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  • Regina Ziegler: „Als ich nach Berlin kam, war ich wie im Rausch“
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    „Die Mitte meiden und sich am Rand wohlfühlen“: Regina Ziegler lebt in Zehlendorf. Foto Guido Werner/Ziegler Film

    30.10.2033 von Anne Vorbringer - Berlin hat rund 3,8 Millionen Einwohner, und jeder hat seinen eigenen Blick auf die Stadt. Was macht Berlin aus, wieso lebt man hier – und tut man es überhaupt gern?

    In unserer Rubrik „Fragebogen Berlin“ fragen wir bekannte Hauptstädterinnen und Hauptstädter nach ihren Lieblingsorten und nach Plätzen, die sie eher meiden. Sie verraten, wo sie gern essen, einkaufen oder spazieren gehen. Aber auch, was sie an Berlin nervt und was man hier auf keinen Fall tun sollte.

    Diesmal hat Regina Ziegler unsere Fragen beantwortet, die in diesem Jahr großes Jubiläum feiern kann. Vor 50 Jahren gründete sie Ziegler Film und wurde Deutschlands erste Produzentin. Bis heute realisierte sie rund 500 Filmprojekte und gehört damit zu den produktivsten und erfolgreichsten Produzenten des Landes.

    Für ihr neuestes Projekt arbeitete Ziegler mit dem Streaming-Riesen Amazon zusammen. Seit dem 26. Oktober läuft die Serie „Die Therapie“ exklusiv bei Prime Video. Die Buchvorlage stammt von einem anderen bekannten Berliner: dem Bestseller-Autor Sebastian Fitzek.

    1. Frau Ziegler, seit wann sind Sie schon in der Stadt?

    Eigentlich wurden meine Wurzeln in Berlin 1943 gepflanzt. Meine Mutter wohnte damals in Charlottenburg in der Röntgenstraße. Sie war mit mir hochschwanger und wurde mit meiner älteren Schwester an der Hand drei Tage und vier Nächte im Luftschutzkeller verschüttet. Als wir gerettet waren, war unsere Wohnung nicht mehr da. So trampte sie nach Allrode im Harz zu ihren Eltern und ich wurde am 8. März in Quedlinburg geboren und war der Hit des Weltfrauentages 1944. Diese Geschichte saß so tief in mir, dass ich nach dem Abitur 1964 zum Jurastudium nach Berlin zog.

    2. Welcher ist Ihr Lieblingsort in Berlin?

    Der China Club in der Behrenstraße 72, der seit vielen Jahren meinen Gästen und mir auch wegen seiner fantastischen asiatischen Küche und wegen des Restaurantmanagers Henryk Vieillard ein Genuss ist.

    3. Wo zieht es Sie hin, wenn Sie entspannen wollen?

    In mein Bett …

    4. Welche Ecken der Stadt meiden Sie?

    Als Dauer-Radiohörerin kenne ich immer aktuell die Präsenz der Klebeaktionen der Letzten Generation und kann entsprechend reagieren. Meistens gelingt es mir, dadurch stundenlange Staus zu vermeiden und zu meinen Terminen pünktlich zu sein.

    5. Ihr ultimativer Gastro-Geheimtipp?

    Das 893 Ryotei in der Kantstraße und das Ponte in der Regensburger Straße zum Dinner. Zum Lunch empfehle ich die Salumeria Rosa in der Neuen Kantstraße 25.

    6. Ihr ultimativer Shopping-Geheimtipp?

    Es gibt kleine, feine Boutiquen rund um den Savignyplatz, in denen ich mich gerne nach ausgefallenen Modellen umschaue. Und an einem Issey-Miyake-Shop kann ich nicht vorbeigehen, ohne reinzuschauen. Gott sei Dank haben wir in Berlin keinen Miyake-Laden.

    7. Der beste Stadtteil Berlins ist …

    Charlottenburg war und ist immer noch mein bevorzugter Kiez. Als ich 1964 aus Obernkirchen nach Berlin kam, war ich wie im Rausch. So viele Menschen wie an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche hatte ich noch nie gesehen. Ich mietete ein Zimmer in der Mommsenstraße 36 bei einer kinderreichen Familie. Meine Vermieterin und ihre vier Kinder nahmen mich wie ein Familienmitglied auf, und sie drückte auch ein Auge zu, wenn mein späterer Ehemann Hartmut Ziegler mal über Nacht blieb, was damals strikt verboten und deshalb sehr ungewöhnlich war und zu der Geburt von Tanja führte.
    Um mir etwas dazuzuverdienen, trug ich in Charlottenburg die Berliner Morgenpost aus und verkaufte an den Wohnungstüren Waschmaschinen. Während der ersten Jahre beim Sender Freies Berlin in der Masurenallee nutzte ich noch jeden Tag die Straßenbahn entlang der Kantstraße. Mein erster Spielfilm „Ich dachte, ich wäre tot“ lief 1974 mit großem Erfolg viele Wochen im filmkunst 66 in der Bleibtreustraße 12. Als die langjährigen Besitzer des Kinos, Rosemarie und Franz Stadler, das filmkunst 66 verkauften, haben Tanja und ich nicht lange überlegt – und uns einen Traum erfüllt.

    8. Das nervt mich am meisten an der Stadt:

    Klaus Wowereit hat mit Georgia Tornow vor vielen Jahren am Potsdamer Platz den Boulevard der Stars ins Leben gerufen. Da haben die Sterne noch gestrahlt. Meiner auch. Heute sind sie total verrottet und vergammelt. Diese Sterne sind für mich auch Sinnbild für die Filmfestspiele und deren ungewisse Zukunft.

    9. Was muss sich dringend ändern, damit Berlin lebenswert bleibt?

    Dass in Berlin keine Menschen mehr unter den Brücken schlafen müssen. Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum, wir brauchen eine nachhaltige Verbesserung der Verkehrssituation. Die Menschen müssen kurzfristiger Termine bei den Bürgerämtern bekommen. Und beim BER müssen endlich die Laufbänder und die Fahrstühle funktionieren und nicht tagelang ausfallen. Ich finde es unverständlich, dass die Lufthansa nur wenige Direktflüge aus der deutschen Hauptstadt ins Ausland anbietet. Auch das muss sich dringend ändern.
    Und aus aktuellem Anlass möchte ich hinzufügen: Eine Stadtgesellschaft hat Regelungen und Gesetze, an die sich alle halten müssen – ganz gleich, ob sie in Berlin geboren oder erst später hierhergekommen sind: Sie sind Berliner. Es gibt keinen Platz für Hass, Aggression, Gewalt, Intoleranz und Antisemitismus.

    10. Ihr Tipp an Unentschlossene: Nach Berlin ziehen oder es lieber bleiben lassen?

    Wenn, dann die Mitte meiden und sich am Rand wohlfühlen.

    11. Cooler als Berlin ist nur noch …

    Quedlinburg, weil ich da geboren bin.

    –---

    Zur Person

    Regina Ziegler kam 1944 in Quedlinburg (Sachsen-Anhalt) zur Welt. 1964 ging sie nach Berlin und arbeitete nach einer Ausbildung zur Wirtschaftsdolmetscherin zunächst als Produktionsassistentin beim SFB. 1973 gründete sie ihre eigene Firma. Gleich für ihre erste Produktion „Ich dachte, ich wäre tot“ erhielt sie mehrere Auszeichnungen. Mittlerweile haben sie und ihre Tochter Tanja (Foto) rund 500 Filme und Serien für Kino und Fernsehen produziert.

    Tanja Ziegler stieg im Jahr 2000 ins Unternehmen Ziegler Film ein und besitzt inzwischen die Mehrheit der Anteile. Regina Ziegler ist Honorarprofessorin an der Filmuniversität Babelsberg, gemeinsam mit ihrer Tochter betreibt sie das Berliner Programmkino filmkunst 66. Vom Museum of Modern Art in New York wurde sie 2006 mit einer Retrospektive geehrt. 2017 veröffentlichte sie ihre Autobiografie „Geht nicht gibt’s nicht“. Ihre neue Produktion, die sechsteilige Thriller-Serie „Die Therapie“, läuft aktuell bei Amazon Prime Video.

    #Berlin
    #Charlottenburg #Bleibtreustraße #Kantstraße #Masurenallee #Mommsenstraße #Neue_Kantstraße #Röntgenstraße #Regensburger_Straße #Savignyplatz
    #Mitte #Behrenstraße #Potsdamer_Platz
    #Wilmersdorf
    #Zehlendorf

    #Fernsegen
    #Film
    #Gastronomie
    #Kino

  • Taxi-Verbandschef Hermann Waldner: „Ich will nicht dabei zusehen, wie das Taxi vor die Hunde geht“
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/berlin-taxi-verbandschef-hermann-waldner-ich-will-nicht-dabei-zuseh

    Die Welt ist schlecht. Dem Taxi geht es ebenso, und Waldi wird nostalgisch. War sooo ne schöne Zeit mit den Stasileuten vom VEB Taxi, nicht wahr?

    26.10.2023 von Peter Neumann - Der 9. November, Jahrestag des Mauerfalls, steht bevor. Hermann Waldner erinnert sich an die Zeit des Umbruchs. Als er den VEB Taxi erwarb und Markus Wolf, Chef der DDR-Auslandsspionage, zu seinen Kunden zählte. Als ehemalige Stasi-Mitarbeiter Fahrgäste chauffierten und die Polizei ein Taxi sicherstellte, dessen Kofferraum voll mit Waffen war. Waldner, der als Student in West-Berlin Taxi fuhr, kennt die Berliner Taxibranche wie kein anderer – als Unternehmer und Verbandschef. Doch heute gerät das Gewerbe immer stärker unter Druck. Im Interview mit der Berliner Zeitung erklärt Waldner, was die Politik unternehmen muss, um das Taxi zu retten – und warum das nötig ist.

    Herr Waldner, wie lange liegt Ihre jüngste Taxifahrt in Berlin zurück?

    Ich bin nicht so oft mit dem Taxi unterwegs, weil ich ein Privatauto habe. Aber vorgestern bin ich mal wieder Taxi gefahren. Vom Prenzlauer Berg, wo ich wohne, zum Hauptbahnhof.

    Wie war die Fahrt?

    Einwandfrei. Auch die Zahlung mit Apple Pay hat geklappt. Es ging so schnell wie mit keiner anderen Bezahlart. Das Trinkgeld konnte ich ganz einfach aufschlagen. Ich war sehr zufrieden.

    Taxis warten am Kurt-Schumacher-Platz im Nordberliner Bezirk Reinickendorf auf Fahrgäste. Im Dezember 2019 waren 8044 Taxikonzessionen vergeben, im September 2023 waren es laut Senat nur noch 5573.

    Taxis warten am Kurt-Schumacher-Platz im Nordberliner Bezirk Reinickendorf auf Fahrgäste. Im Dezember 2019 waren 8044 Taxikonzessionen vergeben, im September 2023 waren es laut Senat nur noch 5573.

    Gab es schon mal eine Taxifahrt in Berlin, bei der Sie sich geärgert haben?

    Nein, das ist mir schon lange nicht mehr passiert. Ich bin aber auch keine gute Testperson, weil ich in der Taxibranche bekannt bin. Da müsste ich mir schon einen falschen Bart ankleben.

    Aber andere Taxifahrgäste beschweren sich.

    Meine Zentrale vermittelt in Berlin täglich im Schnitt rund 20.000 Taxifahrten. Da kommt es natürlich vor, dass sich Fahrgäste beschweren, das ist normal bei dieser großen Zahl von Aufträgen. Doch es sind nur wenige Beschwerden pro Tag. Der allergrößte Teil der Fahrgäste ist zufrieden.

    Worum geht es bei Beschwerden?

    Sehr oft um den Fahrpreis. Die heutige Generation, die viel übers Internet bestellt, ist nicht daran gewohnt, dass die Kosten einer Taxifahrt nicht von vornherein auf den Cent genau feststehen. Bislang gibt es in Berlin keine Festpreise fürs Taxi, das verstehen viele Kunden nicht. Manche von ihnen fühlen sich betrogen, wenn plötzlich ein paar Euro mehr auf der Uhr stehen, weil das Taxi im Stau aufgehalten worden ist. Das ist aber kein Betrug, das ist der Taxitarif. Weil dieses Thema immer wieder zu Reibereien führt, finden wir es gut, dass der Senat Anfang 2024 Festpreise ermöglicht.

    Rund 90 Prozent der Berliner Taxis dürfen zwar Fahrgäste zum Flughafen bringen, aber sie müssen den weiten Weg nach Berlin leer zurückfahren. Aus klimapolitischen, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen ist das ein Unding.

    Hermann Waldner

    Manchmal beschweren sich Fahrgäste auch, weil ein Taxifahrer eine unnötig lange Strecke ausgewählt hat.

    Es kommt vor, dass ein Fahrer einen Umweg fährt, weil der direkte Weg durch ein Wohnviertel mit schmalen Straßen und Tempo 30 führt. Wenn er dies stillschweigend macht, ohne sich vorher mit dem Kunden abzustimmen, kann das Anlass einer Beschwerde sein – in der Regel zu Recht, wie ich finde.

    Als der Flughafen Tegel noch in Betrieb war, gab es haarsträubende Fälle. Betrügerische Taxifahrer forderten von Touristen Mondpreise – von Tegel nach Tempelhof 400 Euro.

    Bei diesen eklatanten Fällen ging es um Fahrer, die nicht am Taxifunk teilgenommen haben oder den Funk ausgeschaltet haben. Normalerweise lässt sich jede Fahrt, die per Funk vermittelt wird, nachvollziehen. Die GPS-Daten, mit denen das möglich ist, müssen eine Zeit lang aufbewahrt werden.

    Taxis am Flughafen BER. Bis zu 500 Berliner Taxen können eine Ladeberechtigung für den Flughafen erhalten. Steigt die Zahl der Fluggäste, kann die Zahl auf bis zu 550 erhöht werden.

    Seit drei Jahren ist Tegel geschlossen. Der neue Flughafen BER liegt in Schönefeld, ziemlich weit vom Stadtzentrum entfernt. Spielt der BER für Taxis noch eine Rolle?

    Für unser Gewerbe ist es ein Trauerspiel. Eigentlich könnten wir mit Flughafenfahrten gute Geschäfte machen. Doch der Landkreis Dahme-Spreewald hat aus regionalem Egoismus durchgesetzt, dass nur 500 Berliner Taxis die Erlaubnis bekommen, am BER Fahrgäste aufnehmen zu dürfen. Rund 90 Prozent der Berliner Taxis dürfen zwar Fahrgäste zum Flughafen bringen, aber sie müssen den weiten Weg nach Berlin leer zurückfahren. Aus klimapolitischen, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen ist das ein Unding. Wir versuchen seit Jahren, das zu ändern, sehen im Landratsamt in Lübben allerdings keinerlei Bereitschaft. Wir kommen da einfach nicht weiter.

    Müssen Fahrgäste am BER immer noch lange warten, bis sie ein Taxi bekommen?

    Das beobachten wir nur noch selten. Inzwischen ist es erlaubt, bei großem Andrang auch Taxis ohne BER-Zulassung nach Schönefeld zu rufen. Außerdem ist es so, dass viele Fluggäste die Bahn benutzen. Von meinem Büro in Friedrichshain ist es nicht weit zum Bahnhof Ostkreuz, von dort braucht der Flughafenexpress nur 18 Minuten zum BER. Das würde ich nicht einmal mit dem Hubschrauber schaffen, geschweige denn per Taxi.

    Wie geht es dem Berliner Taxigewerbe?

    Sehr schlecht. Es gab mal mehr als 8400 Taxis in Berlin, inzwischen sind es nur noch knapp 5600. Dagegen ist die offizielle Zahl der Mietwagen mit Fahrer, die man auf den Plattformen Uber, Bolt und FreeNow per App buchen kann, in Berlin auf fast 4500 gestiegen. Die wahre Zahl dürfte deutlich darüber liegen. Ein Mitarbeiter des Landesamts für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten hat mir mitgeteilt, dass er von rund 1000 gefälschten Konzessionsurkunden ausgeht. Hinzu kommen Mietwagen mit Fahrer, die im Land Brandenburg gemeldet sind, aber vor allem in Berlin unterwegs sind. Unterm Strich dürften es mehr als 6000 Fahrzeuge sein, die uns Konkurrenz machen.

    Die meisten Fahrgäste freuen sich. Mit Uber und Co sind sie preiswerter unterwegs als im Taxi.

    Nach unseren Erkenntnissen liegen die Fahrpreise um bis zu 40 Prozent unter unseren Tarifen. Angesichts solcher Dumpingpreise kann man es den Fahrgästen nicht verdenken, dass sie auf diese Angebote fliegen. Jeder versucht, Geld zu sparen – auch wenn dies dazu führt, Steuerhinterziehung und Sozialbetrug zu fördern. Denn anders können die Mietwagenunternehmen nach unserer Einschätzung nicht überleben. Ein Zollbeamter hat mir erzählt, dass sich die Einnahmen ungefähr so aufgliedern: Ein Drittel kassieren die Fahrer legal von den Fahrgästen, ein Drittel kommt schwarz cash auf die Hand, ein Drittel vom Arbeitsamt. Während im Taxigewerbe jede Bewegung, jede Einnahme mithilfe von Fiskaltaxametern erfasst und nachvollzogen werden kann, haben zwei Drittel der Mietwagen aufgrund von Ausnahmegenehmigungen nicht einmal geeichte Wegstreckenzähler. Damit ist der Manipulation Tür und Tor geöffnet.

    Uber dementiert, dass Gesetze verletzt werden. Die Fahrzeuge werden effizienter eingesetzt, deshalb seien niedrigere Fahrpreise möglich. Die Fahrdienste seien keine Konkurrenz fürs Taxi.

    Wir haben 35 bis 40 Prozent des Geschäfts verloren. Monat für Monat muss das Berliner Taxigewerbe auf immer mehr Kunden verzichten. Nachts machen Taxis in Berlin kaum noch Umsatz. Jüngere Leute, die zu später Stunde zu Bars und Clubs unterwegs sind, buchen bei Uber und Co.

    Was fordern Sie?

    Es ist allerhöchste Zeit, dass Politik und Verwaltung in Berlin einschneidende Maßnahmen ergreifen. An erster Stelle muss eine Anti-Dumping-Regelung stehen. Berlin muss Mindestfahrpreise für den Mietwagenverkehr einführen, damit das Kaputt-Dumping nicht mehr stattfinden kann.

    Festzuhalten ist, dass Taxikunden auch in Zukunft auf berechenbare Preise setzen können.

    Wie soll das in Berlin konkret funktionieren?

    Für Fahrpreise bei Uber und Co muss es eine verbindliche Untergrenze geben. Sie sollte sich an der Festpreisregelung orientieren, die Anfang des kommenden Jahres in Berlin in Kraft treten soll.

    Festpreise im Taxiverkehr – was ist damit gemeint?

    Wenn Fahrgäste eine Taxifahrt bestellen, können sie sich im Voraus den Tarif nennen lassen, der ihnen dann garantiert wird. Wie in München, wo es seit September Festpreise gibt, wird sich der Fahrpreis innerhalb eines Tarifkorridors bewegen. Je nach Tages- und Nachtzeit, Staus und Verkehrslage kann der genannte Festpreis um bis zu zehn Prozent unter oder um bis zu 20 Prozent über dem regulären Taxistreckentarif liegen. Wir stellen uns vor, dass auch die Fahrpreise für Mietwagen mit Fahrern in diesem Korridor liegen.

    Besteht da nicht die Gefahr, dass bei bestellten Taxifahrten immer ein Aufschlag von 20 Prozent verlangt wird?

    Es wird nicht so sein, dass in jedem Fall für eine bestellte Fahrt das Maximale gefordert wird. Sicher, am Silvesterabend, wenn viele Menschen unterwegs sind, wird man an den oberen Rand gehen – auch um sicherzustellen, dass am letzten Abend des Jahres viele Taxifahrer arbeiten. Doch festzuhalten ist, dass Taxikunden auch in Zukunft auf berechenbare Preise setzen können. Wer ein Taxi auf der Straße anhält, wird wie heute exakt den Streckentarif zahlen. Der geplante Tarifkorridor wird ausschließlich für bestellte Fahrten gelten. Bei den Plattformen kommt es vor, dass die Preisschwankungen viel größer sind. In München, wo es Taxifestpreise gibt, sind die Nachfrage und das Feedback der Kunden sehr gut. Ein wichtiger Beschwerdegrund ist weggefallen.

    In Barcelona wurde ein Mindesttarif eingeführt. Das führte dazu, dass sich Uber zeitweise zurückzog. Doch inzwischen hat der Europäische Gerichtshof die Regelung in Barcelona wieder aufgehoben, weil sie nicht mit dem EU-Recht vereinbar sei. Rechtsfragen führen in Berlin dazu, dass der Senat Ihre Forderung immer noch prüft.

    Es stimmt, die mittlere Ebene der Senatsverkehrsverwaltung unterstützt unseren Wunsch nicht. Hinzu kam, dass sich die bisherigen Senatorinnen, Regine Günther und Bettina Jarasch von den Grünen, für das Berliner Taxigewerbe leider nicht interessierten. Als wir ein Spitzentreffen verlangten, schob Frau Jarasch das Thema zu der damaligen Staatssekretärin ab. Der Wechsel im Senat hat das geändert. Kai Wegner von der CDU war bei uns im Taxizentrum in Friedrichshain, als er noch nicht Regierender Bürgermeister war. Er informiert sich aus erster Hand und schaltet nicht auf stumm. Wegner und die neue Verkehrssenatorin Manja Schreiner haben ein offenes Ohr für uns. Das zeigt die schnelle Bereitschaft, 2024 Taxifestpreise einzuführen. Aber auch der neue Senat muss mit dem Bedenkenträgertum in der Verwaltung umgehen. In Hamburg sind die Behörden mutiger. Da wird auch schon mal Mietwagenunternehmen die Konzession verweigert.

