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  • Das Elend der identitären Politik
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    20. Juni 2021 von Andreas Wehr - Warum der Kampf um Gleichheit und Anerkennung mit Identitätspolitik nicht vereinbar ist

    „Die Menschen sind und bleiben von Geburt frei und gleich an Rechten.“ So lautet der erste Satz der von der französischen Nationalversammlung am 17. August 1789 angenommenen „Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte“.

    Seitdem versteht man unter der Emanzipation des Menschen vor allem Gleichheit und die allgemeine Geltung der Rechte für alle. Über die weltgeschichtliche Bedeutung dieser Deklaration schrieb der italienische Historiker und Philosoph Domenico Losurdo:1

    Die Forderung nach politischen Rechten und allgemeinem Wahlrecht - nach jener Allgemeinheit also, die sich als ein widersprüchlicher und von alternierenden Phasen der Emanzipation und Deemanzipation gekennzeichneter Prozess darstellt, der die Barrieren des Zensus, der Rasse und des Geschlechts hinwegfegt (…), all diese Kämpfe sind im Namen der unveräußerlichen Rechte geführt worden, deren Träger der Mensch in seiner Allgemeinheit ist.
    Domenico Losurdo

    Menschenrechte - aber nicht für alle

    Die Bürger- und Menschenrechte hinderten aber den Vollstrecker des Erbes der Französischen Revolution, Kaiser Napoleon Bonaparte, nicht daran, die eben erst verkündete egalité mit Füßen zu treten, indem sie gegenüber fremden Völkern als nicht existent angesehen wurde. Das napoleonische Heer zertrümmerte in Europa nicht nur die feudalen Herrschaftsverhältnisse, es setzte zugleich die seit den Zeiten Ludwig XIV. betriebene Expansionspolitik Frankreichs fort. Ohne Rücksicht auf den Willen der Völker wurden ganze Provinzen annektiert und französische Statthalter eingesetzt.

    Noch verheerender war das Schicksal der Farbigen in den Kolonien: Die unter dem schwarzen Revolutionär Toussaint L’Ouverture in St. Domingue (dem heutigen Haiti) erreichte Befreiung der Sklaven wird unter Napoleon wieder rückgängig gemacht. Der von ehemaligen Sklaven errichtete Staat wird von französischen Truppen besetzt und die Aufständischen - unter dem Beifall der Sklavenhalter in den USA - grausam verfolgt. In Frankreich bleibt das gerade erst verkündete Wahlrecht für Männer auf die „Aktivbürger“ begrenzt, also auf jene, die eine bestimmte Summe von Steuern auf ihr Eigentum zahlen. Drei Millionen Franzosen, die über kein bzw. nur wenig Eigentum verfügen, bleiben ausgeschlossen.2

    Nach Ende der napoleonischen Herrschaft über Europa kehren überall die alten feudalen Herrscherhäuser an die Macht zurück. Mit der Abschüttelung der Fremdherrschaft werden zugleich die Prinzipien der Französischen Revolution verworfen. Im Oktober 1817 verbrennen auf dem Wartburgfest deutsche Burschenschaftler Bücher, die sie für unvereinbar mit dem „deutschen Geist“ halten, darunter auch den Code Napoléon, die Grundlage des modernen bürgerlichen Rechts. Zu denen, die das verurteilten, gehörte auch Hegel.3

    In Karlsbad beschließen im August 1819 die im Deutschen Bund zusammengeschlossenen Staaten unter Führung Österreichs und Preußens, gemeinsam gegen jegliche freiheitlichen und liberalen Forderungen vorzugehen. Es ist die Zeit der Demagogenverfolgung.
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    Noch düsterer fällt die Bilanz für die Völker des globalen Südens aus. Der Kolonialismus wird nicht etwa im Namen der Menschenrechte infrage gestellt, sondern dehnt sich im Laufe des 19. Jahrhunderts über den ganzen Erdball aus. Frankreich besetzt 1830 Algier und wird es erst 1962 wieder verlassen. Das Vereinigte Königreich erobert ganze Erdteile und gleicht dem Habsburgerreich unter Karl V. der sich rühmte, dass in seinem Reich die Sonne nie untergehe.

    Mit Belgien, dem Deutschen Reich, Italien und nach dem spanisch-amerikanischen Krieg 1898 den USA treten neue Kolonialmächte hinzu. Auf der Berliner Konferenz 1884/85 verständigen sich die Staaten Europas über die Aufteilung Afrikas. Selbst das einst mächtige China wird im Zeitalter des Imperialismus Opfer westlicher Begierde. Zur Niederschlagung des sogenannten Boxeraufstands verbünden sich im Jahr 1900 nicht weniger als acht Großmächte.

    Am Beginn des 20. Jahrhunderts, mehr als 100 Jahre nach der von der Französischen Revolution ausgelösten Welle der Emanzipation, die ganz Europa erfasst hatte, steht fest: Weder den sozial Deklassierten, noch den Frauen und schon gar nicht den Farbigen in den Kolonien war es gelungen, von dem "herrlichen Sonnenaufgang"4 zu profitieren, mit dem Hegel die Französische Revolution verglichen hatte. Auf die Jahre der Emanzipation am Ende des 18. Jahrhunderts war ein Zeitalter der De-Emanzipation gefolgt.

    Zwar gelang es in den USA im Sezessionskrieg 1861-65 die Macht der Südstaaten zu brechen und die Sklaverei gesetzlich aufzuheben. Doch am Ende des 19. Jahrhunderts kehrte die nun zivilgesellschaftlich gestützte Diskriminierung der Schwarzen mit einer Brutalität zurück, die selbst die schlimmsten Zustände der offenen Sklaverei übertraf. Auch wird in der Revolution von 1848 in vielen Ländern Europas die Feudalordnung erschüttert, es gelingt aber nicht, sie in Deutschland und Österreich zum Einsturz zu bringen.

    Repressiver Egalitarismus und Individualismus als herrschende Prinzipien

    Profiteure der De-Emanzipation sind weiße Besitzende, in der Regel Männer - der Kern des neuen Bürgertums. Sie dominieren die westlichen Gesellschaften und prägen deren Kulturen. In den USA herrscht das Prinzip der „white supremacy“. Von Frauen, Besitzlosen und Nichtweißen wird verlangt, sich den Kulturen, Sitten und Sprachgewohnheiten der Herrschenden anzupassen. Dem dienen die „Politik der Homologisierung und die Parolen repressiven Egalitarismus und Individualismus“.5

    Was das konkret hieß, zeigt Losurdo am Schicksal der nordamerikanischen Indianer, die Opfer einer Umerziehung wurden. Er zitiert Philanthropen, "welche mit den besten Absichten darum bemüht sind, die Indianer durch Zivilisierung und Assimilation vor ihrem Verfall zu retten: Man muss entschlossen harte Strafen anwenden, um die Indianer zu zwingen, auch untereinander nur Englisch zu sprechen, auf ihre Tänze und fremdartige Kleidung zu verzichten, die Haare kurz zu tragen, d.h. sich wie gute Amerikaner und gute Weiße zu verhalten."6

    Dieser Konformitätsdruck lastete nicht nur auf den Ureinwohnern Nordamerikas: Überall trat man so auch Schwarzen, Juden, Angehörigen nationaler Minderheiten und anderen Unangepassten gegenüber.

    Voraussetzung der Integration dieser Minderheiten war nicht allein die mehr oder weniger freiwillige Übernahme von Kultur und Werten der dominierenden Gesellschaften, sondern auch die Bereitschaft sich ganz als Individuum zu fühlen. Die Betroffenen sollen sich weder einem eigenen politischen Organismus angehörig fühlen, noch länger einen eigenen Stand bilden. Am besten ist es, wenn sie ihre eigene Geschichte und ihr Herkommen vergessen: „Die égalité wird hier Synonym für Homologisierung. Die Gleichheit fungiert hier gleichsam als Instrument einer ’Gleichschaltung’“.7

    Nicht selten führt dies zum Selbsthass der Betroffenen. Wie weit das Gefühl der Geringschätzung der eigenen Kultur unter ihnen noch heute ist, zeigte eine kürzlich in Großbritannien durchgeführte Befragung von Studenten aus dem globalen Süden nach ihren Sprachkenntnissen. Sie sollten angeben, welche Sprachen sie, abgesehen vom Englischen, noch beherrschen. Genannt wurden Französisch, Spanisch, Portugiesisch und andere westliche Sprachen, aber fast nie die Muttersprache, obwohl auch sie oft über eine lange Tradition verfügt und nicht selten von Hunderten von Millionen Menschen gesprochen wird. Doch die Sprachen der Subalternen besitzen im westlichen Denken so wenig Bedeutung wie deren Kulturen.

    Forderung nach Differenz als Antwort auf die Gleichschaltung

    Es kann daher nicht verwundern, wenn in Reaktion auf diese Ausgrenzung die Emanzipations- und Befreiungsbewegungen der Unterdrückten auf den Standpunkt einer grundlegenden Differenz gegenüber den herrschenden westlichen Werten und Kulturen bestehen.

    Dieses Selbstbewusstsein zeigte sich in dem Prozess der Radikalisierung der Emanzipationsbewegungen, der Ende des 19. Jahrhunderts einsetzte, das 20. Jahrhundert prägte und sich in der heutigen Identitätspolitik weiter radikalisiert. So half die Ideologie des Zionismus - derzufolge die Juden über die Jahrhunderte ein einheitliches Volk geblieben seien - den europäischen und nordamerikanischen Juden, sich dem Assimilierungsdruck und der drohenden Auflösung ihrer kulturellen Identität in den christlich geprägten Gesellschaften zu entziehen.

    Unter den schwarzen US-Amerikanern und in den afrikanischen Kolonien entwickelte sich die négritude - die die Herausstellung der Besonderheit des Schwarzseins als positiven Wert reklamiert. Repräsentanten waren so unterschiedliche Persönlichkeiten wie Malcolm X, der Führer der Black Panther in den USA, und Léopold Sédar Senghor, der afrikanische Poet und Literat sowie erster Staatspräsident des Senegal.

    Kaum eine Emanzipationsbewegung kam mehr ohne die positive Herausstellung der Differenz aus. Das gilt vor allem für die Frauenbewegung, in der sich der Feminismus als eine radikale Strömung herausbildete, deren Vertreterinnen es nicht allein mehr bei der Forderung nach Gleichstellung beließen, sondern das Vorhandensein unüberbrückbarer sowohl sozial bedingter als auch natürlicher Unterschiede zwischen den Geschlechtern reklamierten. Daraus leiten sie regelmäßig das Recht einer weitgehenden Auftrennung der Lebenswelten von Frauen und Männern ab.

    Die stolze Betonung des eigenen Geschlechts, der eigenen kulturellen Identität, der Hautfarbe und der sexuellen Orientierung wurde überall Ausdruck neuen Selbstbewusstseins. „Black is beautiful“ hieß es in den US-Ghettos der Afroamerikaner. Frauen verwiesen auf die Werte Sensibilität und soziale Kompetenz als typisch weibliche. Repräsentanten der Völker des globalen Südens legten Anzug und Krawatte ab und kleideten sich entsprechend ihrer nationalen Tradition.

    So ließ es sich etwa Mahatma Gandhi nicht nehmen, bei einer Reise durch das kalte Großbritannien nur einen dünnen indischen Khadi zu tragen. Die Sprachen der unabhängig gewordenen ehemaligen Kolonien erfuhren eine Aufwertung. Und im globalen Süden kehrte man zu den alten, traditionellen Namen für Städte und Staaten zurück. Mehr und mehr wurde die Praxis aufgegeben, den Kindern westliche Vornamen zu geben. Es war eine Kulturrevolution, die sich in den Jahrzehnten nach Ende des zweiten Weltkriegs sowohl unter den Farbigen in den westlichen Zentren als auch im globalen Süden ereignete, und die auch viele weiße Frauen in Europa und Nordamerika erfasste.
    Die Behauptung der Überlegenheit der sich Emanzipierenden

    Die radikalsten Vertreter der Emanzipationsbewegungen ließen es aber nicht beim Verlangen nach Differenz bewenden. In Umkehrung des traditionellen Überlegenheitsanspruchs der weißen, männlichen Gesellschaft sahen sie nun die eigene Kultur, Nationalität, Hautfarbe bzw. Geschlecht als nicht mehr länger nur gleichrangig, sondern als überlegen an:8

    Die Identität und die Differenz werden nicht nur behauptet, sondern tendenziell noch weiter vertieft und radikalisiert. Einige schwarze Intellektuelle und Militante stellen das schwarze Denken mit seiner emotionalen Dimension der westlichen Erziehung entgegen, die beschuldigt wird, historisch die Gefühle untergeordnet zu haben, um der Kommunikation und Berechnung ausschließlichen Wert zu verschaffen. Bereits Senghor hat die These formuliert, wonach die Emotion schwarz, hingegen die Vernunft hellenisch sein.
    Domenico Losurdo

    Diese naturalistische Zuordnung hält aber einer Überprüfung nicht stand, denn Tatsache ist, dass es heute unzählige schwarze Naturwissenschaftler, Ingenieure, Techniker, Mediziner, Hochschullehrer sowie Lehrer gibt, die bei ihrer Arbeit selbstverständlich nicht ihren Gefühlen, sondern den Gesetzen der Vernunft folgen.

    Der junge Mahatma Gandhi ging sogar so weit, zentrale Errungenschaften der Zivilisation als stumpfen Materialismus zu verurteilen:9

    Als synonym mit Unterwerfung, Versklavung und Gewalt gelten nun auch die Eisenbahn, die Industrie, die Benutzung von Maschinen, die Verstädterung und die Zerstörung der traditionellen bäuerlichen Gesellschaft. Dieser unwiderruflichen Verurteilung entgeht nicht einmal die Medizin, die ebenfalls unheilvoll sei, da sie beanspruche den Menschen zu heilen, indem sie zu Versuchszwecken Tausende von Tieren töte und sogar die Vivisektion praktiziere.
    Mahatma Gandhi

    Nach Gandhi seien "die dunklen Seiten der (…) indischen Tradition eine Kleinigkeit verglichen mit der Barbarei, die vom Okzident aus auch Indien zu verschlingen drohe."10 Doch mit einer solch nihilistischen Verwerfung der westlichen Moderne war der Aufbau eines unabhängigen Indiens unmöglich. Und so nutzte denn auch Jawaharlal Nehru, Nachfolger Gandhis als indischer Ministerpräsident, alle westlichen Errungenschaften, die dem Land für seine Entwicklung nützlich waren.

