Die Welt ist schlecht. Dem Taxi geht es ebenso, und Waldi wird nostalgisch. War sooo ne schöne Zeit mit den Stasileuten vom VEB Taxi, nicht wahr?
26.10.2023 von Peter Neumann - Der 9. November, Jahrestag des Mauerfalls, steht bevor. Hermann Waldner erinnert sich an die Zeit des Umbruchs. Als er den VEB Taxi erwarb und Markus Wolf, Chef der DDR-Auslandsspionage, zu seinen Kunden zählte. Als ehemalige Stasi-Mitarbeiter Fahrgäste chauffierten und die Polizei ein Taxi sicherstellte, dessen Kofferraum voll mit Waffen war. Waldner, der als Student in West-Berlin Taxi fuhr, kennt die Berliner Taxibranche wie kein anderer – als Unternehmer und Verbandschef. Doch heute gerät das Gewerbe immer stärker unter Druck. Im Interview mit der Berliner Zeitung erklärt Waldner, was die Politik unternehmen muss, um das Taxi zu retten – und warum das nötig ist.
Herr Waldner, wie lange liegt Ihre jüngste Taxifahrt in Berlin zurück?
Ich bin nicht so oft mit dem Taxi unterwegs, weil ich ein Privatauto habe. Aber vorgestern bin ich mal wieder Taxi gefahren. Vom Prenzlauer Berg, wo ich wohne, zum Hauptbahnhof.
Wie war die Fahrt?
Einwandfrei. Auch die Zahlung mit Apple Pay hat geklappt. Es ging so schnell wie mit keiner anderen Bezahlart. Das Trinkgeld konnte ich ganz einfach aufschlagen. Ich war sehr zufrieden.
Taxis warten am Kurt-Schumacher-Platz im Nordberliner Bezirk Reinickendorf auf Fahrgäste. Im Dezember 2019 waren 8044 Taxikonzessionen vergeben, im September 2023 waren es laut Senat nur noch 5573.
Taxis warten am Kurt-Schumacher-Platz im Nordberliner Bezirk Reinickendorf auf Fahrgäste. Im Dezember 2019 waren 8044 Taxikonzessionen vergeben, im September 2023 waren es laut Senat nur noch 5573.
Gab es schon mal eine Taxifahrt in Berlin, bei der Sie sich geärgert haben?
Nein, das ist mir schon lange nicht mehr passiert. Ich bin aber auch keine gute Testperson, weil ich in der Taxibranche bekannt bin. Da müsste ich mir schon einen falschen Bart ankleben.
Aber andere Taxifahrgäste beschweren sich.
Meine Zentrale vermittelt in Berlin täglich im Schnitt rund 20.000 Taxifahrten. Da kommt es natürlich vor, dass sich Fahrgäste beschweren, das ist normal bei dieser großen Zahl von Aufträgen. Doch es sind nur wenige Beschwerden pro Tag. Der allergrößte Teil der Fahrgäste ist zufrieden.
Worum geht es bei Beschwerden?
Sehr oft um den Fahrpreis. Die heutige Generation, die viel übers Internet bestellt, ist nicht daran gewohnt, dass die Kosten einer Taxifahrt nicht von vornherein auf den Cent genau feststehen. Bislang gibt es in Berlin keine Festpreise fürs Taxi, das verstehen viele Kunden nicht. Manche von ihnen fühlen sich betrogen, wenn plötzlich ein paar Euro mehr auf der Uhr stehen, weil das Taxi im Stau aufgehalten worden ist. Das ist aber kein Betrug, das ist der Taxitarif. Weil dieses Thema immer wieder zu Reibereien führt, finden wir es gut, dass der Senat Anfang 2024 Festpreise ermöglicht.
Rund 90 Prozent der Berliner Taxis dürfen zwar Fahrgäste zum Flughafen bringen, aber sie müssen den weiten Weg nach Berlin leer zurückfahren. Aus klimapolitischen, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen ist das ein Unding.
