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  • DDR-Geschichte : Abenteuer mit der Freundschaftsbrigade in Afrika
    https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/ddr-geschichte-abenteuer-mit-der-freundschaftsbrigade-in-afrika-li.

    L’état socialiste allemand poursuivait une politique d’aide au développement solidaire. Des milliers de jeunes diplomés y participaient et construisaient des logements et d’autres infrastructures. A la fin d’un projet les partenaires locaux en prenaient la gestion autonome. L’auteure raconte son expérience personnelle .


    Fast 13.000 Lastwagen W50 lieferte die DDR nach Angola, manche rollen noch heute. Hier zwei Exemplare im Jahr 2020 in der Stadt Calulu.

    14.1.2024 von - Maritta Adam-Tkalec - Ein Weg in die Welt führte für etliche Tausend junge Leute nach Asien, Afrika und Lateinamerika – für viele Monate zur Entwicklungshilfe. Was für eine Erfahrung!

    Die Freie Deutsche Jugend musste ran, sobald die DDR Außerordentliches anging – ob der Bau einer Erdgastrasse in der Sowjetunion, des Zentralflughafens Berlin-Schönefeld, des Kernkraftwerks Lubmin oder der Umbau der alten Berliner Mitte zur repräsentativen DDR-Hauptstadt.

    Zentrale Jugendobjekte profitierten von der Allgegenwart der FDJ, die über straffe Strukturen für solche klar definierte und zeitlich begrenzte Projekte verfügte.

    Solche Großvorhaben setzten natürlich auch auf die Begeisterungsfähigkeit junger Leute, in der Anfangszeit der DDR mit Riesenerfolg. Dem Aufruf zur Aktion „Max braucht Wasser“ 1949 folgten 2400 Jugendliche und bauten eine Wasserleitung von der Saale zum Stahlwerk Maxhütte in Unterwellenborn. Die Schüler und Studenten schliefen in Güterwagen mit Kanonenöfen und legten die fünf Kilometer lange Leitung binnen 90 Tagen.

    Im Geiste dieses legendären Vorbilds zogen 1964, vor 60 Jahren, die ersten FDJ-Freundschaftsbrigaden in junge Nationalstaaten. Sie sollten Dörfer aufbauen, aber auch von der Solidarität der DDR mit den ehemals kolonial unterdrückten Völkern künden – als Botschafter im Blauhemd. Entsandt wurden keineswegs allein von Idealismus getriebene Laien, sondern qualifizierte und nach persönlicher Eignung ausgewählte Leute – SED-Mitgliedschaft erwünscht, aber es ging auch ohne.
    Freundschaftsbrigaden aus der DDR in 26 Staaten

    Die ersten reisten als Agrarberater ins 1960 unabhängig gewordene Mali, kurz darauf begann eine Brigade in Algerien mit dem Wiederaufbau eines im Unabhängigkeitskampf gegen Frankreich zerstörten Ortes. 1966 ging eine Brigade an den Aufbau eines Musterdorfes in Sansibar, samt einer Berufsschule für Schlosser, Klempner sowie Tischler und einer Moschee.

    „Über ein Vierteljahrhundert lang arbeiteten wir in 26 Staaten an mehr als 40 Standorten und halfen mit, dort aus der Jugend Tausende eigene Fachleute für die Wirtschaft auszubilden“, schreibt eine Gruppe ehemaliger Brigadisten zu Beginn des Jahres 2024 zum 60. Jahrestag an einstige Mitaktivisten.


    Straße mit DDR-Plattenbauten in Sansibar – Ergebnis der Arbeit einer FDJ-Freundschaftsbrigade imago

    Diese Einsätze in Asien, Afrika und Lateinamerika sind heute wenig bekannt. Die nach der Wende verfassten, dürftigen Studien fallen hoffnungslos einseitig aus. Zumeist fußen sie auf bürokratischen Arbeitsberichten oder auf den in der Regel als ideologischer Kulissenzauber produzierten „Brigadetagebüchern“.

    Die ehemals Beteiligten erinnern sich an Schönes und Schwieriges: „Im engen freundschaftlichen Kontakt – oft weit entfernt von den Zentren der Einsatzländer und unter komplizierten Bedingungen mit einfachen Mitteln – gaben wir mit großem persönlichem Einsatz unsere beruflichen Erfahrungen und Fähigkeiten aus dem Bauwesen, dem Handwerk, dem Gesundheitswesen und der Landwirtschaft an unsere jungen, wissbegierigen Freunde vor Ort weiter.“ Einsatzbereitschaft auch über die Aufgabe hinaus und Bescheidenheit verschafften den Brigaden hohes Ansehen – zumindest hört man das noch heute aus den Gastländern.

    In Angola arbeiteten mehr als 20 Jahre lang Hunderte Kfz-Schlosser, -Elektriker, -Klempner, Fahrschullehrer, auch einige Ärzte und Krankenschwestern. Die Autorin dieses Textes war als Dolmetscherin von Juli 1978 bis März 1979 dabei, davon fünf Monate in der südlichen Basis Lobito, eindrucksvoll gelegen zwischen Gebirge, Wüste und Atlantik. Das größte denkbare Abenteuer ihrer bis dahin 22 DDR-Lebensjahre.