    Heute behaupten Vertreter der sogenannten „Postkolonialen Theorie“, dass der Marxismus und die hinter ihm stehenden Traditionen der westlichen Aufklärung die Emanzipation des globalen Südens nicht voranbringen könnten, da diese letztlich eurozentristisch fixiert blieben. Gefordert wird ein „Anti-Universalismus“, trage doch der Universalismus Mitschuld an der kolonialen Herrschaft.11

    Behauptet wird die Existenz eines Essentialismus, wonach es jeweils einen gemeinsamen kulturellen Kern gäbe, den alle Mitglieder einer Kultur teilten. Ihr Verhalten bleibe daher letztlich durch ihre kulturelle Zugehörigkeit bestimmt.

    Eine moralisch und naturalistisch begründete Überhöhung der eigenen Identität in Form eines Essentialismus können wir auch bei Vertreterinnen des Feminismus beobachten. Die den Frauen von Männern zugeschriebenen Eigenschaften des Mangels an Mut und des Fehlens kriegerischen Geistes werden von ihnen nicht länger als zu widerlegende Vorurteile, sondern als positive Eigenschaften gesehen, die es zu bewahren gälte.

    Doch die Realität widerspricht dieser Behauptung. In der Geschichte finden sich genügend Frauen, die in ihrer Gewaltbereitschaft und selbst in ihrer Blutrünstigkeit Männern nicht nachstanden. Es war wohl eher ein Mangel an Gelegenheiten, die die Frauen heute als friedlicher erscheinen lassen.

    Die Verklärung der essentialistischen Kultur im Westen

    In den westlichen Gesellschaften zeigen sich viele von der behaupteten moralischen Überlegenheit der um ihre Rechte Kämpfenden überzeugt. So wird bis heute der von Gandhi angeführte hinduistisch inspirierte gewaltfreie Widerstand als Ausdruck fernöstlicher Friedfertigkeit verklärt.

    Übersehen wird dabei, dass in diesem Kampf unzählige Opfer in den eigenen Reihen bewusst in Kauf genommen wurden, denn nur so war es möglich, die britischen Kolonialtruppen zu übermäßiger Härte zu provozieren, um sie dann in den Augen der Weltöffentlichkeit zu delegitimieren. Der gewaltfreie Widerstand war in Wirklichkeit ein ausgesprochen blutiger!12

    Eine hohe Wertschätzung im Westen genießt auch der Buddhismus. Seine Anhänger werden als grundsätzlich friedfertig angesehen, die deshalb zu hilflosen Opfern staatlicher Repression werden und in zwischenreligiösen Konflikten regelmäßig unterliegen. Perfekt verkörpert wird dieses Image vom tibetischen Dalai Lama, dessen „Friedensbotschaften“ für die westlichen Staaten heute so nützlich in ihrem Kampf gegen die Volksrepublik China sind.

    Verschwiegen wird dabei regelmäßig, dass das alte Tibet des Dalai Lama eine rückständige Feudalgesellschaft war, die sich durch Diskriminierung, Unterdrückung, religiöse Intoleranz und vor allem Gewalt auszeichnete.13

    Der Vergleich zwischen dem Dalai Lama (zum Symbol der Friedfertigkeit erhoben) und China (als Synonym für Gewalt und Unterdrückung abgestempelt) ist integraler Bestandteil des Great Game, das mehr denn je gespielt wird."
    Domenico Losurdo

    Und was die grundsätzliche Friedfertigkeit des Buddhismus angeht, so haben die von buddhistischen Mönchen in Myanmar angeführten Pogrome gegen die muslimischen Rohingya erst jüngst der Weltöffentlichkeit vor Augen geführt, dass sie eine Schimäre ist.

    Eine vergleichbare Verklärung gibt es gegenüber dem Islam. Vor dem Hintergrund der berechtigten Kritik an Diskriminierungen von Moslems spricht man verallgemeinernd von einer „Islamophobie“ des Westens. Verdeckt werden damit aber die Schattenseiten dieser Religion, sei es ihre verbreitete Intoleranz gegenüber „Ungläubigen“ oder die von ihr verteidigte patriarchalische Gesellschaftsordnung, in der Frauen und sexuelle Minderheiten diskriminiert werden.

    Übersehen wird auch die große Gewaltbereitschaft in islamischen Gesellschaften, sei es die dort existierende terroristische Gewalt oder der oft blutig ausgetragene Kampf zwischen Sunniten und Schiiten.

    Hindus, Buddhisten und Moslems sind daher so wenig bessere Menschen als es Frauen, Juden, Schwarze, oder auch Homosexuelle sind. Ihre Diskriminierung in westlichen Gesellschaften rechtfertigt es nicht, ihre Defizite zu übersehen bzw. zu leugnen.

    Man muss sich vielmehr lösen von der traditionellen Haltung der Überlegenheit des christlichen, heterosexuellen, weißen Mannes gegenüber Frauen, anderen Rassen, Religionen und Angehörigen minoritärer sexueller Orientierungen, ohne aber zugleich in das Gegenteil zu verfallen und deren moralische Überlegenheit zu behaupten.
    Die Bedeutung der Dimension Mensch

    Es ist an der Definition der Menschenrechte festzuhalten, wie sie sich ab der Französischen Revolution entwickelt hat, wonach alle Menschen Träger von bürgerlichen, politischen und wirtschaftlich-sozialen Rechten sind. Dies bedeutet, „von der Klasse, von der Rasse, vom Geschlecht usw. zu abstrahieren, um die Differenz des Menschen im Vergleich zur tierischen oder nichtmenschlichen Welt hervorzuheben“.14

    Dabei geht es nicht darum, die verschiedensten Differenzen zu leugnen oder auch nur zu bagatellisieren, sie müssen vielmehr in ihrer ganzen Bedeutung anerkannt und respektiert werden. Dabei darf man aber nicht stehen bleiben, denn das Allgemeine muss dergestalt sein, dass es das Besondere in sich fasse.

    Losurdo zitiert hier Lenin, der wiederum in seinem Konspekt zu Hegels „Wissenschaft der Logik“ den großen deutschen Philosophen zitiert:15

    Eine ausgezeichnete Formulierung: ’Nicht nur abstrakt Allgemeines, das den Reichtum des Besonderen, des Individuellen, den Einzelnen in sich fasst’ (allen Reichtum des Besonderen und des Einzelnen!) !! Tres bien!
    Lenin

    Angesichts der Verbrechen und Kriege, die vom Westen im Namen der Menschenrechte ausgeübt bzw. geführt werden, fügt Losurdo dem aber eine Warnung hinzu:16

    So ausgezeichnet diese Formel auch sein mag, schützt sie als solche noch nicht vor dem Abgleiten vom behaupteten Allgemeinen in ein Pseudo-Allgemeines, dass der Mann oder der weiße Mann oder der Eigentümer oder der westliche Mensch usw. sein kann. Wenn das Allgemeine nicht in der Lage ist, das Besondere zu subsumieren, rückt es selber zum Besonderen herab, und zu einem Besonderen, dem die Form der Allgemeinheit ein weiteres Potential der Aggressivität verleihen kann.
    Domenico Losurdo

    Dieser Gefahr der Instrumentalisierung der Menschenrechte für die Aufrechterhaltung der überkommenen bürgerlichen Gesellschaftsordnung kann nur begegnet werden, wenn man eine konkrete Analyse der konkreten Situation vornimmt. Mit anderen Worten: Es kommt darauf an, wer sich jeweils in welchem Zusammenhang auf die Menschenrechte beruft.
    Separation - Das Mantra identitärer Politik

    Zur Notwendigkeit einer solchen Analyse tritt die Suche nach dem Verbindenden, nach dem Allgemeinen, in dem der Reichtum des Besonderen aufgehoben ist. Damit unvereinbar ist es, die Klassen, Rassen, Geschlechter, Religionen und Kulturen jeweils nur für sich zu betrachten und gegeneinander abzuschotten.

    Das aber ist das Mantra der identitären Politik:17

    Kurz gesagt: Kann man vom „Menschen schlechthin“, zur „Frau schlechthin“, zum „Schwarzen schlechthin“ oder zum „Proletarier schlechthin“ übergehen? Jedes Mal kann man allerdings neue Differenzen einführen, Die nominalistische Auflösung der allgemeinen Begriffe kann bis ins Unendliche weitergehen, bis zur Unmöglichkeit des Gesprächs und der Kommunikation, bis hin zum Schweigen der Mystik oder des Wahnsinns.
    Domenico Losurdo

    In den westlichen Gesellschaften beschreitet man aber diesen Weg der Separierungen, d.h. der Emanzipation nur der jeweiligen unterdrückten Klasse, des jeweiligen benachteiligten Geschlechts, der jeweiligen missachteten sexuellen Orientierung, der jeweiligen diskriminierten Religion usw. Hauptinstrument dieser Separierung ist die Quotierung.

    Sie sichert etwa seit Jahren den Frauen in den Parteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen sowie Linkspartei einen festen Anteil an den innerparteilich zu vergebenden Posten als auch bei öffentlichen Mandaten.18

    Inzwischen haben auch die Unionsparteien die Einführung einer solchen Frauenquote bis 2025 für sich beschlossen. Noch weiter geht die Forderung, dass alle Parteien per Gesetz darauf verpflichtet werden bei Wahlvorschlägen Frauen wie Männer zu gleichen Anteilen für öffentliche Mandate aufzustellen.19

    Eine feste Frauenquote soll es künftig auch in den Vorständen großer Unternehmen geben. Von all diesen Quotierungen profitieren aber nur sehr wenige Frauen, jene die bereits heute in Parteien und Unternehmen führende Positionen einnehmen. Ihre Karrierechancen verbessern sich dadurch deutlich. Für die große Mehrheit der Frauen verändert sich deren Situation hingegen nicht. Neuerdings soll mit Hilfe der Quotierung auch die gesellschaftliche Position von Menschen mit Migrationshintergrund verbessert werden.20

    Die Praxis der Quotierung ist zu einem anerkannten Mechanismus für die Zuordnung gesellschaftlicher Chancen einzelner Gruppen geworden. Die Geschlechter und andere gesellschaftliche Gruppen erhalten auf diese Weise eigene, nach außen fest abgegrenzte Räume, wobei dann nur noch Verhandlungen darüber zu führen sind, wie groß diese Räume jeweils sein dürfen.

    Doch was ist mit dem „Dritten Geschlecht“ von dem immer häufiger die Rede ist? Wird es für jene, die sich ihm zurechnen und für die bereits die Bezeichnung „divers“ verwendet wird, auch bald eine Quotierungsregelung geben?

    In dem vom Brandenburger Landtag auf Initiative von SPD und Linkspartei beschlossenen Paritätsgesetz war für diese Menschen eine solche Quotierung bereits vorgesehen. Und was ist mit den Behinderten, den Angehörigen religiöser Minderheiten und anderer Gruppen? Sie werden ebenfalls auf ihre Quoten pochen. Wo endet dann die um sich greifende Praxis der Separierung?

    Im Ergebnis entsteht eine immer stärke Zerteilung der Gesellschaft bei gleichzeitiger Sprachlosigkeit der verschiedenen Akteure untereinander. Es droht die Herausbildung einer neuen Kastenordnung.

    Das Elend der identitären Politik

    Das Aufkommen der identitären Politik kann nur vor dem Hintergrund der neoliberalen Wende am Beginn der 1980-Jahre verstanden werden. Mit der Verschiebung der Machtverhältnisse zugunsten der Privilegierten und Besitzenden endete eine die Phase der Emanzipation nach dem zweiten Weltkrieg, in der es zu Fortschritten in der Emanzipation der Frauen, der Rassen, der Menschen des globalen Südens, vor allem aber der Lohnabhängigen gekommen war.

    Erneut begann nun eine Phase der De-Emanzipation. Beschleunigt wurde diese Entwicklung durch die Auflösung der Sowjetunion und des europäischen sozialistischen Staatensystems. Für die Bundesrepublik bedeutete die Übernahme der DDR, dass sich für viele Lohnabhängige im Osten aber auch im Westen, darunter insbesondere Frauen, deren Situation erheblich verschlechterte.

    Mit dem Ende der Systemalternative verschwand in Ost wie in West das Ziel der Emanzipation der Allgemeinheit, des Menschen schlechthin, das bis dahin - wenn auch oft mit einem utopischen Akzent versehen - mit dem Begriff Sozialismus gekennzeichnet worden war. Die Diskriminierten und Unterdrückten versuchen seitdem ihre Emanzipation ohne ein solch integrierendes historisches Projekt voranzubringen. Das Mittel dazu ist die identitäre Politik!

    Vorangetrieben wird diese Segmentierung der Politik von den übrig gebliebenen Linken, die in der identitären Politik einen Ersatz für die verloren gegangene Perspektive einer allgemeinen Emanzipation sehen.21 Die Glorifizierung und Romantisierung der um ihre Emanzipation Kämpfenden trat dabei an die Stelle des Projekts Sozialismus:22

    In der Linken bildet dieser extreme Nominalismus das epistemologische Pendant zur politischen Unfähigkeit, ein allgemeines Projekt der Emanzipation auszuarbeiten.
    Domenico Losurdo

    Und in einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung heißt es zu Recht:23

    Partikularistische Sentimentalitäten waren der kommunistischen Idee ebenso fremd wie selektive Monopolisierungen kultureller Elemente. Die kommunistische Ideologie war universalistisch und dezidiert fortschrittsorientiert. Daher ist es bemerkenswert, dass sich jetzt ausgerechnet Teile der Linken als Speerspitze einer kruden Identitätspolitik gerieren, die im Kern um einen neoessentialistischen Kulturbegriff kreist.
    FAZ

    An der Emanzipation der Allgemeinheit festhalten!