Hermann Waldner
Manchmal beschweren sich Fahrgäste auch, weil ein Taxifahrer eine unnötig lange Strecke ausgewählt hat.
Es kommt vor, dass ein Fahrer einen Umweg fährt, weil der direkte Weg durch ein Wohnviertel mit schmalen Straßen und Tempo 30 führt. Wenn er dies stillschweigend macht, ohne sich vorher mit dem Kunden abzustimmen, kann das Anlass einer Beschwerde sein – in der Regel zu Recht, wie ich finde.
Als der Flughafen Tegel noch in Betrieb war, gab es haarsträubende Fälle. Betrügerische Taxifahrer forderten von Touristen Mondpreise – von Tegel nach Tempelhof 400 Euro.
Bei diesen eklatanten Fällen ging es um Fahrer, die nicht am Taxifunk teilgenommen haben oder den Funk ausgeschaltet haben. Normalerweise lässt sich jede Fahrt, die per Funk vermittelt wird, nachvollziehen. Die GPS-Daten, mit denen das möglich ist, müssen eine Zeit lang aufbewahrt werden.
Taxis am Flughafen BER. Bis zu 500 Berliner Taxen können eine Ladeberechtigung für den Flughafen erhalten. Steigt die Zahl der Fluggäste, kann die Zahl auf bis zu 550 erhöht werden.
Seit drei Jahren ist Tegel geschlossen. Der neue Flughafen BER liegt in Schönefeld, ziemlich weit vom Stadtzentrum entfernt. Spielt der BER für Taxis noch eine Rolle?
Für unser Gewerbe ist es ein Trauerspiel. Eigentlich könnten wir mit Flughafenfahrten gute Geschäfte machen. Doch der Landkreis Dahme-Spreewald hat aus regionalem Egoismus durchgesetzt, dass nur 500 Berliner Taxis die Erlaubnis bekommen, am BER Fahrgäste aufnehmen zu dürfen. Rund 90 Prozent der Berliner Taxis dürfen zwar Fahrgäste zum Flughafen bringen, aber sie müssen den weiten Weg nach Berlin leer zurückfahren. Aus klimapolitischen, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen ist das ein Unding. Wir versuchen seit Jahren, das zu ändern, sehen im Landratsamt in Lübben allerdings keinerlei Bereitschaft. Wir kommen da einfach nicht weiter.
Müssen Fahrgäste am BER immer noch lange warten, bis sie ein Taxi bekommen?
Das beobachten wir nur noch selten. Inzwischen ist es erlaubt, bei großem Andrang auch Taxis ohne BER-Zulassung nach Schönefeld zu rufen. Außerdem ist es so, dass viele Fluggäste die Bahn benutzen. Von meinem Büro in Friedrichshain ist es nicht weit zum Bahnhof Ostkreuz, von dort braucht der Flughafenexpress nur 18 Minuten zum BER. Das würde ich nicht einmal mit dem Hubschrauber schaffen, geschweige denn per Taxi.
Wie geht es dem Berliner Taxigewerbe?
Sehr schlecht. Es gab mal mehr als 8400 Taxis in Berlin, inzwischen sind es nur noch knapp 5600. Dagegen ist die offizielle Zahl der Mietwagen mit Fahrer, die man auf den Plattformen Uber, Bolt und FreeNow per App buchen kann, in Berlin auf fast 4500 gestiegen. Die wahre Zahl dürfte deutlich darüber liegen. Ein Mitarbeiter des Landesamts für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten hat mir mitgeteilt, dass er von rund 1000 gefälschten Konzessionsurkunden ausgeht. Hinzu kommen Mietwagen mit Fahrer, die im Land Brandenburg gemeldet sind, aber vor allem in Berlin unterwegs sind. Unterm Strich dürften es mehr als 6000 Fahrzeuge sein, die uns Konkurrenz machen.
Die meisten Fahrgäste freuen sich. Mit Uber und Co sind sie preiswerter unterwegs als im Taxi.
