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  • Männerstrip-Show: „Magic Mike“ am Potsdamer Platz
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    23.02.2024 von Kevin Gensheimer - Unser Autor kannte Stripshows bisher nur aus Filmen. Für unsere Serie „Was tun bei schlechtem Wetter?“ hat er sich die Sixx-Paxx-Show in Berlin angesehen.

    Nur wenige Meter von mir entfernt, buchstäblich zum Greifen nah, steht er vor mir: der Popstar, den Generationen von Fans auf der ganzen Welt vergöttern. Er trägt die ikonische rote Lederjacke aus dem weltbekannten Musikvideo, das in den 1980er-Jahren bereits meinen Eltern das Fürchten lehrte. Seine Welthits schallen aus den Boxen des Clubs und er gleitet mit seinen Füßen rückwärts über den Boden, fast so, wie man es von ihm gewohnt war.

    Kurz darauf zieht sich Michael Jackson bis auf die Unterhose aus.

    Rund 100 Frauen johlen und kreischen und applaudieren dem „King of Pop“ weiter zu. Michael ist tot, und trotzdem habe ich mich wie alle anderen schnell drauf eingelassen.

    Alle kennen die Chippendales, das ist diese amerikanische Tänzergruppe, deren Mitglieder außer schwarzen Fliegen um den Hals wenig tragen. Ich kannte diese Muskel-Männer bislang nur aus dem Fernsehen und aus Erzählungen über wilde Jungeselinnenabschiede. Seit dem Film „Magic Mike“ aus dem Jahr 2012 ist das Phänomen männlicher Stripper bekannt. Ich habe alle drei Teile von „Magic Mike“ gesehen, nur der erste lohnt sich.

    Was genau aber bei solchen Stripshows im echten Leben passiert – egal ob sich Männer oder Frauen auf der Bühne ausziehen – war mir bislang ein großes Rätsel. Mit einem guten Freund verabrede ich mich zu einer solchen Show am Potsdamer Platz, um dieser Frage nachzugehen.

    Sixx-Paxx-Show am Potsdamer Platz: Im Publikum fast nur Frauen

    Vor dem Club steht schon rauchend meine Begleitung, neben ihm eine Schlange Frauen. Einmal drin werde ich vom Chef des Ladens mit festem Händedruck begrüßt. In der Mitte des ungewöhnlich kleinen Clubs ist eine quadratische Bühne aufgebaut, die auf jeder Seite offen ist und mit Vorhängen ringsherum verhüllt werden kann. Drumherum stehen Stühle in Reihen und um Tische rum. An den Wänden befinden sich Separees. Die Show geht gleich los; der Club ist ausverkauft.

    Während ich mich unterhalte, baut ein Kellner einen Tisch für uns auf, mittig vor der Bühne, ein absoluter Premiumplatz.

    Zu meiner linken sitzt eine Frauengruppe aus Eisenach, die den Junggesellenabschied von Verena feiert. Da ich kein junges Eheglück in Gefahr bringen will, habe ich ihr hier einen anderen Namen gegeben. Sie bemerken, dass sie neben den beiden einzigen Männern im Publikum sitzen: Kreischerei. Verena und ihre Freundinnen tragen leuchtende Reifen in den Haaren, trinken Sekt und Sprudelwasser. Sie sagen, sie seien in einer Stretch-Limousine zum Stripclub gekommen.

    Plötzlich wird es dunkel, nur die Haarreifen der Frauen aus Eisenach leuchten weiter. Dann Studionebel. Im Dunkeln kann man erahnen, dass eine Handvoll Männer die Bühne betritt. Das Licht geht an und beleuchtet grell die Männer auf der Bühne. Ich werde geblendet, aber erkenne, dass sie mir alle direkt in die Augen schauen. Ist es nur Zufall?

    Sixx Paxx, so nennen sie sich, eine Gruppe von wechselnden Tänzern, die in Berlin auftreten, aber auch durch Deutschland touren mit ihrer Show. Bekannt wurden sie durch eines ihrer berühmtesten Mitglieder, Marc Terenzi, der Exmann von Sarah Connor. Tickets kosten ab 50 Euro aufwärts, anschließend können einzelne Tänzer in Separees für einen Lapdance gebucht werden.

    Schon nach wenigen Takten Musik werden die Sixx Paxx ihrem Namen gerecht: Sie reißen sich ihre schwarzen Unterhemden vom Leib. Kreischerei. Kurz darauf betritt eine Dragqueen die Bühne. Sie nennt sich „Mataina Vagina“ und stellt zu Beginn der Show die sechs Tänzer vor.

    Sie haben Künstlernamen wie Bryan McFly, Curtis Johnson oder Leon Rush. Mein Liebling ist zunächst der Stripper namens Junio Muniz, weil er ein wenig aussieht wie der junge Robert Downey jr. Mataina Vagina setzt derweil andere Prioritäten. Sie stellt ihn als „Sunnyboy, den jeder ficken will“ vor. Kreischerei.

    Die Männer schwirren aus. Sie laufen durchs Publikum und tanzen die Frauen an, denen das direkt zu gefallen scheint. Mit Gelnägeln bestückte Hände streifen über nackte Oberkörper. Einige Frauen spielen den fremden Männern am Gürtel herum, trauen sich direkt ein wenig tiefer.

    Zu meiner rechten sitzt eine blonde Frau, die mir erzählt, dass sie Kandidatin bei der aktuellen Staffel von „Der Bachelor“ war. Während Curtis Johnson auf ihrem Schoß sitzt, sie ihn streichelt, denke ich daran, dass sie vor der Show noch ihre Bedenken hatte: „Ich bin viel zu prüde hierfür!“

    Auch Verena zu meiner Linken ist beschäftigt: Für echtes Geld kann man sich falsches Geld kaufen, das man den Männern in die Hose steckt. Ihre Freundin filmt alles. Verena nimmt ein Geldbündel und steckt es dem Mann in den Hosenbund, vorne seitlich. Sie schreit und jubelt für alle hörbar: „Ich war an seinem Schwanz!“
    Ein Höhepunkt der Show: Die Dusch-Nummer

    Waren Striptease lange Zeit vor der allgemeinen Verfügbarkeit der Pornografie eines der wenigen erotischen Kulturphänomene, ziehen Stripshows heute den Reiz besonders aus ihrem Eventcharakter. Es sind große unterhaltsame Veranstaltungen mit schillernden Tänzern, die keine Scheu haben, das Publikum zu berühren. Es ist nicht ganz genau bekannt, wann der Mensch begann, sich vor anderen erotisch zu entkleiden.

    Völlig verschwitzt vom bloßen Zusehen stehen wir mit mehreren Frauen vor dem Eingang und rauchen. Die Frauen unterhalten sich. „Echt? Du hast auch keine Gebärmutter mehr?“, weht es zu mir herüber. Ein feministischer Solidaritätsmoment vorm Strippschuppen, in einer Wolke aus Parfüm und Marlboro Gold.

    Vorm glitzernden Lotus höre ich die Stimme von Mataina Vagina im Saal. Den Frauen wird offenbar noch mal ordentlich eingeheizt. Zwischendrin unterhalte ich mich mit einer jungen Frau aus der Eisenacher Jungeselinnen-Gruppe. Als Pädagogin gehört sie zum systemrelevanten Teil in unserer Gesellschaft. Der Verlobte, so erfahre ich, vergnügte sich bereits als Junggeselle ein letztes Mal – selbstverständlich auf der Reeperbahn.

    Die Zeit für Reinaldo Silvas Soloauftritt ist gekommen. Er hat ein weißes Frotteehandtuch um die Hüfte gewickelt und steht allein auf der quadratischen Bühne. Von oben prasselt Wasser auf ihn und zu Joe Cockers Fummelkracher „You Can Leave Your Hat On“ lässt er das weiße Stück Badetextil fallen, bis er nur noch in Unterhose auf der Bühne steht, genauso eng wie die von Michael Jackson am Anfang. Doch das Publikum wirkt erschöpft: Ist es nach rund zwei Stunden Striptease reizüberflutet?

    Dabei ist dieser Moment eigentlich der Höhepunkt dieser Show. Die nassen Muskeln, sein Blick, das Lied, das wirklich jeder kennt. Der Mann bietet seinen Körper stolz an, wie alle Stripper vor ihm wird auch er im letzten Moment immer ein Feigenblatt vor seinen Schritt halten.

    Rhythmisch bewegt er seinen Körper unter der Brause. Dann geht er zu einer Zuschauerin in der ersten Reihe, schaut ihr tief in die Augen. Sie zögert, erst als Reinaldo Silva mit dem Finger auf den Reißverschluss zeigt, öffnet sie zurückhaltend seinen Slip. Dann steht er nackt auf der Bühne, nur noch ein völlig durchnässtes Handtuch zwischen den Beinen. Wieder Kreischerei.

    Die anderen Sixx Paxx kommen auf die Bühne. Sie tragen Matrosenkostüme und trocknen den Boden. Matrosen also, Männer, deren einzige Frau die raue See ist. Auch sie ziehen sich viel zu schnell aus. Für feinsinnige Erotik ist die Menge an diesem Abend wohl nicht mehr zu haben.

    Ich weiß, wer du bist, wenn du anfassen willst, einfach anfassen.
    Leon Rush, Stripper

    Leon Rush geht auf mich zu und sagt mit leicht russischem Akzent: „Ich weiß, wer du bist. Wenn du anfassen willst, einfach anfassen.“ Meine Begleitung lässt sich sofort auf das Angebot ein und streift über seine Brust. Leon breitet derweil seine muskulösen Arme aus und ruft: „Jetzt kommt mal her, ihr Männer!“ Wir stehen auf und er umarmt uns beide ganz fest. Seine verschwitzten Brustmuskeln drückt er an meinen Kopf und ich spüre wie sein Schweiß meine Schläfe heruntertropft.

    Ich möchte mich noch einmal mit der „Bachelor“-Kandidatin unterhalten, aber auf ihr sitzt wieder so ein Typ und macht anzügliche Bewegungen. Er drückt ihr einen falschen Geldschein in die Hand und sagt: „Steck ihn schön tief rein!“ Zur große Schlussnummer kommen alle Männer noch mal auf die Bühne. Kreischerei. Währenddessen stellen ein paar Kellner die Tische weg. Da, wo noch vor wenigen Minuten Eiskübel mit Secco-Flaschen und Tischfeuerwerk ausgeben wurden, wird nun getanzt.

    Aus dem Theater wird ein Ladys-Club.

    Einige Stripper tanzen auf der Bühne weiter. Andere rauchen vor der Tür erst mal eine Zigarette. Wieder andere können für 50 Euro für einen Privat-Dance im Separee gebucht werden. Meine Freundinnen aus Eisenach legen zusammen. Verena freut sich.

    Vor der Tür unterhalte ich mich mit Mataina Vagina. Ich biete der Dragqueen eine Zigarette an. Wir unterhalten uns über die hohen Mietpreise in Berlin und dass sie North America Studies am Goldsmiths College in London und in Turin studiert hat. Sie redet von der Rente und von ihrem Freund und dass sie sich gerade eine Wohnung im idyllischen Chemnitz gekauft habe. Dann zeigt sie mir ihre Polster am Hintern. Mit meinem Finger drücke ich in das weiche Teil; er versinkt darin ganz langsam.

    Die Frauen auf der Tanzfläche schenken mir keine Beachtung. Zwischen den muskulösen Männern, die nun noch nahbarer erscheinen, fühle ich mich fehl am Platz. Ich hole meine Zuhälter-Jacke und werfe sie mir über. Auf dem Weg nach draußen treffe ich dann noch mal die „Bachelor“-Kandidatin. Sie umarmt mich fest und nennt mir ihren Instagram-Namen. Ich habe ihr bisher noch nicht geschrieben.

  • US-Botschaft Pariser Platz : Der Film, in dem wir leben
    https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/kino-streaming/berlinale-in-der-us-botschaft-der-film-in-dem-wir-leben-li.2189453

    A Berlin une réception à l’ambassade US souligne l’attachement des élites allemandes au big brother impérialiste. Il est à la fois triste et étonnant de constater que des personnes qu’on estime pour leur travail de qualité se révèlent comme des opportunistes politiques ou laquais du régime le plus meurtrier depuis celui soutenu par nos ancêtres nazis.

    21.2.2024 von Michael Maier - In der US-Botschaft wurde Nawalnys gedacht. Draußen forderten Aktivisten Freiheit für Assange. Drinnen treffen deutsche Sterne auf echte Stars.

    Die US-Botschaft hatte am Dienstagabend den roten Teppich ausgebreitet und zu einem Empfang anlässlich der Berlinale geladen. Zahlreiche mehr oder weniger prominente Gäste waren der Einladung gefolgt: Franziska Giffey kam, ganz in Rot und wurde in einem Zwischenakt von Siegfried und Joy verzaubert, allerdings nur für ein privates Video. Minu Barati-Fischer kam, mit Fliegen-Schuhen von Chanel, aber ohne Ehemann Joschka. Natalia Wörner kam ebenfalls allein. Veronica Ferres zeigte Grandezza, Fatih Akin echte Coolness. Florence Kasumba erschien auch ohne „Tatort“-Melodie respekteinflößend.

    Theo Koll vertrat die Crème des heimischen Journalismus und tat dies mit angemessener Würde. Dem ukrainischen Botschafter in Berlin, Oleksii Makeiev, fiel das Amüsement schwer, gemeinsam mit seiner Frau brachte er den Auftritt mit Anstand hinter sich. Drei Elevator Boys und andere Influencer begeisterten Töchter, deren Eltern ihnen Fotos aus der Botschaft zugespielt hatten. Dieter Hallervorden kam zunächst über den falschen Pfad ins Haus und hätte das Rampenlicht beinahe verfehlt. Er wurde nach Abgabe seines Mantels auf den roten Teppich zurückgeführt, wo er sich den Kameras stellte.

    Springer-Chef Mathias Döpfner verweigerte das obligate Foto, hastete mit fuchtelnden Armbewegungen an den Fotografen vorbei. „So sind sie, die Milliardäre“, knurrte ein Fotograf. Ganz anders Sharon Stone: Sie bewegte sich geduldig lächelnd von Pose zu Pose, hatte für jeder der Bild-Heischenden ein Lächeln oder einen tiefen Blick, je nachdem, was gefordert wurde.

    Botschafterin Amy Gutmann war aus familiären Gründen verhindert und sprach via Videoschalte von einer großen Leinwand zu den Gästen. Sie sagte: „Nur zwei Jahre, nachdem alliierte Flugzeuge als Lebensader für West-Berlin gedient hatten, wurde die Berlinale in schwierigsten Zeiten ins Leben gerufen. Für manche Menschen in ärmeren Gegenden schien ein Filmfestival das Letzte zu sein, was die Menschen brauchten. Sie hätten nicht falscher liegen können.“ Als die Mauer Stadt und Land spaltete, sei die Berlinale hartnäckig geblieben und habe den Blick der Filmwelt auf einen Ort gerichtet, wo auf der großen Leinwand ein die Geschichte prägender Konflikt der Ideen tobte.

    Die Berlinale habe schon immer eine ganz besondere deutsch-amerikanische Verbindung. Nicht nur, weil die Berlinale in den Anfangsjahren des Festivals eine Marshallplan-Initiative und die Unterstützung US-amerikanischer Filmstudios war: „Die deutsch-amerikanische Kinoverbindung reicht über ein Jahrhundert zurück. Es begann mit den Einwanderern, die die großen Filmstudios gründeten: MGM, Paramount und Universal. Es begann mit Menschen – viele davon Juden –, die in den 1930er-Jahren aus Nazi-Deutschland flohen. Diese Künstler wurden anderswo nicht immer mit offenen Armen empfangen. Die Staats- und Regierungschefs vieler Länder – darunter auch Diplomaten des US-Außenministeriums – widersetzten sich der Aufnahme jüdischer Flüchtlinge in den Vereinigten Staaten.“

    Gutmann lobte den Kampf gegen rechts als Ausdruck besonderer Zivilcourage, erinnerte an den russischen Angriff auf die Ukraine und den im Strafgefängnis verstorbenen politischen Aktivisten Alexej Nawalny: Er habe den unerschütterlichen Glauben daran gehabt, dass das Recht am Ende siegen werde, sagte Gutmann.

    Vor der US-Botschaft forderten Aktivisten vor dem Brandenburger Tor die Freilassung von Julian Assange. Auch spätabends kamen noch Aktivisten. Sie standen mit gesenktem Kopf vor der Botschaft, Gespräche mit gedämpfter Stimme. Aus einem Zelt leuchtete in der Nacht ein Foto des Wikileaks-Gründers, dessen Schicksal sich an diesem Abend zu entscheiden begann. Im Hintergrund der Fernsehturm, weit weg im Osten.

    #Berlin #Berlinale #USA #Pariser_Platz

  • Taxis in Berlin zum Festpreis: Senat will Branche im Kampf gegen Uber, Bolt & Co. stärken
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/taxis-in-berlin-zum-festpreis-so-will-der-senat-die-branche-im-kamp

    Bild: Warten auf Fahrgäste: Taxis in Berlin stehen am Straßenrand. Im Januar 2024 waren rund 5600 Taxikonzessionen vergeben. 2019 waren allerdings in Berlin mehr als 8000 Taxis gemeldet.

    21.2.2024 von Peter Neumann - Verkehrssenatorin Manja Schreiner kündigt eine baldige Reform an. Fahrgäste sollten aber ein wichtiges Detail beachten. Eine weitere Maßnahme sieht der Berliner Senat skeptisch.

    Der Weg ist frei. Im Berliner Taxiverkehr soll es bald Festpreise geben. Das kündigte Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) am Mittwoch im Mobilitätsausschuss des Abgeordnetenhauses an. „Kunden schätzen es, wenn sie bei der Buchung den Preis im Vorhinein wissen“, sagte die CDU-Politikerin während einer Anhörung zur Taxibranche. „Künftig tragen sie bei Staus kein Preisrisiko mehr.“ Die Verwaltung bereite eine Verordnung vor, über die der Senat im ersten Quartal 2024 entscheiden soll.

    Wer bei Uber, Bolt und FreeNow per App eine Fahrt bucht, dem wird mitgeteilt, wie viel die Tour kostet. Taxikunden haben diese Sicherheit und Preistransparenz bislang nicht. Nun sollen Festpreise in diesem Punkt gleiche Wettbewerbsbedingungen mit der Konkurrenz herstellen. Wer dann telefonisch oder auf andere Art eine Taxifahrt bestellt, bekommt einen verbindlichen Festpreis genannt, der nachträglich nicht mehr geändert werden kann. Umleitungen oder Wartezeiten vor Ampeln schlagen nicht mehr zu Buche.

    Fahrgäste sollten aber ein wichtiges Detail beachten. Im Vergleich zum zu erwartenden Taxametertarif können sich Festpreise in einem Korridor bewegen, erklärte Manja Schreiner. Sie können um bis zu zehn Prozent darunter, aber auch bis zu 20 Prozent darüber liegen, sagte die Senatorin. Dies hatte die Taxibranche vorgeschlagen. Rechtlich sehe er hier keine Probleme, kommentierte der Anwalt Simon Kase von der Kanzlei BBG und Partner. „Die Unsicherheit darüber, wie hoch der Fahrpreis ist, kann ein Wettbewerbsnachteil für die Taxibranche sein“, so der Jurist. Was der Senat plane, sei eine „sinnvolle Maßnahme“.


    Taxis warten in Berlin auf Fahrgäste. Die Umsätze sind um rund 40 Prozent gesunken, sagt die Branche. Paulus Ponizak/Berliner Zeitung

    Auch von der Taxi-Konkurrenz kam eine positive Reaktion. In München würden bereits Festpreise angeboten, rief Christoph Weigler vom Fahrdienstvermittler Uber am Mittwoch im Ausschuss in Erinnerung. Bislang entfielen nur ein bis zwei Prozent der Fahrten, die bei Uber in München gebucht wurden, auf Taxis. Fünf Monate nach Einführung der Festpreise waren es bereits rund zehn Prozent. Der Deutschland-Chef des amerikanischen Unternehmens begrüßte, dass es auch im Berliner Taxiverkehr Preistransparenz geben soll. Allerdings sollte der Tarifkorridor weiter gezogen werden, forderte Weigler.

    Der Raum 311 des Abgeordnetenhauses war gut gefüllt; fast drei Stunden waren für die Debatte über die Zukunft des Berliner Taxiverkehrs vorgesehen. „So eine große Anhörung zu diesem Thema hat es noch nicht gegeben“, sagte der Linke-Verkehrspolitiker Kristian Ronneburg. Doch die Anwesenden waren sich darin einig, dass es dafür einen Anlass gibt. Die Lage der Branche sei prekär, die Funktionsfähigkeit ernsthaft in Gefahr, bekräftigte Hermann Waldner, Vizepräsident des Bundesverbands Taxi und Mietwagen sowie erster Vorsitzender des Verbands Taxi Berlin.

    Zum Festpreis durch Berlin: So soll Taxifahren wieder attraktiv werden

    „Viele Taxiunternehmer, die noch nicht aufgegeben haben, ringen um ihre Existenz“, sagte Waldner. Klar sei, dass weitere Taxibetreiber bald pleitegehen werden. Das Gewerbe steckt in einer Dauerkrise, und dazu hat nach Einschätzung von Branchenvertretern vor allem die Konkurrenz durch Mietwagen beigetragen, die weitgehend unreguliert gegen sie antrete. Die Zentrale Taxi Berlin habe 2015 rund acht Millionen Aufträge vermittelt, 2023 waren es nur noch rund fünf Millionen. Die Umsätze seien auf rund 60 Prozent des Durchschnitts 2016 bis 2019 gesunken, erklärte Waldner.

    Im Januar dieses Jahres waren nur noch 5605 Taxis in Berlin zugelassen, die 1764 Taxiunternehmen gehörten. Zum Vergleich: 2019 waren mehr als 8000 Konzessionen vergeben. Die Konkurrenz sei immer stärker geworden, hieß es. Mietwagen mit Fahrer: Unter dieser Bezeichnung firmieren die Fahrdienste, die bei Plattformen wie Uber, Bolt und FreeNow gebucht werden können. Deren Subunternehmen, in Berlin waren es im Januar 691, betrieben im selben Monat 4498 Mietwagen. Weil aber viele Fahrzeuge ohne Konzession betrieben werden und auch Mietwagen aus dem Umland unterwegs sind, sei die Zahl mit 6500 bis 7000 schon jetzt höher als der Taxibestand in Berlin, rechnete Waldner vor.
    Branchenvertreter warnt: Das Berliner Taxigewerbe könnte bald sterben

    Der SPD-Abgeordnete Tino Schopf sprach am Mittwoch von „2000 illegal fahrenden Mietwagen, deren Fahrgäste nicht versichert sind. Dabei ist das Perfide, dass die Fahrgäste das nicht wissen.“ Der Verkehrspolitiker sieht in dem Bereich „organisierte Kriminalität“ und „mafiöse Strukturen, die weit ins Bundesgebiet hineinreichen“. Die Fahrer bekämen meist Hungerlöhne und müssten ihre Einkünfte mit Geld vom Staat aufbessern, um über die Runden zu kommen. Schopf: „Die Koalition hat das Ziel, den Sumpf auszutrocknen – und dass geltendem Recht zur Geltung verholfen wird.“

    Schopf sowie andere Teilnehmer der Anhörung forderten den Senat auf, weitere Möglichkeiten auszuschöpfen, die das Personenbeförderungsgesetz seit seiner Novellierung bietet. So wurde die Forderung bekräftigt, den neuen Paragrafen 51a zu nutzen und Mindesttarife für den Mietwagenverkehr festzusetzen. „Sonst haben wir keine Chance. Sonst wird das Berliner Taxigewerbe absterben“, warnte Waldner.

