• Berlin bei Nacht: Von Türstehern, Sternen und Lichtverschmutzung | Berliner Zeitung
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    Die meisten Menschen sind um zwei Uhr nachts unterwegs. Das haben Daten des Fahrdienstes Uber in London gezeigt, die wir ausgewertet haben“, erklärte Adam Eldridge von der University of Westminster kürzlich an der Technischen Universität (TU) Berlin. Der Soziologe sprach dabei von den Wochenenden, von den Leuten, die Tanzen gehen, sich mit Freunden treffen. Das bedeutet Spaß für die einen und Arbeit für die anderen. Barkeeper, Türsteher, U-Bahn- und Taxifahrer, um nur einige zu nennen. Die Nacht ist also gut fürs Geschäft, doch wie verändern sich dadurch das Leben der Menschen und die Städte, wie man sie bisher kannte?

    Infos auf der Homepage von Christopher Kyba, Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ http://userpage.fu-berlin.de/~kyba

    #Berlin #Licht #Geopgraphie

  • Berliner Dialekt: Woher kommen Icke, Boom und Kinkerlitzchen? | Berliner Zeitung
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    Torsten Harmsen - „Der Berliner Dialekt: Was ist das eigentlich? Wo kommt er her?“ fragt Michael Solf, Sprachforscher an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW). So klar ist das offenbar nicht. „Die historische Quellenlage zur Geschichte des Berlinischen ist dünn.“ Im Mittelalter hätten die Menschen in Berlin vor allem Mittelniederdeutsch gesprochen. Über lange Zeit sei die sprachliche Entwicklung nicht greifbar gewesen, sagt Solf. „Und im 18. Jahrhundert war das Berlinische im Grunde schon so da, wie man es heute kennt.“ Was bis dahin geschehen war, erzählte Solf am Montagabend im Leibniz-Saal der BBAW am Gendarmenmarkt zur Eröffnung des neuen Jahresthemas „Sprache“. Die Veranstaltung hieß „Die Stimmen von Berlin“.

    Nach dem Ende der Herrschaft der Askanier und der Wittelsbacher kamen 1415 mit Friedrich I. die fränkischen Hohenzollern in die Mark Brandenburg – mit großen Teilen des Hofstaats und sprachlichen Folgen. „Ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ging dann das mittelalterliche Niederdeutsch unter“, sagt Michael Solf. „Man schrieb Hochdeutsch in der Doppelstadt Berlin-Cölln.“

    Ursprung im Sächsischen

    Mit der mündlichen Sprache passierte in jener Zeit etwas, was viele Berliner nicht erfreuen wird. Berlin liege zwar nördlich der sogenannten Ick/Ich-Grenze und gehöre auf gewisse Weise zur niederdeutschen Dialektlandschaft, sagt Solf. Aber das Obersächsische – die einst verbreitete Sprache der Oberschicht – hätte großen Einfluss auf das Berlinische gehabt. „Es teilt mit dem Niederdeutschen viele Eigenheiten, aber die Parallelen zum Obersächsischen sind in der gesprochenen Sprache viel augenfälliger“, lautet die These, die Solf vertritt. Die Sprachforscherin Agathe Lasch hat es einst noch radikaler formuliert: Berlinisch sei Sächsisch mit niederdeutscher Aussprache.

    Als Beispiel dient Solf unter anderem die Verschiebung des Lautes „au“ zu „o“. Berliner sagten „ooch“, „glooben“, „Boom“, ähnlich wie die Sachsen. Niederdeutsches Platt dagegen findet sich in Worten wie „ick“, „kieken“, „det“ und „bissken“.
    Der Akkudativ

    Das Berlinische ist für Solf keine regellose Sprache. Als Beispiel nennt er den sogenannten Akkudativ. „Der Berliner sagt immer ,mir’, auch wenn es richtig ist.“ Wie konsequent das im Berliner Dialekt eingehalten wird, kann man in den Briefen der herrschenden Hohenzollern erkennen. So schrieb zum Beispiel Friedrich II. einst an den ihm sehr nahe stehenden Kammerdiener Fredersdorf: „Ich habe gemeinet, du häst mihr lieb und wirst mihr nicht den chagrin (Kummer, Ärger) machen, Dir umbs leben zu bringen, nun weis ich nicht, was ich davon halten sol!“ Typisch berlinisch auch: „Kome doch am fenster, ich wollte Dihr gerne sehen!“

    Das Berlinische habe mit der Zeit die Brandenburger Dialekte um sich her verdrängt, sagt Michael Solf. Inzwischen aber erleide es das gleiche Schicksal wie alle Dialekte. Es werde kaum noch weitergegeben, Zuwanderer lernten es nicht mehr. „Es gibt heute ganze Bezirke, in denen man korrektes Berlinisch nicht mehr erlernen kann“, sagt Solf, der selbst gebürtiger Berliner ist. Aber noch sei das Berlinische lebendig.