Nach unseren Erkenntnissen liegen die Fahrpreise um bis zu 40 Prozent unter unseren Tarifen. Angesichts solcher Dumpingpreise kann man es den Fahrgästen nicht verdenken, dass sie auf diese Angebote fliegen. Jeder versucht, Geld zu sparen – auch wenn dies dazu führt, Steuerhinterziehung und Sozialbetrug zu fördern. Denn anders können die Mietwagenunternehmen nach unserer Einschätzung nicht überleben. Ein Zollbeamter hat mir erzählt, dass sich die Einnahmen ungefähr so aufgliedern: Ein Drittel kassieren die Fahrer legal von den Fahrgästen, ein Drittel kommt schwarz cash auf die Hand, ein Drittel vom Arbeitsamt. Während im Taxigewerbe jede Bewegung, jede Einnahme mithilfe von Fiskaltaxametern erfasst und nachvollzogen werden kann, haben zwei Drittel der Mietwagen aufgrund von Ausnahmegenehmigungen nicht einmal geeichte Wegstreckenzähler. Damit ist der Manipulation Tür und Tor geöffnet.
Uber dementiert, dass Gesetze verletzt werden. Die Fahrzeuge werden effizienter eingesetzt, deshalb seien niedrigere Fahrpreise möglich. Die Fahrdienste seien keine Konkurrenz fürs Taxi.
Wir haben 35 bis 40 Prozent des Geschäfts verloren. Monat für Monat muss das Berliner Taxigewerbe auf immer mehr Kunden verzichten. Nachts machen Taxis in Berlin kaum noch Umsatz. Jüngere Leute, die zu später Stunde zu Bars und Clubs unterwegs sind, buchen bei Uber und Co.
Was fordern Sie?
Es ist allerhöchste Zeit, dass Politik und Verwaltung in Berlin einschneidende Maßnahmen ergreifen. An erster Stelle muss eine Anti-Dumping-Regelung stehen. Berlin muss Mindestfahrpreise für den Mietwagenverkehr einführen, damit das Kaputt-Dumping nicht mehr stattfinden kann.
Festzuhalten ist, dass Taxikunden auch in Zukunft auf berechenbare Preise setzen können.
Wie soll das in Berlin konkret funktionieren?
Für Fahrpreise bei Uber und Co muss es eine verbindliche Untergrenze geben. Sie sollte sich an der Festpreisregelung orientieren, die Anfang des kommenden Jahres in Berlin in Kraft treten soll.
Festpreise im Taxiverkehr – was ist damit gemeint?
Wenn Fahrgäste eine Taxifahrt bestellen, können sie sich im Voraus den Tarif nennen lassen, der ihnen dann garantiert wird. Wie in München, wo es seit September Festpreise gibt, wird sich der Fahrpreis innerhalb eines Tarifkorridors bewegen. Je nach Tages- und Nachtzeit, Staus und Verkehrslage kann der genannte Festpreis um bis zu zehn Prozent unter oder um bis zu 20 Prozent über dem regulären Taxistreckentarif liegen. Wir stellen uns vor, dass auch die Fahrpreise für Mietwagen mit Fahrern in diesem Korridor liegen.
Besteht da nicht die Gefahr, dass bei bestellten Taxifahrten immer ein Aufschlag von 20 Prozent verlangt wird?
Es wird nicht so sein, dass in jedem Fall für eine bestellte Fahrt das Maximale gefordert wird. Sicher, am Silvesterabend, wenn viele Menschen unterwegs sind, wird man an den oberen Rand gehen – auch um sicherzustellen, dass am letzten Abend des Jahres viele Taxifahrer arbeiten. Doch festzuhalten ist, dass Taxikunden auch in Zukunft auf berechenbare Preise setzen können. Wer ein Taxi auf der Straße anhält, wird wie heute exakt den Streckentarif zahlen. Der geplante Tarifkorridor wird ausschließlich für bestellte Fahrten gelten. Bei den Plattformen kommt es vor, dass die Preisschwankungen viel größer sind. In München, wo es Taxifestpreise gibt, sind die Nachfrage und das Feedback der Kunden sehr gut. Ein wichtiger Beschwerdegrund ist weggefallen.