    Unterstützung bekamen die Befürworter von einem Unternehmen, das Mietwagenfahrten vermittelt. „Mindesttarife würden Mindestlöhne sichern und Sozialdumping verhindern“, sagte Alexander Mönch von FreeNow. „Während der Taxitarif behördlich festgelegt und verbindlich ist, kann der Mietwagentarif frei festgelegt werden. In diesem Verdrängungswettbewerb hat das Taxigewerbe keine Chance zu konkurrieren. Das Mindestentgelt würde die Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellen“, hatte das Unternehmen bereits im vergangenen Herbst betont.
    Senat prüft Mindesttarife für Mietwagenverkehr – aber schon seit langem

    Der Senat habe sich vorgenommen, wie von der Koalition gefordert, den gesetzlichen Gestaltungsspielraum auszuschöpfen, sagte Manja Schreiner. „Dem fühle ich mich verpflichtet“, bekräftigte die Verkehrssenatorin. „Wir arbeiten mit Hochdruck an der Umsetzung.“ Die Senatorin blieb aber auch am Mittwoch konkrete Angaben dazu schuldig, ob und wann Berlin Mindestbeförderungsentgelte für Uber, Bolt und Co einführt. Mindesttarife könnten „Dumpingpreise wahrscheinlich verhindern“, sagte Simon Kase, der den Senat berät. Doch das Thema sei rechtlich deutlich komplexer als Festpreise, die nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als das mildeste Mittel gelten. Er befürchte Klagen.

    Der Kreis Lörrach im Südwesten hat die Möglichkeit, die der novellierte Paragraf 51a des Personenbeförderungsgesetzes eröffnet, genutzt und Mindesttarife fixiert. „Bei der Allgemeinverfügung geht es um die berechtigten Interessen der Unternehmen, eine strukturelle Gleichheit mit Anbietern aus dem Ausland herzustellen“, teilte Torben Pahl vom Landratsamt Lörrach der Berliner Zeitung mit. Weil Lörrach in einer Grenzregion liegt, die Schweiz und Frankreich nicht weit entfernt sind, sei der „Landkreis in einer besonderen Situation, was Anbieter aus dem Ausland angeht“, erklärte Pahl. „Es gab weder Widersprüche noch Klagen gegen die Allgemeinverfügung.“

    Leipzig setzte Mindesttarife für Mietwagen fest – doch dagegen wird geklagt

    In Leipzig ist das anders. Die sächsische Großstadt sorgte im September 2021 in der Branche für Aufsehen, als sie eine Verwaltungsrichtlinie beschloss, die für den Gelegenheitsverkehr mit Mietwagen Mindestentgelte festsetzte. Ziel sei es, zu den Tarifen der Leipziger Verkehrsbetriebe einen Abstand zu garantieren. Der Nahverkehr als Teil der Daseinsvorsorge soll nicht gefährdet werden. „Weiterhin wird eine Kannibalisierung des Taxiverkehrs als Ergänzung des ÖPNV verhindert beziehungsweise begrenzt“, heißt es weiter. Doch wie berichtet liegt eine Klage gegen die Richtlinie vor. Eine Gerichtsentscheidung gebe es bislang nicht, ließ das Ordnungsamt ausrichten.

    Der Europäische Gerichtshof hat sich bereits mit dem Mietwagenverkehr befasst – 2023 im Barcelona-Urteil. Mietwagenunternehmer hatten für Barcelona und Umgebung zusätzliche Genehmigungen beantragt. Allerdings hatte die zuständige Behörde auf ein Dreißigstel der Taxizahl beschränkt. Die Mietwagenbetreiber zogen vor Gericht, der Fall landete in Luxemburg. Der Europäische Gerichtshof urteilte, dass rein wirtschaftliche Gründe nicht ausreichen dürfen, wenn es um Taxidienste geht. Deshalb dürften keine Mindesttarife für Mietwagen eingeführt werden, argumentieren Uber und Bolt. Juristen entgegnen, dass es auf die Begründung ankäme. Nach dem Urteil wären Maßnahmen möglich, wenn sie „öffentlichen Verkehrsinteressen“ entsprächen.

    Bei Plattformen wie Uber können via App Mietwagen mit Chauffeur gebucht werden. Die Fahrpreise liegen meist deutlich unter den Taxitarifen. Die Autos gehören nicht Uber, sondern Subunternehmen.

    Uber lehnt Mindesttarife für den Mietwagenverkehr ab. Behörden, die den Paragrafen 51a anwenden, handelten „unzweifelhaft rechtswidrig“, hieß es. Die Regelung beschränke die Niederlassungsfreiheit, da „eine Tarifregulierung das Angebot von Mietwagendiensten in Deutschland weniger attraktiv machen kann“, stellten Gutachter fest. Eine Preisregulierung wäre möglich, wenn dies dem Schutz der öffentlichen Verkehrsinteressen diene. Doch diese Interessen könnten heute nicht mehr mit dem Schutz des Taxiwesens gleichgesetzt werden. Auch Bolt sieht Mindesttarife kritisch – und behält sich rechtliche Schritte vor, wenn Kommunen solche Tarife festlegen.

    Alexander Mönch von FreeNow stellte bei der Anhörung am Mittwoch infrage, ob das Geschäftsmodell bei taxiähnlichen Mietwagen wirtschaftlich tragfähig sei. „Selbst bei dauerhafter maximaler Auslastung und niedrigen Vermittlungsgebühren entsteht Betreibern ein Verlust“, rechnete Mönch vor. Christoph Weigler von Uber wies dies zurück. „Das Mietwagenmodell rechnet sich“, sagte er. Weigler bezifferte die „Servicegebühr“, die der Fahrzeugbetreiber Uber für die Vermittlung zahlen muss, auf durchschnittlich 15 Prozent.

    #Berlin #Taxi #Politik #Abgeordnetenhaus #Verkehtsausschuß

  • Stralauer Spreetunnel: Berlins unsichtbares Denkmal
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/stralauer-spreetunnel-berlins-unsichtbares-denkmal-li.2187721


    Achtung, hier kommt die Tunnelbahn! Von 1899 bis 1932 verkehrte die Straßenbahnlinie 82 unter der Spree zwischen der Stralauer Halbinsel und dem Treptower Park. Die Postkarte illustriert eine Fahrt um 1905

    21.2.2024 von Michael Brettin - Der Straßenbahntunnel, der Stralau mit Treptow verband, wurde vor 125 Jahren fertiggestellt – trotz vieler Probleme. Er war der erste seiner Art in Deutschland.

    Wer sich auf die Halbinsel Stralau begibt und der Straße Alt-Stralau folgt, an der sehr viele neuere Wohnhäuser stehen, kommt geradezu auf die Tunnelstraße. An ihr steht die Stralauer Dorfkirche, deren Geschichte auf das Jahr 1464 zurückgeht, was sie zum ältesten Bauwerk im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg macht.

    Auf Höhe des neben der Kirche liegenden Friedhofs gabelt sich die Tunnelstraße. Zwischen den beiden Fahrbahnen streckt sich eine annähernd 100 Meter lange, gut fünf Meter breite Rasenfläche, auf der sich an diesem Februartag die ersten Krokusse blicken lassen. Eine durchgängige Mulde prägt dieses Fleckchen. Damit erinnert es an ein vor langer Zeit ausgetrocknetes Bachbett.

    An dieser Stelle befand sich einst die Ein- beziehungsweise Ausfahrt des Spreetunnels, der Stralau mit Alt-Treptow verband. Von ihm erzählt eine Infotafel, die neben der Busendhaltestelle Tunnelstraße steht. Vor 125 Jahren, am 21. Februar 1899, wurde dieser Tunnel fertiggestellt. Als erster seiner Art in Deutschland.

    Die Geschichte des Spreetunnels beginnt genau genommen 1891. In jenem Jahr unterbreitet das Unternehmen A.E.G. der Stadt Berlin Vorschläge zum Bau einer Untergrundbahn. Die Stadtoberen haben jedoch Bedenken: Ist der märkische Boden dafür überhaupt geeignet? Berlin steht ja im Gegensatz zu London, wo die weltweit erste U-Bahn-Linie 1863 ihren Betrieb aufnahm, nur aus „Buddelkistensand“.
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    Doch die A.E.G. lässt sich nicht beirren. Auf ihrem Firmengelände an der Voltastraße in Wedding stellt sie 1895 einen Versuchstunnel fertig. Eine kleine Bahn mit Elektromotor und Oberleitung fährt durch den 295 Meter langen Tunnel, der zwei Betriebsgelände miteinander verbindet. Noch heute gibt es ihn. Der Verein Berliner Unterwelten bietet Führungen an.


    Die Tunnelbahn sollte zur Gewerbeausstellung im Treptower Park 1896 in Betrieb gehen. Bei der Ausstellungseröffnung war sie aber noch im Bau. Die Karte zeigt ihren Verlauf.

    Die Berliner Gewerbeausstellung im Treptower Park 1896 ist ein willkommener Anlass für die A.E.G., beweisen zu wollen, dass Bahnen auch unter der deutschen Hauptstadt verkehren können. Mit dem Unternehmen Phillip Holzmann & Co. und der Deutschen Bank gründet die A.E.G. die Gesellschaft für den Bau von Untergrundbahnen. Ihr Auftrag: einen Tunnel unter der Spree zu bauen, von der Stralauer Halbinsel zum Treptower Park, und ihn – so will es die Gemeinde Stralau – an das Straßenbahnnetz anzuschließen.

    Den Bau sollen die Ingenieure Carl Schwebel und Wilhelm Lauter mittels eines sogenannten Schildvortriebs verwirklichen, einem in England entwickelten, in Deutschland noch nicht angewandten Verfahren. Schwebel und Lauter verantworteten auch den Bau des AEG-Tunnels.

    Wie das Schildvortriebsverfahren funktioniert, beschreibt die Illustrierte Die Gartenlaube in ihrem Heft 11 im Jahr 1899: „Von der Stelle an, wo das Eindringen von Grundwasser möglich ist, werden die Tunnel als Rohre aus Eisen oder Stahl ausgebildet. Der vordere Teil derselben ist der sogenannte ,Schild‘. Das Rohr ist hier in einige Kammern abgeteilt, die nach hinten durch luftdicht schließende Thüren abgegrenzt sind. In diesen Kammern verrichten die Arbeiter das Ausgraben des Erdreichs. Damit sie vom Eindringen des Grundwassers gesichert bleiben, wird in die Kammern komprimierte Luft eingetrieben, die alles Wasser der Umgebung fortdrängt. Das gelockerte Erdreich räumt man durch die dem Schilde zunächst liegende Kammer bergmännisch fort. Nachdem dies geschehen ist, wird das Tunnelrohr durch hydraulische Maschinen vorwärts geschoben.“

    Die Tunnelröhre besteht aus einer ein Zentimeter dicken Eisenwand und hat einen Durchmesser von vier Metern; sie ist aus Ringen zusammengefügt, die aus jeweils neun gusseisernen Platten geformt sind, und ist, um sie vor Rost zu schützen, mit Zementmörtel ummantelt, innen mit einer zwölf und außen mit einer acht Zentimeter dicken Schicht.

    Eine kompliziertere Stelle hätten sich die Tunnelbauer allerdings nicht aussuchen können.
    Dietmar Arnold, Vorsitzender des Vereins Berliner Unterwelten

    An der Verlängerten Dorfstraße (heute Tunnelstraße) auf Stralau und an der Treptower Chaussee (heute Puschkinallee) im Treptower Park sind die Rampen für die Ein- beziehungsweise Ausfahrt geplant. „Eine kompliziertere Stelle hätten sich die Tunnelbauer allerdings nicht aussuchen können“, sagt Dietmar Arnold, Vorsitzender des Vereins Berliner Unterwelten, „ständig nachrutschender Schwemmsand verzögerte die Bauarbeiten ungemein.“ Zur Eröffnung der Gewerbeausstellung am 1. Mai 1896 stand erst ein rund 160 Meter langer Tunnelabschnitt.

    „Nach dreijährigem Kampfe mit vielen Hindernissen ist der Tunnel unter der Oberspree im Osten Berlins zwischen Stralau und Treptow glücklich, ohne einen einzigen schweren Unfall, fertiggestellt worden“, berichtet Die Gartenlaube in ihrem bereits erwähnten Heft 11 aus dem Jahr 1899. Das Problem mit dem „gänzlich ungeeigneten Baugrund“ habe dazu geführt, „daß das vordere Tunnelende zu mehreren Malen gleichsam ins offene Wasser auslief und die Ersäufung des ganzen Tunnels zu befürchten war“.

    Doch nicht nur das habe die Tunnelbauer in Verzug gebracht, merkt die Illustrierte an. Es sei zu berücksichtigen, „daß die Arbeiten mehrmals monatelange, ja halbjährige Unterbrechungen erlitten, die nicht auf technische Hindernisse, sondern auf den langsamen Fortschritt der Verhandlungen mit den in Frage kommenden Verwaltungen zurückzuführen waren“.

    Der Tunnel an sich ist 454 Meter, mit seinen beiden Rampen 582 Meter lang; er kreuzt die an einer Stelle 195 Meter breite Spree annähernd rechtwinklig. Sein Scheitelpunkt liegt in zwölf Meter Tiefe unter dem mittleren Wasserspiegel; zeitgenössische Postkarten werben mit „15 Meter unter der Spree“.

    Das Bauwerk verschlang 1,7 Millionen Goldmark, das entspricht der heutigen Kaufkraft von fast 16,8 Millionen Euro.

    Am 18. Dezember 1899 nimmt die im selben Jahr gegründete Berliner Ostbahnen GmbH, eine Tochtergesellschaft der bereits erwähnten Gesellschaft für den Bau von Untergrundbahnen, den Spreetunnel in den Straßenbahnbetrieb. Die Linie 82 verkehrt zwischen Schlesischem Bahnhof (heute Ostbahnhof) und Treptow, Platz am Spreetunnel; sie wird bis 1908 nach Schöneweide und 1909 nach Cöpenick erweitert.


    Knüppel an den Mann! Zur Fahrt durch den Tunnel war nur der Wagen mit dem Signalstab („Knüppel“) befugt. Der Stab wurde bei der Ausfahrt eingeholt und bei der Einfahrt vergeben. Daher nannte der Volksmund die Linie 82 „Knüppelbahn“.

    Die Trasse im Tunnel ist eingleisig, es ist daher nur eine Fahrt je Richtung möglich. Um Zusammenstöße zu vermeiden, ist nur der Fahrer, der einen Signalstab – im Volksmund „Knüppel“ – an seinem Straßenbahnwagen hängen hat, zur etwa zweiminütigen Durchfahrt befugt. Eine Betriebsaufsichtsperson an der Ausfahrt nimmt den Stab entgegen und gibt ihn wieder ab. Daher nennen die Berliner die Linie 82 „Knüppelbahn“.

    Der Spreetunnel bilde nicht nur „eine Sehenswürdigkeit“, heißt es in einer 1899 veröffentlichten Schrift; er verschaffe der Stadt „einen nicht unbeträchtlichen Vermögensvorteil, da sie vertraglich berechtigt ist, schon nach 36 Jahren von diesem mit grossen Kosten hergestellten Bauwerk unentgeltlich Besitz zu ergreifen“.

    Der U-Bahn-Bau nimmt in Berlin Fahrt auf, allerdings angetrieben von Siemens – das Unternehmen unterbreitete bereits um das Jahr 1880 Pläne für eine Hochbahn –, seinem Mitgesellschafter Halske und der Deutschen Bank. Am 18. Februar 1902 nimmt die erste U-Bahn-Linie für den öffentlichen Nahverkehr in Deutschland ihren Betrieb auf, vom Stralauer Tor (ab 1924 Osthafen, 1945 durch einen Bombentreffer zerstört) bis zur Warschauer Brücke und zum Zoologischen Garten erweitert.

    Die Rechnung, mit dem Spreetunnel Geld zu machen, geht nicht auf. Als die Stadt ihn 1935 übernehmen kann, ist der Straßenbahnverkehr durch den Spreetunnel bereits seit drei Jahren eingestellt. Die Verantwortlichen mussten zunehmend Bauschäden feststellen. Immer wieder sickerte Wasser ein. Die voraussichtlichen Sanierungskosten standen in keinem Verhältnis zum Nutzen. In jedem einzelnen Straßenbahnwagen saßen schließlich nur noch zwei bis drei Fahrgäste. Der Tunnel wurde daher am 15. Februar 1932 für den Bahnbetrieb geschlossen. Damit endete seine Geschichte allerdings nicht.

    Für die Olympischen Spiele 1936 erfährt der Spreetunnel eine Instandsetzung als Fußgängerpassage. Anfang 1945 werden in die Röhre Trennwände mit Türen eingebaut sowie Bänke und Stühle aufgestellt, damit sie als Luftschutzraum dienen kann. Vermutlich infolge eines Bombentreffers füllt sich der Tunnel teilweise mit Wasser. Er wird drei Jahre später sicherheitshalber ganz geflutet. Und 1968 werden beide Zufahrtsrampen und einige Tunnelmeter auf der Treptower Seite abgetragen, die Überreste zugeschüttet.


    Der Spreetunnel zwischen Stralau und Alt-Treptow diente ab Anfang 1945 als Luftschutzraum. Als er im Dezember 1996 leer gepumpt wurde, fanden sich unter anderem etliche Parkbänke. Die Idee, ihn wieder nutzbar zu machen, wurde fallen gelassen. Andreas Kopietz

    In den 1990er-Jahren plant die Entwicklungsgesellschaft Rummelsburger Bucht, auf Stralau Hunderte neue Wohnungen zu bauen. Sie erwägt, den Spreetunnel wieder nutzbar zu machen. Für die Untersuchung des Bauwerks beauftragt sie 1996 den Verein Berliner Unterwelten. Der macht sich im Dezember ans Werk. Zuerst wird ein Teil des Rasenstreifens auf der Tunnelstraße aufgebrochen – jener Teil, welcher der Spree am nächsten liegt – und der Zugang zur Röhre freigelegt. Ein Taucher der Feuerwehr begibt sich anschließend hinein. Nachdem er sich versichert hat, dass das Bauwerk betreten werden kann, wird der Tunnel leer gepumpt.

    „Im Inneren des Bauwerks sah es noch erstaunlich gut aus“, erinnert sich Dietmar Arnold, der Vorsitzende der Berliner Unterwelten, an die Begehung des Tunnels. „Der vordere Teil befand sich sogar in einem relativ sauberen Zustand, die Spuren der Luftschutzanlage waren noch gut zu erkennen.“ Die Parkbänke aus Ausflugslokalen, die für die Schutzsuchenden bereitgestellt worden waren, standen immer noch da. Und: „An den Decken gab es noch Reste der Isolatoren. Hier verlief einst die Oberleitung, ein letzter Hinweis auf den ehemals durchfahrenden Straßenbahnverkehr.“

    Als hätten die Schutzsuchenden die Tunnelröhre überhastet verlassen – so stellt sich die Szenerie dar: Auf den Bänken stehen oder liegen Tassen und Teller, Flaschen und Kannen sowie ein Wasserbehälter des Reichsluftfahrtministeriums; zu sehen sind auch ein Kartenspiel und ein Kamm sowie ein Paar Damenschuhe.

    Das Vorhaben, den Spreetunnel instand zu setzen, gab die Entwicklungsgesellschaft Rummelsburger Bucht aus Kostengründen auf. Sobald die Pumpe abgestellt war, füllte sich der Tunnel wieder mit Wasser. Der Zugang wurde wieder verschlossen.
    Eine Wand und eine Frage

    Auch im Treptower Park erinnert eine Infotafel an den Spreetunnel. Sie steht an der Puschkinallee, nahe dem Parkplatz am Gasthaus Zenner, an einem Kiesweg am Sommerblumengarten. Hier befand sich die Rampe zur Ein- beziehungsweise Ausfahrt. Bei der Erneuerung des Gartens im Jahr 2016 wurden deren Überreste teilweise freigelegt. Und anschließend wieder zugeschüttet.

    Vorbei an den vier Springbrunnen der Gartenanlage sind es nur ein paar Meter zum Ufer der Spree mit Blick auf Stralau. Sanft wellt sich das Wasser. Und dunkel. Irgendwo da unten liegt es, das nicht sichtbare Denkmal der Berliner Verkehrsgeschichte.

    Der Verein Berliner Unterwelten kann sich vorstellen, den Spreetunnel zumindest teilweise aus der Versenkung zu holen. „Man könnte“, regt Dietmar Arnold an, „die Tunnelrampen wieder ausgraben und ,archäologische Fenster‘ einsetzen.“

    Bei ihrer Erkundung des Spreetunnels 1996 stießen die Besucher nach etwa 80 Metern in Richtung Treptow erst auf den Hinweis „Notausgang“ und dann auf eine türlose Trennwand aus Ziegelsteinen. Ein Notausgang ist aber Arnold zufolge in keinem Bauplan verzeichnet. Was verbirgt sich hinter dieser Mauer?

    #Berlin #Stralau #Tunnelstraße #Spree #Geschichte #Verkehr #Straßenbahn

  • S-Bahn Berlin: Showdown vor dem Kammergericht – Streit um Zukunft des Berliner Nahverkehrs
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/s-bahn-berlin-showdown-vor-dem-kammergericht-streit-um-zukunft-des-

    19.2.2024 von Peter Neumann - Für die Steuerzahler geht es um viel: Richter befassen sich mit der S-Bahn-Ausschreibung. Berlin und Brandenburg wollten die Öffentlichkeit ausschließen.

    Es geht um die Zukunft der Berliner S-Bahn. Und es geht um viel Geld – um sehr viel Geld. Die Aufträge, die Berlin und Brandenburg bei dieser Ausschreibung zu vergeben haben, summieren sich bereits jetzt auf rund zwölf Milliarden Euro. An dem bisher größten Vergabeverfahren der Berliner Verkehrsgeschichte gibt es allerdings Kritik. Ermöglicht es einen echten Wettbewerb? Wenn sich das Kammergericht am Freitag damit befasst, ist ihm das Interesse der Öffentlichkeit gewiss. Doch wie die Berliner Zeitung erfuhr, wollten Berlin und Brandenburg Zuhörer lieber ausschließen lassen.

