

    CDU-Generalsekretärin Angela Merkel wirkt vor der Auslieferung des ehemaligen Staatssekretärs Holger Pfahls nach Deutschland recht gelassen. Seine Aussagen würden nichts Neues in Bezug auf die Parteispendenaffäre der CDU/CSU erwarten lassen, sagt Frau Merkel. Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie diese Einschätzung nicht teilen?

    Absolut. Ein solches Urteil ist Unsinn, weil Frau Merkel die Aussagen von Herrn Pfahls doch wohl bisher nicht kennen kann. Tatsache ist, dass es sich bei Herrn Pfahls um ein CSU-Mitglied und einen Mitarbeiter der damaligen Unions-Bundesregierung handelt, der Anfang der Neunzigerjahre in höchstem Maße in den Panzerdeal der Firma Thyssen mit Saudi-Arabien verstrickt war. Bei diesem Geschäft sind nachweislich 220 Millionen D-Mark (112,5 Mio. Euro) an „nützlichen Aufwendungen“ geflossen.

    Schmiergelder?

    So ist es auch; für Bestechung, Schmieren und Provisionen. Und auch Frau Merkel wird nicht bestreiten, dass aus diesen Aufwendungen der Betrag von einer Million D-Mark (511.000 Euro) auf die Schwarzkonten der CDU geflossen sind. Dies wurde im Laufe des inzwischen abgeschlossenen parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Spendenaffäre festgestellt.

    Es besteht also eine direkte Verbindung zwischen Pfahls’ Strafsache und der Spendenaffäre?

    Das ist richtig.

    Auch der frühere Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Volker Neumann (SPD), geht von neuen Erkenntnissen durch die Aussagen von Holger Pfahls aus, weil dieser umgerechnet nur 1,9 Millionen Euro erhalten habe, „und niemand für diese Summe untertaucht“. Ist eine solche Hypothese nicht etwas dünn, um einen neuen Untersuchungsausschuss zu fordern?

    Ich bin mir mit eigentlich allen Kennern aus der SPD- und meiner Fraktion einig, unter welcher Voraussetzung ein neuer Untersuchungsausschuss eingerichtet werden sollte. Der alte Ausschuss hat auf der damaligen Faktenbasis seine Untersuchungen abgeschlossen und konnte, wie allgemein bekannt sein dürfte, in einigen wichtigen Fragen zu keinem Ergebnis kommen.

    Es müsste also ein neuer Ausschuss eingerichtet werden, unter Umständen auch mit neuen Mitgliedern. Das kommt aber nur dann in Betracht - wird dann aber auch zwingend notwendig -, wenn Herr Pfahl eine umfassende Aussage macht. Es würde nicht genügen, wenn er nur seine Schuld eingesteht oder seine Unschuld beteuert. Im Falle einer Aussage aber kämen wir an einem neuen Untersuchungsausschuss gar nicht vorbei, denn Herr Pfahl gehört unbestritten zu den Leuten, die über wesentliche Fragen Auskunft geben können, an denen der alte Ausschuss gescheitert ist.

    Mal konkreter: Um welche neuen Erkenntnisse geht es?

    Vor allem um den angesprochenen Panzerdeal mit Saudi-Arabien. Herr Pfahl war in diesen Geschäftsvorgang von Anfang an involviert. Er weiß um die Kenntnisse der anderen Regierungsstellen, von Ministern der damaligen Regierung und vor allem des Kanzleramts. Herr Pfahls spielt aber auch in der Affäre um Schmiergeldzahlungen bei der Privatisierung der Leuna-Raffinerien eine Rolle. Auch dort soll er vermittelnd tätig gewesen sein.

    Was aber, wenn Herr Pfahls trotz all dieser nachgewiesenen Verbindungen von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht - so wie Helmut Kohl und andere?

    Das kann er natürlich. Herr Pfahls wird sich nach seiner bevorstehenden Auslieferung aber einer bereits zugelassenen Anklage vor der Staatsanwaltschaft Augsburg stellen müssen. Er braucht dort auch keine Silbe zu sagen. Allerdings gehe ich davon aus, dass er selbst ein Interesse hat auszusagen. Würde er der Anklage entsprechend verurteilt, drohte ihm eine erhebliche Freiheitsstrafe. Allen Erfahrungen nach fördert eine solche Perspektive die Auskunftsbereitschaft.

    Aus der Union, aber auch aus der FDP-Bundestagsfraktion wurden Sie wegen der Forderung nach einem neuen Ausschuss als „unseriös“ bezeichnet. Müssten Sie nicht tatsächlich zunächst die Aussagen von Holger Pfahls abwarten?

    Die Forderung aus den Fraktionen der Grünen und der SPD nach einem neuen Untersuchungsausschuss war immer an die Bedingung geknüpft, dass Herr Pfahls eine Aussage macht. Ich habe aber volles Verständnis, dass keine der Parteien, die an der damaligen Bundesregierung beteiligt waren, heute ein Interesse daran haben, die Untersuchungen neu aufzurollen – wenn neue Erkenntnisquellen zur Verfügung stehen.

    #Allemagne #politique #corruption #histoire

  • Alice Springs Retrospektive
    https://www.rbb-online.de/rbbkultur-magazin/archiv/20230603_1830/springs-alice-newton-fotografin-ausstellung-museum-fuer-fotografie-retros

    J’ai vu l’expo. Vous n’avez rien manqué. Voire https://seenthis.net/messages/1034120

    Sa 03.06.2023 | 18:30 | rbbKultur - Das Magazin

    Sie lernten sich 1947 in seinem Atelier in Melbourne kennen: Der 27-jährige Fotograf Helmut Newton und die 26-jährige Schauspielerin June Browne. 22 Jahre lange fotografierte June, die inzwischen Newton hieß, nur privat. Aber 1970 wurde Newton, inzwischen weltberühmt, vor einem Fotoauftrag krank - seine Frau sprang für ihn ein. Von diesem Tag an begann ihre öffentliche Karriere als Fotografin. Sie nannte sich nun Alice Springs. Und begann eigene Wege zu gehen. Vor 2 Jahren starb Alice Springs 98jährig und 17 Jahre nach ihrem Mann. Jetzt wurde ihr fotografischer Nachlass und der Hausstand der beiden aus Monte Carlo nach Berlin in die Helmut Newton Stiftung gebracht.

    Es ist Liebe auf den ersten Blick als Helmut Newton seine June 1947 zum ersten Mal fotografiert. Ein Jahr später heiraten sie. June Newton ist seine Muse und kuratiert seine Ausstellungen. Erst über 20 Jahre später wird sie eine renommierte Fotografin. Sie nennt sich Alice Springs. 2021 starb sie 98-jährig. Jetzt zeigt die Helmut Newton Stiftung die Retrospektive „Alice Springs“. Ihre Karriere als Fotografin begann per Zufall: Als Helmut Newton 1970 wegen einer Grippe nicht fotografieren kann, springt sie ein und macht ihr erstes Werbebild für die Zigarettenmarke „Gitanes“.

    June Newton alias Alice Springs, 2009

    „I will gehen, habe ich gesagt, ich habe eine Kamera, wenn es nicht funktioniert, kannst Du es nächste Woche nachholen, aber zumindest kann ich es dem Jungen, dem Fotomodell sagen. Er akzeptierte von mir fotografiert zu werden. Die Bilder gingen zum Kunden, und der Scheck kam zu Helmut Newton zurück, und dann hatte ich eine neue Karriere, ein neues Geschäft.“

    June Newton wird 1923 in Melbourne geboren. Sie feiert erste Erfolge als Schauspielerin, während Helmut Newton noch unbekannt ist. Er fotografiert sie in der Rolle der „Salomé“. Als Schauspielerin sensibilisiert sie Newton für das Rollenspiel bei der Inszenierung seiner Akt-Modelle. Sie gibt ihm viele Tipps für das Model-Shooting. Nacktheit ist für beide etwas ganz Natürliches. Im Alltag fotografieren sie sich gegenseitig.

    June Newton alias Alice Springs, 2009

    "Wir waren gerade beim Abendessen in der Küche, wie immer in Paris. Und ich habe eine Zigarette geraucht, und ich habe mich eben entspannt und Helmut hatte wie immer eine Kamera in der Hand, und er sagte: „Mach so Juni“, „Do that Juni“, und ich machte es."

    Matthias Harder, Kurator, „Alice Springs Retrospektive“

    „Ich glaube, das war ein tolles Wechselspiel der beiden. Also sie haben sich ja seit den 50er-Jahren eigentlich gegenseitig porträtiert, also lange bevor June Newton als Fotografin richtig reüssierte und dieses Bild im Hintergrund ist aus den Achtzigern. Man sieht Helmut Newton mit ihrem Hut, mit ihren Pumps. Und es ist dieses Rollenspiel, was zwischen den beiden schon unglaublich früh begann.“

    June Newton nennt sich in den 1970er Jahren Alice Springs, macht Modefotos für die Titelseiten internationaler Frauenmagazine. Im Gegensatz zu Newton, der seine Models aufwendig inszeniert, fotografiert sie ihre spontan, zeigt sie in ihrer Natürlichkeit. Bekannt wird sie mit einer großen Kampagne: Hier eines der Werbebilder für den legendären Pariser Friseur Jean Louis David. Sie macht auch Porträts: Zum Beispiel vom Schriftsteller William S. Bouroughs, Maler Gerhard Richter oder Modeschöpfer Karl Lagerfeld. Alice Springs öffnet sie emotional, fängt intensiv deren Blicke ein. Auch noch nie gezeigte Fotos von Alice Springs sind in der Ausstellung zu entdecken: Zum Beispiel ein Porträt des Philosophen Michel Foucault. Ihm entlockt sie ein herzliches Lachen. Alice Springs Schauspielerfahrung vor und hinter der Kamera kommt ihr dabei zugute. In der Ausstellung sehen wir Porträtbilder von Alice Springs und Helmut Newton nebeneinander. Hier ein Bild von Schauspielerin Catharine Deneuve. Alice Springs fotografiert sie privater und intimer als ihr Mann Helmut Newton - der inszeniert sie lasziv und mit geschickter Lichtregie.

    Matthias Hader, Kurator

    „Helmut Newton hat in den drei Fällen in den gleichen drei Feldern gearbeitet wie June Newton und tun hat es insbesondere im Porträt zu einer Meisterschaft gebracht. Ja, wenn wir die Bilder in Gegenüberstellung sehen, da hat vielleicht Helmut Newton gar nicht herangereicht. Es sind wirklich Menschenbilder voller Seele, die June Newton alias Alice Springs geschaffen hat. Und das ist ihre ganz große Leistung, auch in der Fotogeschichte.“

    In der Ausstellung ist auch der sogenannte „Living Room“, das Wohnzimmer des Künstlerpaares zusehen. An den Wänden: Ein Bild von Andy Warhol, Roy Lichtenstein und auch der verhüllte Berliner Reichstag.

    Matthias Harder, Kurator

    „Helmut Newton hatte ja immer ein Heimweh auch an seine Geburtsstadt Berlin und Helmut und June waren ja sehr, sehr häufig hier. Und das ist im Grunde auch dieses Porträt, was June von ihm gemacht hat vor dem Reichstag, was hier rein collagiert ist. Und so treffen sich die beiden in ihrem Werk immer wieder, und die eine ist ohne den anderen nicht denkbar und umgekehrt.“

    Ein unzertrennliches Ehepaar mit einem großen Werk, das unterschiedlicher nicht sein kann.

    – Museum für Fotografie
    Ausstellung: Alice Springs. Retrospektive, 03.06.2023 bis 19.11.2023

    Anlässlich des 100. Geburtstag von June Newton alias Alice Springs werden über 200 Fotografien auf der gesamten Ausstellungsfläche im ersten Stock des Museums für Fotografie gezeigt.

    #Berlin #Charlottenburg #Jebensstraße #photographie

  • Museum für überflüssige Fotografie Berlin
    https://www.smb.museum/museen-einrichtungen/museum-fuer-fotografie/home


    Si vous vous trouvez à Berlin, n’y allez pas, profitez des autres musées, des parcs et lieux culturels à votre portée. Si par contre vous êtes toujours attirés par l’érotisme en noir et blanc des années 1960 - 1990, si vous avez envie de rencontrer la perspective male gaze d’un vieux résidant blanc de Monaco, ce musée est pour vous.

    Il se trouve que le musée de photographie est l’appendice de la fondation Helmut Newton Stiftung . Le riche photographe de mode originaire de Berlin a profité du besoin des politiciens de la capitale allemande de faire encore preuve de philosemitisme pour récupérer l’énorme bâtiment d’un ancien casino militaire dont on ne savait pas trop que faire au tournant du siècle.