    In Österreich hat der Gesetzgeber einen radikalen Schritt vollzogen. Nicht, dass alle restlos zufrieden sind. Doch dort gibt es faire Bedingungen für alle.

    Die Plattformbetreiber entgegnen, dass eine Preisregulierung dem EU-Recht und dem Grundgesetz widerspricht. Mindesttarife für den Mietwagenverkehr seien rechtswidrig.

    Nein, dieser Auffassung bin ich nicht. Mietwagenunternehmen haben uns einen großen Teil des Geschäfts weggenommen. Dabei hat der Gesetzgeber eine klare Trennung vorgesehen, Mietwagen mit Fahrer sollen nicht wie das Taxi agieren. Sie sollen zum Beispiel in der Regel nach jeder Tour zum Betriebssitz zurückkehren. Das Mietwagengewerbe hat eine Sonderfunktion: Weite Fahrten, Limousinenservice – so hat es jahrzehntelang funktioniert. In Österreich hat der Gesetzgeber einen radikalen Schritt vollzogen: Er hat beide Gewerbe zusammengeführt. Dort sind nur noch Taxis unterwegs. Alle haben dieselben Bedingungen, der Tarifkorridor verhindert Dumpingpreise. Nicht, dass alle restlos zufrieden sind. Doch in Österreich gibt es faire Bedingungen für alle.

    Laut Senat sind in Berlin derzeit fast 4500 Mietwagen mit Fahrer unterwegs.

    Wäre es schlimm, wenn Berlin ohne Taxis auskommen müsste?

    Natürlich! Es wäre ein Verlust, wenn es in Berlin keine Taxis mehr geben würde. Zum Beispiel hat das Taxi eine Beförderungspflicht. Es muss auch fahren, wenn sich jemand nur kurz von der Apotheke oder dem Arzt nach Hause bringen lassen will. Unsere Konkurrenz darf solche Kurzfahrten ablehnen. In den USA gibt es bereits Städte ohne Taxis. Dort vermitteln Uber und Co nur noch lukrative längere Touren, oder sie fordern für Kurzfahrten hohe Fahrpreise. In Berlin sind Taxis verlässlich, sie fahren auch dann zu erschwinglichen Tarifen, wenn es regnet und stürmt.

    Stichwort Überalterung: Gibt es überhaupt noch junge Leute, die Taxifahrer sein wollen?

    Der Altersdurchschnitt in der Berliner Taxibranche ist relativ hoch. In Berlin sehen junge Leute meist keine Perspektive mehr im Taxigewerbe. In Hamburg, wo die Taxibranche verhältnismäßig gesund und die Zahl der Mietwagen gering ist, gibt es auch junge Taxifahrer und junge Taxiunternehmer.

    Wir sind damals wahnsinnige Risiken eingegangen. Anfangs machte das Unternehmen große Verluste, nur durch Glück haben wir überlebt.

    Ende 2022 wurden in Berlin die Taxitarife um durchschnittlich 20 Prozent erhöht. Hat sich das ausgewirkt?

    Die Fahrpreiserhöhung hat den Sog weg vom Taxi beschleunigt. Noch mehr Kunden sind zu den Mietwagen abgewandert.

    Sollte Berlin nicht erst einmal auf Fahrpreiserhöhungen verzichten?

    In dieser Frage ist das Taxigewerbe zerstritten. Einzelwagenunternehmer ohne Angestellte sehen Tarifanhebungen sehr skeptisch. Mehrwagenunternehmer, die ihren Fahrern den Mindestlohn zahlen müssen, sprechen sich meist dafür aus. Sie sind auf höhere Einnahmen angewiesen, um Kostensteigerungen tragen zu können. Auch wenn der eine oder andere Fahrgast wegbleibt.

    Ihnen gehört Taxi Berlin, die größte Taxizentrale in Berlin. Im Bundesverband Taxi und Mietwagen, kurz BVTM, sind Sie Vizepräsident. Nun wurden Sie zum Ersten Vorsitzenden von Taxi Deutschland Berlin, eines weiteren Branchenverbands, gewählt. Warum halsen Sie sich noch mehr Arbeit auf?

    Ich bin Jahrzehnte in der Branche tätig. Ich kann und will nicht dabei zusehen, wie das Taxi vor die Hunde geht. In Berlin ist die Not am größten. Hier haben wir die allergrößten Probleme.

    Nach dem Ende der DDR haben Sie in Ost-Berlin den Volkseigenen Betrieb (VEB) Taxi übernommen.

    Das war ein Riesenabenteuer. Ich war junger Unternehmer. In Berlin, Hauptstadt der DDR, gab es zuletzt 430 Taxis. Viel zu wenige für eine Stadt mit fast 1,3 Millionen Einwohnern. Kein Wunder, dass die Taxis im Osten immer ausgebucht waren. Der VEB Taxi hatte rund 1300 Beschäftigte. Davon waren 860 Taxifahrer und 130 Fahrlehrer in der zentralen Fahrschule in der Milastraße in Prenzlauer Berg. Hinzu kamen Heizer, Kantinenpersonal und fast 200 Werkstattbeschäftigte. Schließlich mussten die Ersatzteile zum Teil selber geschnitzt werden. Wir sind damals wahnsinnige Risiken eingegangen. Anfangs machte das Unternehmen große Verluste, nur durch Glück haben wir überlebt. Aus der Taxizentrale, die später in den Spreefunk überging, ist mein jetziges Unternehmen hervorgegangen.

    Der damalige Geschäftsführer des Autohauses begrüßte Markus Wolf als Genosse Minister, und dann duzte er ihn. Ich stand wie ein Statist da und fragte mich, was hier passiert. Über die Nachwendezeit in Berlin könnte ich ein Buch schreiben.

    Mir wurde erzählt, dass viele Taxifahrer mit der Stasi zu tun hatten.

    Davon wusste ich anfangs nichts. Ich war ein naiver Wessi, der von West-Berlin in den Osten gekommen war. Tatsächlich hatte der VEB Taxi mehr als 180 Fahrer, die vorher als hauptamtliche Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit tätig gewesen waren. Im April 1989, Monate vor dem Mauerfall, wurde damit begonnen, ihnen Personenbeförderungsscheine auszustellen. So waren sie nach ihrem Ausscheiden versorgt. Bis ins Jahr 1990 hinein ging das so weiter. Der Leiter des Verkehrskombinats war stolz. Das sind gute Leute, die kennen sich aus, sagte er. Damals gab es einen Witz in Ost-Berlin: Wenn Sie in ein Taxi einsteigen, muss man nur den Namen sagen. Der Fahrer weiß schon, wohin es geht.

    Sie haben berichtet, dass das Thema auch dunkle Seiten hat. Was meinen Sie damit?

    Anfang der 1990er-Jahre gab es drei Taxifahrermorde. Sie wurden nie so richtig aufgeklärt. Die Opfer gehörten zu den Fahrern, die ihren Personenbeförderungsschein 1989 oder 1990 bekommen hatten. Vielleicht ging es um Verteilungskämpfe, um Waffen oder anderes Vermögen. Ich kann mich daran erinnern, dass die Polizei vor der Taxizentrale ein Taxi sicherstellte, der Kofferraum war voll mit Handgranaten. Einige Taxifahrer waren an Waffenschiebereien beteiligt. Schließlich waren Taxis eine gute Tarnung. Die Polizei hat nach meiner Einschätzung oft nicht richtig ermittelt. Da dachte ich mir: Du als Outsider kannst Dich nur noch naiv stellen. Das war echt nicht ohne.

    Markus Wolf, den langjährigen Leiter des Auslandsnachrichtendienstes der DDR, haben Sie in der Wendezeit auch kennengelernt.

    Markus Wolf war Kunde in einem unserer Autohäuser, die wir gegründet haben, damit die Werkstattleute des VEB Taxi weiterhin eine Beschäftigung haben und unsere Taxis repariert werden. Er besaß einen gebrauchten 340er-Volvo und kam damit ganz bescheiden zu uns. Der damalige Geschäftsführer des Autohauses begrüßte Wolf als Genosse Minister, und dann duzte er ihn. Das war 1994. Ich stand wie ein Statist da und fragte mich, was hier passiert. Über die Nachwendezeit in Berlin könnte ich ein Buch schreiben.

    Aus der Vergangenheit in die Zukunft. Wie lange wird es in Berlin noch Taxis geben?

    Ich bin sehr pessimistisch, wenn ich mir die Lage in Berlin anschaue. Doch die Mobilitätswende wird auch dazu führen, dass Neues entsteht. Ich bin mir sicher, dass autonome Taxis, die ohne Fahrer auskommen, in 15 bis 20 Jahren die Regel sein werden. Erste Ansätze gibt es bereits in den USA. Wie heute werden diese Fahrdienste eine Beförderungspflicht haben, und es wird festgelegte Tarife geben. Aber Taxis in der jetztigen Form werden dann nicht mehr durch Berlin fahren.

    Branchenkenner und Unternehmer

    Hermann Waldner kennt die Taxibranche sehr gut. Als Vizepräsident des Bundesverbands Taxi und Mietwagen vertritt er ihre Interessen – und ruft bei Politikern und Verwaltungsleuten immer wieder in Erinnerung, wie wichtig das Taxi ist. Inzwischen wurde er auch zum Ersten Vorsitzenden von Taxi Deutschland Berlin gewählt.
    Als Student fing Hermann Waldner, der am Rand der Schwäbischen Alb aufgewachsen ist, in Berlin als Aushilfsfahrer an. Drei Jahre später wurde er Unternehmer. 1990 kaufte er den einstigen Volkseigenen Betrieb (VEB) Taxi in Ost-Berlin. Nach der Fusion mit der Genossenschaft Taxi Funk entstand die erste Gesamt-Berliner Taxizentrale. Taxi Berlin hat heute rund 150 Mitarbeiter und rund 5500 Taxis unter Vertrag.

    #Taxi #Berlin #Interview #Uber #Politik #Verbände #Geschichte

  • Polen und Ukraine : Ex-Freunde ? Die wichtigsten Argumente für den Streit der beiden Länder
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/polen-und-ukraine-ex-freunde-die-wichtigsten-argumente-fuer-den-str

    Cet srticle essaye de nous expliquer le conflit pilitique entre l’Ukraine et la Pologne. On y apprend que le gouvernement du pays suit une ligne instable qui vire vers fanatisme à des moments imprévisibles. L’analyse me fait craimdre pour notre voisin un coup légal comme celui du janvier 1933 Allemagne.

    12.10.2023 von Wolfgang Müller - Seit 2022 gelten Polen und Ukraine als enge Partner. Doch diese Zeiten sind vorbei. Warum? Unser Autor hat ein paar Antworten.

    Noch vor wenigen Monaten war vielerorts von einem „polnisch-ukrainischen Wunder“ die Rede, das sehr bald schon seinen Höhepunkt erleben sollte: Letztes Jahr verkündete der polnische Präsident Andrzej Duda stolz, dass man ein Zeichen der Freundschaft setzen wolle und – in Anlehnung an den Élysée-Vertrag – beide Länder bald ein ähnliches Dokument unterschreiben würden.

    Monatelang ergaben Umfragen in der Ukraine, dass trotz der bisweilen schwierigen polnisch-ukrainischen Geschichte ein Großteil der Ukrainer sich eine Konföderation mit seinen polnischen Nachbarn vorstellen könnte.

    Wer sich an diesen polnisch-ukrainischen Groove gewöhnt hat, dürfte sich dieser Tage häufig die Augen reiben vor Verwunderung. Bei seiner Rede vor einer Uno-Generalversammlung behauptete Selenskyj, dass einige Länder „einen Thriller aus dem Getreidestreit machen“ und im Grunde genommen die Bühne für den Schauspieler aus Moskau vorbereiten. Damit war sicherlich Polen gemeint.

    Streit zwischen Freunden

    Vielen Polen, selbst solchen, die mit der rechtsnationalen regierenden PiS-Partei wenig bis nichts anfangen können, standen die Nackenhaare zu Berge. Die bittersaure Antwort des polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki ließ dementsprechend nicht lange auf sich warten: „Herr Selenskyj, hören Sie auf, uns Polen zu beleidigen!“

    Zusammen mit anderen Aussagen polnischer Regierungsvertreter sorgen solche Aussagen international für Unmut und Unverständnis. Schließlich dürften wenige Länder an einem raschen Sieg der Ukraine so sehr interessiert sein wie Polen. Und es war Polen, das sich bis vor kurzem noch als bester Freund der Ukraine gerierte. War das alles etwa nur gespielt?

    Fernsehdebatte in Polen: Donald Tusk traf im Staatsfernsehen TVP auf Mateusz Morawiecki

    Warum haben sich die Beziehungen zwischen Polen und Ukraine so verschlechtert?

    In den internationalen Schlagzeilen dominieren seit einigen Wochen vor allem zwei Themen: der Getreidestreit, d.h. die von Polen zusammen mit einigen anderen Ländern eingeführte Importblockade von ukrainischem Getreide, um die heimischen Landwirte zu schützen. Und eine international zitierte Aussage Morawieckis, die als Ankündigung des polnischen Waffenstopps interpretiert wird. Der Getreidestreit ging zwischenzeitlich über reine Rhetorik hinaus – die Ukraine reichte bei der WTO eine Klage gegen Polen, Ungarn und die Slowakei ein, die nun allerdings auf Eis gelegt wurde. So viel sei an dieser Stelle schon mal verraten: Wer Form von Inhalt, Rhetorik von realen Taten sowie Ursache und Wirkung voneinander trennen will, den erwartet ein wahres Labyrinth an Vermutungen und potenziell undurchsichtigen Interessenskonflikten, die erklären, wie es zu diesem Streit kommen konnte.

    Die Abkühlung zwischen Ukraine und Polen nach 2015

    Dass die aktuelle Situation für so viel Stirnrunzeln sorgt, kommt nicht von irgendwoher. Zusammen mit Kanada war Polen das erste Land, das die ukrainische Unabhängigkeit 1991 anerkannte. Egal ob rechte oder linke Parteien an der Macht waren, Polen unterstützte die Orange Revolution 2004, die Maidan-Revolution 2014 und einen raschen EU- und Nato-Beitritt der Ukraine stets souverän.

    Polen war zudem ein Initiator der östlichen Partnerschaft, im Zuge welcher die Ukraine ein Abkommen mit der EU abschloss. Die pro-ukrainische Ausrichtung der polnischen Außenpolitik galt lange Zeit als in Stein gemeißelter, parteiübergreifender Konsensus. Dem 2010 tragisch bei der Flugkatastrophe von Smoleńsk verunglückten ehemaligen polnischen Präsidenten Lech Kaczyński war sie gar ein Herzensanliegen: „Heute Georgien, morgen die Ukraine, übermorgen die baltischen Staaten und dann ist vielleicht mein Land, Polen, an der Reihe“ lauteten seine aus heutiger Zeit geradezu prophetischen Worte aus dem Jahre 2008, als er sich zusammen mit den Präsidenten der Ukraine und der baltischen Staaten nach Tbilisi begab, um dort seine Solidarität mit dem von Russland angegriffenen Georgien zu bekunden.

    Natürlich gab es auch vorher schon ups and downs in den polnisch-ukrainischen Beziehungen. Obwohl im Wahlkampf 2015 die PiS die aus ihrer Sicht nicht ausreichend pro-ukrainische Außenpolitik der oppositionellen Bürgerplattform anprangerte, kühlten gerade nach dem Wahltriumph der PiS etwas überraschend die polnisch-ukrainischen Beziehungen deutlich ab. Für die PiS spielten plötzlich geschichtliche Kontroversen eine übergeordnete Rolle, allen voran im Kontext des Massakers in Wolhynien (mehr Erläuterungen unten), während die Ukraine sich in der Außenpolitik zunehmend an Deutschland orientierte.

    Doch als sich der schicksalhafte 24. Februar 2022 anbahnte, war von dieser Distanz nichts mehr zu spüren. Und das auf allen Ebenen: Auf die vor dem Krieg flüchtenden Ukrainer warteten hinter der Grenze Tausende polnische Volontäre, Hilfsorganisationen und NGOs, welche wochenlang Tag und Nacht den Ukrainern einen herzlichen Empfang bereiteten, Willkommenspakete für sie vorbereiteten und Orientierungshilfe boten.

    Flüchtlingslager waren in Polen überflüssig, da Millionen von Polen die Ukrainer bei sich zu Hause aufgenommen hatten. Trotz der aktuellen diplomatisch-politischen Krise der polnisch-ukrainischen Beziehungen bleibt Polen, wenn man militärische sowie humanitäre Hilfe, Entwicklungsmittel und Sozialausgaben für Flüchtlinge (in Polen verweilen aktuell etwa eine Million ukrainische Flüchtlinge) zusammenrechnet, immer noch der wichtigste und engste Verbündete der Ukraine.

    Die Waffenlieferungen Polens an die Ukraine

    Bereits kurz vor dem 24. Februar 2022 lieferte Polen Konvois mit Munition an die Ukraine, als die unrühmliche Diskussion über 5000 Schutzhelme in Deutschland erst langsam Fahrt aufnahm. Laut Wojciech Konończuk, einem Experten der polnischen Denkfabrik OSW, lieferte Polen seitdem u.a. „340 Panzer (T72, PT-91, Leopard 2A4), 70 moderne Panzerhaubitzen des Typs Krab, 100 moderne gepanzerte Mannschaftstransporter des Typs Rosomak, 14 Flugzeuge des Typs MiG29 und 12 Hubschrauber des Typs Mi-24 sowie große Mengen an Munition, Treibstoff und 20.000 der über 40.000 Starlink-Systeme, die derzeit in der Ukraine im Einsatz sind“.

    Ohne zeitraubendes bürokratisches Larifari wurde eine große Anzahl schwerer (also von den Ukrainern am meisten benötigter) Waffen in kürzestes Zeit bereitgestellt. Bereits im April 2022 lieferte Polen zusammen mit Tschechien Panzer, die aus dem aktiven Bestand der polnischen Armee stammten und die für die Ukraine gerade in den ersten Wochen und Monaten von geradezu existenzieller Bedeutung waren. Im späteren Verlauf waren u.a. die AHS-Krab-Artilleriegeschütze der ukrainischen Armee eine maßgebliche Stütze bei der erfolgreichen Wiedereroberung weiter Teile der ukrainischen Region Charkiw.

    Insgesamt 40 Prozent seiner Panzer hat Polen der Ukraine übergeben, prozentual gesehen doppelt so viel wie Deutschland, im internationalen Vergleich die viertgrößte Lieferung – und das als Nato-Frontstaat, der nun selber militärisch stark aufrüsten muss. Ein offenes Geheimnis ist, dass die polnische Seite nicht alle Daten und Fakten zu seinen militärischen Unterstützungsleistungen darlegt und die Angaben des bekannten, weltweit zitierten Ukraine Support Tracks des Kieler IfW zudem keine Unterscheidung treffen zwischen gelieferten und angekündigten Militärlieferungen – der Gesamtumfang der von Warschau geleisteten Waffenlieferungen dürfte also noch deutlich imposanter ausfallen als offiziell angegeben.

    Plötzlich ist Andrzej Duda nicht mehr pro-ukrainisch

    Wer diese Fakten kennt und sich noch an all die Bilder erinnert, in denen sich der polnische Präsident Andrej Duda und Wolodymyr Selenskyj herzlich umarmten, als wollten sie eine Szene aus „DU und ICH sind WIR“, einem Bilderbuch für Kinder, nachstellen, der dürfte umso stärker einer, wie es seit jeher die Sozialpsychologie nennt, kognitiven Dissonanz unterliegen.

    Nicht nur der raue Ton ist bemerkenswert: In den letzten Wochen hat z.B. der polnischen Außenminister Zbigniew Rau demonstrativ an einem wichtigen Treffen der europäischen Verteidigungsminister nicht teilgenommen, der Minister für Staatsvermögen Jacek Sasin musste sich in Kiew entschuldigen, nachdem er fälschlicherweise behauptet hatte, dass ein wichtiger polnischer Waffenhersteller, PGZ, keine Einladung zu einem internationalen Forum erhalten hatte.

    Ein polnischer Minister hatte gar angedeutet, dass aus dem EU-Beitritt der Ukraine möglicherweise nichts wird, wenn man nicht die aktuellen Differenzen beilegt. Schließlich ließ sich auch Präsident Andrzej Duda auf diese neue anti-ukrainische Poetik ein: „Die Ukraine ist wie ein Ertrinkender, der sich an alles klammert.“ Für viele ein herber Schock, gerade im Kontext von Polens internationalem Engagement zugunsten eines schnellen EU- und Nato-Beitritts der Ukraine.

    Die Gründe für die polnisch-ukrainische Eiszeit

    Die internationale diplomatische Unterstützung ging dabei noch viel weiter: Polen war einer der Initiatoren des Aufbaus der EUMAM-UA-Unterstützungsmission für die Ukraine, dank welcher die EU regelmäßig militärische Übungen für ukrainische Soldaten organisiert. Und dann ist da noch Rzeszów – die ehemals relativ unspektakuläre, eher verschlafene polnische Kleinstadt, welche dazu auserkoren wurde, die Rolle eines militärischen Logistik-Hub anzunehmen, wo Waffen repariert, restauriert und in die Ukraine geschickt werden und von wo aus verwundete Soldaten aus der Ukraine in Krankenhäuser in ganz Europa gelangen. Oleksij Arestowitsch, der bisweilen aufsehenerregende ehemalige Berater von Selenskyj, beteuerte zuletzt, dass es die Ukraine ohne Polen heute nicht mehr geben würde.

