• Das staatstragende Herumeiern der SPD | Telepolis
    https://www.heise.de/tp/features/Das-staatstragende-Herumeiern-der-SPD-3909913.html

    Comment les nazis ont fait pour s’emparer du pouvoir en 1933 et comment la gauche y a contribué. Il y des mythes historique que détruit cet article.

    Kabinett Hitler 1933: Hermann Göring, Reichskommissar für Luftfahrt und das preussische Innenministerium, Adolf Hitler, Reichskanzler, Franz von Papen, Vizekanzler. Stehend: Franz Seldte, Arbeitsminister, Dr. Dr. Günther Gereke, Lutz Graf Schwerin von Krosigk, Reichsfinanzminister, Wilhelm Frick, Reichsinnenminister, Werner von Blomberg, Reichswehrminister, Alfred Hugenberg, Wirtschafts- und Ernährungsminister. Bild: Bundesarchiv, Bild 183-H28422 / CC-BY-SA 3.0

    Warum die Nazis 1933 wirklich an die Macht kamen

    Langsam dämmert der deutschen Linken, dass die jahrelang mit Hilfe der Strategie der „asymmetrischen Demobilisierung“ klein gehalten worden ist. Nur keine Angriffsfläche bieten, niemanden provozieren, Entpolitisierung, Identitätspolitik selbst aktiv gestalten, dem politischen Gegner wie dem Affen Zucker geben - das war Alltagspolitik der Merkelschen CDU.

    Jetzt mobilisiert die AfD am rechten Rand des Spektrums die Marginalisierten der letzten Dekade, die politische Linke beklagt sich hereingelegt worden zu sein. Das war schon einmal so im Niederhalten der SPD in der Weimarer Republik in der Weltwirtschaftskrise.
    31. Juli 1919 in Weimar

    Mit 262 Stimmen von SPD, der liberalen Deutschen Demokratischen Partei DDP und der katholischen Zentrumspartei gegen 75 Stimmen der nationalliberalen Deutschen Volkspartei DVP, der monarchistischen Deutschnationalen Volkspartei DNVP, des Bayerischen Bauernbundes und der linken Unabhängigen Sozialdemokraten USPD. Die Kommunistische Partei war nicht vertreten, weil nur eine Minderheit um Paul Levi und Rosa Luxemburg auf ihrem Gründungsparteitag für die Teilnahme an der Wahl zur Nationalversammlung stimmte und natürlich weil die KPD zum Zeitpunkt der Wahl eh verboten war. Die KPD strebte nach einer Räterepublik nach russischem Vorbild

    Die Unterstützer der Weimarer Reichsverfassung - vor allem SPD und Zentrum - gingen in der Folgezeit eine asymmetrische politische Symbiose ein: Die SPD zog in Regierungskoalitionen die Zentrumspartei einer wenn möglich linken Regierung mit USPD oder KPD vor, das Zentrum dagegen nutzte bürgerliche Mehrheiten immer zu Koalitionen ohne die SPD, die ihrerseits diese Regierungen parlamentarisch duldete - bis zum bitteren Ende.
    27. März 1930 Wilhelmstraße, Berlin

    Der letzte SPD-Reichskanzler Hermann Müller reicht bei Reichspräsident Hindenburg seine Demission ein. Müller konnte sich im Kabinett der Großen Koalition nicht durchsetzen, die Arbeitslosenversicherung durch paritätische Beitragserhöhungen und Staatszuschüsse stärker zu finanzieren. Auch hatte ihm Hindenburg zuvor den Erlass von Notverordnungen zu diesem Zweck verwehrt.