    In der Geschichte des Sozialismus gibt es viele Anknüpfungspunkte für solch ein „allgemeines Projekt der Emanzipation“. Bereits Karl Marx und Friedrich Engels verstanden unter der von ihnen geforderten Emanzipation des Menschen keineswegs nur die Befreiung des Proletariats von der Lohnarbeit.

    Der junge Engels sah vielmehr in seiner Schrift „Zur Lage der arbeitenden Klasse in England“ ganz allgemein im „Proletariat das Gegengewicht zu dem von Individualisierungen und Privateigentum verursachten sozialen Auflösungserscheinungen“.24 Auch für Marx kam dem Proletariat eine zentrale politische Aufgabe zu: Nur diese Klasse sei aufgrund ihrer gesamtgesellschaftlichen Stellung in der Lage, „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“.25

    Im „Kommunistischen Manifest“ schreiben die beiden Denker:26

    Indem das Proletariats zunächst sich die politische Herrschaft erobern, sich zur nationalen Klasse erheben, sich selbst als Nation konstituieren muss, ist es selbst noch national, wenn auch keineswegs im Sinne der Bourgeoisie.
    Karl Marx und Friedrich Engels

    Sich zur „Nation zu konstituieren“ bedeutet hier nichts anderes als das Allgemeininteresse zu formulieren und durchzusetzen. Bereits zuvor heißt es im Manifest:27: „Alle bisherigen Bewegungen waren Bewegungen von Minoritäten oder im Interesse von Minoritäten. Die proletarische Bewegung ist die selbständige Bewegung der ungeheuren Mehrzahl im Interesse der ungeheuren Mehrzahl.“

    In der II. Internationale, am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, wurde diese allgemeingesellschaftliche Rolle des Proletariats mehr und mehr auf eine berufsständische Sicht der Erringung und des Erhalts des sozialen Stands der Lohnabhängigen reduziert. Es war in erster Linie das Verdienst Lenins, diese Verengung zunächst theoretisch zu kritisieren und dann in der Oktoberrevolution auch praktisch aufzulösen:28

    Lenin war der erste Sozialdemokrat, der die berufsmäßige Selbstisolierung der Arbeiterbewegung durchschaute und als das Haupthindernis für die Revolution bekämpfte.
    Arthur Rosenberg

    Die Russische Revolution war aber nicht nur Vorbild für die revolutionäre Arbeiterbewegung in Westeuropa, sondern vor allem auch für die nationalrevolutionären Befreiungsbewegungen des globalen Südens. Während die Revolutionen im Westen scheiterten, erhielt sich im Osten und Süden der revolutionäre Impuls. Die Umwälzungen in China, Korea und dann in Vietnam wurden so möglich. Auch in Lateinamerika, in der arabischen Welt und in Teilen Afrikas blieb das Vorbild des Roten Oktober lebendig. Sichtbarster Ausdruck davon war die kubanische Revolution 1959.

    Mao Zedong, Ho Chi Minh, Castro und die anderen Revolutionäre konnten aber nicht nur an Lenin, sondern auch an Karl Marx und Friedrich Engels anknüpfen. Beide hatten sich Zeit ihres Lebens gegen rassistische und nationale Unterdrückung ausgesprochen und sie in Worten und Taten bekämpft. Sie verfolgten mit großem Interesse den Sezessionskrieg in den USA und unterstützten die Sache des Nordens. Die Arbeiter in Europa forderten sie auf, sich mit den Gegnern der Sklaverei solidarisch zu zeigen.

    Ein besonderes Anliegen war ihnen stets die Solidarität mit dem von Großbritannien unterdrückten Irland. Friedrich Engels plante ein Buch über die Geschichte der Insel und über den Befreiungskampf des irischen Volkes zu schreiben, andere dringende Arbeiten verhinderten aber seine Fertigstellung.29

    Mit großer Sympathie begleiteten Marx und Engels auch den Kampf des polnischen Volkes um seine Selbstbestimmung. Eine Kundgebung englischer und französischer Arbeiter 1863 zur Solidarität mit dem polnischen Aufstand gegen die russische Herrschaft wird Anlass für die Gründung der Internationalen Arbeiterassoziation. Am Ende seines Lebens beschäftigt sich Marx intensiv mit den historischen, sozialen und politischen Verhältnissen in Russland, China und Indien.

    Aus den von ihm dafür herangezogenen Büchern fertigt er umfangreiche Exzerpte an, von denen bis heute erst wenige veröffentlicht sind. In einem Brief an die russische Zeitung „Otetschestwennyje Sapiski“ widerspricht Marx ausdrücklich der Behauptung, er habe mit „seiner historischen Skizze von der Entstehung des Kapitalismus in Westeuropa“ eine „geschichtsphilosophische Theorie des allgemeinen Entwicklungswegs“ vorgelegt, der „allen Völkern schicksalsmäßig vorgeschrieben“ ist.

    Er bestreitet denn auch, dass es einen „Universalschlüssel einer allgemeinen geschichtsphilosophischen Theorie“ gäbe.30 Marx war demnach - zumindest in seinen späteren Jahren - keineswegs jener Eurozentrist, der keinen Blick für andere Entwicklungswege in anderen Gesellschaften hatte, wie heute von Vertretern der „postkolonialen Theorie“ behauptet wird.

    Auch in der Geschlechterfrage sahen die beiden Klassiker sehr wohl ein Unterdrückungsverhältnis. Hier war es vor allem Engels, der dieser Frage große Beachtung schenkte. In seinem Text „Grundsätze des Kommunismus“ plädierte er für den Kommunismus, da er „die Abschaffung des Privateigentums zum Ziel habe und eine gemeinschaftliche Kindererziehung befürworte. Dadurch zerstöre er ’die beiden Grundlagen der bisherigen Ehe, die Abhängigkeit des Weibes vom Mann und der Kinder von den Eltern vermittelt des Privateigentums’“.31

    1884 erscheint sein Werk „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats“, in dem er die Bedeutung der Klassenverhältnisse auf die Entwicklung der Familie untersucht. Inzwischen werden immer mehr Notizen und Buchexzerpte bekannt, die zeigen, dass sich auch Marx in seinen späteren Jahren intensiv mit der Geschlechterfrage beschäftigt hatte.32 Auf jeden Fall war sie für Marx und Engels alles andere als ein „Nebenwiderspruch“!

    Das Werk von Marx und Engels bietet daher die Grundlage für die Entwicklung einer Theorie der allgemeinen Emanzipation. Über Marx schreibt Losurdo abschließend:33

    „Zumindest in seiner reifsten Formulierung will seine Theorie eine allgemeine Theorie des sozialen Konflikts sein, der sich von Mal zu Mal anders darstellt und der nur mit Hilfe einer konkreten Analyse der konkreten Situation erfassbar ist.“

    Auf dieser Basis lässt sich der Kampf gegen die Identitätspolitik führen.

    #philosophie #histoire #idéologie #marxisme

    • ...

      Fussnoten
      1

      Domenico Losurdo, Gleichheit, Allgemeinheit, Differenz - Für einen konkreten Universalismus, in: Brecht - Eisler - Marcuse 100. Fragen kritischer Theorie heute. Institut für kritische Theorie, Argument Sonderband neue Folge 266, Berlin/Hamburg 1999, S. 79
      2

      Vgl. Walter Markov, Albert Soubol, 1789. Die Große Revolution der Franzosen, Köln 1989, S. 143
      3

      In seiner Vorlesung über die Philosophie des Rechts im Wintersemester 1819/20 sagt Hegel: „Dass man bei einer feierlichen Gelegenheit den Code Napoléon verbrannt hat, kann als eine traurige Erscheinung unter unserer Jugend betrachtet werden. (…) Der Code Napoléon enthält jene großen Prinzipien der Freiheit des Eigentums und der Beseitigung all dessen, was aus der Feudalzeit herrührt.“ Georg Friedrich Wilhelm Hegel, Philosophie des Rechts, Die Vorlesung von 1819/20 in einer Nachschrift, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1983, S. 172 f.
      4

      Mit diesen Worten pries Hegel die Französische Revolution. Vgl. Joachim Ritter, Hegel und die Französische Revolution, Westdeutscher Verlag 1957, S. 18
      5

      Losurdo, Gleichheit, Allgemeinheit, Differenz - Für einen konkreten Universalismus, a.a.O., S.80
      6

      Ebenda. Auch in anderen englischen Siedlerstaaten verfuhr man so. In einem Bericht über die Behandlung der Ureinwohner Kanadas hieß es: „Über einen Zeitraum von mehr als 100 Jahren entriss die Regierung fast 150.000 Kinder ihren Familien und steckte sie in Internate. Dort sollte ihre Kultur - Feste, Lieder, Sprache, Religion - in Vergessenheit geraten, während die Traditionen der europäischen Einwanderer erlernt werden sollten. Gewalt, Zwangsarbeit und sexueller Missbrauch waren an der Tagesordnung.“ In: Überreste von 215 Kindern entdeckt, FAZ vom 31.05.2021
      7

      Losurdo, Gleichheit, Allgemeinheit, Differenz - Für einen konkreten Universalismus, a.a.O., S. 81
      8

      Losurdo, Gleichheit, Allgemeinheit, Differenz - Für einen konkreten Universalismus, a.a.O., S. 83
      9

      Domenico Losurdo, Gewaltlosigkeit, Hamburg 2010, S. 48 f.
      10

      Ebenda
      11

      Vgl. zur Kritik der postkolonialen Theorie: Wie spricht die Subalterne? Interview mit Vivek Chibber, in: Marx und der globale Süden, Köln 2016, S. 56 ff.
      12

      Vgl. Domenico Losurdo, Gewaltlosigkeit, a.a.O., Kapitel 4, Abschnitt 3 „Gewaltlosigkeit als Technik, um moralische Empörung hervorzurufen“, S. 95 ff.
      13

      Domenico Losurdo, Gewaltlosigkeit, a.a.O., S. 215
      14

      Losurdo, Gleichheit, Allgemeinheit, Differenz - Für einen konkreten Universalismus, a.a.O., S. 88
      15

      W.I. Lenin, Konspekt zu Hegels „Wissenschaft der Logik“, in: Lenin Werke, Berlin 1964, Band 38, S. 91
      16

      Losurdo, Gleichheit, Allgemeinheit, Differenz - Für einen konkreten Universalismus, a.a.O., S. 92
      17

      Losurdo, Gleichheit, Allgemeinheit, Differenz - Für einen konkreten Universalismus, a.a.O., S. 90
      18

      In Deutschland führte zunächst die Partei Bündnis 90/Die Grünen eine feste Quote für Frauen auf ihren Vorschlagslisten für öffentliche Mandate ein. Für die SPD gilt die Geschlechterquote seit dem Bundesparteitag 1988 für alle Wahlen innerhalb der Partei und alle Europa-, Bundes-, Landtags- und Kommunalwahlen. Sie besagt, dass in Parteifunktionen und Wahllisten Männer und Frauen jeweils zu mindestens 40 Prozent vertreten sein müssen. Die Partei DIE LINKE hat die „Geschlechterdemokratie“ in ihrer Bundessatzung verankert. Danach gilt: „Bei Wahlen von Vorständen, Kommissionen, Arbeitsgremien und Delegierten sind grundsätzlich mindestens zur Hälfte Frauen zu wählen. (…) Bei Wahlvorschlaglisten sind einer der beiden ersten Listenplätze und im Folgenden die ungeraden Listenplätze Frauen vorbehalten, soweit Bewerberinnen zur Verfügung stehen. (…) Reine Frauenlisten sind möglich.“ Vgl. Bundessatzung der Partei DIE LINKE
      19

      2019 hatte der Landtag Brandenburg auf Initiative von SPD und der Partei DIE LINKE das sogenannte „Paritätsgesetz“ beschlossen und damit die gesetzliche Quotierung der Landeslisten für alle Parteien für die übernächste Landtagswahl angeordnet. Für Menschen, die sich weder als männlich noch als weiblich sehen, waren besondere Plätze auf den Wahllisten vorgesehen. Ein entsprechendes Gesetz beschloss auch der Landtag von Thüringen. Inzwischen haben sowohl der Thüringer Verfassungsgerichtshof als auch das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg die Gesetze verworfen, da sie in unzulässiger Weise in die innere Ordnung der Parteien eingreifen.
      20

      Im Januar 2021 gab die von der Partei DIE LINKE gestellte Berliner Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales Elke Breitenbach ihre Absicht bekannt, eine 35-Prozent-Quote für Migranten im Öffentlichen Dienst einzuführen und künftig ihre Bevorzugung bei einer Einstellung vorzunehmen. Vom Koalitionspartner SPD wurde dieser Vorschlag abgelehnt. Vgl. SPD wertet Breitenbachs Vorstoß als „grobes Foul“; Tagesspiegel vom 16.01.2021
      21

      Eine Ausnahme ist Sahra Wagenknecht. In ihrem Buch „Die Selbstgerechten. Mein Gegenprogramm für Gemeinsinn und Zusammenhalt“ unterzieht sie die identitäre Politik einer schonungslosen Kritik.
      22

      Losurdo, Gleichheit, Allgemeinheit, Differenz - Für einen konkreten Universalismus, a.a.O., S. 90, Nominalismus wird hier als die Existenz eines Allgemeinbegriffs verstanden, der nur im Denken existiert und keine Entsprechungen in der Realität hat.
      23

      Susanne Schröter, Mehr kulturelle Aneignung wagen, in: FAZ vom 14.06.2021
      24

      Gareth Stedman Jones, Das Kommunistische Manifest von Karl Marx und Friedrich Engels. Einführung, Text, Kommentar, München 2012, S. 82
      25

      Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, Marx-Engels-Werke (MEW) 1, Berlin 1983, S. 385
      26

      Karl Marx und Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, MEW 4, Berlin 1983, S. 479
      27

      Karl Marx und Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, a.a.O., S. 472
      28

      Arthur Rosenberg, Demokratie und Sozialismus, zur politischen Geschichte der letzten 150 Jahre, Frankfurt am Main 1962, S. 280
      29

      Dokumentiert sind die Artikel und Briefe über Irland in: Karl Marx und Friedrich Engels, Irland. Insel im Aufruhr, Berlin (DDR), 1975
      30

      Karl Marx, Brief an die Redaktion der russischen Zeitung „Otetschestwennyje Sapiski“, geschrieben etwa November 1877, in: MEW 19, S. 111 f.
      31

      Gareth Stedman Jones, Das Kommunistische Manifest von Karl Marx und Friedrich Engels, a.a.O., S. 88
      32

      Vgl. dazu Heather Brown, Geschlecht und Familie bei Marx, Berlin 2021
      33

      Losurdo, Gleichheit, Allgemeinheit, Differenz - Für einen konkreten Universalismus, a.a.O., S. 88

  • Mehr Rechtssicherheit für Spaniens „Rider“ | Telepolis
    https://www.heise.de/tp/features/Mehr-Rechtssicherheit-fuer-Spaniens-Rider-6052684.html


    Bravo !

