Literatur - Zeno.org

/Literatur

  • Der schlimmste Feind
    http://www.zeno.org/Literatur/M/Tucholsky,+Kurt/Werke/1926/Der+schlimmste+Feind?hl=der+schlimmste+feind

    Für Ernst Toller

    Der schlimmste Feind, den der Arbeiter hat,
    das sind nicht die Soldaten;
    es ist auch nicht der Rat der Stadt,
    nicht Bergherrn, nicht Prälaten.
    Sein schlimmster Feind steht schlau und klein
    in seinen eignen Reihn.

    Wer etwas diskutieren kann,
    wer einmal Marx gelesen,
    der hält sich schon für einen Mann
    und für ein höheres Wesen.
    Der ragt um einen Daumen klein
    aus seinen eignen Reihn.

    Der weiß nichts mehr von Klassenkampf
    und nichts von Revolutionen;
    der hat vor Streiken allen Dampf
    und Furcht vor blauen Bohnen.
    Der will nur in den Reichstag hinein
    aus seinen eignen Reihn.

    Klopft dem noch ein Regierungsrat
    auf die Schulter: »Na, mein Lieber . . . «,
    dann vergißt er das ganze Proletariat –
    das ist das schlimmste Kaliber.
    Kein Gutsbesitzer ist so gemein
    wie der aus den eignen Reihn.

    Paßt Obacht!

    Da steht euer Feind,
    der euch hundertmal verraten.
    Den Bonzen loben gern vereint
    Nationale und Demokraten.
    Freiheit? Erlösung? Gute Nacht.
    Ihr seid um die Frucht eures Leidens gebracht.
    Das macht: Ihr konntet euch nicht befrein
    von dem Feind aus den eignen Reihn.

    · Theobald Tiger
    Die Weltbühne, 28.12.1926, Nr. 52, S. 998, wieder in: Mona Lisa.

    #mouvement_ouvrier #fonctionnaires #parlamentarisme #lutte_des_classes #poésie #chanson #Allemagne #histoire #social-démocrates #communistes

  • Die Ackerstraße als Loch
    http://www.zeno.org/Literatur/M/Tucholsky,+Kurt/Werke/1931/Zur+soziologischen+Psychologie+der+L%C3%B6cher Meyers Hof


    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Meyers_Hof

    Das Loch ist der Grundpfeiler dieser Gesellschaftsordnung, und so ist sie auch. Die Arbeiter wohnen in einem finstern, stecken immer eins zurück, und wenn sie aufmucken, zeigt man ihnen, wo der Zimmermann es gelassen hat, sie werden hineingesteckt, und zum Schluß überblicken sie die Reihe dieser Löcher und pfeifen auf dem letzten. In der Ackerstraße ist Geburt Fluch; warum sind diese Kinder auch grade aus diesem gekommen? Ein paar Löcher weiter, und das Assessorexamen wäre ihnen sicher gewesen.
    ...
    Manche Gegenstände werden durch ein einziges Löchlein entwertet; weil an einer Stelle von ihnen etwas nicht ist, gilt nun das ganze übrige nichts mehr. Beispiele: ein Fahrschein, eine Jungfrau und ein Luftballon.

    Aus: Kaspar Hauser, Zur soziologischen Psychologie der Löcher, Die Weltbühne, 17.03.1931, Nr. 11, S. 389, in: Lerne Lachen.

    Quelle: Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 9, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 152-154.
    Permalink:
    http://www.zeno.org/nid/20005819199

    Bernauer Straße (Abschnitt Mietshäuser und Meyers Hof)
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Bernauer_Stra%C3%9Fe#Mietsh%C3%A4user_und_Meyers_Hof

    Entlang der Bernauer Straße wurden eine Reihe gründerzeitlicher Wohnhäuser errichtet. Direkt hinter dem Lazarus-Krankenhaus entstand ab den 1870er Jahren eine der bekanntesten Berliner Mietskasernen, der sogenannte Meyers Hof, ein hochverdichteter Wohn- und Arbeitskomplex mit 257 Wohnungen und 13 Gewerbebetrieben mit Eingang an der Ackerstraße. Bis zu 2000 Menschen lebten in dem fünfgeschossigen Bau mit sechs Hinterhöfen. Meyers Hof gilt als extremes Beispiel für die damals mitunter sehr engen und einfachen Lebensumstände des Proletariats rund um die Bernauer Straße und in ganz Berlin.

    1904: Kindermord in der Ackerstaße
    https://www.berlin-chronik.de/3995

    Die Ackerstraße im Wedding (heute: Gesundbrunnen) war Anfang des vergangenen Jahrhunderts eine berühmte und berüchtigte Gegend. Vor allem arme Arbeiter, Tagelöhner, Arbeitslose und Prostituierte wohnten in den Mietskasernen, die bis zu sechs Hinterhöfe hatten. Oft mussten ganz Familien in einem Zimmer leben, Wasser und Toiletten gab es oft nur auf dem Hof. In einem dieser Häuser wohnte auch die 8‑jährige Lucie Berlin mit ihren Geschwistern. Ihre Eltern lebten davon, in der Stube Zigarren zusammenzurollen.

    Am 9. Juni 1904 verschwand das Mädchen im Treppenhaus spurlos. Zwei Tage später fanden Fischer in der Spree den Rumpf des Mädchens. Bei der Befragung der Nachbarn kam schnell Theodor Berger, der vorbestrafte Zuhälter einer Frau ins Visier der Polizei, der gesehen wurde, wie er mit einem Mädchen an der Hand das Haus verlassen hatte. Die Frau wohnte im gleichen Haus, wie die Familie.

    In den folgenden Tagen fanden sich auch der Kopf und die restlichen Körperteile des Mädchens in der Spree. Der verdächtige Mann machte mehrmals sich widersprechende Aussagen, zahlreiche Indizien sprachen für ihn als Mörder. In der Presse, die jeden Schritt der Polizei sowie den Prozess teilweise seitenweise dokumentierte, wurden Forderungen nach der Todesstrafe gestellt. Am 23. Dezember 1904 wurde Berger wegen Vergewaltigung und Totschlags zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt.

    Lucie Berlin wurde auf dem St. Elisabeth-Friedhof beerdigt, ebenfalls in der Ackerstraße, nicht weit entfernt von ihrer Wohnung. Der Trauerzug mit offenem Leichenwagen und einer voranschreitenden Musikkapelle zog vom Gerichtsmedizinischen Institut in der Hannoverschen Straße zum Friedhof, rund 1.000 Menschen nahmen daran teil.

    Der Mordfall der kleinen Lucie ist nicht nur bemerkenswert, weil er viele Menschen und Medien in Berlin sehr beschäftigte. Im Prozess wurde auch das erste Mal in einem Kriminalfall in Berlin die Bestimmung von gefundenem Blut berücksichtigt. Zwar konnte noch nicht die Blutgruppe bestimmt werden, aber es wurde festgestellt, dass es sich um menschliches Blut handelt. Der Täter hatte behauptet, es wäre Blut von einem Tier.

    #Berlin #Mitte #Wedding #Ackerstraße

  • Bei uns in Europa
    http://www.zeno.org/Literatur/M/Tucholsky,+Kurt/Werke/1927/Bei+uns+in+Europa

    Il y a 97 ans déjà notre Kurt préféré nous a pondu un petit poème plein d’anti-américanisme et de bon sens. Les choses n’ont pas vraiment changé depuis sinon pour le pire .

    Ihr schickt uns aus dem Lande von Ford
    einen ziemlich miesen Menschenexport:
    überschwemmt sind Paris und Griechenland
    von euerm mäßigen Mittelstand.

    Diese Reisenden, laut und prahlerisch,
    legen geistig die Füße auf den Tisch,
    fallen lästig an allen Orten;
    und jeder zweite Satz beginnt mit den Worten:
    »Bei uns in Amerika . . . «

    Bei euch in Amerika gibts zweierlei Rechte
    (für Arme und Reiche) – gibt es Gute und Schlechte;
    gibt es solche und solche: Lewis und Mencken,
    und Dollardiener, die in Dollars denken.
    Bei euch in Amerika gibt es Republikaner
    und richtende blutige Puritaner.
    Ihr habt Kraft, Jugend und Silberlinge –
    aber ihr seid nicht das Maß aller Dinge,
    bei euch in Amerika.

    Bei uns in Europa ist das Weib
    keine Haremsfrau ohne Unterleib –
    bei uns in Europa ist die schwarze Haut
    kein Aussatz, dem man Extra-Bahnwagen baut;
    bei uns in Europa kann wer ohne Geld sein
    und dennoch, dennoch auf der Welt sein –
    bei uns in Europa kann man bestehn,
    ohne in die Sonntags-Schule zu gehn,
    weil fast keiner so am Altare steht:
    eine plärrende nüchterne Realität –
    wie bei euch in Amerika.