    Die Zahl der Arbeitslosen hatte im Februar 1930 die 5-Millionen-Grenze überschritten.
    31. März 1930 Reichstag Berlin

    Hindenburg ernennt den Zentrumspolitiker Heinrich Brüning zum Reichskanzler mit dem ausdrücklichen "Vermerk, daß sein Kabinett ohne koalitionsmäßige Bindung zusammenzustellen sei."1

    Brüning verfügt ohne die SPD über keine Mehrheit im Reichstag, wird aber am Anfang in seiner Austeritätspolitik noch von der SPD unterstützt. Doch scheitert Brüning mit dem Reichshaushalt 1930. Brüning verwandelte mit Hilfe Hindenburgs den Gesetzentwurf in eine exekutive Notverordnung nach Artikel 48 der Verfassung, die wiederum von einer Reichstags-Mehrheit aus SPD, KPD, NSDAP und DNVP ebenfalls nach Artikel 48 außer Kraft gesetzt wurde. Prompt löste Hindenburg nach Artikel 25 den Reichstag auf und ordnete Neuwahlen an.
    Reichstagswahl vom 14. September 1930

    Die Reichstagswahl vom 14. September 1930 bringt starke Verluste für SPD, DNVP und DVP, moderate Gewinne für die KPD und 19 Prozent für die NSDAP - fast aus dem Nichts von 2,6 Prozent 1928. Brüning sucht die parlamentarische Rückendeckung der NSDAP, wird aber von dieser abgewiesen. Die SPD will um jeden Preis Neuwahlen verhindern und setzt keine der Brüningschen Notverordnungen außer Kraft oder unterstützt andere Parteien dabei. Auf diese Weise entsteht eine Quasi-Koalition aus SPD und Zentrum im Brüning-Block.

    1931

    Der Kleine Mann, das ist ein Mann,
    mit dem man alles machen kann.
    Er steht auf allen Vieren stramm,
    beladen mit dem Notprogramm,
    und wartet auf den Schinder.
    Er schleppt und darbt und nennt es Pflicht,
    denkt nicht an sich und denkt auch nicht
    einmal an seine Kinder.
    Erich Kästner, 1931

    In fünf Notverordnungen vom Juli 1930 bis zum Dezember 1931 wird die Einkommenssteuer erhöht, eine Bier- und Bürgersteuer erhoben, die Arbeitslosenversicherung auf 4,5 Prozent erhöht, dafür die Arbeitslosenunterstützung vermindert oder für viele Bezieher ganz abgeschafft.

    Erklärtes Ziel ist die Senkung des Lebensstandards um 15 Prozent. Gehaltskürzung für Reichs- und Landesbeamte, für öffentliche Angestellte und Arbeiter um insgesamt 25 Prozent, Tabak- und Salzsteuer, Zuckersteuer, Krisensteuer, Kürzung der Leistungen in der Arbeitslosenversicherung, gesetzliche Kürzung der Tariflöhne.

    Die Notverordnungen des Brüning-Blocks aus Zentrum und SPD sollten die Staatsfinanzen liquide machen, um die Reparationszahlungen an Frankreich und Großbritannien zu gewährleisten - jetzt ohne die Kredite aus der Wall Street. Der Weg der Abwertung der Reichsmark der Reparationen war seit dem Dawes-Plan verwehrt, denn alle Zahlungen mussten in Dollar erfolgen. Dollars gab es nur durch Exporte, die allerdings aufgrund der US-Depression und vor allem wegen der Loskoppelung des Pfund-Sterling-Raumes vom Goldstandard schrumpften. Die Industrieproduktion sank bis 1932 um 40 Prozent und fiel auf den Stand von 1904. Das Bevölkerungswachstum halbierte sich.
    Reichspräsidentenwahlen vom März 1932

    Bei den Reichspräsidentenwahlen betreibt Brüning die Wiederwahl des amtierenden Reichspräsidenten Hindenburg. Die Parteien der Weimarer Koalition von SPD bis Staatspartei (ex-DDP) unterstützen Hindenburg bei der Wiederwahl gegen Hitler von der NSDAP und Thälmann von der KPD. Hindenburg dagegen wollte auf keinen Fall von der SPD unterstützt werden.

    Am 1. Juli 1932 ersetzt Hindenburg Reichskanzler Brüning durch den Kandidaten seiner Wahl, Franz von Papen, ein Zentrumspolitiker, der für dieses Amt seine Partei verlässt und dessen erklärtes Ziel die Ersetzung des Republik durch einen „Neuen Staat“ war wie Salazars Portugal und das Österreich von Engelbert Dollfuß ein Jahr später. Hindenburg wollte keine Regierung, die von der Duldung der SPD abhing. Gleichzeitig ordnete er Neuwahlen an, ohne den Reichstag noch einmal zusammentreten zu lassen.