    Vor Selenskyis Rede bei der UN sorgte wiederum der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal für einen Skandal, als er bei Twitter auf Englisch der polnischen Seite vorwarf, nicht nur den Import, sondern auch den Transit von ukrainischem Getreide zu blockieren. „Wir haben der Ukraine so viel geholfen und jetzt verbreitet ihr Ministerpräsident Fake News über uns“, dachten sich viele Polen.

    Eine klare Ursache, welcher dieser Eiszeit der polnisch-ukrainischen Beziehungen zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt zugrunde liegt, ist indes nicht einfach auszumachen. Es gibt fast genauso viele Theorien wie potenzielle Gesprächspartner zu dem Thema. Auf der polnischen Seite wird immer wieder die Enttäuschung über den ukrainischen Umgang mit dem Massaker in Wolhynien geäußert, gerade heute, 80 Jahre nach dem Massaker.

    Ein Gedenken, das schiefging

    Im Zweiten Weltkrieg wurden bis zu 100.000 polnische Bewohner der ehemals in Ostpolen liegenden Region „Wolhynien“ von Vertretern der UPA, dem militärischen Arm der nationalistischen Organisation OUN, auf unvorstellbar brutale Art und Weise ermordet. Allein die Art der Waffen sprach Bände: Viele Leichen wurden mit Äxten und Messern zerhackt, Massenvergewaltigungen waren gang und gäbe.

    Das Ziel war, eine Schock- und Fluchtwelle in der lokalen polnischen Bevölkerung auszulösen. Für den polnischen Historiker Grzegorz Motyka ein klarer Fall von ethnischer Säuberung, ja gar des Völkermords, an dem allerdings, wie er nicht müde wird zu betonen, nur ein verschwindend geringer Anteil gewöhnlicher Ukrainer beteiligt war. Die polnische Heimatarmee übte mehrere Racheakte aus, die aber zahlenmäßig in keinerlei Relation zu den ukrainischen Übergriffen stehen. Auch in den Jahrzehnten bzw. gar Jahrhunderten davor waren die Beziehungen zwischen Polen und der Ukraine häufig nicht gerade gut, z.B. durch die repressive Minderheitenpolitik der polnischen Zweiten Republik in der Zwischenkriegszeit verursacht.

    Für Polen geht es nicht nur um ein diplomatisches Schuldbekenntnis, sondern auch um die Zulassung einer Exhumierung der Opfer aus dem Zweiten Weltkrieg. Dass dies weiterhin nicht der Fall ist, sorgt für Kopfschütteln. Und dann war da noch der diesjährige 80. Jahrestag des Massakers: Beide Präsidenten einigten sich darauf, dass sie gemeinsam an einer Gedenkmesse teilnehmen werden und eine gemeinsame Nachricht auf ihren Social-Media-Profilen kommunizieren: „Gemeinsam gedenken wir all der unschuldigen Opfer Wolhyniens! Das Gedenken vereint uns! Gemeinsam sind wir stärker.“
    Der Getreidestreit zwischen Polen und Ukraine

    Schnell ging dies jedoch noch hinten los – in den Ohren der polnischen Seite schwang hier eine Art erzwungene, enigmatische Neutralität mit, als sei nicht wirklich klar, wer hier Opfer und Täter war. Eine eigenartige Situation – kam es hier im Vorfeld zu einem Missverständnis und einer daraus resultierenden Diskrepanz der Erwartungshaltungen? Oder hat Warschau vielleicht, wie es zuletzt die Journalistin Dominika Wielowiejska in der polnischen Tageszeitung Gazeta Wyborocza andeutete, diese Situation gar als Vorwand genommen, um einen bereits vorher beschlossenen Kurswechsel in der Ukraine-Politik vorzunehmen?

    Der nächste Zankapfel speist sich aus Unterschieden in der Einschätzung des Getreidestreits. Die bereits zitierten Ausführungen von Schmyhal und Selenskyj sorgten für Unverständnis in Polen. Natürlich sei es nachvollziehbar, dass gerade in der aktuellen Kriegslage die Ukraine, die zudem noch gegen die russische Getreideblockade ankämpft, jeden möglichen landwirtschaftlichen Absatzmarkt gebrauchen kann, darunter auch den polnischen, der vor dem Krieg praktisch keine größere Rolle spielte für die ukrainischen Landwirte.

    Dies könne aber nicht auf Kosten der polnischen Landwirte geschehen, zumal der Getreidemarkt eine wichtige Rolle spiele in Polen. Außerdem sei der ukrainische Markt anders strukturiert, d.h. er ist dominiert durch große (manche sagen: oligarchische) Unternehmen, während in Polen vor allem kleine und mittelgroße landwirtschaftliche Betrieben operieren. Vereinzelt gibt es auch in der Ukraine ähnliche Stimmen und Kritik an Selenskyj, z.B. vonseiten seines bereits zitierten ehemaligen Beraters Arestowitsch oder dem Chef der ukrainischen Agrarunion Leonid Koczanow. Und dann bleibt da noch die Transitfrage, die in gewisser Hinsicht gerade für die PiS besonders brisant ist und deren Hintergründe die bereits erwähnte Wielowiejska zuletzt detailliert nachgezeichnet hat.

    Eine Importblockade

    Noch 2022 waren die Rollen ganz anders verteilt: Den Versicherungen des polnischen Landwirtschaftsministers Henryk Kowalczyk Glauben schenkend, öffnete die PiS den polnischen Markt für ukrainisches Getreide. Dieser Entscheidung lag die Annahme zugrunde, dass das ukrainische Getreide ohne größere Probleme seinen Weg zu anderen Ländern findet, sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU. Besonders heikel: Damals war es der Oppositionsführer Donald Tusk, der die PiS vor unkontrollierten Getreideimporten auf dem polnischen Markt und den damit einhergehenden Preisverfall warnte. Damals galt dies in der PiS noch als „Moskau-Sprech“.

    Die Protestwelle Anfang 2023 überraschte die Entscheidungsträger der PiS mit voller Wucht und sorgte für die Entlassung des damaligen Ministers für Landwirtschaft. Im April kommt Selenskyj nach Warschau zu einem Treffen mit Morawiecki und Duda. Noch vor dem EU-Embargo wird kurz darauf eine Importblockade für ukrainisches Getreide in Polen eingeführt, die allerdings den Getreidetransit außerhalb des polnischen Territoriums zulässt.

    Selenskyjs Leute echauffieren sich: Das sei anders abgesprochen worden, so gehen gute Freunde nicht miteinander um! Daheim war dies durchaus ein herber Schlag für den ukrainischen Präsidenten, der so viel in die politische Freundschaft mit der PiS investiert hatte. Dominika Wielowiejska behauptet gar, Selenskyj hätte vorher seinen Ministern verboten, sich öffentlich mit Politikern der oppositionellen Bürgerplattform zu zeigen.

    Der polnische Präsident Andrzej Duda zeigte sich in den nächsten Wochen weiterhin optimistisch: Eine gemeinsame Lösung sei in Sicht, er hoffe gar, das mittlerweile auch von der Europäischen Kommission eingeführte Embargo könnte gelockert und der freie Handel gefördert werden. Nach dem 80. Jahrestag des Massakers in Wolhynien ändert sich jedoch auch der Ton des polnischen Präsidenten. Bis heute geht der Transit durch polnisches Territorium mit jedem Monat immer schneller voran, aber das Importverbot bleibt bestehen.

    Zu 100 Prozent weiß keiner, was hier eigentlich vorgefallen ist. Hat die PiS plötzlich erkannt, dass sich der EU-Beitritt der Ukraine unter polnischen Landwirten nicht besonders hoher Beliebtheit erfreut? Waren es die zwischenzeitlich guten Umfragewerte der ukraineskeptischen Konfederacja, einem nationalistisch-libertären Potpourri, dessen Vertreter eine unterschwellige Affinität zu Verschwörungstheorien mit der AfD zu teilen scheinen, die die PiS zum plötzlichen Kurswechsel bewegten?

    Oder war es umgekehrt: Die Ukraine bekam sozusagen den Finger (Getreidetransit), griff dann nach der ganzen Hand (Getreideimport) und erst dies beflügelte die Konfederacja und die Landwirte, die dann wiederum Druck auf die PiS ausübten? Hat die Ukraine erkannt, dass Polen bereits alles geliefert hat, was es an Waffen liefern konnte und sich ein Bündnis mit Deutschland, das seit Jahren keine guten Beziehungen zu Polen mehr hat, für die Ukraine viel mehr lohnt, auch um sich den Zugang zum polnischen Getreidemarkt diplomatisch zu erkämpfen?

    Die Ukraine und Polen müssen zusammenarbeiten

    Selbst diejenigen, die wie der ehemalige Mitarbeiter des polnischen Auswärtigen Amts und heutige Podcaster Witold Jurasz letztere Perspektive vertreten, sehen die Fehler bei der PiS. Seit Jahren gibt es kaum ein wichtiges Land, kaum eine wichtige Institution, zu der die PiS weiterhin gute Beziehungen pflegt. Ob nun der Streit um Rechtsstaatlichkeit mit der Europäischen Kommission, die Beziehungen zu Deutschland oder gar der USA.

    Anfang 2021 gratulierte Polens Präsident Duda dem amerikanischen Präsidenten Joe Biden zwar zu einem „erfolgreichen Wahlkampf“, nicht jedoch zu einer erfolgreichen Wahl – dies wurde definitiv auf der anderen Seite des Atlantiks verwundert zur Kenntnis genommen. Objektive Interessensunterschiede mit Deutschland sind bisweilen nicht von der Hand zu weisen und ein Eintreten für die eigenen Interessen ist mehr als legitim – ein Land, das als seriöser Akteur in der internationalen Politik wahrgenommen werden möchte, organisiert bei sich zu Hause jedoch keine Mugabe-mäßigen antideutschen Kampagnen, wie sie beispielsweise im polnischen öffentlichen Rundfunk praktiziert werden.

    Vielleicht liegt hier der Hund begraben: Was taugt der Ukraine ein Interessensvertreter, der international manchmal wie der peinliche Onkel auf der Party wirkt? Jedenfalls klingt im jetzigen Wahlkampf Kritik an der PiS-Außenpolitik fast schon wie ein Lob. Wirklich böse Zungen gehen noch deutlich weiter: Nicht eine schlechte, sondern eine gänzlich fehlende polnische Außenpolitik sei das Problem. Das Parteioberhaupt der PiS, Jarosław Kaczyński, sei nur dann an außenpolitischen Angelegenheiten interessiert, wenn man diese innen- und parteipolitisch ausschlachten kann.

    Eins dürfte klar sein: Beide Länder können sich diesen Konflikt nicht leisten. Und die Weltöffentlichkeit auch nicht. Umso überraschender wirkten die Reaktionen vieler deutschen Experten, die viel für die Sache der Ukraine getan haben, als ein Fragment des eingangs erwähnten Interviews mit Morawiecki veröffentlicht wurde. Sie verfielen kollektiv einem Empörungsrausch: „Polen will der Ukraine keine Waffen mehr liefern: Das ist ein Geschenk für Putin!“ Das wusste etwa Paul Ronzheimer in der Bild zu berichten.

    „The PiS Regime has lost its last grain of sanity“, fügte Gustav Gressel bei Twitter hinzu. Auch wenn Morawiecki seine Aussage aus dem Interview, was er dem Polsat-Sender gab, absichtlich auf seinem Twitterprofil akzentuierte, um der Konfederacja in der Wahlkampagne zu schaden, müssten es Experten eigentlich besser wissen. Aus dem kompletten Interview geht jedenfalls klar hervor, dass Polen keinesfalls keine Waffen mehr liefern werde.

    Alle bisherigen Verträge werden eingehalten, Rzeszów bleibt ein militärischer Hub und die Sicherheit der Ukraine bleibt weiterhin ein unantastbares Gut. Man wolle lediglich die eigenen Bestände auffrischen, denn als Nato-Frontstaat kann sich Polen nun mal keine rein rhetorische „Zeitenwende“ leisten, gerade nach den sehr zahlreichen Waffenlieferungen an die Ukraine.

    Hinter vorgehaltener Hand zeigen sich Vertreter des polnischen Außenministeriums zum Teil sehr enttäuscht vom Verhalten einiger ukrainischer Politiker, manche sehen das Verhältnis dauerhaft zerrüttet. Bei anderen lässt sich hier und dort ein osteuropäischer Zweckoptimismus nach dem Motto „jakoś to będzie“ („das wird schon irgendwie“) heraushören.

    Bald sei die Wahlkampagne vorbei, der Höhenflug der Konfederacja scheint endgültig Geschichte zu sein, was neue Spielräume eröffne – so viel Sensibilität und Verständnis für innenpolitische Eigendynamiken müsse die ukrainische Seite aufbringen und in Zukunft hoffentlich auch mehr Besonnenheit. Sobald man die eigenen Waffenbestände auffüllt, werde man mit Sicherheit auch wieder neue Verträge schließen. Der eine oder andere Zankapfel sei zwar unvermeidbar, aber die letzten Jahre haben gezeigt, dass man auch sehr gut miteinander auskommen kann. Was heißt kann: Man muss!

    #Pologne #Ukraine #politique #massacres #histoire

  • Mary Nolan – Blondes Gift in Berlin: Das turbulente Leben einer Schauspielerin
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/mary-nolan-blondes-gift-in-berlin-das-turbulente-leben-einer-schaus


    Ein Porträt Mary Nolans aus den 20er-Jahren

    13.10.2023 von Bettina Müller - Vor 75 Jahren starb die Schauspielerin Mary Nolan in Amerika. Als Imogene Robertson war sie zwei Jahre lang in Berlin erfolgreich.

    Es ist der 6. August 1927: Southampton in England. Das Passagierschiff „Mauretania“ verlässt den Hafen und erreicht sechs Tage später New York. Mit an Bord ist die 25-jährige Mary Nolan, deren richtiger Name Mary Imogene Robertson lautet.

    Schwer kriminell ist sie (noch) nicht, aber dennoch: Mary ist auf der Flucht. Hat Berlin überstürzt verlassen, nachdem sie in insgesamt 17 deutschen Stummfilmen zu sehen war – aber auch so einige unbezahlte Rechnungen, vor allem bei großen Modehäusern, angesammelt hatte. Sie galt als hoffnungsvolles Talent. Dass ihr eine große Karriere bevorstand, daran zweifelte eigentlich niemand.

    Filmausschnitte, die man bei YouTube ansehen kann, zeugen heute von ihrem darstellerischen Talent. Doch wie kam es dazu, dass aus Mary am Ende ein psychisches und physisches Wrack wurde und aus ihrem Leben ein Scherbenhaufen, der in einen viel zu frühen und einsamen Tod mündete?


    Mary Nolan in dem Film „West of Zanzibar“, 1928

    Entdeckt für die „Ziegfeld Follies“

    1902 als Tochter eines Zimmermanns im ländlichen Kentucky geboren, ist es dem reinen Zufall geschuldet, dass Mary Imogene Robertson als junge Frau für die „Ziegfeld Follies“ entdeckt wird, die erfolgreichste amerikanische Musical-Show, bei der die Damen schon mal die eine oder andere Hülle fallen lassen.

    Ihre Schwester Mabel ist bereits Schauspielerin, und Mary will es ihr gleichtun, aber vor allem in das ernstere Fach wechseln, nicht nur mit ihrem Äußeren gefallen, sondern auch mit ihrem darstellerischen Können.

    Zum Verhängnis wird ihr der wesentlich ältere Frank Tinney, ein Komiker, der ebenfalls über die Bühnen Amerikas tingelt. Dass Tinney verheiratet ist, hält Mary nicht davon ab, ein Verhältnis mit ihm einzugehen. Frank ist impulsiv und schlägt schon mal zu, wenn es zum Streit kommt.

    Es ist eine tumultuöse Beziehung, die geprägt ist von männlicher Gewalt, Selbstmordankündigungen Marys, Anzeigen bei der Polizei wegen Körperverletzung, intensiver Presseberichterstattung über das unmoralische „Ziegfeld Girl“. Konservative amerikanische Frauenvereine sind empört.

    Mary will nur noch weg, das Land verlassen, aber eigentlich auch wiederum nicht. Doch das ist ihre einzige Chance, von Frank loszukommen. Europa soll das Ziel sein, dort, wo niemand sie kennt, will sie Karriere beim Stummfilm machen. Einfach ihr altes Leben hinter sich lassen, und auch ihr großes Trauma, nur nach ihrem Aussehen bewertet zu werden.


    Mary Nolan 1923

    Dass ihre blonden Haare nicht echt sind, wissen nur die wenigsten, eigentlich hat sie rotes Haar. Doch Mary wird erneut schwach und reist Frank, der ein Engagement in England bekommen, aber auch wieder zu trinken angefangen hat, hinterher. In London angekommen ist es wie immer: Tumulte, Tränen und Streitereien in der Öffentlichkeit, Schlagzeilen in der Presse. Jetzt wird es selbst Herrn Ziegfeld zu viel mit seiner skandalumwitterten Tänzerin und er feuert Mary.

    Als Mary Nolan nach Berlin kommt, soll alles anders werden. Frank ist Geschichte, ein neues Kapitel soll geschrieben werden, möglichst mit Happy End. Und sie fasst tatsächlich Fuß, wird für ihren ersten in Deutschland gedrehten Film verpflichtet. Nolan verdrängt die umschwärmte, leicht bekleidete Tänzerin aus ihrem Gedächtnis und wird zu der damenhaften und eleganten Imogene Robertson.

    „Verborgene Gluten“ unter der Regie von Einar Brunn wird am 21. Januar 1925 in der Berliner Schauburg aufgeführt, der Film gilt jedoch als verschollen. Bei einem kurzen Abstecher nach München für ihren zweiten Film hat sie bereits eine der Hauptrollen.

    Welfolg in Europa

    Zurück in Berlin bemühen sich die verschiedenen Filmproduktionen, für die sie arbeiten wird – unter anderen die Nero Film GmbH und die Greenbaum Film –, ihr ein bestimmtes Image zu verleihen. 1926 ist Imogene daher „Das süße Mädel“ und: Sie spielt die Hauptrolle. Es wird das arbeitsreichste Jahr der Imogene Robertson in Berlin.

    Sie nimmt etwa unter der Regie von Reinhold Schünzel den „Fünf-Uhr-Tee in der Ackerstraße“ ein, bedient in „Wien, wie es weint und lacht“ rührselige Österreich-Klischees, spielt neben Heinrich George in „Das Panzergewölbe“, hat die Hauptrolle in „Die Königin des Weltbades“ mit Ida Wüst. Auch durch „Erinnerungen einer Nonne“, der am 24. Februar 1927 im Emelka-Palast in der Reichshauptstadt uraufgeführt wird, wird ihr ein unschuldiges und keusches Image angeheftet, das überhaupt nicht den Tatsachen entspricht.

    Die Kritiker sind begeistert, das „Tagblatt“ vergleicht sie sogar mit der gefeierten Elisabeth Bergner. Gefördert wird das durch die äußerst beliebten Starpostkarten, vor allem aus dem Ross-Verlag. Imogene gilt jedoch hinter den Kulissen zunehmend als schwierig, als launisch und unzuverlässig, zudem kann sie nicht mit Geld umgehen.

    1929 spielt Mary Nolan in „Desert Nights“.

    1929 spielt Mary Nolan in „Desert Nights“.Everett Collection/imago

    Bei mehreren großen Berliner Modehäusern hat sie Schulden, kauft exzessiv teure Kleider und „vergisst“ schon mal zu bezahlen. Möglicherweise nimmt sie zu dieser Zeit schon Drogen, die ihr später zum Verhängnis werden. Ihre Biografin Louise Carley Lewisson konnte in ihrem Buch „Mary Nolan. Ziegfeld Girl and Silent Movie Star“, das 2019 in den USA erschien, nur Vermutungen darüber anstellen, wann genau ihre Drogensucht begann. Sehr wahrscheinlich war das aber schon weit vor ihrer Berliner Zeit.

    Bei der Uraufführung des Films im Emelka-Palast glänzt Imogene durch Abwesenheit. Sie hat Deutschland bereits verlassen, und zwar „fluchtartig“, wie es diverse Tageszeitungen melden. Nun kommt auch zutage, dass bereits mehrere Strafverfahren gegen sie in der Schwebe sind; zumeist geht es dabei um nicht bezahlte Rechnungen, aber auch um Vertragsbruch.

    Im April 1926 habe sie einen Vertrag als Schauspielerin bei der Glashaus Film GmbH unterzeichnet, ihn aber nie erfüllt. Und wieder steht Imogene an der Reling eines Schiffes und träumt von einem anderen Leben. Sie kehrt in ihr Heimatland zurück, wo sie ein Jahr später von Universal Pictures unter Vertrag genommen wird und als Mary Nolan mehrere erfolgreiche Filme dreht.

    Doch die Sucht, vorzugsweise konsumiert sie Kokain, fordert im Laufe der nächsten Jahre dann endgültig ihren Tribut, als auch die Nebenwirkungen sich nicht mehr verbergen lassen. 1930 liegt sogar ein Haftbefehl gegen sie vor, weil sie gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen habe. Ihre Arme seien voller Einstiche, wird eine Krankenschwester vor Gericht aussagen.

    Zeughauskino: Manfred Krugs „Abgehauen“ läuft in der Filmreihe „Der Anfang vom Ende der DDR“

    Schwules Leben in der DDR: „Coming Out“ am Originaldrehort in Pankow
    Drogensucht und Schlagzeilen

    Ein Jahr später beherrscht Mary wieder die Schlagzeilen der amerikanischen Tageszeitungen, als sie einen reichen Börsenmakler heiratet. Die Ehe wird nur drei Jahre halten. Die 30er-Jahre werden dann Marys kompletter Niedergang. Sie ist bankrott, wird sogar verhaftet, weil sie die Löhne der acht Angestellten ihres kurzlebigen Mary Nolan Gown Shops nicht zahlen kann.