    Das wissen natürlich bei euch die Guten
    ganz genau. Der Rest hat von Blasen und Tuten
    keine Ahnung. Hört nur den Schmeichelchor
    seiner news-papers; kommt sich so erstklassig vor . . .
    Hör nicht hin, Arbeitsmann. Laß sie ziehn,
    die Eitelkeiten der Bourgeoisien.
    Pässe, Fahnen und Paraden
    das sind lächerliche Zementfassaden . . .
    Denn die wahre Grenze, zwischen Drohnen und Fronen,
    läuft quer hindurch durch alle Nationen –
    bei euch in Amerika.
    Wie bei uns in Europa.

    Theobald Tiger, Die Weltbühne, 04.10.1927, Nr. 40, S. 530, wieder in: Deutschland, Deutschland.

    Quelle :
    Kurt Tucholsky : Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 5, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 335-336.
    Permalink :
    http://www.zeno.org/nid/2000581393X

  • TV-Kritik : Ein intelligenter ’Tatort’ ohne Mord
    https://www.abendzeitung-muenchen.de/tv/tv-kritik-ein-intelligenter-tatort-ohne-mord-art-673976


    "Tatort : Ein paar Worte nach Mitternacht" : Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) finden Klaus Keller (Rolf Becker) an seinem 90. Geburtstag tot auf © rbb/Stefan Erhard

    Comment tomber dans le piège antisemite par négligence. Dans cette critiqe de polar de télévison Tatort l’auteur Prechtel perpétue le mythe antisemite des juifs vindicatifs en utilisant la tournure qui évoque un « Dieu jaloux, qui punit jusqu’à la septième génération ». Passons sur l’idée absurde vielle de plusieurs millénaires, la vérification dans quelques traductions de la bible dévoile l’erreur. Il n’y est question que de trois á quatre générations . Le nombre de « 7 » ou « 1000 » qu’on rencontre dans pas mal de textes autrement bien écrits a ses origines dans la propagande antisemite de la fin du dix neuvième siècle.

    4.1.2020 von Adrian Prechtel - „Ein paar Worte nach Mitternacht“ heißt der Fall aus Berlin, in dem es um ein Brüderpaar geht, dessen gemeinsames Verbrechen thematisiert wird.

    Auch für uns überzeugte Demokraten gibt es immer wieder aufrauende Momente, die auf gesunde Weise stutzig machen. Als die Kommissare Karow (Mark Waschke) und Rubin (Meret Becker) einen Überraschungsbesuch in einer Ostberliner Druckerei machen, um einen Tatverdächtigen aus dem Rechtsaußen-Lager zu vernehmen, treffen sie nur dessen Frau an. Und die haut ihnen einen Stakkato-Wutmonolog um die Ohren, der in wenigen, radikalen Minuten ein ganzes Ossi-Ohnmachtsgefühl zusammenfasst (eine Sternstundenszene des Drehbuchautoren Christoph Darnstädt): das Gefühl kolonisiert worden zu sein und der West-Selbstgerechtigkeit nichts entgegengesetzt zu haben.

    Berliner Tatort zum Jubiläum der Wiedervereinigung

    Der „Tatort - Ein paar Worte nach Mitternacht“ (Regie: Lena Knauss) ist am Wochenende des 30. Jahrestags der Wiedervereinigung natürlich nicht zufällig aus Berlin, wo die Trennlinie zwischen Ost und West mitten durch die Stadtgesellschaft lief.

    Aber dieser „Tatort“ schultert auch noch den ganz großen Geschichtsbogen, indem er davon ausgeht, dass die letzten Zeitzeugen der NS-Zeit noch leben. Ein Brüderpaar war in der HJ und beging als 15-Jährige gemeinsam ein Verbrechen. Dann trennte sie DDR und BRD. Einer wurde als jetzt überzeugter Antifaschist hoher Stasi-Offizier (Friedhelm Ptok), ohne den Widerspruch wahrzunehmen, der andere ein erfolgreicher westdeutscher Bauunternehmer (Rolf Becker), der viel Geld und Energie in deutsch-jüdische Versöhnung und Aufklärung gegen Rechts gesteckt hat.

    Geschickt geraten wir als Zuschauer in ein Familiennetz, in dessen Maschen sich alle Generationen verfangen haben, weil die Vergangenheit und ein blutiges Familiengeheimnis niemals aufgearbeitet wurde.

    „Seid verflucht bis ins siebte Glied!“, droht das Alte Testament Frevlern und meint: Es braucht viele Generationen, um aus der Last von Schuld und Verbrechen herauszukommen, selbst wenn man sich der Geschichte und den Familiengeschichten dazu stellt.

    Angenehmerweise ist dieser „Tatort“ aber kein politisch korrekter Geschichtsbetroffenheits-Krimi geworden, sondern ein dichtes psychologisches Geflecht bundesrepublikanischer Wirklichkeit. Eine junge Antifa-Aktivistin (Victoria Schulz) ist im Hintergrund – auch erotisch - treibende Kraft. Ihr Slogan: „Kein Vergeben! Kein Vergessen!“

    Aber auch diese Haltung kann tödlich sein, auch wenn dieser intelligente „Tatort“ geschickt und überraschenderweise ohne Mord auskommt.

    Luther-Bibel 1545, Das Alte Testament, Das fünfte Buch Mose (Deuteronomium), Deuteronomium 5
    http://www.zeno.org/Literatur/M/Luther,+Martin/Luther-Bibel+1545/Das+Alte+Testament/Das+f%C3%BCnfte+Buch+Mose+(Deuteronomium)/Deuteronomium+5

    Du solt dir kein Bildnis machen einicher gleichnis / weder oben im Himel / noch vnten auff Erden / noch im Wasser vnter der Erden / Du solt sie nicht anbeten /noch jnen dienen. DEnn ich bin der HERR dein Gott / ein eiueriger Gott / Der die missethat der Veter heimsucht vber die Kinder / ins dritte vnd vierde Gliede / die mich hassen. Vnd Barmhertzigkeit erzeige in viel tausent / die mich lieben vnd meine Gebot halten.

    cf. (quelques traductions plus récentes)
    https://www.bibleserver.com/de/verse/5.Mose5,9

    trad. 2017

    9 Du sollst sie nicht anbeten noch ihnen dienen. Denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen,
    10 aber Barmherzigkeit erweist an vielen Tausenden, die mich lieben und meine Gebote halten.

    Chez Louis Segond (1910) on découvre un problème de traduction. Chez Luther (1545 et 2017) il est question des milliers (de personnes) que dieu récompensera alors qu’il interprète la phrase (grèque ?) par mille générations . Il confirme par contre que dieu ne persécutera les enfants des infidèles que pendant quantre générations alors que le mythe antisemite agrandit le nombre à sept ou mille afin de rendre plus impressionnant l’esprit vindicatif du dieu de l’ancien testament juif.

    9 Tu ne te prosterneras point devant elles, et tu ne les serviras point ; car moi, l’Éternel, ton Dieu, je suis un Dieu jaloux, qui punis l’iniquité des pères sur les enfants jusqu’à la troisième et à la quatrième génération de ceux qui me haïssent,
    10 et qui fais miséricorde jusqu’en mille générations à ceux qui m’aiment et qui gardent mes commandements.

    Conclusion - il faut arrêter de d’employer le nombre symbolique « 7 » dans ce contexte si on n’y ajoute pas une couche explicative ou ironique.

    #Allemagne #Berlin #TV #film_policier #histoire #nazis #DDR #BRD #RFA #antisemitisme

  • You went with me ... Erich Mühsam
    http://www.zeno.org/Literatur/M/M%C3%BChsam,+Erich/Lyrik+und+Prosa/Sammlung+1898-1928/Erster+Teil%3A+Verse/Weltschmerz+und+Liebe/Du+gingst+mit+mir+...

    You went with me. The low sky threatened
    and crept crouched closer from all sides.

    A rock hound lay by the path, a scout
    With flat belly and paw thrust forward.

    Dulled stars stared wet and lazy
    and coughed from age-sick lungs.

    Ill-lit from a tattered cloud mouth
    The moon hung yellow, the sky’s horny tongue ...

    You went with me. The sea gurgled in the distance.
    Signs of fire slipped from the hem of the world.