    Abenteuerlust, Neugier auf die ganz andere Welt da draußen und die Aussicht, dauerhaft Reisekader zu werden – das nennt auch Roland Scholz, von 1978 bis 1988 (mit Unterbrechung) Leiter der Zentralen Einsatzleitung der Brigaden in Angola, als Hauptmotive für die Entscheidung, sich für viele Monate, ohne Familie in unkomfortable Lebensumstände zu begeben, in Mehrbettzimmer, große Hitze, meist ohne Klimaanlage, mit instabiler Wasser- und Stromversorgung – und Myriaden von Malariamücken.


    Auch nach dem Ende der DDR arbeitete das Krankenhaus Carlos Marx in Managua weiter. Es war 1985 als eines der größten Solidaritätsprojekte der DDR gegründet worden. 2008 reiste Margot Honecker aus ihrem Exil in Chile zum Besuch an.Esteban Felix/AP

    Angola wuchs zu einem der größten Einsätze von Freundschaftsbrigaden. Doch die Zuständigkeit lag bis 1986 gar nicht beim Zentralrat der FDJ, sondern in den Händen von Fachministerien (Verkehr und Maschinenbau). Auch rührte der Einsatz nicht allein aus dem Motiv, Angola nach dem Ende der portugiesischen Kolonialmacht 1975 zu helfen.

    Die DDR hatte handfeste Interessen: politische, weil sich die neue Führung Angolas für einen sozialistischen Weg offen zeigte, und wirtschaftliche. Die Kaffeepreise auf dem Weltmarkt waren 1977 extrem gestiegen, die devisenschwache DDR litt und das Volk murrte, weil es nicht genug „guten Bohnenkaffee“ gab. Angola verfügte über erstklassige Kaffeeanbaugebiete. Statt „Max braucht Wasser“ galt nun „Heinz und Erika brauchen Kaffee“.

    Als der Kaffee in der DDR plötzlich eine teure Mangelware wurde

    Reiseweltmeister DDR: Von wegen Urlaub im Zwangskollektiv

    1977 fädelte Werner Lamberz, Mitglied des SED-Politbüros, den Deal Kaffee gegen Lastwagen aus Ludwigsfelde ein, was einer Direktumwandlung von DDR-Mark in Dollar gleichkam. Allradgetriebene W50, geeignet für den Einsatz in gebirgigen Kaffeeplantagen, hatte man auf Lager – Restbestände von Militärlieferungen, ursprünglich für Verbündete in der arabischen Welt produziert, daher die saharagelbe Lackierung. Seinerzeit munkelte man, sie seien für den Einsatz im Jom-Kippur-Krieg 1973 gedacht gewesen. Das hieße: im Aggressionskrieg gegen Israel.

    Den Lkw-Service in Angola sollten die Freundschaftsbrigaden etablieren und obendrein Kaffeeschälmaschinen reparieren – alles schnell, improvisierend, kostengünstig. Wer als Brigadist nach Angola wollte, sollte neben der Fachqualifikation auch Grundwehrdienst geleistet haben, tropentauglich, verheiratet und Parteimitglied sein. In meiner Brigade erfüllten die wenigsten die letzten beiden Punkte. Auch ich nicht – ledig, parteilos.

    Westgeld für zu Hause

    Das Gehalt (plus Tropenzuschlag) wurde zu Hause gezahlt, Unterkunft und Verpflegung hatte laut Vertrag der angolanische Staat zu stellen, dazu ein Taschengeld in der Landeswährung Kwanza im Gegenwert von 90 US-Dollar pro Monat. Wer das nicht verbrauchte, konnte es als Devisengutschein nach Hause transferieren. Das machten alle. Für die Privatkasse betrieb jeder je nach Talent einen (DDR-offiziell streng verbotenen) Tauschhandel. Billige Ruhla-Armbanduhren waren der Renner.

    Zum Vorteil für alle geriet die in der „ersten Heimwerkerdiktatur auf deutschem Boden“ (so ein namhafter Historiker) antrainierte Fähigkeit zum Improvisieren. Also: mit wenig oder nur halb passendem Material kreativ umgehen und das fehlende zu „organisieren“. Für Schlosser einer Autowerkstatt in Angola waren Schrottplätze und Unfallstellen solche Quellen. Dort lagen Ersatzteile – leider auch in kurz nach der Lieferung verunfallten W50.