    Amazon, Glovo, Deliveroo & Co.: Spanien beendet die Scheinselbständigkeit für Fahrer von Lieferdiensten. Doch eine umfassende Regulierung steht weiter aus

    Die Online-Handelsplattformen und Lieferdienste zählen eindeutig zu den Krisengewinnern der Corona-Pandemie: Die „Plattformisierung“ der Ökonomie wurde über die Krise auf eine völlig neue Stufe gehoben. Dass der Online-Gigant Amazon, auch bekannt für sein Vorgehen gegen Gewerkschaften und für ungesunde Arbeitsbedingungen, seinen Gewinn im ersten Quartal 2021 gegenüber dem Vorjahreszeitraum mehr als verdreifacht und somit auf 8,1 Milliarden Dollar erhöht hat, spricht eine deutliche Sprache.

    Ein Grund dafür, dass der Umsatz nur um 44 Prozent auf 108,5 Milliarden Dollar (rund 89,5 Milliarden Euro) zugelegt hat, sind natürlich auch die längst bekannten Strategien der Steuervermeidung, die sogar US-Präsident Joe Biden kritisiert, der deshalb eine weltweite Mindeststeuer für Konzerne durchsetzen will.

    In Deutschland hat die Partei Die Linke kürzlich eine Studie über die „Methode Amazon“ vorgestellt. Martin Schirdewan, Mitglied im Finanz- und Währungsausschuss sowie im Sonderausschuss für Steuerfragen der Linken im Europäischen Parlament, hatte die Untersuchung in Auftrag gegeben. Zusammenfassend erklärte er: „Amazon hat wohl in den vergangenen Jahren durch Steuerumschichtung und Bilanztricks weltweit so gut wie keine Steuern gezahlt. Amazon hat aus Steuervermeidung ein Geschäftsmodell erschaffen. So haben sie sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihrer Konkurrenz aufgebaut.“

    Körperschaftssteuer? Doch nicht Amazon!
    Trotz des Rekordumsatzes hat Amazon in Europa 2020 keinen Euro Körperschaftssteuer bezahlt, nicht einmal einen Cent. Dabei erwirtschaftet der von Jeff Bezos gegründete Multi, dessen Wurzeln in Spanien liegen, einen guten Teil seiner Gewinne in Europa, wo er 2020 einen Umsatz von 44 Milliarden Euro gemacht hat. In Deutschland stieg der Umsatz um etwa 33 Prozent auf etwa 24,7 Milliarden Euro. Mehr Umsätze generierte der Multi nur in den USA. Doch Körperschaftssteuer hat der Online-Riese trotz der Mega-Gewinne nicht gezahlt, berichtete Anfang Mai der britische Guardian.

    Offiziell macht das US-Unternehmen, dass seinen Sitz im Steuerparadies und EU-Mitgliedsland Luxemburg hat, sogar Verluste in Europa. Jedem normalen Unternehmer in Europa müsste diese unlautere Konkurrenz die Zornesfalten ins Gesicht treiben, da man mit Amazon praktisch nicht konkurrieren kann. Sie müssten sich eigentlich in dieser Frage auch mit den Gewerkschaften in ein Boot setzen und die Arbeitsbedingungen und Tarife für die Beschäftigten auf digitalen Plattformen regeln, die ebenfalls erheblich zu den real enormen Gewinnen von Firmen wie Amazon beitragen.

    Denn die Firma geht auch rabiat gegen Mitarbeiter vor, die sich organisieren und für bessere Bedingungen kämpfen. In Spanien sollen sogar Spitzel für „Union Busting“ eingesetzt worden sein.

    Arbeitsministerin stolz auf Regulierung
    In dem Land tut sich, wenn auch sehr zaghaft, etwas, wenn es darum geht, die digitalen Plattformen endlich zu regulieren. Erstaunlicherweise sitzen ziehen dabei sogar die Gewerkschaften und Unternehmen einmal an einem Strang mit der Regierung. „Spanien ist zum Vorreiter internationaler Gesetzgebung geworden“, erklärte die spanische Arbeitsministerin Yolanda Díaz vergangene Woche, nachdem das Kabinett das sogenannte „Rider-Gesetz“ als Dekret verabschiedet hatte. Es soll am 12. August in Kraft treten. Den Firmen wird bis dahin Zeit gegeben, sich darauf einzustellen.

    Nach dem Rider-Gesetz soll es selbstständige Fahrer von Internetplattformen wie Glovo, Deliveroo, Uber Eats nicht mehr geben: Sie sollen in der Zukunft normale Beschäftigte sein. Díaz merkte dazu an, dass es sonst „kein Land auf der Welt gibt, das es gewagt hat“, digitale Plattformen zu regulieren. „Erstmals schaut die Welt auf Spanien“, meint sie sogar etwas großspurig. Das hat natürlich mit der sehr schwierigen Lage ihres Linksbündnisses Unidas Podemos (UP) zu tun.

    Die Formation ist dringend auf Erfolge angewiesen. In der Koalition mit den Sozialdemokraten (PSOE) als Seniorpartner hat Ministerpräsident Pedro Sánchez Podemos bisher am langen Arm verhungern lassen. Das Bündnis hat bisher praktisch kaum etwas von seinen Vorstellungen umsetzen können, was zu massiven Spannungen führt. Die „Empörten-Bewegung“, aus der Podemos stammt, ist nach zehn Jahren am Ende. Und die Lage in der Linkskoalition ist nach dem Abgang des Podemos-Chef Pablo Iglesias nun so prekär wie die Arbeitsbedingungen vieler Beschäftigter im Land. So ist dies für die Arbeitsministerin, die auch von Iglesias als Nachfolgerin genannt wurde, der richtige Zeitpunkt, auch mal eine positive Nachricht verkünden zu können.

    Beim Rider-Gesetz handelt es sich um einen Kompromiss, den Díaz mit Gewerkschaften und dem Unternehmerverband CEOE ausgehandelt hat. Aus der Nähe betrachtet ist dies aber bestenfalls ein halber Sieg. Das Gesetz kommt nämlich viel zu spät. Denn über die Frage ist höchstrichterlich längst entschieden worden. Wie Telepolis schon berichtete, waren es „Rider“ wie Isaac Cuende, die in langen Jahren über Proteste, Streiks und über die Justiz bis zum Obersten Gerichthof erkämpft hatten, dass die Fahrer auf Fahrrädern, Motorrädern oder Elektrorollern keine „Selbstständigen“ mehr sind.

    Zuvor hatten auch untergeordnete Gerichte schon deren Scheinselbständigkeit festgestellt. Auch Arbeitsinspekteure kamen nicht selten zu diesem Schluss und verhängten Bußgelder gegen die betreffenden Unternehmen. So wurde nur noch in ein Dekret gegossen, was längst offizielle Rechtslage ist. Auch deshalb wollte sich die CEOE nicht querstellen.

    Positiv angesichts einer sehr unberechenbaren und politisierten Justiz ist aber, dass nun Rechtssicherheit für die Rider geschaffen wurde. Die Fahrer sind nicht mehr darauf angewiesen, ihre Rechte einzeln einzuklagen, sollte das Dekret tatsächlich innerhalb der nächsten drei Monate im Parlament bestätigt werden. Für die Gewerkschaften ist ein „wichtiger erster Schritt“ erreicht worden. Gonzalo Pino von der Arbeiterunion (UGT) erklärt aber auch, dass man eigentlich die Regulierung aller Plattformen angestrebt habe. Das Gesetz sei trotz allem „ein annehmbarer Kompromiss und ein bedeutender Etappensieg im Kampf gegen Scheinselbstständigkeit“, erklärte der Verantwortliche für Gewerkschaftspolitik. Doch damit sei nur ein Teilsieg erreicht:

    Das Rider-Gesetz beendet nicht den Betrug der Plattformen, es beendet die Debatte darüber, ob es ein Arbeitsverhältnis mit den Zustellfahrern gibt oder nicht, aber der Betrug wird weitergehen, und es ist jetzt der Zeitpunkt, an dem wir unsere gewerkschaftlichen Aktionen durchführen müssen, um den Betrug bei der Einstellung zu bekämpfen, bei der Verwendung von Scheinfirmen, um Tätigkeiten und damit das Geschäftsrisiko weiter auszulagern.

    (Gonzalo Pino, UGT)

    Im aktuellen Kampf geht es nicht mehr darum, ob die Rider überhaupt einen Arbeitsvertrag haben oder nicht, sondern welche Tarifvereinbarung auf sie anwendbar ist, wie man es auch schon aus den Amazon-Streiks kennt. Bei der Auslagerung der Beschäftigten in Scheinfirmen sollen Ansprüche wegfallen, die aus einer längeren Betriebszugehörigkeit rühren. „Das ist das neue Szenario mit den Plattformen, die einen Betrug durch einen anderen Betrug ersetzen werden“, meint Pino.

    Insgesamt zieht seine Gewerkschaft, die den regierenden Sozialdemokraten (PSOE) nahesteht, diesen genauso an den Ohren wie der linken Arbeitsministerin Díaz. Das Gesetz sei eine „verpasste Chance“ die digitale Ökonomie umfassend zu regulieren, meint die UGT in einem Kommuniqué zum Rider-Gesetz. Die Plattformen hätten massiv Druck ausgeübt - und das fällt bei der neoliberalen Truppe in der PSOE, allen voran bei der Wirtschaftsministerin Nadia Calviño, die bei allen progressiven Vorstößen massiv auf die Bremse tritt, auf fruchtbaren Boden.

    Druck auf Regierende von Unternehmen
    So ist das Gesetz nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber es ist heute ja schon fast ein Fortschritt, dass es wenigstens diese Tropfen gibt. Arbeitsministerin Díaz und die Linkskoalition UP sind aber erneut wieder weit hinter ihren Versprechen zurückgeblieben. Versprochen worden war eine umfassende Regelung. Und die hatten auch Fahrer wie Cuende erwartet, schließlich sind Lieferdienste wie Deliveroo, Glovo, Uber Eats bestenfalls die Spitze des Eisbergs. Cuende hatte in seinem zähen Kampf stets auf „ein Modell“ wie das Uber-Modell verwiesen, dass immer breiter benutzt werde. Sogar sein Sohn werde schon als Scheinselbständiger in einem privaten Krankenhaus in Madrid beschäftigt.

    Der Lieferdienst Glovo hatte gehofft, dass die CEOE einen Kompromiss blockieren würde, um die Fahrer zu Einzelklagen zu zwingen. Der Lieferdienst hat deshalb angekündigt, den Unternehmerverband zu verlassen. Unter den bekannteren Lieferdiensten verteidigt nur die Firma Just Eat, die ohnehin längst über eigene Fahrer verfügt, aber bisher ein Mix-Modell angewendet hatte, die Regelung. Glovo wettert im Verband der Lieferdienste (APS) mit Deliveroo, Stuart und Uber Eats gegen das Gesetz, da es die Entwicklung des Sektors „gefährde“.

    Inszenierter Protest
    Der APS, in dem sich Firmen zusammengeschlossen haben, die schon zuvor von Arbeitsinspekteuren sanktioniert worden sind, beschwert sich auch darüber, dass ein Dekret ohne Debatte im Parlament verabschiedet worden sei. Entsetzt ist man auch darüber, dass die Unternehmen ihre Algorithmen offenlegen müssen, nach denen Fahrer ausgewählt werden. Und das, so die Gewerkschaften, soll nun insgesamt Teil der Tarifvereinbarungen werden.

    Allerdings sind offenbar nicht alle Fahrer über ein eher starres Gesetz erfreut, das selbstständige Fahrer praktisch komplett verbietet. Einige fürchten um ihre Flexibilität, andere sogar um ihren - wenn auch prekären - Job, wie sie zum Beispiel gegenüber dem Deutschlandfunk erklärt haben. Die Firmen spielen in der schweren Wirtschaftskrise natürlich mit der Angst vieler in einem Land, in dem vor allem die Arbeitslosigkeit blüht und in dem man leicht durch die großen Maschen des Sozialsystems fallen kann.

    Betroffene verlieren oft schnell auch ihre Wohnung und können auf der Straße landen. So kam es in der vergangenen Woche auch zu Protesten von Fahrern. Und dann machte in einer Live-Sendung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen der Rider Fernando García deutlich, dass kurz zuvor ein Glovo-Verantwortlicher als angeblicher Fahrer interviewt worden sei. Gustavo Gaviria, der Sprecher der „Vereinten Fahrer“ sei eingeschleust. Gaviria „tue nur so, als sei er Rider“, um seinen Diskurs gegen die Regelung führen zu können. Hinter ihm und den Protesten stünden Firmen wie Glovo, die sie auch finanzierten, erklärte García.