    Vergabeverfahren S-Bahn, Teilnetze Nord-Süd und Stadtbahn: Darum geht es am 23. Februar, 10 Uhr, im Saal 449 des Kammergerichts am Kleistpark. Das Thema hört sich zunächst ziemlich trocken an. Juristen tauschen viele Tausend Seiten Schriftsätze aus, Kaufleute rechnen, Fahrzeugingenieure planen. Doch das, womit sie sich befassen, wird sich auf den Alltag vieler Millionen Menschen auswirken. Es geht um das nach der U-Bahn zweitwichtigste Verkehrssystem der Hauptstadtregion – und um dessen Fahrgäste.

    Wer baut die neuen S-Bahn-Züge für Berlin und Brandenburg, und wer hält sie in Schuss? Mindestens 1400 S-Bahn-Wagen werden benötigt. 165 Vier-Wagen-Züge sollen im Teilnetz Stadtbahn eingesetzt werden, auf den Nord-Süd-Linien ist ein Minimum von 185 Vier-Wagen-Zügen geplant. Hinzu kommen Optionen für bis zu 936 weitere Wagen. Es geht um eine gewaltige Flotte, mit der die S-Bahn erneuert werden soll.

    Die nächste wichtige Frage lautet: Wer wird die neuen S-Bahnen 15 Jahre lang betreiben? Sie sollen auf elf Strecken eingesetzt werden – darunter die Linien S1, S2, S3, S5, S7 sowie S9. Es geht um zwei Drittel des S-Bahn-Netzes.

    Doch die bislang größte Ausschreibung im Nahverkehr der Region betrifft nur die Reisenden, die zuverlässige und bequeme S-Bahnen bekommen sollen. Es geht natürlich auch um wirtschaftliche Interessen. Die Deutsche Bahn (DB), deren Tochterunternehmen S-Bahn Berlin bislang alle Strecken betreibt, möchte im Geschäft bleiben. Die Fahrzeughersteller Siemens und Stadler wollen auch die nächste S-Bahn-Generation bauen – möglichst auf Grundlage der Baureihe 483/484, die sie zuletzt geliefert haben. Doch es gibt noch einen anderen Akteur. Hier kommt Alstom ins Spiel.

    Der französische Schienenfahrzeughersteller, dessen Ableger Alstom Germany in Hennigsdorf nordwestlich von Berlin ein großes Werk betreibt, würde gern zumindest einen Teil der neuen S-Bahn-Flotte bauen. Nachdem das Unternehmen bei mehreren Ausschreibungen leer ausging, möchte es etwas haben vom großen Nahverkehrskuchen.

    Doch der Hersteller geht davon aus, dass er bei dem Vergabeverfahren schlechte Karten hat. Denn anders als die Konkurrenten Siemens und Stadler, die sich gemeinsam mit der S-Bahn Berlin GmbH an der Ausschreibung beteiligen wollen, konnte Alstom offenbar keine feste Kooperation mit einem Zugbetreiber eingehen. Das französische Verkehrsunternehmen Transdev hat sich dem Vernehmen nach zurückgezogen, Gespräche mit Netinera führten angeblich bisher nicht zu einer Zusammenarbeit.

    Alstom fühlt sich bei der großen S-Bahn-Ausschreibung benachteiligt

    Beobachter erwarten also, dass sich Alstom anders als die Konkurrenz allein an der S-Bahn-Ausschreibung beteiligen muss. Angesichts des einzigartigen Designs, das dieses Verfahren erhielt, könnte dies aber die Chancen des Unternehmens schmälern. Denn dieses Design bevorzuge Bietergruppen, denen sowohl Hersteller als auch Zugbetreiber angehören, so die Kritik. Wer sich wie Alstom solo bewirbt, könne sich kaum Chancen ausrechnen, sofern nicht doch noch zufällig ein Zugbetreiber ein Komplementärangebot unterbreitet und damit Erfolg hat. Selbst wenn das Alstom-Angebot für die neuen S-Bahn-Fahrzeuge das wirtschaftlichste wäre: Ohne Partner würde es nichts nützen.

    Hinzu kommt, dass Siemens beim Zugsicherungssystem ZBS, das die Deutsche Bahn auf den Strecken der Berliner S-Bahn einsetzt, ein Monopol besitzt. Ein weiterer Vorteil, den die Alstom-Konkurrenz für sich verbuchen kann.

    Der Deutschland-Ableger von Alstom beantragte im Juni 2021 eine Nachprüfung bei der Vergabekammer, die bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft angesiedelt ist. Ende Oktober 2022 wurde der Antrag zurückgewiesen. Kurz darauf legte Alstom beim Kammergericht, dem Berliner Oberlandesgericht, sofortige Beschwerde gegen die Länder Berlin und Brandenburg ein. Darüber soll am Freitag erstmals verhandelt werden (Aktenzeichen Verg 11/22). Wenn das Gericht nicht im Sinne von Alstom entscheidet, erwägt der Hersteller, die nächsten Instanzen anzurufen: den Bundesgerichtshof und danach den Europäischen Gerichtshof. Das ist in Unternehmenskreisen zu hören.

    „Verschlossene Auster“: So heißt der Negativpreis, den das Netzwerk Recherche jährlich an Institutionen vergibt, die Informationen blockieren. Es ist eine Trophäe, die den Beteiligten des Berliner S-Bahn-Verfahrens mit Fug und Recht zustünde. Keiner von ihnen äußert sich in der Öffentlichkeit substanziell. Dazu geht es einfach um zu viel Geld, und um Regeln, über deren Einhaltung jede Seite aufmerksam wacht. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sollen gewahrt bleiben.

    Müssen Steuerzahler mit Mehrkosten rechnen?

    Dies ist dem Vernehmen nach auch der Hintergrund für den Schachzug, zu dem Berlin und Brandenburg angesetzt haben. Nach Informationen der Berliner Zeitung beantragten sie Anfang Februar 2024, die Öffentlichkeit von der Gerichtsverhandlung am Freitag auszuschließen. Angeblich befürchteten die Rechtsanwälte, dass der ohnehin schon lädierte Grundsatz des Geheimwettbewerbs weiter Schaden nähme, wenn Medien und andere Interessierte im Gericht zuhören dürften. Zu viel sei schon an die Öffentlichkeit gekommen. Bei der Verhandlung könnte bestätigt werden, in welcher Konstellation die Bieter antreten: Alstom allein, Siemens, Stadler und die DB zusammen.

    Doch es gibt offenbar noch eine andere Befürchtung: dass bei der Gerichtsverhandlung klar werde, dass das Vergabeverfahren nicht funktioniere, weil es keinen echten Wettbewerb vorsehe – sodass die Steuerzahler mit erheblichen Mehrkosten rechnen müssten. Denn wenn letztlich nur ein Konsortium Chancen hat, die Aufträge der Länder zu bekommen, könnte diese Bietergruppe mangels ernsthafter Konkurrenz die Preise nach oben treiben – insgesamt um Milliarden. Kein Wunder, dass die Europäische Kommission das S-Bahn-Vergabeverfahren aufmerksam verfolgt.

    Dem Vernehmen nach wurde der Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit nach sechs Tagen aber wieder zurückgenommen. Warum die Bremer Anwaltskanzlei, die Berlin und Brandenburg vertritt, dies tat, bleibt unklar. „Da es sich bei dem Nachprüfungsverfahren um ein laufendes gerichtliches Verfahren vor dem Kammergericht handelt, kann hierzu keine Auskunft gegeben werden“, sagte Constanze Siedenburg, Sprecherin von Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU). „Wir bitten um Verständnis.“ Ein Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit liege derzeit nicht vor, so das Gericht.
    Berliner Fahrgastverband befürchtet: Droht eine neue S-Bahn-Krise?

    Beobachter fragen sich, wie das Kammergericht nun vorgeht. Konzentriert es sich auf die Zulässigkeit der Beschwerde – mit der möglichen Folge, dass Alstom schon bei der formalen Prüfung scheitert? Oder kommt es tatsächlich dazu, dass der Vergabesenat mit der Vorsitzenden Richterin Cornelia Holldorf untersucht, ob die Beschwerde begründet ist? Dann müsste sich das Gericht dazu äußern, ob das einzigartige, ungewöhnliche Design des Vergabeverfahrens rechtmäßig ist – oder zumindest teilweise nicht.

    Dann wäre auch nicht ausgeschlossen, dass nachgearbeitet werden müsste, was den Zeitplan weiter ins Wanken brächte. Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB), der die Länder betreut, musste die Frist zur Abgabe der verbindlichen Angebote schon mehrmals verschieben – zuletzt auf den 28. März, 12 Uhr. Nach jetzigem Stand soll im September 2024 entschieden werden, wer die Ausschreibung gewonnen hat.

    Das Kammergericht in Schöneberg: Hier wird am 23. Februar in Saal 449 über die Ausschreibung verhandelt. Rolf Kremming/imago

    Folge der Korrekturen war, dass auch die Termine für die erwartete Inbetriebnahme der neuen S-Bahnen nach hinten geschoben werden mussten. Der aktuelle Zeitplan sieht vor, dass die ersten Züge für das Teilnetz Stadtbahn erst für den 4. März 2030 kommen werden. Zunächst soll die Linie S9 damit ausgestattet werden. Ab dem 21. Mai 2035 sollen dann alle fünf Ost-West-Linien über neue Züge verfügen. Im Teilnetz Nord-Süd soll die Lieferung am 11. Juni 2030 losgehen – insgesamt 30 Monate später als anfangs geplant.

    Unter der damaligen Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) wurde das Vergabeverfahren 2020 gestartet. Die Grünen wollten so viel Wettbewerb wie möglich, neue Anbieter sollten eine Chance bekommen: Das sei die Lehre aus der S-Bahn-Krise, die das Bundesunternehmen DB der Region 2009 beschert hatte, hieß es. Doch nicht nur viele S-Bahner und die Gewerkschaft EVG lehnen eine Aufspaltung ab, auch die SPD will eine „S-Bahn aus einer Hand“. Eine „Privatisierung“ sei abzulehnen, sagt die Linke. Die konträren Ziele trugen dazu bei, dass das Vergabeverfahren immer komplexer wurde.

    Beobachter fürchten nun weitere Verzögerungen. Der Fahrgastverband IGEB warnt vor Fahrzeugengpässen und einer neuen S-Bahn-Krise, wenn die älteren Züge nicht mehr so lange durchhalten, bis die neuen Wagen kommen. Wie berichtet, hat sich die Berliner SPD für eine Notbeschaffung ausgesprochen. Die Baureihe 480 werde bis 2032 ausgemustert, dann müsse Ersatz her. Doch Experten sehen keine Rechtsgrundlage.

    Im August wird die Berliner S-Bahn 100 Jahre alt

    In diesem Jahr wird die Berliner S-Bahn 100 Jahre alt. Am 8. August 1924 war zum ersten Mal ein Gleichstromzug mit Fahrgästen unterwegs, vom damaligen Stettiner Vorortbahnhof an der Invalidenstraße in Mitte nach Bernau. Es ist ein Jubiläum, das wichtig für die Region ist. Der Senat, der Verein Historische S-Bahn und das Berliner S-Bahn-Museum haben angekündigt, sich an den Festivitäten zu beteiligen. Doch den Chefs der S-Bahn Berlin GmbH und anderen Beteiligten ist derzeit nicht nach Feiern zumute. Sie setzen alles daran, beim Vergabeverfahren einen Erfolg zu erringen.

  • Koksen im Reihenhauskeller: Was ich im Berliner Speckgürtel über Wohlstand lernte
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/koksen-reihenhauskeller-was-ich-im-berliner-speckguertel-ueber-wohl

    19.02.2024 von José-Luis Amsler - Besorgte Eltern ärgern sich gerne über Exzesse und Drogen in sogenannten „Problemvierteln“. Dabei sind eure Kinder doch die Schlimmsten. Erinnerungen an eine Vorstadtjugend.

    An einem grauen Februarnachmittag spaziere ich durch den Görlitzer Park. Vor dem Eingang stehen zwei Polizisten in Schutzmontur. Sie sehen abgekämpft aus, mich kontrollieren sie nicht.

    Derzeit wird wieder viel über Parallelgesellschaften gesprochen, die sich in migrantisch geprägten Vierteln wie hier in Berlin-Kreuzberg ausbreiten sollen. Ein Zaun müsse her, um Drogen und Gewalt von uns frommen Bürgern fernzuhalten – am besten um ganz Europa. Dass Alkohol- und Drogenmissbrauch in Wahrheit urdeutsche Tugenden sind, begriff ich während meiner Teenagerzeit im gutbürgerlichen Steglitz-Zehlendorf. Heute ist mir klar: Auch ich bin in einer Parallelgesellschaft aufgewachsen.

    Das Gymnasium, auf dem ich den größten Teil meiner Jugend verbrachte, befindet sich tief im Berliner Südwesten ­­– eingebettet zwischen denkmalgeschützten Reihenhaussiedlungen und Politikervillen mit Vorgärten so groß wie die Neuköllner Hasenheide. Es ist einer dieser Orte, bei denen sich schon die Hinfahrt jedes Mal wie eine Zeitreise anfühlt. Als würde die menschenleere S7 einen nicht nur an Orte fernab jeglicher Zivilisation (Tarifzone C) bringen, sondern auch in eine Zeit, in der – für die richtigen Leute – vieles einfacher war.

    Diese gelben Flecken auf der Wäsche können ein Alarmzeichen sein
    Eine Welt, in der das Dinkelbrot nie ausgeht
    Der Berliner Speckgürtel ist eine Welt, in der es ihn tatsächlich noch gibt, den „Wohlstand für alle“. Der Sachbearbeiter wohnt hier neben dem Bäcker, der neben dem Kinderarzt, was man hat, wird geteilt – ist schließlich genug für alle da. Eine Welt, in der man sich noch freundlich über den Gartenzaun zuwinkt, während man einander im Stillen den Tod wünscht. In der bei Alnatura nie das Dinkelbrot ausgeht, wo Deutsche noch Deutsche und Frauen noch Hausfrauen sind. Wer fragwürdige Rollenbilder sucht, muss nicht bis zur Sonnenallee fahren.

    Ruhiger ist es in der Vorstadt allemal. Erfrorene Obdachlose am Bahnhof Zoo, überfüllte Flüchtlingsunterkünfte, alleinerziehende Mütter in Ostberliner Platten – das sind hier Schauergeschichten, die man sich nach dem dritten Aperol Spritz mit dem richtigen Maß an Betroffenheit erzählt, um sogleich mit einem erleichterten Seufzer festzustellen, dass man weit, weit weg von alledem ist. Gleichzeitig ist da, vor allem bei Jugendlichen, diese unendliche Langeweile.

    Zur Not auch verkatert

    Es waren die frühen 2010er-Jahre, unsere Jeans saßen „skinny“, Bubble-Tea war der letzte Schrei und bei DSDS turnte Menderes Bağcı vor einem immer jünger werdenden Dieter Bohlen herum. Das Ende der Geschichte war endgültig da. So stellten wir mit 14 oder 15 ernüchtert fest, dass es nichts gab, wofür oder wogegen wir noch kämpfen konnten. Als junge weiße Männer – noch dazu künftige Akademiker – hatten wir nichts zu verlieren. Spätestens ab der neunten Klasse waren also alle breit.

    Gras gab es überall auf dem Pausenhof, wer Härteres brauchte, fragte bei den Abiturienten nach. Einmal kam während einer Freistunde eine Lokalreporterin vorbei, die wohl eine Story über Drogenmissbrauch in der bürgerlichen Idylle gerochen hatte. Ach nee, tell me about it.

    So tingelte man ziellos umher, zwischen Kifferecke und Wirtschafts-AG, trank Sternburg Export auf Parkbänken und Vodka Mate in der letzten Reihe im Biounterricht. Einige fingen an, selbst Drogen zu verticken. Nicht etwa, weil sie das Geld gebraucht hätten – vermutlich wollten sie bloß ihren SUV-fahrenden Camp-David-Eltern eins auswischen. Das ist einer der Punkte, in denen sich sogenannte „Problemviertel“ vom Speckgürtel unterscheiden: Wir hatten eine Wahl, entschieden uns aber aus reinem Trotz, die falsche zu treffen.

    Manchmal, wenn wir uns selbst nicht mehr aushielten, trafen wir uns nachts am Schlachtensee und schrien unsere Langeweile beim Nacktbaden in den sternenklaren Himmel hinauf. Die nächste Orchesterprobe, das nächste Tennisturnier kam dann schon. Zur Not auch verkatert.

    Ich scheiß dich sowas von zu mit meinem Geld

    Alles in allem: Wohlstandsverwahrlosung par excellence, finanziert mit Papas goldschimmernder Kreditkarte. Denn so funktionierte das in vielen Familien mit der Kindererziehung. Pädagogik frei nach Helmut Dietl: „Ich scheiß dich sowas von zu mit meinem Geld.“

    Paradebeispiel für die unmittelbaren Folgen dieses Erziehungsmodells war ein Junge, der in unserer Gruppe nur als „Mische-Marco“ bekannt war – weil er immer eine große Plastikflasche lauwarme Rum-Cola dabeihatte. Keiner von uns wusste, was Mische-Marcos Vater beruflich machte. Zu Hause war er jedenfalls nie, Mische-Marco hatte er zusammen mit seinem mattschwarzen Dienstwagen in einer schicken Stadtvilla im Grunewald geparkt. Allein.

    Natürlich gab es viele solcher Häuser, in denen vernachlässigte Jugendliche ein Dasein im traurigen Überfluss fristeten – bei Mische-Marco war es aber immer am schönsten. Ich erinnere mich, wie er uns bei seiner jährlichen Silvesterfete mit einer großen Flasche Stroh-80-Rum begrüßte, die auf der Stelle gemeinsam geleert werden musste. Wohlstandskinder fragen nicht, sie fordern.

    Willkommen in der bürgerlichen Mitte
    Was noch so bei Mische-Marcos Feten konsumiert wurde, kann ich nicht genau sagen, auch weil ich selbst harte Drogen immer gemieden habe. Klar ist aber: Ich habe mehr Kokain bei Zehlendorfer Schülerpartys gesehen als in jedem Berliner Technoclub. So stand ich oft verloren in Marcos Wohnzimmer, während sich die Tanzfläche um mich herum in einen einzigen pulsierenden Organismus verwandelte, ungeübte Zungen das erste Mal aufeinandertrafen und weißes Pulver in gierigen Nasenlöchern verschwand.

    Vor allem diejenigen, die nach der Schule aus Berlin weg - oder immerhin in einen anderen Stadtteil zogen, stempelten ihren staubsaugerhaften Konsum später als Jugendsünde ab. Andere rufen heute noch zugedröhnt aus Zehlendorfer Raucherkneipen an, um über die guten alten Zeiten zu sprechen.

    Für einen meiner Freunde, heute promoviert er in Medizin, endete besagter Silvesterabend mit dem unweigerlichen Erbrechen im Badezimmer. Weil er aber die Toilette nicht mehr erreichte, entlud sich sein grobstückiger Mageninhalt stattdessen ins Waschbecken, das anschließend – natürlich – verstopfte.

    Durch die Badezimmertür drangen gedämpfte Schreie zu uns herein, man verlangte nach uns. Mir kam der Einfall, das Erbrochene schnell mit einer leeren Club-Mate-Flasche abzuschöpfen. Ich weiß noch, wie glücklich ich war, trotz meiner vergleichsweise bescheidenen Herkunft dazuzugehören, während ich die stinkende Kotze meines Freundes portionsweise ins Klo kippte. Willkommen in der bürgerlichen Mitte.

    Man kennt da wen, der wen kennt
    Bei anderen schlug die spätkapitalistische Langeweile nicht in Hedonismus, sondern blinde Zerstörungswut um. Ich erinnere mich an einen unscheinbaren Jungen – Einserschüler, dicke Brillengläser, Mutter Elternsprecherin –, der während der Hofpause mit einem gestohlenen Nothammer eine ganze Bushaltestelle in einen Scherbenhaufen verwandelte. „Die BVG freut sich drüber“, sagte er grinsend, während er aus sicherer Entfernung sein Werk begutachtete. „Schafft Arbeitsplätze.“

    Andere randalierten in Parks, klauten Fahrräder, kritzelten U-Bahnen voll. Es gibt Menschen, die zünden auf Demonstrationen Autos an, um ihrer Wut über gesellschaftliche Missstände Ausdruck zu verleihen. Wir verurteilen diese Menschen. Wohlstandskinder zünden Autos an, einfach nur, um sie brennen zu sehen.

    In den seltenen Fällen, in denen mal die Polizei eingriff, drangen solche Geschichten natürlich nicht nach außen, wurden „im kleinen Kreis“ geregelt. Man kennt da wen, der wen kennt. Schließlich macht sich so eine Vorstrafe wegen Sachbeschädigung oder Körperverletzung doch eher unansehnlich auf dem ansonsten blütenweißen Lebenslauf, könnte – Gott bewahre! – gar karriereschädigend wirken. Und das will nun wirklich niemand.

    Ein Leben lang ohne Reue
    Bei unserer Abiverleihung spielten sie die schon damals abgedroschene Andreas-Bourani-Nummer „Ein Hoch auf uns“. Als wäre nicht unsere gesamte Existenz bis zu diesem Punkt ein einziges unerträgliches „auf uns“ gewesen.

    „Ein Leben lang ohne Reue, vergolden uns diesen Tag“, röhrte es aus den Boxen der Aula. Auch ich habe mitgeklatscht.

    An einem grauen Februarnachmittag spaziere ich durch den Görlitzer Park. Eine Gruppe Jugendlicher spielt Bierball auf der großen Wiese. Ein leichter Grasgeruch liegt in der Luft. „Fast wie zu Hause“, denke ich. „Zu Hause im Speckgürtel“.

  • Kino: Warum gibt’s bei den überlangen Filmen keine Pause mehr wie früher?
    https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/kino-streaming/kino-warum-gibts-bei-den-ueberlangen-filmen-keine-pause-mehr-wie-fr

    30.10.2023 von Stefan Hochgesand - Unser Autor erinnert sich an die Pausen bei den Kinovorführungen seiner Teenagerzeit – und fragt sich: Wieso gibt’s die heute nicht mehr? Dann macht ein Anruf ihn schlauer.

    Letzte Woche schlug mein lieber Freund B. vor, ins Bali-Kino zu gehen. Ein niedliches Kino in Zehlendorf, in dem wir dieses Jahr auch schon Steven Spielbergs „Die Fabelmans“ gemeinsam gesehen hatten. Diesmal auf dem Kinoprogramm: „Jeder schreibt für sich allein“. Dominik Grafs Dokumentarfilm über Schriftsteller im Dritten Reich. Deutlich härterer Stoff als „Die Fabelmans“, aber ich hatte Cornelia Geißlers lobende Besprechung hier in der Berliner Zeitung gelesen. Sowieso wollte ich B. sehr gerne treffen an dem Abend, und ich hatte Lust aufs Bali-Kino. So ein Ausflug nach Zehlendorf fühlt sich für mich als Neuköllner eh immer nach einer entspannten Landpartie an. Dann der Schock: Der Film dauert zwei Stunden und 47 Minuten. Mit Werbung gerechnet also locker drei Stunden. Uff.