    Le musée propose outre la collection Helmut Newton / Alice Springs des expositions changeantes, mais là encore, n’y allez pas tant qu’on y présente Flashes of Memory. Fotografie im Holocaust Je ne sais pas si on doit qualifier ce type d’assemblage de holocaust porn , mais il n’y a rien à apprendre. Quand on connaît le sujet c’est superflu et pour les non initiés la mise en scène des objets empêche la familiarisation avec et la découverte d’informations supplémentaires.

    A Berlin il y a plusieurs musées et collections de qualité sur le judaisme, le régime nazi et l’holocauste. Il y a les musées des arrondissements, les Stolpersteine et plein d’autres voies accès à l’histoire pour tout le monde. Ce n’est pas dans la Jebensstraße que vous allez découvrir quelque chose de nouveau.

    Rezension zu : Flashes of Memory. Fotografie im Holocaust
    https://www.hsozkult.de/exhibitionreview/id/reex-135894?title=flashes-of-memory-fotografie-im-holocaust&recno=11&q=&sor

    Ulrich Prehn, Zentrum für Antisemitismusforschung, Technische Universität Berlin - Ein improvisiert wirkender dreirädriger Wagen, darauf ein Kamerateam. Der Wagen – im Filmjargon ein „Dolly“ – wird von einem Wehrmachtssoldaten an mehreren Reihen von Näherinnen, die an ihren Maschinen sitzen, vorbeigeschoben, um Aufnahmen von ihrer Arbeit anzufertigen. Die in dieser Szene an der Bildproduktion beteiligten Akteure gehörten der Propagandakompanie 689 der Wehrmacht an, Ort der Dreharbeiten im Mai 1941 war eine Näherei im Warschauer Ghetto.[1] Dies zeigt das groß gezogene Eingangsfoto zu Flashes of Memory. Fotografie im Holocaust, der deutschen Version einer Ausstellung, die bereits 2018 in Jerusalem zu sehen war. Klug und anschaulich legt sie mit diesem Beispiel einen Teil der Produktionszusammenhänge und damit die Gemachtheit von Fotografien und filmischen Bewegtbildern offen – und zwar keineswegs nur von Propagandabildern, wie sie für Diktaturen des 20. Jahrhunderts typisch waren.

    Erarbeitet wurde die Ausstellung von der Direktorin des Yad Vashem Museums in Jerusalem, Vivian Uria, und ihrer Stellvertreterin Maayan Zamir-Ohana. Als historischer Berater stand ihnen mit Daniel Uziel ein ausgewiesener Kenner der Film- und Fotoquellen zum Zweiten Weltkrieg und zur Shoah an der Seite. Zu der nun in Berlin präsentierten Adaption der Ausstellung, für die die Internationale Gedenkstätte Yad Vashem und der Freundeskreis Yad Vashem mit der Kunstbibliothek – Staatliche Museen zu Berlin (Co-Kurator: Ludger Derenthal) kooperiert haben, ist ein aufwendig produzierter, die Abbildungen in überzeugender Reproduktionstechnik wiedergebender Katalogband erschienen, der leider keine vertiefende Bibliographie enthält. Das Bildmaterial stammt überwiegend aus den Yad Vashem Archives, zum Teil aber auch aus deutschen, US-amerikanischen und einigen weiteren Archiven, darunter das zentrale staatliche Film- und Fotoarchiv der Ukraine.

    An den eingangs beschriebenen Opener schließt sich – ähnlich klug auf den (technischen) „Apparat“ wie auf erinnerungskulturell relevante Aspekte bezogen – ein einführender Abschnitt an, welcher der technik- und mediengeschichtlichen Entwicklung optischer Aufzeichnungsapparate von der Camera obscura bis zur Fotografie im digitalen Zeitalter gewidmet ist. Überdies eröffnet dieser Abschnitt im Zusammenhang des eigentlichen Themas der Ausstellung, „Fotografie im Holocaust“, anhand von Objektgeschichten ausgesprochen anschaulich ein weites Spannungsfeld von Aufzeichnung, Zeugenschaft und materieller Überlieferung: Gezeigt werden konkrete Fotoapparate, deren ursprüngliche Besitzer:innen und Wanderungen der Kameras von Hand zu Hand. So ist der „Korona Tankette“, der Kleinbildkamera eines polnischen Amateurfotografen aus Rypin namens Jacob Konskowolski, der nach Majdanek deportiert und dort ermordet wurde, mit der im Vergleich riesig wirkenden Studio-Plattenkamera der Neuen Kamera Werke Görlitz (Modell „Stella“) eine Akteursgeschichte aus dem Bereich der Berufsfotografie an die Seite gestellt: die Geschichte der erfolgreichen (Foto-)Künstlerin Františka Grubnerová, die in der Tschechoslowakei ein eigenes Studio betrieb, wo sie von der deutschen Besatzungsmacht unter dem Vorwand, sich antifaschistisch betätigt zu haben, verhaftet und 1942 zusammen mit ihrem Ehemann und ihren zwei Söhnen ins Ghetto Theresienstadt deportiert wurde.

    Abb. 1: Františka Grubnerovás wuchtige Studio-Plattenkamera verweist hier auf die Biographie der Fotografin, erhält aber auch selbst Protagonisten-Status.
    (Foto: © Ulrich Prehn)

    Abb. 2: Ausstellungsansicht Museum für Fotografie 2023, mit Grubnerovás Kamera rechts im Bild. An der Wand ist eine Zeitleiste zur Geschichte fotografischer Abbildungstechniken und Apparate zu sehen, im Vordergrund einer der Leuchttische mit ganz unterschiedlichen Fotos aus der NS-Zeit.
    (Foto: © Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker)

    Das erste inhaltliche Kapitel trägt die Überschrift „Politische Fotografie und politischer Film im nationalsozialistischen Deutschland“. Es fängt leider schlimm an: Die Kurator:innen haben sich nicht gescheut, den Besucher:innen ein „Best of“ – oder treffender: ein „Worst of“ – der bekanntesten visuellen Propagandist:innen des NS-Regimes um Augen und Ohren zu hauen. Heinrich Hoffmann, Walter Frentz und Leni Riefenstahl sind, unterstützt von Auszügen aus Hitlers „Mein Kampf“ und Goebbels-Zitaten sowie garniert mit einem knipsenden „Reichsleiter“ Martin Bormann, die mehr als erwartbaren Protagonist:innen der ersten drei großflächigen Wände. Originelle oder intelligente Zugänge finden sich hier nicht. Vielmehr behält Riefenstahl, flankiert von ihren beiden Reichsparteitags- und „Olympia“-Kameramännern Frentz und Ertl, in viel zu lang präsentierten Ausschnitten aus Ray Müllers schon 1993 wenig überzeugendem Filmporträt Die Macht der Bilder: Leni Riefenstahl das letzte Wort. Wird in der Forschungsliteratur wie im Feuilleton gerade mit Blick auf Riefenstahl immer gern auf die bequeme Suggestiv-Formel von der „Macht der Bilder“ zurückgegriffen, so erweist sich in diesem Abschnitt der Ausstellung, mit welchem Unheil auch die häufig unterschätzte Macht der offenen Töne in Ausstellungsräumen verbunden sein kann. Der Rezensent war perplex und leicht verärgert, starrten die neben ihm stehenden Besucher:innen doch wie gebannt vor allem auf diesen Bildschirm – so als stünden sie unfreiwillig als lebender Beweis dafür, mit welch billigen Mitteln (audio-)visuelle Überwältigung und Überforderung noch immer leicht zu erzeugen ist. Riefenstahl darf munter, immer wieder unterschnitten mit den von ihr geschaffenen Inszenierungen muskulöser Körper beim Diskuswurf oder beim Fackellauf, ihr krudes Gemisch aus Anekdoten und Apologetik daherquatschen: ein beinahe ungebrochener, in die Jetztzeit wirkender unseliger „Triumph des Willens“.

    Abb. 3 und 4: Ufa-Filmplakat von Erich Ludwig Stahl zum NSDAP-Parteitagsfilm „Triumph des Willens“ (1934/35), daneben Sequenzen aus Ray Müllers Film „Die Macht der Bilder: Leni Riefenstahl“ (1993). Eine kritische Kontextualisierung dieses Films und selbst ein klarer Exponat-Nachweis fehlen hier leider.
    (Fotos: © Ulrich Prehn)

    Und „düster“ geht es weiter, allerdings rein auf der inhaltlich verhandelten Ebene, auf der verschiedene Beispiele für „Fotografie als Spiegel des Antisemitismus“ präsentiert und beleuchtet werden. Dabei ist es ausgesprochen schwer, etwa die Botschaft eines von Polizisten kompilierten „Typen“-Albums über „Jüdische Verbrecher“, das der Polizeipräsident von Nürnberg und Fürth im Februar 1938 dem fränkischen Gauleiter und Herausgeber des antisemitischen Hetzblattes Der Stürmer schenkte, „einzufangen“, was die Wirkung jener konstruierten „Verbrecher“-Porträts auch auf heutige Betrachter:innen angeht. Denn natürlich bewegt man sich auf Glatteis, wenn man sich als Kurator:in ausdrücklich für das extensive Zeigen solcher Exponate entscheidet (im Katalog erstrecken sich die Abbildungen aus dem Album immerhin über vier Seiten), zumal wenn es an den entsprechenden Stellen bei nur vorsichtigen Versuchen des „Einfangens“ mit konventionellen Mitteln bleibt, die aus skeptischer Sicht wohl lediglich auf „Schadensbegrenzung“ hinauslaufen können.[2]

    Gestalterisch auf den ersten Blick etwas altbacken wirkt eine Wand zur antisemitischen Propaganda des Stürmer, die sich – ein großes Verdienst – aber nicht nur auf die reine Präsentation der in besagtem Hetzblatt abgedruckten Quellen beschränkt, sondern sich auch aus dem Fundus des sogenannten Stürmer-Archivs bedient, zu dessen Beständen unzählige „Volksgenossinnen“ und „Volksgenossen“ in Form von Zuschriften, Amateurfotografien und -karikaturen beitrugen und damit den deutschen (und österreichischen) Antisemitismus „von unten“ dokumentierten. Ähnlich einer Zeitung im Kaffeehaus sind die einzelnen von der Wand „klappbaren“ Tafeln montiert, beidseitig mit Abbildungen und dazwischen mit kurzen Exponattexten versehen. Die Besucher:innen dürfen also „blättern“ und damit einsteigen in eine gelungene kritische Analyse der Gemachtheit der jeweiligen antisemitischen Feindbild-Konstruktionen. Denn im Vergleich zwischen den an die Stürmer-Redaktion eingesandten Fotos mit den tatsächlich gedruckten, neu betexteten Bildern offenbaren sich die vielfältigen Bearbeitungen, etwa durch Beschnitt oder Retuschen der jeweiligen Aufnahmen. Dieser Zugriff offenbart gelungenes Ausstellungs-„Handwerk“, wird hierdurch doch die (visuelle) „Lesefähigkeit“ der Betrachter:innen unterstützt, das Auge an konkreten, für viele Nutzer:innengruppen (etwa Schulklassen) auch überschaubaren Einzelbeispielen geschult.

    Abb. 5: Über den Tafeln ist ein Zitat aus den 1995 erstmals veröffentlichten Tagebüchern Victor Klemperers zu lesen. Am 17. August 1937 kommentierte der Literaturwissenschaftler ein im „Stürmer“ mit antisemitischer Botschaft abgedrucktes Foto und die Wirkung auf ihn.
    (Foto: © Ulrich Prehn)

    Das zweite Kapitel offenbart bereits in der Überschrift den kuratorischen Zugriff der Gegenüberstellung: „Fotografie aus dem Ghetto – zwei verschiedene Blickwinkel“. Dieser Abschnitt stieß am Tag meines Ausstellungsbesuchs auf das stärkste Publikumsinteresse, und dabei wiederum besonders die Aufnahmen, die jüdische Fotografen in den Ghettos von Lodz und Kaunas oft unter Lebensgefahr gemacht hatten. Kommt einigen der Fotos von Mendel Grossman und Henryk Ross mittlerweile beinahe der Status von Bildikonen zu[3], ist es ein Verdienst der Ausstellung, dem Publikum auch das Werk weniger bekannter „Ghetto-Fotografen“ näherzubringen: so etwa die 1943 heimlich im Ghetto Lodz angefertigten Aufnahmen des Assistenten Grossmans, Aryeh Ben-Menachem, die, in einem Album überliefert, die verheerenden Existenzbedingungen der Menschen dokumentieren, sowie die Bilder des Untergrundfotografen Zvi Hirsch Kadushin, der mit einer ins Ghetto Kaunas geschmuggelten Kamera ebenfalls heimlich fotografierte.