    Drohkulisse: Wegfall von Jobs und Arbeitsverdichtung
    Nach Umfragen bei den Firmen, die Rider beschäftigen, sollen von den geschätzt 30.000 Fahrern nur noch etwa 12.000 als sozialversicherungspflichtige Beschäftigte weiterbeschäftigt werden. Wie sie damit das steigende Aufkommen bewältigen wollen, bleibt dabei das Geheimnis der Unternehmen. All das klingt sehr nach Drohkulisse, um für Stimmen im Kongress gegen die Verabschiedung des Gesetzes zu werben. Besonders schwierig ist natürlich die Lage - auch dabei - für Einwanderer und Geflüchtete ohne gültige Papiere, die in diesem Sektor oft ein Einkommen finden konnten. Sie werden zum Teil auch von Ridern angeheuert, die dann ihre Schicht für einen noch geringeren Lohn übernehmen. Im Internet gibt es wiederum Plattformen dafür.

    Somit wäre es dringend nötig, wie es Portugal getan hat, diese Menschen zu „legalisieren“, damit sie nicht in noch schlechtere Arbeitsbedingungen unter totaler Ausbeutung abgedrängt werden. Von extremen Bedingungen hatte UNO-Sonderberichterstatter für extreme Armut schon vor der Corona-Pandemie in Spanien berichtet, wo „die Ärmsten in im Stich gelassen werden“. Der Australier Philip Alston stieß mitten in Europa auf Zustände, „die mit den schlechtesten konkurrieren, die ich je auf der Welt gesehen habe“, sagte er nach seinem Spanien-Besuch.

    #Spanien #Lieferdienste #Plattformwirtschaft #Arbeit #Justiz #Recht

  • Patentschutz für Impfstoffe vorübergehend aussetzen! Teil 1
    https://www.heise.de/tp/features/Patentschutz-fuer-Impfstoffe-voruebergehend-aussetzen-6050368.html?seite=all

    22. Mai 2021 Wolfgang Lieb - Dem Leben von Hundertausenden und der Gesundheit von Milliarden Menschen muss höchste Priorität eingeräumt werden.

    „Höchste Priorität für geistiges Eigentum! - Patentschutz für Impfstoffe sichern“, das hat Friedhelm Ost in seinem Beitrag auf dem Blog der Republik gefordert. Einspruch, Euer Ehren! Halten zu Gnaden: Höchste Priorität haben die Gesundheit von Milliarden Menschen und das Leben von Hunderttausenden auf dem Globus - und deshalb plädiere ich für eine vorübergehende Freigabe der Patente für Impfstoffe, solange die Corona-Pandemie nicht eingedämmt ist.

    Ich gehöre somit zu den (Friedhelm Ost nutzt diesen auch historisch vorbelasteten Begriff) „Gutmenschen“, die für die Aussetzung des Patentschutzes für Corona-Impfstoffe eintreten. Und ich befinde mich dabei in guter Gesellschaft, wie etwa mit dem amerikanischen Präsidenten Joe Biden, mit dem UN-Generalsekretär António Guterres, mit dem Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Tedros Ghebreyesus, wie auch mit der neuen Generaldirektorin der Welthandelsorganisation (WTO) Okonjo-Iwela und weiteren mehr als 100 WTO-Mitgliedsländern, nicht zuletzt sei Papst Franziskus genannt.

    Auch Parteien wie etwa hierzulande die Linkspartei oder die Grünen/Bündnis 90 vertreten diese Forderung. Rund 400 Abgeordnete des EU-Parlaments und nationaler Parlamente haben sich kürzlich der Forderung von 175 Nobelpreisträgerinnen und -trägern sowie ehemaliger Staats- und Regierungschefs angeschlossen, den Patentschutz für Impfstoffe zeitweilig auszusetzen.

    Weil darüber in den Medien seltener berichtet wird, erwähne ich auch noch die Hilfsorganisationen Ärzte ohne Grenzen oder Amnesty International oder die internationale Fazilität zum Erwerb von Medikamenten „Unitaid“ sowie weitere über 200 Organisationen aus dem Globalen Süden oder die europäische Bürgerinitiative „Jeder verdient Schutz vor Covid-19! Kein Profit durch die Pandemie!“. Es sind noch viele weitere Einzelpersönlichkeiten und andere Organisationen mehr, die sich für die vorübergehende Freigabe des Patentrechts einsetzen.
    „Koalition der Willigen“ auch in der EU denkbar

    Selbst EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU), die bislang immer als unerbittliche Interessenvertreterin der Pharmaindustrie aufgetreten ist, erklärte nach dem Vorstoß des US-Präsidenten: „Die Europäische Union ist bereit, jeden Vorschlag zu diskutieren, der diese Krise wirksam und pragmatisch angeht“. In der Europäischen Union versuchen Belgien und Irland eine „Koalition der Willigen“ zu bilden. Die spanische Regierung hat vor dem EU-Gipfel in Porto am 7. Mai dafür geworben, dass sich die Europäer dem Vorstoß der USA anschließen. Auch der französische Präsident Emmanuel Macron und Italiens Regierungschef Mario Draghi äußerte sich offen gegenüber der US-Initiative.

    In den Ländern der G7 sind laut Umfragen sieben von zehn Menschen dafür, die Rezepturen und Technologien für die Impfstoffe zu teilen. Über 183.000 Unterschriften wurden in der Europäischen Union dafür gesammelt.

    Obwohl Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sich schon kurz nach der Zulassung von Corona-Impfstoffen für deren „gerechte globale Verteilung“ eingesetzt hat, meldete sie - ebenso wie Gesundheitsminister Jens Spahn und Entwicklungsminister Gerd Müller - Zweifel an der Initiative des US-Präsidenten an.1 Der SPD-Politiker Karl Lauterbach hat zwar den Anstoß zu einer Patentschutz-Freigabe durch Joe Biden begrüßt, glaubt aber nicht, „dass ein solcher Schritt große Unterschiede bei der Produktion der Impfstoffe machen würde“.

    Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) meinte zu einer Aufweichung des Patentschutzes: „Wenn das ein Weg ist, der dazu beitragen kann, dass mehr Menschen schneller mit Impfstoffen versorgt werden, dann ist das eine Frage, der wir uns stellen müssen“. Die Regierungsparteien CDU/CSU und SPD sowie die Oppositionsparteien FDP und AfD haben jedoch der Aufforderung von Linkspartei und Grünen, sich dem Washingtoner Vorstoß zur Aussetzung des Patentschutzes anzuschließen, am 6. Mai im Bundestag eine Absage erteilt. Lediglich Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) stimmte aus Versehen dafür.

    Auf dem EU-Sozial-Gipfel am 7. Mai gab es für den Vorschlag einer Aussetzung von Patenten für Corona-Impfstoffe eine „Beerdigung zweiter Klasse“. Nur wenige Länder, wie etwa Frankreich, Polen und Spanien haben sich für mehr Entgegenkommen gegenüber dem Antrag von Südafrika und Indien beim TRIPS-Rat der Welthandelsorganisation (WTO) ausgesprochen, für die Dauer der Pandemie „auf einige Bestimmungen des TRIPS-Abkommens zur Prävention, Eindämmung und Behandlung von Covid-19“ zu verzichten.2

    Die Mehrheit der Teilnehmer auf dem Gipfel war nicht der Meinung, dass eine Freigabe „kurzfristig eine Wunderlösung“ sei. Weil man die USA aber nicht brüskieren wollte, bat am um eine Konkretisierung des US-Vorstoßes.

    Unsere Kanzlerin, die es nicht für nötig erachtete, auf einem „Sozial“-Gipfel persönlich anwesend zu sein, legte von Berlin aus nach:

    Ich habe hier noch einmal deutlich gemacht, dass ich nicht glaube, dass die Freigabe von Patenten die Lösung ist, um mehr Menschen Impfstoff zur Verfügung zu stellen.

    Zur Lage der Pandemie

    Impfstoffe sind nach Überzeugung der übergroßen Mehrheit die wirksamste Waffe im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Diese weltweit verbreitete Infektionskrankheit wird auch hier erst eingedämmt sein, wenn sie überall auf der Welt eingedämmt ist. Niemand ist sicher, wenn nicht alle sicher sind. Je rascher die Pandemie zurückgedrängt werden kann, desto geringer ist das Risiko, dass sich neue Mutanten des Virus entwickeln, gegen die, die bisher entwickelten Impfstoffe, möglicherweise nicht mehr wirken könnten.

    Die Pandemie kann in einer Welt, die eng vernetzt ist, nicht allein in einzelnen Staaten oder Kontinenten bekämpft werden, sondern nur global. Deshalb müssten wirklich alle Möglichkeiten genutzt werden, um kurzfristig ausreichend Impfstoffe herzustellen und das für einen Preis, der auch ärmeren Ländern den Zugang zu den Vakzinen ermöglicht. In diesen Zielen sind sich eigentlich alle einig.

    Die Gesamtzahl der bestätigten Sars-CoV-2-Infektionen belief sich Anfang Mai 2021 auf weltweit 160 Millionen. Die Zahl der Todesopfer in Zusammenhang mit dem Coronavirus stieg auf mehr als 3,3 Millionen. Das Virus und seine inzwischen aufgetretenen Mutanten haben sich mittlerweile in mehr als 190 Ländern ausgebreitet. Derzeit werden aus Indien, Brasilien, den USA und Russland die höchsten absoluten Fallzahlen gemeldet.

    Um die Erdbewohner mit Erst- und Zweitimpfungen gegen die Sars-CoV-2-Viren zu immunisieren, werden etwa 14 Milliarden Impfdosen benötigt. Bis heute wurden weltweit 1,34 Milliarden Impfungen gegen das Virus verabreicht. Davon entfielen auf China 333 Millionen, auf die USA 263 Millionen, auf Europa 179 Millionen und auf Indien 175 Millionen Impfungen.3

    Gemessen an der Bevölkerungszahl liegt nach einer AFP-Zählung Israel in Führung, knapp 60 Prozent sind dort vollständig geimpft. Es folgen die Vereinigten Arabischen Emirate mit 51 Prozent der Bevölkerung, Großbritannien mit 49 Prozent und die USA mit 42 Prozent. Die EU-weite Impfquote liegt bei 21 Prozent. Spitzenreiter in der EU ist Malta, wo 47 Prozent der Einwohner bereits geimpft sind, gefolgt von Ungarn mit 37 Prozent. In Deutschland lag die Impfquote laut Robert-Koch-Institut am Freitag bei rund 39 Prozent der Bevölkerung - demnach waren 32,6 Millionen mindestens einmal geimpft und 10.9 Millionen Menschen bereits voll geschützt.
    Covax: Lösung für weltweit gerechte Verteilung der Impfstoffe?

    Um die Verbreitung des Virus unter Kontrolle zu bringen, müsste durch weltweite Impfungen eine Immunisierung eines Großteils der Weltbevölkerung erreicht werden und das möglichst rasch. Die Einschätzungen über den Prozentsatz der Impfungen für eine sogenannte „Herdenimmunität“ gehen unter Fachleuten auseinander, sie liegen zwischen 60 und 80 Prozent Geimpften.

    Auf europäischer Ebene hat Deutschland, zumal auf Drängen der Kanzlerin zunächst die Beschaffung von Impfstoffen der EU-Kommission übertragen. Die Argumente, dass damit ein Wettlauf innerhalb Europas verhindert werden sollte, bei dem die wohlhabendsten das Rennen gewonnen, damit aber die europäische Gemeinschaft durch einen aufkommenden Impfnationalismus gesprengt hätten, haben dabei eine entscheidende Rolle gespielt. Ob die EU-Kommission gut mit den Herstellern verhandelt, eindeutige Verträge ausgehandelt und ob sie ausreichend Finanzmittel angeboten hat, sei an dieser Stelle nicht weiter diskutiert.

    Die Chefin der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA), Elmer Cooke geht davon aus, dass in ganz Europa 188 Millionen Dosen verteilt und 154 Millionen Dosen verabreicht wurden. Es sollen von der EU inzwischen auch 200 Millionen Dosen außerhalb Europas verteilt worden sein.4

    Die Exporte gingen auch in reichere Länder, etwa nach Japan, Kanada, Mexiko, Saudi-Arabien, Chile, Singapur und Australien, selbst nach Großbritannien und in die USA - also auch in Länder, die selbst Impfstoff-Exporte, wenn nicht gestoppt, so doch behindert haben.

    Um einen weltweit gleichmäßigen und gerechten Zugang zu Covid-19-Impfstoffen zu gewährleisten, haben 165 Staaten zusammen mit der WHO, mit einer Koalition für Innovationen in der Epidemievorbeugung (CEPI) und mit der öffentlich-privaten Impfallianz Gavi im April 2020 das Impfprogramm Covax (Covid-19 Vaccines Global Access) ins Leben gerufen.

    Ziele dieses Projekts sind die Förderung von Impfstoffforschung, die gemeinsamen Impfstoffbeschaffung, die Beschleunigung des Zugangs zu Covid-19-Instrumenten sowie deren gerechte Verteilung. Covax ist sozusagen eine Einkaufsgemeinschaft von inzwischen 190 Teilnehmern. Diese Beschaffungs-Initiative kann auch von den beteiligten reicheren Ländern in Anspruch werden.

    Geplant war, bis Mitte dieses Jahres rd. 330 Millionen und bis Ende 2021 zwei Milliarden Impfstoffdosen an die am stärksten gefährdete Bevölkerung - also etwa Risikogruppen oder medizinisches Personal - in 145 Ländern zu verteilen. 92 ärmere Länder wie etwa Nigeria, Indien, Ukraine, Syrien, Afghanistan oder der Jemen sollten bei der Beschaffung von Impfstoff bezuschusst werden, reichere Länder wie etwa Kanada sollten ihre aus dem Programm bezogenen Impfstoffe selbst bezahlen.