    Damit ging auch diese letzte Karikatur einer Weimarer Koalition aus Zentrum, SPD und Staatspartei (ex-DDP) zu Ende.

    Am 9. Juli 1932 einigen sich auf der Konferenz von Lausanne die wichtigsten europäischen Staaten darauf, Schuldenzahlungen und Reparationen untereinander und gegenüber den USA einzustellen.

    Unbeeindruckt davon erlässt von Papen am 4. September 1932 eine Notverordnung, die es den Unternehmen erlaubte, die Löhne in ihren Betrieben um die Hälfte zu senken.

    Darauf reagiert der Reichstag auf seiner Sitzung vom 12. September 1932 auf Antrag der KPD mit der Außerkraftsetzung dieser Notverordnung und dem Misstrauen gegenüber der Reichsregierung. Beides wird vom Reichstag mit 513 gegen 32 Stimmen - also mit den Stimmen von SPD, Zentrum, NSDAP und KPD gegen die Stimmen der DNVP angenommen. Held der Reichstagssitzung ist dessen Präsident Hermann Göring, der die Abstimmung vor der Verlesung der Parlamentsauflösung durchführt.

    Der Reichstag ermächtigt auf seiner Sitzung nach den Wahlen am 9. Dezember 1932 den Reichstagspräsidenten Göring, die nächste Reichstagssitzung einzuberufen. Ein gemeinsamer Antrag von SPD und KPD, bereits am folgenden 12. Dezember weiter zu verhandeln, wird abgelehnt. Göring hat natürlich nicht zu weiteren Sitzungen geladen, weswegen auch kein Außerkraftsetzen der Reichstagsbrandverordnung möglich war.

    Am 30. Januar 1933 ernennt Hindenburg Hitler zum Reichskanzler, von Papen wird Vizekanzler, der Reichstag am Tag darauf aufgelöst, Neuwahlen werden für den 5. März 1933 angesetzt.

    Anlässlich des Brandanschlages auf das menschenleere und anscheinend unbewachte Reichstagsgebäude erlässt Hindenburg durch Hitler die berüchtigte Reichstagsbrandverordnung, die fünf Tage vor der Wahl alle demokratischen Rechte der Weimarer Verfassung aufhebt. Alle SA-Schläger werden zu Hilfspolizisten ernannt.

    Die Reichstagswahlen bringen selbst nach Nichtbeachtung der Stimmen für die KPD weder für die NSDAP die absolute Mehrheit, noch der Regierungskoalition aus NSDAP und DNVP die für das angestrebte Ermächtigungsgesetz, der Selbstentmachtung des Parlaments gegenüber der Regierung, geforderte Zweidrittelmehrheit. Das Zentrum, die Bayerische Volkspartei und Deutscher Staatspartei, die ausgerechnet über die Liste der SPD angetreten war, stimmen mit der NSDAP. Allein die SPD zeigt Haltung und stimmt - entgegen den restlichen Parteien der „Weimarer Koalition“ - gegen die Vernichtung der Republik.

    Eine Koalition aus NSDAP, Zentrum, DNVP und BVP unterbreitet am 17. Mai 1933 einen Entschließungsantrag über die Unterstützung der friedfertigen Außenpolitik Hitlers, auch die Abgeordneten der SPD erheben sich zur Zustimmung von ihren Sitzen, alle singen gemeinsam, tiefgerührt das Deutschlandlied.

    #Allemagne #histoire #nazis #SPD

  • Allmählicher Abschied | Telepolis
    https://www.heise.de/tp/features/Allmaehlicher-Abschied-3884807.html

    09. November 2017
    Nachgetragene Gedanken zum deutschen Nine-Eleven


    Höheres Zuschauerpodest mit Mauerblick. Foto: Archiv Tom Appleton, Berlin 1985

    Es gibt horrende Kalamitäten in der Geschichte aller Völker, die zunächst im Gedächtnis unauslöschlich erscheinen. Aber irgendwann verflüchtigt sich trotzdem die Erinnerung daran.