    Mindestens 14 Operationen liegen hinter der wegen eines Unterleibsleidens chronisch kranken Frau. 1932 dreht sie ihren letzten Film, „File No. 113“. Doch sie begehrt auf, will nicht aufgeben, träumt erneut von einem großen Comeback, kann vom Rampenlicht nicht lassen. Zurück nach Berlin kann sie nicht, dort hat sich längst der Tonfilm durchgesetzt, und sie spricht kein Deutsch.

    Sie kann nicht mehr in diese Zeit zurück, in der man sie dafür lobte, dass sie „ein deutsches Mädchen von idealer Holdseligkeit, vorbildlicher Charakterstärke“ gab, wie ein Kritiker 1926 über sie in „Die elf Schillschen Offiziere“ schrieb. Sie kann nicht zurück in die Zeit ihrer einstigen Popularität, als das Kinopublikum „Die Lieblinge Berlins“ in der Schauburg am Potsdamer Platz „täglich bewundern“ konnte, wie es in einer Zeitungswerbung über „Die Welt will betrogen sein“ hieß, wo sie als Imogene Robertson neben den heute ebenfalls vergessenen Filmstars Harry Liedtke und Mady Christians aufspielte.

    Im Jahr 1930 ist Mary Nolan in „Outside the Law“ zu sehen.

    Im Jahr 1930 ist Mary Nolan in „Outside the Law“ zu sehen.Everett Collection/imago

    So knüpft sie in ihrer Hilflosigkeit wieder an ihr altes Leben an und tingelt durch die Nachtclubs der amerikanischen Provinz. Aus der einst auch in Deutschland so viel gepriesenen „schönsten Frau der Welt“ ist eine grell geschminkte und verlebt aussehende Tänzerin geworden, die physisch und psychisch am Ende ist. Das junge, hoffnungsvolle Mädchen aus der Provinz gibt es nicht mehr.

    Dann wird es zunehmend still um sie, und der einst umschwärmte und gefeierte Star gerät in Vergessenheit. Am 31. Oktober 1948 nimmt sich Mary Imogene Robertson in ihrer Wohnung mit einer Überdosis Schlaftabletten das Leben. Sie wiegt 45 Kilogramm.

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    Deutschland #Berlin #USA #Film #Geschichte

  • Jazzsängerin Lisa Bassenge: „Das wilde, schöne Kreuzberg ist vorbei“
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/berlin-stadtbild-jazzsaengerin-lisa-bassenge-das-wilde-schoene-kreu

    So siehts aus. Trotzdem liegt der Zig Zag Jazz Club in der Hauptstraße 98 in 12159 Berlin-Friedenau und nicht in Schöneberg. Aber wie kann eine Lokalredaktöse sowas auch wissen.

    https://m.kauperts.de/Strassen/Hauptstrasse-10827-12159-Berlin

    15.10.2023 von Susanne Dübber - Fast 30 Jahre lang wohnte Jazzsängerin Lisa Bassenge gern in Kreuzberg. Doch die wilden, schönen Zeiten sind vorbei, klagt sie.

    Raus aus Kreuzberg, ran an den Wannsee in Zehlendorf – beschaulicher Vorort oder quirlige Innenstadt, in welchem Berliner Stadtteil lebt es sich besser? Darüber und über ihr Konzert am Freitag, 20. Oktober, im Schöneberger Zig Zag Jazz Club sprach ich mit der Sängerin Lisa Bassenge, während wir aus dem Wohnzimmerfenster den Segelbooten auf dem Wannsee zuschauten.

    „Das wilde, schöne Kreuzberg ist vorbei“, meint sie, „der Stadtteil hat seine besten Zeiten hinter sich.“ Mitte der 1990er-Jahre war die geborene Berlinerin dorthin gezogen. „Bis in die 2000er-Jahre war es ein gemütlicher Bezirk. Alles war im Guten, türkische und deutsche Familien kamen miteinander aus. Ein bisschen Drogenprobleme, ein paar Leute mit Geld, aber das machte sich nicht bemerkbar.“

    Der Kipppunkt des Bezirks kam ab den 2010er-Jahren

    Wobei – Mitte bis Ende der 90er war der Görlitzer Park bereits ein unwirtlicher Ort. „Nachts bin ich da nicht durch. Das war eine ziemlich dunkle Ecke, ältere Männer hingen da rum und machten einen dumm an.“

    Der Kipppunkt von Kreuzberg kam ab den 2010er-Jahren, „da hat sich total was geändert. Es begann der große Ausverkauf. Spekulanten gehörten plötzlich ganze Straßenzüge, seitdem steigen die Mieten ständig, es gibt keine Kitaplätze mehr, niemand findet eine Wohnung.“

    Es wurde ihr „von allem zu viel, vor allem viel zu laut, der Trubel auf den Straßen nahm zu“. Die Oranienstraße hat Lisa Bassenge mit vielen kleinen netten Geschäften in Erinnerung. „Heute ist es eine einzige Touristenmeile, die Cafés verschwinden, Spätis eröffnen. Das Flair ist verloren.“

    Während der Pandemie, mit drei Kindern reduziert auf die Wohnung, sehnte sie sich immer mehr weg aus der Enge, nach einer ruhigeren Ecke in Berlin, mit viel Natur, Wald, Weite für den Blick. So traf sie vor bald zwei Jahren die Entscheidung „raus hier!“, als sich die Gelegenheit ergab, weil zur Tätigkeit ihres Mannes als Hausmeister eine Dienstwohnung am Wannsee gehört.

    Seitdem hat sie vom Klavier aus direkten Blick auf den Wannsee, das neue Album „Wildflowers“ konzipierte sie hier. Sie wohnt nun in beiden Stadtteilen zugleich. „Ich genieße das Beste beider Welten.“ Ist sie in der Wohnung in der Innenstadt, wo immer was los ist, trifft sie auf der Straße sofort Bekannte. Am stillen Wannsee besucht sie oft die abgelegene Pfaueninsel, „der schönste Ort in Berlin“.

    Von fast fünf Jahrzehnten Großstadt Berlin ist Lisa Bassenge Zeugin. Auf ihre musikalische Vergangenheit mit den deutschen Liedern aus den Alben „Nur fort“ und „Wolke 8“ schaut sie beim Konzert im Zig Zag Club zurück.

    #Berlin #Kreuzberg #Friedenau #Wannsee #Hauptstraße #Oranienstraße #Gentrifizierung #Jazz #Gaststätte #Club

  • Zum Festpreis durch Berlin: So soll Taxifahren wieder attraktiv werden
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/taxi-berlin-zum-festpreis-durch-berlin-so-sollen-taxifahrten-attrak

    Wenn Festprwise in München Taxis verlässlicher machen, was nicht sicher ist,, wird das in Berlin nicht funktionieren. Der Berliner Taxitarif schreibt schon jetzt Festpreise für jede Strecke vor, denn Wartezeiten im Stau und an der Ampel werden in der Praxis schon lange nicht mehr bezahlt. Das verhindert in Berlin eine Karenzzeit vor dem Umschalten auf einen Zeittarif. Nur wirklich lange „Wartezeiten“ werden dem Taxifahrer bezahlt, etwa wenn er Kunden beim Einkaufen ins Geschäft begleitet.

    Die Einführung eines Festtarifs schützt die Kunden gegen überhöhte Fahrpreise durch Umwege. Bezahlt wird für die mit dem Taxi zurückgelegte Strecke. Seit Abschaffung der anspruchsvollen Ortskundeprüfung für angehende Taxifahrer kann es vorkommen, dass auch ehrliche Fahrer einen vom Navigationssystem vorgeschlagenen Umweg fahren, und es dem Kunden nicht auffällt, weil alle dem dummen Navi vertrauen. Dieses Problem sollte durch eine bessere Qualifikation der Fahrer gelöst werden, anstelle mit einer Scheinlösung wenig wirkungsvolles Marketing zu betreiben.

    19.10.2023 von Peter Neumann -Ein neues Tarifangebot soll Taxifahren in Berlin einfacher und besser berechenbar machen. Wer per App, telefonisch oder auf andere Art ein Taxi bestellt, bekommt auf Wunsch künftig einen garantierten Festpreis genannt. Anders als derzeit können Staus und Baustellen die Fahrkosten dann nicht mehr beeinflussen. Das ist der Plan, über den das Berliner Taxigewerbe und der Senat sprechen. Einigen sie sich, könnte das neue Tarifangebot Anfang 2024 eingeführt werden, sagte Hermann Waldner, der Vorsitzende von Taxi Deutschland Berlin. Ein Vorbild gibt es bereits: München. Dort heißt es, dass Fahrgäste von Festpreisen profitieren – aber nicht immer. Höhere Kosten sind möglich.

    Es ist ein Projekt, das in Berlin schon einige Zeit köchelt. Seit mehr als zwei Jahren lässt das Personenbeförderungsgesetz Festpreise zum Beispiel für bestellte Taxifahrten zu. So lange befürworten die Senatsverwaltung und die Taxibranche ein solches Tarifangebot schon. Jetzt soll der Plan konkret werden, teilte Constanze Siedenburg, Sprecherin von Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU), der Berliner Zeitung auf Anfrage mit.

    „Die Senatsverwaltung hat in diesem Sommer mit Gewerbevertretungen bei der Industrie- und Handelskammer zu Berlin einen Austausch zu Festpreisen angeregt“, berichtete Siedenburg. „Uns liegt nunmehr ein Antrag aus dem Taxigewerbe vor, der sich konzeptionell am Münchner Modell orientiert, das zum 1. September 2023 in Kraft getreten ist. Der konkrete Abstimmungsprozess läuft. Mit den Verbänden wurde vereinbart, dass hieran prioritär gearbeitet wird.“ Es geht voran.

    Aus Sicht der Behörde seien Festpreise attraktiv für Fahrgäste. Es gehe um Preissicherheit bei Vorbestellung, sagte die Sprecherin. Wer einen Festpreis wünscht, kann darauf vertrauen, dass es bei dem genannten Betrag bleibt – wobei sich Taxifahrer natürlich weiterhin über Trinkgeld freuen, wie in der Branche betont wird. Anders als derzeit schlagen Wartezeiten vor Ampeln oder in dichtem Verkehr nicht mehr zu Buche.
    „Die Situation ist katastrophal“

    Bei Uber, Bolt und anderen Vertriebsplattformen ist das schon seit langem so. Wer per App eine Fahrt bucht, bekommt den angegebenen Betrag abgebucht – und keinen Cent mehr. Mit dem neuen Tarifangebot, das nun auch Taxifahrten berechenbar macht, möchte die gebeutelte Taxibranche Kunden zurückgewinnen und neue Fahrgäste anlocken. Die Konkurrenz hat dem Gewerbe längst zugesetzt. In diesem August gab es in Berlin 5606 Taxis – aber auch 4449 Mietwagen. Solche Fahrzeuge werden von Unternehmen, die mit den Plattformen zusammenarbeiten, eingesetzt.

    „Die Situation ist katastrophal“, sagte Hermann Waldner von Taxi Deutschland Berlin. „Wir können beobachten, wie es jeden Tag weiter nach unten geht.“ Wie viele andere Taxifunktionäre sprach er davon, dass die Plattformen den Wettbewerb verzerren. Immer wieder wird kritisiert, dass dort Regeln nicht eingehalten werden – wie die, nach jeder Fahrt an den Betriebssitz zurückzukehren, wenn es nicht unmittelbar im Anschluss eine neue Tour gibt.

    Meist liegen die Fahrpreise deutlich unter den Taxitarifen, in Berlin zum Teil um 60 Prozent, wie Waldner beklagt. Er und andere Kritiker bezweifeln, dass es die Mietwagenbetreiber mit „Dumpingtarifen“ schaffen, legal ohne Steuerhinterziehung und Sozialbetrug auszukommen. Die Plattformbranche weist die Kritik zurück.

    Anfang des kommenden Jahres könnte es losgehen

    Mindesttarife für Mietwagen seien in der jetzigen Situation „das Allerwichtigste“, forderte Hermann Waldner. Außerdem müsse künftig auch das Taxigewerbe in der Lage sein, Festpreise anzubieten. Der Verbandschef lobte die Verwaltung, die dem Plan positiv gegenüberstehe. Für Berlin sei ein Tarifkorridor im Gespräch, der nach oben und unten um je 20 Prozent abweicht, so Waldner in einem Podcast. Er zeigte sich zuversichtlich: „Wir hoffen, dass wir Festpreise zum Jahresanfang 2024 anbieten können.“

    Die Konkurrenz: Bei Vertriebsplattformen wie Uber können per App Mietwagen mit Chauffeur gebucht werden. Die Fahrpreise liegen meist deutlich unter den Taxitarifen.

    „Es ist sehr schön, dass Berlin dem Münchener Beispiel folgen möchte“, sagte Florian Bachmann, Vorsitzender des Taxi-Verbands München. In der Hauptstadt des Freistaats Bayern gilt das neue Tarifangebot seit dem 1. September. „Bei uns in München wird dem Fahrgast, wenn er den Festpreis wünscht und die Zieladresse angibt, der Preis nach der kürzesten Strecke berechnet, zuzüglich der Einschaltgebühr“, erklärte er.

    Achtung, Tarifkorridor!

    Nach dieser Rechnung kosten sechs Kilometer Taxifahrt 19,30 Euro. Verkehrsbedingte Wartezeiten kommen in der Festpreisberechnung nicht vor. Normalerweise beträgt der Anteil dieser Tarifposition in München im Durchschnitt rund acht Prozent. Käme sie bei der Beispielrechnung hinzu, würde die Fahrt laut Taximeter 20,80 Euro kosten.

    „Diese acht Prozent bekommt der Kunde quasi geschenkt“, sagte Bachmann. Allerdings gibt es das Geschenk nur dann, wenn die Taxizentrale, bei der die Fahrt gebucht wird, den Tarifkorridor nicht in Anspruch nimmt. Was ist darunter zu verstehen? Das novellierte Gesetz lässt es zu, dass Festpreise über oder unter dem regulären Taxitarif liegen können, erklärte der Verbandsvorsitzende. Konkret ist es in München möglich, dass sie ihn um bis zu 20 Prozent über- oder um bis zu fünf Prozent unterschreiten.

    Warum ist das so? „Der Korridor ist dafür gedacht, dass der Fahrer bei extremen Verkehrsverhältnissen wie Schnee oder Eis dennoch sein Geld verdienen kann“, erläutert Bachmann. Umgekehrt kann nachts, wenn viele Ampeln ausgeschaltet sind, Wartezeit gespart werden. Deshalb ermöglicht der Tarifkorridor auch eine Abweichung nach unten.

    „Die Vorteile von Festpreisen für den Kunden sind relativ klar“, fasste Florian Bachmann zusammen. „Es gab während der Pandemie in München eine Online-Umfrage, was Kunden sich vom Taxi wünschen. Oberster Wunsch war, dass die Fahrgäste vor Antritt der Fahrt wissen wollen, was die Fahrt kosten wird. Das können wir nun anbieten.“

    Taxiunternehmer hätten aktuell eher Nachteile, weil sie für die Fahrten nicht immer den eigentlichen Preis erhalten, so Bachmann. Trotzdem komme von dieser Seite „Unterstützung, weil man hofft, das durch mehr Aufträge wieder auszugleichen“, erläutert Bachmann. Ob die Akzeptanz von Dauer ist, werde sich zeigen. Möglicherweise müsse bei den Taxitarifen nachgesteuert werden, sagte er. Doch klar sei: „Das Taxigewerbe begrüßt die Festpreise, weil sie auch ein Instrument sein können, um der illegalen Konkurrenz von Uber und Konsorten etwas entgegenzusetzen.“

    #Berlin #München #Taxi #Taxitarif #Ortskunde #Festpreis

  • A #Berlin les manifestations contre le bombardement de #Gaza ont duré jusque au milieu de la nuit.
    https://www.berliner-zeitung.de/news/newsblog-wegner-verurteilt-krawalle-in-neukoelln-bundeswehr-fliegt-

    Krawalle in #Neukölln, mehrere Festnahmen und Polizisten verletzt

    Bei Einsätzen gegen pro-palästinensische Versammlungen in Berlin sind mehrere Polizisten verletzt worden. Im Stadtteil Neukölln seien „Kolleginnen und Kollegen“ unter anderem „durch Steine, brennende Flüssigkeiten und Widerstandshandlungen“ verletzt worden, erklärte die Polizei am Donnerstagmorgen im Onlinedienst X, ehemals Twitter. Auch „Unbeteiligte“ und „Personen, die Widerstand leisteten“ hätten Verletzungen erlitten. Nach Polizeiangaben brannten in einer Wohnsiedlung mehrere Pkw und ein Lkw und ein Baum fing Feuer. Bei den Festnahmen von Verdächtigen seien Pfefferspray und „Zwang“ eingesetzt worden.

    Zuvor hatte die Polizei berichtet, dass es am Abend auf der Sonnenallee in Neukölln weiterhin „große Ansammlungen von Menschen“ gab, bei denen Ordnungswidrigkeiten und Straftaten begangen wurden. Nachdem wahllos Gegenstände auf die Straße geworfen und angezündet worden waren, kamen Wasserwerfer zum Einsatz. Dies wurden auch zum Löschen von Bränden genutzt, erklärte die Polizei.

  • Historiker Moshe Zuckermann : Annalena Baerbock „ist schlicht und ergreifend keine Israelin“
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/historiker-moshe-zuckermann-baerbock-ist-schlicht-und-ergreifend-ke

    La plupart des politiciennes allemandes passe actuellement par une crise de philosemitisme obsessionnel. Un cas grave de cet état d’esprit est la ministre des affaires étrangères allemande qui a déclaré en public qu’elle était israëlienne. Le professeur de l’université de Tel Aviv Moshe Zuckermann explique pourquoi en réalité elle est ni juive ni citoyenne de l’état hébreux.

    18.10.2023 von Ramon Schack - „In diesen Tagen sind wir alle Israelis“, erklärte Annalena Baerbock bei ihrem Israel-Besuch. Moshe Zuckermann erzürnt solche „fremdbestimmte Israelsolidarität“.

    Prof. Dr. Moshe Zuckermann, Soziologe, Professor für Geschichte und Philosophie an der Universität in Tel Aviv, polemisiert in seinen Büchern gegen die inflationäre Verwendung des Begriffes „Antisemitismus“ in Deutschland und die von ihm dadurch diagnostizierte Methode, Kritik an der israelischen Politik zu diskreditieren. Zuckermann gilt als scharfer Kritiker der israelischen Politik und Gesellschaft. Leidenschaftlich plädiert er für eine Konföderation zwischen Israel und einem unabhängigen Staat Palästina als langfristige Lösung des Konflikts. Das Interview führt Ramon Schack.

    Herr Zuckermann, in den Morgenstunden des 7. Oktober wurde Israel von einem der schwersten Terroranschläge seiner Geschichte heimgesucht. In den folgenden Kommentaren wurden Analogien bemüht, wie „Israels Nine-Eleven“, „Israels Pearl Harbour“, oder gar an die Überfälle auf jüdische Siedlungen im Jischuw – also der jüdischen Gemeinschaften in Palästina vor der Staatsgründung – erinnert. Flankiert von dem offenkundigen Versagen der Geheimdienste, wird aber überwiegend die Tragödie vom Beginn des Jom-Kippur-Krieges 1973 als Vergleich bemüht. Würden Sie dieser Sichtweise zustimmen?

    Ich stimme Ihrer Sichtweise zu, nicht der Analogie zum Jom-Kippur-Krieg von 1973. Zwar ist Israel wie auch damals überrascht worden, und ähnlich wie damals haben die Armee (vor allem der Geheimdienst) und die Politik anfangs versagt. Aber Israel ist diesmal – bei aller unsäglichen Leiderfahrung und Monstrosität der Exzesse – nicht in seiner Existenz bedroht gewesen. Ganz anders war es im Oktober 1973: Israel war damals in seiner Existenz bedroht, und zwar so sehr, dass selbst ein Moshe Dayan am zweiten Tag nach Ausbruch des Krieges in Panik geriet, die Amerikaner eine Luftbrücke von Waffen für Israel einrichteten, und die 6. Flotte der Amerikaner im Mittelmeer in Bereitschaft gestellt worden ist. Damals musste Israel gegen zwei starke Armeen kämpfen (die Armeen Ägyptens und Syriens). Diesmal handelt es sich um eine zwar erstaunlich gut trainierte und agierende militärische Formation, die aber mitnichten vergleichbar ist mit großen staatlichen Armeen – schon gar nicht mit der mächtigen Armee Israels.

    Für innen- und außenpolitische Beobachter ist das Scheitern der israelischen Geheimdienste erstaunlich. Auffällig ist hierbei, dass die Sicherheitssysteme unerwartet und offensichtlich zur gleichen Zeit ausgefallen waren. Haben Sie eine Erklärung dafür?

    Für mich (und nicht nur für mich) erklärt sich das aus der Prädominanz dessen, was man in Israel (schon beim 1973er-Krieg) die „Konzeption“ nennt, nämlich eine vorgefasste Einschätzung, die zur Doktrin gerinnt. So wie man beim Jom-Kippur-Krieg der Konzeption anhaftete, dass weder von Ägypten noch von Syrien eine Attacke zu erwarten sei, so hielt man sich diesmal an der Konzeption, dass die Hamas kein Interesse an einem Waffengang habe. Und sobald sich die Konzeption eingefräst und verfestigt hat, werden die relevanten Institutionen (auch aus Überheblichkeit) blind, gleichsam „immun“ gegen Informationen, die dieser Konzeption widersprechen. Es tritt eine fatale Nonchalance ein.