    We felt the damp night air creeping around us
    and trudged away from the fear of life,

    intent on our last courage of existence,
    that it might conquer the pale grey of the haunting. -

    But before us a tree darkened the night,
    That swayed its tops very precariously.

    #poésie

  • Über die allmähliche Verfertigung
    der Gedanken beim Reden
    Heinrich von Kleist an R[ühle] v. L[ilienstern]
    http://www.zeno.org/Literatur/M/Kleist,+Heinrich+von/%C3%84sthetische,+philosophische+und+politische+Schriften/%C3%9Cber+die+allm%C3%A4hliche+Verfertigung+der+Gedanken+beim+Reden?hl=kleist+

    A propos de la relation de la pensée et du discours public, avec des références à Honoré-Gabriel Riqueti de Mirabeau et Jean de La Fontaine

    Wenn du etwas wissen willst und es durch Meditation nicht finden kannst, so rate ich dir, mein lieber, sinnreicher Freund, mit dem nächsten Bekannten, der dir aufstößt, darüber zu sprechen. Es braucht nicht eben ein scharfdenkender Kopf zu sein, auch meine ich es nicht so, als ob du ihn darum befragen solltest: nein! Vielmehr sollst du es ihm selber allererst erzählen. Ich sehe dich zwar große Augen machen, und mir antworten, man habe dir in frühern Jahren den Rat gegeben, von nichts zu sprechen, als nur von Dingen, die du bereits verstehst. Damals aber sprachst du wahrscheinlich mit dem Vorwitz, andere, ich will, daß du aus der verständigen Absicht sprechest, dich zu belehren, und so könnten, für verschiedene Fälle verschieden, beide Klugheitsregeln vielleicht gut nebeneinander bestehen. Der Franzose sagt, l’appétit vient en mangeant, und dieser Erfahrungssatz bleibt wahr, wenn man ihn parodiert, und sagt, l’idée vient en parlant. Oft sitze ich an meinem Geschäftstisch über den Akten, und erforsche, in einer verwickelten Streitsache, den Gesichtspunkt, aus welchem sie wohl zu beurteilen sein möchte. Ich pflege dann gewöhnlich ins Licht zu sehen, als in den hellsten Punkt, bei dem Bestreben, in welchem mein innerstes Wesen begriffen ist, sich aufzuklären. Oder ich suche, wenn mir eine algebraische Aufgabe vorkommt, den ersten Ansatz, die Gleichung, die die gegebenen Verhältnisse ausdrückt, und aus welcher sich die Auflösung nachher durch Rechnung leicht ergibt. Und siehe da, wenn ich mit meiner Schwester davon rede, welche hinter mir sitzt, und arbeitet, so erfahre ich, was ich durch ein vielleicht stundenlanges Brüten nicht herausgebracht haben würde. Nicht, als ob sie es mir, im eigentlichen Sinne sagte; denn sie kennt weder das Gesetzbuch, noch hat sie den Euler, oder den Kästner studiert. Auch nicht, als ob sie mich durch geschickte Fragen auf den Punkt hinführte, auf[453] welchen es ankommt, wenn schon dies letzte häufig der Fall sein mag. Aber weil ich doch irgendeine dunkle Vorstellung habe, die mit dem, was ich suche, von fern her in einiger Verbindung steht, so prägt, wenn ich nur dreist damit den Anfang mache, das Gemüt, während die Rede fortschreitet, in der Notwendigkeit, dem Anfang nun auch ein Ende zu finden, jene verworrene Vorstellung zur völligen Deutlichkeit aus, dergestalt, daß die Erkenntnis, zu meinem Erstaunen, mit der Periode fertig ist. Ich mische unartikulierte Töne ein, ziehe die Verbindungswörter in die Länge, gebrauche auch wohl eine Apposition, wo sie nicht nötig wäre, und bediene mich anderer, die Rede ausdehnender, Kunstgriffe, zur Fabrikation meiner Idee auf der Werkstätte der Vernunft, die gehörige Zeit zu gewinnen. Dabei ist mir nichts heilsamer, als eine Bewegung meiner Schwester, als ob sie mich unterbrechen wollte; denn mein ohnehin schon angestrengtes Gemüt wird durch diesen Versuch von außen, ihm die Rede, in deren Besitz es sich befindet, zu entreißen, nur noch mehr erregt, und in seiner Fähigkeit, wie ein großer General, wenn die Umstände drängen, noch um einen Grad höher gespannt. In diesem Sinne begreife ich, von welchem Nutzen Molière seine Magd sein konnte; denn wenn er derselben, wie er vorgibt, ein Urteil zutraute, das das seinige berichten konnte, so ist dies eine Bescheidenheit, an deren Dasein in seiner Brust ich nicht glaube. Es liegt ein sonderbarer Quell der Begeisterung für denjenigen, der spricht, in einem menschlichen Antlitz, das ihm gegenübersteht; und ein Blick, der uns einen halbausgedrückten Gedanken schon als begriffen ankündigt, schenkt uns oft den Ausdruck für die ganze andere Hälfte desselben. Ich glaube, daß mancher große Redner, in dem Augenblick, da er den Mund aufmachte, noch nicht wußte, was er sagen würde. Aber die Überzeugung, daß er die ihm nötige Gedankenfülle schon aus den Umständen, und der daraus resultierenden Erregung seines Gemüts schöpfen würde, machte ihn dreist genug, den Anfang, auf gutes Glück hin, zu setzen.

    Mir fällt jener »Donnerkeil« des Mirabeau ein, mit welchem er den Zeremonienmeister abfertigte, der nach Aufhebung der letzten monarchischen Sitzung des Königs am 23. Juni, in welcher dieser den Ständen auseinanderzugehen anbefohlen hatte, in den Sitzungssaal, in welchem die Stände noch verweilten, zurückkehrte, und sie befragte, ob sie den Befehl des Königs vernommen hätten? »Ja«, antwortete Mirabeau, »wir haben des Königs Befehl vernommen« – ich bin gewiß, daß er bei diesem humanen Anfang, noch nicht an die Bajonette dachte, mit welchen er schloß: »ja, mein Herr«, wiederholte er, »wir haben ihn vernommen« – man sieht, daß er noch gar nicht recht weiß, was er will. »Doch was berechtigt Sie« – fuhr er fort, und nun plötzlich geht ihm ein Quell ungeheurer Vorstellungen auf – »uns hier Befehle anzudeuten? Wir sind die Repräsentanten der Nation.« – Das war es was er brauchte! »Die Nation gibt Befehle und empfängt keine« – um sich gleich auf den Gipfel der Vermessenheit zu schwingen. »Und damit ich mich Ihnen ganz deutlich erkläre« – und erst jetzo findet er, was den ganzen Widerstand, zu welchem seine Seele gerüstet dasteht, ausdrückt: »so sagen Sie Ihrem Könige, daß wir unsre Plätze anders nicht, als auf die Gewalt der Bajonette verlassen werden.« – Worauf er sich, selbst zufrieden, auf einen Stuhl niedersetzte. – Wenn man an den Zeremonienmeister denkt, so kann man sich ihn bei diesem Auftritt nicht anders, als in einem völligen Geistesbankrott vorstellen; nach einem ähnlichen Gesetz, nach welchem in einem Körper, der von dem elektrischen Zustand Null ist, wenn er in eines elektrisierten Körpers Atmosphäre kommt, plötzlich die entgegengesetzte Elektrizität erweckt wird. Und wie in dem elektrisierten dadurch, nach einer Wechselwirkung, der ihm inwohnende Elektrizitätsgrad wieder verstärkt wird, so ging unseres Redners Mut, bei der Vernichtung seines Gegners, zur verwegensten Begeisterung über.