    Sechs Milliarden Dollar kostete das Beschaffungsprogramm bisher, davon hat die EU 600 Millionen Dollar gespendet und Deutschland allein unterstützt die Initiative „Access to Covid-19 Tools Accelerator (ACT-A)“ mit 1,5 Milliarden Euro, wovon ein Großteil an die Impfstoffplattform Covax gehen soll.

    Das Problem von Covax ist, dass Dutzende reichere Länder nicht über diese Einkaufssammelstelle, sondern über bilaterale Verträge mit Herstellern ihren Impfstoff besorgt und sich so den Löwenanteil (80 Prozent) der überhaupt verfügbaren Impfdosen gesichert haben. So gab noch Rande des EU-Gipfels in Porto am 7. Mai 2021 die Kommissionschefin Ursula von der Leyen stolz die Bestellung von bis zu 1,8 Milliarden Impfdosen für die Europäische Union bekannt.

    Über die bilaterale Beschaffung hinaus, besteht die paradoxe Situation, dass gerade die reichen Staaten wie die USA, Großbritannien oder die Europäische Union eine größere Nachfrage- und Verhandlungsmacht gegen die Anbieter haben und die Impfstoffe billiger beziehen können als viele ärmere Länder. Die Preisspanne soll bis zu 40 Dollar je Dosis reichen.

    Da die Produktionskapazitäten knapp sind und einzelne Staaten wie die USA und Großbritannien Exportverbote für Impfstoffe oder für deren Bestandteile auferlegten, lief die Initiative erst im März dieses Jahres richtig an und liegt - jedenfalls was die ärmeren Länder anbetrifft - weit hinter den gesteckten Zielen.

    Statt der ursprünglich geplanten 100 Millionen Impfdosen bis Ende März 2021, wurden tatsächlich gerade mal 38 Millionen verteilt, davon wurden 28 Millionen in Indien hergestellte (Zum Vergleich: Allein nach Deutschland wurden bis heute 41,3 Millionen Impfdosen geliefert). Covax konnte bislang keines seiner mit dieser Initiative verbundenen Versprechen halten.
    Immunisierung als Privileg

    Obwohl inzwischen auch in den meisten armen Ländern Impfkampagnen begonnen haben, ist die Impfung bislang vor allem ein Privileg der reichen Länder. Das zeigt auch eine interaktive Weltkarte über die Verimpfung und die geimpften Gruppen auf dem Portal Our World Data.

    Zwölf Länder in der Welt sind bislang ohne jegliche Impfung. In Asien sind es nur 4,5 Prozent, in Afrika sind es gerade gut ein Prozent genauso wenig wie etwa in Vietnam, die geimpft sind. In den ärmsten Ländern sind bis heute gerade mal 0,3 Prozent der verfügbaren Impfstoffe angekommen.

    Das Tragische ist, dass gerade ärmere Länder von den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie in mehrfacher Hinsicht besonders betroffen sind. Etwa weil die Gesundheitsversorgung erheblich schlechter ist. Selbst in Deutschland musste ja für die intensivmedizinischen Versorgung von Covid-19-Patienten die Behandlung vieler anderer Krankheiten in den Kliniken zurückgestellt werden. Umso mehr trifft dies die Länder mit weiteren noch nicht beherrschten Krankheiten wie HIV, Tuberkulose oder Malaria. Schon aus Kostengründen leiden dort die anderen, nicht auf das Coronavirus ausgerichteten Impfprogramme.

    Selbst in Indien, wo einerseits der dort größte Impfstoffhersteller, das Serum Institute, den Impfstoff Covaxin und auch das Vakzin der britisch-schwedischen Firma AstraZeneca produziert, wurde bisher nur eine Quote für die Erstimpfung von schätzungsweise knapp 10 Prozent erreicht.

    Angesichts des akuten verheerenden Corona-Ausbruchs mit täglichen Infektionszahlen nach offiziellen Angaben (in absoluten Zahlen) um die 400.000 und gemeldeten Todesfälle an einem Tag um die 4.000 (die Dunkelziffer dürfte jedoch 5- bis 10-mal höher liegen) beansprucht Indien die landeseigene Impfstoff-Produktion neuerdings für sich selbst. Damit erhalten vor allem Hauptliefergebiete Indiens, nämlich ärmere Länder die versprochenen Dosen nicht.
    Die Kanzlerin droht Indien ganz unverhohlen

    In ziemlich herablassender Form hat daraufhin Kanzlerin Angela Merkel in der Fernsehsendung Berlin direkt diesem Land gedroht:

    Wir haben natürlich Indien überhaupt nur zu einem so großen Pharmaproduzenten auch europäischerseits werden lassen(!), in der Erwartung, dass Zusagen dann auch eingehalten werden, sollte das jetzt vielleicht nicht der Fall sein, werden wir umdenken müssen, das wird dann aber auch durchaus nicht nur zum Vorteil von unseren Handelspartnern sein.

    Kein Wunder, dass man angesichts solcher Anmaßung und Drohung dort empört ist; man verweist zu Recht darauf, dass zu der Zeit als Europa das Epizentrum der Pandemie war, es auch Indien war, das lebensrettende Medizin geliefert hat, jetzt, da dieses Land selbst ums Überleben kämpfe, verlange die Kanzlerin „Berlin zuerst“.

    Die Drohung der Kanzlerin gegenüber Indien ist in mehrfacher Hinsicht arrogant und doppelzüngig. Arrogant, weil es nicht an der Gnade oder an der Förderung der Europäer lag, dass Indien zum weltweit größten Hersteller von generischen Medikamenten wurde und dieses Land - gemessen an US-Qualitätskriterien - die meisten Produktionsanlagen für Arzneimittel hat.

    Nicht nur die Arzneimittelhersteller, sondern das gesamte Gesundheitswesen Deutschlands hängt „am Tropf“ der Importe aus Indien, das aber nicht, weil wir so generös waren, sondern schlicht, weil dort billiger produziert wird als in Europa und die Produktion aus Kostengründen ausgelagert wurde.

    Es ist auch doppelzüngig, wenn man die Impfquoten zwischen Deutschland mit rund 39 Prozent Erstimpfungen und Indien mit knapp zehn Prozent miteinander vergleicht, kann man schon daran ablesen um wie viel größer die Not dort ist. Selbst wenn man nicht auf die absoluten, sondern auf die relativen Infektions- und Todeszahlen schaut, ist die indische Situation in der Krankenversorgung gemessen an deutschen Maßstäben katastrophal. Man möchte nicht darüber spekulieren, wie es um die deutsche Exportbereitschaft für Impfstoffe stünde, wenn bei uns in der Krankenversorgung ähnliche Zustände einträten.

    Im Gegensatz zu Indien hat die Kanzlerin gegenüber der britischen oder der amerikanischen Regierung nicht mit Sanktionen gedroht, als diese den Export der bei ihnen produzierten Impfstoffen einschränkten bzw. die Ausfuhr durch entsprechende Verträge mit den Impfstoff-Produzenten massiv behinderten.

    Und schließlich: Hat nicht auch die EU-Kommission schärfere Regeln für deren Export eingeführt?

    Die Europäische Union verklagt nicht etwa die Staaten, sondern die Firma AstraZeneca darauf, dass sie die Lieferverträge nicht eingehalten habe und droht damit, den Vertrag auslaufen zu lassen.

    Es ist nicht zu leugnen, dass in den reichen Ländern schon längst damit begonnen wurde, in größerem Umfang Gruppen mit geringerem Risiko zu impfen - bei uns im Lande werden wohl demnächst sogar schon Jugendliche geimpft. In vielen ärmeren Ländern wurden nicht einmal die Hochrisikogruppen erreicht.

    Es bleibt bisher dabei, die ärmeren Länder müssen warten, was ihnen die reicheren an Impfstoff übrig lassen. Covax ist - bislang jedenfalls - nicht viel mehr als ein „Feigenblatt“ der Reichen.
    Es geht nicht (nur) um Moral

    Der Generaldirektor der WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus, hat erklärt, die Welt stehe „am Rande eines katastrophalen moralischen Versagens, dessen Preis die ärmeren Länder zahlen“.

    Die neue Generaldirektorin der WTO, die Nigerianerin Okonjo-Iwela, hält es nicht für akzeptabel, „dass zehn Länder 70 Prozent der Impfstoffdosen verwalten“.

    Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa nennt es eine „schmerzhafte Ironie“, dass in Afrika zwar die klinischen Studien durchgeführt wurden, der Kontinent aber um den Zugang zum Impfstoff betteln muss und er spricht gar von einer „Impfstoff-Apartheid“.5

    Nun will ich nicht in den Geruch eines „Gutmenschen“ kommen und (nur) moralisch argumentieren, obwohl es genügend und gute Argumente gäbe, dass die Pharma-Unternehmen und die reicheren Länder Solidarität mit der großen Zahl der ärmeren üben sollten, dass man keinen Impf-Nationalismus befördern und dass man für Gerechtigkeit bei der Verteilung des Impfstoffs eintreten sollte.

    Wenngleich diese wertbezogenen Argumente durchaus Gewicht haben, soll es hier vor allem um die Auseinandersetzung mit den Argumenten derjenigen gehen, die für den Patentschutz bzw. - überhöht ausgedrückt - für den „Schutz des geistigen Eigentums“ eintreten.

    Die Grundfrage ist: Was wiegt schwerer - der Schutz des geistigen Eigentums oder das Leben von Menschen, die dem Virus weitgehend schutzlos ausgeliefert sind?
    Wäre eine vorübergehende Aussetzung des Patentrechts überhaupt zulässig?

    Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) bietet in der aktuell geltenden Fassung dem Bundesgesundheitsministerium die Möglichkeit, Ausnahmen von den Regelungen des Arzneimittelgesetzes und von anderen Gesetzen vorzusehen (§ 5 Abs. 2 Nummer 4 Buchstabe a) und b) IfSG), sowie Regelungen zur Preisgestaltung zu treffen (§ 5 Abs. 2 Nummer 4 Buchstabe f). Das Gesetz (§ 5 Abs 2 Nummer 5 IfSG) ermöglicht es, im öffentlichen Interesse anzuordnen, dass gemäß § 13 Abs. 1 des Patentgesetzes die Wirkung eines Patentes ausgesetzt werden könnte.

    Das bedeutet, dass die Bundesregierung - wohlgemerkt bei einer angemessenen Vergütung - die Hersteller von Impfstoffen ausnahmsweise im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt veranlassen kann, Lizenzen an andere Firmen zu vergeben (§ 24 des Patentgesetzes), um die Produktionskapazitäten zu erhöhen. Die Politik könnte nach diesen Vorschriften auch über angemessene Preise für die Impfstoffe bestimmen.

    Darüber hinaus eröffnen auch die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO), speziell das „Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums“ (Trips-Abkommen) die Möglichkeit, auf Verpflichtungen zum Schutz und zur Durchsetzung von Patenten vorübergehend zu verzichten.

    So haben Südafrika und Indien, unterstützt von einer Vielzahl von Ländern im Oktober 2020 an die Welthandelsorganisation (WTO) den Antrag gestellt, einige Verpflichtungen des Trips-Abkommens Abschnitt 1 (Urheberrechte und verwandte Schutzrechte), Abschnitt 4 (gewerbliches Design) , Abschnitt 5 (Patente) und 7 (Schutz nicht offenbarter Informationen) des Übereinkommens so lange auszusetzen, bis die Weltbevölkerung eine Immunität gegen das Virus entwickelt habe.

    Es wäre übrigens nicht das erste Mal, dass es zu einer Aussetzung bzw. Umgehung von Patentrechten der Pharma-Firmen käme. Das war auch schon in den 1990er-Jahren bei Medikamenten zur Aids-Bekämpfung so. Durch die Zulassung von Generika fielen die Preise für HIV-Medikamente um 99 Prozent. 2001 erstritten die Entwicklungsländer eine Doha-Erklärung zum Trips-Abkommen, die das Recht auf den Zugang zu Arzneimittel hervorhob.
    Wirkstoffgleiche Präparate könnten günstiger angeboten werden

    Derzeit beanspruchen Pharma-Unternehmen Patentrechte und kontrollieren damit die Produktion von Covid-19-Impfstoffen und legen auch frei den Verkaufspreis ihrer Medikamente in Verhandlungen mit den Abnehmern fest. Würde der Patentschutz vorübergehend ausgesetzt, könnten auch andere und damit mehr Hersteller größere Mengen des Impfstoffs produzieren und damit die Engpässe und Verzögerungen beim Impfen, die derzeit (noch massiv) bestehen, wenigstens ein Stück weit beseitigen.

    Es könnten sogenannte Generika (wirkstoffgleiche Nachahmerpräparate) zu günstigeren Preisen angeboten werden und es könnten durch eine länderübergreifende Zusammenarbeit sowohl die Rohstoffe besser genützt als auch zusätzliche Produktionskapazitäten geschaffen werden. Es würden damit allerdings die Möglichkeiten zur Gewinnerzielung für die bisherigen Patentinhaber eingeschränkt.

    Bislang blockieren die EU und hier vor allem Deutschland, Großbritannien und Japan den Vorstoß der ärmeren Länder in der WTO, eine Ausnahmeregelung zuzulassen (Siehe dazu die Karte der zustimmenden und ablehnenden Länder).

    Am 5. Mai ging ein Treffen des Allgemeinen Rates der WTO ohne Ergebnis auseinander. Auch auf dem G20-Gipfel unter italienischem Vorsitz wurde am Freitag, dem 21. Mai keine Einigung erzielt: In der Abschlusserklärung stimmten die Teilnehmer dem Vorschlag einer vorübergehenden globalen Aufhebung des Patentschutzes für Corona-Vakzine nicht zu. Angesichts des Streits habe die internationale Gemeinschaft anerkannt, wie wichtig die Patentrechte seien, um die Produktion zu beschleunigen, erklärte EU-Kommissionschefin von Ursula der Leyen in Rom.