    Der Terror traf Israel zu einem Zeitpunkt, in dem die Protestbewegung – die Israels gesellschaftliche Opposition in den letzten Monaten prägte – das innenpolitische Klima dominierte. Welche Auswirkungen wird der Massenmord an Zivilisten durch die Hamas auf das innenpolitische Klima haben? Wird sich der Rechtsruck weiter verstärken, oder könnte das Gegenteil der Fall sein?

    Das ist keine Frage, die ich mit Bestimmtheit beantworten kann. Zurzeit ist die Protestbewegung erlahmt. Es war in Israel schon immer so, dass wenn ein Krieg ausbricht, innere Konflikte vertagt werden. Die äußere Bedrohung schafft eine innere Konsolidierung, die einzig dazu beitragen soll, den Krieg zu gewinnen. Deshalb werden auch kritische Analysen und Kommentare öffentlich geahndet oder zumindest verschoben. Wie es dann nach Beendigung des Krieges aussieht, kann nicht prinzipiell vorhergesagt werden: Wenn der Sieg im Krieg Errungenschaften zu verzeichnen hat (etwa im aktuellen Fall die Eliminierung der Hamas), mag das den größten Teil der Bevölkerung so begeistern, dass man die ursprüngliche Opposition aufgibt. Aber es ist mitnichten auszuschließen, dass man dann erst recht die ursprünglich Schuldigen an der Katastrophe zur Rechenschaft wird ziehen wollen – etwa mit einer staatlichen Untersuchungskommission. So war es nach dem Jom-Kippur-Krieg, als eine riesige Protestbewegung entstand, die zum Sturz der regierenden Arbeitspartei führte. Ich hoffe, dass es auch diesmal der Fall sein wird, weiß aber nicht, ob dem so sein wird.

    Sie selbst haben seit Jahren die Besatzungspolitik Ihrer Regierung massiv kritisiert. Fühlen Sie sich angesichts der Ereignisse der letzten Tage eher bestätigt oder haben Sie sich vielleicht auch Illusionen hingegeben, bezüglich der politischen Absicht der Hamas?

    Über die politische Absicht der Hamas habe ich mir noch nie Illusion gemacht. Konnte ich auch gar nicht – sie hat stets hervorgehoben, was sie will: die Eliminierung des Staates Israel. Allerdings war Hamas immer flexibler, als die von ihr vertretene Doktrin, und es gab ja auch eine israelische Interaktion mit ihr, welche die Realität vorschrieb: de facto hat die Hamas, über ihre militärischen Ambitionen hinaus, den Gazastreifen (zwei Millionen Palästinenser) zu verwalten. Die Frage der Besatzung, mithin des Konflikts mit den Palästinensern, bemisst sich für mich nicht nur am Stand der Dinge bei der Hamas. Es gibt ja auch die PLO. Aber das war es ja – Israel hat immer gerade auf das Ausspielen der Hamas gegen die PLO gesetzt, um ja eine Lösung des Konflikts im Sinne der Zweistaatenlösung zu verhindern. An dieser Grundeinsicht haben auch die Ereignisse der letzten Tage nichts geändert.

    „Israel brauche die Hamas und die Hamas brauche Netanjahu“, haben Sie vor rund zwei Jahren in einem Interview geäußert. Sehen Sie das immer noch so?

    Selbstverständlich sehe ich das immer noch so. Israel war Geburtshelfer der Hamas, und Netanjahu hat nachgerade die Doktrin geprägt, dass er die Hamas erhalten möchte, weil sie ihm die Verhinderung der Gründung eines palästinensischen Staates garantiere. Er hat in dieser Hinsicht stets die PLO für die eigentliche politische Bedrohung Israels erachtet. Dass es nun zum Fiasko gekommen ist und die Hamas eventuell untergehen wird (was noch nicht ausgemacht ist), war gewiss nicht sein Plan; er hat das nicht gewollt. Aber schauen Sie, welche Ironie hier im Spiel ist: Selbst der Untergang der Hamas kommt Netanjahu zupass – er wird ihn vielleicht vor gerichtlicher Verurteilung „retten“. Selbst in ihrem Untergang kann er die Hamas gebrauchen.

    In Deutschland wird dieser Tage viel über Antisemitismus berichtet, vor allem mit Blick auf pro-palästinensische Demonstrationen. Sie selbst, als israelischer Staatsbürger und Jude, wurden schon in Deutschland von Deutschen des Antisemitismus beschuldigt. Werden die Begriffe „Juden“, „Zionismus“, „Israel“ und „Antisemitismus“ in der deutschen Öffentlichkeit verwechselt oder gar falsch verwendet?

    Das ist gelinde ausgedrückt. Ich kann nur wiederholen, was ich in Deutschland schon seit Jahren (offenbar vergeblich) zu erklären versuche: Juden, Zionisten und Israel sind mitnichten identische Kategorien, und sei’s, weil nicht alle Juden Zionisten sind, nicht alle Zionisten Israelis, und nicht alle Israelis Juden. Und weil Juden, Zionisten und Israel nicht gleichzusetzen sind, sind auch (negativ gewendet) Antisemitismus, Antizionismus und Israelkritik voneinander zu unterscheiden. Man kann Zionist sein und dennoch Israel kritisieren. Man kann Jude sein, ohne dem Zionismus anzuhängen. Man muss nicht antisemitisch sein, um sich gegen den Zionismus zu stellen und Israel für seine Politik zu kritisieren. Wohl kann ein Israelkritiker auch antisemitisch sein, aber das besagt nicht, dass da ein zwingender Kausalzusammenhang zwischen beiden Kategorien besteht. „Israelbezogener Antisemitismus“ ist primär ein Slogan, um legitime und notwendige Israelkritik zu verhindern, nicht um Antisemitismus zu bekämpfen.

    „Wir sind alle Israelis in diesen Tagen!“, äußerte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock. Wie empfinden Sie diese Worte, als israelischer und deutscher Staatsbürger?

    Es gibt wenige Sachen, die mich politisch und kulturell mehr aufbringen, als derlei erborgtes Judentum bzw. fremdbestimmte Israelsolidarität. Denn nicht nur kann es Frau Baerbock drehen und wenden, wie sie will – sie ist schlicht und ergreifend keine Israelin (weder in „diesen Tagen“ noch sonst wann), und es ist nicht klar, wer dieses ominöse „Wir“ sein soll, in dessen Namen sie spricht. Wenn schon wir Israelis kaum in der Lage sind, uns alle unter einen Hut zu bringen, dann nimmt sich der generalisierende Spruch der deutschen Politikerin wie hohles Gerede aus. Zu fragen wäre zudem, wenn Solidarität mit einer kollektiven Leiderfahrung ausgedrückt werden soll, wann die deutsche Außenministerin ein vergleichbares Mitgefühl mit den Palästinensern bekundet hat, die unter den Israelis seit Jahrzehnten (übrigens auch „in diesen Tagen“) Schlimmstes erleiden. Die Tragik des Nahost-Konflikts darf nicht zu populistischen Parolen verkommen.

    Das ist ein Beitrag, der im Rahmen unserer Open-Source-Initiative eingereicht wurde. Mit Open Source gibt der Berliner Verlag freien Autorinnen und Autoren sowie jedem Interessierten die Möglichkeit, Texte mit inhaltlicher Relevanz und professionellen Qualitätsstandards anzubieten. Ausgewählte Beiträge werden veröffentlicht und honoriert.

    #Israël #Allemagne #Palestine #politique #verts #philosemitisme #wtf

  • Die DDR-Bürger und der Alkohol : Warum man im Osten den Schnaps so liebte
    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/die-ostdeutschen-liebten-den-alkohol-existenzielle-sorglosigkeit-li

    Les visites familiales et chez les amis en RDA comptent parmi mes pires excès. Les visites à Berlin-Est se terminaient sytématiquement dans le bar au coin de #Schiffbaurdamm et #Albrechtstraße à cent cinquante mètres de l’entrée au poste de contrôle « Tränenpalast ». On y transformait les restes du « Zwangsumtausch » en cigarrettes Karo sans filtre et quelques bières pour dessoûler.


    Fasching in der Kneipe, Husemannstraße, Prenzlauer Berg, Berlin, 1987, Harald Hauswald/Ostkreuz

    L’arrivée au dernier bar était une victoire à fêter. On avait réussi l’avant dernier exploit de la journée au royaume du socialisme réel parce que nos aimables hôtes avaient fait tout leur possible pour nous faire boire au moins quatre à cinq verres de Schnaps par heure passée ensemble. Il était toujours possible de ralentir le processus d’énivrement en entrcoupant la routine par une ou deux bières. Pourtant le prochain « Pfeffi » ou « Klarer » approchait inexorablement accompagné d’un chaleureux baiser de la voisine de comptoir solidaire.

    Après le séjour au dernier bar avant la sortie vers l’Ouest il ne restait plus que la traversée de la Spree à réussir. Pour l’identification de la bonne file d’attente devant les guichet de douane on pouvait compter sur les gentils gardiens de frontière trop contents de se débarasser de ces ivrognes puants et désorientés. C’est beau le socialisme à 2,5 grammes d’alcool par litre dans le sang.

    Cet article explique pourquoi le socialisme d’à côté nous a causé autant de maux de tête.

    17.10.2023 vin Chiara Maria Leister - Berliner Luft, Pfeffi, Blauer Würger: DDR-Bürger waren Weltmeister im Schnaps-Trinken. Dem Verbot von Kneipen trotzten sie, ihr Konsum ging weiter. Warum?

    In der DDR hat es an vielem gefehlt, doch eines gab es ganz bestimmt: Alkohol, der keine Mangelware war. Im Gegenteil: Die Schnapsregale im Konsum waren stets gefüllt. Statistisch waren die Ostdeutschen sogar Weltmeister im Konsumieren von Hochprozentigem.

    16,1 Liter – so viel Schnaps trank im Jahr 1988 ein DDR-Bürger im Schnitt und hatte damit einen doppelt so hohen Alkoholkonsum wie die Westdeutschen zu dieser Zeit. Anders ausgedrückt waren es 23 Flaschen Weinbrand, Klarer oder Likör pro Kopf. Damit stellten die Ostdeutschen nicht nur den Durchschnittsverbrauch ihrer sozialistischen Nachbarn in Ungarn und Polen in den Schatten, sondern tranken sich sogar an die Weltspitze.

    Aber warum waren vor allem die hochprozentigen Getränke in der DDR so beliebt? Die Antwort ist simpel: Bei Wein mangelte es an Vielfalt. Wenn, dann hatte man den Rosenthaler Kadarka. Doch der süffige, tiefrote bulgarische Wein mit seinem lieblichen Geschmack war bei weitem nicht so verbreitet wie das Bier, das mit 142 Litern pro Kopf im Jahr 1988 definitiv gängiger war bei den Bürgern der DDR. Doch konnte es dem Kristall Wodka, im Volksmund „Blauer Würger“ genannt, genauso wie dem Nordhäuser Doppelkorn, Goldbrand und dem Longdrink Kirsch Whisky nicht das Wasser reichen.

    So grau die Gebäude der DDR auch waren, so farbig sah es in ihrem Schnapsregal aus. „Kein Warenangebot zeigte sich so bunt, optisch ansprechend und immer verfügbar wie im Schnapsregal“, schreibt auch der Ethnologe und Historiker Thomas Kochan in seiner Studie und Doktorarbeit über Getränke in der DDR. Zudem dienten die Schnapsflaschen als omnipräsente Tauschobjekte oder Geschenkartikel und nicht zuletzt als Luxusgüter, mit denen man sich selbst verwöhnte.

    Der Verbrauch von Schnaps war sogar so hoch, dass die 1948 gegründete VEB Nordbrand Brennerei zum größten Hersteller von Schnaps in Europa wurde. Mit der Anlage konnten pro Jahr 32 Millionen Liter reiner Alkohol und später auch 60 Millionen Liter Branntwein produziert werden. Auch heute noch darf der Nordhäuser Doppelkorn im Osten des Landes bei keiner Feier fehlen.

    Blauer Würger auf der Grünen Wiese

    Mal abgesehen von Schnaps, hat sich auch ein Cocktail unter die Lieblinge der Ostdeutschen gemischt: die „Grüne Wiese“, auch als „Grüne Witwe“, „Grüner Frosch“ oder „Grüner Engel“ bekannt. Auch in Westdeutschland wurde er gern getrunken. Wie der Name schon verrät, handelt es sich um ein grünes Getränk; es besteht aus Sekt – Rotkäppchen, versteht sich –, Organgensaft und Blue Curaçao.

    Anfangs gab es Schwierigkeiten mit dem Likör, da in der DDR grundsätzlich nur giftige Flüssigkeiten mit blauer Farbe gekennzeichnet werden durften. Außerdem wurde er nur in „Gestattungsproduktion“ hergestellt, also als DDR-Produktion von Waren im Auftrag westlicher Unternehmen, sodass er nur im Intershop oder in Delikatläden erhältlich war.

    Grün ging es dann mit dem Pfefferminzlikör weiter. Auch heute noch ist der besonders in den neuen Bundesländern bei den Jugendlichen eine beliebte Spirituose. Geschmacklich könnte man den leuchtend grünen, minzigen Pfeffi mit Berliner Luft verwechseln. Beides tranken die Ostdeutschen gern, immerhin stammen die Marken aus der DDR und beherrschen den Pfefferminzlikör-Markt: Nordbrand aus Thüringen mit dem quietschgrünen Pfeffi, und Schilkin aus Berlin mit der klaren Berliner Luft.

    Die Gründe für die Schnapsliebe der Ostdeutschen

    Für wen der Alkohol aber so gar nichts war, der konnte sich in speziellen Läden der DDR auch alkoholfreie Besonderheiten beschaffen. In den sogenannten Delikatläden konnten Produkte des „gehobenen Bedarfs“, die es im Einzelhandel nicht gab, gekauft werden. Dort gab es beispielsweise Trinkfix, ein Kakaogetränk beziehungsweise Trinkschokolade, die mit etwa acht Mark allerdings ordentlich zu Buche schlug. Doch auch in den normalen Lebensmittelläden konnten die Preise hoch sein. So war Kaffee, etwa Mokka Fix oder Rondo, mit 8,75 Mark für 250 Gramm sehr teuer. Doch zum Kaffeekränzchen durfte das Koffein-Getränk nicht fehlen; es wurde schlichtweg versucht, nur so viel davon zu kochen, wie tatsächlich gebraucht wurde – passgenau eben.

    Nach der Wende übrigens, im Jahr 2002, war der Konsum der Ostdeutschen mit jährlich 5,9 Litern Schnaps pro Kopf deutlich geringer – er hatte sich mehr als halbiert. Warum aber haben die meisten der Ostdeutschen gern und viel Alkohol getrunken? Eine mögliche Antwort: Verzweiflung. Obwohl der Schnaps laut DDR Museum mit Preisen zwischen 15 und 80 Mark nicht gerade günstig war bei einem Durchschnittsmonatsgehalt von 500 Mark, heißt es, dass die Spirituosen als eine Art Fluchtmittel aus dem grauen Alltag der DDR gedient haben. Der Historiker Thomas Kochan jedoch begründet den hohen Alkoholverbrauch anders.


    Spirituosen, Weine und Zigaretten in einem Schaufenster in der Rosenthaler Straße, 1990, Rolf Zöllner/imago

    Laut seiner Studie spielten „die Erfahrung einer konkurrenzarmen Kollektivgesellschaft“‚ „ein wenig gefördertes Leistungsdenken“, „gemeinschaftliche Verantwortungsfreiheit“ und „existenzielle Sorglosigkeit“ größere Rollen. Er schreibt aber auch, dass es sich generell um eine Gesellschaft gehandelt habe, in der es stets einen Anlass zum Trinken gab, ob während der Pause oder im Feierabend. Bei seinen Recherchen entdeckte er sogar eine „Wodka-und-Bockwurst-Diät“. Wie die ausgesehen haben soll? Na, ein kleines Gläschen Wodka zum Frühstück, ein großes mit einer Bockwurst zum Mittagessen und schließlich noch mal ein kleines Glas zum Abendessen.
    Die Folgen des Alkoholkonsums bei den DDR-Bürgern

    Doch so lustig das auch klingen mag, so hatte der Alkoholkonsum in der DDR auch seine Folgen. Im September 1989 erwähnte Politbüro-Mitglied Kurt Hager in einer internen Sitzung die Zahl von 250.000 Alkoholikern in der DDR. Der Alkoholkonsum stellte ein Problem für die DDR-Regierung dar, er passte nicht zum Idealbild eines vernünftigen, sozialistischen, nüchternen Menschen. Deshalb kämpfte SED-Generalsekretär Walter Ulbricht in den Sechzigern gegen die Kneipen an, sodass zahlreiche von ihnen geschlossen werden mussten.

    An ihrer Stelle gründeten sich Milchbars, kulturelle Gaststätten und Weinstuben. Der Konsum von Wein wurde sogar durch Kampagnen mit Slogans wie „Trink nicht wahllos – greif zum Wein!“ beworben. Umgekehrt sollte ein Werbeverbot den Konsum von Schnaps eindämmen. Aber umgestimmt hat das die DDR-Bürger letztlich nicht, dafür liebten sie ihre Spirituosen zu sehr.

    Und wenn man ihre Zahlen mit der heutigen Rate an Alkoholikern vergleicht, waren es doch gar nicht so viele: Laut Bundesgesundheitsministerium haben in Deutschland derzeit etwa neun Millionen der 18- bis 64-Jährigen einen problematischen Alkoholkonsum – das sind aufgerundet 18 Prozent in dieser Altersgruppe. Folgt man den DDR-Zahlen von Hager, waren es 1989 in der DDR nur 1,52 Prozent bei 16,43 Millionen Bürgern.

    #DDR #alcool

  • Friseure in der DDR: Als Fußpilzmittel und Sprühpflaster zum Einsatz kamen
    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/friseure-in-der-ddr-als-fusspilzmittel-und-spruehpflaster-zum-einsa

    18.10.2023 von Enno Kramer| - Not macht erfinderisch: Das galt zu DDR-Zeiten für viele Bereiche des alltäglichen Lebens – auch für den Friseurberuf. Ein Blick in die Vergangenheit.
    In Deutschland gibt es immer weniger Friseure. Das geht aus einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit hervor. Demnach verzeichnet die Agentur seit 2017 einen Rückgang sozialversicherungspflichtig beschäftigter Friseure von mehr als 16 Prozent. Zwar steigt die Zahl männlicher Friseure kontinuierlich, jedoch ist der Rückgang an Friseurinnen überproportional hoch.

    Das sah zu DDR-Zeiten noch ganz anders aus. Das Geschäft florierte, und viele Kunden ließen sich aufgrund niedriger Preise sogar wöchentlich die Haare schneiden. Auch die Öffnungszeiten wichen stark von den heutigen ab: Viele Friseursalons hatten bis 22 Uhr geöffnet und ließen in einem Zweischichtsystem arbeiten.

    Aufgeteilt waren die Salons in drei verschiedene Preisklassen: Klasse eins war meist ein besonders guter Friseur, Klasse zwei kennzeichnete den Durchschnitt und Klasse drei lockte mit günstigen Frisuren – wurde aber von vielen gemieden. Heute wirken die Preistafeln von damals fast schon wirklichkeitsfremd.

    Bei einem drittklassigen Friseur etwa kostete ein kurzer Herrenhaarschnitt 65 Pfennige, eine Kopfwäsche für Frauen mit Kurzhaarfrisur 80 Pfennige und eine Dauerwelle 7,25 Mark. Am preisintensivsten war eine Kaltwelle, die in der Regel aber auch unter der Zehn-Mark-Grenze blieb. Das sah bei erstklassigen und so manchen zweitklassigen Friseuren der DDR anders aus.


    Kaum vorstellbar: Haarschnitte für weniger als eine Mark

    Haarschnitte waren damals wie heute abhängig vom eigenen Geldbeutel. Nicht jedem war es vergönnt, die Haare von Promi-Friseuren wie Ralf Bohmgarn schneiden zu lassen. „Ich arbeitete in einem gehobenen Salon, wo der Haarschnitt wesentlich teurer war als andernorts – hier ließen sich Kunden wie der Oberst im Ministerium für Staatssicherheit, Alexander Schalck-Golodkowski, die Haare schneiden“, erinnert sich der passionierte Friseur, der nach der Wende seinen eigenen Salon in Prenzlauer Berg eröffnete und diesen bis heute betreibt.

    Begrenzte Zahl an Lehrstellen: Friseure brauchten gute Noten

    Wer in der DDR Friseur werden wollte, musste sich erst einer zweijährigen Ausbildung unterziehen. Aufgrund einer begrenzten Anzahl an Lehrstellen waren hier besonders gute Schulnoten zum Erlernen des Handwerks ausschlaggebend. „Ohne ein ordentliches Zeugnis brauchte man sich gar nicht erst bewerben – keine Frage“, bestätigt Bohmgarn.

    „Angefangen hat die Ausbildung mit einem halben Jahr Herrensalon, worauf die Zeit im Damensalon folgte – erst nach insgesamt zwei Jahren kam dann die Gesellenprüfung. Um im Anschluss den Meisterbrief zu bekommen, musste man noch drei Jahre lang als Geselle arbeiten“, erläutert der 59-jährige Starcoiffeur, der nach der Wende auch für „Wetten, dass ..?“ unter Wolfgang Lippert oder Thomas Gottschalk arbeitete.