    In diesem Kapitel treten uns die vielfältigen Funktionen sowie die zum Teil komplizierten Entstehungs- und Rahmenbedingungen von Fotografie und Film vor Augen, die für beide Medien im nationalsozialistischen Regime und besonders unter der deutschen Besatzungsherrschaft in Ostmitteleuropa charakteristisch waren. So stehen den Aufnahmen, die die erwähnten jüdischen Fotografen im Ghetto Lodz teils im Auftrag des „Judenrats“ und teils heimlich, entgegen dem ausdrücklichen Verbot durch den „Judenrats“-Vorsitzenden Chaim Rumkowski, zu Dokumentationszwecken und gewissermaßen als Überlebensstrategie machten, viele Fotos und Filme gegenüber, die deutsche Fotografen in offizieller Funktion als Angehörige verschiedener NS-Organisationen zu Propagandazwecken anfertigten, bisweilen aber auch aus „privatem“ Interesse. Vor allem die Propagandafotos und -filme verfehlen – so steht zu vermuten – auch heute ihre (problematische) Wirkung auf die Betrachter:innen nicht, zumal wenn sie wie in Flashes of Memory so geballt, in so erheblicher Dichte präsentiert werden. Denn es ist wohl nur schwer möglich, sich der Reproduktion der in die fotografische Inszenierung eingeschriebenen Erniedrigung im Akt des erneuten Betrachtens zu entziehen. Denkt und fühlt man heute als Betrachter:in den Umstand, dass die Fotografierten kaum bzw. nur sehr begrenzt die Möglichkeit hatten, sich dem Fotografiert-Werden zu entziehen oder gar zu widersetzen, immer mit – oder wird man tendenziell zum Komplizen oder zur Komplizin der Täter und ihres Blicks?

    Die Ausstellungsmacher:innen haben in diesem Zusammenhang auf das bewährte Rezept zurückgegriffen, der ungeheuerlichen Täter-(Bild-)Sprache zeitgenössische Aussagen derer entgegenzusetzen, auf die sich die infame Hetze bezog: Ausschnitten aus dem fragmentarisch gebliebenen Film Asien in Mitteleuropa, den ein deutsches Kamerateam im Frühjahr 1942 im Warschauer Ghetto drehte[4], werden zum Beispiel Auszüge aus zwei Tagebüchern polnischer Jüd:innen gegenübergestellt. In der Ausstellung nehmen Exzerpte und Beispielseiten aus dem 1942 verfassten Tagebuch der damals in Warschau lebenden Journalistin Rachel Auerbach zwar einen gewissen Raum ein.[5] Doch bleibt fraglich, ob sie gegenüber der antisemitischen visuellen NS-Propaganda und den nicht in offizieller Funktion fotografisch festgehaltenen Täter-Blicken auch nur annähernd als „Gegengift“ zu wirken vermögen.

    Insgesamt wird das Ausstellungskapitel der Komplexität der „Ghetto-Fotografie“ durchaus gerecht, doch dominieren in der gewählten Präsentationsstrategie und dem entsprechenden Ausstellungsdesign an einigen Stellen die Video-Screens mit Bewegtbildern (also die Filmausschnitte, die in unablässigen Schleifen laufen) die Fotoabbildungen, wie der Wand-Ausschnitt in Abb. 6 verdeutlicht. Zwar ist die Anzahl der Foto- und Dokument-Exponate deutlich größer als die Anzahl der Stationen, die Filmausschnitte präsentieren. Dennoch ergibt sich ein Ungleichgewicht, wenn für die Bewegtbilder nicht eigene „Orte“ (oder Präsentationsformen) gewählt werden, die den unbewegten Bildern genug Raum zur Wirkung und „Selbstentfaltung“ lassen.

    Abb. 6: Diese im Ausschnitt abgebildete Wand, aus der die beiden blaustichig reproduzierten Screen-Stills hervortreten, ist überschrieben mit einem Zitat von Zvi Kadushin: „Ich machte tausende, ja abertausende [Fotos]. […] Ich habe immer weiter fotografiert, für später, für die Ewigkeit.“
    (Foto: © Ulrich Prehn)

    Außerdem ist mit Blick auf dieses Kapitel kritisch zu fragen, ob an den betreffenden Stellen das Übermaß antisemitischen Bildmaterials (mit einem hohen Anteil von zu Propagandazwecken angefertigten Bewegtbildern) in seiner Wirkung durch „Gegen-Zitate“, hier erneut aus dem Tagebuch von Rachel Auerbach (siehe Abb. 7) sowie aus dem Tagebuch von Chaim A. Kaplan, auch nur annähernd gekontert werden kann.

    Abb. 7: Über dem Exponat – der Bildstrecke „Juden unter sich“ aus der „Berliner Illustrierten Zeitung“ vom 24. Juli 1941 – ist ein Zitat aus dem Tagebuch von Rachel Auerbach zu lesen, das mit dem Plädoyer „Lasst sie filmen!“ beginnt. „Diese Gesichter, diese Augen, werden in der Zukunft lautlos aufschreien…“
    (Foto: © Ulrich Prehn)

    Das dritte und letzte Kapitel ist den Bildern von der Befreiung der Lager durch die alliierten Kriegsgegner Nazi-Deutschlands gewidmet. Auf den ersten Blick könnte man denken, hier werde lediglich der Pflicht nachgekommen, die „Geschichte zu Ende zu erzählen“ – ähnlich wie beim Einstieg zum ersten Kapitel über visuelle politische Propaganda des NS-Regimes. Zwar zeigen viele Exponate durchaus Erwartbares und „Bewährtes“, doch verweist der Untertitel dieses Abschnitts, „Zweck und Verbreitung“ (der Bilder von der Befreiung), auf den interessanten Aspekt der Vielfalt der Bilder und der mit ihrer Zirkulation verbundenen Interessen und Intentionen. Allerdings könnten Strategien und Rahmungen der Nutzung von Fotografien und Filmaufnahmen der Befreiung der Konzentrationslager sowie des Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozesses seitens der westlichen Alliierten und der sowjetischen Befreier sicher noch weit präziser herausgearbeitet werden, als die Ausstellung es tut.[6]

    Die drei inhaltlichen Kapitel werden, was Ausstellungskonzeption und -architektur angeht, gestützt von einer Art „Mittelgräte“. Diese besteht aus vier Leuchttischen, die im Raum angeordnet auf ein (wechselndes) „Schlussbild“ zulaufen: Auf historisches Filmmaterial von Deportationen wird ein Zitat des französischen Philosophen und Fotografietheoretikers Roland Barthes über das „spectrum der Photographie“ projiziert. Auf den unterschiedlich langen Leuchttischen sind, wie zufällig hingeworfen, alle möglichen visuellen Zeugnisse dessen zu sehen, was die Ausstellung verhandelt. Das wirkt „irgendwie“ symbolisch aufgeladen – ist aber letzten Endes leider ziemlich inhaltsleer. Denn den Betrachtenden erschließt sich nicht: Soll hier die Vielfalt der „Fotografie im Holocaust“ in einer Überforderung (gleich Über-„Macht der Bilder“) qua Masse versinnbildlicht werden? Oder sollen sich die Betrachter:innen doch in einzelne Fotos vertiefen können – steht dahinter der kuratorische Versuch, sowohl die Individualität als auch die Masse der Fotografierten zum Ausdruck zu bringen? Zielt die Präsentation des den jeweiligen Kontexten entrissenen „Rohmaterials“ darauf ab, die Besucher:innen anzuregen, selbst nach Indizien zur Einordnung der Fotos zu suchen? All das ist denkbar. Und doch verfestigte sich mein Eindruck im Laufe des mehrstündigen Besuchs der Ausstellung zunehmend: Die Leuchttisch-Idee funktioniert nicht gut. Die durchschnittliche Verweildauer der Besucher:innen am ersten der Tische ist schon vergleichsweise kurz, ein zweiter wird im Zweifelsfall gar nicht mehr groß beachtet.

    Abb. 8: Ausstellungsansicht mit Leuchttischen, Museum für Fotografie 2023
    (Foto: © Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker)

    Besser gelungen ist demgegenüber der baulich-konzeptionelle Übergang des letzten Leuchttisches in das bereits erwähnte Schlusszitat, das die Besucher:innen aus dem Diffus-Ubiquitären der Fotomassen in die Klugheit, Reduktion und literarische Befähigung des Autors Roland Barthes hinüberrettet: „Und was photographiert wird, […] [möchte ich] das spectrum der Photographie nennen […], weil dieses Wort durch seine Wurzel eine Beziehung zum ‚Spektakel‘ bewahrt und ihm überdies den etwas unheimlichen Beigeschmack gibt, der jeder Photographie eigen ist: die Wiederkehr des Toten.“ Nachdem am Beginn der Ausstellung schon ein anderes kurzes Barthes-Zitat zu lesen war, markiert dieses nun einen Abschluss.

    Abb. 9: Letzter Leuchttisch und Schluss-Zitat
    (Foto: © Ulrich Prehn)

    Festzuhalten bleibt: Die „Zeige-Strategien“ der Kurator:innen (in meiner Interpretation: „Im Zweifelsfall alles – auch bis an die Schmerzgrenze – zeigen, denn das alles hat es gegeben“) sind zwar in gewissem Sinne nicht nur schwer auszuhalten. Sie sind auch problematisch hinsichtlich einer „Ethik des Zeigens und Nicht-Zeigens“ – und, auf die Besucher:innen der Ausstellung zurückgeworfen, einer „Ethik des Sehens“, nicht zuletzt vor dem bereits erläuterten Hintergrund des fehlenden Einverständnisses der fotografierten bzw. gefilmten Personen. Dies mag beispielhaft eine letzte Abbildung verdeutlichen.

    Abb. 10: Auf dem Screen oben ist ein Ausschnitt aus dem um 1940 produzierten Propagandafilm „Der Jude im Regierungsbezirk Zichenau“ zu sehen. Von einigen der gefilmten Jüdinnen und Juden wurden auch Fotografien angefertigt, die in einem Album mit dem Titel „Typy Zydowskie“ (bzw. auf Deutsch: „Der jüdische Typ“) veröffentlicht wurden (unten: eine Beispielseite).
    (Foto: © Ulrich Prehn)

    Trotz der genannten Einwände sei aber betont: Die Ausstellung ist definitiv einen Besuch wert, bietet sie doch Einblicke in eine noch immer kaum zu überschauende Bandbreite fotografischen und filmischen Schaffens. Darüber hinaus lassen sich die einzelnen visuellen Zeugnisse und Inszenierungen, welche die Vorstufen des „Zivilisationsbruchs“ markieren, in den gelungenen Teilen der Ausstellung unter anderem daraufhin befragen, welchen Beitrag (audio-)visuelle Täter-Quellen zur Vorbereitung und Ermöglichung der Shoah leisteten.

    Anmerkungen:
    [1] Das Foto ist über die Bilddatenbank des Bundesarchivs verfügbar; als Fotograf ist dort Ludwig Knobloch genannt (Bild 101I-134-0769-39A, https://www.bild.bundesarchiv.de, 17.07.2023).
    [2] Allerdings hat die Diskussion um angemessene Strategien des Zeigens (bzw. des Nicht-Zeigens) visueller Zeugnisse von Gewalt, Menschenverachtung und Hass gerade in Bezug auf NS-Quellen in Deutschland erst jüngst Fahrt aufgenommen, so etwa im Rahmen des gemeinsam vom Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin, dem Deutschen Historischen Museum sowie der Stiftung Topographie des Terrors veranstalteten Workshops „Vorzeigen, Verhüllen, Verschließen – Wie können antisemitische und rassistische Bilder und Objekte ausgestellt werden?“ (September 2022); vgl. den Programmflyer und Einladungstext:
    https://arthur-langerman-foundation.org/wp-content/uploads/2022/08/2022-09_Programm_Workshop_Vorzeigen_Verhu%CC%88llen_Ver (17.07.2023). Gute Überblicke sowie instruktive Überlegungen und Vorschläge bieten Felicitas Heimann-Jelinek, Kuratorische Überforderung? Zum Ausstellen von Zeugnissen des Holocaust, in: Anna-Maria Brandstetter / Vera Hierholzer (Hrsg.), Nicht nur Raubkunst! Sensible Dinge in Museen und universitären Sammlungen, Mainz 2017, S. 247–256, https://doi.org/10.14220/9783737008082.247 (17.07.2023); Maren Jung-Diestelmeier / Sylvia Necker / Susanne Wernsing, Antisemitische und rassistische Objekte und Bilder in Ausstellungen? Ein Gespräch über erprobte Strategien und offene Fragen, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 29 (2020), S. 26–53. Siehe darüber hinaus das im Juli 2020 begonnene Themendossier „Bildethik. Zum Umgang mit Bildern im Internet“, hrsg. von Christine Bartlitz, Sarah Dellmann und Annette Vowinckel, https://visual-history.de/2020/07/20/themendossier-bildethik (17.07.2023).
    [3] Vgl. hierzu Tanja Kinzel, Im Fokus der Kamera. Fotografien aus dem Getto Lodz, Berlin 2021; rezensiert von Andreas Weinhold, in: H-Soz-Kult, 28.01.2022, https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-97007 (17.07.2023).
    [4] Zum Ghettofilm-Fragment vgl. Vicente Sánchez-Biosca, La muerte en los ojos. Qué perpetran las imágenes de perpetrador, Madrid 2021, S. 174–228.
    [5] Ergänzend zu den Schilderungen Rachel Auerbachs ist in der Ausstellung auch ein längeres Zitat aus dem (publizierten) Tagebuch von Adam Czerniakow platziert, das auf die perfiden Produktionsbedingungen des sog. Ghettofilm-Fragments verweist; vgl. Adam Czerniakow, Das Tagebuch des Adam Czerniakow. Im Warschauer Getto 1939–1942, München 2013, hier S. 256f. Die deutsche Erstausgabe war 1986 erschienen.
    [6] Vgl. hierzu Ulrike Weckel, Beschämende Bilder. Deutsche Reaktionen auf alliierte Dokumentarfilme über befreite Konzentrationslager, Stuttgart 2012; rezensiert von Sven Kramer, in: H-Soz-Kult, 23.11.2012, https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-18688 (17.07.2023); außerdem z.B. Lawrence Douglas, Film as Witness: Screening Nazi Concentration Camps before the Nuremberg Tribunal, in: Yale Law Journal 105 (1995), S. 449–481, http://hdl.handle.net/20.500.13051/8920 (17.07.2023).