    Bildstrecke


    _Völkerfreundschaft live: Der kubanische Koch (Mitte) aus der Nachbarschaft hat gefüllte Tintenfische serviert. Dolmetscherin Maritta hats geschmeckt. Maritta Tkalec


    Brigadist vor FDJ-Fahne im Gemeinschaftsraum der Basis Lobito. Maritta Tkalec


    Unterkunft der FDJ-Brigade Lobito, vom Atlantikstrand aus gesehen, ehemals Wohnungen portugiesischer Postbeamter. Maritta Tkalec


    Weihnachten 1978/79 am Atlantikstrand, eine eher traurige Versammlung Maritta Tkalec


    Der Schriftsteller Jürgen Leskien, der die Arbeit der Brigade einige Monate lang begleitete, schenkt Hochprozentiges aus. Maritta Tkalec

    Ansonsten floss viel Energie in den Alltag: Sauberes Wasser herbeischaffen, Moskitonetze und Stromgenerator erzwingen, Bananenkisten durch ein paar Möbelstücke ersetzen, Kontakt zur Brauerei pflegen, denn Bier hebt die Laune in jedem Schützengraben und diente in Angola als Tauschwährung. Der Bauer des Ananasfeldes mit köstlichen Riesenfrüchten nahm gerne Bier, während der deutsche Farmer, seit Jahrzehnten ansässig im Hochland von Gabela, sich über ein Neues Deutschland freute.

    Vom Mut des jeweiligen Basisleiters hing ab, wie viel Abenteuer möglich war: Ausflüge ins Umland, in atemberaubende Landschaften, in abgelegene Dörfer, mit dem kubanischen Krabbenfischer auf den Atlantik, zur nächtlichen Festa mit Trommeln unter Palmen, der Besuch in der Zaubermittel-Apotheke eines Heilers. Wer zu Hause von solchen Erlebnissen berichten konnte, war der beneidete Star der Familienfeier.

    Für die Partei- und Jugendarbeit gab es in Luanda zwei Verantwortliche, aber Lobito lag Hunderte Kilometer weit weg. Als sie uns besuchten, hing natürlich im „Wohnzimmer“ die gebügelte FDJ-Fahne. Das Verbot, über die Arbeitskontakte hinaus keine Beziehungen in die Bevölkerung hinein zu pflegen, unterhöhlte die propagierte Grundidee von der Freundschaft der Völker, ließ sich aber umgehen.

    Roland Scholz erinnert sich an die politische Stimmung der Brigadisten: „Der Solidaritätsgedanke war nicht motivierend. Und von FDJ war da anfangs noch gar nichts.“ Dennoch: Die Bereitschaft, den angolanischen Nachbarn zu helfen, den Werkstattkollegen etwas beizubringen war groß – Ehrensache ebenso wie der reparierte Motor, auch wenn es mal über den Feierabend hinausging.


    W50 als Busersatz im kubanischen Baracoa. Auch in Kuba arbeitete eine Freundschaftsbrigade. Sarang/CC0 1.0 Universal

    Immer wieder rückten wir camaradas alemães aus zu Sonderaktionen am Wochenende oder wenn die örtliche Verwaltung ein besonders großes Problem hatte. Zu offiziellen Anlässen wie Kundgebungen an Feiertagen oder Kulturereignissen erschienen wir im Blauhemd. Man war froh über jede Abwechslung.

    Heimweh und Seelenkasper

    Und nicht jeder blieb in den langen Monaten fern von zu Hause – ohne Telefon und nur alle vier Wochen Postlieferung – psychisch stabil. Da konnten die Palmen noch so rauschen und der Atlantik in der Sonne blitzen: Zu Weihnachten kam zum Heimweh der Seelenkasper, nach reichlich Bier flossen auch die vom Vater oder Opa gehörten Landsersprüche. Ansonsten erlebten wir eine Region im Krieg. Die Rebellenorganisation der Unità überfiel Transporte, zündete Bomben vor Krankenhaus und Volksladen. Es galt nächtliche Ausgangssperre. Kubanische Militärs wohnten in der Nachbarschaft.

    In den DDR-Zeitungen, die über die Freundschaftsbrigaden berichteten, fehlte das Wort „Solidarität“ niemals – dennoch blieben die Texte überwiegend in offiziösem und emotional trockenem Tonfall. Unkontrollierte Begeisterung für Abenteuer in Afghanistan, Somalia, Guinea-Conakry oder Kuba zu wecken, lag offenbar nicht in der Absicht. Dafür bekamen wir den vermessenen Anspruch zu hören, man stehe als Brigadista gemeinsam mit den natürlichen Verbündeten in den Entwicklungsländern an „vorderster Front im Kampf für den weltweiten Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus/Kommunismus“.

    Gleichwohl: Die Männer der DDR-Führung meinten es mit der Botschaft der Brigaden – Internationalismus und Solidarität – ernst. Bei Begegnungen mit Vertretern junger Nationalstaaten gingen ihnen die Herzen auf. Auch die Taschen. Als Dolmetscherin habe ich das erlebt: Wenn DDR-Offizielle Afrika besuchten, brach sich sentimentale Erinnerung an die Träume der eigenen Jugend Bahn. Wirtschaftlich ertragreich arbeiteten die Freundschaftsbrigaden nicht. Doch sie brachten Renommee – wichtig in den Jahren, als die DDR um staatliche Anerkennung kämpfte, dann bei Abstimmungen in der Uno und schließlich bei der Suche nach Wirtschaftspartnern.