    Vielleicht, daß es auf diese Art zuletzt das Zucken einer Oberlippe war, oder ein zweideutiges Spiel an der Manschette, was in Frankreich den Umsturz der Ordnung der Dinge bewirkte. Man liest, daß Mirabeau, sobald der Zeremonienmeister sich entfernt hatte, aufstand, und[455] vorschlug: 1) sich sogleich als Nationalversammlung, und 2) als unverletzlich, zu konstituieren. Denn dadurch, daß er sich, einer Kleistischen Flasche gleich, entladen hatte, war er nun wieder neutral geworden, und gab, von der Verwegenheit zurückgekehrt, plötzlich der Furcht vor dem Chatelet, und der Vorsicht, Raum. – Dies ist eine merkwürdige Übereinstimmung zwischen den Erscheinungen der physischen und moralischen Welt, welche sich, wenn man sie verfolgen wollte, auch noch in den Nebenumständen bewähren würde. Doch ich verlasse mein Gleichnis, und kehre zur Sache zurück. Auch Lafontaine gibt, in seiner Fabel: Les animaux malades de la peste, wo der Fuchs dem Löwen eine Apologie zu halten gezwungen ist, ohne zu wissen, wo er den Stoff dazu hernehmen soll, ein merkwürdiges Beispiel von einer allmählichen Verfertigung des Gedankens aus einem in der Not hingesetzten Anfang. Man kennt diese Fabel. Die Pest herrscht im Tierreich, der Löwe versammelt die Großen desselben, und eröffnet ihnen, daß dem Himmel, wenn er besänftigt werden solle, ein Opfer fallen müsse. Viele Sünder seien im Volke, der Tod des größesten müsse die übrigen vom Untergang retten. Sie möchten ihm daher ihre Vergehungen aufrichtig bekennen. Er, für sein Teil gestehe, daß er, im Drange des Hungers, manchem Schafe den Garaus gemacht; auch dem Hunde, wenn er ihm zu nahe gekommen; ja, es sei ihm in leckerhaften Augenblicken zugestoßen, daß er den Schäfer gefressen. Wenn niemand sich größerer Schwachheiten schuldig gemacht habe, so sei er bereit zu sterben. »Sire«, sagt der Fuchs, der das Ungewitter von sich ableiten will, »Sie sind zu großmütig. Ihr edler Eifer führt Sie zu weit. Was ist es, ein Schaf erwürgen? Oder einen Hund, diese nichtswürdige Bestie?« Und: »quant au berger«, fährt er fort, denn dies ist der Hauptpunkt: »on peut dire«, obschon er noch nicht weiß was? »qu’il méritoit tout mal«, auf gut Glück; und somit ist er verwickelt; »étant«, eine schlechte Phrase, die ihm aber Zeit verschafft: »de ces genslà«, und nun erst findet er den Gedanken, der ihn aus der Not reißt: »qui sur les animaux se font un chimérique empire.« –[456] Und jetzt beweist er, daß der Esel, der blutdürstige! (der alle Kräuter auffrißt) das zweckmäßigste Opfer sei, worauf alle über ihn herfallen, und ihn zerreißen. – Ein solches Reden ist ein wahrhaftes lautes Denken. Die Reihen der Vorstellungen und ihrer Bezeichnungen gehen nebeneinander fort, und die Gemütsakten für eins und das andere, kongruieren. Die Sprache ist alsdann keine Fessel, etwa wie ein Hemmschuh an dem Rade des Geistes, sondern wie ein zweites, mit ihm parallel fortlaufendes, Rad an seiner Achse. Etwas ganz anderes ist es wenn der Geist schon, vor aller Rede, mit dem Gedanken fertig ist. Denn dann muß er bei seiner bloßen Ausdrückung zurückbleiben, und dies Geschäft, weit entfernt ihn zu erregen, hat vielmehr keine andere Wirkung, als ihn von seiner Erregung abzuspannen. Wenn daher eine Vorstellung verworren ausgedrückt wird, so folgt der Schluß noch gar nicht, daß sie auch verworren gedacht worden sei; vielmehr könnte es leicht sein, daß die verworrenst ausgedrückten grade am deutlichsten gedacht werden. Man sieht oft in einer Gesellschaft, wo durch ein lebhaftes Gespräch, eine kontinuierliche Befruchtung der Gemüter mit Ideen im Werk ist, Leute, die sich, weil sie sich der Sprache nicht mächtig fühlen, sonst in der Regel zurückgezogen halten, plötzlich mit einer zuckenden Bewegung, aufflammen, die Sprache an sich reißen und etwas Unverständliches zur Welt bringen. Ja, sie scheinen, wenn sie nun die Aufmerksamkeit aller auf sich gezogen haben, durch ein verlegnes Gebärdenspiel anzudeuten, daß sie selbst nicht mehr recht wissen, was sie haben sagen wollen. Es ist wahrscheinlich, daß diese Leute etwas recht Treffendes, und sehr deutlich, gedacht haben. Aber der plötzliche Geschäftswechsel, der Übergang ihres Geistes vom Denken zum Ausdrücken, schlug die ganze Erregung desselben, die zur Festhaltung des Gedankens notwendig, wie zum Hervorbringen erforderlich war, wieder nieder. In solchen Fällen ist es um so unerläßlicher, daß uns die Sprache mit Leichtigkeit zur Hand sei, um dasjenige, was wir gleichzeitig gedacht haben, und doch nicht gleichzeitig von uns geben können, wenigstens so[457] schnell, als möglich, aufeinander folgen zu lassen. Und überhaupt wird jeder, der, bei gleicher Deutlichkeit, geschwinder als sein Gegner spricht, einen Vorteil über ihn haben, weil er gleichsam mehr Truppen als er ins Feld führt. Wie notwendig eine gewisse Erregung des Gemüts ist, auch selbst nur, um Vorstellungen, die wir schon gehabt haben, wieder zu erzeugen, sieht man oft, wenn offene, und unterrichtete Köpfe examiniert werden, und man ihnen ohne vorhergegangene Einleitung, Fragen vorlegt, wie diese: was ist der Staat? Oder: was ist das Eigentum? Oder dergleichen. Wenn diese jungen Leute sich in einer Gesellschaft befunden hätten, wo man sich vom Staat, oder vom Eigentum, schon eine Zeitlang unterhalten hätte, so würden sie vielleicht mit Leichtigkeit durch Vergleichung, Absonderung, und Zusammenfassung der Begriffe, die Definition gefunden haben. Hier aber, wo diese Vorbereitung des Gemüts gänzlich fehlt, sieht man sie stocken, und nur ein unverständiger Examinator wird daraus schließen daß sie nicht wissen. Denn nicht wir wissen, es ist allererst ein gewisser Zustand unsrer, welcher weiß. Nur ganz gemeine Geister, Leute, die, was der Staat sei, gestern auswendig gelernt, und morgen schon wieder vergessen haben, werden hier mit der Antwort bei der Hand sein. Vielleicht gibt es überhaupt keine schlechtere Gelegenheit, sich von einer vorteilhaften Seite zu zeigen, als grade ein öffentliches Examen. Abgerechnet, daß es schon widerwärtig und das Zartgefühl verletzend ist, und daß es reizt, sich stetig zu zeigen, wenn solch ein gelehrter Roßkamm uns nach den Kenntnissen sieht, um uns, je nachdem es fünf oder sechs sind, zu kaufen oder wieder abtreten zu lassen: es ist so schwer, auf ein menschliches Gemüt zu spielen und ihm seinen eigentümlichen Laut abzulocken, es verstimmt sich so leicht unter ungeschickten Händen, daß selbst der geübteste Menschenkenner, der in der Hebeammenkunst der Gedanken, wie Kant sie nennt, auf das meisterhafteste bewandert wäre, hier noch, wegen der Unbekanntschaft mit sei nem Sechswöchner, Mißgriffe tun könnte. Was übrigens solchen jungen Leuten, auch selbst den[458] unwissendsten noch, in den meisten Fällen ein gutes Zeugnis verschafft, ist der Umstand, daß die Gemüter der Examinatoren, wenn die Prüfung öffentlich geschieht, selbst zu sehr befangen sind, um ein freies Urteil fällen zu können. Denn nicht nur fühlen sie häufig die Unanständigkeit dieses ganzen Verfahrens: man würde sich schon schämen, von jemandem, daß er seine Geldbörse vor uns ausschütte, zu fordern, viel weniger, seine Seele: sondern ihr eigener Verstand muß hier eine gefährliche Musterung passieren, und sie mögen oft ihrem Gott danken, wenn sie selbst aus dem Examen gehen können, ohne sich Blößen, schmachvoller vielleicht, als der, eben von der Universität kommende, Jüngling gegeben zu haben, den sie examinierten.

    (Die Fortsetzung folgt.)

    Quelle: Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band3, Berlin und Weimar 1978, S. 385,460.
    Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005169518
    Lizenz: Gemeinfrei #CC0
    Kategorien: #Deutsche_Literatur #Theoretische_Schrift

    Honoré-Gabriel Riqueti de Mirabeau
    https://fr.wikipedia.org/wiki/Honor%C3%A9-Gabriel_Riqueti_de_Mirabeau

    #Germanistik #Sprachwissenschaft #lettres #réthorique #pensée #révolution

  • French publisher arrested in London on terrorism charge
    https://www.theguardian.com/uk-news/2023/apr/18/french-publisher-arrested-london-counter-terrorism-police-ernest-moret

    Tous des Feltrinelli ... dorénavant nos idées et informations sensibles ne passeront les frontières que dans le coffre fort de notre tête (ou dans une figure de la danse des électrons composant une connexion chiffrée).