    #Berlin #Charlottenburg #Jebensstraße #photographie #musée #shoa

  • Linux: Kernel-Entwickler drücken freie Grafiktreiber durch
    https://www.heise.de/news/Linux-Kernel-Entwickler-druecken-freie-Grafiktreiber-durch-9582895.html

    27.12.2023 von von Thorsten Leemhuis - Selbst Schwergewichte der Grafikchip-Branche sind eingeknickt und bieten mittlerweile quelloffene Kernel-Treiber an. Anwendern verschafft das Freiraum.

    – Nvidia beugt sich dem Druck
    – Nvidias 3D-Treiber bleiben proprietär
    - Unabhängig einwickelte Vulkan- und Video-Wiedergabe-Treiber
    - Warum Nvidia einen Kernel-Treiber offengelegt hat
    – Kernel-Entwickler machen ihre Intention deutlich
    Datenfluss-Optimierung scheitert an Barriere
    – Nvidia kann Linux jetzt besser für die eigenen Belange anpassen
    - Kehrtwende in der Embedded-Welt
    – Sich ständig veränderte Kommunikationswege
    – Motivation zur Mitarbeit am Kernel
    – Problemkind hat ein Einsehen
    - Andere hatten früher ein Einsehen
    – Rosige Zeiten voraus
    Upgrade-Probleme durch extern gewartete Treiber
    – Mehr und mehr Firmen haben ein Einsehen
    Summa sumarum

    Die Vorwürfe sind so alt wie Linux: Die Kernel-Entwickler erschweren die unabhängige Entwicklung von Grafiktreibern für Linux. Damit würden sie der Linux-Welt einen Bärendienst erweisen; sie sollen lieber Lizenz-Barrikaden einreißen und stabile Programmierschnittstellen für Treiber schaffen. Forderungen dieser Art finden sich zehntausendfach im Internet, einige davon aus der Frühzeit von Linux. Ein Blick auf jüngste Entwicklungen zeigt jedoch: Für die Kernel-Entwickler hat es sich ausgezahlt, hart zu bleiben. Gerade weil sie es externen Treibern seit jeher schwer machen, gibt es mittlerweile für alle gängigen Grafikkerne quelloffene Kernel-Treiber; in fast allen Fällen stammen die sogar von den Herstellern selbst und sind Teil von Linux, genau wie es Linus Torvalds und seine Mitstreiter wünschen. Dennoch bleibt die Lage bei Grafiktreibern vertrackt.
    Nvidia beugt sich dem Druck

    GeForce-GPUs sind das bekannteste Beispiel für Grafikkerne, deren Hersteller lang und erfolgreich voll auf proprietäre Linux-Treiber gesetzt hat. Das änderte sich erst im Mai 2022, als Nvidia überraschend einen Kernel-Treiber unter Open-Source-Lizenz veröffentlicht hat.

    Dieser als nachladbares Kernel-Modul übersetzbare Treiber wird aber allem Anschein nach nie in den Linux genannten Betriebssystemkern einfließen, der von jeher Kernel-Basisinfrastruktur und Treibercode verquickt. Linux profitiert dennoch: Red-Hat-Entwickler verbessern mit Code und Informationen aus Nvidias Modul gerade den im Kernel enthaltenen Nouveau-Treiber.

    Durch die Umbauten lernt Nouveau mit dem jüngst freigegebenen Linux 6.6 und der Anfang Januar erwarteten Version 6.7, „Ada Lovelace“-GPUs von GeForce-40xx-Grafikkarten anzusprechen. Mittelfristig soll das Ganze auch den bislang eher rudimentären Support für die Vorgänger „Ampere“ (u.a. 30xx-Serie) und „Turing“ (u.a. 20xx-Serie) signifikant verbessern und die 3D-Performance deutlich steigern; der Code dazu steckt schon im Kernel, liegt standardmäßig aber vorerst brach. Weitere Verbesserungen, die indirekt Nvidias offenem Treiber zu verdanken sind, reifen derweil bereits und sollen in die nächsten Linux-Versionen einfließen.
    Nvidias 3D-Treiber bleiben proprietär

    Wohlgemerkt hat Nvidia lediglich Code eines Kernel-Moduls offengelegt, der beim Grafiktreiberstack nur das Fundament bildet. Denn die darauf aufsetzenden Treiber bleiben proprietär – etwa jene für 3D (OpenGL und Vulkan), Videowiedergabe (NVDEC), Videoencoding (NVENC) oder allgemeine Berechnungen (CUDA) mittels GPU. Offene Treiber für Nvidias Modul gibt es nicht. Darum nehmen die Linux-Entwickler es auch nicht auf, denn proprietäre Treiber machen eine ordentliche Qualitätskontrolle unmöglich und erschweren die Validierung späterer Änderungen. Ohnehin sperren sich Torvalds & Co. in der Regel gegen die Aufnahme von Treibercode für Hardware für die der Kernel schon einen Treiber mitbringt.

    Diese nicht im Kernel-, sondern im Userspace laufenden Treiber arbeiten nicht mit Nouveau zusammen – wer sie einsetzen will, braucht eines der beiden Kernel-Module von Nvidia. Bis auf weiteres zumeist das altbekannte proprietäre Modul, denn dem quelloffenen fehlen noch mehrere Funktionen, die für Desktop- und Notebook-GPUs wichtig sind. Die rüstet Nvidia langsam nach.

    Irgendwann kann das Modul so vielleicht die Handhabung von Nvidias Treiberstack erleichtern, der bei der Installation gerne mal zickt und bei Kernel-Updates schnell in Schieflage gerät. Dazu müssen Distributionen das Modul aber vorkompiliert mitliefern. Manche scheuen derlei, weil sie dann erst auf eine neue Kernel-Version wechseln können, wenn Nvidia oder jemand anders das Modul zu dieser kompatibel gemacht hat. Andere Distributionen scheuen diese Abhängigkeit nicht und haben teilweise sogar schon das proprietäre Modul vorkompiliert beigelegt, obwohl Teile der Open-Source-Community darin einen Verstoß gegen die Lizenz von Linux sehen: der GPLv2.
    Unabhängig einwickelte Vulkan- und Video-Wiedergabe-Treiber

    Dank engagierten Open-Source-Entwicklern brauchen manche Anwender die proprietären GeForce-Treiber aber vielleicht bald nicht mehr. Denn unter Federführung einer Mitarbeiterin von Collabora ist mit „NVK“ ein auf Nouveau aufbauender Userspace-3D-Treiber entstanden, der bereits Vulkan 1.0 meistert. Er floss kürzlich in Mesa ein, das auch die offenen 3D-Treiber für AMD- und Intel-GPUs beherbergt, die Debian, Fedora, Ubuntu & Co. standardmäßig einrichten.

    Dank Informationen aus Nvidia freiem Treiber unterstützt Linux seit kurzem Nvidias neueste Grafikkartengeneration wie die GeForce-40-Serie von Haus aus. (Bild: c’t)

    Noch im Experimentierstadium steckt derweil ein neuer Userspace-Treiber zur beschleunigten Video-Wiedergabe via Nouveau, an dem ein Red-Hat-Mitarbeiter arbeitet. Für Büroarbeitsplätze mit modernen Desktops von Gnome- und KDE-Projekt reichen diese Treiber vermutlich mittelfristig vollkommen aus. Für High-End-Gaming, Grafik-Workstations oder Berechnungen auf dem Grafikchip bleiben Nvidias proprietäre Userspace-Treiber aber sicher noch lange die bessere Wahl.

    Ohne das offene Kernel-Modul des GeForce-Machers wären die beiden neuen Open-Source-Treiber wohl nie entstanden. Ein großes Hindernis waren fehlende Informationen, um das nötige Fundament in Nouveau zu schaffen. Das noch viel größere Problem war jedoch die beschnittene Firmware, die Nvidia viele Jahre für Linux bereitstellte. Sie konnte GPUs der letzten Jahre weder in ihre sparsamsten noch ihre leistungsfähigsten Betriebsmodi schalten – der ebenfalls Nouveau genannte OpenGL-Treiber von Mesa liefert in Folge vielfach nur eine miserable 3D-Performance.
    Warum Nvidia einen Kernel-Treiber offengelegt hat

    Durch die Fortschritte werden für PCs gedachte Linux-Distributionen die neuesten GeForce-Chip-Generationen bald besser von Haus aus unterstützen. Auch Linux-Livesysteme wie Desinfec’t, für die proprietäre Treiber vielfach keine Option darstellen, laufen dadurch besser.

    Das war aber offensichtlich nicht der Grund für Nvidias Kehrtwende. Das zeigt das Open-Source-Modul, das derzeit primär für KI-Beschleuniger gedacht ist – und damit ein starkes Indiz liefert, dass der explodierende Markt für KI-Supercomputer und High Performance Computing (HPC) zum Sinneswandel führte. Dort dominiert Nvidia mit Rechenbeschleunigern, die früher eng mit Gaming-GPUs verwandt waren. Für das Unternehmen wurde es im HPC-Markt aber absehbar immer schwerer, Bestandteile, die für bestmögliche Performance nötig wären, mit einem proprietären Linux-Treiber zu realisieren.
    Kernel-Entwickler machen ihre Intention deutlich

    Teilschuld daran trägt eine Lizenz-Barriere, denn schon seit zwei Jahrzehnten exportieren die Linux-Entwickler gewisse Methoden nur via „EXPORT_SYMBOL_GPL“ an Kernel-Module. Die Autoren des dahinter steckenden Codes wollen damit klarstellen: Diese Funktionen dürfen nur Treiber nutzen, die wie Linux selbst unter der GPLv2 oder einer dazu kompatiblen Lizenz stehen. Checks beim Laden von Modulen versuchen das durchzusetzen, haben aber Schwächen.

    Entwickler exportieren Methoden per EXPORT_SYMBOL_GPL an Module, um klarzustellen: Nur für Code gedacht, deren Lizenz kompatibel zu der von Linux ist. (Bild: Screenshot Linux-Kerneldokumentation, heise.de)

    Nvidias proprietäres Kernel-Modul hat so gekennzeichnete Methoden meiden können, ohne dass es Funktionsumfang und Geschwindigkeit spürbar limitierte – Indizien zufolge hat der nicht einsehbare Code dabei aber wohl manchmal unsaubere Tricks genutzt, die die Systemstabilität gefährden.
    Datenfluss-Optimierung scheitert an Barriere

    Der Spielraum wurde mit den Jahren aber immer kleiner, weil die Zahl der GPLv2-Exporte zunahm. Ferner stopften die Linux-Macher einige Schlupflöcher des Lizenz-Lade-Checks. So etwa vor drei Jahren, nachdem Facebook-Entwickler einen Satz von Kernel-Änderungen einreichten. Diese sollten Netzwerk-Treibern des Kernels ermöglichen, die eingehenden Daten mithilfe von Nvidias proprietärem Treiber direkt in den Speicher der GPU zu transferieren. Das steigerte die Performance beim Machine Learning mit Nvidias Beschleunigern, wo riesige Datenmengen fließen.