    Die DDR kannte sich aus im Metier Berufsausbildung; und jeder hielt das für nützlich und sinnvoll. Die Partner wussten, dass die DDR-Brigaden mit Plan und Auftrag auch in entlegenen Gegenden arbeiteten, koordiniert und nicht nach dem Gießkannenprinzip.

    Der Berliner Afrikaspezialist Professor Ulrich van der Heyden hat in seiner Studie „Freundschaftsbrigaden, Peace Corps des Ostens“ die Strategie der Berufsausbildung beschrieben: die Besten aus den Berufsausbildungszentren zur Lehrmeisterausbildung in die DDR schicken, nach deren Rückkehr Übernahme der Projekte in lokale Hände.

    Das Ziel bestand von vornherein darin, sich wieder aus dem Projekt herausziehen, statt dauerhafte Abhängigkeiten zu erzeugen. Vorbildlich im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe. In den wenigen Projekten, die nach der Wiedervereinigung vom DED (Deutscher Entwicklungsdienst) übernommen wurden, verloren die Ortskräfte die Verantwortung. Dies erfuhr Ulrich van der Heyden von einer DED-Mitarbeiterin. Die DDR-Erfahrung interessierte nicht mehr.

    #histoire #DDR #RDA #Angola #FDJ #tier_monde #Afrique #solidarité_internationale

  • Jens Spahn : „Illegale Migration beendet die demokratische Mitte in Deutschland“
    https://www.berliner-zeitung.de/news/hendrik-wuest-fordert-allianz-der-mitte-in-der-migrationspolitik-je

    L’extrême droite et les chrétien-démocratess se disputent le palmarès pour la poltitique anti-migratoire la plus radicale. C’est l’heure de l’extrémisme du centre.

    14.1.2024 von,Maria Windisch - Ministerpräsident Hendrik Wüst spricht sich in einem Interview für die demokratische Mitte aus. Jens Spahn kontert daraufhin in den sozialen Medien.

    Angesichts des Umfragehochs der AfD hat Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) die Bundesregierung zur Zusammenarbeit bei der Begrenzung der Migration aufgerufen. „Die Kraft von Populisten und Extremisten speist sich immer aus der Handlungsunfähigkeit der Demokraten“, sagte er im Tagesspiegel am Sonntag.

    Das gelte vor allem bei der Migrationsfrage. Nach seinen Worten könne eine Allianz der Mitte die politischen Ränder schwächen. Der CDU-Politiker Jens Spahn ist allerdings skeptisch und sieht die demokratische Mitte durch illegale Migration bedroht.

    Dem CDU-Politiker Wüst zufolge zeigte das Potsdamer Treffen von AfD-Politikern mit rechtsextremen Aktivisten, dass die AfD „keine Protestpartei“ sei. Bei dem Treffen waren Pläne zur millionenfachen Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund erörtert worden. „Die AfD ist eine gefährliche Nazipartei“, sagte Wüst.

    Spahn, der ehemalige Bundesgesundheitsminister, kommentierte am Sonntag in einem Beitrag in dem sozialen Netzwerk X, dass die Ampel-Parteien angesichts der aktuellen Migrationsfrage auch harte Entscheidungen treffen sollten. Dabei stimmte er auch den Interview-Aussagen seines Parteikollegen Wüst zu. Dazu hieß es: „Hendrik Wüst hat Recht [sic]: Entweder beendet die demokratische Mitte die illegale Migration nach Deutschland – oder illegale Migration beendet die demokratische Mitte in Deutschland.“

    Die Ampel-Koalition würde „die Verantwortung für die überfordernde Lage und krisenhafte Stimmung im Land“ tragen. Weiter führte er aus, dass wir derzeit eine nie dagewesene Vertrauenskrise in die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung erleben würden. „Macht die Ampel so kopf- und planlos weiter, wird daraus eine Krise der Demokratie. Die Verweigerung der Ampel ist ein Konjunkturprogramm für Extremisten.“

    Hendrik Wüst hat Recht: Entweder beendet die demokratische Mitte die illegale Migration nach Deutschland - oder illegale Migration beendet die demokratische Mitte in Deutschland. Die Ampel-Parteien sollten endlich in einer Allianz der Mitte mit uns die notwendigen, auch harten… https://t.co/eigPG166of
    — Jens Spahn (@jensspahn) January 14, 2024

  • „Moviemento“ in Berlin: Ältestes Kino Deutschlands gerettet
    https://www.berliner-zeitung.de/news/moviemento-in-berlin-aeltestes-kino-deutschlands-bleibt-erhalten-li

    9.1.2024 von Eva Maria Braungart - Dem Kino am Kottbusser Damm drohte seit einigen Jahren das Aus. Doch nun kam die gute Nachricht: Es kann bleiben.

