AfD : Keiner kann mehr sagen, von alldem nichts gewusst zu haben

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    Le parti AfD dévoile son visage caché. C’est celui d’un nazi à peine modernisé.

    Muss die AfD inzwischen als eine Nazipartei bezeichnet werden, da sie immer offener an nationalsozialistische Ideologie anknüpft?

    Deutschland werde „überflutet“ von „kulturfremden“ Völkerschaften, die Bundesregierung, das seien „Schweine“, die von den „Siegermächten“ ferngesteuert würden. Anfänglich hat die AfD-Frontfrau Alice Weidel abgestritten, eine Email mit solch rechtsextremistischen Inhalten überhaupt verfasst zu haben. Das Pamphlet Weidels ist in der Endphase des Wahlkampfes von der Welt publiziert worden.

    Doch es hat nicht sollen sein: Offensichtlich wollte die skandalgeplagte Spitzenkandidatin der AfD bis zum Wahltag ihre Behauptung aufrechterhalten, bei ihrer rassistischen Email handele es sich um eine „Fälschung“. Nun musste die klagefreudige Ex-Bankerin zurückrudern - und ihre Anschuldigungen „kleinlaut“ zurücknehmen, wie es die FAZ formulierte. Die Journalisten drohten schlicht damit, weitere Details der Affäre zu publizieren.

    Was wäre das für ein Skandal gewesen - in „normalen“ Zeiten: Eine Spitzenkandidatin, die ihre wahnhaften, rassistischen Absonderungen mit der Verbreitung primitiver, leicht zu widerlegender Fälschungsanschuldigungen (im Volksmund auch „Lügen“ genannt) zu kaschieren sucht. Doch inzwischen geht dieser Skandal in der braunen Flut unter, die sich über der Bundesrepublik ergießt. Wen interessieren noch diese Unwahrheiten, wenn Weidels Partei den täglichen Zivilisationsbruch, die blindwütige Forcierung der Barbarei zu ihrer Wahlkampfstrategie gemacht hat.
    Das skandalträchtige Einreißen zivilisatorischer Schranken ebnet einer völkischen Ideologie den Weg

    Die AfD muss Skandale produzieren, die im krisengeplagten Spätkapitalismus aufkommende Sehnsucht nach der Barbarei befeuern, um im öffentlichen Gespräch zu bleiben. Die Aufmerksamkeitsökonomie des öffentlichen Diskurses, der durch die Massenmedien mit ihrem Quotendruck geformt wird, erfordert diesen permanenten Tabubruch allein schon aus wahltaktischen Gründen. Diese Wahlkampftaktik wird von der AfD auch bewusst verfolgt.

    Sobald die rassistischen, antisemitischen oder chauvinistischen Ausfälle der AfD irgendeine Art von Kritik, gar Polemik nach sich ziehen, werfen sich die rechten „Tabubrecher“ sofort in die Opferpose der „verfolgten Unschuld“. Die ansonsten so verhasste politische Korrektheit soll nur für die arischen Deutschtümler der AfD gelten, die alle anderen nach Herzenslust mit Hass überziehen dürfen. Es ist das übliche Spielchen der braunen Waschlappen - schon seit Sarrazin: Sie teilen gerne aus, ohne einstecken zu können.

    Zugleich wird durch diese Taktik auch eine ins Extrem treibende ideologische Dynamik befeuert (Die Bewegung als Bewegung). Das Ganze verselbstständigt sich. Durch dieses skandalträchtige Einreißen zivilisatorischer Schranken, die in der Bundesrepublik mühsam in den Nachkriegsjahrzehnten errichtet wurden, wird somit einer ordinär völkischen Ideologie der Weg geebnet.

    Dieses Ins-Extrem-Treiben der AfD transformiert die Partei in eine völkische Formation, die immer stärker ordinär „nationalsozialistische“ Positionen vertritt. Die AfD als „bloße“ Rechtspopulisten nach dem Muster der Schweizer SVP oder der polnischen PiS zu bezeichnen, wäre schon Verharmlosung, hier formt sich eine rechtsextremistische Nazipartei aus, wie eine Fülle von jüngsten Bespielen belegt.