    Vorkommnisse wie diese zeigen Nvidias zweite Motivation für den Sinneswandel: Damit Beschleuniger-Chips bestmögliche Performance liefern, müssen sie immer enger mit dem Rest des Systems zusammenarbeiten. Diesen Aspekt verstärkt sich derzeit abermals durch die zunehmende Verbreitung von Compute Express Link (CXL), eine noch junge Hardware-Verbindungstechnik, die den Aufbau von Systemen in großen Rechenzentren revolutioniert.

    Eine möglichst enge Zusammenarbeit gelingt mit einem externen proprietären Treiber schlicht nicht. Die Lizenz-Barrikade ist da ein Problem – aber nicht das einzige, denn auch dem in Linux enthaltenem Treibercode sind Grenzen gesetzt, um Risiken zu reduzieren, die die Systemstabilität gefährden.
    Nvidia kann Linux jetzt besser für die eigenen Belange anpassen

    Unter einer Bedingung sind die Linux-Entwickler allerdings offen für Anpassungen an der Basisinfrastruktur des Kernels: Wenn sie die Performance des in Linux enthaltenen Treibercodes steigern. Solche Änderungen kann Nvidia jetzt einbringen — etwa um das Memory Management für seine KI-Beschleuniger zu optimieren oder dort neue Einhakpunkte für Nouveau zu schaffen, damit der Treiber die Daten schneller erhält oder Ergebnisse zurückliefern kann. Diese Verbesserungen könnte Nvidia dann auch in seinem externen Open-Source-Modul nutzen, damit die hauseigenen Produkte besser am Markt dastehen. Genau solche Aspekte sind ein Grund, warum sich hunderte andere Unternehmen schon lange an der Linux-Entwicklung beteiligen – und den Kernel so nicht nur besser machen, sondern auch mit einem Strom an Entwicklern versorgen.

    Nvidia hat wohl erkannt, dass ein proprietärer Treiber mittel- bis langfristig zu Wettbewerbsnachteilen geführt hätte, schließlich hat die Firma die Offenlegung eines Kernel-Moduls von langer Hand vorbereitet. Denn schon vor Jahren hat die Firma begonnen, einen GSP (GPU System Processor) genannten RISC-V-Kern in ihre GPUs zu integrieren. Der führt eine proprietäre Firmware aus, die das Kernel-Modul bei der Initialisierung an die GPU schickt – und allerlei Aufgaben erledigt, die zuvor Betriebssystemtreiber erledigen mussten. Dadurch kann Nvidias quelloffenes Modul schlanker ausfallen und es braucht keine Interna enthalten, die die Firma vor neugierigen Augen verbergen will; auch für DRM-Techniken kann das nötig sein, beispielsweise wenn Hersteller ein Abgreifen hochauflösender Videos unterbinden wollen.

    Linux ist ein eher monolithischer Kernel. Vereinfacht gesagt ist es damit eine große ausführbare Datei, die alle von ihm unterstützten Funktionen enthält. Code zur Ansteuerung von Grafikkerne ist daher ebenso Kernel wie alles andere und keinerlei Beschränkungen unterworfen. Das unterscheidet Linux von Microkerneln oder dem Hybridkernel von Windows: Dort kann man sich den Kernel eher wie das Grundgerüst mit Abstraktionsschicht vorgestellten, an dem bis zu einem gewissen Grad abgeschottet arbeitende Treiber andocken.

    Weil die „ausführbare Datei“ immer größer wurde, haben die Entwickler bei Version 2.0 die Möglichkeit nachgerüstet, Teile in Module auszulagern. Dazu haben sie Kommunikationswege geschaffen, die die Linux-Entwickler als Kernel-interne Schnittstellen ansehen. Diese passen sie immer mal wieder an, wodurch extern gewartet Treiber wie die von Nvidia gelegentlich auf die Nase fallen, denn die klinken sich über das Modul-Interface ein.

    Nvidias Ansatz ist nichts Ungewöhnliches, denn Ähnliches findet sich auch bei dem Grafiktreibercode, den AMD und Intel schon lange im Rahmen des Linux-Kernels entwickeln. Allerdings ist die GSP Firmware von Nvidia deutlich größer und offensichtlich für mehr Aufgaben zuständig.

    Übrigens: Nvidias Engagement für quelloffenen, im Rahmen des Kernels entwickelten Treibercode ist nur neu, wenn es um Grafik- und Beschleunigerchips für PCs und Server geht. Denn die Firma arbeitet schon lange am Kernel mit, damit Linux seine hauseigenen Tegra-Prozessoren möglichst gut unterstützt. 2014 hat sie sogar erstmals direkt zum Nouveau-Code des Kernels beigetragen, damit er zumindest die Grundfunktionen der GPUs unterstützt, die in diesen Embedded-Prozessoren mit ARM-Kern stecken.
    Kehrtwende in der Embedded-Welt

    Neben Nvidia engagieren sich neuerdings zwei weitere Branchgrößen für quelloffene Linux-Grafiktreiber. Eine davon ist für die Computer-Welt ähnlich bedeutsam: ARM.

    Das Unternehmen hatte ein ambivalentes Verhältnis zu quelloffenen Treibern, denn auch ARM arbeitet schon lange intensiv am Linux-Kernel mit. Damit macht sie ihre CPU-Designs am Markt attraktiver, schließlich verkauft sie die meist an Firmen, die damit für den Linux-Einsatz gedachte Prozessoren bauen. Bei seinen GPU-Designs der Mali-Serie gab sich ARM aber von jeher zugeknöpft und setzte auf proprietäre Treiber, die sich über ein eigenes quelloffenes Kernel-Modul bei Linux einklinken. Prozessoren mit solchen GPUs finden sich in allen möglichen Produkten, besonders häufig in Smartphones, Tablets, Chromebooks und Einplatinencomputern.

    Vor drei Jahren leitete ARM dezent eine Kehrtwende ein: Über Aufträge an die Firma Collabora begann das Unternehmen, die Entwicklung quelloffener Kernel- und OpenGL-Treiber für die neuesten Mali-Designs zu fördern. Diese in Linux und Mesa enthalten Treiber waren zuvor unabhängig von ARM unter dem Namen „Panfrost“ entstanden, wobei Collabora dort schon stark angeschoben hat. Im Juli 2023 hat sich ARM dann voll hinter die Treiber gestellt und eine Kooperation mit Collabora verkündet. Panfrost soll fortan der „Treiber für die Linux-Community“ sein. Damit Kernel- und OpenGL-Treiber die Mali-GPUs zukünftig erstklassig unterstützen, wollen die beiden Firmen die Performance verbessern und für Support zukünftiger Mali-Generationen sorgen.

    Ähnlich wie Nvidia pflegt ARM sein Kernel-Modul und seine proprietären Userspace-Treiber weiter. ARM ist allerdings nicht ganz so gut darin, den Code zum Bau des eigenen Kernel-Modules zeitnah kompatibel zu neuen Linux-Versionen zu machen. Das ist meist alle paar Monate nötig, weil die Kernel-Entwickler immer mal wieder Methoden verändern, über die verschiedene Teile von Linux (und damit auch sein Treibercode) miteinander interagieren. Dadurch ändern sich auch die an Module exportierten Symbole, um Kernel-Methoden zu nutzen.
    Sich ständig veränderte Kommunikationswege

    Diese Umbauten nehmen sie vor, um die Performance zu optimieren oder den Code zu vereinfachen; zumeist schaffen sie aber Infrastruktur zur Unterstützung neuer Einsatzgebiete, Geräteklassen oder Hardware-Features. Durch die Verquickung von Kernel-Basisinfrastruktur und Treibercode brauchen Torvalds & Co. dabei keinerlei Rücksicht auf Abwärtskompatibilität nehmen: Entwickler, die eine Methode verändern wollen, welche an Module exportiert wird, müssen zugleich alle Stellen im Kernelcode anpassen, die diese Methode nutzen – auch dann, wenn sich niemand mehr aktiv um die betroffenen Codestellen kümmert. Letzteres ist bei Treibercode keine Seltenheit, denn der fliegt normalerweise erst raus, wenn ihn allem Anschein nach niemand mehr produktiv mit Linux nutzt. Genau deshalb unterstützen aktuelle Kernel viel Hardware, die zuletzt vor weit über einem Jahrzehnt über die Ladentische ging und nicht mit aktuellen Windows-Versionen spielt.

    Linux kann sich so Kompatibilitätscode zur Unterstützung alter Treiber sparen und das Ruder herumreißen, wenn technische Umwälzungen oder krasse Fehlentscheidungen beim Codedesign dies erfordern. Das war etwa beim USB-Stack mehrfach nötig. Auch der Schutz vor Prozessor-Sicherheitslücken wie Spectre konnten die Kernel-Entwickler effizienter realisieren als Windows, eben weil sie den Code aller gängigen Treiber zur Hand hatten, um den gleich mit anzupassen.

    Der Verzicht auf stabile Modulschnittstellen verkompliziert aber die externe Entwicklung und Pflege von Kernel-Treibern: Ihre Programmierer müssen den Code flexibel auslegen und immer mal wieder aktualisieren, damit er zu den Modul-Exporten von älteren Linux-Versionen ebenso passt wie zu brandneuen.
    Motivation zur Mitarbeit am Kernel

    Der Grund, dass die Linux-Entwickler darauf noch nie Rücksicht genommen haben: Das Fehlen stabiler Schnittstellen hat indirekt zum Erfolg des Kernels beigetragen. Und das sogar erheblich. Denn durch diesen Aspekt haben schon tausende Firmen erst ihre Treiber in Linux integriert, aber später dann auch andere Verbesserungen zum Kernel beigesteuert.

    Davon profitieren Anwender, weil die Linux-Entwickler die Beitragenden nötigen, bei der Basisinfrastruktur für alle Treiber einer Geräteklasse zusammenzuarbeiten. Dadurch trägt dann vielleicht Nvidia eine Optimierung am Fundament für Grafiktreiber bei, durch die auch GPUs von AMD schneller laufen – und umgekehrt.

    Die Linux-Entwickler unterbinden durch ihre Spielregeln zudem Hersteller-spezifische Schnittstellen rund zur Nutzung und Konfiguration von Hardware. Bei Linux-Distributionen beziehungsweise -Desktops kann man so mit einem Bildschirmkonfigurations-Werkzeug die Grafikchips verschiedenster Hersteller auf die immer gleiche Weise einstellen; das macht Hersteller-spezifische Tools unnötig, die einen womöglich ausspionieren oder gar die Systemsicherheit gefährden.

    Und noch ein eher versteckter Vorteil von im Kernel enthaltenen Treibern will erwähnt werden: Hersteller haben keine Kontrolle über den Code. Sie können Kunden durch Einstellen der Pflege eines Treibers nicht nötigen, Geld in neue Produkte zu stecken. Gewiefte Entwickler rüsten zudem Features nach, die der Hersteller vielleicht lieber späteren Produktgeneration vorbehalten hätten. Oder sie machen den Treiber und damit die Hardware für Einsatzgebiete fit, die den Hersteller nicht jucken – etwa Support für Prozessor-Architekturen jenseits von ARM und x86.
    Problemkind hat ein Einsehen

    Neben ARM versorgt eine weitere Partei im Embedded-Markt seine Grafikkern-Designs neuerdings mit quelloffenen Treibern: Imagination Technologies. Die PowerVR-Kerne sind im Markt seltener anzutreffen als ARMs hauseignes Grafikkerndesign, finden sich aber in allerlei Mobilgeräten und Einplatinencomputern.

    (Bild: In günstigen Atom-Tablets und Netbooks steckte die PowerVR-Grafik, die unter Linux für Ärger sorgte.)

    Imagination hat in der Open-Source-Szene einen miserablen Ruf. Das liegt an den proprietären Treibern, die die Firma viele Jahre bereitgestellt hat. Anders als jene von ARM oder Nvidia eigneten die sich oft nur für veraltete Linux-Versionen oder nur für den auf dem Gerät vorinstallierten Kernel. In Folge dessen kann man bei vielen Produkten mit PowerVR-Grafik nur schwerlich oder gar nicht auf neue Linux- oder Betriebssystemversionen wechseln.

    Ähnliche Probleme gab es vor fünfzehn Jahren auch in der PC-Welt mit den ersten Generationen von Intels Atom-Prozessoren, denn auch in denen steckten PowerVR-Kerne von Imagination. Solche CPUs fanden sich häufiger in Netbooks oder Tablets mit Linux-basierten Betriebssystemen. Allerwelts-Distributionen liefen auf diesen Geräten aber vielfach mehr schlecht als recht: Imaginations Treiber arbeiteten oft nicht oder nur unter Einschränkungen mit den Kerneln von Fedora, Ubuntu & Co. zusammen, selbst wenn die nur ein bisschen neuer waren. Diese Situation verschlimmerte sich innerhalb weniger Monate und bereitete Anwendern damals sehr viel Kopfzerbrechen.