    Rien n’a changé depuis l’époque de Heinrich Heine.
    http://www.zeno.org/Literatur/M/Heine,+Heinrich/Versepen/Deutschland.+Ein+Winterm%C3%A4rchen/Caput+2

    Ihr Toren, die ihr im Koffer sucht!
    Hier werdet ihr nichts entdecken!
    Die Konterbande, die mit mir reist,
    Die hab ich im Kopfe stecken.

    Le poème de 1844 donne un sens au fait divers. Cet éditeur ne prend pas au sérieux les textes de révoltés qu’il publie. Soyons clairs, les libertés garanties par les constitutions des états bourgeois ne le sont que pour les bourgeois, les vrais, pas pour les petits bourgeois rebelles.

    18.4.2023 by Matthew Weaver - A French publisher has been arrested on terror charges in London after being questioned by UK police about participating in anti-government protests in France.

    Ernest Moret, 28, a foreign rights manager for Éditions la Fabrique, was approached by two plainclothes officers at St Pancras station on Monday evening after arriving by train from Paris to attend the London book fair.

    He was questioned for six hours and then arrested for alleged obstruction in refusing to disclose the passcodes to his phone and computer. His treatment was condemned as an attack on the right to demonstrate, amid calls for protests outside the UK embassy in Paris and the French Institute in London.

    Moret arrived at St Pancras at 7.15pm with his colleague Stella Magliani-Belkacem, the editorial director at the Paris-based publishing house, to be confronted by the two officers.

    Magliani-Belkacem told the Guardian: “When we were on the platform, two people, a woman and a guy, told us they were counter-terrorist police. They showed a paper called section 7 of the Terrorism Act of 2000 and said they had the right to ask him about demonstrations in France.”

    She added: “I’m still shaking. We are in shock about what happened.”

    She said French publishers had drafted a joint letter calling for a protest outside the British embassy in France on Tuesday evening about Moret’s treatment.

    When the officers began questioning Moret, Magliani-Belkacem called her friend Sebastian Budgen, a senior editor at Verso Books in London, at whose home she and Moret had arranged to stay.

    Budgen arranged for a lawyer to visit Moret. The lawyer called Budgen at 1am on Tuesday to confirm that Moret had been arrested over his refusal to tell police the passcodes to his confiscated phone and laptop. He was transferred to a police station in Islington, north London, where he remained in custody on Tuesday. He was later released on bail.

    Éditions la Fabrique is known for publishing radical left authors. Moret also represents the French science fiction novelist Alain Damasio and had arranged more than 40 appointments at the London book fair.

    A joint press release from Verso Books and Éditions la Fabrique condemned Moret’s treatment as “scandalous”.

    It said: “The police officers claimed that Ernest had participated in demonstrations in France as a justification for this act – a quite remarkably inappropriate statement for a British police officer to make, and which seems to clearly indicate complicity between French and British authorities on this matter.”

    It added: “We consider these actions to be outrageous and unjustifiable infringements of basic principles of the freedom of expression and an example of the abuse of anti-terrorism laws.”

    The statement said a protest was planned at the French Institute in London and called on France’s ambassador to the UK, Hélène Duchêne, to request Moret’s immediate release.

    Budgen said: “It is causing a stink at the London book fair and there’s a big stink in France as well … there’s been an increasingly repressive approach by the French government to the demonstrations, both in terms of police violence, but also in terms of a security clampdown.”

    Hundreds of thousands of people took to the streets in France last month over Emmanuel Macron’s use of constitutional executive powers to push through an unpopular increase in the pension age. The protests caused King Charles’s planned visit to France, his first overseas tour as monarch, to be postponed.

    The writers’ association Pen International said it was “deeply concerned” that Moret was detained on counter-terrorism grounds.

    Pamela Morton, senior books and magazines organiser for the National Union of Journalists, also expressed concern.

    She said it seemed “extraordinary that the British police have acted this way” in arresting a publisher on the way to the London book fair. “We will be taking this up with the police,” she added.

    A Metropolitan police spokesperson said: “At around 7.30pm on Monday 17 April, a 28-year-old man was stopped by ports officers as he arrived at St Pancras station, using powers under schedule 7 of the Terrorism Act 2000.

    “On Tuesday 18 April, the man was subsequently arrested on suspicion of wilfully obstructing a schedule 7 examination, contrary to section 18 of the Terrorism Act 2000.”

    #Royaume_Uni #France #frontières #répression #liberté_d_expression

  • Kurt Tucholsky: Faust in Paris
    http://www.zeno.org/Literatur/M/Heine,+Heinrich/Tanzpoeme/Der+Doktor+Faust?hl=faust

    Ein Brief an Emil Jannings

    Paris, den heutigen

    Lieber Emil!

    Neulich, als Du auf dem hiesigen Film-Bankett der ›Erste Mann‹ warst, während gerade der ›Letzte Mann‹ über die Boulevards lief – da war Paris heiter und hell wie gewöhnlich, und es hat mir nur leid getan, daß ich Dir nicht zeigen konnte, wie es neben den Sensationsprozessen und Modevorführungen und dem ›faabelhaften Verkehr‹ denn doch immerhin noch andere Sachen in Paris gibt. Wärst Du vier Wochen später gekommen, hätte ich Dich zum ›Faust‹ mitgenommen.

    »Gala Universitaire donné au Théâtre de l’Odéon sous le Haut Patronage de . . . « Na, diesen Zimt kennst Du ja vom Film her. Aber so eine Aufführung – die hast Du beim Film denn doch noch nicht gesehen.

    Also denk Dir: ich und der Präsident Doumergue, wir beide hatten Karten zu dieser Galavorstellung, die so ungefähr einer öffentlichen Generalprobe entsprach. Doumerguen habe ich am Abend nicht gesehen – wahrscheinlich hatte man ihm den Besuch aus Gesundheitsrücksichten verboten; wäre er dagewesen, er hätte sicherlich zwei Wochen nicht regieren können. Aber ich war da.

    Das Odéon liegt beim Jardin du Luxembourg, es ist von außen ein ganz wunderhübsches Theater. Rundherum hat es Wandelgänge mit Laternchen, und es sieht so altväterisch aus, so gemütlich, durchaus wie die ›Komische Geschichte‹ von Anatole France, die da spielt. An diesem Abend ging es dortselbst furchtbar fein zu – galonierte Männer mit weißen Zwirnshandschuhen rissen einem die Türen vom Leibe, und[133] man sah viele Universitätsfräcke, ein auf der ganzen Erde gleiches Kleidungsstück. Die Aufführung fand zugunsten einer Studentenkasse statt, die halbe Sorbonne war anwesend. (Aber ganz voll wars nicht.)

    Lieber Emil, Du hast mir oft erzählt, wie Du noch in Kalbe an der Saale als alter Moor und als Franz, die Kanaille, und als Karl Moor zugleich aufgetreten bist und wie Du in den Schlußakten bei Sudermann immer das bengalische Feuer auf einer Kohlenschippe in die Kulissen halten mußtest. Lieber Emil, erzähle mir nie wieder etwas von einer Schmiere – da kannst Du nicht mit.

    Also denke Dir einen ›Faust‹, der brav und bieder Satz für Satz ins Französische übersetzt ist; das haben zwei Herren besorgt, die heißen Forst und Robert-Dumas. Warum sie den Foohst neu übersetzt haben, da es doch hier eine immerhin gute Übersetzung gibt, weiß niemand. Aber über die Übersetzung will ich nicht rechten – das mag schwer sein. Doppelt schwer, weil, erstens, das ganze Stück uns heute nicht mehr das bedeutet, was es einmal gewesen ist, weil wir uns mit anderen Dingen herumquälen, weil es keine Ewigkeitswerte in der Literatur gibt – und, zweitens, weil Verpflanzungen von nationalen Stücken immer eine kniffliche Sache sind. Sehen Franzosen einen deutschen Molière – dann werden sie das nicht immer für Molière halten, sondern für etwas anderes. Aber auch dieses andere kann gut und schön sein. Daß unsere deutschen Theater Racine jemals so spielen wie die Comédie Française, ist nicht anzunehmen – aber sie können ihn auf ihre Art auch gut spielen. Foohst aber . . .

    Stelle Dir vor, daß das Stadttheater in Guben einen Regisseur nach Berlin entsandt hat, der dort durch die Regisseure Jeßner, Fehling, Erich Engel und alle die andern völlig verdreht wird. In seinem Kopfe geht das alles herum: Faltenvorhänge, die Treppe, Getümmel, Scheinwerferkegel und stilisierte Einfachheit . . . und so, wirr und wilden Tatendranges voll, kommt er zurück nach Guben, und was er dann da anrichten würde, das kannst Du jetzt hier in Paris sehen.