    In Amerika, wo die Tage und Monate im Kalender umgekehrt geschrieben werden, erinnert man sich bis heute an die rätselhaften und immer noch nicht wirklich geklärten Ereignisse jenes 11. Septembers 2001, des Nine-Eleven, die zum amerikanischen Kriegseintritt im Irak und in Afghanistan führten.

    Einzig der Historiker Noam Chomsky nannte es das „Zweite Nine-Eleven“, in Erinnerung an den von Amerika gesteuerten und längst vergessenen Staatsstreich gegen die chilenische Regierung am 11. September 1973.

    Dass es auch in Deutschland ein Nine-Eleven gab, hier allerdings bei umgekehrter Zahlenfolge im Kalender, ist mittlerweile kaum noch jemandem eine Schweigeminute wert. Der „neunte Elfte“, heute, markiert einen Tag im November 1989, den Fall der Mauer.


    Kinderspiel an der Mauer, West. Foto: Archiv Tom Appleton, Berlin 1985

    Er ist kaum mehr jemandem ein paar fromme Sprüche wert, und welche Plattitüden könnte man sich dazu schon noch einfallen lassen? Da hatte man sich Jahre lang die „Wiedervereinigung“ zwischen West und Ost gewünscht und kaum war die „Vereinigung“ real da, real passiert — vergessen wir mal das Wörtchen „wieder“ bei diesem Zusammenschluss -, war man die Sache auch schon wieder leid und hätte gern die Mauer wieder hochgezogen.

    Im Westen verfluchte man die Ossis, so wie heute die Flüchtlinge aus der muslimischen Barbarei. Deutschland West wäre gerne wieder hermetisch selber eingeigelt geblieben.

    Ich selber hatte als Berliner angefangen, gebürtig in Zehlendorf, ich sprach Berlinerisch wegen meines Berliner Kinderfrolleins, Frau Brüller, und weil ich ein halbes Jahr lang den Kindergarten irgendwo am Kleinen Wannsee besucht hatte.


    Mauer: Freie Liebe, freie Kunst. Foto: Archiv Tom Appleton, Berlin 1985

    Erst mit 37 kam ich nach Berlin zurück, zu Besuch, mit Frau und Kind, aus dem Südpazifik nach Westberlin, einer Insel, umringt von einer Mauer. Ich ignorierte diese Mauer. Meine Freunde und Bekannten sagten, sie sei extra für mich errichtet worden, damit ich nicht aus Versehen bis nach Moskau weiterlatschte.

    Meine neuseeländische Frau fotografierte das Phänomen Mauer unablässig. Es war ihr unverständlich. Sie hatte Jahre lang Knastbesuche abgestattet, als eine humanitäre Geste. Dies hier war letztlich nichts anderes als jede andere Knastmauer, meinte sie. Ja, sagte ich. Etwas, das man versucht, zu übersehen, auch wenn, in diesem Fall, die Ausgeschlossenen die Eingeschlossenen waren, und die Eingeschlossenen zugleich die Ausgeschlossenen.

    Ob es je einen deutschen Film während oder nach der Mauer gegeben hat, in dem das Thema „Mauer“ angesprochen wurde? Stillschweigend miterwähnt wurde „die Zone“ nur in Andrei Tarkowskis Film „Stalker“, nicht zuletzt dadurch, dass der Film in der DDR synchronisiert wurde, in der DDR einen Filmpreis erhielt und in der DDR nicht gezeigt werden durfte.

    Ähnlich erging es Michail Roms Film „Der gewöhnliche Faschismus“, in der DDR synchronisiert, preisgekrönt und verboten, in der BRD in den Kinos gezeigt unter Fortlassung der letzten beiden Kapitel.


    Blick über die Mauer: Zuschauerpodest, voll. Foto: Archiv Tom Appleton, Berlin 1985

    Den einzigen neueren Film, den ich kenne, der Berlin und die Mauer behandelt, sah ich vor einigen Monaten, am 6. August 2017, was zufällig ein Hiroshima-Gedenktag gewesen wäre, wenn ich dieses Faktum nicht komplett übersehen hätte. Der Film heißt „Atomic Blonde“, ein Spionagefilm, würdiger Nachfolger des „Spions, der aus der Kälte kam“ von ca. 1963.