    Heldenhafter Vernichtungskrieg

    Nur wenige Tage nach dem Skandal um Frontfrau Weidel wurden Äußerungen des AfD-Führers Alexander Gauland publik, der das Recht einforderte, stolz zu sein auf die „Leistungen“ der Wehrmacht während des Zweiten Weltkrieges. Der NS-Vernichtungskrieg, den die Wehrmacht in Osteuropa und der Sowjetunion führte, um die jüdischen und slawischen Untermenschen auszurotten und Lebensraum für die arische Herrenrasse zu schaffen, er solle nun laut Gauland ein positiver Bezugspunkt deutscher Identität werden.

    Einerseits sollen die „zwölf Jahre“ der Nazizeit „unsere Identität“ nicht mehr betreffen, so Gauland, weshalb man sich nun „nicht nur unser Land, sondern auch unsere Vergangenheit zurückholen“ werde. Anderseits solle Deutschland nun Stolz sei auf die „Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen“.

    Allein der Überfall Nazideutschlands auf die Sowjetunion hat mehr als 20 Millionen Sowjetbürgern das Leben gekostet. Länder wie Jugoslawien, Polen, Griechenland waren einem mörderischen, auf die Auslöschung ganzer Bevölkerungen ausgerichteten Besatzungsregime unterworfen, bei dem gerade Wehrmachteinheiten eine führende Rolle spielten. Mitunter, etwa bei den von der Wehrmacht begangenen Massenmorden in Jugoslawien, wurden für jeden getöteten Nazisoldaten 100 Zivilisten erschossen.

    Gauland will somit den nationalsozialistischen Vernichtungskrieg zum positiven Bezugspunkt deutscher Identität oder deutschen Nationalstolzes machen. Es handelt sich somit offensichtlich um eine nationalsozialistische Erinnerungspolitik, die gezielt auf den rechten Rand der CDU/CSU abzielt, wo ja immer noch die Legende von der „sauberen Wehrmacht“ gepflegt wird.
    Rechte Auschwitz-Fans

    Doch wieso sollte der Nationalstolz bei der Wehrmacht haltmachen? Wieso sollte man nicht auch stolz sein auf Auschwitz, was ja - wie Eichmann bekanntlich bei seinem Prozess ausführte - eine ungeheure logistische Leistung darstellte?

    Dieser Ansicht waren die AfD-Anhänger, die bei einer Demonstration ihrer Partei in Jena Naziparolen brüllten, mit denen gefordert wurde, Gegner mit einer „U-Bahn nach Auschwitz“ abzutransportieren. Weder die in der Nähe der rechten Auschwitz-Fans befindlichen AfD-Ordner, noch die Polizeikräfte griffen ein. Inzwischen, nach einer Anzeige der evangelischen und jüdischen Gemeinde, wird gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Volksverhetzung ermittelt. Im Nachhinein hat sich auch ein AfD-Sprecher von den Parolen distanziert.

    In Sachen Auschwitz, der industriell betriebenen Vernichtung von Menschen durch Nazideutschland, herrscht aber in der AfD noch Klärungsbedarf. Während man in Jena mutig auch dieses Tabu bricht und sich offensiv dazu bekennt, gar lautstark eine erneute Inbetriebnahme der Gaskammern verlangt, will man in Niedersachsen Auschwitz als eine Geschichtslüge entlarvt haben.