    Das älteste Kino Deutschlands, das „Moviemento“ auf dem Kottbusser Damm, ist gerettet. Wie das Kino in einem Beitrag auf Instagram mitteilte, konnte es die Räume in Kreuzberg selbst erwerben. Im Jahr 2019 wurde bekannt, dass der Immobilienkonzern Deutsche Wohnen das Haus gekauft hatte – dem Kino drohte das Aus.

    Die Betreiber des „Moviemento“ kämpften jahrelang um den Erhalt. Eine Crowdfundingkampagne sollte das Kino retten – doch der Kaufpreis war mit über 1,8 Millionen Euro sehr hoch. Im Januar wurde schließlich bekannt, dass die Betreiber des „Moviemento“ die Räumlichkeiten erworben haben. Die symbolische Schlüsselübergabe an die Betreiber fand am Montag statt.

    Im vergangenen Jahr erhielt das „Moviemento“ bei der Verleihung des Kinoprogrammpreises einen der Hauptpreise. Die Kinomacher wurden für das beste Dokumentarfilmprogramm geehrt und konnten sich über 10.000 Euro freuen.

    Das Kino wurde im Jahr 1907 als Lichtspieltheater am Zickenplatz eröffnet. Im Jahr 1984 wurde es auf den Nahmen „Moviemento“ getauft.

    Kino Moviemento Kontakt
    https://moviemento.de/kontakt

    Kottbusser Damm 22
    10967 Berlin · Kreuzberg

    post@moviemento.de

    Kinokasse für Kartenreservierungen: 030 – 692 47 85

    Büro für Schulkino- & Gruppenvorbestellungen, Sonderveranstaltungen & Saalvermietungen: 030 – 40 98 23 63

    Kottbusser Damm
    https://m.kauperts.de/Strassen/Kottbusser-Damm-10967-Berlin

    PLZ: 10967
    Ortsteil: Nr. 1-36 Kreuzberg
    Nr. 62-104 Neukölln
    ÖPNV: Zone A Bus M41, 171, 194, 344 — U‑Bahn 7, 8 Hermannplatz ♿, U‑Bahn 8 Schönleinstraße
    Verlauf: von Kottbusser Str, Planufer und Maybachufer an der Kottbusser Brücke bis Urbanstraße und Sonnenallee am Hermannplatz Nr 1-36, zurück 62-104

    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Kottbusser_Damm

    Hist. Namen: Dresdener Heerstraße, Rixdorfer Damm (1838–1874)

    #Kottbusser_Damm #Kreuzberg #Kino

  • Rosa-Luxemburg-Kongress in Berlin : Buhrufe für Abgeordnete vom Bündnis Sahra Wagenknecht
    https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/rosa-luxemburg-kongress-abgeordnete-vom-buendnis-sahra-wagenknecht-

    Voilà le reportage le moins polémique qu’un journaliste petit bourgeois peut écrire sur le congrès Rosa Luxemburg annuel. Il ne remarque que les personnages et positions qu’il connaît déjà. Si on partage son opinion on devrait s’abstenir de tout engagement politique à gauche car il présente le congrès comme une rencontre de has been et perdants. Une publication qui tente l"analyse des relations internationales sur base de la théorie de l’impérialisme de Lénine n’est que de l’anti-américanisme.

    Le Berliner Zeitung publie cet article pour montrer à ses lecteurs de gauche que leur causes et convictions sont aujourd’hui dépassées et ne comptent plus.

    14.1.2024 von Thomas Fasbender - Hardcore-Momente prorussischer und propalästinensischer Sympathie. Antikolonialismus dominiert die linke Weltsicht. Renaissance des Klassenkampfs.

    Für die haltungskorrekten Medien war er eine Provokation, ein Skandal: der 29. Rosa-Luxemburg-Kongress, der am Samstag im Tempodrom, dem steinernen Veranstaltungszelt der deutschen Hauptstadt, abgehalten wurde.

    Geradezu entgeistert reiht die Kollegin vom Tagesspiegel Zitat an Zitat, von Teilnehmern und Vortragenden, zu Themen wie Gaza und Hamas, Ukraine, Israel und DDR. Der zionistische Staat Israel gehöre aufgelöst, am 7. Oktober seien keine Babys enthauptet worden, die Grenztruppen hätten zuerst auf die Beine geschossen. Was auf der Konferenz zur Sprache kam, hatte mit den Narrativen der staatsnahen Öffentlichkeit nichts mehr zu tun. Das war nicht deutsche Staatsraison, das waren auch nicht die glatten Formeln à la „aus der Geschichte gelernt“, „kein Platz für“ und „nie wieder“.

    Die Konferenz bot Hardcore-Momente prorussischer und propalästinensischer Sympathie. Dass der britische Parlamentsabgeordnete und ehemalige Labour-Führer Jeremy Corbyn, der per Video zugeschaltet war, kein Israel-Fan ist, ist bekannt. Dasselbe gilt für Wieland Hoban, den Vorsitzenden des Vereins Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost. Beide ließen keinen Zweifel daran, dass der israelische Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen für sie den schieren Völkermord darstellt. Sie waren bei weitem nicht die einzigen, die das sagten, und alle erhielten Applaus.