    In „Atomic Blonde“ gibt es die Szene, wo zwei CIA-Kollegen auf einer hohen Aussichtsplattform - sehr viel höher, als diese real jemals existierten - auf das Teilstück einer Maueranlage niederblicken und der eine, gespielt von John Goodman, teilt der Titelblondine, gespielt von Charlize Theron, mit:

    That’s quite a view.70 miles of barbed wire, 310 guard towers, 65 anti-vehicle trenches, 40,000 Soviet-trained, heavily armed frontier troops. All that, and 5,000 GDR citizens still had the brass balls to escape.
    Ausschnitt aus „Atomic Blonde“

    Das ist ganz offensichtlich im Jahr 2017 die Message an Herrn Trump, der gleich ganz Mexiko von den USA abschneiden möchte. Es war schon damals eine blöde Idee, 1961, als die Mauer hochgezogen wurde, und so war es immer noch 1985, als ich an Bord einer S-Bahn oder U-Bahn von Westberlin unter einem luftdicht abgeschlossenen Teilstück von Ostberlin wieder nach Westberlin fuhr.


    Pseudo Kunst, pseudogerahmt. Foto: Archiv Tom Appleton, Berlin 1985

    Plötzlich war die Atemluft nicht mehr abrufbar. Ostberlin, so signalisierte die Lunge, war wirklich „dicht gemacht“ worden. Blöd bleibt die Idee auch 2017, ob man nun eine Mauer zwischen Mexiko und den USA oder sonst einem Land und dem anderen errichtet.

    War wirklich keine andere Alternative gegeben?

    Bleibt die Frage: War den Herren Chrustschow und Ulbricht damals, 1961, wirklich keine andere Alternative gegeben als der Mauerbau? Hätten sie nicht eine Grenze einrichten können, die durchlässig gewesen wäre - zum Beispiel gegen Hinterlassung einer Kaution von circa 200 Mark? Einzahlbar beim Wechsel von Ostberlin nach Westberlin, und nach Einreichen der Quittung wieder erhältlich bei der Rückkehr. Das Ganze ohne großen Strafaufwand, ohne die Bissigkeit einer Gefängnisverwaltung.

    Daneben die ostdeutschen PX-Läden, wo man gegen West-Valuta Bananen, Kaffee, Zigaretten, Jeans und Beat-Musik-Platten hätte erstehen können. Der Sammlerwert einer sowjetischen Rolling-Stones-Platte auf dem Westberliner Flohmarkt hätte sicher rasch astronomische Höhen erreicht, und auch die sozialistische Kifferszene hätte bald verstanden, dass die Mauer ihre Geschäfte nur schützte und beförderte, statt sie zu behindern.


    Schupos mit Schusswaffen. Foto: Archiv Tom Appleton, Berlin 1985

    Man hätte eine innerdeutsche Form von Fraternité, Égalité und Liberté erlebt, bei der Kennedys berühmte Maueransprache von 1963 nur noch als ein ausgesprochener Lacher gewirkt hätte.

    Nein, die Mauer war wirklich blöde und kontraproduktiv, sie entsprang einer humorlosen Gefängniswärtermentalität, die im Grunde in der eingeschlossenen Bevölkerung eine Knastmentalität züchtete. Hätten DDR-Bewohner beliebig oft in die BRD reisen dürfen, hätten sie rasch gelernt, mit dem Zwei-Staaten-System klar zu kommen.

    Umgekehrt hätte es das berühmte Berufsverbot für linke Westler nicht gegeben, weil man sich einen Brain-Drain Richtung Ost im Westen gar nicht leisten hätte können. Und wie man heute oft spaßeshalber behauptet, Amerikas Arme hätten sich gefreut, wenn sie in die DDR hätten ziehen können, vernünftige Mieten, Vollbeschäftigung, Kita, ärztliche Versorgung, etc. pp. Die Senioren aus dem Osten wären immer noch in den Westen gedackelt, um Bananen und Kaffee zu kaufen, und abends brav zurückgeströmt, um ihre Nachbarschaft zu beglücken. Eine soziale und sozialistische Marktwirtschaft.