    Schon in der DDR hatte Ralf Bohmgarns Alltag nur wenig mit dem eines gewöhnlichen Friseurs gemein. Neben seiner Anstellung im Salon frisierte der gelernte Maskenbildner zur damaligen Zeit bei relevanten Modeschauen oder Fachtagungen. Auch die Ansagerinnen des DDR-Fernsehens mussten erst mal durch seine Maske: „Damals habe ich weit über dem Durchschnitt – und zeitweise mehr als ein Arzt – verdient. Der Friseurberuf allein machte aber nicht reich. Ich kann mir vorstellen, dass man als Friseurin in einer Kleinstadt mit 400 Mark ohne Trinkgeld gut verdient hat, sonderlich viel war das aber nicht.“

    Zusätzlich zum Job duellierte sich der Haarkünstler auch im Preisfrisieren und nahm mit der Nationalmannschaft an überregionalen Wettkämpfen teil. „Damals war das Preisfrisieren ein richtiger Sport. Zur Trainerin der damaligen Nationalmannschaft hatte ich einen guten Draht“, sagt Bohmgarn. Sein Ruf eilte ihm voraus – viele Kundinnen und Kunden hatte er eben dieser Reputation zu verdanken.

    Besonders beliebt unter Bohmgarns Kundinnen seien der asymmetrische Marleen-Schnitt oder der auftoupierte Crazy-Schnitt gewesen. „Auch der bekannte Titus-Schnitt war lange sehr gefragt“, fügt der gebürtige Rostocker hinzu – eine Kurzhaarfrisur, bei der auf der Stirn ein Pony lang gelassen wird und die Haare im Rücken bis zum Nacken gekürzt werden.

    Im Alltag der drittklassigen Friseursalons sah es indes meist völlig anders aus als in solchen, in denen Bohmgarn arbeitete. Nicht allein die Kunden sahen sich hier aufgrund finanzieller Engpässe oft vor Probleme gestellt. Auch die Haarschneider selbst mussten aufgrund der Mangelwirtschaft in der DDR häufig erfinderisch sein und improvisieren – ob beim Werkzeug oder bei anderem Zubehör.

    Schonende Mittel auf Naturbasis gab es nicht, stattdessen wurde mit purer Chemie gearbeitet: Fußpilzmittel aus der Apotheke zum Färben oder flüssiges Sprühpflaster, wenn die Haarpracht mal wieder stehen sollte. In Ost-Berlin schworen manche Kollegen außerdem auf Zuckerwasser anstelle von Haarspray.

    In anderen Friseursalons fehlten passende Strähnchenhauben, sodass man auf Badekappen zurückgreifen musste und mithilfe einer Häkelnadel die einzelnen Strähnen herauszog. Aufgrund der prekären Versorgungslage sahen sich Friseure immer wieder gezwungen, kreativ zu werden. Abgeschnittenes Haar wanderte nach einem Friseurbesuch nicht einfach in den Mülleimer, sondern diente als wertvolles Exportgut.

    Genutzt wurde das Schnitthaar oft zur Herstellung von Dämmmaterial oder von sogenannten Sanssouci-Pantoffeln, die das Parkett des Potsdamer Schlosses schonen sollten – wenn dieser Verwendungszweck sich auch vor einigen Jahren als Irrtum entpuppte: Im Filz hängen gebliebener Sand und Schmutzpartikel sorgten über Jahre hinweg auf dem Parkett des Schlosses für eine schleifpapierähnliche Wirkung.

    #DDR #coiffeurs #travail #socialisme

  • Fabio De Masi: Verschwörungs-Ökonomie, oder warum es Deutschland schlecht geht
    https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/fabio-de-masi-verschwoerungs-oekonomie-warum-es-deutschland-schlech

    14.10.2023 von -Fabio De Masi -Unter dem Vorwand, die Inflation zu bekämpfen, nimmt die Bundesregierung eine schwere Wirtschaftskrise in Kauf. Dahinter stecken knallharte Interessen, meint unser Autor.

    Bundeskanzler Olaf Scholz hatte ein Wirtschaftswunder versprochen. Was für eine Blamage: Denn die Ampel-Koalition jagt die Wirtschaft in den Keller, um dann Maßnahmen gegen Wachstumsbremsen zu fordern. Dieser Wahnsinn hat Methode. Dabei sitzen die Wachstumsbremsen auf der Regierungsbank. Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner sind eine in Zahlen gegossene wirtschaftliche Trümmertruppe.

    So meint Finanzminister Christian Lindner, es brauche eine Bürokratie-Pause, als gäbe es Bürokratie nur in Deutschland. Wie soll zu viel Bürokratie erklären, warum Deutschland von der internationalen Wirtschaftsentwicklung abgehängt wird? Man darf schon glücklich sein, dass Lindner die verheerende wirtschaftliche Bilanz seiner Regierung nicht mit kosmischen Schwingungen erklärt.

    Deutschland ist die einzige große Volkswirtschaft, die schrumpft

    Lindner kritisiert zwar die Abschaffung von Leistungstests bei den Bundesjugendspielen, aber würde ökonomisch schon am Binden der Turnschuhe in der Umkleidekabine scheitern. Spanien hat etwa mit gezielten Eingriffen in den Markt, wie einer Besteuerung von Extragewinnen, Preisbremsen sowie Subventionen des öffentlichen Nahverkehrs die Wirtschaft angekurbelt und die Inflation viel erfolgreicher bekämpft als Deutschland.

    Auch China, die USA und Japan nehmen staatliche Defizite in Kauf, um in Zukunftstechnologien zu investieren. Die Inflationsraten gehen dabei international zurück. Deutschland ist die einzige größere Volkswirtschaft, die nominale Staatsausgaben senkt (mit Ausnahme der wachsenden Rüstungsausgaben), und die einzige größere Volkswirtschaft, die schrumpft.

    Lindner behauptet mit seiner Verschwörungsökonomie gegen jede Evidenz, es brauche eine Absenkung der Staatsausgaben, um die Inflation zu bekämpfen. Dabei haben wir es mit einer Angebots- oder Gewinninflation zu tun, die nicht durch zu hohe Nachfrage ausgelöst wurde. Zudem stellte der Internationale Währungsfonds bereits 2009 in einer groß angelegten Länderstudie unter dem Titel „Public Debt, Money Supply and Inflation“ fest, dass für Industrienationen kein Zusammenhang zwischen Staatsverschuldung und Inflation bestünde. Und es ist noch nicht einmal gesichert, dass eine Kürzung der Staatsausgaben die Staatsverschuldung senkt. Es ist nämlich davon auszugehen, dass die negativen Effekte auf das Bruttoinlandsprodukt auch zu Erhöhung der Arbeitslosigkeit, höheren Sozialtransfers und Verringerung der Steuereinnahmen führen werden.

    Laut der Gemeinschaftsdiagnose der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute brechen die Investitionen in Forschung und Entwicklung in Deutschland durch die Kürzungsorgie und den wirtschaftspolitischen Salafismus der Ampel-Regierung massiv ein.

    Lindner verkündet, man müsse die Wachstumsbremsen lösen, aber er entzieht der Bevölkerung über Steuererhöhungen auf Gas, Fernwärme und Speisen in der Gastronomie zehn Milliarden Euro an Kaufkraft und kürzt alles, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Die Verringerung von Staatsausgaben in einer schwächelnden Wirtschaft, bedeutet immer auch, dem Privatsektor die Einnahmen zu entziehen. Angesichts des Staatsversagens von Deutscher Bahn, bis zur Unterbringung und Integration von Flüchtlingen, fragt man sich, ob es das Ziel der Ampel ist, der Trümmertruppe von der Alternative für Deutschland (AfD) noch ein paar Prozentpunkte bei den Wahlen obendrauf zu packen.

    Die Lobbyisten der Arbeitslosigkeit

    Es ist davon auszugehen, dass die Ampel-Regierung genau weiß, was sie tut. Der australische Investor Tim Gurner, Gründer der Gurner Group, die Luxus-Immobilien entwickelt, hat kürzlich in schonungsloser Offenheit auf den Punkt gebracht, weshalb Notenbanken wie die Europäische Zentralbank (EZB) versuchen, den Energie-Preisschock und die Profit-Inflation, mit fragwürdigen Zinserhöhungen zu bekämpfen und weshalb die Ampel-Koalition die Staatsausgaben kürzt, bis es kracht.

    Es geht darum, die Arbeitslosigkeit zu erhöhen, um die Profite der oberen ein Prozent abzusichern. Diese Rentiers, die über große Aktienpakte verfügen, aber nur selten selbst etwas Unternehmerisches schaffen, erwarten ihre Renditen wie ein Zeitungsabo im Briefkasten. Und zwar nicht durch sinnvolle Prozess- und Produktinnovationen oder „schöpferische Zerstörung“, wie es der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter nannte, sondern durch Eigentum und Wirtschaftsmacht.

    Gurner behauptete auf dem „Property Summit“ der australischen Financial Review, die Beschäftigten seien durch die Corona-Krise zu arrogant geworden und würden für ihr Geld zu wenig leisten. Dies habe die Produktivität negativ beeinträchtigt. Um dies zu ändern, forderte Gurner, dass die Arbeitslosigkeit „um 40 oder 50 Prozent steigen“ müsse. Der Wirtschaft müssten Schmerzen zugefügt werden.

    Es sei zu einem systematischen Wandel gekommen, wonach die Beschäftigten denken würden, die „Arbeitgeber“ (ein fragwürdiger Begriff, schließlich stellen die Beschäftigten ja ihre Arbeitskraft zur Verfügung) würden für sie arbeiten und nicht umgekehrt. Sie würden in dem Irrglauben leben, dass die Unternehmer ihnen dankbar sein müssten, dass sie für sie arbeiten, und nicht umgekehrt.

    Gurner fuhr fort, man müsse „diese Attitüde töten“. Und dies könne nur gelingen, indem man der Wirtschaft weh tue. Dies sei, was die Regierungen weltweit derzeit durch Verringerung von Staatsausgaben versuchen würden. Erste Erfolge seinen sichtbar. Entlassungen würden zunehmen und es gäbe nun „weniger Arroganz auf dem Arbeitsmarkt“. Was nach einer durchgeknallten Verschwörungstheorie klingt, ist der Kern wirtschaftsliberaler Ideologie, die versucht, zu vernebeln, dass es in der Wirtschaftstheorie und in der Wirtschaftspolitik immer auch um Interessen geht.
    Das Gespenst der Inflation

    Laut den Theorien der marktradikalen Ökonomen, die in den vergangenen Jahrzehnten den Ton angaben, ist Inflation vor allem das Ergebnis von zu viel Geld oder zu viel Nachfrage im System. Wenn also zu viel Geld zu wenige Waren jagt, erhöhen die Unternehmer die Preise. Daher müssten bei Inflation die Zinsen und die Arbeitslosigkeit erhöht werden. Doch zum Beispiel in den USA steigt die Beschäftigung seit einem Jahr, während die Inflation zurückgeht. Für keynesianische Ökonomen, die auf staatliche Eingriffe zur Stützung der Nachfrage setzen, ist eine Nachfrage-Inflation zwar denkbar, wenn Vollbeschäftigung herrscht und die Ökonomie überhitzt. Doch meistens herrscht Unterbeschäftigung. Daher führen Keynesianer Inflation vor allem auf gestiegene Kosten oder Konflikte zurück.

    So nutzten bestimmte Sektoren etwa den Energiepreisschock, um Extra-Profite durchzusetzen. Dies gelingt einzelnen Unternehmen nur, wenn sie entweder über eine außergewöhnliche Marktmacht verfügen oder sie wissen, dass andere Unternehmen wegen eines externen Schocks (Energiepreise) ebenso die Preise erhöhen. Wenn sie nämlich als Einzige die Preise erhöhen würden, verlören sie Marktanteile an Wettbewerber. Bei Kostenschocks, die viele Unternehmen betreffen, werden die Unternehmen hingegen versuchen, die Preise stärker zu erhöhen als ihre Kosten gestiegen sind. Wenn nun wiederum die Gewerkschaften stark genug sind, um die Löhne zu erhöhen und ihren Kaufkraftverlust auszugleichen, werden die Unternehmen wieder mit Preiserhöhungen auf die höheren Lohnkosten reagieren. So die Theorie. Es droht dann eine Lohn-Preis-Spirale.

    Nun ist die aktuelle Inflation aber nicht durch zu viel Nachfrage zu erklären und die Gewerkschaften sind nach Jahren der „Arbeitsmarktreformen“ zu schwach, um selbst bei hoher Beschäftigung eine eskalierende Lohn-Preis-Spirale auszulösen. Japan pumpte in den vergangenen Jahrzehnten viel billiges Geld der Zentralbank in die Banken, aber die Inflation war dort niedriger als in Europa. Denn das Geld der Banken zirkuliert zwischen den Banken oder befeuert zuweilen die Preise von Immobilien oder Aktien. Es treibt aber nicht auf breiter Front die Inflation auf den Gütermärkten.

    Die USA investieren als Reaktion auf die Inflation sogar vermehrt in Zukunftstechnologien (Inflation Reduction Act), um Engpässe zu überwinden. Spanien gelang es mit einer Mitte-links-Regierung, die Inflation erfolgreicher als das durch die Ampel angerichtete Chaos zu dämpfen: durch Energiepreis- und Mietendeckel, Steuersenkungen auf Nahrungsmittel sowie Subventionen für den öffentlichen Nahverkehr – also durch mehr Staatsausgaben.
    Operation gelungen, Patient tot

    Der Preisschock des Ukraine-Kriegs wurde eher durch eine Profit- oder Angebotsinflation ausgelöst. Die Corona-Krise hat Wertschöpfungsketten zerrüttet, der Wirtschaftskrieg hat Kostenschocks verursacht und unsere Energiekapazitäten sind zu knapp. Daher müsste mehr und nicht weniger investiert werden. Die Ampel will aber in der Krise kürzen und schickt die Wirtschaft ins Koma. Die Zinserhöhungen der EZB bremsen die Wirtschaft zusätzlich, da sie Investitionen verteuern und Zinskosten erhöhen. Es ist derzeit umstritten, wie groß der Einfluss der Zinsen auf die vorübergehende Schwächung des Wohnungsbaus war. Theoretisch können höhere Zinskosten sogar die Preise kurzfristig in die Höhe treiben.

    Doch langfristig führt eine Krise zu sinkender Inflation – aber eben zum Preis einer stagnierenden Wirtschaft und zunehmender Arbeitslosigkeit. Es ist, wie einen Krebspatienten mit dem Hammer zu erschlagen. Operation gelungen, Patient tot. Sinnvoller wäre es, etwa Extragewinne abzuschöpfen, Marktmacht zu bekämpfen und wie in Spanien durch Preisdeckel und Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel die Preise zu dämpfen.

    Zurück zu Investor Gurner. Was er beschreibt, ist also seit Jahrzehnten Teil der ökonomischen Theorie und Praxis. Krisen – ob Finanzkrisen oder Preisschocks – lösen Verteilungskonflikte aus. In den Jahrzehnten bis zur Finanzkrise hat der Anteil der Gewinne am Volkseinkommen zulasten der Löhne immer weiter zugenommen. Die höheren Profite führten aber nicht zu höheren, sondern niedrigeren Investitionen, gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Seit der Finanzkrise wurde diese Entwicklung leicht korrigiert, auch wenn die Lohnspreizung durch Niedriglöhne zunahm. Die Corona-Krise und der Wirtschaftskrieg läuteten eine neue Phase des modernen Klassenkampfes ein. Die Zentralbanken traten nach den Corona-Milliarden auf die Bremse und die Ampel-Koalition will in der Krise kürzen.

    Die Rentiers fordern ihren ökonomischen Tribut. So wie früher Priester Opfergaben forderten, um die Götter zu besänftigen (und dann das Lamm heimlich selbst verspeisten), fordern die Rentiers Opfer, um „die Märkte“ zu befriedigen.

    Was dahinter steckt, hat niemand besser auf den Punkt gebracht als der konservative britische Zentralbanker Sir Alan Budd, als er über die konservative Revolution unter Margaret Thatcher sprach: „Es mag Leute gegeben haben, die die eigentlichen politischen Entscheidungen getroffen haben, die nicht einen Moment lang geglaubt haben, dass dies der korrekte Weg ist, um die Inflation zu senken. Sie sahen jedoch, dass dies ein sehr, sehr guter Weg wäre, um die Arbeitslosigkeit zu erhöhen, und die Erhöhung der Arbeitslosigkeit war ein äußerst wünschenswerter Weg, um die Stärke der Arbeiterklasse zu verringern – wenn man so will. Es wurde eine Krise des Kapitalismus herbeigeführt, um in marxistischer Terminologie eine Reservearmee von Arbeitskräften zu schaffen, die es den Kapitalisten seitdem ermöglicht, hohe Gewinne zu erzielen.“

    Genau darum geht es: Nicht um bessere wirtschaftliche Performance, sondern um schlechtere wirtschaftliche Performance, um die Arbeitslosigkeit zu erhöhen, die Löhne zu drücken und höhere Profite für Wenige durchzusetzen. Im modernen Finanzkapitalismus bedeutet dies: Shareholder-Value für die Finanzinvestoren (Rentiers). Und zwar auch dann, wenn der Unternehmenssektor insgesamt unter der Krise leidet. Gurner spricht also offen aus, was die Geschäftsgrundlage im Finanzkapitalismus ist.

    Der brillante polnische Ökonom Michael Kalecki hat über dieses systemische Interesse der Wirtschaftsmächtigen an Arbeitslosigkeit einst in Cambridge eine berühmte Vorlesung unter dem Titel „Politische Aspekte der Vollbeschäftigung“ gehalten. Und der US-Investor Warren Buffett wusste: „Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen.“

    ZUM AUTOR
    Fabio De Masi war Mitglied des Deutschen Bundestages für Die Linke sowie des Europäischen Parlaments und machte sich dort bei der Aufklärung von Finanzskandalen – etwa um den Zahlungsdienstleister Wirecard – einen Namen. Er ist Kolumnist bei der Berliner Zeitung.

    #Aliemagne #économie #crise #chomage

  • Polizei Berlin verbietet pro-palästinensische Demo heute am Pariser Platz
    https://www.berliner-zeitung.de/news/polizei-verbietet-pro-palaestinensische-demo-am-pariser-platz-li.21

    Les procureurs d’état berlinois et leur bras armé la police viennent de définir comme acte criminel (délit de « Volksverhetzung » introduit contre la propagande nazie) la revendication de la libération de la Palestine.

    Merci aux amis de #Hamas de #Tsahal, vous venez de nous libérer davantage de notre marge d’expression personnelle et politique.

    Alors soyez rassurés, si jamais vous m’entendez revendiquer la liberté pour la région « from the river to the sea » , il s’agira de Berlin d’Est en Ouest « from the river Spree to the sea WannSee » ou dans l’autre sens « from the river Havel to the sea MüggelSee ». ;-)

    Il n’y a pas de liberté pour les habitants des pays en guerre et les perspectives pour les Européens sous domination de l’OTAN sont plutôt sombres. Pourtant un de ces jours les guerres dans lequelles vous êtes actuellement en train de nous embarquer seront terminées et avec un peu de soutien extérieur nous aurons reconquis notre liberté.

    Dans le passé notre tentative d’extermination des peuples slaves nous a déjà valu notre propre libération. ... ex oriente pax , ça vous rappelle quelque chose ?

    13.19.2023 von Sophie Barkey - Vor dem Brandenburger Tor sollte heute um 16 Uhr eine Demonstration in Solidarität mit Palästina stattfinden. Wie in den letzten Tagen kommt nun ein kurzfristiges Verbot der Polizei.

    Die Berliner Polizei hat am Freitag eine angekündigte Demonstration mit dem Titel „Frieden in Nahost – Stopp der Krieg in Nahost“ verboten. Die Kundgebung sollte von 16 Uhr bis 18 Uhr auf dem Pariser Platz stattfinden. 60 angekündigte Teilnehmer wollten dabei ihre Solidarität mit Palästina und Gaza demonstrieren. Auch jede Ersatzveranstaltung ist laut Mitteilung der Polizei bis zum 19. Oktober untersagt.

    Zur Erklärung heißt es weiter, „dass die unmittelbare Gefahr besteht, dass es bei der Versammlung zu volksverhetzenden, antisemitischen Ausrufen, Gewaltverherrlichungen, dem Vermitteln von Gewaltbereitschaft und dadurch zu Einschüchterungen sowie Gewalttätigkeiten kommen kann.“

    Die für heute auf dem #PariserPlatz angemeldete Versammlung „Frieden in Nahost - Stopp den Krieg in Nahost!“ sowie alle Ersatzveranstaltungen wurden nach Abwägung sämtlicher Interessen von der Versammlungsbehörde bis zum 19.10.23 verboten.
    Die Gründe finden Sie in unserer PM:…
    — Polizei Berlin (@polizeiberlin) October 13, 2023

    Angesichts des Terrorangriffs auf Israel wollen Berliner Staatsanwaltschaft und Polizei rigider gegen israelfeindliche Parolen bei Demonstrationen von Palästinensergruppen vorgehen. Die Verwendung der oft verwendeten Parole „From the River to the Sea, Palestine will be free“ werde jetzt von der Staatsanwaltschaft als strafbar eingeordnet, sagte eine Polizeisprecherin am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Mit dem Satz ist gemeint, es solle ein freies Palästina geben auf einem Gebiet vom Fluss Jordan bis zum Mittelmeer - dort wo sich jetzt Israel befindet. Entsprechende Landkarten zeigen bei Demonstrationen das Gebiet ganz in grün, der Farbe des Islam.

    Die Staatsanwaltschaft sehe bei der Parole einen Anfangsverdacht auf Volksverhetzung, weil das Existenzrecht Israels dadurch betroffen sei, sagte die Sprecherin. Bei dem entsprechenden Paragrafen 130 heißt es, bestraft werde, wer gegen „nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppen“ zum Hass aufstachele oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordere. Verboten sind laut Gesetz schon lange Parolen wie „Tod den Juden“. Andere Parolen, die Israel angreifen, sind dagegen als Meinungsäußerung zulässig.