    Ein Lehrstück in Sachen Linkssein in Deutschland heute

    Wofür die Veranstalter gesorgt hatten, war der Respekt vor strafrechtlich roten Linien. Da ertönte kein einziges „From the river to the sea“ – brav blieben die Sprechchöre bei „Viva viva Palästina“ und „Free free Palestine“. Oder auch: „Hoch die internationale Solidarität.“ Dem Staat Israel und seinen fast zehn Millionen Einwohnern gilt sie nicht.

    Doch auch wenn die 1300 Opfer des Hamas-Massakers am 7. Oktober 2023 nicht einmal mit einem Halbsatz Erwähnung fanden – unter der Kuppel des zu rund zwei Dritteln besetzten Tempodroms waberte an diesem Samstag kein Judenhass nach Bürgerbräu-Art. Vielmehr bot die Konferenz ungeachtet der Fakes und „falschen“ Meinungen – aber wahrscheinlich gerade ihretwegen – ein Lehrstück in Sachen Linkssein in Deutschland heute.

    Blauhemden mit FDJ-Symbol

    Mit zahllosen Ständen präsentierte sich eine Subkultur, die der breiten Öffentlichkeit nur noch in Gestalt der allmählich abschmierenden Partei Die Linke und ihres (noch) embryonalen Spaltprodukts BSW, Bündnis Sahra Wagenknecht, bekannt ist. Doch die Linke war im Programm gar nicht und im Foyer nur mit einem unscheinbaren Stand vertreten. Wagenknechts Bündnis hatte es mit der Bundestagsabgeordneten Żaklin Nastić (Buhrufe!) immerhin in die abschließende Podiumsdiskussion geschafft; im Foyer suchte man das BWS umsonst.

    Wer dominierte, waren die Splitter der Splitter. Oder hat die breite Leserschaft schon von der Perspektive Kommunismus gehört? In einem Seitenflügel standen vier Blauhemden um einen FDJ-Tisch, das gelbe Symbol auf dem linken Ärmel. Wann die Revolution denn wohl kommen wird? Ein Blonder, höchstens um die 20, lacht. Er werde das wohl nicht mehr erleben, aber nötig sei sie. Der Kapitalismus müsse jedenfalls weg.

    Die jungen Besucher wirkten in der Mehrheit intelligent, gut gelaunt und sympathisch. Man sah ihnen an: Sie glauben an die Möglichkeit einer besseren Welt. Es gab auch die Grimmen mit dem harten Blick und der Aura von schwarzem Block, aber die Entspannten waren in der Überzahl. Trotz der sicher 2000 Gäste kam es über viele Stunden hinweg zu keinem lauten Streit, keinem Zwischenfall.

    Dann gab es noch die Alten, teils auch ganz Alten, eine eigene Familie. Sie erschienen früh; bis zum Abend blieben die wenigsten. Man kennt sich, man grüßt sich. Links hinter dem Eingang, auf dem Tisch der Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären Unterstützung e.V., lag Informationsmaterial bereit: „Die Bilanz der politischen Strafverfolgung in Deutschland nach 1990“ und eine 116-seitige Broschüre „Ehre den ermordeten Grenzern und verstorbenen Aktivisten“.

    Diplomaten aus Russland, China, Belarus

    Moderatorin des Tages war Gina Pietsch, in der DDR einst Mitglied des Oktober-Klubs, im neuen Deutschland antifaschistisch engagiert. Sie begrüßte die anwesenden Diplomaten: Gesandte der russischen Botschaft, der chinesischen Botschaft und der belarussischen Botschaft, außerdem die kubanische Botschafterin. Nun mag man sich wundern, warum die dezidiert antikapitalistische Pietsch sich über russischen Diplomatenbesuch freut. Während China immerhin so tut, als ob es kommunistisch sei, herrscht in Russland ein autoritärer Kapitalismus oder eine kapitalistische Diktatur, der Selbstbeschreibung zufolge eine gelenkte Demokratie – jedenfalls nichts, was auch nur entfernt an Sozialismus oder Kommunismus erinnert.

    Die Erklärung leitet über zu der Frage: Was macht linkes Denken heute aus? Die angeblich so dominante Identitätspolitik ist es nicht, nicht auf dieser Konferenz jedenfalls. Die Flaggen waren rot statt regenbogenfarben, queer war kein Thema, und es wurde auch nicht durchgängig gegendert. Die Abgrenzung gegen Grün und die Ablehnung des Begriffs linksgrün waren unverkennbar, in den Buhrufen und im Applaus unüberhörbar.