    Das niedersächsische AfD-Vorstandsmitglied Wilhelm von Gottberg hat in einem Beitrag für das „Ostpreußenblatt“ unter Verwendung von Zitaten italienischer Neofaschisten Auschwitz als einen „Mythos“ bezeichnet, der als „Instrument zur Kriminalisierung der Deutschen und ihrer Geschichte“ fungiere. Der Holocaust sei ein Mythos, „ein Dogma, das jeder freien Geschichtsforschung entzogen bleibt“, so von Gottberg, der hierbei zustimmend den Faschisten Mario Consoli zitierte. Sollte die AfD tatsächlich in den Bundestag einziehen, wird der 77-jährige Holocaustleugner (der sich nach eigenen Angaben „entschuldigt“ hat) das Recht haben, als Alterspräsident den Bundestag zu eröffnen.

    Jedenfalls geht die AfD mit ihrem „tabubrechenden“ neuen Geschichtsverständnis wirklich offensiv um. Die Gedenkstätte des KZs Bergen Belsen meldete auf ihrer Facebook-Seite, dass die AfD an der Zufahrtsstraße zur Gedenkstätte mit „ausländerfeindlichen Plakaten“ Werbung für sich mache. Die Plakate seien „nur einige Hundert Meter vom Gedenkstättengelände“ angebracht worden, direkt neben einem Friedhof, auf dem „über 4500 NS-Opfer bestattet“ seien.

    Wahlkampf mit der Naziparole „Alles für Deutschland“

    Während die Partei offensichtlich um ihr Verhältnis zu Auschwitz noch ringt, sieht es mit der SA, mit der terroristischen Sturmabteilung der NSDAP, schon ganz anders aus. An deren Traditionen wollen AfD-Politiker wie Ulrich Oehme, Bundestagskandidat im Wahlkreis Erzgebirge II, durchaus wieder anknüpfen.

    Oehme machte Wahlkampf mit der Naziparole „Alles für Deutschland“, die auf den Dolchen der SA eingraviert war. Nachdem er über das noch geltende Verbot dieses Spruchs informiert war, erklärte der AfD-Politiker, inhaltlich weiterhin zu dieser Aussage zu stehen, auch wenn er diese nun mit dem Spruch „Herz für Deutschland“ überkleben werde - dies ist bekanntlich eine NPD-Parole.

    Oehme wörtlich: „Wir dürfen unsere deutsche Sprache nicht geißeln, indem wir Sprüche, die so nahe am Leben stehen, uns selbst verbieten.“ Die Sprecherin des AfD-Politikers erklärte überdies, dass er gegen diese „Einschränkung der Redefreiheit“ kämpfen wolle. Neben dem SA-Spruch „Alles für Deutschland“ gelte dies auch für die Naziparole „Deutschland erwache“. Damit scheint der AfD-Mann den politischen Schwerpunkt seiner eventuellen parlamentarischen Arbeit umrissen zu haben: Naziparolen legalisieren. Selbst Marco Wanderwitz, CDU-Gegenkandidat in Oehmers Wahlbezirk, gibt sich keinen Illusionen hin: „Alles, was ich über Ulrich Oehme gelernt habe, ist, dass er ein reinrassiger Nazi ist. So ein Mann gehört nicht in ein Parlament.“

    Eine völkische NS-Partei

    Und offensichtlich kooperiert die AfD längst mit Rechtsextremisten und Neonazis, wie etwa Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich bei einer Sitzung der Bundes-CDU ausführte. Demnach erhalte die AfD organisatorische Unterstützung von der NPD. Hinzu kommt die Tendenz, dass organisierte Neonazis immer häufiger auch offen bei Veranstaltungen der AfD auftreten können, da sie von der Partei geduldet werden - als eine inoffizielle Schlägertruppe. Kein Wunder somit, dass AfD-Politiker wie der Finanzvorstand Hardi Schumny inzwischen unter Druck geraten, weil sie der NPD ihrerseits mit Spenden unter die Arme griffen. l Schumny erklärte seine Zuwendungen an die NPD mit „Frustrationen“.