    Über die Ausstattung ist nicht viel zu sagen – sie ist nicht gut. Das wäre nun an sich kein Unglück – obgleich diese kindlichen Späßchen eines mißverstandenen Kunstgewerbes heute nicht mehr aktuell sein dürften. Aber was an Schauspielern (frei!) herumlief – lieber Emil, bitte alles ab, was Du je auf das Theater im Schützenhaus zu Wendrinchen gesagt hast.

    Faust: Ein alter Umhängebart mit Geschrei, der nicht ein Wort seiner Rolle verstand. Nachher ein süßer Schokoladenjüngling, etwa der allseits beliebte Held am Stadttheater zu Stettin. (Vor zwanzig Jahren.) Gretchen: direkt vom Maskenverleiher. So etwas von Wergpuppenhaar, von Zopf, von völlig ausdruckslosem Verseaufsagen – gab Gretchen bei euch die Frau Direktorin mit einem Schmerbauch? Es muß eine noble Leistung gewesen sein, vergleichsweise. Drum herum die Schüler, die Bürger, der[134] Wagner-Mensch, das glaubst Du nicht. Wie sie johlten und blechern schrien, wie sie umherwankten, wie sie Kappen schwenkten, die man ihnen zum Schwenken in die Hand gesteckt hatte, wie sie leere Becher leerten, hei! Guter Emil, immer kommst Du zu spät nach Paris.

    Das Publikum muß gedacht haben, die Deutschen seien doch ein recht merkwürdiges Volk. Nur bei der Schülerszene lachten sie so nett und naiv und freundlich über alle die bösen Anspielungen auf die Wissenschaften, deren Vertreter ja im Parkett saßen. Es war wie bei einer Kneipe, wo ein Gelegenheitsstück aufgeführt wird. (Das wird aber besser aufgeführt.) Und im großen und ganzen hatte ich so den Eindruck, daß die Leute es nicht wissen wollten. Es war so ein Beifall . . . kennst Du diesen Beifall –? Na, Du kennst ihn natürlich nicht – aber Du hast wohl mal von ihm gelesen.

    Na, und Mephisto? Lieber Emil, hier wird die Sache ernst. Dieser Mephisto ist ein Schauspieler, den die Franzosen recht hoch halten – es ist Herr Gémier, der jüngst in Amerika war. O wär er dort geblieben –!

    Hast Du nicht auch einmal den Mephisto gespielt? Dann weißt Du ja, daß wir in Deutschland schon viele Mephistos gehabt haben: animalische, dicke, fette, tierische, die das Gretchen nur so abschleckern möchten; feine, spanierhafte, diplomatische, die sich das Stäubchen vom Rockärmel abknipsen; singende und randalierende; bösartige und verkrochene – alle Sorten. Aber dieser hier! –

    Denke Dir einen unangenehmen, gleichgültigen, aufgeblasenen Burschen, der in sehr unzüchtigem Verhältnis zum Souffleur steht; einen, der »Ha-haha-haa –!« lacht, daß es die Bauern in Deinem Schützenhaus nur so kalt überlaufen hätte; einen, der keine Nuance bringt, keine versteht, alles verwaschen aufsagt, ein berühmter Mann – Emil! Ihr habt auch in Wittstock an der Dosse gastiert – nicht zum Zettelankleben hättet ihr den Kerl genommen!

    Ja – also das war gar nichts. Und nun mußt Du hier den Gackerlärm lesen, der sich in den Literatenzeitschriften erhebt, das Geschrei für und dagegen, die ernsthafte Verteidigung der Herren Übersetzer, die gar nicht sehen, was sie da angerichtet haben. Aber da ist ja Pierre Mac Orlan in seiner Novelle von dem modernen Faust dem Ding viel näher gekommen! Nein, guter Emil: dieses ist ein Reinfall.

    Du bist ja verständig genug, nun nicht zu sagen: »Natürlich . . . die Franzosen!« Das ist ja töricht. Schließlich ist Herr Antoine auch ein Franzose, und was der dem Theater gegeben hat, weißt Du ja. Und es gibt hundertundeine Vorstellung in Paris, die ganz reizend ist. Nur grade: Foohst – was hätte dazu der alte Goethe gesagt?

    Es gibt eine schöne Geschichte, weißt Du, von Deinem guten, alten Kaiser Wilhelm dem Ersten. Der besah sich einmal eine Vorstellung am Gendarmenmarkt, und nach der Aufführung ließ er sich den überglücklichen Autor rufen. Ja – alles sehr schön und nett, reizend, ein unterhaltsamer[135] Abend – nur, vielleicht die eine Szene da im zweiten Akt, das wäre doch wohl etwas übertrieben – aber sonst sehr, sehr nett . . . Der arme Kerl strahlt vor Glück und geht selig ins Bett. Am nächsten Morgen ist das Stück vom Spielplan abgesetzt. Er sofort auf die Intendantur – sehr kalte Schulter. Was ist? Ja? Ein Hoftheater hätte Rücksichten zu nehmen, er müsse doch begreifen . . . Aber wüßten sie denn nicht, was Majestät zu ihm gestern noch gesagt hätte . . . ? »Ja, lieber Doktor – eben deswegen! Gröber wird Majestät nie!«

    Lieber Emil, denk Dir, wir hätten in der Loge gesessen, gleich über den Sorbonne-Professoren. Wir sind feine Herren – nach dem zweiten Akt (wie ich uns kenne) wären wir herausgegangen, ganz, ganz leise, draußen wären wir auf je einem Bein zur Tür gehüpft, nun aber nichts wie raus, an die frische Luft, Hilfe! Wir hätten uns einen schönen Whisky eingefüllt chez Catherine oder im Bœuf sur le Toit oder sonstwo . . . und Du hättest herrliche Geschichten erzählt von dem Regisseur, der immer durchs Megaphon »Schau . . . schau . . . schau!« ruft und vom Schwarzen Adler zu Niederhainichen und von Berlin. Was Gémier angeht: wie sagen Deine geliebten Schlesier? »Nimm mersch oog nich iibel!« –

    Grüß alle schön, Emil: Pinkus, den Waldspecht, und Maman und Deinen wilden Hund Greif, der immer wegläuft, wenn einer in der Nähe nur den Schlucken hat, und Dich selbst

    vielmals von Deinem lieben Peter Panter

    · Peter Panter
    Vossische Zeitung, 04.06.1925.

  • Goethe, Johann Wolfgang, Faust. Der Tragödie erster Teil, Studierzimmer
    http://www.zeno.org/Literatur/M/Goethe,+Johann+Wolfgang/Dramen/Faust.+Eine+Trag%C3%B6die/Faust.+Der+Trag%C3%B6die+erster+Teil/Studierzimmer

    Le Méphistophélès de Goethe incarne les valeurs libérales qu’il présente avec ironie. Son Faust est comme un chancelier social-démocrate allemand qui discute avec son ministre libéral le pour et le contre d’une livraison de chars dans une zone de guerre peu éloignée.

    MEPHISTOPHELES tritt, indem der Nebel fällt, gekleidet wie ein fahrender Scholastikus, hinter dem Ofen hervor.

    Wozu der Lärm? was steht dem Herrn zu Diensten?

    FAUST.
    Das also war des Pudels Kern!
    Ein fahrender Skolast? Der Casus macht mich lachen.

    MEPHISTOPHELES.
    Ich salutiere den gelehrten Herrn!
    Ihr habt mich weidlich schwitzen machen.

    FAUST.
    Wie nennst du dich?

    MEPHISTOPHELES.
    Die Frage scheint mir klein
    Für einen, der das Wort so sehr verachtet,
    Der, weit entfernt von allem Schein,
    Nur in der Wesen Tiefe trachtet.

    FAUST.
    Bei euch, ihr Herrn, kann man das Wesen
    Gewöhnlich aus dem Namen lesen,
    Wo es sich allzudeutlich weist,
    Wenn man euch Fliegengott, Verderber, Lügner heißt.

    Nun gut, wer bist du denn?

    MEPHISTOPHELES.
    Ein Teil von jener Kraft,
    Die stets das Böse will und stets das Gute schafft.

    FAUST.
    Was ist mit diesem Rätselwort gemeint?

    MEPHISTOPHELES.
    Ich bin der Geist, der stets verneint!
    Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,
    Ist wert, daß es zugrunde geht;
    Drum besser wär’s, daß nichts entstünde.