    Auf die Gefahr hin, mich hier als Kulturbanause zu outen: Solche Längen beunruhigen mich. Was, wenn der Film doch nicht so gut ist? Dann sitzt man drei Stunden fest. Und selbst wenn er großartig sein sollte: Irgendwann nach zwei Stunden will man vielleicht doch mal was von der Kinobar holen oder aufs Klo gehen oder mit der Kinobegleitung Konversation machen oder vielleicht auch einfach nur ein paar Minuten Pause vom Dritten Reich auf der Leinwand haben?

    Wenn ich an meine extralangen Kino-Erlebnisse als Teenager denke („Herr der Ringe“, „Harry Potter“), dann gab es da immer Pausen zwischendrin, um Popcorn oder Eiskonfekt zu holen. Einige Male habe ich in den letzten Jahren an der Kinokasse gefragt, ob es solche Pausen gibt. Ich wurde dann stets ungläubig angestarrt, so als wäre das eine völlig absurde Idee – fast so, als hätte es so was niemals gegeben. Die Blockbuster werden immer länger und die Aufmerksamkeitsspanne einiger (nicht nur junger TikTok-erprobter) Menschen sinkt. Wie kann das sein, dass man keine Pausen mehr will?

    Ich rufe bei einem großen Berliner Kino an, um es zu erfahren: Man würde durchaus gerne auch mal Pausen einlegen, antwortet man mir dort – aber viele Regisseure würden das bei ihren Filmen inzwischen untersagen. Krass. Sie wollen ungeteilte Aufmerksamkeit. Schon verständlich, aber vielleicht wäre man nach einer Pause sogar noch wacher bei der Sache? Die drei Stunden mit B. im Bali-Kino gingen dann übrigens überraschend schnell rum. Vermutlich spricht das für den Film und fürs Bali und für B. Und dafür, dass meine Aufmerksamkeitsspanne noch nicht ganz vom hektischen Internet ruiniert ist.

    #cinéma #entracte

  • Berlin: Taxifahrer veranstalten Anti-Berlinale – Protest gegen Uber mit eigenem Filmfestival
    https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/berlin-taxifahrer-veranstalten-anti-berlinale-protest-gegen-uber-mi


    Klaus Meier ist ehemaliger Taxifahrer und Veranstalter des Protest-Festivals bei der Berlinale. Foto Gerd Engelsmann

    16.2.2024 von José-Luis Amsler - Erneut wird die Berlinale vom US-Mietwagenkonzern Uber gesponsert. Berliner Taxifahrer protestieren dagegen – mit einem eigenen Filmfestival.

    Während Filmstars im Blitzlichtgewitter über den roten Teppich schreiten, geht für Klaus Meier ein Stück Berlin verloren. Unweit des Berlinale-Palasts steht der 63-Jährige mit seinem Großraumtaxi. An diesem Donnerstag beginnt mit der Eröffnungsgala am Potsdamer Platz die 74. Berlinale. Hauptsponsor ist, wie schon im letzten Jahr, das US-Mietwagenunternehmen Uber. Für Meier ist das ein Skandal.
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    #pawall

    #Taxi #Kultur #Film #Kino #Berlin #Mitte #Potsdamer_Straße #Eichhornstraße #TaxiFilmFest #Berlinale #Boulevard_der_Stars #Journalismus #Presse #TaxiFilmFest #Medienecho

    • :-) @monolecte

      Taxifahrer veranstalten Anti-Berlinale: Protest gegen Uber mit eigenem Filmfestival

      Erneut wird die Berlinale vom US-Mietwagenkonzern Uber gesponsert. Berliner Taxifahrer protestieren dagegen – mit einem eigenen Filmfestival.

      Während Filmstars im Blitzlichtgewitter über den roten Teppich schreiten, geht für Klaus Meier ein Stück Berlin verloren. Unweit des Berlinale-Palasts steht der 63-Jährige mit seinem Großraumtaxi. An diesem Donnerstag beginnt mit der Eröffnungsgala am Potsdamer Platz die 74. Berlinale. Hauptsponsor ist, wie schon im letzten Jahr, das US-Mietwagenunternehmen Uber. Für Meier ist das ein Skandal.

      „Uber steht für die Zerstörung einer Branche, für Ausbeutung, Lohndumping und das systematische Brechen von Gesetzen“, sagt er der Berliner Zeitung am Telefon. Um auf den drohenden Niedergang des Taxigewerbes aufmerksam zu machen, will Meier während des gesamten Festivals in Sichtweite des roten Teppichs protestieren – mit einem eigenen Filmfestival.
      Taxi-Protest bei der Berlinale: „Uber zerstört Existenzen“

      Meier hatte schon im vergangenen Jahr eine kleine Demonstration gegen das Uber-Sponsoring organisiert. Mit der Partnerschaft habe sich das Festival auf die Seite eines „Zerstörers von Existenzen“ gestellt. „Das darf sich nicht wiederholen“, sagte Meier damals der Berliner Zeitung. Die Demo habe die Festivalleitung ignoriert. Anfang Dezember habe er dann erfahren, dass Uber erneut als Hauptsponsor bei der Berlinale eingeladen wird.

      Statt nun erneut mit Schildern und Parolen für das Anliegen der Taxifahrer zu streiten, setzt der 63-Jährige in diesem Jahr selbst auf die Kunst der bewegten Bilder. Das „TaxiFilmFest“ soll ein eigenständiges Festival auf vier Rädern sein, eine Gegen-Berlinale im Großraumtaxi.

      Die Idee für das Filmfest hatte Meier bei der Mitarbeit an einem Nachbarschaftsprojekt. Mit Filmen habe der gebürtige Berliner bereits seit seiner Kindheit zu tun. „Mein Vater hat während des Zweiten Weltkrieges beim Trickfilm in Babelsberg gearbeitet“, erzählt Meier am Telefon. „Ich bin quasi im Filmstudio großgeworden“. Auch mit Veranstaltungen kennt sich der ehemalige Taxifahrer aus. Mitte der Neunzigerjahre arbeitete Meier als Freischaffender für Film- und Fernsehproduktionen, organisierte das Berliner „VideoFest“ und später die „Transmediale“ mit.
      Draußen Demo, drinnen Filmfest

      Mit seinem mobilen Festival will Meier nicht nur auf die prekären Arbeitsbedingungen der Berliner Taxifahrer aufmerksam machen. Ebenso gehe es darum, ein positives Bild des Gewerbes zu vermitteln. Den Menschen „auch mal was anderes zu zeigen, als den griesgrämigen Taxifahrer, der immerzu wütend ist, weil er kein Geld mehr verdient.“ Formal handelt es sich bei dem Festival trotzdem um eine Demonstration, die auch bei der Berliner Versammlungsbehörde angemeldet ist.

      „Wir sind zwei in einem, Protest und Filmfest“, erklärt Meier. „Das Taxi hat eine harte Schale und einen weichen Kern – so wie wir Berliner halt. Draußen ist die Kundgebung mit Forderungen an die Politik. Drinnen findet das Festival unter Freunden statt.“ Auf dem Programm stehen dabei ausschließlich Filme, in denen Taxis eine wichtige Rolle spielen: „Hallo Taxi“, „Das fünfte Element“ und – natürlich – Martin Scorseses New-Hollywood-Klassiker „Taxi Driver“.

      Damit soll auch die kulturelle Bedeutung des Taxis für die Stadt hervorgehoben werden. „Das Taxi war immer schon Seismograf für die gesellschaftliche Entwicklung in Berlin“, sagt Meier. „Das ging schon in der Nachkriegszeit los. Dann gab es die Studentenbewegung und das studentische Taxi, später dann das migrantische Taxi.“ Letztlich leiste die Branche weit mehr, als nur das Fahren von Gästen von A nach B. „Taxifahrer kennen ihre Stadt, wissen in welchen Lebenssitutationen die Menschen stecken und haben immer ein offenes Ohr“, sagt Meier. All das werde durch Unternehmen wie Uber bedroht.
      Kritik gegen Uber: „Organisierte Schwarzarbeit“

      Die Liste der Vorwürfe gegen den US-Konzern ist lang. Anfang der 2010er-Jahre wurde die Mietwagen-App noch als vielversprechendes Start-Up gefeiert, dass den Personenverkehr revolutionieren sollte. Schnell häuften sich Berichte über schlechte Arbeitsbedingungen und eine aggressive Unternehmenskultur, sogar von Gewalt gegenüber Mitarbeitern war die Rede. 2022 veröffentliche die britischen Zeitung The Guardian eine Auswertung von 124.000 internen Dokumenten, laut der Uber im Zuge seiner weltweiten Expansion gezielt Gesetze gebrochen, Behörden getäuscht und Regierungen beeinflusst haben soll.

      In Deutschland gelten für den Mietwagenkonzern zwar strengere Regeln, doch auch hier steht Uber in der Kritik. In einer Recherche des RBB wird das Geschäftsmodell des Unternehmens als „organisierte Schwarzarbeit“ beschrieben. Uber selbst tritt dabei nur als Vermittler auf. Aufträge, die über die App ankommen, werden an kleinere Mietwagenfirmen weitergeleitet, die wiederum die Fahrer beschäftigen. Werden dort gesetzliche Standards missachtet, fällt das nicht auf Uber zurück.

      Kristian Ronneburg, verkehrspolitischer Sprecher der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus, begleitet die Situation seit längerem kritisch. „Das Taxigewerbe ist durch die Öffnung des Marktes und Deregulierung seit Jahren durch unlautere Konkurrenz mit Mietwagenvermittlern wie Uber enorm unter Druck geraten“, sagte Ronneburg der Berliner Zeitung. Auch in Deutschland sei immer wieder deutlich geworden, „wie Uber offen und verdeckt Rechtsbrüche begeht“.
      „Die Menschen werden von Uber bewusst in eine Falle gelockt“

      TaxiFilmFest-Veranstalter Klaus Meier erzählt, dass es sich bei den Fahrern oft um Bürgergeldempfänger oder Geflüchtete handele, die für einen Stundenlohn von vier oder fünf Euro angestellt werden. Was für angehende Fahrer zunächst wie ein unkomplizierter Weg aussehe, unter der Hand etwas dazuzuverdienen, führe schnell in eine Sackgasse: Lange Schichten, fehlender Arbeitsschutz, keine Weiterbildungsmöglichkeiten. „Diese Menschen werden von Uber bewusst in eine Falle gelockt“, sagt Meier.

      Gerade in Berlin sollen Partnerfirmen von Uber konsequent den gesetzlichen Mindestlohn missachten. Die Fahrpreise für Kunden variieren, werden je nach Tageszeit und Nachfrage in der App bestimmt – sind aber fast immer billiger, als dieselbe Fahrt mit dem Taxi gekostet hätte. Meier ist sich sicher: „Rein rechnerisch ist es nicht möglich, dass Uber zu diesen Fahrpreisen den Mindestlohn zahlt.“

      Das bestätigt auch Kristian Ronneburg von den Linken. „Es sind bereits viele Fälle dokumentiert, bei denen Fahrerinnen und Fahrer Umsatzprovisionen bekommen, die umgerechnet auf geleistete Arbeitsstunden, unterhalb des Mindestlohns liegen“, so der Verkehrsexperte. „Dumping-Löhne führen dann wiederum zu einem Dumping-Wettbewerb und der hat ganz reale strukturelle Folgen für das Gewerbe – er macht es kaputt.“
      Uber reagiert auf Kritik: Gesetzliches Handeln hat „oberste Priorität“

      Ein Sprecher des Uber-Konzerns erklärt auf Anfrage der Berliner Zeitung, gesetzeskonformes Handeln habe für das Unternehmen „oberste Priorität“. Auch die Partnerunternehmen seien vertraglich dazu verpflichtet, sich an alle rechtlichen Vorgaben zu halten. „Sofern sie sich nicht an die Regeln halten und wir davon Kenntnis erlangen, ziehen wir entsprechende Konsequenzen, bis hin zu einer Sperrung auf unserer Plattform“, versichert der Sprecher.

      Nach Ansicht des Unternehmens hätten die Probleme der Taxibranche nicht nur mit dem gestiegenen Wettbewerb zu tun. Auch in Städten, in denen Uber gar nicht vertreten sei, leide das Taxi-Gewerbe.

      Zugleich bemühe man sich um ein partnerschaftliches Verhältnis mit der Branche. Tatsächlich arbeiten einige Taxi-Unternehmen angesichts schwindender Umsätze inzwischen mit Uber zusammen, lassen sich Aufträge über die App vermitteln. Allein in Berlin betreffe dies mehr als 1000 Fahrzeuge, erklärt der Uber-Sprecher. Durch eine Partnerschaft könnten sich Taxifahrer „zusätzliche Erlösquellen erschließen und von der hohen Nachfrage der internationalen Uber-Community profitieren“.

      Klaus Meier kritisiert diese Zusammenarbeit. Dass sich Taxifahrer aus Angst vor dem Existenzverlust mit Uber zusammentun – sich dem Unternehmen unterordnen – sei zwar nachvollziehbar, beschleunige aber nur die Übernahme des Marktes durch den Konzern. „Die begreifen nicht, dass es eine Solidarität innerhalb des Gewerbes braucht, wenn man überleben will“, so Meier.
      Mehr Wettbewerb, weniger Regeln

      Bis 2019 war der 63-Jährige noch selbst auf den Straßen Berlins unterwegs. Seit einigen Jahren kümmert sich Meier als „Taxi-Soziallotse“ um die Sorgen und Nöte seiner Kollegen. Er berät Taxifahrer in prekären Arbeitsverhältnissen, hilft bei Behördengängen, vermittelt Rechtsbeistände. „Ich helfe den Fahrern, Orientierung in schwierigen Lebenslagen zu finden“, beschreibt Meier seinen Beruf.

      Immer öfter gehe es dabei um die Folgen der Verdrängung durch Uber – die von der Bundespolitik maßgeblich vorangetrieben wurde. Tatsächlich ist der Konzern erst seit einigen Jahren in Deutschland aktiv, lange verhinderten gesetzliche Bestimmungen den Markteintritt. 2021 lockerte dann der damalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) das Personenbeförderungsgesetz. „Mehr Wettbewerb, weniger Regeln“, war die Devise. Erst dadurch konnten sich Uber und Co. mit ihrem Geschäftsmodell in Deutschland etablieren, sagt Meier. „Für die Taxifahrer war das eine Katastrophe“.

      Was für die Berliner Taxibranche zum existentiellen Problem wird, trifft bei den Verbrauchern bislang auf überwiegend positive Resonanz. Seit Jahren wächst die Zahl der Uber-Kunden, 2022 hatten weltweit über 130 Millionen Menschen die App installiert. Das dürfte vor allem daran liegen, dass die Fahrten mit dem Mietwagenservice deutlich günstiger sind, als die Konkurrenz – laut Angaben des Unternehmens zwischen 30 und 40 Prozent pro Fahrt. Gerade jüngere Menschen und Menschen mit geringem Einkommen wählen immer öfter die App, auch als Alternative zum ÖPNV.
      Mindestpreise für Uber-Fahrten? „Das Problem ist ein anderes“

      Aufgrund der immensen Preisunterschiede wurde 2021 die Möglichkeit einer Mindestbepreisung gesetzlich verankert. Demnach wäre es auch in Berlin möglich, eine Untergrenze für Uber- und Taxifahrten festzulegen. Dass der Senat von dieser Regelung Gebrauch machen könnte, gilt jedoch als unwahrscheinlich. „Leider gibt es bei den Genehmigungsbehörden bisher noch Unsicherheiten bezüglich der rechtssicheren Durchführung“, erklärt Linken-Politiker Kristian Ronneburg. Der Vorschlag werde vom Senat geprüft.

      Klaus Meier steht einer Mindestbepreisung kritisch gegenüber. Letztlich seien es nicht die Gesetze, die für die Verarmung des Gewerbes sorgten, sondern deren mangelhafte Durchsetzung. „Wo die Behörden darauf achten, dass Gesetze eingehalten werden, kriegt Uber keinen Fuß auf den Boden“, sagt Meier. „In Hamburg gibt es praktisch keine Uber-Fahrzeuge. Wer die Bedingungen nicht erfüllt, bekommt keine Zulassung.“ In Berlin sei das anders. Hier interessierten sich die Behörden schlichtweg nicht für die Arbeitsbedingungen der Fahrer, vermutet Meier. „In dem Moment wo der Mindestlohn in Berlin konsequent durchgesetzt werden würde, könnte Uber sein Lohndumping nicht mehr aufrechterhalten.“

      Infolge der gestiegenen Konkurrenz müssten derweil auch viele Taxifahrer unter Mindestlohn arbeiten, um mithalten zu können. „Als ich 1985 angefangen habe, konnten Taxifahrer noch gut von ihrem Beruf leben“, sagt Meier. „Heute ist das ein Armutsjob.“ Die Betriebe, die faire Löhne zahlen, würden wiederum ihre Aufträge verlieren. Meier: „Alle Taxibetriebe, die ehrlich arbeiten, stehen gerade kurz vor der Insolvenz.“
      Linken-Politiker: Kooperation mit Uber „politisch höchst fragwürdig“

      Dass die Berlinale als kulturelles Aushängeschild der Hauptstadt mit Uber zusammenarbeitet, trifft auch bei Politikern auf Kritik. Die Linke-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus fordert in einer Beschlussempfehlung von Ende Januar die Landesregierung auf, der Kooperation einen Riegel vorzuschieben.

      Kristian Ronneburg hat den Antrag mit ausgearbeitet. Dass die Berlinale als öffentlich bezuschusstes Festival ausgerechnet dem „größten und finanzstärksten Gegenspieler der Taxen“ den Vorzug gibt, sei „politisch höchst fragwürdig“, sagt Ronneburg. Laut dem Antrag seiner Fraktion soll bei der nächsten Berlinale im Jahr 2025 der Transport der Gäste „ausschließlich mit dem Berliner Taxigewerbe“ erfolgen. Dadurch entgangene Sponsorengelder sollen entweder durch andere Partner kompensiert, oder aus dem Berliner Haushalt bezahlt werden.

      Der Sprecher des Uber-Konzerns erklärt auf Nachfrage, man könne die Forderungen der Linke-Fraktion nicht nachvollziehen. „Mit unserem Engagement bei der Berlinale unterstützen wir die Kultur- und Filmszene in der Hauptstadt“, so der Sprecher.
      Berlinale sieht mögliche Partnerschaft mit Taxifahrern skeptisch

      Auch die Festivalleitung reagiert auf Nachfrage eher zurückhaltend auf den Vorschlag der Linken. „Die Berlinale arbeitet seit vielen Jahren mit unterschiedlichen Partnern beim Fahrdienst zusammen“, erklärt eine Berlinale-Sprecherin der Berliner Zeitung. Diese Partner würden nicht nicht nur die Kosten und Organisation des Fahrdienstes übernehmen, sondern auch die Fahrzeuge selbst stellen.

      Dass die Berliner Taxifahrer diese Aufgabe stemmen könnten, sei bislang nicht ersichtlich. „Eine Partnerschaft mit Taxiunternehmen würde Fahrzeuge, Lohnkosten der Fahrer, sowie alle Betriebsmittel (inkl. Sponsoring) beinhalten“, so die Sprecherin. „Ein entsprechendes tragfähiges Angebot aus dem Umfeld der Taxi-Unternehmen liegt uns nicht vor.“ Dennoch arbeite man im Hintergrund an einer Lösung, sei seit längerem mit Taxivertretern im Austausch.

      Die scharfe Kritik an den Geschäftspraktiken ihres Hauptsponsors weist die Berlinale zurück. „Wir wählen unsere Partner im Vorfeld sorgfältig aus und unterziehen sie einer Prüfung mit umfangreichen Recherchen“, so die Sprecherin. Laut geltender Rechtslage dürfe Uber in Berlin legal operieren, danach richte man sich. Zudem habe Uber der Festivalleitung „glaubwürdig versichert, dass die Geschäftspraktiken ihrer Anfangsjahre nicht mehr existieren und sie sich klar davon distanziert haben.“ Informationen verschiedener Medien, sowie der Berliner Linken, zeichnen ein anderes Bild.
      „Mit Martin Scorsese würden wir gerne mal einen Kaffee trinken“

      Wenn Klaus Meier ab Donnerstag an jedem Berlinale-Abend mit seinem Großraumtaxi in Berlin-Mitte steht, will er von all dem erstmal nichts mehr hören. Ihm gehe bei seinem „TaxiFilmFest“ darum, die Freude an dem Beruf nach außen zu tragen, trotz des ernsten Hintergrundes. Auch gegen die Berlinale hege man grundsätzlich keinen Groll. „Niemand von uns hat etwas gegen das Festival“, sagt Meier. „Ohne die Berlinale wäre unsere Stadt um einiges Ärmer. Aber dieses Sponsoring von Uber haben die wirklich nicht nötig.“

      Kommende Woche wird es dann doch nochmal politisch: Am 21. Februar soll Meier bei einer Sitzung des Mobilitätsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus die Interessen der Taxifahrer vertreten. Auch ein Abgesandter von Uber wird dort für das Unternehmen vorsprechen. „Das wird ein Spaß“, sagt Meier lachend.

      Bevor es an diesem Abend zur Eröffnung seines Festivals geht – auf dem Programm steht ein Überraschungsfilm – muss der 63-Jährige noch einen wichtigen Anruf tätigen. „Ich wollte mich noch bei der Berlinale-Leitung melden, damit die dem Martin Scorsese mal einen netten Gruß von uns ausrichten“, sagt Meier. „Mit dem würden wir gerne mal einen Kaffee trinken und uns für seinen tollen Film bedanken. Am liebsten hier bei uns im Taxi.“

  • Nettelbeckplatz in Berlin-Wedding: Gremium soll neuen Namen auswählen
    https://www.berliner-zeitung.de/news/neuer-name-fuer-nettelbeckplatz-in-mitte-das-schlagen-berliner-vor-

    12.2.2024 von Anika Schlünz - Der Nettelbeckplatz in Mitte soll umbenannt werden. Nachdem Berliner ihre Vorschläge einreichen konnten, soll ein Gremium nun die Favoriten auswählen.

    Der Vorgang um die Umbenennung des Nettelbeckplatzes im Stadtteil Wedding geht in die nächste Runde. Nachdem Berliner im vergangenen Jahr ihre Vorschläge für einen neuen Namen online einreichen durften, soll nun ein Gremium in drei Sitzungen bis zum Sommer drei Favoriten bestimmen.