    Wegen Gewaltaufrufen der islamistischen Palästinenser-Organisation Hamas hat sich die Berliner Polizei bereits besonders auf diesen Freitag und das anstehende Wochenende vorbereitet. Israelische und jüdische Einrichtungen werden noch mehr als sonst geschützt. Demonstrationen oder Ansammlungen palästinensischer Gruppen sollen wegen möglicher antisemitischer Inhalte entweder sehr genau beobachtet oder verboten werden.

    Nach dem Terrorangriff auf Israel und den darauffolgenden Bombardierungen der israelischen Armee im Gazastreifen rief die Hamas Muslime auf der ganzen Welt zu Protesten auf. Das israelische Außenministerium und der Nationale Sicherheitsrat warnten: „Es ist davon auszugehen, dass es in verschiedenen Ländern zu Protestveranstaltungen kommen wird, die in Gewalt umschlagen können.“ Israelis wurde empfohlen, sich von Demonstrationen fernzuhalten.

    Am Donnerstag hatten sich trotz Verboten immer wieder Gruppen von Menschen mit Palästinenser-Fahnen oder -Symbolen zusammengefunden. Am Potsdamer Platz versammelten sich am Nachmittag einige Dutzend Menschen. Am späten Abend standen in der Pankstraße in Wedding Menschen mit Palästinenserfahnen. Die Polizei nahm von einigen Teilnehmern die Personalien auf. Nach kurzer Zeit habe sich die Gruppe wieder zerstreut, hieß es. Mehrfach hatte die Polizei geplante palästinensische Demonstrationen wegen möglicher antisemitischer Ausrufe oder Gewaltverherrlichung verboten. Auch für das Wochenende sind Demonstrationen angekündigt.

    #Allemagne #Berlin #police #justice #politique #censure #Palestine #Israël

  • U-Bahnhof Französische Straße mit neuem Namen: Das steckt dahinter
    https://www.berliner-zeitung.de/news/u-bahnhof-franzoesische-strasse-in-mitte-neuer-name-nord-sued-li.21

    11.10.2023 von Eva Maria Braungart - Der U-Bahnhof Französische Straße in Berlin-Mitte hat einen neuen Namen bekommen. Wie die Berliner Morgenpost berichtet, ist auf dem Portal zu der seit drei Jahren geschlossenen Station nun die Aufschrift „Nord-Süd“ zu lesen.

    Wie ein Sprecher der BVG gegenüber der Zeitung erklärte, liegt der Grund dafür in der Geschichte der Station. „Da der Bahnhof bekanntlich dauerhaft geschlossen ist, haben wir dort als Hommage an die große Geschichte der U-Bahn den Schriftzug nach historischem Vorbild zurück an die Friedrichstraße gebracht“, so der Sprecher.

    Zukunft des U-Bahnhofs Französische Straße unklar

    Historische Fotos zeigten, dass der U-Bahnhof ursprünglich den Schriftzug Nord-Süd trug, da die heutige U-Bahn-Linie U6 damals den Namen Nord-Süd-Bahn trug.

    Der U-Bahnhof Französische Straße wurde vor drei Jahren wegen der Eröffnung des danebenliegenden U-Bahnhofs Unter den Linden still gelegt. Was mit der alten Station passieren soll, ist noch unklar.

    #Berlin #Mitte #Friedrichstraße #Französische_Straße #Verkehr #U-Bahn #Geisterbahnhof

  • Israel-Gaza-Konflikt – Protest vor Berliner Ernst-Abbe-Gymnasium : Eltern und Schüler von Polizei umzingelt
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/israel-gaza-konflikt-protest-vor-berliner-ernst-abbe-gymnasium-elte

    A Berlin le philosemitisme obsessionnel étouffe le débat publique du conflit en Palestine/Israël. La police interdit ine manifestation des parents d’élèves de l’école où un professeur a frappé un élève qui affichait son soutien aux Palestiniens.

    Les médias s’emparent de l’occasion de pouvoir continuer le récite des méchants Arabes antisemites qui peuplent le dangereux arrondissement Neukölln. On comprend pourquoi l’extrême droite moderne affiche le même philosemitisme comme les institutions officielles allemandes. D’abord leur racisme contre les Arables est plus fort que l’antisemitisme dont ils essayent de se distantier en public puis ils se donnent une image de bons Bürger (le mot allemand « Bürger » signifie aussi « bourgeois », le terme français « citoyen » étant intraduisible sauf par des horreurs linguistiques peu précises comme « Staatsbürger ») qui sont toujours du bon côté.

    https://www.openstreetmap.org/way/364588554

    11.10.2023 von Kevin Gensheimer - Wer am Mittwoch als Schüler des Ernst-Abbe-Gymnasiums in Neukölln nach Schulschluss das Gebäude verlässt, wird von einem großen Polizeiaufgebot begrüßt. Etwa ein halbes Duzend Polizeiautos und zahlreiche Polizisten lösen dort eine nicht genehmigte Demonstration auf, die von Eltern in Folge des tätlichen Übergriffs eines Lehrers gegen einen Schüler dieser Schule organisiert wurde.

    Die dazugehörigen Bilder gingen bereits am Montag viral: In einem Handyvideo sieht man den Lehrer, wie er einem Schüler auf dem Schulhof ins Gesicht schlägt. Der Schüler tritt danach kräftig gegen den Pädagogen. Auslöser des Konflikts war eine Palästina-Flagge, die ein anderer Schüler auf dem Schulhof zeigte. Der Lehrer hatte ihn im Vorfeld mehrfach aufgefordert, die Flagge einzupacken.

    Zwei Tage später, am Mittwochvormittag, versammeln sich Eltern vor dem Gymnasium, um gegen Gewalt an Schulen zu demonstrieren. Dass die Veranstaltung von der Polizei nicht genehmigt wurde, begründet ein Polizeisprecher vor Ort mit der Sorge, die Veranstaltung könne von Hamas-Sympathisanten als Forum genutzt werden. So wird die Veranstaltung kurzerhand aufgelöst.

    Das Problem: Unter den gut 40 Personen sind hauptsächlich Kinder und Jugendliche, die sich den demonstrierenden Eltern anschließen. Auch die minderjährigen Schüler werden von der Polizei eingekesselt. Eine Lehrerin, die gerade aus der Schule kommt, sieht die Szenen und erschrickt: „Da sind sogar Siebtklässler dabei!“ Einige Teilnehmer werden abgeführt. Sie haben nach Angaben der Polizei israelfeindliche Flugblätter verteilt.

    Lehrer: „Schwierig, den Unterricht aufrechtzuerhalten“

    Wie angespannt die Lage im Berliner Schulalltag ist, wird vor Ort besonders deutlich: Die Fronten sind verhärtet, nur wenige möchten über den Vorfall sprechen. Klar ist: Der Schulalltag ist durch den körperlichen Übergriff des Lehrers massiv gestört. Einige Schüler berichten von Krisensitzungen zwischen Lehrern und Schülervertretern. Lehrkräfte, die aus der Distanz die Demonstration betrachten, wollen über den Vorfall nicht sprechen. Ein anonymer Lehrer lässt die Atmosphäre im Schulgebäude aber erahnen: „Wir versuchen den Unterricht aufrechtzuerhalten, aber momentan ist das sehr schwierig.“

    Wenn politische Fronten im Schulalltag aufeinandertreffen, ist pädagogisches Fingerspitzengefühl gefragt. Die Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus in Berlin (Kiga e.V.) organisiert digitale Veranstaltungen für Lehrkräfte, bei denen sie den Pädagogen Handlungsempfehlungen für konfliktgeladene Situationen an die Hand gibt. Vorsitzender des Vereins, Dervis Hizarci, plädiert für deeskalierendes Verhalten, besonders von Lehrern. Man müsse als Pädagoge seine eigenen Gefühle zurückschrauben und ohne Vorbehalte mit Schülern kommunizieren.

    Den von Kai Wegner am Dienstag angesprochenen Vorschlag von Wachpersonal an Schulen, das die Situation an Berliner Schulen unter Kontrolle kriegen soll, sieht er kritisch: „Viel sinnvoller wäre es, die Sozialarbeit zu stärken.“ Im Juni kündigte der Senat an, dem Bezirk Neukölln im kommenden Jahr weniger Geld für soziale Projekte zur Verfügung zu stellen.

    #Allemagne #Berlin #Neukölln #Sonnenallee
    #Palestine #Israel
    #école #pédagogie #philosemitisme

  • Daniel Barenboim verurteilt die Hamas-Angriffe und kritisiert die Reaktion Israels
    https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/debatte/krieg-in-nahost-star-dirigent-daniel-barenboim-verurteilt-die-hamas

    Une voix de la raison le chef d’oerchestre Daniel Barenboim s’attire la haine sioniste.

    11.10.2023 Ulrich Seidler - Der Dirigent und langjährige Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper Unter den Linden Daniel Barenboim hat sich per Instagram zu den Angriffen der Hamas auf die israelische Zivilbevölkerung geäußert und diese als „ein ungeheuerliches Verbrechen“ bezeichnet, das er „auf das Schärfste“ verurteile. Er verfolge die Entwicklung in Israel „mit Entsetzen und größter Sorge“. Das Ausmaß dieser menschlichen Tragödie, die noch lange nachwirken werde, zeige sich „nicht nur in den verlorenen Menschenleben, sondern auch in den Geiselnahmen, zerstörten Häusern und verwüsteten Gemeinden“. Der 80-jährige Barenboim bezeichnet aber nicht nur den vielfachen Tod im südlichen Israel, sondern auch in Gaza als Tragödie. Und er kritisiert die Reaktion Israels: „Die israelische Belagerung des Gazastreifens stellt eine Politik der kollektiven Bestrafung dar, die eine Verletzung der Menschenrechte ist.“

    Der in Argentinien als Kind russisch-jüdischer Auswanderer geborene Barenboim, der neben der israelischen ehrenhalber auch die nicht offizielle palästinensische Staatsbürgerschaft besitzt, hat sich während seiner internationalen Karriere immer wieder für eine Versöhnung im Nahen Osten engagiert und für eine Annährung zwischen Israelis und Palästinensern gekämpft. Zusammen mit dem amerikanisch-palästinensischen Autor und Literaturkritiker Edward Said (1935–003) hat er 1999 das West-Eastern Divan Orchestra gegründet, das sich in der Berliner Barenboim-Said-Akademie aus jungen Musikern der Region zusammensetzt.

    Barenboim führt aus, dass er und Edward Said immer geglaubt hätten, dass „der einzige Weg zum Frieden zwischen Israel und Palästina ein Weg sei, der auf Humanismus, Gerechtigkeit, Gleichheit und dem Ende der Besatzung“ beruhe, und dass dieser Frieden nicht mit militärischen Mitteln zu erreichen sei. „Ich fühle mich heute mehr denn je in dieser Überzeugung verankert. In diesen schwierigen Zeiten und mit diesen Worten stehe ich in Solidarität mit allen Opfern und ihren Familien“, so Barenboim.

    Für seine Worte wird Barenboim in der Kommentarspalte teils heftig kritisiert. Man wirft ihm Naivität vor und sogar, dass er die Hamas-Gräuel mit den israelischen Maßnahmen gleichsetze. Er bekommt aber ungleich mehr Beifall und Zuspruch für sein Engagement.

    Le texte du message de Daniel Barenboim
    https://www.instagram.com/dbarenboim

    dbarenboim
    I have followed the events of the weekend with horror and the utmost worry as I see the situation in Israel/Palestine worsening to unimaginable depths. Hamas’ attack on the Israeli civilian population is an outrageous crime, which I condemn fiercely. The death of so many in southern Israel and Gaza is a tragedy that will loom for a long time to come. The extent of this human tragedy is not only in lives lost but also hostages taken, homes destroyed, and communities devastated. An Israeli siege on Gaza constitutes a policy of collective punishment, which is a violation of human rights.

    Edward Said and I always believed that the only path to peace between Israel and Palestine is a path based on humanism, justice, equality and an end to the occupation rather than military action, and I find myself today grounded in this belief more strongly than ever. In these trying times and with these words, I stand in solidarity with all victims and their families.

    — Daniel Barenboim

    #Israël #Palestine

  • Krieg gegen Israel : Wie ich dem Hamas-Chef in Gaza und Hitler-Fans in Ramallah begegnete
    https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/nahost-konflikt-krieg-gegen-israel-wie-ich-hamas-chef-ismail-haniye

    Les événements en Palestine/Israël ont remis les pendules à l’heure pour cette journaliste qui croyait que les forces armées et services secrets de l’état hébreux avaient anéanti la résistance palestinienne.

    12.10.2023 von Anja Reich - Ein Satz geht mir nicht mehr aus dem Kopf, einer, den ich oft gesagt habe: „Ich habe mich selten so sicher in einem Land gefühlt wie in Israel.“ Ein anderer ist: „Israel passt gut auf seine Leute auf.“

    Mit diesen Sätzen habe ich Deutsche beruhigt, die zum ersten Mal nach Israel reisen wollten, aber auch mich selbst. Israel ist die einzige Demokratie im Nahen Osten, ein jüdischer Staat, von Feinden umgeben. Hier fliegen Raketen aus Gaza, hier gibt es Terroranschläge, aber kein anderes Land hat so gute Geheimdienste und so eine gute Armee. Hier ist man – trotz allem – sicher.

    Der Satz stimmt nicht mehr, seit letztem Sonnabend, als bewaffnete Hamas-Kämpfer den Grenzzaun von Gaza zu Israel überwanden, in das Land einfielen, mehr als tausend Menschen ermordeten, Kinder und Frauen als Geisel nahmen. Die Bilder brechen mir das Herz. Der Mann, der in seinem Garten sitzt, die Katze auf dem Schoß, unter Schock, weil die Hamas seine Kinder und seine Frau entführten. Die junge Frau, die von Männern in ein Auto gezerrt wird, ihre Hose blutig. Kinder im Bunker, die nicht glauben können, dass ihre große Schwester nicht mehr lebt.

    Freude über Hitlers Judenmord in Ramallah

    Nie hätte ich mir vorstellen können, dass so etwas passiert, dabei war die Möglichkeit allgegenwärtig, fallen mir wieder all die Beobachtungen und Erlebnisse ein, die ich als Korrespondentin in meine Artikel schrieb, wie Indizien für eine Tat, die seit langem geplant war. Die Landkarten in den Büros der Hamas, auf denen Palästinas Grenzen vom Jordan bis ans Mittelmeer reichten, von Israel keine Spur. Die Freude, mit der mir ein Jugendlicher in Ramallah auf die Schulter klopfte, als er hörte, dass ich Deutsche sei. Wie Adolf Hitler, der die Juden umgebracht hatte.

    Der Hamas-Chef Ismail Haniyeh, der zu einer Pressekonferenz nach Gaza einlud, um zu verkünden, Israel sei kein jüdischer Staat, sondern die Heimat aller sieben Millionen Palästinenser weltweit. Und der als „moderat“ galt unter den Kollegen. Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas, der sagte, der Holocaust sei nicht durch Antisemitismus ausgelöst worden, sondern durch das „soziale Verhalten“ der Juden selbst. Der trotzdem von der Bundesregierung nach Berlin eingeladen wurde. Um sich hier erneut antisemitisch zu äußern.

    Die riesigen Porträts junger Märtyrer, die bereits 2018 beim „Marsch der Rückkehr“ die Grenze zu Israel stürmten und dabei von israelischen Snipern erschossen wurden. Der Besuch bei einer Familie, deren Sohn so ein Märtyrer war. Alles nagelneu, Wohnung, Möbel, Teppiche – die Belohnung der Hamas für den Todeseinsatz des Jungen.

    Todesdrohungen für den deutschen UNRWA-Chef in Gaza

    Auch mein Treffen mit Matthias Schmale, dem deutschen Leiter der Hilfsorganisation UNRWA in Gaza, fällt mir ein. Er bekam Todesdrohungen, nachdem er palästinensische Mitarbeiter entlassen musste. Sie bauten ihm einen Sarg, drohten: „Du kommst hier nicht mehr raus.“ Schmale musste sich in seinem Büro wie in einem Hochsicherheitstrakt verschanzen und nahm die Mitarbeiter dennoch in Schutz. „Wenn man Menschen wie Gefangene behandelt, bekommt man das Verhalten von Gefangenen“, sagte er zu mir.

    Nach dem Besuch bei ihm hatte ich einen Traum: Ich musste vor Terroristen fliehen, um mich herum explodierten Bomben, junge Männer versperrten mir den Weg. Ich wachte zitternd auf, aber dann stand ich auf, machte Kaffee, begann den Tag, einen neuen Tag. So war es immer in Israel. Es ging weiter. Die antisemitischen Sprüche wurden zur Gewohnheit, die Kämpfe zwischen Israel und der Hamas wirkten wie Rituale, sie kochten alle paar Monate hoch und ebbten wieder ab. Das ist nun anders, alles ist anders. Der Traum ist Wirklichkeit geworden, ein Albtraum, der so viel mehr verändern wird, als ich es mir im Moment vorstellen kann.

    #Israël #Palestine #journalisme

  • Vergifteter Jubel in Neukölln : Was ist los auf der Sonnenallee ?
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/neukoelln-nach-dem-angriff-auf-israel-li.2147495

    A Berlin les réactions à l’affrontement tragique en Israël annoncent l’aggravation du fossé qui sépare les communautés arabes de la société allemande. Le journal Berliner Zeitung s’intéresse surtout à l’opinion des citoyens d’Israël qui vivent à Berlin. Le maire de Berlin-Neukölln a monté le drapeau national d’Israël sur la mairie de l’arrondissement malgré ses multiples voisins arabes.

    9.10.2023 von Andreas Kopietz, Niklas Liebetrau, Cedric Rehman - Am Montag, zwei Tage nach Beginn der blutigen Angriffe der palästinensischen Hamas auf Israel, steht Martin Hikel, der Bezirksbürgermeister von Neukölln, in einem Imbissladen gegenüber seinem Rathaus und wartet auf seine Pasta. Man kann von hier aus, durch die Fenster des Ladens, die israelische Fahne sehen, die Hikel am Wochenende an einem Mast vor dem Rathaus hat hissen lassen. „Ein Zeichen der Solidarität“, wie Hikel jetzt erklärt, „eigentlich eine Selbstverständlichkeit.“ Neukölln stehe an der Seite Israels, das hatte Hikel schon am Samstag verkündet.

    Es ist gut möglich, dass der Bürgermeister damit auch einem Eindruck entgegenzuwirken versucht, der sich an diesem Wochenende einmal mehr verbreitet: dass Teile von Neukölln eben nicht an der Seite Israels stehen, sondern, ganz im Gegenteil, an der Seite der palästinensischen Terroristen.

    Am Sonnabendnachmittag, Stunden nach dem Beginn des Angriffs, bei dem Hunderte Israelis ums Leben kamen, hatten auf der Neuköllner Sonnenallee junge Männer, in Palästina-Fahnen gehüllt, Süßigkeiten an Passanten verteilt. Am Abend dann marschierten ebenfalls auf der Sonnenallee rund 40 Personen auf, die israelfeindliche und antisemitische Sprechchöre skandierten. Es kam zu Rangeleien mit der Polizei und zu mehreren vorläufigen Festnahmen.

    Das blutigste Massaker an Juden seit dem Holocaust – auf der Sonnenallee wurde es besungen und gefeiert wie ein glorreicher Sieg.

    Einmal mehr fragt man sich seitdem, was schon wieder los ist in diesem großen und vielfältigen Bezirk im Süden Berlins, wie sicher sich Israelis hier noch fühlen können und ob Berlin mit weiteren propalästinensischen Kundgebungen und Krawallen in den nächsten Tagen rechnen muss.

    Fragt man den Neuköllner Bürgermeister danach, sagt er zunächst, er sei nicht besorgt um die Sicherheitslage in seinem Bezirk. Nur auf der Sonnenallee, ergänzt er dann, sei die Situation angespannter als sonst.

    Wer an diesem Montagvormittag über die Arabische Straße läuft, wie die Sonnenallee inoffiziell genannt wird, dem fallen vor allem die vielen weiß-schwarz-grün-roten Fahnen auf: die Farben Palästinas. Es wirkt, als seien es mehr als sonst. Sie hängen über Restaurants und Cafés, sie sind gemalt auf Bäume und Stromkästen am Straßenrand, an den Häuserwänden hängen Plakate des palästinensischen Samidoun-Netzwerkes. Auf dem Hermannplatz hatte die Polizei am Sonntag schon zum zweiten Mal eine palästinensische Fahne auf einem Denkmal mit weißer Farbe übermalt. Am Montagvormittag ist sie wieder da.

    Schräg gegenüber von diesem Denkmal verkauft ein älterer Mann Kaffee aus einem Wagen. Er komme aus Libyen, er nenne sich Mike. Den ganzen Tag schon seien immer wieder Journalisten zu ihm gekommen und hätten nach den Ausschreitungen am Wochenende gefragt. „Warum kommt ihr erst jetzt?“, sagt er und schüttelt den Kopf. „Wenn Israelis Palästinenser töten, interessiert sich niemand von euch dafür.“

    Es ist eine den Angriff relativierende Perspektive, die man auf der Sonnenallee immer wieder zu hören bekommt: Es sei zwar „traurig“, dass nun so viele Menschen in Israel sterben müssten, aber dies sei eben auch nur Folge einer immer aggressiveren israelischen Unterdrückung von Palästinensern. Die Menschen aus Syrien, Libyen, dem Libanon, mit denen man hier ins Gespräch kommt, geben sich ruhig – fast als sei nichts Besonderes an diesem Wochenende geschehen.