In Barcelona wurde ein Mindesttarif eingeführt. Das führte dazu, dass sich Uber zeitweise zurückzog. Doch inzwischen hat der Europäische Gerichtshof die Regelung in Barcelona wieder aufgehoben, weil sie nicht mit dem EU-Recht vereinbar sei. Rechtsfragen führen in Berlin dazu, dass der Senat Ihre Forderung immer noch prüft.
Es stimmt, die mittlere Ebene der Senatsverkehrsverwaltung unterstützt unseren Wunsch nicht. Hinzu kam, dass sich die bisherigen Senatorinnen, Regine Günther und Bettina Jarasch von den Grünen, für das Berliner Taxigewerbe leider nicht interessierten. Als wir ein Spitzentreffen verlangten, schob Frau Jarasch das Thema zu der damaligen Staatssekretärin ab. Der Wechsel im Senat hat das geändert. Kai Wegner von der CDU war bei uns im Taxizentrum in Friedrichshain, als er noch nicht Regierender Bürgermeister war. Er informiert sich aus erster Hand und schaltet nicht auf stumm. Wegner und die neue Verkehrssenatorin Manja Schreiner haben ein offenes Ohr für uns. Das zeigt die schnelle Bereitschaft, 2024 Taxifestpreise einzuführen. Aber auch der neue Senat muss mit dem Bedenkenträgertum in der Verwaltung umgehen. In Hamburg sind die Behörden mutiger. Da wird auch schon mal Mietwagenunternehmen die Konzession verweigert.
In Österreich hat der Gesetzgeber einen radikalen Schritt vollzogen. Nicht, dass alle restlos zufrieden sind. Doch dort gibt es faire Bedingungen für alle.
Die Plattformbetreiber entgegnen, dass eine Preisregulierung dem EU-Recht und dem Grundgesetz widerspricht. Mindesttarife für den Mietwagenverkehr seien rechtswidrig.
Nein, dieser Auffassung bin ich nicht. Mietwagenunternehmen haben uns einen großen Teil des Geschäfts weggenommen. Dabei hat der Gesetzgeber eine klare Trennung vorgesehen, Mietwagen mit Fahrer sollen nicht wie das Taxi agieren. Sie sollen zum Beispiel in der Regel nach jeder Tour zum Betriebssitz zurückkehren. Das Mietwagengewerbe hat eine Sonderfunktion: Weite Fahrten, Limousinenservice – so hat es jahrzehntelang funktioniert. In Österreich hat der Gesetzgeber einen radikalen Schritt vollzogen: Er hat beide Gewerbe zusammengeführt. Dort sind nur noch Taxis unterwegs. Alle haben dieselben Bedingungen, der Tarifkorridor verhindert Dumpingpreise. Nicht, dass alle restlos zufrieden sind. Doch in Österreich gibt es faire Bedingungen für alle.
Laut Senat sind in Berlin derzeit fast 4500 Mietwagen mit Fahrer unterwegs.
Wäre es schlimm, wenn Berlin ohne Taxis auskommen müsste?
Natürlich! Es wäre ein Verlust, wenn es in Berlin keine Taxis mehr geben würde. Zum Beispiel hat das Taxi eine Beförderungspflicht. Es muss auch fahren, wenn sich jemand nur kurz von der Apotheke oder dem Arzt nach Hause bringen lassen will. Unsere Konkurrenz darf solche Kurzfahrten ablehnen. In den USA gibt es bereits Städte ohne Taxis. Dort vermitteln Uber und Co nur noch lukrative längere Touren, oder sie fordern für Kurzfahrten hohe Fahrpreise. In Berlin sind Taxis verlässlich, sie fahren auch dann zu erschwinglichen Tarifen, wenn es regnet und stürmt.