    Nötig wurde die Umbenennung, weil der Namensgeber des Platzes eine problematische Geschichte hat. Joachim Nettelbeck (1738-1824), so heißt es auf dem Bürgerbeteiligungsportal mein.berlin.de, war zu seiner Zeit aktiv im Sklavenhandel tätig und betrieb Koloniallobbyismus. An dem Namensgremium sind demnach neben Einrichtungen mit lokalem Bezug auch Initiativen mit Dekolonialisierungs-Perspektive involviert.

    Der Nettelbeckplatz im Wedding bekommt einen neuen Namen! Nachdem im letzten Jahr viele Namensvorschläge durch Bürger*innen eingesendet wurden, geht es jetzt in die nächste Runde & es werden 3 Favoriten bestimmt. 💡 Mehr Infos ➡️ https://t.co/e3rzWdDcct pic.twitter.com/1CDdXlLh62
    — Bezirksamt Mitte (@BA_Mitte_Berlin) February 12, 2024

    Nach Angaben des Bürgerbeteiligungsbüros „Misch mit in Mitte“ sollen die drei ausgewählten Namen anschließend in Zusammenarbeit mit dem Mitte Museum Berlin „gründlich geprüft“ werden – vermutlich, um eine ähnlich abschreckende Vergangenheit des neuen Namensgebers oder der neuen Namensgeberin auszuschließen. Erst nach Abschluss der Prüfung wird die Bezirksverordnetenversammlung endgültig über den Namen entscheiden.

    Dabei kann das Gremium aus zahlreichen ernsten und nicht so ernst gemeinten Vorschlägen auswählen. Die meisten Kommentare hat der Vorschlag „Gisela-Breitling-Platz“ erhalten. Die gebürtige Berlinerin war nicht nur Künstlerin und Malerin, sondern setzte sich auch als Aktivistin für die Anerkennung von Frauen in der Kunstgeschichte ein. Sie wurde 2001 mit dem Bundesverdienstkreuz am Band geehrt.

    Ein Vorschlag, der es im Gremium weitaus schwerer haben dürfte, ist auf Platz 2 der meisten Kommentare gelandet: „Platzi McPlatzgesicht“, Kurzform „Platzi“. Auch die Vorschläge „Der Platz ist Lava“ und „Deine-Mamer-Platz“, beide gepostet von Nutzer DJ_Jobcenter, dürften es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht unter die Top 3 schaffen.

  • Berlinale lädt AfD wieder aus: Plötzliche Kehrtwende beim Berliner Filmfestival
    https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/kino-streaming/berlinale-laedt-die-afd-wieder-aus-ploetzliche-kehrtwende-beim-berl

    Küsst die Faschisten ...

    8.2.2024 von Stefan Hochgesand, Elmar Schütze, Maximilian Beer - Nach heftigen Diskussionen in den vergangenen Tagen hat die Berlinale ihre ursprünglichen Einladungen an AfD-Politiker nun zurückgezogen. Wie begründet man den Schritt?

    In den vergangenen Tagen wurde in der Filmbranche und im Netz heftig diskutiert darüber, ob es richtig sei, dass AfD-Politiker auf die Berlinale-Eröffnung eingeladen wurden. Als Pro-Argument wurde meist der Fakt genannt, die eingeladenen AfD-Politiker seien nun mal demokratisch gewählte Vertreter des Volkes und als solche eingeladen wie Politiker anderer Parteien auch. Als Kontra-Argument klang an, dass die Werte des Filmfestivals einer weltoffenen Gesellschaft nicht vereinbar seien mit programmatischen Äußerungen seitens der AfD.

    Nun hat die Berlinale ihre ursprünglich ausgestellten Einladungen an die AfD zurückgezogen. „Heute hat die Berlinale-Leitung entschieden, die zuvor eingeladenen fünf AfD-Politiker:innen auszuladen“, vermeldet die Presse-Abteilung des Festivals am Donnerstagnachmittag um 16.46 Uhr.

    AfD bei Berlinale: Parteichefin Brinker will Eröffnung nach Protest besuchen

    Berlinale-Streit um Politiker-Einladungen: Wie es die AfD sogar nach Hollywood schaffte

    Wie wird der Schritt von der Berlinale offiziell begründet? „Gerade auch angesichts der Enthüllungen, die es in den vergangenen Wochen zu explizit antidemokratischen Positionen und einzelnen Politiker:innen der AfD gab, ist es für uns – als Berlinale und als Team – wichtig, unmissverständlich Stellung zu beziehen für eine offene Demokratie. Wir haben daher heute alle zuvor eingeladenen AfD-Politiker:innen schriftlich ausgeladen und sie darüber informiert, dass sie auf der Berlinale nicht willkommen sind“, so das Leitungsduo der Berlinale, Mariëtte Rissenbeek und Carlo Chatrian.

    Durch den aktuellen Diskurs, so heißt es in der Pressemitteilung der Berlinale, sei noch einmal ganz deutlich geworden, „wie sehr das Engagement für eine freie, tolerante Gesellschaft und gegen Rechtsextremismus zur DNA der Berlinale“ gehöre. Die Berlinale engagiere sich „seit Jahrzehnten für demokratische Grundwerte und gegen jede Form von Rechtsextremismus“. Das Festival habe wiederholt darauf hingewiesen, dass es mit Sorge beobachte, „wie Antisemitismus, antimuslimische Ressentiments, Hassreden und andere antidemokratische und diskriminierende Haltungen in Deutschland zunehmen“.
    Keine AfD auf der Berlinale: Gegen die langjährige geübte Praxis?

    Für die Einladung der Politiker aus Berlin – in diesem Jahr 100 Plätze – ist die Senatskanzlei zuständig. „Bei Veranstaltungen, die mit öffentlichen Geldern unterstützt werden, wird das Parlament als Haushaltsgesetzgeber stets mit eingeladen“, heißt es. Die Berlinale finanziert sich zu je etwa einem Drittel aus öffentlichem Geld, Ticketverkauf und Sponsorenakquise.

    Aus dem Abgeordnetenhaus werden nach Angaben der Senatskanzlei stets die Präsidentin, die Vizepräsidenten, die Fraktionsvorsitzenden sowie die medien- und kulturpolitischen Sprecher der Fraktionen eingeladen. „Hierbei findet der Gleichbehandlungsgrundsatz Anwendung: Es sind alle Fraktionen mit ihren jeweiligen Sprechern eingeladen. Dies ist langjährige und geübte Praxis“, heißt es weiter. Nach diesen Angaben wurden auch in den Vorjahren die Fraktionsvorsitzende der AfD sowie deren kultur- und medienpolitische Sprecher im Abgeordnetenhaus eingeladen.

    Die eigenhändige Ausladung des AfD-Personals durch die Berlinale-Leitung in diesem Jahr kommentiert die Senatskanzlei am Donnerstag so: „Das ist eine Entscheidung der Berlinale-Leitung.“

    Vorausgegangen war der Entscheidung ein offener Protestbrief gegen die Einladung der AfD auf die Eröffnung des Festivals. Er wurde von 200 internationalen Künstlern unterzeichnet, die meisten von ihnen kommen aus Deutschland.

    Noch am Montag hatte die Berliner AfD-Fraktionschefin Kristin Brinker angekündigt, sie wolle trotz des Protests auf die Eröffnungsgala kommen. „Wie jedes Jahr besuchen wir die Berlinale“, sagte Brinker. Man nehme die Aufregung „weniger Aktivisten“ gelassen. Auf Anfrage der Berliner Zeitung, wie man auf die Ausladung durch die Festivalleitung reagiere, kündigte ein AfD-Fraktionssprecher für Freitag eine Erklärung an.

    Auch der kulturpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Marc Jongen, war auf das Festival eingeladen. Die Ausladung richtet sich also ebenfalls an ihn. „Es ist zutiefst bedauerlich, dass die Leitung der Berlinale jetzt vor dem allgemeinen Gesinnungsdruck eingeknickt ist und zudem noch die Falschbehauptungen der Medienkampagne gegen die AfD unkritisch weiterverbreitet“, sagt Jongen der Berliner Zeitung.

    Die Berlinale und die AfD: Wie können die Einladungen zurückgezogen werden?

    Was genau hat sich in den letzten Wochen oder Tagen verändert, sodass die jahrelang gängige Einladungspraxis der Berlinale diesmal nachträglich verworfen wurde? Wir haben bei der Berlinale nachgehakt - und bekamen Antwort von Mariette Rissenbeek, der Berlinale-Geschäftsführerin: Man habe in den letzten beiden Tagen nochmals intensiv diskutiert, sich „mit dem Selbstverständnis der Berlinale als demokratischer Kulturinstitution“ und dem Leitbild des Festivals auseinandergesetzt. „Wir haben bisherige politische Selbstverständlichkeiten jetzt mit Blick auf die AfD und ihre teils klar rechtsextremistischen Stellungnahmen aufgekündigt“, schreibt Mariette Rissenbeek am Donnerstagabend, „und uns damit klar positioniert“. Wer demokratische Grundrechte abschaffen wolle und Positionen vertrete, die Menschen diskriminieren und ausgrenzen, sei auf der Berlinale nicht willkommen.

    Doch wie geht das formal und ganz praktisch überhaupt vonstatten? Eigentlich ist es doch so: Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und der Berliner Senat erhalten üblicherweise ihre Einladungskontingente für die Berlinale - und erstellen daraufhin nach gängiger Praxis ihre Gästelisten. „Der Einladungsversand erfolgt dann über die Berlinale“, erläutert Mariette Rissenbeek auf Anfrage der Berliner Zeitung. Die Berlinale habe nun entschieden, die Einladungen an die AfD-Politiker zurückzuziehen. „Wir freuen uns, dass Frau Roth und der Senat diese Entscheidung respektieren.“

    #AfD #Berlinale

  • AfD bei Berlinale: Parteichefin Brinker will Eröffnung nach Protest besuchen
    https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/afd-bei-berlinale-parteichefin-brinker-will-eroeffnung-nach-protest

    5.2.2024 von Maximilian Beer, Susanne Lenz, Elmar Schütze - In einem offenen Brief haben Hunderte Künstler gegen die Teilnahme der AfD an der Berlinale-Eröffnung protestiert. Jetzt äußert sich die Partei.

    Nach dem Protest gegen ihre Einladung zur Berlinale-Eröffnung will die AfD weiterhin an der Veranstaltung teilnehmen. „Wie jedes Jahr besuchen wir die Berlinale“, sagt die Partei- und Fraktionschefin Kristin Brinker der Berliner Zeitung. Man nehme die Aufregung „weniger Aktivisten“ gelassen, die AfD sei längst Teil der Stadtgesellschaft.

    „Als Vertreter der einzigen konservativen Oppositionspartei im Abgeordnetenhaus ist der Besuch eines für Berlin wichtigen Ereignisses wie der Berlinale für uns selbstverständlich“, erklärt Brinker weiter. Man freue sich auf einen unterhaltsamen Abend. Eingeladen ist neben Brinker auch der medienpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Ronald Gläser.

    Zuerst berichteten am Sonntag amerikanische Medien über den Protest internationaler Künstler und Filmschaffender gegen die Einladung der beiden AfD-Politiker zur Berlinale-Eröffnung am 15. Februar. Rund 200 Menschen vor allem aus Deutschland hatten einen offenen Brief unterzeichnet, darunter die Künstlerin Candice Breitz und die Autorin Jasmina Kuhnke.

    Die Berlinale lädt zwei Berliner AfD-Politiker zur Eröffnung ein – Protest

    Die Einladungen seien ein weiteres Beispiel für das kunst- und kulturfeindliche sowie heuchlerische Umfeld in Berlin und Deutschland, heißt es in dem Schreiben, aus dem das Onlineportal Deadline zitiert. Die Unterzeichner bezweifeln, dass die Eröffnungsfeier unter diesen Umständen ein Safe Space für Juden, Frauen, Mitglieder der Bipoc-, LGBTI+-, Behinderten-, Roma- und Sinti-Gemeinschaft oder der Zeugen Jehovas betrachtet werden könne.

    Die Berlinale veröffentlichte dazu am Sonntag auf Instagram ein von ihrer Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek unterzeichnetes Statement. Darin heißt es: „Mitglieder der AfD vertreten Positionen, die zutiefst antidemokratisch sind und den Werten der Berlinale und ihrer Mitarbeiter widersprechen. Dennoch wurden AfD-Mitglieder in den Bundestag und das Berliner Abgeordnetenhaus gewählt. Sowohl die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien als auch der Berliner Senat erhalten Einladungskontingente für die Berlinale-Eröffnung, die an die gewählten Mitglieder aller Parteien im Parlament vergeben werden.“

    Rissenbeek fügte hinzu: „Menschen – auch gewählte Abgeordnete –, die gegen demokratische Werte agieren, sind auf der Berlinale nicht willkommen.“ Dies wolle die Berlinale in einem persönlichen Schreiben an die AfD-Abgeordneten sowie bei anderen Gelegenheiten klar und mit Nachdruck zum Ausdruck bringen.

    Aus der Berliner AfD heißt es, dass man bislang kein Schreiben erhalten habe, weder eine Mail noch einen Brief.

    Doch wie kam es überhaupt zu der Einladung? Zuständig ist in Berlin die Senatskanzlei. Nach deren Angaben konnten „in diesem Jahr 100 Plätze bei der Eröffnungsfeier über das Kontingent des Landes Berlin belegt werden“, wie es in einer Antwort auf eine Anfrage der Berliner Zeitung heißt.

    Ein Großteil der Einladungen erfolge nach protokollarischen Gepflogenheiten. „Bei Veranstaltungen, die mit öffentlichen Geldern unterstützt werden, wird das Parlament als Haushaltsgesetzgeber stets mit eingeladen.“ Die Berlinale finanziert sich zu je etwa einem Drittel aus öffentlichem Geld, Ticketverkauf und Sponsorenakquise.

    Aus dem Abgeordnetenhaus werden nach Angaben der Senatskanzlei stets die Präsidentin, die Vizepräsidenten, die Fraktionsvorsitzenden sowie die medien- und kulturpolitischen Sprecher der Fraktionen eingeladen. „Hierbei findet der Gleichbehandlungsgrundsatz Anwendung: Es sind alle Fraktionen mit ihren jeweiligen Sprechern eingeladen. Dies ist eine langjährige und geübte Praxis“, heißt es weiter. Nach diesen Angaben wurden auch in den Vorjahren die Fraktionsvorsitzende der AfD sowie deren kultur- und medienpolitische Sprecher im Abgeordnetenhaus eingeladen.

    Zudem seien der Regierende Bürgermeister, alle Senatorinnen und Senatoren sowie der Bevollmächtigte und der Chef der Senatskanzlei eingeladen. Weiterhin wurden Personen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft sowie der Medienbranche eingeladen, so die Senatskanzlei.

    #Berlinale #Politik #AfD

  • Neues Flüchtlingsheim in Charlottenburg : Angst vor einem Ghetto, Drogen und Lärm
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/neue-fluechtlingsunterkunft-in-charlottenburg-angst-vor-kinderlaerm

    Chaque année Berlin acceuille des milliers de réfugiés. Ce processus ne se passe pas sans conflits. Voici l’exemple de Charlottenbourg.

    7.2.2024 von Anne-Kattrin Palmer - Ab April sollen mehr als 1000 Flüchtlinge auf einem Fleck in Charlottenburg untergebracht werden. Im Kiez brodelt es. Doch die meisten Migranten werden weiter in Ostberlin einquartiert.

    Bislang ist es ein verschlafener Platz im Charlottenburger Norden: Doch ab April werden an der Sömmeringsstraße und direkt gegenüber an der Quedlinburger Straße 45 mehr als 1000 Flüchtlinge leben.

    Im Ostteil der Stadt gibt es zwar nach wie vor mehr Unterkünfte, doch der Fall nahe des Mierendorff-Platzes im Berliner Westen zeigt wieder mal, wie hektisch der Senat derzeit auf die Flüchtlingskrise reagiert.

    An der Ecke zur Sömmeringstraße im Charlottenburger Norden steht ein gelb getünchtes Haus, in dem einst gerne Touristen übernachtet haben. Es ist das Hotel Plaza Inn, ehemals Econtel, eine mit drei Sternen bewertete, sogenannte Superior-Unterkunft mit Restaurant sowie einer Bar.

    Das Hotel liegt gut zehn Gehminuten vom Schloss Charlottenburg entfernt, im Süden die Spree, umringt von Kanälen. Die Lage ist ruhig auf der Mierendorff-Insel, die Umgebung eher trist. Es gibt kaum Läden, nur einen Supermarkt und einen Anglerladen. Laut sind nur die Bauarbeiten auf dem nah gelegenen Vattenfall-Umspannwerk, wo derzeit Gasspeicher abgerissen werden.

    Doch seit November sind die Bewohner im Kiez im Ausnahmezustand. Vorher waren sie schon aufgeschreckt, weil an der Quedlinburger Straße 45 der Bau eines Flüchtlingsheims angekündigt worden war. Und dann durften plötzlich keine Touristen mehr in dem Hotel gegenüber absteigen, deren bereits gebuchten Zimmer wurden storniert.

    Die Berlin-Besucher mussten Flüchtlingen weichen, die seitdem dort leben. 460 sind in dem Hotel untergebracht, es ist eine sogenannte Erstunterbringung, für die die Stadt pro Person 62 Euro am Tag zahlt. Viele aus dem Kiez um den Mierendorffplatz fühlten sich überrumpelt wegen der Nacht- und Nebelaktion des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF). Nicht einmal das Bezirksamt wusste von der spontanen Hotel-Belegung.

    Und niemand weiß, wie lange das noch gut gehen wird: Erst sollten die Migranten bis Juni im Hotel bleiben, nun wohl bis Dezember, hieß es aus dem Bezirk. Zeitgleich werden im April 570 Flüchtlinge gegenüber an der Quedlinburger Straße 45 einziehen, der Bau ist inzwischen fertig. „Das sind beinahe ghettohafte Zustände, geballt auf einem Fleck“, sagt ein Anwohner, der hinzufügt: „Ich habe nichts gegen Ausländer und irgendwo müssen Flüchtlinge ja unterkommen, aber man muss es doch mit den Anwohnern absprechen oder die Menschen im Kiez verteilen.“

    Der Mann, Mitte 40, möchte seinen Namen nicht nennen, wie viele in dem Kiez hat er Sorge, als rechtsradikal abgestempelt zu werden. Der Berliner befürchtet, dass sich die Mierendorff-Insel noch mehr zu einem sozialen Brennpunkt entwickelt, vor allem Eltern haben Angst, dass die Drogenszene und Kriminalität wächst. „Viele sind auch verärgert, dass der Wert ihrer Eigentumswohnungen in den Keller gehen könnte. Die Mierendorffinsel entwickelt sich seit Jahren zu einer exklusiven Lage direkt an der Spree, Wohnungen kosten ab 7000 Euro den Quadratmeter aufwärts. “

    Eine Frau, die mit Einkaufstüten vorbeikommt, ist gelassener. Sie sehe derzeit kein Problem, sagt sie: „Von den Flüchtlingen in dem Hotel habe ich bisher nichts mitbekommen. Sie verhalten sich ruhig.“

    Pensionierter Schulleiter: Man fühlte sich vor den Kopf gestoßen

    Rainer Leppin wohnt auch dort in der Nähe. Er ist pensionierter Schulleiter und im Vorstand der DorfwerkStadt, ein freier Träger der Kinder- und Jugendhilfe sowie des vereinfachten Stadtteilmanagements auf der Mierendorff-Insel in Charlottenburg-Wilmersdorf. Als das Hotel Ende 2023 plötzlich zu einer Flüchtlingsunterkunft wurde, fühlten er und seine Mitstreiter sich mächtig vor den Kopf gestoßen. In einem offenen Brief an die Stadt machte der Verein seinem Unmut Luft.

    Der Vorwurf an die Stadt: Insgesamt entstünde nun auf engstem Raum ein Ballungszentrum von mehr als 1000 Migranten. „Es bedarf eines umfangreichen Programms, um einer „Ghettoisierung bzw. einer konfrontativen Begegnung mit den unmittelbaren Anwohner*innen entgegenzuwirken“, heißt es in dem Schreiben mit der Forderung: „Hierfür müssen u.a. Begegnungsstätten eingerichtet und das bestehende Nachbarschaftszentrum endlich räumlich ausgebaut und dauerhaft finanziell abgesichert werden.“

    Auch Rainer Leppin sagt der Berliner Zeitung: „Niemand sperrt sich gegen Flüchtlinge. Sie müssen untergebracht werden und ich verstehe die Not der Stadt. Uns fehlte aber vor allem die Kommunikation und die Transparenz im Vorfeld“, sagt er. Es gebe allerdings gerade auf der Mierendorff-Insel kaum Infrastruktur für die vielen Menschen. Dabei sei gerade sein Verein bereit, den Menschen bei der Integration zu helfen.

    Auch werde die Mierendorff-Grundschule an ihre Grenzen stoßen. „Sie hat heute schon zu viele Schüler“, sagt er. Die Schule ist einzige Grundschule auf der Mierendorff-Insel und platze jetzt schon „aus allen Nähten“, so Leppin.

    Anwohner fürchten um den Wertverlust ihrer Wohnungen

    Es gibt auch andere Stimmen. So beschwert sich seit langem die Bürgerinitiative Quedlinburger Straße 45, die vor allem um den Wertverlust ihrer Wohnungen fürchten. Die Argumentation: Wenn nahezu 600 Menschen, die zum Teil durch die Geschehnisse in ihrer alten Heimat traumatisiert seien, in einem Betonklotz, wie er auf dem sogenannten Grundstück Q 45 entstehen soll, kaserniert werden, trage das zu keinem Zusammenleben bei. „In einem Wohnblock, in dem ausschließlich Menschen mit einem Migrationshintergrund untergebracht werden, wird diese Begegnung unterbunden. Man bleibt für sich!“, heißt es.

    Die Sorgen im Mierendorff-Kiez stehen exemplarisch für das Dilemma der ganzen Stadt: Immer mehr Flüchtlinge kommen seit Jahren nach Berlin, weil viele vor Krieg und Elend fliehen, und die Stadt sucht dringend Unterkünfte in den Bezirken, die oft auch nicht mehr wissen, wie sie das stemmen sollen. All das ist begleitet von Protesten und Widerstand. Von den horrenden Kosten ganz zu schweigen.

    Das Quartier an der Quedlinburger Straße 45 ist eines von 117 Gebäuden für Asylsuchende, die meisten davon sind allerdings in den Ostbezirken. Allein in Lichtenberg gibt es laut Liste des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) zwölf Unterkünfte, in Marzahn-Hellersdorf neun.

    Elf sind es in Pankow. Dort wehren sich seit Monaten Anwohner, Naturschützer und der Bezirk gegen zwei Neubauten mit insgesamt 99 Wohnungen für 400 Geflüchtete am Schlosspark Schönhausen. Ein Grund: Für den Bau müssen zwei begrünte Innenhöfe gerodet werden. Im Januar verfügte das Berliner Verwaltungsgericht, dass die Wohnungsbaugesellschaft mit der Rodung der Höfe beginnen kann. Die Wut ebbt nicht ab.