    Zahlen aber zeigen, dass die Stimmung im Bezirk und auch in ganz Berlin angespannter, gereizter, gewaltbereiter wird. Und antisemitischer. Bei der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) häufen sich seit Sonnabend die Meldungen über Beleidigungen und Bedrohungen gegenüber Juden sowie Terrorverherrlichung. Man habe seit dem Wochenende ein deutlich höheres Meldeaufkommen, sagte eine Mitarbeiterin am Montag.

    Unter anderem häufen sich antisemitische Farbschmierereien und Parolen im Stadtbild. Nach Angaben von Polizisten entdeckte der Leiter einer Schule in der Pankower Dunckerstraße am Sonntag 15 Schriftzüge in unterschiedlichen Größen und Farben wie etwa „Scheiß Zionisten“ und „free palestine“. An der Kösliner Straße in Wedding wurden fünf Häuserfassaden beschmiert mit „Deutschland finanziert, Israel bombadiert“. In der Schlüterstraße in Charlottenburg schrieb jemand mit weißer Farbe „Fuck Israel“ auf die Fahrbahn.

    In Berlin leben Schätzungen zufolge rund 30.000 Israelis. Wie sicher können sie sich derzeit noch fühlen – speziell in Neukölln? Levi Salomon vom Jüdischen Forum muss eine Weile überlegen, um die passenden Worte zu finden. „Solange Polizei vor Ort ist, kann man sich sicher fühlen“, sagt er dann. „Aber wenn die Polizei nicht da ist, wird man angepöbelt oder bespuckt oder bekommt eins auf die Nase. Durch Neukölln kann man selten ruhig laufen.“

    Auch Tamar Zoav würde sich derzeit nicht trauen, auf der Sonnenallee Hebräisch zu sprechen, sagt sie. Zoav, die in Neukölln in der Nähe des Tempelhofer Feldes lebt, heißt eigentlich anders. Ihren richtigen Namen wolle sie in der angespannten Lage nicht in der Zeitung lesen, sagt sie. Abgesehen von der Sonnenallee empfinde sie Berlin nach wie vor als „supersicher“ für Israelis. Auch solche Demonstrationen wie am Wochenende würden nichts an ihrem Sicherheitsempfinden ändern. Solange diese friedlich verliefen.
    Linke Israelis in Berlin in einem Zwiespalt

    Die Gefahr für Israelis sieht Tamar Yoav derzeit vor allem im eigenen Land. Sie schildert, wie die Brutalität der Hamas sie erschüttert hat. „Ich schaue die ganze Zeit Nachrichten und manchmal muss ich einfach weinen“, sagt sie. Dabei erstaune sie der Exzess nicht, die Hamas sei nun mal eine Terrororganisation. Sie spricht aber auch die humanitäre Lage im Gazastreifen an. Die habe aus ihrer Sicht dazu beigetragen, „Monster“ zu erschaffen.

    Yoav befindet sich in einem Zwiespalt, der für das regierungskritische und eher linksgerichtete Milieu der Berliner Israelis nicht untypisch ist. Das Bangen um die Lieben zu Hause geht auch mit einer Fehlersuche vor der eigenen Haustür einher.

    Obwohl Yoav sich in Berlin nach wie vor sicher fühlt – viele andere Israelis tun dies offenbar zunehmend nicht mehr. Die Polizei hat mittlerweile den Schutz von rund 70 jüdischen Einrichtungen verstärkt. Hochgefahren wurde nach Angaben von Ermittlern auch der Personenschutz für „exponierte Personen des öffentlichen Lebens“.

    Die Polizei habe damit begonnen, „zusammen mit anderen Behörden die Auswirkungen auf die Sicherheitslage zu analysieren“, sagt eine Polizeisprecherin. Neben dem Schutz von Personen und Einrichtungen seien auch die Polizeistreifen im Stadtgebiet verstärkt worden. Die Maßnahmen würden der täglichen Lage entsprechend angepasst.

    Weitere propalästinensische Kundgebungen in Berlin geplant

    Auch wegen des Verteilens der Süßigkeiten auf der Sonnenallee ermittelt die Polizei nun. Zwar sei dies für sich genommen nichts Strafbares, ebenso wenig das Umhängen einer Fahne, sagt die Polizeisprecherin. Aber im Gesamtgefüge könne man es als Billigung von Straftaten wie der Tötung und Verschleppung von Menschen sehen.

    „Arabern, die in Berlin Süßigkeiten verteilen, wenn Juden ermordet werden, muss man geschlossen entgegentreten“, meint Arye Shalicar. Der 46-jährige Sohn persischer Juden wuchs in Berlin-Wedding auf und lebt seit 20 Jahren in Israel. Heute ist er Sprecher der israelischen Armee. „Für mich ist es keine Neuigkeit, dass radikalisierte Araber in Berlin jubeln, wenn Juden ermordet und entführt werden.“ Das sei eine bittere Realität, die er schon in seiner Jugend in Wedding erlebt habe.

    „Als 2014 die Operation im Gazastreifen gegen die Hamas stattfand, gab es schon Anzeichen für das, was auf uns zukommt“, sagt Shalicar, „als junge Araber vor dem Brandenburger Tor ‚Juden ins Gas‘ gebrüllt haben.“ Er habe das damals schon thematisiert, doch niemand habe zugehört. „Sie wollten nicht darüber reden, weil sie dann in eine bestimmte Ecke gestellt werden.“

    Einiges deutet darauf hin, dass sich dies mit dem Wochenende geändert hat. Die Empörung über das Verhalten einer vergleichsweise kleinen Gruppe von palästinensischen Demonstranten auf der Sonnenallee reicht weit über die Stadtgrenzen hinaus. An diesem Montag ist noch nicht absehbar, in welche Richtung sich die Stimmung in der Stadt entwickeln wird. Für den kommenden Mittwoch ist eine weitere propalästinensische Kundgebung in Neukölln angemeldet.

    #Berlin #Neukölln #Israël #Palestine #guerre

  • In Kreuzberg liegen jetzt die ersten Stolpersteine für Schwarze NS-Opfer
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/in-kreuzberg-wurden-die-ersten-stolpersteine-fuer-schwarze-ns-opfer

    Vor der Alten Jakobstraße 134 liegen nun diese fünf Stolpersteine für die Familie Boholle. Photo : Emmanuele Contini

    Plan / Openstreetmap
    https://www.openstreetmap.org/node/2468915167

    9.10.2023 von Elizabeth Rushton - Das Verfahren zur Verlegung neuer Stolpersteine ist für den Künstler Gunter Demnig inzwischen Routine: Die Messingsteine werden behutsam in das Straßenpflaster eingefügt, sodass ihre golden glänzenden Oberflächen und die Geschichten der Opfer des Nationalsozialismus vor den Häusern, in denen diese einst lebten, zum Vorschein kommen. Mehr als 1000 solcher Steine befinden sich auf den Bürgersteigen in Berlin-Kreuzberg, mehr als 96.000 gibt es in ganz Europa.

    Doch als Gunter Demnig sich am Sonntagmorgen mit seinem vertrauten Werkzeug vor dem Haus Alte Jakobstraße 134 über fünf neue Stolpersteine beugte, war diese Verlegung anders als alle anderen im Bezirk zuvor: Damit wurden die ersten Stolpersteine in Kreuzberg für Schwarze Opfer des NS-Regimes verlegt. In dem Haus wohnte Joseph Bohinge Boholle, der 1880 in Kamerun geboren wurde und im Rahmen der Berliner Kolonialausstellung nach Berlin kam, zusammen mit seiner Frau Stefanie. Joseph und Stefanie brachten drei Kinder zur Welt – Josefa Luise, Rudolf Bohinge und Paul Artur. Im Jahr 1939 wurde der Enkel Peter, der Sohn Josefas und des niederländischen Varieté-Artisten Cornelis van der Want, geboren.

    Nachdem 1943 ein Bombenangriff der Alliierten das Familienhaus in der Alten Jakobstraße zerstört hatte, zogen Josefa, Cornelis, Peter und Stefanie nach Bromberg (heute das polnische Bydgoszcz). Ende 1944 wurden allerdings die drei Erwachsenen verhaftet. Stefanie Boholle kam entweder im Gestapo-Gefängnis in Bromberg oder im KZ Stutthof ums Leben. Josefa, ihre Brüder Paul und Rudolf sowie ihr Mann Cornelis und ihr Sohn Peter überlebten den Nationalsozialismus – Josefa wurde aber während ihrer Gefangenschaft zwangssterilisiert und starb 1955 an den chronischen Erkrankungen infolge ihrer Zeit im Konzentrationslager.


    Frank Boholle (M.) verfolgt mit seiner Familie die Stolpersteinverlegung für ihre Vorfahren. Photo : Emmanuele Contini

    Vor Nachbarn, Aktivisten und Kommunalpolitikern wie Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne) sprach Frank Boholle, der Urenkel von Joseph und Stefanie, bei der Zeremonie am Sonntag von einer „großen Ehre“ für seine Familie. „Jetzt werden unsere nachfolgenden Generationen immer einen Ort haben, wo wir dieser Geschichte gedenken können“, sagte er. Er bedankte sich insbesondere bei dem Historiker Robbie Aitken, der nach der Verlegung eine Biografie der Familie Boholle vorlas, sowie bei Christian Kopp vom Verein Berlin Postkolonial, auf dessen Initiative die Verlegung erfolgt war.

    In ihrem Redebeitrag begrüßte Simone Dede Ayivi von der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland den Schritt, der einen oft vergessenen Aspekt der NS-Geschichte näher beleuchtet. „Um die Verfolgungsgeschichte des Nationalsozialismus komplett zu erzählen, müssen alle betroffenen Gruppen miteinbezogen werden – und da sind wir noch lange nicht fertig“, sagte sie; es gebe noch große Wissenslücken zu füllen. Eine Erfahrung, die auch die Familie Boholle während der Vorbereitung auf die Stolpersteinverlegung gemacht hat. „Unsere Familiengeschichte bestand lange Zeit aus vielen Puzzlestücken“, sagte Frank Boholle. „Erst jetzt konnten wir sie zusammensetzen und die Lücken füllen.“


    https://de.m.wikipedia.org/wiki/N%C3%BCrnberger_Gesetze

    Siehe auch https://seenthis.net/messages/927660

    Berliner Kolonialausstellung 1896
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Berliner_Kolonialausstellung

    Kolonien des deutschen Kaiserreichs
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Kolonien

    #Deutschland #Kamerun #Berlin #Kreuzberg #Alte-Jakobstraße #Geschichte #Kolonialismus #Rassismus #Nazis

  • Anna Dushime über Berlin: „Wedding hat für immer mein Herz gestohlen“
    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/anna-dushime-ueber-berlin-wedding-hat-fuer-immer-mein-herz-gestohle


    Anna Dushime in der Lang Bar im Waldorf Astoria

    9.10.2023 von Anne Vorbringer - Berlin hat rund 3,8 Millionen Einwohner, und jeder hat seinen eigenen Blick auf die Stadt. Was macht Berlin aus, wieso lebt man hier – und tut man es überhaupt gern?

    In unserer Rubrik „Fragebogen Berlin“ fragen wir bekannte Hauptstädterinnen und Hauptstädter nach ihren Lieblingsorten und nach Plätzen, die sie eher meiden. Sie verraten, wo sie gern essen, einkaufen oder spazieren gehen. Aber auch, was sie an Berlin nervt und was man hier auf keinen Fall tun sollte.

    Diesmal hat die Journalistin und Moderatorin Anna Dushime unsere Fragen beantwortet, die in Ruanda zur Welt kam, als kleines Kind mit ihrer Mutter und ihren Schwestern vor dem dortigen Völkermord floh und mit zehn Jahren schließlich nach Deutschland kam. Inzwischen lebt sie schon viele Jahre in Berlin und ist nach mehreren Bezirkswechseln glücklich in Charlottenburg gelandet.

    Ebendort, in der schicken Bar des Luxushotels Waldorf Astoria, um genau zu sein, empfängt die 35-Jährige auch die illustren Gäste ihrer neuen Talkshow „Der letzte Drink“. Statt oberflächlichem Promo-Geplänkel soll es mit Dushime als Gastgeberin um eine ehrliche, offene und spannende Unterhaltung gehen. Das Gespräch ist der Star!

    In der Pilotfolge, die demnächst in der ARD-Mediathek zu sehen sein wird, trifft Anna Dushime auf den Entertainer Roberto Blanco, der bei Mojitos und Whiskey Sour kein Blatt vor den Mund nehmen wird – ebenso wenig wie die Moderatorin, versteht sich.

    1. Frau Dushime, seit wann sind Sie schon in der Stadt – und warum sind Sie nach Berlin gekommen?

    Ich würde am liebsten sagen für die Liebe, aber eigentlich bin ich 2010 für ein Marketing-Praktikum (fast das gleiche) gekommen und wäre am liebsten direkt geblieben, aber meine Mutter hat’s mir ohne Abschluss nicht erlaubt (danke Mama!). 2012 bin ich dann nach meinem Abschluss mit meiner besten Freundin Tina endgültig zurückgekommen.

    2. Welcher ist Ihr Lieblingsort in Berlin?

    Einerseits der Schlosspark Charlottenburg wegen der Gärten und weil’s fancy klingt. Aber auch mein Bett, weil alles Wichtige in greifbarer Nähe ist (Baby, Netflix und Essen). Und Weißensee, weil die oben erwähnte beste Freundin da wohnt und ihre Wohnung mein Wohlfühlort ist.

    3. Wo zieht es Sie hin, wenn Sie entspannen wollen?

    Ehrlich gesagt in mein Bett, aber wenn ich mal raus muss, dann laufe ich eine Runde um den Lietzensee. Also mit Laufen meine ich gehen, nicht joggen! Joggen und entspannen passt für mich nicht zusammen.

    4. Welche Ecken der Stadt meiden Sie?

    Den Alexanderplatz, weil er so stressig ist, und das Soho House, weil da so viele prätentiöse Werber und „Kreative“ sind. Aber falls die Soho-House-Betreiber mitlesen: Wenn ihr mir eine Mitgliedschaft schenkt, komme ich!

    5. Ihr ultimativer Gastro-Geheimtipp?

    Ich habe keinen einzigen Geheimtipp auf Lager, weil ich einen sehr mittelmäßigen Geschmack habe und eher faul bin. Wenn Freunde zu Besuch kommen, muss ich immer googeln, was gerade angesagt ist. Außerdem bin ich eine überzeugte Essen-Bestellerin, deshalb sind meine „Geheimtipps“ die Läden, die ich bei Wolt oder Lieferando finde. Ich esse gerne das persische Essen von Aftab und afrikanische Spezialitäten von Didipa. Bier trinke ich im Hecht, und in der Lang Bar im Waldorf Astoria gibt es sehr gute Drinks.

    6. Ihr ultimativer Shopping-Geheimtipp?

    Ich bestelle seit Jahren nur im Internet, aber wenn’s schnell gehen muss, gehe ich in die Wilmersdorfer Arcaden. Ist kein wirklicher Geheimtipp, aber vielleicht ist das hier einer: Neulich, als ich durch Charlottenburg lief, sah ich eine Werbung für die Mall of Shisha. Seitdem will ich unbedingt hin.

    7. Der beste Stadtteil Berlins ist …

    Ich habe wirklich schon überall in Berlin gelebt: Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Kreuzberg, Neukölln und Wedding. Und was soll ich sagen, letzterer hat für immer mein Herz gestohlen, aber Charlottenburg ist auch sehr schön. Im Wedding habe ich als Praktikantin gelebt, bin spät aufgestanden, spät ins Bett, habe mich nur von Döner und Tiefkühlpizza ernährt und war ständig unterwegs: Alles war günstig, entspannt und ich hatte wenig Verantwortung. In Charlottenburg lebe ich ein anderes Leben, aber so ist es wohl, erwachsen zu sein. Wobei: Ich gehe immer noch spät ins Bett und liebe die Spinat-Tiefkühl-Pizza von Lidl.

    8. Das nervt mich am meisten an der Stadt:

    Menschen, die neben Bars und Clubs ziehen und sich dann ständig wegen des Lärms beschweren. Dass U-Bahn, S-Bahn (kaputte Aufzüge), Freibäder, Cafés oft nicht wirklich barrierefrei sind, und dass es gefühlt immer weniger Orte zum Verweilen gibt, ohne direkt etwas konsumieren zu müssen.

    9. Was muss sich dringend ändern, damit Berlin lebenswert bleibt?

    Der Mietendeckel und wie gesagt: mehr barrierefreie Plätze und Orte zum Verweilen, ohne Geld ausgeben zu müssen.

    10. Ihr Tipp an Unentschlossene: Nach Berlin ziehen oder es lieber bleiben lassen?

    Falls ihr euch wegen des Lärms beschweren wollt, bitte in Kassel bleiben! Falls nicht: Kommt, probiert’s aus und wenn’s nichts ist, könnt ihr ja wieder weg.

    11. Cooler als Berlin ist nur noch …

    Kigali, wo ich geboren bin und wohin mich Rassisten im Internet ständig zurückschicken wollen. Pech: Ich bleibe erst mal hier.

    Zur Person

    Anna Dushime ist 1988 in Kigali geboren, in England zur Schule gegangen, hat am Niederrhein Abitur gemacht und in den Niederlanden studiert. Sie arbeitet als Autorin, Moderatorin und Redaktionsleiterin unter anderem für das preisgekrönte Satireformat Browser Ballett.

    Als Kolumnistin schrieb sie bis 2022 für die taz regelmäßig über Dating, Rassismus und alles dazwischen. Sie moderierte außerdem die erste Staffel des Erfolgspodcasts „1000 erste Dates“, den Ärzte-ohne-Grenzen-Podcast „Notaufnahme“ nahm sie von 2019 bis zu ihrer Elternzeit wöchentlich auf. Für Podimo sprach sie im Format „18“ mit interessanten Persönlichkeiten über das Jahr, in dem sie 18 wurden.

    Derzeit ist sie auch als Co-Host im Podcast „Enter Sandman“ zu hören. Sie ist Mutter eines Sohnes und lebt in Berlin. Demnächst erscheint ihr neues TV-Talkshow-Format „Der letzte Drink“ in der ARD-Mediathek.

    #Ruanda #Kigali #Royaume_Uni #Allemagne #Berlin #culture #médias

  • Mindestens 300 Israelis getötet, mehrere entführt – Jubel in Neukölln, Deutsche unter Opfern vermutet
    https://www.berliner-zeitung.de/news/gazastreifen-raketen-auf-israel-abgefeuert-hamas-kuendigt-militaero

    La politique allemande aime la guerre. Celle que mène l’état d’Israel au nom de nos valeurs contre ses voisins et dans les zones occupées. On aime aussi la guerre de l’Ukraine contre l’agresseur russe. C’est aussi simple que ça.

    Alors on condamne la joie qu’expriment quelques concitoyens après les frappes contre l’état hébreux. Le maire de Berlin-Neukölln aurait pu s’interroger sur les raisons de cette joie. Il a préféré se tenir à ce qu’il a appris pendant les longues années de son tour des boeufs comme on appelle le circuit de carrière des politiciens socialdémocrates. On défend toujours l’état d’Israël. C’est un dogme de première catégorie.

    C’est triste quand des gens intelligents réagissent comme des chiens de Pavlov sionistes au lieu de donner l’exemple en proposant des initiatives pour la paix. Neukölln et ses habitants ont besoin de paix. Peut-être nous verront encore une conférence pour la paix dans cet arrondissement où cohabitent de nombreux palestiniens et immigrés d’Israël.

    Pour le moment à Berlin on entend surtout les voix des alliés du gouvernement d’Israël. La paix est encore loin à Berlin-Neukölln aussi.

    Neukölln: Menschen mit palästinensischen Flaggen versammeln sich

    Am Samstagabend versammelte sich eine Menschenmenge auf der Neuköllner #Sonnenallee, um den Angriff auf Israel zu feiern. Dutzende Menschen skandierten Sprechchöre und schwenkten palästinensische Flaggen. Die PFLP-Vorfeldorganisation Samidoun veröffentlichte die Aktion auf Instagram. Auch die Berliner Polizei war vor Ort, wie Bilder zeigten. Unklar war zunächst, ob sie auch einschritt.

    Wenige Stunden zuvor hatten bereits Palästinenser-Anhänger in Neukölln mit einigen Aktionen für Empörung gesorgt. So verteilte unter die Organisation Samidoun Süßigkeiten aus Freude über den Großangriff auf Israel. In einem Beitrag der Gruppe auf Instagram wurde ein entsprechendes Foto mit der Bildunterschrift „Es lebe der Widerstand des palästinensischen Volkes“ ergänzt.

    Der Bezirksbürgermeister Neuköllns, Martin Hikel, verurteilte bereits die Nachmittagsaktion des anti-israelischen Netzwerks Samidoun.

    Der SPD-Politiker Martin Hikel sagte der „Welt“: „Dass eine Organisation wie Samidoun in Neukölln Süßigkeiten verteilt, während der Terror über Israel hineinfällt, ist eine entsetzliche Verherrlichung eines furchtbaren Kriegs.“ Darüber hinaus forderte er ein Verbot des Netzwerks. Auch Israels Botschafter Ron Prosor äußerte sich zu der Aktion des Netzwerks – Jubel über die Ermordung von Zivilisten habe keinen Platz, weder in Israel oder Deutschland noch sonst irgendwo auf der Welt, sagte er.

    Laut Polizei sei in dem Zusammenhang zudem Strafanzeige wegen des Verdachts auf Nötigung von Amtswegen gestellt worden. Den Angaben nach soll ein Filmteam angegriffen worden sein.

    #Berlin #philosemitisme
    #guerre #Israel #Palestine #PFLP