Stichwort Überalterung: Gibt es überhaupt noch junge Leute, die Taxifahrer sein wollen?
Der Altersdurchschnitt in der Berliner Taxibranche ist relativ hoch. In Berlin sehen junge Leute meist keine Perspektive mehr im Taxigewerbe. In Hamburg, wo die Taxibranche verhältnismäßig gesund und die Zahl der Mietwagen gering ist, gibt es auch junge Taxifahrer und junge Taxiunternehmer.
Wir sind damals wahnsinnige Risiken eingegangen. Anfangs machte das Unternehmen große Verluste, nur durch Glück haben wir überlebt.
Ende 2022 wurden in Berlin die Taxitarife um durchschnittlich 20 Prozent erhöht. Hat sich das ausgewirkt?
Die Fahrpreiserhöhung hat den Sog weg vom Taxi beschleunigt. Noch mehr Kunden sind zu den Mietwagen abgewandert.
Sollte Berlin nicht erst einmal auf Fahrpreiserhöhungen verzichten?
In dieser Frage ist das Taxigewerbe zerstritten. Einzelwagenunternehmer ohne Angestellte sehen Tarifanhebungen sehr skeptisch. Mehrwagenunternehmer, die ihren Fahrern den Mindestlohn zahlen müssen, sprechen sich meist dafür aus. Sie sind auf höhere Einnahmen angewiesen, um Kostensteigerungen tragen zu können. Auch wenn der eine oder andere Fahrgast wegbleibt.
Ihnen gehört Taxi Berlin, die größte Taxizentrale in Berlin. Im Bundesverband Taxi und Mietwagen, kurz BVTM, sind Sie Vizepräsident. Nun wurden Sie zum Ersten Vorsitzenden von Taxi Deutschland Berlin, eines weiteren Branchenverbands, gewählt. Warum halsen Sie sich noch mehr Arbeit auf?
Ich bin Jahrzehnte in der Branche tätig. Ich kann und will nicht dabei zusehen, wie das Taxi vor die Hunde geht. In Berlin ist die Not am größten. Hier haben wir die allergrößten Probleme.
Nach dem Ende der DDR haben Sie in Ost-Berlin den Volkseigenen Betrieb (VEB) Taxi übernommen.
Das war ein Riesenabenteuer. Ich war junger Unternehmer. In Berlin, Hauptstadt der DDR, gab es zuletzt 430 Taxis. Viel zu wenige für eine Stadt mit fast 1,3 Millionen Einwohnern. Kein Wunder, dass die Taxis im Osten immer ausgebucht waren. Der VEB Taxi hatte rund 1300 Beschäftigte. Davon waren 860 Taxifahrer und 130 Fahrlehrer in der zentralen Fahrschule in der Milastraße in Prenzlauer Berg. Hinzu kamen Heizer, Kantinenpersonal und fast 200 Werkstattbeschäftigte. Schließlich mussten die Ersatzteile zum Teil selber geschnitzt werden. Wir sind damals wahnsinnige Risiken eingegangen. Anfangs machte das Unternehmen große Verluste, nur durch Glück haben wir überlebt. Aus der Taxizentrale, die später in den Spreefunk überging, ist mein jetziges Unternehmen hervorgegangen.
Der damalige Geschäftsführer des Autohauses begrüßte Markus Wolf als Genosse Minister, und dann duzte er ihn. Ich stand wie ein Statist da und fragte mich, was hier passiert. Über die Nachwendezeit in Berlin könnte ich ein Buch schreiben.
Mir wurde erzählt, dass viele Taxifahrer mit der Stasi zu tun hatten.