    Die meisten Flüchtlingsunterkünfte sind im Ostteil der Stadt

    In Charlottenburg wäre es mit der Quedlinburger Straße die siebte Unterkunft. Weitere Neubauten überall in der Stadt kommen in diesem Jahr hinzu: Am Askanierring in Spandau (Juli, 566 Plätze), in der Kirchstraße in Pankow (Juli 320 Plätze), der Rudower Straße in Neukölln (September, 105 Plätze) sowie dem Bohnsdorfer Weg in Treptow-Köpenick (Jahresende, 300 Plätze).

    Auch mietete die Stadt zahlreiche Hotels, Hostels, Pensionen und sogar Seniorenwohnheime an, um Migranten unterzubringen. Auch in der ehemaligen Klinik Heckeshorn in Wannsee sollen demnächst weitere 500 Migranten einziehen. 200 leben schon in einem Bettenhaus. Dazu gibt es die Erstaufnahmelager wie in Tegel, in denen Asylsuchende bis zu anderthalb Jahre festsitzen. 5000 Menschen sollen dort derzeit wohnen, 3000 weitere sollen hinzukommen. Auch auf dem früheren Flughafen Tempelhof werden die Kapazitäten massiv erweitert.
    Quedlinburger Straße: Der Mietvertrag geht erstmal über zehn Jahre

    Zurück zum Mierendorffplatz. Das eiserne Tor an der Quedlinbuger Straße 45 ist dieser Tage noch geschlossen. Wer rein möchte in den Gebäudekomplex, muss klingeln. An der Pforte sitzt Sicherheitspersonal. Es gibt einen Innenhof mit hohen Mauern, die 146 Apartments haben rote Balkone.

    Der Komplex ist von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft WBM hochgezogen worden, das LAF hat es vorerst für zehn Jahre angemietet. Danach könnten die Apartments „normal“ vermietet werden, heißt es.

    In den Wohnungen stehen schon die Betten, darauf eingerollte blaue Matratzen. Jedes Apartment hat ein Bad und eine Küche inklusive Herd und Kühl-Gefrierkombination. Es gibt Fußbodenheizung. Im Erdgeschoss befindet sich neben Aufenthaltsräumen für Personal und Bewohner, ein Spielzimmer für Kinder, eine Waschküche. Im Hof stehen Tischtennisplatten, eine öffentliche Kita trägt zur sozialen Infrastruktur bei. Dort sollen auch Flüchtlingskinder einen Platz finden können.

    Die, die jetzt dort in der Unterkunft einziehen sollen, „sind schon länger in Berlin und haben erste Schritte wie einen ersten Spracherwerb und Integrationskurse schon hinter sich gebracht“, sagt Sascha Langenbach, Sprecher vom Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten. Es sollen vor allem Familien dort wohnen. Die meisten dieser Menschen kommen aus Syrien und Afghanistan, lebten bislang in Gemeinschaftsunterkünften oder in Containern. Für sie sei es endlich mal eine Unterkunft, in der sie aufatmen könnten, sagt er. „Bei vielen fällt eine Last ab.“

    Er räumt allerdings auch ein, dass es zu Konflikten mit den Nachbarn kommen könnte. Wenn die Kinder Fußball spielen oder lärmend über den Hof rennen beispielsweise. Fast jede neue Unterkunft löse Diskussionen aus. „Überall, wo wir auftauchen, hält sich die Begeisterung in Grenzen“, sagt Langenbach. Doch irgendwo müssten die Menschen ja untergebracht werden. Die Flüchtlingskrise stelle die Stadt vor Herausforderungen.

    Die Zahl der Asylsuchenden in Berlin ist 2023 im Vergleich zum Vorjahr erneut gestiegen. So wurden 16.762 Asylbewerber aufgenommen, wie der neue Präsident des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF), Mark Seibert, vor Kurzem erläuterte. 2022 waren es 14.704. Die fünf häufigsten Herkunftsländer waren die Türkei, Syrien, Afghanistan, Moldau und Georgien.

    Zahl der Flüchtlinge in Berlin wieder gestiegen

    Die Zahl der Geflüchteten aus der Ukraine, die in Berlin erfasst und erstversorgt wurden, lag den Angaben zufolge bei 15.144 und damit deutlich unter den Zahlen von 2022 mit 68.194. Außerdem kamen 846 Flüchtlinge über sogenannte Sonderaufnahmeprogramme nach Berlin. Sie müssen keinen Asylantrag stellen und werden ebenfalls vom LAF untergebracht. Diese Zahl ist im Vergleich zum Vorjahr (2022: 1308) um gut ein Drittel zurückgegangen. Damit wurden im vergangenen Jahr 32.752 Geflüchtete (Asyl, Ukraine und Aufnahmeprogramme) in Berlin aufgenommen.

    In der Quedlinburger Straße 45 in Charlottenburg soll es bei der Einweihung am 22. März einen Tag der offenen Tür geben. Anwohner Rainer Leppin und viele andere hoffen, dass man sich dann besser kennenlernen könnte. Leppin: „Ich sehe das positiv. Es soll Führungen für alle Bürger durch das Gebäude geben und die sozialen Träger stellen ihre Programme vor. Das begrüße ich, so kommt man sich näher. “

  • Streit wegen Gaza-Krieg : Bruder von Shahak Shapira in Berlin krankenhausreif geschlagen
    https://www.berliner-zeitung.de/news/streit-wegen-gaza-krieg-juedischer-student-in-berlin-krankenhausrei

    Je me pose une question qui peut paraître absurde quand on la pose hors contexte précis.
    Est-ce qu’il y des actes antisemites sans intention antisemite ? Dans certains cas c’est possible mais c’est compliqué.

    A Berlin-Mitte un militant israëlien connu se fait agresser et finit sa soirée à l’hôpital. Son agresseur a sans doute commis un acte antisemite. Il a confondu une structure politique juive en guerre avec un civil juif ou non qui ne participait pas aux actions de guerre au moment des faits.

    Ceci contribue au problème général de l’identification de l’état d’Israël avec tous les juifs. Si l’agresseur avait attaqué l’ambassadeur d’Israël il aurait d’abord commis un acte politique, terroriste ou de guerre pas forcément antisemite.

    Là par contre il est trop facile pour le journaliste du Berliner Zeitung de parler d’une intention antisemite alors qu’il ne sait pas si l"agresseur voulait attaquer sa victime en tant que militant de la cause colonialiste d’Israël ou s’il voulait attaquer un juif parce qu’il était juif. Son intention ne serait antisemite que dans ce cas.

    L’acte en soi est forcément antisemite car l’agressé est un civil juif connu en tant que tel à l’agresseur qui a peut-être identifié la personne avec l’état pour lequel elle milite. Dans ce cas il y a eu un acte antisemite sans intention antisemite. Si par contre l’agresseur visait l’israëlien en tant que juif, et l’acte et l’intention étaient antisemites.

    Pourquoi est-ce important ?

    Chaque fois quand nous critiquons l’état d’Israël pour sa politique meurtrière on essaie de nous faire taire sous prétexte d’antisemitisme. C’est inacceptable car l’état d’Israël mérite notre critique au mëme titre que n’importe quel autre état qui assassine par dizaines de milliers des cilvils, hommes, femmes et enfants. Notre critique est paisible et respectueuse de l’état juif justement parce que nous me le considérons pas différemment des autres états.

    Suivant la logique du Berliner Zeitung par contre l’état d’Israël est un état exceptionnel car d’après sa position chaque critique ou agression contre cette unité politique ferait preuve d’une intention antisemite.

    Cerise sur le gateau c’est justement la mission colonisatrice d’Israël qui justifie l"auto-défense des colonisés sans qu’ils soient forcément des antisemites. Ils risquent de le devenir parce leurs agresseurs sont toujours des juifs.

    C’est compliqué. Passons aux banales choses de la vie.

    4.2.2024 von Alexander Schmalz, Christian Gehrke - Zwei Studenten gerieten in einer Bar in Berlin-Mitte aneinander. Der Bruder des jüdischen Komikers Shahak Shapira erlitt schwere Gesichtsverletzungen und musste operiert werden.

    Nachdem ein 23-jähriger Student den 30-jährigen Bruder des jüdischen Komikers Shahak Shapira in Berlin-Mitte brutal zusammengeschlagen hat, wächst der Druck auf die Freie Universität Berlin (FU). Lahav Shapira kam nach dem Angriff mit Gesichtsfrakturen stationär in ein Krankenhaus, wo er später operiert werden musste. Die Hochschule prüft nun laut einer Mitteilung vom Montag ein Hausverbot gegen den Täter.

    FU-Präsident Günter Ziegler zeigte sich in einer Stellungnahme „entsetzt über den brutalen, mutmaßlich antisemitisch motivierten Angriff“. Wenn es sich bestätigen sollte, dass der Tatverdächtige Student der FU ist, würden umgehend die möglichen juristischen Schritte geprüft und durchgesetzt.

    Zur Identität des Tatverdächtigen sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft, er habe die deutsche Staatsangehörigkeit und sei bereits bei einer pro-palästinensischen Hörsaalbesetzung im Dezember an der FU dabei gewesen. Laut dem Islamismus-Experten Ahmad Mansour handelte es sich bei dem Angreifer um einen arabischen Studenten. Er habe Shapira wegen dessen Engagements für Israel erkannt. Lahav Shapira ist zudem der Enkel von Amitzur Shapira, einem israelischen Leichtathletik-Trainer und Mitglied der Olympia-Delegation von 1972. Der Großvater des 30-Jährigen wurde demnach bei dem Attentat von palästinensischen Terroristen ermordet.

    Und was von meiner Seite aus: mein Bruder und ich haben teilweise sehr unterschiedliche Ansichten zum Thema Israel/Palästina und streiten oft deshalb, aber keiner von uns beiden hat eine Ansicht, die es jemals rechtfertigen würde, uns fast den Schädel zu zerschlagen.
    — Shahak Shapira (@ShahakShapira) February 4, 2024

    Kritik an Freie Universität: „Offenheit und Toleranz gegenüber Antisemiten“

    Die Jüdische Studierendenunion Deutschland (JSUD) warf dem FU-Präsidenten vor, nichts gegen die antisemitische Aktivitäten zu unternehmen: „Die Freie Universität steht seit Monaten für Offenheit und Toleranz gegenüber Antisemiten“, heißt es in dem Schreiben.

    Auch der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, machte Versäumnisse aus. Dem Tagesspiegel sagte er: „Wir hören immer wieder von nicht hinnehmbaren antisemitischen Vorfällen, gerade im Umfeld der Freien Universität.“ Er würde der Uni-Leitung nicht vorwerfen, dass sie Antisemitismus begünstigt: „Aber sie sind viel zu tolerant. Sie lassen zu viel unkommentiert.“ Uni-Präsident Ziegler und sein Team ließen „den Diskurs zu lange laufen“.

    Nach Angaben der Polizei war das Opfer zuvor mit einer 24-jährigen Bekannten in der Nacht zum Samstag in der Innenstadt unterwegs gewesen. Später trafen die beiden in einer Bar an der Brunnenstraße Ecke Rosenthaler Straße auf den 23-Jährigen. Wie Zeit Online berichtete, hätte der Jüngere den jüdischen Studenten verfolgt und vor dem Lokal angesprochen. Kurz darauf sei der Streit eskaliert. Demnach vertrat Lahav Shapira proisraelische Ansichten. Der mutmaßliche Angreifer propalästinensische.

    Laut Polizei schlug der Jüngere dem 30-Jährigen mehrmals ins Gesicht und trat auf ihn ein. Anschließend flüchtete der Angreifer, wurde aber später von Polizisten in seiner Wohnung aufgespürt. Die Beamten durchsuchten den Angaben zufolge die Zimmer und stellten unter anderem das Handy des Tatverdächtigen sicher. Der Staatsschutz übernahm umgehend die Ermittlungen.

    Eine Sprecherin sagte am Sonntag, dass der Tatverdächtige die Möglichkeit bekomme, sich zu dem Geschehen zu äußern. Die Beamten werten nun die Beweismittel aus, hieß es. (mit dpa)

    Lahav Shapira, 30, wurde am vergangenen Freitag in einer Bar im Berliner Bezirk Mitte von einem 23-jährigen arabischen Studenten angegriffen, nachdem dieser ihn durch seine Aktivitäten für Israel und für die Freilassung von Geiseln erkannt hatte. Der Angriff führte zu schweren… pic.twitter.com/ECaZvxCAt6
    — Ahmad Mansour 🎗️ (@AhmadMansour__) February 4, 2024

    #Allemagne #Berlin #Mitte #Rosenthaler_Platz #antisemitisme #violence

  • Die Methode Böhmermann: Wieso führte Correctiv die Recherche als szenische Lesung auf?
    https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/die-methode-boehmermann-wieso-fuehrte-correctiv-die-recherche-als-s

    Politik als Spektakel in der Gesellschaft des Spektakels.
    So geht’s offenbar.

    6.4.2024 von Nathan Giwerzew - Theateraufführungen sind von der Kunstfreiheit gedeckt. Hat Correctiv den „Geheimplan gegen Deutschland“ deshalb auf die Bühne gebracht? Jetzt kommen neue Details ans Licht.

    Der Saal ist bis auf den letzten Platz besetzt. Schauspieler des Berliner Ensembles und des Wiener Volkstheaters führen den „Geheimplan gegen Deutschland“ als szenische Lesung auf.

    Teilnehmer des Treffens in Potsdam Ende November – darunter Politiker von AfD, CDU sowie der rechtsextreme Aktivist Martin Sellner – werden zu Bühnenfiguren verfremdet. Die Schauspieler lesen ihren Text vom Blatt ab, auf Zuschauer wirkt die Inszenierung wie kurzfristig auf die Beine gestellt.

    Den zugrunde liegenden Recherchetext hatte Correctiv erst eine Woche zuvor veröffentlicht. Kernthema des Artikels: Martin Sellner, der Kopf der Identitären Bewegung, hält im Potsdamer Landhaus Adlon einen Vortrag. Es soll ihm und seinen Zuhörern um die „Remigration“ von Menschen mit Migrationshintergrund gegangen sein – Correctiv übersetzt dieses Konzept mit „millionenfacher Vertreibung“.

    Nur wenige Stunden nach Erscheinen der Recherche am 10. Januar gibt das Berliner Ensemble auf dem Kurznachrichtendienst X bekannt: Der „Geheimplan“ soll in einer Koproduktion des Berliner Ensembles und des Volkstheaters Wien am 17. Januar als szenische Lesung aufgeführt werden.

    Correctiv-Recherche im Berliner Ensemble: Investigativ-Journalismus, der sich blamiert

    Sprecherin: Aufführungsdatum hatte „logistische Gründe“

    Jetzt kommt heraus: Der künstlerische Direktor des Wiener Volkstheaters, Kay Voges, wusste seit Ende Dezember von der Correctiv-Recherche. Das teilte eine Sprecherin des Volkstheaters der Berliner Zeitung auf Anfrage mit. Er habe „bereits während seiner Zeit in Dortmund und auch am Volkstheater“ mit Correctiv zusammengearbeitet, so die Sprecherin weiter. Der Kontakt zum Berliner Ensemble sei „vor dem Hintergrund der Geschichte, geografischen Lage und Tradition des Hauses“ ebenfalls über Voges gelaufen. Dieser inszeniere „seit einiger Zeit regelmäßig“ beim Berliner Ensemble.

    Auffällig: Laut Sprecherin hatten die Schauspieler nur einen Tag, um das Skript einzustudieren. „Die Proben begannen am 16. Januar“, heißt es auf Anfrage. Für den zeitlichen Abstand zwischen der Veröffentlichung der Correctiv-Recherche und der szenischen Lesung führt die Sprecherin „logistische Gründe“ an. Man habe erst Anfang Januar mit der Ausarbeitung des Theaterskripts begonnen, teilt sie mit, das Skript habe erst zu Probenbeginn gestanden. Darin will sie jedoch nichts Ungewöhnliches erkennen: Dass die Schauspieler nur einen Tag zum Proben hatten, entspreche „theaterüblichen Abläufen“ für Lesungen „dieser Art, Größe und Tagesaktualität“. Insgesamt habe man drei Proben angesetzt.

    Mitautor Jean Peters: „Wir riefen zu Straftaten auf“

    Eine Person ist im Kontext der szenischen Lesung besonders pikant: Jean Peters, nach eigenen Angaben seit 2022 für Correctiv tätig. Er wird sowohl in der Autorenliste der Correctiv-Recherche als auch des Skripts für die szenische Lesung am Berliner Ensemble aufgeführt.

    Zuletzt hatte ihn das ARD-Magazin „Kontraste“ interviewt. „Wir hatten einen Reporter vor Ort. Der hat dort übernachtet und der hat beobachten können, wer reinkam, wer rausging“, so Peters in der „Kontraste“-Sendung. Weiter heißt es über die Teilnehmer des Potsdamer Treffens: „Die waren verunsichert und haben gefragt: Was macht denn da der Fremde im Raum?“ Was auffällt, ist der Detailreichtum seiner Schilderungen. Zur Identität des Correctiv-Reporters macht er jedoch keine Angaben.

    Bis 2021 war Jean Peters als Aktionskünstler im Künstlerkollektiv Peng aktiv. Er habe mit seinen Aktionen „in das politische und ökonomische Geschehen“ interveniert, schreibt er auf seiner Website. Es sei dem Kollektiv darum gegangen, „Strategien zu entwickeln, um Aufmerksamkeit zu erregen und dadurch den gesellschaftlichen Diskurs anzuregen und so zum Wandel beizutragen“.

    So habe das Kollektiv unter anderem zu „Straftaten“ aufgerufen, „die zu sozialer Gerechtigkeit beitragen sollten“ – wie etwa zu „Diebstahl in Supermärkten“ oder zu „innereuropäischer Fluchthilfe“. Und Peters erklärt weiter, diese Aktionen habe man meistens mit Kooperationspartnern „wie Theatern, NGOs oder Kunstbiennalen“ entwickelt, „finanziert durch Spenden oder Stiftungen“.

    Torte auf Beatrix von Storch und Arbeit für Böhmermann

    Eine Aktion findet jedoch auf seiner Website keine Erwähnung: „Tortaler Krieg“. So nannte das Peng-Kollektiv den Tortenanschlag auf die AfD-Politikerin Beatrix von Storch, den Jean Peters 2016 im Clownskostüm ausgeführt hatte. Die Aktion sei sicher nicht „der ästhetischste Moment“ in seiner künstlerischen Karriere gewesen, sagte Peters damals der Berliner Zeitung.

    Vor seiner Zeit bei Correctiv arbeitete Peters für mehrere Jahre bei Jan Böhmermanns „ZDF Magazin Royale“. Böhmermann kombiniert in seiner Sendung unterhaltende Elemente mit Recherchen, die mitunter politisch heikel sein können. Und er ist dafür bekannt, dass er jegliche Kritik an seinen Methoden ablehnt, indem er auf die Freiheit der Kunst verweist: Seine Sendung begreift er nicht als politisches Format, sondern als Satire.

    Während seiner Tätigkeit für Böhmermann stellte Peters 2019 den Kontakt zum Privatdetektiv Julian Hessenthaler her, der ein kompromittierendes Video des FPÖ-Politikers Hans-Christian Strache angefertigt und an mehrere Medien durchgestochen hatte. Für Strache war dies das Ende seiner politischen Karriere.

    Die Berliner Zeitung wollte jetzt vom Wiener Volkstheater wissen, inwiefern Jean Peters dem Regisseur Kay Voges bei der Abfassung des Theaterskripts geholfen hatte. Es habe sich um ein „gleichberechtigtes Autorenkollektiv“ gehandelt, antwortet die Sprecherin vage, „das den Text gemeinsam verfasst hat und verantwortet“. Die „finale Textfassung, die zum Download bereitsteht“, sei „während des Probenprozesses mit den Schauspielern“ entstanden. Zu Jean Peters’ konkreter Rolle machte sie keine Angaben.

    Rechercheergebnisse wollte man „breit vermitteln“

    Doch auch ein anderes Detail springt ins Auge. Aufmerksamen Lesern wie dem rechten Blogger Alexander Wallasch war schon früh aufgefallen, dass die Correctiv-Recherche selbst wie ein Theaterstück strukturiert ist. „Der Artikel ist aufgemacht wie ein Theaterstück“, schrieb er kurz nach der Veröffentlichung der Recherche.

    Tatsächlich leitet ein Prolog den Text ein, drei nach Szenen unterteilte Akte führen durch die Recherche und ein Epilog schließt sie ab. Correctiv rechtfertigt diese Erzählweise damit, dass man sich dadurch eine stärkere Wirkung auf die Leser erhofft habe – so zumindest die stellvertretende Correctiv-Chefredakteurin Anette Dowideit in einem Podcast von Übermedien.

    Warum man aus der ohnehin schon theatralisch strukturierten Recherche zusätzlich eine szenische Lesung gemacht hat? Auf Anfrage der Berliner Zeitung teilt das Wiener Volkstheater mit: Ziel der szenischen Lesung sei gewesen, die Debatte über die Rechercheergebnisse von Correctiv „nicht auf Presse, Politik oder soziale Medien zu begrenzen und möglichst breit gesellschaftlich zu vermitteln“.

    Correctiv hat inzwischen eigene FAQ zum Theaterstück eingerichtet, auf welche das Rechercheportal auch auf Anfrage verweist. Dort ist als Begründung lediglich zu lesen: „Theater ist Debatte. Kunst ist politisch. In Deutschland hat politisches Theater eine lange Tradition.“

    Auf Vorwürfe, wonach Correctiv vor allem aus juristischen Gründen auf das Medium Theater zurückgegriffen habe – für die Äußerungen fiktiver Figuren gilt Kunstfreiheit – wird im FAQ-Katalog von Correctiv schlichtweg nicht eingegangen. Inzwischen haben nach Informationen der Rechtszeitschrift juve zwei Teilnehmer des Potsdamer Treffens Correctiv abmahnen lassen.

    Kritik an szenischer Lesung? Berliner Ensemble sagt dazu nichts

    Auch andere Theater im deutschsprachigen Raum haben derweil den „Geheimplan gegen Deutschland“ inszeniert oder eine Aufführung angekündigt. Laut Berliner Ensemble stieß das Theaterstück in verschiedenen Schauspielhäusern auf reges Interesse: „Der Text ist seit dem 17. Januar öffentlich verfügbar, auch wir haben über unsere Kanäle darauf hingewiesen und bieten ihn zum Download an“, teilt eine Sprecherin mit.

    Neben begeisterten Theaterrezensionen wurde nach der Aufführung des „Geheimplans gegen Deutschland“ jedoch auch Kritik laut. Welt-Journalist Deniz Yücel etwa sprach auf dem Kurznachrichtendienst X von einer „kulturindustriellen Verramschung des Politischen plus der narzisstischen Selbstüberhöhung von Journalisten“. Was das Berliner Ensemble dazu sagt? „Nichts“, so die Sprecherin.