    So ist denn alles, was ihr Sünde,
    Zerstörung, kurz das Böse nennt,
    Mein eigentliches Element.

    FAUST.
    Du nennst dich einen Teil, und stehst doch ganz vor mir?

    MEPHISTOPHELES.
    Bescheidne Wahrheit sprech’ ich dir.
    Wenn sich der Mensch, die kleine Narrenwelt,
    Gewöhnlich für ein Ganzes hält –
    Ich bin ein Teil des Teils, der anfangs alles war,
    Ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar,
    Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht
    Den alten Rang, den Raum ihr streitig macht,
    Und doch gelingt’s ihm nicht, da es, so viel es strebt,
    Verhaftet an den Körpern klebt.
    Von Körpern strömt’s, die Körper macht es schön,
    Ein Körper hemmt’s auf seinem Gange,
    So, hoff’ ich, dauert es nicht lange,
    Und mit den Körpern wird’s zugrunde gehn.

    FAUST.
    Nun kenn’ ich deine würd’gen Pflichten!
    Du kannst im Großen nichts vernichten
    Und fängst es nun im Kleinen an.

    MEPHISTOPHELES.
    Und freilich ist nicht viel damit getan.
    Was sich dem Nichts entgegenstellt,
    Das Etwas, diese plumpe Welt,
    So viel als ich schon unternommen,
    Ich wußte nicht ihr beizukommen,
    Mit Wellen, Stürmen, Schütteln, Brand –
    Geruhig bleibt am Ende Meer und Land!
    Und dem verdammten Zeug, der Tier- und Menschenbrut,
    Dem ist nun gar nichts anzuhaben:
    Wie viele hab’ ich schon begraben!
    Und immer zirkuliert ein neues, frisches Blut.

    So geht es fort, man möchte rasend werden!
    Der Luft, dem Wasser, wie der Erden
    Entwinden tausend Keime sich,
    Im Trocknen, Feuchten, Warmen, Kalten!
    Hätt’ ich mir nicht die Flamme vorbehalten,
    Ich hätte nichts Aparts für mich.

    FAUST.
    So setzest du der ewig regen,
    Der heilsam schaffenden Gewalt
    Die kalte Teufelsfaust entgegen,
    Die sich vergebens tückisch ballt!
    Was anders suche zu beginnen,
    Des Chaos wunderlicher Sohn!

    FAUST (1960) von Peter Gorski und Gustaf Gründgens
    https://www.moviepilot.de/news/faust-verfilmungen-1104021

    Deutschland schickt Leopard-Panzer in Ukraine, USA prüfen Lieferung von Abrams
    https://www.berliner-zeitung.de/news/bericht-usa-prueft-doch-lieferung-von-abrams-kampfpanzern-an-ukrain

    Die Entscheidung für die Freigabe und Lieferung des Leopard 2 war zäh, aber unausweichlich. Sie ist eine erlösende Nachricht für die geschundene und tapfere Ukraine. Wir Freie Demokraten sind dankbar, dass kontinuierlicher Einsatz für die Menschen in der #Ukraine erfolgreich ist. https://t.co/6txdXZ5X03
    — Marie-Agnes Strack-Zimmermann (@MAStrackZi) January 24, 2023

    ...

    Heinrich Heine - Der Doktor Faust
    http://www.zeno.org/Literatur/M/Heine,+Heinrich/Tanzpoeme/Der+Doktor+Faust?hl=faust

    Rembrandt Harmensz. van Rijn: Faust

    #histoire #théâtre #libéralisme

  • Von Grillen und Ameisen
    https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Ameise_und_die_Heuschrecke

    Es gibt zwei Arten Menschen. Die Grillen und die Ameisen. Auch Taxifahrer kann man in diese Kategorien unterscheiden.

    http://www.zeno.org/Literatur/M/La+Fontaine,+Jean+de/Versfabeln/Fabeln/Die+Grille+und+die+Ameise

    Die Grille und die Ameise

    Die Grille musizierte
    Die ganze Sommerzeit –
    Und kam in Not und Leid,
    Als nun der Nord regierte.

    Sie hatte nicht ein Stückchen
    Von Würmchen oder Mückchen,
    Und Hunger klagend ging sie hin
    Zur Ameis, ihrer Nachbarin,

    Und bat sie voller Sorgen,
    Ihr etwas Korn zu borgen.
    »Mir bangt um meine Existenz,«
    So sprach sie; »kommt der neue Lenz,
    Dann zahl ich alles dir zurück

    Und füge noch ein gutes Stück
    Als Zinsen bei.« Die Ameis leiht
    Nicht gern; sie liebt die Sparsamkeit.

    Sie sagte zu der Borgerin:
    »Wie brachtest du den Sommer hin?«
    »Ich habe Tag und Nacht
    Mit Singen mich ergötzt.«

    »Du hast Musik gemacht?
    Wie hübsch! So tanze jetzt!«

    La Cigale et la Fourmi
    https://fr.m.wikipedia.org/wiki/La_Cigale_et_la_Fourmi_(La_Fontaine)

    La Cigale, ayant chanté
    Tout l’été,
    Se trouva fort dépourvue
    Quand la bise fut venue :
    Pas un seul petit morceau
    De mouche ou de vermisseau.
    Elle alla crier famine
    Chez la Fourmi sa voisine,
    La priant de lui prêter
    Quelque grain pour subsister
    Jusqu’à la saison nouvelle.
    « Je vous paierai, lui dit-elle,
    Avant l’Oût, foi d’animal,
    Intérêt et principal. »
    La Fourmi n’est pas prêteuse :
    C’est là son moindre défaut.
    « Que faisiez-vous au temps chaud ?
    Dit-elle à cette emprunteuse.
    -- Nuit et jour à tout venant
    Je chantais, ne vous déplaise.
    -- Vous chantiez ? J’en suis fort aise.
    Eh bien ! Dansez maintenant. »

  • Moskau 1813
    http://www.zeno.org/Literatur/M/K%C3%B6rner,+Theodor/Gedichte/Leier+und+Schwert/Moskau


    Il ne faut jamais sous-estimer la Russie. Les soldats de la Grande Armée ont payé de leur vie cette erreur stratégique de Napoléon. Notre poète très patriotique Theodor Körner chantait alors la gloire du phénix russe qui renaquit des cendres de Moscou. Ainsi périrent quelques centaines de milliers d’hommes de la génération de mon père dans les cendres de Stalingrad et Koursk nourrissant le feu de réincarnation du phénix. La troisième renaissance de l’oiseau prodigieux russe suivra inéluctablement aux défaites temporaires infligés par les forces de l’OTAN. Moi, je préfère ne jamais le voir périr. Si par malchance cela m’arrivait on s’embraserait tous avec lui sans partager son espoir de renaître.

    Il faudrait un armistice immédiat suivi de négotiations de paix entre la Russie, les États Unis et l’Ukraine avec la participation des voisins européens. Nous, afin de préparer la paix, il faudrait q’on en finisse tout de suite avec les chantres de la guerre, même d’un moindre acabit que celui du géant Körner.

    Theodor Körner, Gedichte, Leier und Schwer

    Wie wölben dort sich deiner Kirchen Bogen!
    Wie schimmern der Paläste goldne Wände!
    Es schwärmt der Blick, wohin ich ihn versende,
    Von einer Pracht zur andern fortgeflogen.

    Da wälzen sich auf einmal glüh’nde Wogen:
    Es schleudern deiner Bürger eigne Hände
    Aufs eigne Dach die sprüh’nden Fackelbrände;
    Ein Feuerkreis hat prasselnd dich umzogen.

    O, laß dich nur vom Aberwitz verdammen!
    Ihr Kirchen, stürzt! Paläste, brecht zusammen!
    Der Phönix Rußlands wirft sich in die Flammen!

    Doch hochverklärt aus seinem Feuerkranze
    Wird er erstehn im frischen Jugendglanze,
    Und Sankt Georg schwingt siegend seine Lanze.

    Source : Theodor Körner : Werke, Band 1, Leipzig und Wien 1893, S. 82-83. Permalink : http://www.zeno.org/nid/2000522344X

    Oeuvres de Theoder Körner
    http://www.zeno.org/Literatur/M/K%C3%B6rner,+Theodor

    Tchaïkovski, Ouverture solennelle 1812, Herbert von Karajan, Berliner Philharmoniker
    https://www.youtube.com/watch?v=rLDPjcsdsbw

    Après sa mort en 1813 on a fait un héros national du poète guerrier Theodor Körner. Son art a motivé des millions de jeunes allemands à se sacrifier dans l’hécatombe prusse puis allemande pendant un siècle et demi. On pensait déjà en avoir fini avec cette horreur. Là, en écoutant les ministres verts et notre président social-démocrate je me rends compte que je me trompais.