    So stellt sich die Frage, ob die Erklärung des US-Präsidenten mehr ist als ein vorgeschobenes Propaganda-Argument gegen die Chinesen oder die Russen, die mit kostengünstigen Lieferungen ihrer Impfstoffe in ärmere Länder dort um politische Sympathie werben.

    Die Verfahren der internationalen Handelsregeln die einen Verzicht auf Patente erlaubten, sind allerdings schwerfällig und wenig praktikabel, vor allem sind sie langsam. Entscheidungen in der WTO müssen darüber hinaus im Konsens fallen. Wenn die EU, die allein ein Paket von 26 Stimmen hat, bei einer ablehnenden Haltung bleibt, schließt das eine Einigung aus. Vielleicht ermöglicht ja der überraschende Vorstoß der USA nunmehr einen Durchbruch, doch das dürfte noch viel Zeit in Anspruch nehmen. Zwischenzeitlich sterben aber hunderttausende Menschen.

    Um zu einer schnelleren Lösung zu kommen, fordert der Weltärztebund deshalb die Hersteller auf, ihre Patente eigenständig freizugeben. „Die Pharmaindustrie könnte jetzt die ganze Menschheit voranbringen, wenn sie freiwillig auf die Ausübung ihrer Patentrechte für die Impfstoffe verzichtet“, sagte der Vorsitzende Frank Ulrich Montgomery. „Freiwilligkeit wäre auch der Schlüssel zur Vermeidung drastischerer Maßnahmen durch Regierungen und Welthandelsorganisation“.

    Der Curevac-Chef Franz-Werner Haas hat für eine solche Lösung geworben. Die Firma Biontech, die mit Unterstützung von hunderten von Millionen Dollar der Regierung von Singapur dort eine Produktionsstätte aufbauen wird6, will armen Ländern aber beim Preis entgegenkommen und hat derzeit schon gestufte Preise.

    „Wir werden weiterhin Länder mit niedrigem oder unterem mittleren Einkommen mit unserem Impfstoff zu einem nicht gewinnorientierten Preis versorgen“, teilte das Unternehmen in Mainz mit. Auch AstraZeneca hatte schon früh angekündigt, keinen Gewinn erzielen zu wollen.

    Wenn also die Impfstoffhersteller bei den ärmeren Ländern keine gewinnorientierte Preise erzielen wollen, warum wehren sie sich dann aber gegen eine vorübergehende Freigabe des Patentschutzes?

    #capitalisme #maladie #covid-19 #vaccination

  • Patentschutz für Corona-Impfstoffe: Warum die Argumente der Gegner vorgeschoben sind - Teil 2
    https://www.heise.de/tp/features/Patentschutz-fuer-Corona-Impfstoffe-Warum-die-Argumente-der-Gegner-vorgeschobe

    Teil 1: https://seenthis.net/messages/917383

    23. Mai 2021, von Wolfgang Lieb - Es geht weder um Innovation noch die Sicherheit von Lieferketten oder Versorgung. Es geht um ein kapitalistisches Prinzip (Teil 2 und Schluss)

    Die Hauptargumente der Gegner einer vorübergehenden, pandemiebedingten Aussetzung des Patentschutzes sind,

    dass damit die Investitionsbereitschaft und damit die Innovationsdynamik bei der Entwicklung von Medikamenten ausgebremst werde oder gar zum Erliegen komme,
    dass damit die Knappheit an leistungsfähigen Produktionsanlagen nicht überwunden werde und
    dass sichere Lieferketten für die Impfstoffherstellung und letztlich die Qualitätskontrolle der Impfstoffe nicht gewährleistet wären.

    1. Patentschutz notwendig für Investitionen und Innovationen?

    Die deutschen Pharmafirmen lehnen es ab, Impfpatente vorübergehend freizugeben. Friedhelm Ost zitiert in seinem Beitrag den Vorsitzenden des Verbandes der forschenden Arzneimittelhersteller Han Steutel, der darauf hinweist, dass private Investoren und Pharma-Unternehmen große finanzielle Risiken eingehen müssten, „um wissenschaftliche Erkenntnisse weiterzuentwickeln und neue Technologien zur Marktreife zu bringen“. So argumentiert auch Kanzlerin Merkel: „Ich glaube, dass wir die Kreativität und die Innovationskraft der Unternehmen brauchen.“ Dazu gehöre der Patentschutz.

    Ohne Zweifel, Pharmaforschung ist riskant und nur ein Bruchteil vieler Forschungsprojekte, aus denen einmal neue Medikamente hervorgehen könnten, erreicht tatsächlich Marktreife. Der Anteil der Forschungsausgaben am Umsatz liegt in der Pharmaindustrie im Vergleich zu anderen Industriesparten am höchsten und oft im zweistelligen Prozentbereich.

    Damit sich solche Investitionen bezahlt machen, lassen die Pharma-Unternehmen einen neu entwickelten Wirkstoff zehn bis fünfzehn Jahre lang durch Patente schützen. In diesem Zeitraum darf kein anderes Land und kein anderes Unternehmen ein entsprechendes Medikament herstellen - jedenfalls nicht ohne ausdrückliche Lizenz.

    Wenn die Impfstoffhersteller nun argumentieren, sie würden gegenüber ärmeren Ländern auf gewinnorientierte Preise verzichten und sich auch dem Aufbau von Produktionsanlagen, wo dies auch immer möglich sei, nicht verschließen, dann dürfte hinter der Ablehnung einer vorübergehenden Patentfreigabe noch ein anderes Motiv bestimmend sein.

    Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), Wolfgang Große Entrup, hat dies auch ganz offen ausgesprochen. Eine Patentfreigabe für Corona-Impfstoffe wäre „ein solcher politischer Dammbruch (und) würde eine Woge verheerender wirtschaftlicher und psychologischer Effekte für innovative Forschung in unserem Land freisetzen – und zwar nicht nur im Bereich Pharma“.1
    Die Sorge vor einem „Dammbruch“ beim Patentschutz.

    Diese Sorge erscheint jedoch vorgeschoben, denn auch die frühere Aufkündigung von Patentrechten hat nicht zu Auflösungserscheinungen des Patentrechts und den Regelungen der WTO geführt. Die Regelungen im Rahmen des Trips-Abkommens könnten auch so getroffen werden, dass damit kein Präjudiz geschaffen würde. Schließlich handelt es sich bei der Corona-Pandemie, anders als etwa bei früheren Ausnahmen für HIV-Medikamente, um eine bisher singuläre Pandemie mit einer Bedrohung für alle Menschen.

    Auch was die Investitionskosten anbetrifft, ist die Entwicklung von Impfstoffen gegen die Covid-19-Erkrankung ein Sonderfall. Es waren keineswegs nur private Investoren bzw. die großen Pharma-Unternehmen und deren Aktionäre, die ihr Kapital für die Impfstoffentwicklung eingesetzt haben, weltweit flossen und fließen Mittel in Milliardenhöhe in deren Erforschung, Entwicklung und auch für deren Produktion. Angeblich sollen die Regierungen 2020 weltweit mindestens 88 Milliarden Euro für die Covid-19-Impfstoffhersteller bereitgestellt haben.

    Einmal davon abgesehen, dass die Grundlagenforschung von der öffentlichen Hand finanziert wurde, ist z.B. Biontech keineswegs allein mit dem Kapital der früheren Hexal-Eigner Andreas und Thomas Strüngmann aufgebaut worden. Ihr Engagement für die Firma Biontech der Eheleute Ugur Sahin und Özlem Türeci in Mainz war sicherlich entscheidend, dass dort an mRNA-Impfstoffen weiter geforscht werden konnte; dabei ging es ursprünglich primär um Medikamente zur Bekämpfung von Krebskrankheiten.

    Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat schon in der Gründungsphase Biontech maßgeblich unterstützt und die ersten Jahre der Ausgründung aus der Mainzer Hochschule gefördert. Die Firma wurde von 2012 bis 2017 als Gewinner eines Spitzen-Cluster-Wettbewerbs mit 12,9 Millionen vom Forschungsministerium unterstützt. Während der ersten Jahre habe die Firma circa 50 Millionen Euro Fördergelder aus unterschiedlichen Förderprogrammen auch der EU erhalten.

    Auch die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung hat 55 Millionen in die Firma investiert. Im Sommer 2020, als die Impfstoffentwicklung vorangetrieben werden sollte, hat Biontech weitere 375 Millionen Euro vom Bund für die mRNA-basierte Medikamente und für Produktionsanlagen erhalten. Und die EU hat über die Europäische Investitionsbank im Juni 2020 einen Kredit von über 100 Millionen ausgereicht.

    Die Süddeutsche Zeitung zitiert die Fachzeitschrift The Lancet wonach auch die Hersteller Sanofi/Glaxo-Smith-Kline und Novavaxie 2,1 Milliarden Dollar, AstraZeneca/Universität Oxford 1,7 Milliarden Dollar, Johnson&Johnson 1,5 Milliarden Dollar und Moderna 957 Millionen Dollar an öffentlicher Unterstützung erhalten haben.2 Auch an Curevac beteiligte sich die Bundesregierung mit 300 Millionen Euro.3

    Es war jedenfalls nicht der Patentschutz, der es den Firmen ermöglicht hat, in so kurzer Zeit wirksame Covid-Impfstoffe zu entwickeln.

    Angesichts dieser hohen öffentlichen Zuschüsse, ist die Frage berechtigt, ob es sich bei den Covid-19-Impfstoffen nicht um ein Gemeingut handelt oder zumindest handeln sollte. Auch die Kanzlerin Angela Merkel nannte anfangs des Jahres Vakzine noch ein „globales öffentliches Gut“.

    Markus Grill und Georg Mascolo stellten in ihrem schon erwähnten Beitrag in der Süddeutschen Zeitung auch klar, dass die von der Pharmaindustrie für die Medikamente erhobenen Preise keineswegs nur entsprechend den vorausgegangen Investitionen kalkuliert werden, sondern (zumindest auch) danach bemessen werden, wie groß der Nutzen eines neuen Präparates ist, sprich, wie hoch die volkswirtschaftlichen Schäden ohne ein solches Medikament wären.

    An dieser Preiskalkulation hätten jedenfalls Biontech/Pfizer das erste Preisangebot an die EU-Kommission mit 54,08 Euro pro Impfdose bei einer Abnahme von 500 Millionen Dosen ausgerichtet. Dass letztlich der Preis zunächst pro Dosis mit 15,50 Euro (und neuerdings angeblich mit 23,20 Euro) abgerechnet wurde, hat sicherlich mit dem Preiswettbewerb mit anderen Impfstoffherstellern, vor allem mit AstraZenca zu tun und natürlich auch mit der Verhandlungsmacht der EU mit 450 Millionen potentiellen Abnehmern.
    Bei den Impfstoffherstellern herrscht Goldgräberstimmung

    Die Firma Biontech, deren Adressangabe - Zufall oder nicht - „An der Goldgrube“ lautet, erwartet für dieses Jahr einen Umsatz von 12,4 Milliarden mit seinem Covid-19-Vakzin. Der Nettogewinn betrug allein im ersten Quartal rund 1,1 Milliarden Euro.4 Nach der bisherigen Umsatzplanung könnte Biontech auf einen Vorsteuergewinn von mehr als 9 Milliarden und einen Reingewinn von sechs bis sieben Milliarden zusteuern und wäre damit das ertragsstärkste deutsche Pharmaunternehmen.5 Kosten und Bruttogewinn aus dem Impfstoff werden zwischen Pfizer und BioNTech zu 50 Prozent aufgeteilt.

    Biontech-Chef Ugur Sahin hat noch Mitte des vergangenen Jahres versichert, dass seine Firma mit dem Corona Impfstoff keine „goldene Nase“ verdienen wolle.

    Man tut den wissenschaftlichen und unternehmerischen Leistungen des Forscherehepars Türeci/Sahin keinen Abbruch, wenn man darauf hinweist, dass die Gründer von BioNTech 17,3 Prozent der Aktien des Unternehmens mit einem Wert von knapp 5 Milliarden und laut Bloomberg noch Aktienoptionen mit einem Wert von rund 115 Millionen Euro besitzen und damit in kürzester Zeit zu den 500 reichsten Menschen der Welt gehören.

    Auch für die Gebrüder Strüngmann hat sich das Engagement bei Biontech gut rentiert, sie besitzen die Hälfte der Anteile an dieser Firma kommen damit auf ein Vermögen von 12,2 Milliarden Dollar. Sie stiegen im Bloomberg-Reichen-Index auf Rang 166.

    Auch die anderen Impfstoffhersteller haben Rekordergebnisse an der Börse notiert und ihre Umsätze und Gewinne erheblich gesteigert. AstraZeneca, das ja seinen Impfstoff nicht gewinnorientiert einsetzen wollte, erzielt 2020 einen Gewinn von rund 3,2 Milliarden Dollar. Im laufenden Geschäftsjahr rechnet Moderna auf Basis seiner bereits getroffenen Verkaufsvereinbarungen mit Erlösen von 19,2 Milliarden Dollar. Modernas Umsatz lag 2019 noch bei bescheidenen 60 Millionen Dollar, das Unternehmen ist inzwischen an der Börse über 57 Milliarden wert und damit größer als der Bayer-Konzern.6

    Die Kosten für die Entwicklung und die Produktion der Covid-19 Impfstoffe haben sich bei den Herstellern schon jetzt reichlich amortisiert. Wenn diese Unternehmen jetzt ihren Patentschutz aussetzen und Lizenzen vergeben müssten, so hätten sie dennoch nicht schlecht verdient.