    Heute können wir folgendes sagen: Die Mauer ging am 13 August 1961 hoch und am 9. November 1989 nieder. Die Mauer bestand insgesamt 10.315 Tage lang. Seit dem 9 November 1989 bis heute, zum 9. November 2017, sind 10.227 Tage vergangen. Es wird also nochmal rund drei Monate dauern, bis die beiden Hälften dieser Gleichung sich austariert haben werden, und wir eben so lange nach dem Fall der Mauer leben werden wie vor dem Fall der Mauer.


    "Was bleibt übrig, wenn der Mensch verreckt? Das Insekt…das Insekt." Foto: Archiv Tom Appleton, Berlin 1985

    Die Mauer wird als Horror-Monster der deutschen Geschichte wie ein Kadaver, den eine Schlange verschluckt und schließlich wieder ausgeschieden hat, in die Vergangenheit zurücksinken. Ihre Funktion wird einzig darin bestanden haben, Millionen von Menschen ein Leid anzutun, ihnen Freude und Lebenslust zu nehmen.

    Das Einzige, was vielleicht den Bücherfreund beglücken mag, sind die ausgezeichneten DDR-Editionen, die, auf Klopapier gedruckt, bereits zu verrotten beginnen, und von keinem West-Verlag jemals nachgedruckt werden können, weil zu teuer.

    Vielleicht, wenn Trumps Mexiko-Projekt einmal klappt, wird es dereinst in Mexiko einen Knast-Verlag geben, der die DDR-Bücher als schöne amerikanische Leinenbände nachdruckt. Dann bäte ich als erstes um die „Deutsche Grammatik“ von Gerhard Helbig und Joachim Busch. Untertitel: „Ein Handbuch für den Ausländerunterricht.“ (Tom Appleton)

    #Allemagne #Berlin #histoire #mur

  • Das Massaker von Mosul: „Wir töteten sie alle. Daesh, Männer, Frauen und Kinder“

    https://www.heise.de/tp/features/Das-Massaker-von-Mosul-Wir-toeteten-sie-alle-Daesh-Maenner-Frauen-und-Kinder-3

    [...]

    Der Grund sei nicht, dass die Gefängnisse in Bagdad voll seien. Am Anfang der Offensive habe man IS-Kämpfer noch den Geheimdiensten übergeben - was für Gefangene allerdings mitunter noch schrecklicher war, als gleich erschossen zu werden (IS-Verdächtige werden wie Vieh in Gefängnissen gehalten) -, aber dann habe man immer weniger festgenommen. Nach der vom irakischen Regierungschef erklärten Befreiung (Der IS wird nie wieder eine Stadt im Irak erobern) wurde an manchen Stellen weiter gekämpft. Einzelne IS-Kämpfer haben sich in den angelegten Tunnelsystemen versteckt und verüben von dort aus weiter Angriffe.

    MEE veröffentlicht Bilder von den Trümmern und den Leichen in der Altstadt und am Fluss. Unter den Leichen gibt es auch Kinderkörper. Nicht alle kamen durch Gewalt ums Leben, manche verhungerten oder verdursteten auch. Die Menschen, die zuletzt aus der Altstadt kamen, sahen, so MEE, wie Insassen von KZs aus, ausgemergelt, am Rande des Todes.

    Journalisten werden nach MEE aus der Stadt vertrieben, man will keine Zeugen. So hätten einige Journalisten beobachtet, wie ein IS-Gefangener von Spezialeinheiten mit gebundenen Händen und einem Seil um den Hals durch die Ruinen der Altstadt geschleppt wurde. Die Journalisten hätten ihre Speicherkarten mit den Bildern hergeben müssen und seien aufgefordert worden, die Stadt zu verlassen. Der Offizier sagte, es gebe kein Recht mehr in Mosul: “Jeden Tag sehe ich, dass wir dasselbe wie der IS machen. Menschen gingen an den Fluss, um Wasser zu holen, weil sie verdursten, und wir töteten sie.”

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    #Daech #Iraq #Mosul #massacre #vengeance #terreur