    Straßenverzeichnis Berlin
    https://berlin.kauperts.de/Strassenverzeichnis/K
    La capitale allemande possède toujours quatre rues, un chemin et deux squares nommés en honneur de Theoder Körner.

    Körnerplatz Westend
    Körnerplatz Mahlsdorf
    Körnerstraße Niederschönhausen
    Körnerstraße Spandau
    Körnerstraße Steglitz
    Körnerstraße Tiergarten
    Körnerweg Französisch Buchholz

    Le récit héroïque sert à dresser les peuples les uns contre les autres. Il entre en scène quand on a besoin de jeunes gens encore assez naïfs pour se laisser induire à s’identifier avec des personnages qui n’ont rien en commun avec eux sauf l’euphorie du combat pour un idéal. Les jeunes idiots utiles sacrifient leur vie avec le soutien moral des idiots agés

    Là en Allemagne on se contente encore d’héros par procuration ukrainiens. Le fléaux nationaliste se cache pour le moment derrière la solidarité bigotte avec les combattants anti-russes.

    Pourquoi épargne-t-on nos voisins occidentaux tant détestés dans le passé ? Depuis 1945 la lutte contre l’ennemi héréditaire a changé de cap. L’ indoctrination anti-communiste par l’United States Information Agency est tombé sur une terre fertile travaillée par la propagande nazie. Leur produit commun est un peuple suffisamment conditionné pour croire la belle et tragique histoire du beau poète multimédia Navalny. Son histoire fait de lui un digne successeur du jeune Körner qui s’est lancé dans la bataille sans se soucier du danger de mort.

    La guerre se prépare par étapes. Tandis ce que le front de l’ouest est calme les héros, ces porteurs de l’espoir d’un avenir sans les méchant, sont dépèchés au front de l’est où ils rencontrent leur raison d’être sous les shrapnels russes. Bien entendu nous ne parlons pas ici des événements de guerre concrets mais des sentiments, croyances et espoirs sous jacents évoqués afin de planter l’esprit belliqueux dans les coeurs et convictions des braves gens.

    Theodor Körner (1932)
    https://www.youtube.com/watch?v=CPaTo-D6tF8

    Filmausschnitt Spielfilm Theoder Körner, Darsteller: Willi Domgraf Fassbaender, Dorothea Wieck

    Après avoir regardé ce film les jeunes en 1932 devaient haïr notre ennemi héréditaire la France et les Français.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_K%C3%B6rner_(1932)

    Preußen zur Zeit des napoleonischen Überfalls Anfang des 19. Jahrhunderts. Weite Teile des Landes sind bereits von den Franzosen besetzt worden, Der zaudernde und lavierende König Friedrich Wilhelm III. scheint politisch wie gelähmt. Unter den jungen Patrioten regt sich Widerstand, man will die Franzosen aus dem Land hinauswerfen. Zu diesen Männern zählt auch der aufstrebende Dichter und Schriftsteller Theodor Körner, Mitglied einer Leipziger Studentenverbindung. Er verfasst glühende, patriotische Schriften und Freiheitsgedichte. Nicht alle seine Kommilitonen teilen Körners Sturm-und-Drang-Denken, mit einem seiner Widersacher muss sich Körner sogar duellieren. Infolgedessen droht ihm die Verhaftung, und Körner flieht daher zu seinen Eltern nach Dresden. Ein Freund der Körner-Familie, der Diplomat Wilhelm von Humboldt, nimmt den jungen Heißsporn auf Wunsch der Eltern nach Wien mit, um Theodor aus der Schusslinie und dem Fokus der Franzosen zu ziehen. Dort kann der Nachwuchsautor am Hoftheater nicht nur seine Dramen zur Aufführung bringen, Körner lernt sogar eine junge Dame kennen, in die er sich später verliebt. Sie heißt Toni Adamsberger und ist Schauspielerin. Beide verloben sich schließlich miteinander.

    Ihr Glück währt nur kurz, denn es zieht den jungen Körner zurück nach Preußen. Er hat erfahren, dass sich daheim nun ernstzunehmender Widerstand in Gestalt von Freikorps gebildet hat. Diesen Männern will er unbedingt folgen. In Breslau schließt er sich dem Freikorps des Major Lützow an. In diesem Regiment leistet auch Eleonore Prohaska ihren Dienst, die sich in Soldatenuniform unerkannt unter die Männer gemischt hat. Rasch verliebt sich die junge Frau in Körner. Bei einem Kampfeinsatz wirft sie sich todesmutig vor seinen Körper, als der Gegner auf ihn schießt. Dabei kommt Eleonore ums Leben. In den Folgegefechten zwischen den Lützowern und den Franzosen werden die Freikorps-Kämpfer nahezu komplett aufgerieben. Bei den Kämpfen nahe Kitzen wird Körner schwer am Kopf verletzt. Dennoch gelingt es ihm, sich erneut in das Elternhaus nach Dresden zu retten. Kaum wieder genesen, eilt Theodor Körner erneut zu den Waffen. Auch die Liebe Tonis kann ihn nicht von seinem Kampfeswillen abhalten. In Mecklenburg möchte er sich unbedingt einem neugegründeten Freikorps anschließen. Weiterhin schreibt er Gedichte über Gedichte, die Zeugnis von der unruhigen Zeit geben. Sein letztes Werk trägt den Namen „Du Schwert an meiner Linken“. Bei einem erneuten Aufeinandertreffen mit dem „welschen Erbfeind“ nahe Gadebusch trifft ihn eine französische Kugel tödlich.

    Voici, cerise sur le gateau belliqueux, l’histoire d’Éléonore Prochaska la « Jeanne d’Arc de Potsdam ». Est-ce que la ministre des affaires étrangères, membre du parti vert, appellera-t-elle nos filles à suivre l’exemple de la vierge prussienne ?
    https://fr.wikipedia.org/wiki/%C3%89l%C3%A9onore_Prochaska

    #guerre #Russie #Prusse #histoire #France #propagande #poésie

  • Theobald Tiger (Kurt Tucholsky), Gebet nach dem Schlachten,
    Die Weltbühne, 07.08.1924, Nr. 32, S. 233
    http://www.zeno.org/Literatur/M/Tucholsky,+Kurt/Werke/1924/Gebet+nach+dem+Schlachten

    Kopf ab zum Gebet!

    Herrgott! Wir alten vermoderten Knochen

    sind aus den Kalkgräbern noch einmal hervorgekrochen.

    Wir treten zum Beten vor dich und bleiben nicht stumm.

    Und fragen dich, Gott:

    Warum –?

    Warum haben wir unser rotes Herzblut dahingegeben?

    Bei unserm Kaiser blieben alle sechs am Leben.

    Wir haben einmal geglaubt . . . Wir waren schön dumm . . . !

    Uns haben sie besoffen gemacht . . .

    Warum –?

    Einer hat noch sechs Monate im Lazarett geschrien.

    Erst das Dörrgemüse und zwei Stabsärzte erledigten ihn.

    Einer wurde blind und nahm heimlich Opium.

    Drei von uns haben zusammen nur einen Arm . . .

    Warum –?

    Wir haben Glauben, Krieg, Leben und alles verloren.

    Uns trieben sie hinein wie im Kino die Gladiatoren.

    Wir hatten das allerbeste Publikum.

    Das starb aber nicht mit . . .

    Warum –? Warum –?

    Herrgott!

    Wenn du wirklich der bist, als den wir dich lernten:

    Steig herunter von deinem Himmel, dem besternten!

    Fahr hernieder oder schick deinen Sohn!

    Reiß ab die Fahnen, die Helme, die Ordensdekoration!

    Verkünde den Staaten der Erde, wie wir gelitten,

    wie uns Hunger, Läuse, Schrapnells und Lügen den Leib zerschnitten!

    Feldprediger haben uns in deinem Namen zu Grabe getragen.

    Erkläre, daß sie gelogen haben! Läßt du dir das sagen?

    Jag uns zurück in unsre Gräber, aber antworte zuvor!

    Soweit wir das noch können, knien wir vor dir – aber leih uns dein Ohr!

    Wenn unser Sterben nicht völlig sinnlos war,

    verhüte wie 1914 ein Jahr!

    Sag es den Menschen! Treib sie zur Desertion![437]

    Wir stehen vor dir: ein Totenbataillon.

    Dies blieb uns: zu dir kommen und beten!

    Weggetreten!

    #première_guerre_mondiale #boucherie #poésie #1924