    Was eine große Rolle spielt, sind Antiimperialismus, Antikolonialismus und Frieden. Sogar der Klassenkampf, lange Zeit stiefmütterlich behandelt, wurde thematisiert. Am deutlichsten übrigens, das ist bezeichnend, durch einen Gast aus dem Ausland. Wenn jemand an diesem Tag so etwas wie orthodoxe Positionen vertrat, dann war es die stellvertretende Vorsitzende der türkischen Partei der Arbeit, Sevda Karaca.

    Keine Begrenzung der Migration

    Und noch etwas: Migration. Die Buhrufe, die der abtrünnigen Linken Nastić galten, waren die Quittung für Sahra Wagenknechts Äußerungen zu Migrationsbegrenzung und Migrationssteuerung. Allenfalls über die Beseitigung der Fluchtursachen darf geredet werden. Alles andere ist in der Subkultur der linken Splittergruppen ein absolutes No-Go; Solidarität geht dort (jedenfalls in der Theorie) mindestens so weit wie der heilige Martin, der seinen Mantel teilt.

    Aus dem antiimperialen und antikolonialen Kampf heraus erklären sich auch die prorussischen und propalästinensischen Positionen. Dahinter steckt ein tiefer Antiamerikanismus; am Urgrund allen Übels sitzt der Moloch USA, ein imperialer Sauron in Gestalt allesfressender Konzerne. Auch im 21. Jahrhundert lassen die Rechtgläubigen nicht von den Offenbarungen ihrer Propheten. In der Konferenzbeilage der Veranstalterin, der einstigen FDJ-Zeitung Junge Welt, erklärt ein zweiseitiger Beitrag die postkolonialen Entwicklungen der Gegenwart mit Lenins Theorie von den Gesetzmäßigkeiten des Kapitals.

    Wähler sind damit nachweislich nicht zu gewinnen. Ob man auf die Weise wenigstens Kriege besser verstehen kann, beispielsweise die in Palästina und in der Ukraine? Wieland Hoban vom Verein Jüdischen Stimme sprach von Israel (gefolgt von Applaus) als „imperialem Siedlerprojekt“. Selbstredend, dass die Erklärung für den Ukraine-Krieg ebenfalls im amerikanischen Expansionismus wurzelt. Russland wehrt sich nur. Wenn es unter Liberal-Konservativen die Achse des Bösen gibt – Russland, China, Iran, Hamas –, voilà, hier ist der linke Gegenentwurf.

    #Allemagne #gauche

  • Der geheime SEZ-Architekt Günter Reiß: „Mir blutet das Herz, wenn ich mein Werk heute sehe“
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/der-geheime-sez-architekt-guenter-reiss-li.2175883


    Für unseren Fotografen hat Günter Reiß noch einmal vor dem Gebäude posiert, das er einst entworfen hat. Leicht fiel ihm das in Anbetracht des Zustands des SEZ nicht. Foto Emmanuele Contini

    14.1.2024 von Anne Vorbringer - Dass Günter Reiß die einstige DDR-Badeberühmtheit SEZ geplant und geprägt hat, durfte lange niemand wissen. Jetzt erzählt er seine Geschichte.

    „Der Großstadtbürger verfügt heute über ausreichend Freizeit, die er zunehmend zur Erholung und Entspannung bei sportlicher Betätigung nutzt. Dem Ziel, Einrichtungen für Publikumssport und Freizeitbetätigung im Stadtzentrum von Berlin (DDR) zu schaffen, diente ein im Sommer 1977 erarbeitetes Rahmenprogramm zur Errichtung einer großzügigen Freizeitanlage.“ Dieser Text steht in einem Magazin des Bauunternehmens Hochtief aus dem Jahr 1982. Es geht darin um das SEZ an der Kreuzung Leninallee/Dimitroffstraße (heute Landsberger Allee/Ecke Danziger Straße) in Friedrichshain, das ein Jahr zuvor mit großem Pomp eröffnet worden war.

    Weiter heißt es im Heft: „Kommerzielle Überlegungen standen im Hintergrund, die erholende, entspannende, sportlich-spielerische Wirksamkeit war entscheidend. Das Sport- und Erholungszentrum wurde am 20. März 1981 nach dreijähriger Planungs- und Bauzeit fertiggestellt. Berlin wurde um ein Stück künstlerisch gestalteter Wasser- und Erholungslandschaft reicher.“

    All das ist lange her – und um das SEZ ist es inzwischen schon seit vielen Jahren schlecht bestellt. Jetzt hat der Senat als Wiedereigentümer entschieden, dass der gesamte Komplex abgerissen werden soll. Auf unseren Social-Media-Kanälen und in zahlreichen Leserbriefen, die die Berliner Zeitung in den letzten Tagen erreichten, zeigt sich jede Menge Unverständnis, Traurigkeit, Wut über die Abrisspläne.