    #Berlin #Wien #Politik #Theater #Rechtsextremismus

  • Bushido-Prozess: Freispruch für Ex-Manager und Clanboss Arafat Abou-Chaker vor Landgericht Berlin
    https://www.berliner-zeitung.de/news/prozess-gegen-bushidos-ex-manager-freispruch-fuer-clanboss-arafat-a


    Berlin, Kleinmachnow, Dubai. Eine Lebensreise in die Provinz. Aggro-Rap ist auch nicht besser als Provinz-Heavy-Metal. Wenigstens nervt das nicht mehr in B.

    Im Prozess gegen den Ex-Manager von Bushido ist am Montag in Berlin ein Urteil gefallen. Der Beschuldigte wurde von den Hauptvorwürfen freigesprochen. Das Landgericht Berlin sah es nicht als erwiesen an, dass der 47-Jährige den Rapper zur Zahlung von Millionenbeträgen erpressen wollte. Die Richter verurteilten Arafat Abou-Chaker, der als Berliner Clan-Chef gilt, lediglich wegen 13 Fällen von unerlaubten Tonbandaufnahmen zu einer Geldstrafe von 81.000 Euro (90 Tagessätze à 900 Euro).

    Der heute 45-jährige Bushido, mit bürgerlichem Namen Anis Mohamed Ferchichi, war in dem Strafverfahren Zeuge und Nebenkläger. Ein Großteil der Vorwürfe gegen seinen langjährigen Geschäftspartner und die Mitangeklagten basierten auf den Aussagen des Rappers. Zur Urteilsverkündung kam der Musiker nicht. Er lebt inzwischen mit seiner Familie in Dubai.

    Die Anklage warf Arafat Abou-Chaker und seinen Brüdern unter anderem versuchte schwere räuberische Erpressung, Freiheitsberaubung, Nötigung sowie gefährliche Körperverletzung und schwere Untreue vor.

    Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hatten sich die Hauptvorwürfe bestätigt. Sie hatte für den 47-jährigen Abou-Chaker eine Gesamtstrafe von vier Jahren, drei Monaten und einer Woche Haft beantragt. Seine Anwälte hielten keine der Straftaten für erwiesen, die Rapper Bushido widerfahren sein sollen. Sie forderten einen Freispruch. Der Hauptangeklagte war zudem wegen einer Reihe von unerlaubten Tonbandaufnahmen angeklagt. Diese hatte Arafat Abou-Chaker kurz vor Prozessende eingeräumt.

    Mitangeklagt waren drei Brüder von Bushidos Ex-Partner im Alter von 42, 46 und 53 Jahren. Gegen sie wurden Gesamtstrafen von sieben Monaten auf Bewährung bis zwei Jahren und einem Monat Haft beantragt. Auch die Mitangeklagten wurden von den Vorwürfen zulasten des Musikers freigesprochen. Der Hauptangeklagte und einer seiner Brüder erhalten nach dem Urteil Haftentschädigung für eine kurze Zeit, die sie in Untersuchungshaft saßen.

    Großteil der Vorwürfe basieren auf Aussagen Bushidos

    Im Zentrum des Verfahrens stand ein Vorfall am 18. Januar 2018, bei dem Bushido gegen seinen Willen festgehalten worden sein sollte. Dabei sollte er beleidigt, bedroht und auch mit einer Plastikflasche und einem Stuhl attackiert worden sein. Zu den mutmaßlichen Taten sollte es gekommen sein, nachdem der Musiker die Beziehungen zu seinem Ex-Manager 2017 aufgelöst hatte. Dieser habe die Trennung nicht akzeptieren wollen und von dem Rapper eine Millionenzahlung sowie die Beteiligung an dessen Geschäften für 15 Jahre gefordert, so der Vorwurf.

    An 113 Verhandlungstagen hat das Gericht seit August 2020 versucht, den Fall aufzuklären. Der Prozess erfolgte unter strengen Sicherheitsvorkehrungen. Manch einer sah darin einen lang erhofften Schlag gegen Clankriminalität, weil Bushido keine Angst zeigte. Das ist bei vielen Prozessen gegen Mitglieder von Großfamilien, die mit organisierter Kriminalität in Verbindung gebracht werden, anders. Der Begriff Clankriminalität ist umstritten, weil er nach Ansicht von Kritikern Menschen mit Migrationshintergrund alleine aufgrund ihrer Familienzugehörigkeit und Herkunft stigmatisiert und diskriminiert.

    #Kleinmachnow #wtf

  • Berlin-Fragebogen mit Kabarettist Frank Lüdecke: „Berlins Dysfunktionalität muss erhalten bleiben“
    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/kabarettist-frank-luedecke-berlins-dysfunktionalitaet-muss-dringend

    Abgeklärte Sicht aus Kleinmachnow. Wer da gelandet ist hat das echte Berlin verlassen. Die dargestellte Haltung ist geblieben, nur blasierter ist sie geworden. Charlottenburg potenziert. Man merkt die innerliche Annäherung an Restdeutschland, die Voraussetzung jeden Erfolgs seit Berlin Bonn implantiert wurde.

    5.2.2024 von Anne Vorbringer - Berlin hat rund 3,8 Millionen Einwohner, und jeder hat seinen eigenen Blick auf die Stadt. Was macht Berlin aus, wieso lebt man hier – und tut man es überhaupt gern?

    In unserer Rubrik „Fragebogen Berlin“ fragen wir bekannte Hauptstädterinnen und Hauptstädter nach ihren Lieblingsorten und nach Plätzen, die sie eher meiden. Sie verraten, wo sie gern essen, einkaufen oder spazieren gehen. Aber auch, was sie an Berlin nervt und was man hier auf keinen Fall tun sollte.

    Diesmal hat der politische Kabarettist, Autor und Kolumnist Frank Lüdecke unsere Fragen beantwortet, der mit seinen Programmen seit vielen Jahren die hauptstädtische Kleinkunstszene prägt und auch im Fernsehen gern einen satirischen Blick auf die Stadt wirft. So bemerkte er unlängst bei „Nuhr im Ersten“, dass ihm Berlin in letzter Zeit in der öffentlichen Wahrnehmung zu schlecht wegkäme: „Es geht mir ziemlich auf den Senkel, wie manche hier über meine Heimatstadt sprechen, vor allem Zugereiste aus den ländlichen Gebieten wie Köln oder so.“

    Berlin-Fragebogen mit Minh-Khai Phan-Thi: „Diese Stadt hat mich befreit“

    Lucas Gregorowicz über Berlin: „Als Zugezogener sollte man sich nicht zu sehr beschweren“

    Auch in unserem Fragebogen kommen persönliche Eindrücke nicht zu kurz, immerhin hat der 62-Jährige die Stadt kaum je länger verlassen, auch wenn er seit geraumer Zeit etwas über den Rand gerückt ist und mit seiner Familie in Kleinmachnow lebt. Arbeitsort ist aber immer noch die City West: Seit fünf Jahren leiten Frank Lüdecke und seine Frau das Kabarett-Theater Die Stachelschweine in der Tauentzienstraße, dessen Programme wie „Steglitz, wir haben ein Problem!“ Presse und Publikum gleichermaßen überzeugen.

    Am 30. März hat Lüdeckes neues Soloprogramm „Träumt weiter!“ in den Wühlmäusen Premiere. Und während der Fußball-Europameisterschaft wird es bei den Stachelschweinen das satirische EM-Spektakel „Pfostenbruch“ geben, mit bekannten Kabarettisten, Comedians, Schauspielern und Sportlern.
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    1. Herr Lüdecke, seit wann sind Sie schon in der Stadt?

    Ich bin schon sehr lange in der Stadt. Ich glaube, einer der Hauptgründe muss wohl gewesen sein, dass mich meine Mutter in Charlottenburg zur Welt gebracht hat. So was prägt enorm. Dann, dass ich in Charlottenburg zur Schule gegangen bin und schließlich in Zehlendorf studiert habe. An einer Elite-Uni, die damals aber noch „Rostlaube“ hieß und einen total verfleckten Teppich hatte.

    Ich bin in dem Sinne kein Weitgereister. Ich war mal vier Jahre im Rheinland. Wir haben immer gesagt, wir leben jetzt zwischen Düsseldorf und Köln. Um nicht „Neuss“ sagen zu müssen. Dadurch habe ich Berlin wieder richtig schätzen gelernt.

    2. Welcher ist Ihr Lieblingsort in Berlin?

    Der Teufelsberg mit der Blickrichtung Grunewald/Spandau im Herbst.

    3. Wo zieht es Sie hin, wenn Sie entspannen wollen?

    In ein nahegelegenes europäisches Ausland, wo sehr viele Menschen Italienisch sprechen. In Berlin kann ich nicht so entspannen. Überall Termine, Spielplanänderungen, Proben, Leute, die was wollen und dieser blöde Fitnessclub, der monatlich abbucht.

    4. Welche Ecken der Stadt meiden Sie?

    Eigentlich nur den Hauptbahnhof. Ich mag den nicht. Vielleicht, weil mir da mal mein Computer gestohlen wurde. Die Gleise unten machen mich depressiv. Ich steige lieber in Spandau ein oder am Südkreuz.

    5. Ihr ultimativer Gastro-Geheimtipp?

    Ein veganes Restaurant in der Kantstraße: Bodhicitta Vegan Bowl, Kantstraße 139. Familienbetrieb. Und ich bin kein Veganer, überhaupt nicht. Also das will schon was heißen. Dann noch ein anderes, wo wir eigentlich noch öfter hingehen. Ich hab etwas Angst, dass es dann total überlaufen ist, wenn ich es jetzt hier empfehle. Aber egal. Es befindet sich ziemlich direkt am S-Bahnhof, wenn Sie den hinteren Ausgang nehmen. Direkt auf der anderen Straßenseite sehen Sie es schon. Ich kann es nicht besser beschreiben.

    6. Ihr ultimativer Shopping-Geheimtipp?

    Das ist lustig. Sie könnten mich auch nach meinen schönsten Ballett-Erfahrungen befragen. Ich bin nicht so der Einkaufstyp. Ich laufe immer nur hinterher und trage die Tüten. Die schönsten Geschäfte sind für mich die, die eine Sitzgruppe haben, zum Warten. Wo ich gerne hingehe, sind Gitarrenläden. Just Music am Moritzplatz zum Beispiel. Geht gerade pleite, lese ich. Das KaDeWe ist auch sehr schön. Viele Sitzgelegenheiten. Geht auch pleite, liest man. Empfehlen kann ich die sechste Etage mit vielen sogenannten „Food-Countern“. Das Preis-Leistungs-Verhältnis sucht seinesgleichen in der Stadt, wenn Sie verstehen, was ich meine.

    7. Der beste Stadtteil Berlins ist …

    Charlottenburg? Mitte? Friedrichshain? Schöneberg? Die Meinungen der Experten gehen auseinander. Gatow ist es – glaube ich – nicht. Obwohl die Rieselfelder auch was haben.

    8. Das nervt mich am meisten an der Stadt:

    In den 2000ern Zugereiste, die mir erklären, wie cool die Achtzigerjahre in Berlin waren. Und Türken, die seit 30 Jahren in der Stadt leben und hupend über den Kudamm fahren, weil Erdogan die Wahl gewonnen hat.

    9. Was muss sich dringend ändern, damit Berlin lebenswert bleibt?

    Die Dysfunktionalität muss erhalten bleiben. Dringend. Worüber sollen wir uns aufregen, wenn es keinen „Schienenersatzverkehr“ gibt? Berlin ist die einzige Stadt der Welt, die einen Eintrag bei der Schufa hat! Die Stadt, wo selbst die weltbesten Architekten ihre langweiligsten Projekte realisiert haben. Das muss doch einen Grund haben!

    Stellen Sie sich vor, wir hätten weltläufige Politiker! Wozu? Ich bin ja selbst über Charlottenburg kaum hinausgekommen. Nein, es ist alles gut so, wie es ist. Hier schreibt jeder an einem Drehbuch oder bringt demnächst eine EP heraus oder hat ein fantastisches Filmangebot. In Aussicht. Neulich hab ich einen kennengelernt, der hat keinen Podcast! Gibt’s auch, aber selten.

    Fließend Wasser in Grundschultoiletten wäre natürlich schon wünschenswert. Viele Turnhallen verfügen ja noch über Baumängel aus der Weimarer Republik. Wer die Stadt verstehen will, dem empfehle ich zwei Dinge. Zum einen die Geschichte von Hertha BSC. Und zum anderen eine kleine Anekdote, die ich Ihnen hiermit wiedergebe. Ich habe sie selbst erlebt und sie ist wahr. Am Tag des 9. November 1989 stand ich abends am Grenzübergang Invalidenstraße. Die Mauer war gerade gefallen. Plötzlich kommt Walter Momper, der Regierende Bürgermeister mit seinem roten Schal. Er steigt auf eine Art Mülltonne. Ich denke, was wird er uns mitteilen, zum welthistorischen Ereignis? Heute, da die ganze Welt auf uns schaut? Er breitet die Arme aus und sagt: „Liebe Berliner und Berlinerinnen! Dies ist der glücklichste Tag in unserer Geschichte! Aber wir dürfen eines nicht vergessen: Die Zufahrtswege müssen frei bleiben!“

    10. Ihr Tipp an Unentschlossene: Nach Berlin ziehen oder es lieber bleiben lassen?

    Bleiben lassen. Und versuchen, den Podcast in Bad Ems zu etablieren.

    11. Cooler als Berlin ist nur noch …

    … ein sehr kleiner Ort in Italien, dessen Name mir gerade entfallen ist.

    Zur Person

    Frank Lüdecke kam 1961 in Berlin-Charlottenburg zur Welt. Zur Abiturfeier gründete er die Kabarettgruppe „Phrasenmäher“, die er während seines Germanistik- und Geschichtsstudiums an der Freien Universität weiterführte.

    Seine Solokarriere als politischer Kabarettist begann 1997 mit dem Programm „Verteidigung der Sittsamkeit“. Lüdecke gastierte mit seinen Soloprogrammen auch häufig in Dänemark, der Schweiz und Italien sowie in Berlin in der Distel, im Schlossparktheater und den Wühlmäusen. Er wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Deutschen Kabarett-Preis.

    Ab 2004 war Lüdecke Stammgast in der ARD-Sendung „Scheibenwischer“, später auch im ZDF-Format „Die Anstalt“. Auch bei „Nuhr im Ersten“ tritt er regelmäßig auf. 2019 übernahm er die künstlerische Leitung des Kabaretts Die Stachelschweine im Europa-Center, seine Frau Caroline ist die Geschäftsführerin (Foto).

    #Berlin #Kabarett #Anekdoten

  • SAP-Gründer Hasso Plattner über Berlin : „Ganze Stadtteile von Arabern übernommen“
    https://www.berliner-zeitung.de/news/hasso-plattner-ueber-berlin-ganze-stadtteile-von-arabern-uebernomme

    Le Bill Gates allemand est un (peu) raciste et simplement de droite. Il partage son opinion sur Berlin avec la majorité des autres habitants de villas luxueuses à Potsdam. Ces gens ne se rendent jamais dans les "quartiers arabes" de Berlin. Quand on leur pose la question ils ne savent même pas de quels quartiers ils parlent.

    29.1.2024 - Der Unternehmer Hasso Plattner fühlt sich in Berlin offenbar nicht mehr wohl. In einem Interview zeichnet er ein düsteres Bild von der aktuellen Lage in Deutschland.

    Der Unternehmer Hasso Plattner hat sich in einem Interview kritisch über verschiedene Entwicklungen in Deutschland geäußert. So habe er etwa seiner Heimatstadt Berlin inzwischen den Rücken zugekehrt. Im Gespräch mit der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) sagte der SAP-Gründer: „Ich bin Berliner, aber ich fahre nicht mehr nach Berlin, ich bleibe in meinem Potsdam.“ Als Grund dafür nennt er die seiner Ansicht nach problematische Lage in einigen Berliner Stadtteilen.

    Gegenüber dem Schweizer Blatt mutmaßt er: „Dass ganze Stadtteile scheinbar übernommen wurden von Arabern, dass dort deren Ethik und Verständnis für Gesetze gelebt wird, ist nicht gut.“ Hinter vorgehaltener Hand sage Plattner zufolge jeder, „dass da etwas schiefgegangen“ sei. Auf die Rückfrage hin, was genau seiner Ansicht nach fehlgeschlagen ist, führt er „die Integration“ an. Auch „die Erziehung“ und „die Schulpolitik“ seien gescheitert. Über die Probleme wird ihm zufolge jedoch nicht offen genug gesprochen: „Keiner geht hin und sagt: Ja, das ist schiefgegangen, jetzt müssen wir es ändern. Weil das auch wieder unpopulär ist.“

    Welche Stadtteile in Berlin er genau meinte, sagte Plattner nicht. Auch blieb offen, anhand welcher Faktoren er seine These, ganze Stadtteile seien „von Arabern übernommen“, begründet.

    Gleichzeitig besorge den 80-Jährigen der derzeitige Aufstieg der AfD. „Nehmen wir mal an, in Amerika kippt die Demokratie. Dann hat die westliche Welt ein großes Problem.“, so Plattner. „Auf einmal müssten wir es selbst richten. Und das mit einem Drittel von Menschen in Deutschland, die ähnlich denken wie Trump, und die ganz schnell vielleicht 50 Prozent sein könnten.“ Nach aktuellen Umfragen kommt die AfD bundesweit auf etwa 21 Prozent - in Sachsen, Thüringen und Brandenburg hingegen sind es knapp oder über 30 Prozent. In diesen Bundesländern finden im September Landtagswahlen statt.

    Gegenüber der NZZ lehnte der Unternehmer ein Verbot der AfD ab. „Das würde sie nur noch stärker machen, denn es gibt eine starke Gruppe in der Bevölkerung, die dem Gedankengut der AfD sehr nahesteht.“ Weit verbreitet in Deutschland ist laut Plattner das Gefühl, anderen überlegen zu sein.

    Weitere Herausforderungen sieht Plattner bei der Bekämpfung des Klimawandels und in der gesamtwirtschaftlich schlechten Stimmung im Land. Die Regierungsarbeit der SPD bezeichnet der SAP-Gründer derweil als „Trauerspiel“, zeigt jedoch auch Verständnis: „Wenn Bundeskanzler Scholz mich jetzt fragen würde, was er denn machen solle, wüsste ich auch keinen Rat.“ Die Ampel sei „nicht auf natürliche Art stabil“.

    Der gebürtige Berliner Hasso Plattner arbeitete zunächst bei IBM und gründete in den 70er Jahren mit vier ehemaligen Kollegen den Unternehmenssoftware-Konzern SAP. Im Jahr 1999 gründete er das Hasso-Plattner-Institut für Softwaresystemtechnik (HPI). Das Museum Barberini – dessen Gründer und Mäzen er ist – öffnete im Jahr 2017, das von ihm umgebaute Kunsthaus Minsk 2022.

    #Potsdam #nantis #droite #racisme

  • Israel : Soldaten stürmen als Ärzte verkleidet in Krankenhaus, töten Hamas-Leute
    https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/nahost-krieg-israel-soldaten-stuermen-als-aerzte-verkleidet-in-kran

    Business as usual. On se demandait pouquoi les vietcong tuaient systématiquement les toubibs américains. Tout s’éclaire.

    Michael Maier - Bei einem Einsatz in einem Krankenhaus in Dschenin töteten israelische Spezialkräfte drei islamistische Kämpfer. Juristen sehen den Einsatz kritisch.

    Als Ärzte, Frauen und Sanitäter verkleidete israelische Spezialkräfte haben am Dienstag ein Krankenhaus im besetzten Westjordanland gestürmt und im Zug der Aktion nach eigenen Angaben drei palästinensische Hamas-Kämpfer und Kämpfer des Islamischen Dschihad getötet. Das berichten mehrere internationale Medien und Nachrichtenagenturen, unter anderem die New York Times, CNN und die AP. Das palästinensische Gesundheitsministerium sagte, israelische Streitkräfte hätten das Feuer im Ibn-Sina-Krankenhaus in der Stadt Dschenin im Westjordanland eröffnet. Ein Sprecher des Krankenhauses sagte, es habe keinen Schusswechsel gegeben, was darauf hindeutet, dass es sich um eine gezielte Tötung gehandelt habe. Das israelische Militär sagte, die Kämpfer nutzten das Krankenhaus als Versteck, ohne jedoch Belege für diese Aussage vorzulegen.

    Das Krankenhaus sagte laut CNN, die drei Männer hätten zum Zeitpunkt des Angriffs geschlafen. Einer der Getöteten wurde von der Hamas als Mitglied identifiziert. Die anderen beiden sollen vom Islamischen Dschihad als Mitglieder bezeichnet worden sein. Hamas sagte, alle drei seien Kämpfer der Dschenin-Brigade, einer Gruppe bewaffneter palästinensischer Einheiten in der Stadt im Westjordanland.

    Die getarnten Spezialeinheiten der israelischen Armee (IDF) seien „einzeln in das Krankenhaus eingedrungen, seien in den dritten Stock vorgedrungen und hätten die jungen Männer ermordet“, berichtete die staatliche palästinensische Nachrichtenagentur WAFA unter Berufung auf Quellen aus dem Krankenhaus.

    Während Israels Krieg seit fast vier Monaten im Gazastreifen tobt, hat sich der Konflikt auch auf das besetzte Westjordanland ausgeweitet. Seit den Hamas-Angriffen in Israel am 7. Oktober wurden dort mindestens 381 Palästinenser getötet, wobei die Bewohner zunehmenden Beschränkungen und Siedlergewalt ausgesetzt sind. CNN schreibt: „Doch die Morde am Dienstag stellen einen der kühnsten israelischen Angriffe seit Kriegsbeginn dar. Experten warnen, dass der Angriff der IDF möglicherweise gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen hat.“ Der TV-Sender zitiert Jura-Professor Aurel Sari, von der University Exeter in Großbritannien, der sagte, die Ermordung könne im Rahmen des Völkerrechts zulässig sein, wenn sich die Männer als Terroristen dort wirklich nur versteckt hätten. Wären sie als Verletzte im Krankenhaus in Behandlung, könnte ihre Tötung ein Kriegsverbrechen darstellen. Der Aufenthalt in einem Krankenhaus garantiere Patienten das Recht auf Schutz und Unversehrtheit.

    Die IDF sagte, sie habe den Hamas-Kämpfer Mohammed Jalamneh ins Visier genommen, der „kürzlich an der Förderung erheblicher terroristischer Aktivitäten beteiligt war“ und sich im Ibn-Sina-Krankenhaus „versteckte“. Darin hieß es, er plane einen bevorstehenden Terroranschlag „inspiriert durch das Massaker vom 7. Oktober“ und man habe ihn mit einer Pistole gefunden.