    Im Frühjahr 2022 hat das Unternehmen angekündigt, in Zukunft auf Open-Source-Treiber zu setzen. Das ging mit einem Vulkan-Treiber los, der in Mesa eingeflossen ist. Später folgte einen Kernel-Grafiktreiber für die neueste Generation der PowerVR-Grafikkerne, den die Linux-Entwickler kürzlich zur Aufnahme in Kernel 6.8 akzeptiert haben.
    Andere hatten früher ein Einsehen

    Damit gibt es dann quelloffene Kernel-Treiber von allen großen Unternehmen, die Grafikkerndesign für Prozessoren anbieten, die in für Linux gedachten Embedded-Systemen stecken.

    Broadcom hat beispielsweise selbst Treiber zu Linux beigesteuert, die VideoCore-Grafikkerne ansprechen, die unter anderem in den Prozessoren der Raspberry-Pi-Serie stecken. Für Qualcomms Adreno-GPUs der in zahllosen Android-Geräten und Chromebooks verbauten Snapdragon-Prozessoren bringt der Kernel ebenfalls einen Treiber mit; er war in der Community entstanden, aber mittlerweile trägt Qualcomm immens zum Treiber bei. Beide Unternehmen arbeiten darüber hinaus an quelloffenen Mesa-Treibern für OpenGL mit.

    Auch VeriSilicon, das Unternehmen hinter den Vivante-Grafikkernen, entwickelt schon lange quelloffene Kernel-Treiber – allerdings extern. Diese Treiber dienten Open-Source-Entwicklern als Quelle für einen alternativen Treiber, den Linux mittlerweile seit vielen Jahren mitbringt. Bei OpenGL setzt VeriSilicon auf proprietäre Treiber, aber auch hier haben Programmierer eine Alternative geschaffen.

    Nur eine Größe der GPU-Branche stellt keine quelloffenen Linux-Treiber: Apple. Aber warum sollte die Firma das auch, denn im Unterschied zu allen anderen erwähnten sieht Apple seine Prozessoren nicht für den Linux-Einsatz vor. Die Open-Source-Community füllt diese Lücke. So arbeitet das Asahi-Projekt an Kernel- und Userspace-Treibern für die GPUs, die in den ARM-basierten CPUs von MacBook, Mac Mini & Co. stecken.
    Rosige Zeiten voraus

    Das klingt aus Open-Source- und Linux-Sicht recht rosig. In der Praxis lässt dennoch vieles zu Wünschen übrig: Die Dinge sind im Einzelfall häufig komplizierter, als es dieser Text beschreiben kann, ohne enorm auszuufern. So unterstützen die in Linux enthaltenen Treiber manchmal einige Grafikkerne gar nicht oder beherrschen nur einen Teil der Hardware-Features; das kommt insbesondere bei älteren oder besonders neuen GPUs vor.

    Support dafür findet sich dann oft in Treibern direkt vom Hersteller. Egal, ob diese nun quelloffen oder proprietär sind: Viele von ihnen eignen sich nur für ausgewählte, häufig veraltete Kernel-Versionen. Und selbst wenn sich ein Unternehmen engagiert und die Treiber halbwegs zeitnah zu neuen Linux-Versionen kompatibel macht: Während die Linux-Entwickler ihren Treibercode oft ein Jahrzehnt oder länger pflegen, ist bei den Herstellertreibern oft nach wenigen Jahren Schluss.
    Upgrade-Probleme durch extern gewartete Treiber

    Externe Treiber können Wechsel von Betriebssystem- und Kernel verkomplizieren oder komplett blockieren. Die erwähnten Probleme mit den proprietären Treibern von Imagination zeigen das – sind letztlich aber nur ein Beispiel, denn ähnliche Schwierigkeiten gab und gibt es auch bei extern gewarteten Kernel-Modulen anderer Unternehmen.

    Eben solche Einschränkungen sind ein Hauptgrund für die Update-Misere bei Android – und warum selbst Entwickler von LineageOS und anderen von Android abgeleiteten Betriebssystemen manchmal den Support für Geräte aufgeben müssen. Die Problematik hat sogar schon den Machern des ersten Fairphones und anderen Firmen ein Bein gestellt, die ihr Smartphones eigentlich mehrere Jahre mit neuen Android-Versionen versorgen wollten.Allerdings stellt auch Android nur die Spitze des Eisbergs dar, denn ähnliche Schwierigkeiten gibt es auch bei vielen anderen Produkten, die Embedded-Prozessoren oder damit gebaute Boards einsetzen; also bei IoT-Geräten, Robotern, Waschmaschinen, Fernsehern, Autos und vielen weiteren Geräteklassen.

    Den Grafikkern-Designern, Prozessor-Herstellern und Firmen, die solche CPUs einsetzen, war das lange egal: Im Embedded-Markt war es lange Usus, Hardware mit einem maßgeschneiderten Betriebssystem auszuliefern. Dessen Software war oft schon bei der Produktvorstellung veraltet und blieb fast immer auf dem gleichen Stand; Sicherheitskorrekturen gab es oft gar nicht oder nur für kurze Zeit. Mit den Jahren haben immer mehr Kunden diese missliche Lage erkannt und Druck auf Firmen ausgeübt, sich für quelloffene und im Rahmen von Linux gewartete Treiber zu engagieren. Wohlgemerkt sind hier weniger die Endkunden gemeint, sondern vor allem die Firmen, die Prozessoren mit den Grafikdesigns verbauen: Autohersteller und deren Zulieferer, Industrie-IT-Anbieter und zahllose andere Unternehmen aus den verschiedensten Branchen.
    Mehr und mehr Firmen haben ein Einsehen

    Doch auch bei Android-Geräten werden diese Aspekte wichtiger. Daher engagiert sich Google mehr und mehr dafür, auch dort weniger von proprietären Linux-Treibern abzuhängen, die Kernel-Sicherheitskorrekturen und -Versionswechsel erschweren oder gar unmöglich machen.

    Außer Google haben auch allerlei andere Firmen die Probleme externer und womöglich gar proprietärer Treiber erkannt. Auch sie haben daher begonnen, beim Produktdesign darauf zu achten, ob passende Treiber für die angedachten Komponenten in Linux stecken. Das ist nicht nur Einsicht zu verdanken, sondern auch neuen Richtlinien der Gesetzgeber. Allen voran die im Herbst 2022 beschlossene EU-Ökodesign-Verordnung für Smartphones und Tablets oder dem jüngst gefundenen Kompromiss zum EU Cyber Resilience Act: Beide verpflichten Hersteller, ihre Geräte für mehrere Jahre mit Security-Updates zu versorgen.

    In Linux enthaltener Treibercode macht Firmen das leicht. Sie können ihre Pflicht so zudem autark erfüllen. Sprich: Sie müssen im Fall der Fälle keinen sonst wo sitzenden Grafikkern-Designer um angepasste Kernel-Module anbetteln, der sich das womöglich teuer bezahlen lässt, irgendwann aufgibt oder gar pleitegeht. Mit Treibercode im Kernel können die Produktanbieter zudem heute noch unbekannte oder weit entfernte Probleme lösen – wie das heranrückende Jahr-2038-Problem von 32-Bit-Prozessoren, das Linux-Systeme einiger heute verkaufter Autos durcheinander zu bringen droht.
    Summa sumarum

    Genau diese Flexibilität ist einer der unscheinbaren Vorteile, die der Verquickung von Kernel-Basisinfrastruktur mit unzähligen Treibern bei gleichzeitigem Verzicht auf stabile Treiberschnittstellen zu verdanken ist. Denn durch eben diesen Spielraum konnte Linux immer wieder neue und unvorhergesehene Einsatzgebiete und Märkte erobern. Es hat zudem immer wieder überraschende Performance-Optimierungen ermöglicht. Vor allem aber befreit sie Nutzer aus der Abhängigkeit von den Herstellern. Anwender können ihre Hardware dadurch oft viel länger nutzen als etwa unter Windows – und müssen kein Geld in neue Geräte stecken, weil der Hersteller bei Qualität und Ausdauer seiner Treiber geizt. Mit stabilen Treiberschnittstellen hätte Linux viel von dem verloren, wofür Anwender den Kernel schätzen.

    #Linux #politique

  • Le philosemitisme allemand est un antisemitisme qui rappelle le macarthyisme
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1178768.antisemitismus-debatte-in-deutschland-deutsche-befindlichkeiten-s

    Ce texte est la traduction allemande d’une partie d’une discussion en anglais qu’on trouve sur youtube.

    Roig: Deutschland erfand sogar den Begriff des »importierten Antisemitismus«, um sich von seinem tief verwurzelten Antisemitismus freizusprechen und ihn stattdessen auf Gruppen zu schieben, die ironischerweise Ziel rechtspopulistischer Gewalt sind.

    Die Unterdrückung und Diffamierung nicht-zionistischer jüdischer Stimmen in Deutschland wird nicht verurteilt, obwohl es sich tatsächlich um die strukturelle Diskriminierung jüdischer Menschen handelt. Vertreter des deutschen Staates schikanieren, verunglimpfen und diskreditieren nicht-zionistische Juden und Jüdinnen, streichen Institutionen, die mit ihnen in Verbindung stehen, die Gelder (wie im Fall von Oyoun) und – was am absurdesten ist – beschuldigt sie des Antisemitismus. Deutschland profiliert sich als Experte für Antisemitismus, aber dass sie einst die »besten« Antisemiten aller Zeiten waren, qualifiziert sie immer noch nicht dazu, uns, den Juden und Jüdinnen, zu sagen, was antisemitisch ist und was nicht.

    Breitz: Die Funktion der heftigen Anschuldigungen und Denunziationen von angeblichen Antisemit*innen, von denen die überwiegende Mehrheit unbegründet ist – philosemitischer McCarthyismus –, besteht darin, Deutschlands Selbstbild als reuiger Antisemit aufrechtzuerhalten, der sich in das Gegenteil verwandelt hat: ein Land, das jüdische Menschen liebt. Es ist zutiefst beunruhigend und besorgniserregend zu sehen, wie viele Menschen, die sich selbst als progressiv verstehen, auf dieses Narrativ hereinfallen.

    Die meisten ernannten Beamt*innen, die für die Bekämpfung des Antisemitismus in Deutschland zuständig sind, sind nicht jüdisch, sondern Deutsche-mit-Nazihintergrund (ein Begriff, den ich mir von meinen Freunden Sinthujan Varatharajah und Moshtari Hilal borge). Das wäre so, als ob man im Post-Apartheid-Südafrika ein großes Team von Beamt*innen hätte, die entscheiden, was rassistisch ist und was nicht – und die alle weiße Südafrikaner wären.

    Roig: Deutschland hat sich nicht nur durch die bedingungslose Unterstützung des israelischen Staats und die systematische Unterdrückung nicht-zionistischer jüdischer Stimmen reingewaschen, sondern auch durch die Dämonisierung von Muslim*innen und ihre Darstellung als die wahren Antisemiten. Das Antisemitismusproblem wird auf die muslimische Bevölkerung Deutschlands projiziert, die einer gezielten Erziehung und Disziplinierung bedürfen. Dazu gehört auch die falsche Repräsentation der Juden*Jüdinnen und Muslim*innen als intrinsisch antagonistisch, also als miteinander verfeindet.

    Dazu spielte die teilweise und graduelle Anpassung zum Weißsein vieler Juden und Jüdinnen eine bedeutende Rolle. Die wichtige Frage bleibt aber: Sind jüdische Menschen weiß? Natürlich sind sie nicht durchweg weiß. Jüdische Menschen sind eine sehr vielfältige, diasporische Gruppe mit globalen Wurzeln, Nationalitäten, Hautfarben und ethnischen Hintergründen. Auch in Israel. Dennoch wurden nach dem Holocaust die Juden schrittweise und selektiv an das Weißsein assimiliert, was sehr bequem und fast notwendig war, um ihre Menschlichkeit nachträglich anzuerkennen. Jüdische Menschen als weiß zu sehen, machte es den Deutschen und den Weißen im Allgemeinen leichter, Mitgefühl zu empfinden und das ihnen zugefügte Leid anzuerkennen. Zu sehen, wie ein Volk, das als minderwertige untermenschliche Rasse konstruiert worden war, zum Weißsein aufgewertet wurde, machte es den Deutschen leichter, ein Gefühl der Gleichheit zu kultivieren, bis hin zu dem Wunsch, selbst jüdisch zu werden.