    Ansonsten fänden sich in Berlin mindestens 150 Sprachen. Diese Schätzung nannte der Sprachwissenschaftler Wolfgang Klein, Sprecher des Akademie-Jahresthemas, zu Beginn der Veranstaltung. Mit einigen Sprachen, die Berlin prägten und zum Teil bis heute prägen, beschäftigten sich sechs weitere Kurzvorträge des Abends. Dazu gehören das Französische, das hugenottische Migranten einst in die Stadt brachten, das Jiddische, Türkische oder Russische. Besonders interessant ist dabei, welche Spuren sich davon im Berlinischen selbst finden.

    Gaunersprache Rotwelsch

    Der Hamburger Sprachforscher Christoph Gutknecht führte das am Beispiel des Jiddischen vor, einer etwa tausend Jahre alten Sprache, die im Mittelalter im Südwesten Deutschlands entstand, später in Osteuropa von vertriebenen Juden gesprochen wurde und nach Jahrhunderten – als Ostjiddisch – über Migranten wieder nach Deutschland zurückkehrte. Viele von ihnen kamen nach Berlin. Der aktive Wortschatz des Deutschen enthalte mehr als 1000 Begriffe und Sprichwörter aus dem Jiddischen, sagte Gutknecht, der eine Reihe von Beispielen anführte. Viele seien über das Rotwelsche – die Sprache von Räubern und Vagabunden – ins Deutsche gekommen.

    „Zoff“ oder „sich zoffen“ zum Beispiel, heute sehr häufig verwendet, stamme aus dem Jiddischen, ebenso wie „Gauner“ oder „Ganove“ (von „ganaf“, dem Dieb), „Tinnef“, „Schlamassel“, „Mammon“, „Reibach“, „Tacheles“, „Stuss“ oder „großkotzig“ – von „groyskotsn“, einen reichen Angeber bezeichnend. Aus dem Jiddischen sollen sogar so typische Berliner Ausdrücke stammen wie „doof“ (das hebräische „dow“ bezeichnete einen täppischen Bären) und „dufte“ („tow“ stand für „gut“). Der gut gemeinte Wunsch „Hals- und Beinbruch“ wiederum rührt vom gesprochenen „Hazlocho we brocho“ her, das Glück und Segen bedeutet.
    Lamäng und Bredullje

    Über die Erfolgsgeschichte der hugenottischen Migranten in Berlin und Brandenburg sprach die Germanistin Manuela Böhm. Das Französische hatte vor allem im 17. und 18. Jahrhundert ein hohes Sozialprestige beim aufstrebenden Berliner Bürgertum. Für Händler, gebildete Geschäftsleute und Männer von Welt sei diese Sprache unerlässlich gewesen, sagt Manuela Böhm. Viele französische Begriffe sind ins Berlinische eingesickert, zum Teil auch durch den Einfluss späterer französischer Besatzer.

    „Kinkerlitzchen“ etwa stammt von französischen „quincaillerie“, eine Sammlung kleiner Waren bezeichnend. Wenn der Berliner sagt: „Dit mach ick aus den Lamäng“, dann macht er es ganz locker aus dem dem Handgelenk. „Der sitzt janz schön inne Bredullje“ kommt vom französischen „bredouille“ für Schwierigkeit, Bedrängnis. Der Ausdruck „Du musst uff’m Kiewief sein“ hat seinen Ursprung in „Qui vive?“ („Wer da?“), dem Ausruf französischer Wachen.

    Der sprachliche Austausch funktioniert aber auch in andere Richtung. Das zeigt zum Beispiel die russische Sprache, in der das Deutsche Begriffe hinterlassen hat, deren Ursprung Russen selbst kaum noch bekannt ist, darunter: „galstuk“ (Halstuch), „parikmacher“ (Friseur), „schlagbaum“, „buterbrodi“ und „schtraf“. Natalia Gagarina vom Berliner Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprachwissenschaft erzählte in ihrem Vortrag, wie in Berlin lebende Russen deutsche Begriffe in eigene umwandeln. „Ich steige um“ beim Bahnfahren heißt zum Beispiel „umsteiguvaju“.

    #Berlin #Sprache #Geschichte