    Nach Angaben der IDF wurden auch zwei Brüder getötet, die mit dem Islamischen Dschihad in Verbindung stehen, Mohammed und Basel Al-Ghazawi.

    Die IDF sagte, die drei Männer hätten sich „in Krankenhäusern versteckt und sie als Basis für die Planung terroristischer Aktivitäten und die Durchführung von Terroranschlägen genutzt“ und Krankenhäuser zynischerweise als Zufluchtsorte und „menschliche Schutzschilde“ genutzt. Hamas hat solche Vorwürfe zuvor zurückgewiesen.

    Überwachungskameraaufnahmen aus dem Krankenhaus zeigen etwa ein Dutzend Personen, die meisten davon bewaffnet. Sie tragen muslimische Kopftücher, Krankenhauskittel oder weiße Arztkittel. Einer trug ein Gewehr in einem Arm und einen zusammengeklappten Rollstuhl im anderen. Ein anderer hält einen Kinder-Autositz, in dem sich Waffen befinden. Den Medienberichten zufolge sagte die israelische Armee, die Kämpfer hätten sich ihrer Festnahme zu entziehen versucht und seien daher an Ort und Stelle erschossen worden.

    Israels extrem-religiöser nationaler Sicherheitsminister Itamar Ben Gvir teilte die Aufnahmen der Überwachungskameras in den sozialen Medien und lobte die Razzia: „Ich gratuliere den Marinekommandokräften der israelischen Polizei zu ihrer beeindruckenden Operation gestern Abend in Zusammenarbeit mit der IDF und dem Shin Bet im Flüchtlingslager Dschenin, die zur Eliminierung von drei Terroristen führte“, sagte Ben Gvir neben dem Video auf X.

    Das palästinensische Gesundheitsministerium verurteilte den Angriff und forderte die Generalversammlung der Vereinten Nationen auf, den notwendigen Schutz für medizinische Behandlungszentren und Notfallteams zu gewährleisten. Das Völkerrecht sehe „allgemeinen und besonderen Schutz für zivile Standorte, einschließlich Krankenhäuser, vor“, sagte das Ministerium in einer Erklärung am Dienstag.

    Der Generalstabschef der IDF, Herzi Halevi, kommentierte die Razzia am Dienstag und sagte laut CNN, die angegriffenen Männer seien Teil einer Terrorzelle, die einen „schweren Angriff“ auf israelische Zivilisten geplant hätten. Die Armee würde nicht zulassen, dass Krankenhäuser zu einem „Schutz für Terrorismus“ würden. „Wir wollen Krankenhäuser nicht in Schlachtfelder verwandeln“, sagte Halevi. Aber es dürfe nicht zugelassen werden, dass Krankenhäuser in Gaza, Judäa und Samaria und im Libanon oberirdisch oder in Tunnelschächten und Tunneln unter Krankenhäusern zu einem Orten würden, der es Terroristen ermögliche, Waffen zu verstecken, sich auszuruhen und loszuziehen, um einen Angriff zu verüben.

  • 24.12.2024 von Wilfried Nelles : Warum der Kampf gegen den Kapitalismus scheitert
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/wilfried-nelles-warum-der-kampf-gegen-den-kapitalismus-scheitert-li
    Quand un charlatan psy t’explique pourquoi tu devrais abandonner la lutte contre le capitalisme.

    Seit rund 200 Jahren, also praktisch seit es ihn gibt, rufen kluge Geister zum Kampf gegen den Kapitalismus auf – man will ihn überwinden. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Selbst das weltweite Scheitern von Sozialismus und Kommunismus, auch die im Namen dieser Ideen stattgefundenen Gräueltaten und Mordorgien – vom stalinistischen Gulag über Maos Befreiungskrieg samt Kulturrevolution und verheerenden Hungersnöten bis zur Auslöschung des gesamten Bürgertums durch Pol Pot und seine Genossen in Kambodscha, denen weit mehr Menschen zum Opfer fielen als dem Faschismus – haben nicht dazu geführt, dass die Idee, der Kapitalismus müsse abgeschafft und durch ein besseres System ersetzt werden, gestorben wäre. Der Wunsch, eine bessere Welt zu schaffen, lässt sich von keiner Wirklichkeit belehren.

    Alle, die den Kapitalismus abschaffen oder überwinden wollen, übersehen etwas Grundlegendes: Niemand hat ihn geschaffen, niemand hat den Kapitalismus – ganz im Gegensatz zum Sozialismus – gemacht! Er ist entstanden, er ist gewachsen, und zwar ganz von selbst. Niemand hatte die Idee: Jetzt schaffen wir das Feudalsystem und die Zünfte ab und machen den Kapitalismus, niemand hatte einen Plan, wie das geschehen und wie er aussehen sollte. Niemand hat eine „kapitalistische Partei“ gegründet, die Leibeigenen aufgerufen, ihre Fesseln abzuwerfen, und das als Massenbewegung organisiert.
    Natürliche Entstehung des Kapitalismus

    Kein König oder Parlament oder Volksentscheid hat beschlossen, jetzt den Kapitalismus einzuführen. Es hat noch nicht einmal jemand eine Theorie entwickelt, wie man die selbstgenügsame vorkapitalistische Wirtschaft in ein dynamisches System überführen könnte. Alle ökonomischen Theorien waren nur Antworten auf den Kapitalismus, sie kamen alle später.

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    Fabrikarbeit in Salford, Manchester, Anfang des 20. Jahrhunderts

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    Marx hat es ganz richtig gesehen: Mit der Entwicklung der Naturwissenschaft und den daraus entstandenen technischen Neuerungen wurde eine Dynamik in Gang gesetzt, die die Grenzen der vorindustriellen Produktionsweise überschritt. In marxscher Sprache: Die Produktionsverhältnisse waren für die neuen Produktivkräfte zu eng, die Dampfmaschine passte nicht mehr in einen Handwerksbetrieb, und die ständische Ordnung wurde einfach gesprengt.

    Die entstehenden Fabriken brauchten Lohnarbeiter, sie brauchten Menschen, die an die Fabrikstandorte strömten und ihre Arbeitskraft verkauften, und keine Leibeigenen. Zwar wurden die Arbeiter anfangs noch wie Leibeigene behandelt, aber auch das erwies sich bald als unproduktiv. Kurz: Der Kapitalismus ist das quasi naturgesetzliche Resultat der Entwicklung von Wissenschaft und Technik (der Produktivkräfte), die materielle Manifestation des menschlichen Geistes und seiner autonomen Entwicklung. Sie ist autonom, weil niemand den Geist dorthin bewegt hat.

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    Dasselbe gilt für das Resultat dieser Entwicklung, den Kapitalismus. Solange sich der dieser Entwicklung zugrunde liegende Geist, das menschliche Bewusstsein, nicht grundlegend wandelt, wird sich auch am Ergebnis nichts ändern. Der Kapitalismus wird bleiben, denn er steckt in uns drin, in jedem von uns. Er ist, wie die Wissenschaft, unsere geistige DNA. Wissenschaft, Technik und Kapitalismus sind nicht irgendwo dort draußen entstanden, sondern im menschlichen Geist.

    Das gilt ebenso für die Globalisierung. Auch sie ist das natürliche Resultat der wissenschaftlich-technischen Entwicklung – vor allem der Entdeckung des Computers und des Internets; ohne sie wären der ganze Handel, die Lieferketten und die Fertigungsmethoden nicht möglich. Und da das Internet alle Grenzen verschwinden lässt, entsteht in der Folge auch eine Dynamik, die Handelsgrenzen abzuschaffen.

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    Man kann das gut oder schlecht finden, Tatsache ist: Danach fragt niemand, dem Kapitalismus ist es ganz egal, ob wir ihn mögen oder nicht. Ein Zurück wird es nicht geben, auch kein Zurück hinter die Globalisierung. Es mag eine protektionistische Phase geben, aber die geht vorüber. Die gesamte Kapitalismuskritik, so berechtigt sie im Einzelnen sein mag, ist vollkommen ohnmächtig. Sie kann zwar Anpassungen und Veränderungen innerhalb des Kapitalismus bewirken, aber nie diesen selbst treffen oder gar beseitigen. Denn die treibende Kraft dahinter ist nicht das Kapital, sondern vielmehr die Wissenschaft und damit das menschliche Bewusstsein.

    Hier liegt der fundamentale Irrtum von Marx und Engels, der immer noch der fundamentale Irrtum der gesamten Moderne ist: Unsere heutige Welt, der Kapitalismus eingeschlossen, ist eine Folge der Entwicklung des Bewusstseins, und zwar des Bewusstseins im christlichen Abendland. Es ist immer das Bewusstsein, das das Sein bestimmt – es gibt Reiche, die todunglücklich sind, und Arme, die in tiefster Zufriedenheit leben. Dass der Kapitalismus in Europa und nicht in Indien oder Afrika entstanden ist, ist eine Folge des christlich-abendländischen Geistes.

    Mit den Entdeckungen und der Entstehung der Naturwissenschaft wurde aus einer begrenzten eine vollkommen offene und grenzenlose Welt, und das sprengte mit der Zeit auch alle Begrenzungen des Denkens und dann auch die institutionellen und ökonomischen Grenzen. Die Akkumulation von Kapital, die Entstehung der Geldwirtschaft bis hin zur Globalisierung sind nicht die Ursache, sondern die Folge davon. Das tiefste Wirkprinzip im Kapitalismus ist der Geist, der sich die Erde untertan machen will und keine Grenzen mehr kennt oder akzeptiert. Grenzenloses Wachstum ist unser innerster Antrieb, und zwar einer, der längst zum Zwang geworden ist (Hartmut Rosa, „Unverfügbarkeit“, Residenz Verlag, Wien 2019).

    1983: DDR-Staatsratsvorsitzender Erich Honecker (SED) spricht anlässlich der Karl-Marx-Konferenz in Berlin.

    1983: DDR-Staatsratsvorsitzender Erich Honecker (SED) spricht anlässlich der Karl-Marx-Konferenz in Berlin.imago images

    War der Mensch früher ein Teil von Gottes Schöpfung, die ihm einen festen Platz in einer ihn übergreifenden Ordnung zuwies, so gilt Gott jetzt als eine Schöpfung des Menschen – ob wir ihm eine Existenz zubilligen, hängt von uns ab, von jedem Einzelnen, und die Wissenschaft hat ihn längst abgeschafft. Die zeitgenössische Forderung, „der Wissenschaft“ zu folgen, ist zwar ebenso töricht wie politisch motiviert, weil es „die“ Wissenschaft in dem Sinne, dass sie eine Instanz wäre, die wüsste und einem sagen könnte, was zu tun ist, nicht gibt.

    Tatsächlich folgen wir der Wissenschaft aber schon längst, unser gesamter Alltag ist nicht nur von den Resultaten wissenschaftlicher Entdeckungen durchdrungen, sondern wir haben auch dieselbe Grundhaltung zur Welt, zum Leben und zu uns selbst wie die Wissenschaft. Sie ist die Religion der Moderne.

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    Auch der Kapitalismus ist aus ihr hervorgegangen, die geistige Bewegung von der christlichen Religion zur Wissenschaft ist ihm um einige Hundert Jahre vorausgegangen. Und sie geht ihm auch weiter voraus, auch wenn das Kapital maßgeblich daran mitwirkt, was erforscht wird und was nicht und wie die Erkenntnisse der Wissenschaft verwertet werden. Die Triebfeder liegt im Geist, und zwar im christlichen Geist.

    Aber auch dieser Geist ist nichts Gemachtes, sondern etwas Gewachsenes. Von der biblischen Aufforderung, sich die Erde untertan zu machen, führt ein langer, aber ganz logischer Weg zur Wissenschaft, zum Kapitalismus, zur Globalisierung und neuerdings zum Transhumanismus. Sie sind die Erfüllung, die tatsächliche Verwirklichung des christlichen Geistes (Malte Nelles, „Gottes Umzug ins Ich“, Europa Verlag, München 2023). So wie es eine Evolution der Arten gibt, gibt es auch eine Evolution des Bewusstseins. Es ist ein natürlicher Prozess.
    Hat der Kapitalismus eine Zukunft?

    Daraus folgt etwas ganz Simples: Man kann den Kapitalismus nicht abschaffen. Er muss – auch dies hat Marx schon gesehen, aber nicht ernst genommen – an seine Grenzen kommen und dann von innen heraus zerbrechen, genauso wie das Feudalsystem und die ihm entsprechenden Formen des Wirtschaftens. Dazu muss aber in seinem Innern ein neues Bewusstsein entstehen, ein Bewusstsein, das über den Geist der Wissenschaft hinausgeht, so wie dies einst mit den Entdeckungen von Kopernikus, Kolumbus, Galilei und vielen anderen seinen Anfang nahm. Die linke Hoffnung auf ein „revolutionäres Subjekt“, das gegen die herrschenden Verhältnisse aufsteht und sie überwindet, ist vollkommen illusorisch.

    Porträt von Karl Marx

    Porträt von Karl MarxFriedrich-Ebert-Stiftung/dpa

    Die Proletarier (Marx) oder gar die Randexistenzen (Fanon, Marcuse) wollen nur genug zu essen oder Drogen, die sie ihr Elend nicht fühlen lassen, und die linken Denker sind alle desselben Geistes Kind, der auch im Kapitalismus wirkt. Wahrscheinlich wäre er ohne sie schon längst untergegangen, ihre Kritik und ihr Kampf machen ihn flexibel und halten ihn so am Leben.

    Überhaupt: Aus dem Dagegensein und dem Kampf entsteht nie etwas Neues. Dazu braucht es mutige Menschen, die einen neuen und weiteren Geisteshorizont betreten und damit für viele andere eröffnen, einen Horizont, der nicht gegen etwas ist, sondern über die wissenschaftliche Religion und den kapitalistischen Moloch, den diese geschaffen hat, hinausgeht und ihnen den Platz zuweist, der ihnen zusteht: den eines praktischen Instruments, das das Leben angenehmer machen kann.

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    So wie dies damals niemand gemacht hat, kann man dies auch heute nicht machen. Es geschieht, wenn die Luft zum Atmen zu eng wird, wenn der Geist aus sich heraus in eine neue Dimension will. Die Entdecker, die in diese unbekannte neue Welt aufbrechen, kommen dann von selbst – und werden selbstverständlich von der Masse und den Profiteuren des Status quo verfemt, verleumdet und verfolgt. Das war immer so und wird auch so bleiben. Es sind auch schon viele da, aber die alten Kräfte werden dem Neuen nicht kampflos weichen, sie werden sich mit Händen und Füßen und allem, was sie haben, gegen ihren Tod wehren.

    Der Untergang der alten Welt wird ein sehr schmerzhafter und sich lange hinziehender Prozess sein. Die letzten Reste des alten Feudalsystems wurden mit dem Ersten Weltkrieg weggefegt, also rund 400 Jahre nach Kopernikus und Kolumbus und 300 Jahre nach Galilei und den Anfängen der Aufklärung. Ob aus dem Untergang der heutigen wissenschaftlich-kapitalistischen Welt eine neue hervorgehen wird, steht in den Sternen. Eines ist jedoch gewiss: Niemand wird eine neue Welt schaffen können. Entweder sie entsteht von selbst, aus der inneren Bewegung des Geistes (des menschlichen Bewusstseins), oder sie entsteht nie.

    Wilfried Nelles ist Psychologe, Sozialwissenschaftler und Autor.

    #capitalisme #wtf

  • „Dauerkolonie“ im Afrikanischen Viertel in Berlin: Führung erklärt deutschen Kolonialismus
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/afrikanischen-viertel-in-berlin-fuehrung-erklaert-deutschen-kolonia


    Justice Mvemba will über die deutsche Kolonialgeschichte aufklären. Foto: Sabine Gudath

    27.1.2024 von Maria Häußler - Warum sollten manche Straßen umbenannt werden? Was ist problematisch an den Kleingartenkolonien in Wedding? Und was hat das alles mit Edeka zu tun?

    An diesem Freitagnachmittag im Januar zieht sich eine dünne Schneeschicht über den Gehsteig der Swakopmunder Straße im Wedding, in der sich eine Gruppe von etwa fünfzehn Menschen für eine „Dekoloniale Stadtführung“ trifft. Sie haben eine private Führung gebucht, die Kosten werden von einer Stiftung übernommen. Untereinander sprechen die Teilnehmer über kalte Zehen und wünschten sich, sie seien wärmer gekleidet. Trotzdem stellen sie so viele Fragen, dass die Führung, die auf zwei Stunden ausgelegt ist, eine halbe Stunde länger dauert.

    Warum sollten manche Straßen im Afrikanischen Viertel in Wedding umbenannt werden und andere nicht? Was ist daran problematisch, eine Kleingartenkolonie „Dauerkolonie Togo“ zu nennen? Und welche Folgen hatte die Afrika-Konferenz in Berlin? Mit solchen Fragen beschäftigt sich Justice Mvemba. Die 32 Jahre alte Frau bietet eine „Dekoloniale Stadtführung“ an, in der all diese Fragen beantwortet werden. Sie ist damit auch an der Frontlinie eines Kulturkampfes: Während manche von einer „woken“ Bewegung sprechen, die nur spalte, sehen andere darin eine überfällige gesellschaftliche Änderung, die ihrer Meinung nach zu mehr sozialer Gerechtigkeit führt.

    Die Stadtführerin Justice Mvemba führt auch Gruppen durchs Humboldt-Forum, heute aber soll es das Afrikanische Viertel sein. An sieben Orten von der U-Bahnstation Afrikanische Straße bis zur Haltestelle Rehberge spricht die Stadtführerin über deutschen Kolonialismus und seine Folgen. Das beginnt schon beim Namen des Viertels: Carl Habenbeck wollte im Volkspark Rehberge einen Zoo mit afrikanischen Tieren aus den Kolonien gründen. Auch Menschen sollten in einer sogenannten Völkerschau ausgestellt werden. Die Völkerschau fand nie statt, das Afrikanische Viertel sollte trotzdem die kolonialen Errungenschaften würdigen.

    Davon erzählt Justice Mvemba gleich zu Beginn der Führung. Sie hält Fotos und Landkarten hoch, mal um zu zeigen, wie viele Staaten in den Kontinent Afrika passen, mal um über den Marterpfahl auf einem Spielplatz im Volkspark Friedrichshain zu sprechen. Die Teilnehmer der Tour stellen kaum kritische Fragen, stattdessen tragen sie ihr Wissen über rassismussensible Sprache und die deutschen Kolonien bei.

    „Kritische Fragen sind selten“, sagt Justice Mvemba der Berliner Zeitung. „Diese Gruppe ist aber besonders interaktiv.“ Dann spricht sie vom Handel mit Kolonialwaren, einen deutschen Kolonialwarenhändler gebe es immer noch. „Du grinst schon so. Kennst du ihn?“, fragt sie eine Frau mit Puschelmütze. „Edeka“, antwortet die. Die Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler nennt sich tatsächlich immer noch so. „Während der Holocaust als Verbrechen gilt, ist die Kolonialzeit bis heute positiv besetzt“, erklärt Mvemba.

    Ist das eine Dauerkolonie oder kann das weg?

    Eine Deutschlandflagge weht über einer der Hütten des „Dauerkleingartenvereins Togo e.V.“, der inzwischen nur noch „Dauerkleingartenverein“ heißt. Vor Ort ist die Änderung nicht sichtbar, ein Schild zeigt daneben auch den Namen „Dauerkolonie Togo“. Dass Kleingärten auch Kolonien genannt werden, verharmlose laut Mvemba die Kolonialzeit. Sie zieht sogar eine Verbindung zwischen dem Hissen von Flaggen in den Kleingärten und auf jenen Gebieten, die Siedler in den Kolonien einst besetzten.

    Ein Großteil der Kleingärtner wolle die Umbenennung nicht. Sie selber habe nichts damit zu tun gehabt, sagt Mvemba, trotzdem führe sie Gespräche mit einzelnen Mitgliedern: Der Name sei Tradition, sagen die. Mvemba ist der Ansicht, der Name „Dauerkolonie Togo“ führe nicht dazu, dass Kleingärtner sich kritisch mit der Kolonialgeschichte auseinandersetzen. „Davon kann man nicht ausgehen“, sagt sie der Berliner Zeitung nach dem Stopp vor dem Kleingartenverein. „Nach einer Umbenennung beschäftigen sich die Leute eher damit.“

    Einige aus der Gruppe sehen das ähnlich. „Warum steht das Schild immer noch da?“ Die Person, die die Führung gebucht hat, klingt erstaunt. In der Petersallee fragt dann doch jemand genauer nach: „Wie siehst du das denn, sollte zum Beispiel die Swakopmunder Straße auch umbenannt werden?“, fragt ein junger Mann, der selbst im Afrikanischen Viertel lebt. Es klingt zögernd. Swakopmund ist eine Stadt in der ehemals deutschen Kolonie Namibia. „Das Afrikanische Viertel soll erhalten bleiben“, sagt Mvemba und schaut auf das Schild der Petersallee. „Es wäre fatal, wenn das ausradiert wird. Der Unterschied ist, dass hier ein Mensch geehrt wird.“

    Die Kolonisierten im ehemaligen Deutsch-Ostafrika (heute Tansania) nannten Carl Peters wegen seiner Brutalität auch „Blutige Hand“. Nach ihm ist die Straße benannt, in der die Gruppe jetzt stehen bleibt. Die Stadt hat sie offiziell schon 1986 dem Berliner Stadtverordneten Peters gewidmet – doch das ist am Straßenschild nicht erkennbar. Das reicht den Initiativen nicht, die sich für Straßenumbenennungen einsetzen: Für einen Perspektivwechsel in der Erinnerungspolitik soll ihrer Ansicht nach ein Widerstandskämpfer geehrt werden, wie am Manga-Bell-Platz und der Cornelius-Fredericks-Straße.

    Die Führung endet an einer Informationsstele, auf der der Kampf um Sprache in Bezug auf postkoloniale Perspektiven noch einmal deutlich wird: Nach mehr als sechs Jahren Diskussion über die Formulierung eines Textes über das Afrikanische Viertel haben sich die Stadt Berlin und die afrodiasporische Gemeinschaft auf einen Kompromiss geeinigt: Auf einer Seite ist der Text der Stadt zu lesen, auf der anderen Seite der der afrodiasporischen Gemeinschaft.

    Die Teilnehmer wechseln von einer Seite zur anderen, sie sollen identifizieren, welcher Text von wem geschrieben wurde. An den Anführungsstrichen um das „Afrikanische Viertel“ und der Bebilderung erkennen sie es: Laut Mvembas Interpretation werden auf der Seite der Stadt nach wie vor die Täter in den Vordergrund gerückt. Die Kolonisierten seien dagegen herabwürdigend dargestellt: Auf einem der Fotos hocken einige von ihnen halbnackt auf dem Boden.

    #Berlin #Wedding #Swakopmunder_Straße #Afrikanische_Straße #Petersallee #Rehberge #Dauerkolonie_Togo #Stadtführung #Deutsch-Ostafrika #Tansania #Kolonialismus