Davon wusste ich anfangs nichts. Ich war ein naiver Wessi, der von West-Berlin in den Osten gekommen war. Tatsächlich hatte der VEB Taxi mehr als 180 Fahrer, die vorher als hauptamtliche Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit tätig gewesen waren. Im April 1989, Monate vor dem Mauerfall, wurde damit begonnen, ihnen Personenbeförderungsscheine auszustellen. So waren sie nach ihrem Ausscheiden versorgt. Bis ins Jahr 1990 hinein ging das so weiter. Der Leiter des Verkehrskombinats war stolz. Das sind gute Leute, die kennen sich aus, sagte er. Damals gab es einen Witz in Ost-Berlin: Wenn Sie in ein Taxi einsteigen, muss man nur den Namen sagen. Der Fahrer weiß schon, wohin es geht.
Sie haben berichtet, dass das Thema auch dunkle Seiten hat. Was meinen Sie damit?
Anfang der 1990er-Jahre gab es drei Taxifahrermorde. Sie wurden nie so richtig aufgeklärt. Die Opfer gehörten zu den Fahrern, die ihren Personenbeförderungsschein 1989 oder 1990 bekommen hatten. Vielleicht ging es um Verteilungskämpfe, um Waffen oder anderes Vermögen. Ich kann mich daran erinnern, dass die Polizei vor der Taxizentrale ein Taxi sicherstellte, der Kofferraum war voll mit Handgranaten. Einige Taxifahrer waren an Waffenschiebereien beteiligt. Schließlich waren Taxis eine gute Tarnung. Die Polizei hat nach meiner Einschätzung oft nicht richtig ermittelt. Da dachte ich mir: Du als Outsider kannst Dich nur noch naiv stellen. Das war echt nicht ohne.
Markus Wolf, den langjährigen Leiter des Auslandsnachrichtendienstes der DDR, haben Sie in der Wendezeit auch kennengelernt.
Markus Wolf war Kunde in einem unserer Autohäuser, die wir gegründet haben, damit die Werkstattleute des VEB Taxi weiterhin eine Beschäftigung haben und unsere Taxis repariert werden. Er besaß einen gebrauchten 340er-Volvo und kam damit ganz bescheiden zu uns. Der damalige Geschäftsführer des Autohauses begrüßte Wolf als Genosse Minister, und dann duzte er ihn. Das war 1994. Ich stand wie ein Statist da und fragte mich, was hier passiert. Über die Nachwendezeit in Berlin könnte ich ein Buch schreiben.
Aus der Vergangenheit in die Zukunft. Wie lange wird es in Berlin noch Taxis geben?
Ich bin sehr pessimistisch, wenn ich mir die Lage in Berlin anschaue. Doch die Mobilitätswende wird auch dazu führen, dass Neues entsteht. Ich bin mir sicher, dass autonome Taxis, die ohne Fahrer auskommen, in 15 bis 20 Jahren die Regel sein werden. Erste Ansätze gibt es bereits in den USA. Wie heute werden diese Fahrdienste eine Beförderungspflicht haben, und es wird festgelegte Tarife geben. Aber Taxis in der jetztigen Form werden dann nicht mehr durch Berlin fahren.
Branchenkenner und Unternehmer
Hermann Waldner kennt die Taxibranche sehr gut. Als Vizepräsident des Bundesverbands Taxi und Mietwagen vertritt er ihre Interessen – und ruft bei Politikern und Verwaltungsleuten immer wieder in Erinnerung, wie wichtig das Taxi ist. Inzwischen wurde er auch zum Ersten Vorsitzenden von Taxi Deutschland Berlin gewählt.
Als Student fing Hermann Waldner, der am Rand der Schwäbischen Alb aufgewachsen ist, in Berlin als Aushilfsfahrer an. Drei Jahre später wurde er Unternehmer. 1990 kaufte er den einstigen Volkseigenen Betrieb (VEB) Taxi in Ost-Berlin. Nach der Fusion mit der Genossenschaft Taxi Funk entstand die erste Gesamt-Berliner Taxizentrale. Taxi Berlin hat heute rund 150 Mitarbeiter und rund 5500 Taxis unter Vertrag.