    Ein weiter Nazi-Skandal entfaltet sich in dem AfD-Kreisverband Altmark-West, dessen Schatzmeister Sebastian Koch auf eine reichhaltige Erfahrung in der dortigen Naziszene zurückblicken kann. Laut Zeitungsrecherchen soll Koch „mehrere Jahre in der Neonazi-Szene aktiv“ gewesen sein, er habe bis 2016 an „diversen Demonstrationen und Kundgebungen rechtsextremer Parteien und Organisationen teilgenommen“. Koch sei weiterhin der „Neonazi-Szene zuzurechnen“, erklärten Beobachter der Szene gegenüber der Zeitung „Volksstimme“.

    Für den AfD-Führer André Poggenburg ist dies selbstverständlich kein Grund, Konsequenzen zu ziehen: „Es ist in Ordnung, an Kundgebungen jeglicher Richtungen teilzunehmen und sich vor Ort zu informieren. Jeder soll sich selbst ein Bild machen.“ Das Bild einer zunehmend völkisch ausgerichteten, rechtsextremistischen Partei komplettieren noch die ungeklärten Skandale um das rechtsterroristische Netzwerk in und um die AfD, sowie die Vernichtungsphantasien führender AfD-Politiker aus Mecklenburg-Vorpommern (Vom Rechtspopulismus zum Rechtsterrorismus).

    Dabei handelt es sich nicht um lauter „Einzelfälle“, sondern um den Ausdruck einer extremistischen Tendenz. Die rechten Populisten in der AfD vom Schlage einer Frauke Petry sind längst in der Defensive, sie verlieren an Boden gegenüber den völkisch-nationalistischen Kräften, wie etwa die Zeit in einem Bericht aus Sachsen konstatierte. Längst seien die Anhänger des Nazis Björn Höcke selbst in dem Wahlkreis tonangebend, in dem Petry antritt. Die Verfilzung zwischen AfD, Pegida und offen extremistischen Kräften wie der „Identitären Bewegung“ scheint vor Ort irreversibel vorangeschritten.

    Inzwischen warnen Aussteiger wie die ehemalige AfD-Jugendfunktionärin Franziska Schreiber eindringlich vor der extremistischen Partei. Der völkische Flügel sei längst in der AfD „dominant“, so Schreiber, laut der die bewusst provozierten Skandale des NS-Flügels als eine innerparteiliche Machtstrategie fungierten: Hierdurch sollen nicht-völkische Gruppierungen endgültig aus dem Parteiapparat verdrängt werden. Die völkische Transformation der AfD sei irreversibel, so Schreiber: „Die Partei ist verloren.“

    Angesichts dieser evidenten, ordinär faschistischen Tendenzen, brachte es zumindest der Tagesspiegel über sich, in einem Kommentar die AfD nicht mehr zu verharmlosen - und, wie ansonsten üblich, als „Populisten“ oder „Rechtskonservative“ zu bezeichnen. Der „völkische Reinheitsgedanke“, durchziehe, ebenso wie der Geschichtsrevisionismus, wie ein roter Faden das Grundsatzprogramm der AfD:

    Die Alternative für Deutschland ist eine rechtsextreme Partei, die versucht, völkisches Denken in Deutschland wieder hoffähig zu machen. Sie strebt ein ethnisch homogenes Deutschland an. Sie will die deutsche Geschichte revidieren. Sie ist gefährlich.
    Tagesspiegel

    Und eben dieser „völkische Reinheitsgedanke“, der alles Artfremde, Schwache oder „Kranke“ am halluzinierten „Volkskörper“ ausmerzen will, bildet das zentrale Element nationalsozialistischer Ideologie. Die AfD knüpft somit immer deutlicher an NS-Ideologie an, sie wandelt sich zu einer extremistischen Nazipartei. Hierüber dürften, auch gerade am Wahlsonntag, keine Illusionen mehr herrschen. Jeder, der sein Kreuz bei der AfD macht, weiß ganz genau, was er damit anrichtet. Nicht dass es bei der nächsten Entnazifizierung wieder heißt, man habe von alldem nichts gewusst. (Tomasz Konicz)

    #Allemagne #nazis #AfD #avertissement