    Die sich häufende Vergabe hebräischer Namen an deutsche Babys ab den 1980er Jahren ist Teil dieser Umkehrung, wo sie sich – auch wenn unbewusst – in die Lage der Opfer versetzen. Deutsche, die zum Judentum konvertieren, können ein Zeichen für den Wunsch sein, ihrem Nazi-Hintergrund zu entkommen und unter dem Deckmantel des Philosemitismus eine gewisse Form der Opferrolle zu beanspruchen. Die Tatsache, dass meine jüdische Identität mir systematisch aberkannt wird, weil ich patrilineare (bedeutet: nur der Vater ist jüdisch) und Schwarze Jüdin bin, aber dass konvertierte Juden mit Nazi-Hintergrund für alle Juden sprechen können, zeigt, wie tief der Antisemitismus greift in der deutschen Gesellschaft.
    ...
    Emilia Roig ist eine französische Bestsellerautorin und Expertin für Intersektionalität und postkoloniale Theorie.
    Candice Breitz ist eine südafrikanische Künstlerin. Ihre Videoinstallationen werden international gezeigt.
    Tomer Dotan-Dreyfus ist ein israelischer Autor und Übersetzer. Sein Debütroman »Birobidschan« erschien dieses Jahr im Voland & Quist Verlag.

    Toute la discussion en anglais

    NEGOTIATING JEWISHNESS IN THE ANTI-/PHILOSEMITIC GERMAN CLIMATE
    https://www.youtube.com/watch?v=ae08qM92gFs

    On 9 December 2023, three inconvenient Jews—Emilia Roig, Tomer Dotan-Dreyfus and Candice Breitz—engaged in a public conversation titled, “Negotiating Jewishness in the Anti-/Philosemitic German Climate.” The discussion was hosted by KOW in Berlin, with the support of the Goethe-Institut Hamburg. Comical local efforts were made in advance of the event (largely by non-Jewish individuals), to have the Goethe-Institut cancel the event, on the basis that the three speakers were “antisemitic.” The event nevertheless went ahead:

    "Jewish feelings, Jewish fears and Jewish pain have occupied a central space in the German public discourse since the horrific Hamas attacks of 7 October, in stark contrast to the relative absence of interest in the unspeakable suffering and atrocious death toll that Palestinian civilians are having to endure.

    That said, contemporary Germany often responds nervously to positions taken by progressive Jewish voices, frequently going to considerable lengths to de-platform, sideline and mute such voices. The actual heterogeneity and diversity of Jewish identities/opinions that co-exist in the German context, lie in stark contrast to typically inflexible representations of Jews and Jewishness within the German mainstream. We will discuss the dangers inherent to a political discourse that depends on fixed ideas about Jews and consider how—within Germany—a series of over-simplified and inherently flawed understandings of Jewishness, are frequently instrumentalized to deflect attention from the country’s ongoing struggle against a homegrown antisemitism that remains widespread and unchecked within neo-Nazi and ethnonationalist movements (as well as being less than subtly present within German parliament).

    Our conversation will confront the rampant antisemitism, Islamophobia and racism that continue to infect Germany, focusing on an increasingly prevalent mode of cynical, performative philosemitism which—in too many instances—amounts to an inverted antisemitism that is weaponized not only against progressive Jews, but even more so against Palestinians, Muslims and/or Arabs, People of Colour, Global Southerners and others who are ‘other’ to white Germany.”

    #Allemagne #antisemitisme

  • ARD Dokumentation - Doku am Montag die story : Deckname Artischocke
    https://web.archive.org/web/20021019195230/http://www.wdr.de/tv/dokumentation/artischocke.html

    L’assassinat de Frank Olson était une action couverte de la CIA qui considérait sa connaissance du programme de torture et lavage de cerveau MKULTRA comme un risque pour l’agence.

    Montag, 12. August 2002, 21.45 Uhr

    In den fünfziger Jahren führte die amerikanische CIA geheime Experimente zur Gehirnwäsche durch. Die Opfer wurden mit Drogen wie LSD vollgepumpt, unter Hypnose gesetzt und auch gefoltert. Ziel der grausamen Menschenversuche war es, den menschlichen Willen zu brechen und sowjetische Agenten gegen ihren Willen zur Preisgabe von Geheimnissen zu zwingen. Einige der Experimente verliefen tödlich. Deckname der Operation: Artischocke.

    Einer der beteiligten CIA-Wissenschaftler war Dr. Frank Olson. Im November 1953 stürzte er aus dem Fenster eines New Yorker Hotels. Sein Tod wurde von der CIA als Selbstmord deklariert. Doch als dessen Sohn Eric nach mehr als 40 Jahren den Leichnam exhumieren und obduzieren ließ, stellte sich heraus, dass Frank Olson wahrscheinlich einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen war.

    Warum musste Frank Olson sterben?

    Die WDR-Autoren Egmont R. Koch und Michael Wech gehen in ihrer Dokumentation den Spuren des CIA-Forschers nach, der zunächst mit der Erprobung biologischer Waffen beschäftigt war, darunter Anthrax (Milzbrand); sie stoßen auf Zeugen, die erstmals über die Hintergründe seiner streng geheimen Tätigkeit sprechen; und sie finden in Olsons Nachlass Amateurfilme und Dias, die der CIA-Wissenschaftler in den letzten Jahren seines Lebens machte und die faszinierende Einblicke in die Welt des US-Geheimdienstes während des Kalten Krieges gewähren.

    Ein Verdacht, der sich immer mehr aufdrängt: Frank Olson war schockiert über die grauenhaften Verhöre der CIA, die größtenteils in Deutschland stattfanden - an Kriegesgefangenen, an Flüchtlingen aus Osteuropa, die man für Spione hielt, und an eigenen Landsleuten. Auf seiner letzten Europareise im August 1953 sah er in Berlin, wie Menschen so lange gequält wurden, bis sie starben. Nach seiner Rückkehr wollte Olson aussteigen, seinen Dienst quittieren. Das konnte die CIA nicht zulassen. Denn Frank Olson kannte Staatsgeheimnisse auf dem Gebiet der biologischen Kriegsführung, die um keinen Preis bekannt werden durften.

    Links zum Thema

    Über das Buch „Deckname Artischocke“
    „Frank Olson Project“ (Website seines Sohnes Eric;engl.)
    „What Did the C.I.A. Do to Eric Olson’s Father?“ ("New York Times"; mit weiteren Artikeln und Dokumenten zum Thema)
    Homepage der CIA
    Zur Geschichte der CIA
    John Marks: The Search for the Manchurian Candidate. The CIA and Mind Control (Online-Version des Buches von 1979; u.a. mit einem Kapitel über Frank Olson)
    CIA und LSD
    CIA und MKUltra (Informationen über die Menschenversuche der CIA; engl.)
    Human Radiation Experiments (Homepage des „Office of Human Radiation Experiments“)
    Biologische Waffen (ein Dossier der „Neuen Zürcher Zeitung“)
    Biologische Waffen (Informationen des „Katalyse“-Umweltlexikons)
    The Biological Weapons Convention (Hintergrundinformation zur Entstehung der Konvention, offizieller Vertragstext sowie einige Abschlusserklärungen zu Folgekonferenzen; UNO)
    Milzbrand (Informationen, Nachrichten, Videos und Links zum Thema bei „wdr.de“)
    Milzbrand: Bilanz einer Hysterie ("Monitor", 17.1.2002)
    Der Kalte Krieg (mit weiterführenden Links und Buchtipps)
    Cold War (ein interaktives Angebot von CNN mit zahlreichen Artikeln zum Thema „CIA im Kalten Krieg“; engl.)

    Bücher zum Thema in Auswahl

    Egmont R. Koch, Michael Wech: Deckname Artischocke. Die geheimen Menschenversuche der CIA
    Bertelsmann Verlag, September 2002
    ISBN: 357000662X, Preis: 23,90 Euro

    George Bailey; Sergej A. Kondraschow; David E. Murphy: Die unsichtbare Front. Der Krieg der Geheimdienste im geteilten Berlin
    Ullstein Bücher Nr. 26569, 2000
    ISBN: 3-548-26569-3, Preis: 16 Euro

    Wendy Barnaby: Biowaffen. Die unsichtbare Gefahr
    Goldmann Sachbuch/Ratgeber Bd. 15197, 2002
    ISBN: 3-442-15197-X, Preis: 10 Euro

    Klaus Eichner; Andreas Dobbert: Headquarters Germany. Die USA-Geheimdienste in Deutschland
    Edition Ost 2001
    ISBN: 3-360-01024-8, Preis: 14,90 Euro

    Erhard Geißler: Krieg mit Pest und Milzbrand. Die Geschichte der biologischen Waffen und das Versagen der Geheimdienste
    Links Verlag Oktober 2002
    ISBN: 3-86153-255-7, Preis: 19,90 Euro

    Alexander Kelle: Chemische und biologische Waffen. Risiken und Kontrollmöglichkeiten zu Beginn des 21. Jahrhunderts
    Leske & Budrich 2002
    ISBN: 3-8100-2974-2, Preis: 20 Euro

    Martin A. Lee; Bruce Shlain: Acid Dreams. The Complete Social History of LSD, the CIA, the Sixties and Beyond
    Pan Books 2001
    ISBN: 0-330-48481-8, Preis: 17,60 Euro

    Frank Olson
    https://de.wikipedia.org/wiki/Frank_Olson

    Documents – Frank Olson Project
    https://frankolsonproject.com/documents

    President Ford invited the Olsons to the White House, where he apologized on behalf of the federal government and set in motion a Congress approved compensation of $750,000. CIA director William Colby also felt compelled to offer an apology, and in the summer of 1975 he met the three grown Olson children in his office on the seventh floor of the agency’s headquarters.

    Document package provided to the Olson family by CIA Director William Colby, during their meeting with him in his 7th floor office at CIA headquarters in Langley, Virginia on July 24, 1975. (165 page PDF – 33MB)

    #USA #guerre_froide #CIA #MKULTRA #torture

  • To Crush Left-Wing Organizing, Canada Embraced Ukrainian Nazi Collaborators
    https://jacobin.com/2023/12/canada-ukrainian-nationalists-socialists-history-anti-communism-nazi-collab

    Pourquoi la diaspora ukrainienne au Canada et une bonne partie de l’Ukraine de l’Ouest sont majoritairement fascistes. Et non, ce n’est pas de la propagande poutiniste. Nous sommes confrontés au résultat de la collaboration des vainquers anglophones de la deuxième guerre mondiale et de leurs employés allemands (Organisation Gehlen etc.) avec les nazis ukrainiens. C’est une histoire qui a commencé avant 1945 et continue à se développer aujourd’hui.

    C’est assez inquiétant car on a affaire à des structures nazies et leurs soutiens pragmatiques au sein des états. Cet article sur le Canada annonce l’augmentation du poids politique de l’extrême droite en Allemagne suite à la naturalisation d’un million de réfugiés ukrainiens.

    Ce n’est pas encore fait mais il n’y a aucune raison pour ne pas naturaliser cette « main d’oeuvre de qualité ». Du point de vue des ukrainiens d’Allemagne il n’y a pas beaucoup d ’arguments pour rentrer dans un pays en ruines alors qu’on peut construire son avenir en Allemagne.

    Chiffre officiel : 1.125.850 de réfugiés ukrainiens au mois de novembre 2023
    https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1294820/umfrage/kriegsfluechtlinge-aus-der-ukraine-in-deutschland
    Quelques informations plus détaillées
    https://mediendienst-integration.de/migration/flucht-asyl/ukrainische-fluechtlinge.html

    Le texte de jacobin.com

    21.12.2023 by William Gillies - In September, Canada’s parliament ignited controversy when it celebrated Yaroslav Hunka, a ninety-eight-year-old World War II Nazi collaborator. The incident has brought renewed focus to the issue of war criminals who immigrated to the country after 1945. The primary source of outrage has rightly centered on how someone like Hunka, who voluntarily served in the 14th Waffen Grenadier Division of the SS (1st Galician), gained entry into Canada, and why the government never deported or prosecuted suspected war criminals. Even a desultory 1980s investigation into the matter of Nazi immigrants is still mostly sealed from the public, despite identifying dozens of suspected war criminals living freely in Canada — most of whom are now likely all dead.

    However, media coverage has largely failed to engage with the question of why Canada let people like Hunka immigrate, resulting in the current political controversy lacking essential historical context. There have been some exceptions, such as pieces in these pages that have pointed out that there is a troubling history that Canada must reckon with, and correctly suggested that this immigration of war criminals was tied to anti-communism. It is important to delve further into this history, as it reveals a deliberate effort by the Canadian state to dismantle political radicalism and tame labor militancy in the postwar period.