    Außerdem bedeutete die Vergabe einer Zwangslizenz ja keineswegs, dass diese Firmen leer ausgingen. Sie könnten nur über ihre Preisgestaltung nicht mehr frei verfügen. Die vorübergehende Aufgabe von Patentrechten würde ja auch nicht bedeuten, dass damit die Kosten für die Erweiterung der Produktionskapazitäten und die Herstellung der Impfstoffe nicht mehr refinanziert werden dürften. Das sagte auch Chefin der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA), Emer Cooke, dem Handelsblatt auf eine entsprechende Frage7:

    Ich wüsste nicht, warum es Auswirkungen auf die Herstellung und den Vertrieb haben sollte.

    Schon die Ankündigung von Joe Biden möglicherweise „the waiver of IP protection on Covid-Vaccines“ zu unterstützen, ließ die Aktienkurse der meisten Pharma-Unternehmen zweistellig, zwischen 13 bis 18 Prozent einbrechen.

    Dieser Einbruch der Aktienwerte macht sehr deutlich worum es im Kern geht, nämlich dass es bei den Patenten - jedenfalls nicht mehr - um den Schutz des geistigen Eigentums, sondern vor allem um den Schutz der Aktionäre für weitere künftige Gewinne geht.

    Und dass die Impfstoffproduktion auch in absehbarer Zukunft ein gutes Geschäft verspricht, ergibt sich schon aus der Zahl der noch notwenigen Impfungen und möglicherweise auch daraus, dass nach geraumer Zeit nachgeimpft werden muss.

    Dafür, dass es vor allem auch um Gewinnerwartungen geht, spricht auch die Tatsache, dass - entgegen diesem Börsen-Einbruch bei Biontech/Pfizer und Curavec - die Aktien von AstraZeneca in London zulegten. Das Unternehmen hatte schon früh angekündigt, keinen Gewinn erzielen zu wollen.
    Kann Patentschutzfreigabe die Produktion von Impfstoff erhöhen?

    Selbstverständlich ist mit einer Patentfreigabe noch kein einziger Stein für den Aufbau einer zusätzlichen Produktionsanlage gesetzt. Doch das ist kein Gegenargument gegen Produktionsverlagerungen in andere Länder, denn die Erweiterung von Produktionskapazitäten würde sowohl in den bisherigen Sitzländern der Impfstoff-Unternehmen als auch in anderen, etwa den ärmeren Ländern zusätzliche Investitionen verlangen - und häufiger wären die Kosten dort sogar niedriger.

    Eine Zwangslizenzierung ist nicht gleichbedeutend, dass die notwendigen Investitionen nicht mehr bezahlt werden sollen, sondern es geht ausschließlich darum, ob es weiterhin im Vordergrund steht, die Gewinnmaximierung zu schützen oder die Gesundheit und das Leben von Menschen, die auf bezahlbare Impfstoffe angewiesen sind.

    Laut einem Bericht der Zeitschrift Foreign Policy könnten zum Beispiel Biovac und Aspen in Südafrika, das Pasteur Institute in Senegal, Vascera in Ägypten schnell auf die Produktion von mRNA-Impfstoffe umrüsten.

    Die indische Regierung will 400 Millionen US-Dollar investieren, um die inländischen Kapazitäten zur Herstellung von Impfstoffen zu erweitern. Das dortige Serum Institute hat schon derzeit eine Partnerschaft mit AstraZeneca und produziert mit einer Lizenz.

    In Bangladesch stünde der Impfstoffhersteller Incepta und in Pakistan der Produzent Getz für eine Kooperation bereit. Auch Länder wie Chile und Kolumbien haben Interesse an einer Impfstoffproduktion bekundet.

    Die Weltgesundheitsorganisation hat bereits eine Plattform für den Technologietransfer speziell für die neuartigen mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna aufgelegt. Dort haben sich schon 50 Interessenten gemeldet, wie der verantwortliche Leiter bestätigt. Der frühere Direktor von Moderna meint, mit den entsprechenden Plänen und technischem Rat könnte eine moderne Firma für die Impfstoffproduktion in drei bis vier Monaten aufgebaut werden.

    Der Ausbau von Produktionskapazitäten in den Industrieländern schließt doch den Bau oder die Umrüstung von Anlagen in Ländern, die über ungenutzte Kapazitäten für die Impfstoffherstellung verfügen, nicht aus. Warum sollten die Mittel von Covax für die Impfstoffbeschaffung nicht auch für Investitionen für zusätzliche Impfstoffproduktionskapazitäten umgewidmet werden?

    Durch einen Verzicht auf den Patentschutz könnten zusätzliche Staaten und weitere Investoren in den Entwicklungsländern die Rechtssicherheit bekommen, die nötig ist, damit sie ihre Produktionskapazitäten umstellen oder neue Fabriken errichten könnten. Damit könnte eine bessere Verfügbarkeit und in mehrfacher Hinsicht (z.B. hinsichtlich des Transportwegs von zu kühlenden Impfstoffe) weltweit eine bessere Impfstoffversorgung erreicht werden.
    Würde Aussetzung des Patentschutzes Lieferketten und Qualitätskontrolle gefährden?

    „Wenn eine Patentfreigabe einfach erfolgt, ohne dass die Qualität jedes Mal gut kontrolliert werden kann, sehe ich mehr Risiken als Chancen“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel.

    Die Sorge, dass die an einer Patentfreigabe interessierten Länder dazu nicht in der Lage wären, die notwendigen Qualitätsansprüche bei der Impfstoffproduktion zu erfüllen, haben die Patentrechteinhaber selbst offenbar nicht, sonst würden sie ja nicht alle Anstrengungen unternehmen, um weitere Fabriken auch in Übersee aufzubauen. Sie lassen wie etwa die Firma Johnson&Johnson, die in ihrem Auftrag in Südafrika produzierten Impfstoffe, auch ohne Bedenken millionenfach nach Europa ausliefern.

    Die WHO hat z.B. mit Sinopharm auch den ersten chinesischen Corona-Impfstoff zugelassen und ein weiterer Impfstoff aus diesem Land vom Hersteller Sinovac ist noch in der Prüfung.

    Hinsichtlich der Qualität der chinesischen Medikamente meint Ulrike Holzgrabe von der Uni Würzburg:

    Die Chinesen brauchen gar keine Atombombe. Sie liefern einfach keine Antibiotika […], dann erledigt sich Europa von ganz allein.

    Gegenüber einer Patentfreigabe für China hat unsere Kanzlerin einen zusätzlichen Einwand, nämlich dass damit Fachwissen über die neuartigen mRNA-Impfstoffe dorthin abfließen könnte. Sie hat offenbar noch nicht davon gehört, dass Biontech mit dem chinesischen Entwicklungspartner Fosun Pharma in Shanghai schon seit gut einem Jahr zusammenarbeitet und in einem Gemeinschaftsunternehmen bis zu einer Milliarden Impfdosen produzieren will.

    Im Übrigen wird ja der Wirkstoff eines Medikamentes durch eine Patentanmeldung ohnehin öffentlich. Es könnten auch andere Firmen patentierte Impfstoffe nachbauen bzw. die Rezepte rauben, sie würden sich dann allerdings einer Klage aussetzen.8
    Argumente gegen zeitweise Freigabe des Patentschutzes vorgeschoben

    Man mag an diesen vorgeschobenen Argumenten erkennen, dass die Ablehnung einer vorübergehenden Freigabe des Patentschutzes Gründe hat, die man nicht so gerne offen ausspricht. Alle Einwände könnten bei einem entsprechenden politischen Willen durch Vereinbarungen im Rahmen des Trips-Abkommens in einem gegenseitigen Interessenausgleich weitgehend entkräftet werden.

    Man muss es also so deutlich sagen, den Gegnern der vorübergehenden Aussetzung eines des Patentschutzes für die Corona-Impfstoffe geht es vor allem um den Schutz der Gewinne der jeweiligen Pharma-Unternehmen und weniger um das Leben und die Gesundheit der Erdbevölkerung.

    Würde man dem Kampf gegen die Covid-19-Pandemie den Vorrang einräumen, so würde, jenseits der Profite einiger weniger, neben der Weltgesundheit nicht zuletzt auch die Wirtschaft, die Kultur und die Bildung global und im eigenen Land profitieren und je rascher die Pandemie eingedämmt würde, desto früher könnten die Menschen auch bei uns wieder ihre Grundrechte in vollem Umfang in Anspruch nehmen.

    Es handelt sich um ein globales öffentliches Gut, diesen Impfstoff zu produzieren und ihn dann auch in alle Teile der Welt zu verteilen… Wir werden neue Wege gehen müssen, auf der einen Seite der Entwicklung und auf der anderen Seite parallel des Aufbaus von Produktionskapazitäten für solch einen Impfstoff, und zwar an möglichst vielen Stellen der Welt.
    Angela Merkel

    Dieser Satz der Kanzlerin wäre bei einer vorübergehenden Freigabe der Patentrechte endlich nicht mehr nur eine hohle Phrase.

    Teil 2: https://seenthis.net/messages/917383

    #capitalisme #maladie #covid-19 #vaccination

    • propre lien:

      https://www.heise.de/tp/features/Zukunft-nicht-nur-fuer-die-Bioladen-Bourgeoisie-6049942.html

      19. Mai 2021 Claudia Wangerin

      Eine intakte Umwelt ist kein Luxus.

      Gemeinsame Agenda: Soziale Gerechtigkeit und ökologischer Umbau gehören zusammen, sagen Paritätischer Gesamtverband und Umweltorganisation BUND

      Alle Parteien, die sich zur Bundestagswahl im September stellen, müssen sich daran messen lassen, wie sie soziale Gerechtigkeit im Hier und Jetzt mit der langfristigen Erhaltung von Lebensgrundlagen und Lebensqualität unter einen Hut bringen. Neben der Gewerkschaft ver.di, der Jugendbewegung Fridays for Future und dem Bündnis „Unteilbar“, die in diesem „Superwahljahr“ gemeinsame Aktionen planen, melden sich auch der Paritätische Gesamtverband und die Umweltorganisation BUND zu Wort. Gemeinsam stellten sie am Mittwoch in Berlin eine „Zukunftsagenda für die Vielen“ vor.

      Darin gehen sie ausführlich auf die Lebensrealität der Menschen ein, die es sich nur selten leisten können, im Bioladen einzukaufen, aber im Durchschnitt weniger zur Umweltzerstörung beitragen als die Besserverdienenden.

      "Gigantische Umverteilung"

      „Natur- und Umweltschutz und eine echte sozial-ökologische Wende funktionieren nur dann, wenn alle Menschen mitgenommen werden und niemand zurückgelassen wird“, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider. „Hier kommen enorme Anstrengungen und eine gigantische Umverteilung auf uns zu, die es aber konsequent und solidarisch zu stemmen gilt.“ Fatal wäre es aus seiner Sicht, „wenn Umweltschutz- gegen Sozialpolitik ausgespielt“ werde.

      „Wir stehen in der Verantwortung, unsere Art und Weise des Zusammenlebens und des Wirtschaftens massiv zu ändern“, betonte der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt. Die Trennung der ökologischen und der sozialen Frage sei „künstlich“ und lenke ab von der Frage: „Habe ich den politischen Willen, eine wirksame Politik gegen die Umweltkrisen zu erarbeiten und diesen Prozess sozial gerecht zu gestalten?“

      Es blieben noch zehn Jahre für wirksame Maßnahmen, um der Verantwortung für die Menschen und zukünftigen Generationen in diesem Land nachzukommen, so Bandt. „Das hat nicht zuletzt das Bundesverfassungsgericht auch deutlich angemahnt und damit einen neuen Kompass für Umweltpolitik und die Freiheit zukünftiger Generationen definiert.“

      In der gemeinsamen Zukunftsagenda werden unter anderem eine „naturverträgliche Energierevolution“, „nachhaltige Mobilität für alle“, „Wohnen und Boden in Gemeinschaftshand“ sowie „gute Pflege und Gesundheitsversorgung für alle“ gefordert.

      Reichensteuer, „Pro-Kopf-Ökobonus“ und Recht auf Reparatur

      In einem Neun-Punkte-Plan sprechen sich die beiden Verbände für die Wiedererhebung einer Vermögenssteuer, eine „effektive Erbschaftssteuer“ und eine Finanztransaktionssteuer aus, um die Kosten für die Bewältigung der Corona-Krise und den ökologischen Umbau zu stemmen. Gefordert wird zwar auch eine deutliche Anhebung des CO2-Preises von momentan 25 Euro auf zunächst 50 Euro pro Tonne - diese Mehreinnahmen sollen aber vollständig über einen „Pro-Kopf-Ökobonus“ zurück an die Bevölkerung fließen.

      Außerdem soll es laut der Zukunftsagenda ein „Recht auf Reparatur“ geben: „Jedes neu produzierte Produkt muss verpflichtend reparierbar sein. Reparaturen müssen substanziell günstiger sein als Neuanschaffungen, daher fordern wir eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Reparaturdienstleistungen von 19 auf sieben Prozent.“

      Um „soziale Sicherheit für die Transformation“ zu gewährleisten, sollen sowohl der Mindestlohn als auch die Regelsätze beim Arbeitslosengeld II erhöht werden. Letztere für alleinlebende Erwachsene auf 644 Euro im Monat. Sanktionen für die Bedürftigen seien vollständig abzuschaffen. Außerdem wird eine „existenzsichernde Kindergrundsicherung“ gefordert. Um zu ermitteln was ein Menschen zum Leben - inklusive der Anschaffung energiesparender Geräte - braucht, soll die neue Bundesregierung, wer immer das ist, eine Expertenkommission einsetzen. (Claudia Wangerin)

      #inégalité #écologie #transformation #salaire_minimum
      #droit_de_réparation

    • l’article est basé sur un communiqué de ....

      BUND [Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland] und der Paritätische Gesamtverband stellen zur Bundestagswahl gemeinsame Zukunftsagenda für die Vielen vor und fordern konsequente sozial-ökologische Transformation

      https://www.der-paritaetische.de/presse/bund-und-paritaetischer-gesamtverband-stellen-zur-bundestagswahl-g

      Pressemeldung vom 19. Mai 2021

      #agenda pour une transformation #socio-écologique