    Immigrants like Hunka were granted entry specifically because their collaborationist pasts made them useful in crushing left-wing organizing in Ukrainian Canadian communities. Collaborators assumed control of community organizations, some of which were transferred to them by the federal government, having seized them from socialist groups during the war. The process was often quite violent, with mob violence intimidating leftists, fascists serving as strikebreakers in mining towns, and a Ukrainian labor temple being attacked with a bomb during a concert. All of these actions were condoned by the Canadian state in the name of anti-communism.
    Ukrainian Labor Temples and “Hall Socialism”

    Contrary to the present existence of Ukrainian Nazi collaborator monuments in Canada, there was once a robust Ukrainian Canadian left. Organized around the Ukrainian Labour Farmer Temple Association (ULFTA), it played a pivotal role in various chapters of Canadian labor history, often adopting radical stances. The ULFTA operated hundreds of “labor temples” across the country that nurtured a political movement often called “hall socialism.” Labor temples hosted political rallies, contained lending libraries, published newspapers, supported Ukrainian immigrants, sponsored cultural activities, and provided a venue for collective socialization. In Winnipeg, Manitoba, the finest still-existing labor temple was completed in 1919, just in time to serve as the headquarters of the city’s general strike that same year.

    Between the world wars, the Canadian government feared Ukrainian Canadian radicalism and its connections to communist agitation. Ukrainians were enormously overrepresented in the Communist Party of Canada, which even had a Ukrainian language section. The ULFTA was formally affiliated with the party and helped organize Winnipeg’s large Ukrainian Canadian working class to elect communists like Bill Kardash from the 1930s to the 1950s. In contrast, Ukrainian nationalists in Canada were marginal. They expressed admiration for Hitler and denounced communist politicians as the triumph of the “Bolshevik-Jewish clique.” In 1934, they published a Ukrainian edition of The Protocols of the Elders of Zion.

    When Canada declared war on Germany in September 1939, the Communist Party opposed the war, following the Soviet political line after the signing of the Molotov-Ribbentrop Pact. Subsequently, the party and its many affiliated organizations were outlawed. On June 4, 1940, the ULFTA was banned, and the government seized all of the organization’s assets and interned many of its members. Over 180 halls were confiscated, and the Royal Canadian Mounted Police (RCMP) took control of all archives, meticulously reviewing them to augment their already extensive knowledge of the movement. A recent purge of members with nationalist sympathies caught the attention of the Mounties, prompting them to contact these individuals as informants.

    Following the banning of the ULFTA, the federal government took further action to force a unification of the Ukrainian nationalist groups in Canada in November 1940. Inviting the various groups’ leaders to a meeting, government officials presented a stack of police intelligence reports documenting their awareness of fascist political connections and recommendations that they be outlawed. The ultimatum was clear: unless these groups unified according to the government’s preferences, they would face prohibition. Responding to this pressure, the Ukrainian Canadian Committee (later Congress) (UCC) was promptly formed and remains in existence today. The UCC was expected to support the war effort and act as an intermediary between the government and the Ukrainian Canadian community. In return the government would lend support to the claim that the nationalists represented Ukrainian-Canadians.

    After the Soviet Union joined the Allies in 1941, the Canadian government was slow to reverse the ban on the now very pro-war Communist Party and its affiliates. Internees were released in the fall of 1942, and the ban on the ULFTA was lifted in October 1943. Property still in government possession was returned starting in 1944. In many cases the halls had been sold, often to rival Ukrainian groups, with their contents dispersed or discarded. Halls that were taken over by nationalists had their libraries stripped of any subversive material.

    In 1940, in Edmonton, a display of anti-communist fervor saw five hundred books publicly burned in the street. In Winnipeg, nationalists were given a print shop, and with RCMP help, they revised the editorial line of a socialist newspaper. However, readers responded by returning their copies wrapped around bricks, leading to bankruptcy through postal charges.

    This period had a devastating effect on the Ukrainian Canadian left, as the halls and their contents, crucial to the movement and carefully built up over decades, suffered significant losses. Government interference in Ukrainian Canadian politics tipped the scales in the nationalists’ favor, empowering the conservative UCC to dominate the community after 1945.
    Displaced War Criminals

    In 1945, the surrendered 14th SS Division was held at a POW camp in Rimini, Italy, while the Western Allies decided what to do with them. The Soviets wanted them repatriated to face consequences for collaboration, but the onset of the Cold War altered the political landscape. Former enemy collaborators, such as Ukrainians who had served in the 14th SS Division, were reconsidered as potential allies against Soviet communism.

    By June 1947, displaced persons registered as ethnic Ukrainian totaled 106,549. Initially, the Canadian government showed limited interest in admitting more Ukrainians, reflecting a long-standing bias against non-Western European immigrants. Furthermore, Canadian law prohibited the acceptance of former combatants who had voluntarily served in the German armed forces. However, much of the screening was conducted by British major Denis Hills, a self-described fascist who instructed collaborators on how to avoid investigation. The British exonerated the Galicia Division and transferred many of them to Britain to fill labor shortages in agriculture.

    The UCC lobbied the Canadian government to accept Ukrainian displaced persons and emphasized their anti-communist potential. Against the backdrop of a booming labor market in Canada, these Ukrainians were portrayed as disciplined workers opposed to any sort of union radicalism. They were positively characterized as capable of filling vacancies in mining and forestry, where they could break up left-wing Ukrainian Canadian organizations.

    Starting in 1947, this lobbying began to yield results, especially as the British government pressured Canada to accept them. In 1950, the immigration ban on Ukrainians who served in the SS was lifted, thanks to UCC advocacy that claimed they were simply soldiers who had fought against communism.

    Many Ukrainian Canadians and Jewish groups opposed the admission of Nazi collaborators. The Association of United Ukrainian Canadians (AUUC), created in 1946 as the successor to the ULFTA, lobbied against the move. While supporting the immigration of Ukrainian refugees to Canada, they argued for thorough screening of their wartime activities. They were largely ignored.

    By January 1952, official figures indicated that twenty-six thousand Ukrainian displaced persons had been accepted. However, later historical research suggests that official figures undercounted, and that the actual number could have been as high as fifty thousand, with half originating from western Ukraine, the heartland of the nationalist movement. Approximately 3 percent were veterans of the 14th SS Division, about 1,500 people, although some sources cite figures as high as two thousand. Additionally, there were other nationalists who collaborated in less formal ways than joining the SS, but were still active participants in the Holocaust.

    Canada’s admittance of Ukrainian collaborators after 1945 was not a failure to properly screen immigrants, but an intentional policy decision. Canada did not care what many of these people were accused of doing in eastern Europe. The primary consideration was their usefulness in domestic anti-communism.
    Expunging the Reds

    On October 8, 1950, a bomb went off during a concert at the Central Ukrainian Labor Temple on Bathurst Street in Toronto. Eleven people were injured, and the explosion leveled part of the building. Authorities offered a $1,500 reward for information, but no one was ever caught. The long-standing suspicion is that Ukrainian nationalists were responsible, as this attack aligned with a pattern of violence directed against the Ukrainian Canadian left during the 1950s. Ukrainian labor temples and the broader labor movement were central to the postwar struggle between Ukrainian fascist emigres and the Ukrainian Canadian Left.

    Soon after arriving in Canada in the late 1940s, Ukrainian nationalist immigrants organized to target labor temples and disrupt meetings. In December 1948 in Val-d’or, Quebec, a group of them attacked a temple hosting a speaker discussing the Soviet Union. Armed with sticks, stones, and bottles they invaded the event to attack the speaker but were repulsed and thrown out. Unable to kidnap the speaker, they split up into smaller groups to stake out the homes of suspected communists.

    In the immediate postwar years, it became clear that an independent Ukraine was unlikely. Consequently, attacking leftists in the Ukrainian Canadian community became a sort of consolation prize. The Canadian state was to some extent pleased with this change of focus by the nationalists, and tacitly approved of such attacks.

    Official anti-communist sentiment was coupled with the need for more workers in Canada’s booming postwar economy. Ukrainian displaced persons, as a condition for immigration, often entered into work contracts binding them to an employer, typically in resource extraction towns in the north of Ontario or Quebec. Mining company agents visited refugee camps in Europe, screening prospective employees for anti-communist beliefs, and then recruited them to relocate to Canada. They often arrived in places that had a preexisting Ukrainian Canadian left.

    Initially the AUUC tried to organize the new immigrants, but this was ineffective. In December 1947, several dozen Ukrainian displaced persons took a train to Timmins, Ontario, to start work in a gold mine. Stopping in North Bay, Ontario (where Hunka currently resides), they were greeted by communist organizers at the station who sought to explain the importance of unionization. In response, the organizers were severely beaten and thrown off the train — an event celebrated by the local press.

    As the work contracts for the first wave of nationalist emigres expired, they moved into urban areas, leading to an escalation in attacks on the AUUC. Simultaneously, a fresh wave of Ukrainian displaced persons were admitted into Canada in the early 1950s after the removal of the ban on the immigration of collaborators. In Winnipeg, Toronto, and Edmonton, nationalists would attend labor temple events with the intention of disrupting and attacking. This ranged from heckling to shut down a speaker to physical assaults on attendees and organizers, property vandalism, and even following attendees home.

    Police investigations into the attacks were largely lackluster, often attributing blame to the AUUC for somehow instigating them. In Dec 1949, a crowd of two hundred nationalists surrounded a labor temple event in Timmins, Ontario. They were denied entry, but refused to leave, shouting and banging on the door. When the police arrived, they concluded that nothing criminal had occurred, and then drove off. Emboldened, the nationalists broke inside and started beating men, women, and children, sending several people to hospital in serious condition. The local police returned but simply stood and watched. Eventually, one nationalist was charged with assault, but the prosecution and the defense colluded to acquit him.

    The October 1950 bombing of a Toronto labor temple brought broader public attention to the conflict within the Ukrainian Canadian community. The AUUC accused Galicia Division veterans of the attack and blamed the Canadian government for failing to screen them during immigration. The RCMP investigation into the bombing swiftly eliminated nationalists as suspects, even when lacking alibis and possessing obvious motive. Law enforcement also entertained nationalist claims that the bombing was a false-flag operation carried out by the communists to garner public sympathy.

    The investigation failed to pursue many significant leads, and by early 1951, the case was closed without ever identifying a potential suspect. Instead, the RCMP invested its effort into creating lists of anyone who wrote to the government about the bombing and conducted surveillance on victims of the attack. While it is likely that the bombing was perpetrated by Ukrainian nationalists, the intentionally poor investigation by the RCMP renders it impossible to establish with certainty.

    Following the bombing, overt violence against Ukrainian Canadian leftists declined by the mid-1950s. This decline was, in large part, due to its effectiveness in intimidating AUUC supporters from attending events and organizing. Additionally, the far-right nationalists had become increasingly integrated into mainstream Ukrainian Canadian organizations by this point, affording them the legal means to expunge the reds in the community. This alignment with the broader Red Scare, which squashed left radicalism in Canada, further contributed to the decline of the AUUC.

    In 1945 the AUUC welcomed 2,579 new members, but by 1969 that figure dwindled to eighty-four annually. The number of temples collapsed to forty-three by 1973. By the late 1960s, both the membership and leadership was aging, while young recruits were scarce.
    Enduring Historical Revisionism

    By the 1970s the nationalists had established domination over the Ukrainian Canadian experience. This framework excluded diverse points of view, such as labor radicalism, and replaced it with a monolithic identity built on a conservative nationalism. This era coincided with the fashioning of Canada’s official multiculturalism, in which both the federal and provincial governments aimed to celebrate diverse ethnic communities.

    Under the fig leaf of celebrating ethnic heritage, statues of Ukrainian Nazi collaborators, such as Roman Shukhevych in Edmonton, began to be erected at this time, often with government money. Having extensively researched postwar violence in the Ukrainian Canadian community, the historian Kassandra Luciuk argues that this was a deliberate project of the Canadian state, intended to marginalize leftists. It left no room for other ideas of “Ukrainianness” other than one tightly wound with anti-communist nationalism.

    The presence of Nazi monuments in Canada is symptomatic of this hegemony, visibly illustrating the historical revisionism the Ukrainian nationalists have successfully imposed. These monuments not only celebrate individuals and organizations that took part in war crimes during World War II, but also represent a triumph over left-wing opposition in the Ukrainian Canadian community. This historical revisionism has become so prevalent that even a mainstream politician, such as federal finance minister Chrystia Freeland, regularly extols her Ukrainian grandfather, who happened to run a Nazi collaborationist newspaper recruiting for the 14th SS Division — the same division that Hunka joined.

    This revisionism owes its existence to the Canadian state, which used the many tools at its disposal — from the immigration system to the police — to ensure an outcome that has persisted well after its anti-communist purpose faded. Ukrainian Canadian nationalists of course have been active in constructing this revisionism, but they flatter themselves if they believe they could have accomplished it alone.

    Understanding the political context of the Hunka affair requires delving into this chapter of Canadian history. It sheds light on how a small minority of far-right immigrants, with state backing, gained substantial influence in Ukrainian Canadian communities, and shaped Canadian policy toward Ukraine. Hunka’s celebration was not a result of historical ignorance, but rather stemmed from active historical revisionism that has sought to recast collaborators as heroes and render invisible Ukrainian Canadian socialist movements.

    #Canada #Ukraine #mouvement_ouvrier #fascisme #nazis