    Es hat sich aber auch ein Mann bei uns gemeldet, der in ganz besonderer Weise mit dem SEZ verbunden ist. Günter Reiß, heute 83 Jahre alt, hat das SEZ damals als Architekt bei Hochtief maßgeblich geplant und entworfen. Sein Name ist auch im oben genannten Heft als einer der Entwurfsverfasser genannt. Offiziell aber durfte Reiß lange nicht auftauchen, besonders auf der DDR-Seite nicht. Bis heute ist häufig von schwedischen Architekten die Rede, die das SEZ geplant hätten. Doch das ist nur die halbe Wahrheit, wie uns Günter Reiß beim Besuch in der Redaktion erzählt.

    Er hat die Pläne von damals mitgebracht, die Originalentwürfe für das SEZ, die seinen Namen tragen. Er breitet sie vor sich auf dem Tisch aus, dann erzählt er seine Geschichte.


    Die Entwürfe sind alle noch da: Günter Reiß zeigt Skizzen und Originalpläne vom SEZ.

    Herr Reiß, wann haben Sie zum ersten Mal von den Plänen für ein neues Sport- und Erholungszentrum in Ost-Berlin gehört?

    Das war 1977, damals arbeitete ich als Architekt bei Hochtief in West-Berlin. Dort erreichte uns ein Schreiben von der Aufbauleitung Sondervorhaben Berlin, die in der DDR prominente Bauprojekte wie den Palast der Republik organisiert hat. Der dortige Chef, Erhardt Gißke, wollte Hilfe von Hochtief bei der Planung eines multifunktionalen Zentrums für Sport und Erholung, eben das spätere SEZ. Also malten wir Pläne, warfen Kreise und Linien aufs Papier, entwarfen die einzelnen Bereiche, schickten Skizzen hin und her, von Ost nach West und zurück. Immer alles schön doppelt, damit in den DDR-Dokumenten nur die Aufbauleitung Sondervorhaben stand, und im Westen eben der West-Konzern Hochtief.

    Als Anfang 1978 die offizielle Ausschreibung vom zuständigen Außenhandelsunternehmen Limex kam, haben unsere Chefs bei Hochtief gesagt, jetzt müssen wir auf den Putz hauen. Also zeichnete ich los, Tag und Nacht, im Büro und zu Hause. In unserer Küche habe ich sogar Gardinenmuster gefärbt. Schließlich bekamen wir den Auftrag, aber mein Name durfte bei den DDR-Offiziellen nicht auftauchen.

    Warum denn nicht, schließlich waren das doch Ihre Entwürfe?

    Ich bin 1972 aus dem Ostteil der Stadt nach West-Berlin geflüchtet. Wenn herausgekommen wäre, dass ein DDR-Flüchtling beteiligt ist, hätte unser Entwurf in dem Wettbewerb keine Chance gehabt. Also wurde der Name nicht genannt. Ich war auch nie auf der Baustelle, war bei der Eröffnung nicht dabei. Ich habe das SEZ, mein Herzensprojekt, erst viel später gesehen.

    Wie konnten Sie, ohne vor Ort zu sein, so ein Prestigeprojekt planen?

    Ich kannte die Ecke sehr gut. In meiner Ost-Berliner Zeit habe ich in der Heinrich-Roller-Straße gewohnt, also nur einen Steinwurf von der Leninallee entfernt. Ein weiterer Vorteil: Als in der DDR ausgebildeter Architekt und Ingenieur kannte ich die Technischen Normen, Gütevorschriften und Lieferbedingungen (TGL), also sozusagen die DIN-Normen des Ostens.

    Warum haben Sie sich damals entschieden, die DDR zu verlassen?

    Ich hatte Freunde in West-Berlin, die uns geholfen haben. Sie haben mit einem österreichischen Spediteur die Fluchtroute über die Tschechoslowakei und Österreich nach West-Berlin organisiert. Ein Jahr später gelang es dann auch, meine Frau nachzuholen. Was soll ich sagen, uns ging es eigentlich gut in der DDR, wir wurden nicht verfolgt oder so was. Ich wollte nicht zur Armee, hatte Bedenken, doch noch eingezogen zu werden. Aber sicher waren wir auch ein wenig arrogant. Wir dachten, auf der anderen Seite der Mauer wartet bestimmt Größeres, Besseres auf uns.

    Und mit dem SEZ haben Sie dann vor der Wiedervereinigung sozusagen schon ein deutsch-deutsches Projekt geplant.

    Ja, nur dass das damals niemand wissen sollte. Doch die eigentliche architektonische Leistung, vom Entwurf über die Ausführungsplanung bis hin zur Statik, die lag bei uns, bei Hochtief. Eine schwedische Baufirma bekam dann den Auftrag für die Ausführung der Stahlbetonarbeiten – nach unseren Entwürfen.

    Jedenfalls habe ich mich damals richtig reingekniet. Als Planer hatte ich das Areal genau vor mir, und auch die Ideen flossen nur so aus mir heraus. Besonders wichtig war mir das Kaskadenbecken. Meine Frau und ich sind viel gereist und waren immer begeistert von Wasserfällen in der Natur. Im SEZ bot sich dieser Geländesprung an: Die Wasserkaskade folgte dem Höhengefälle zwischen dem Wellenbad und der anderen, weiter unten gelegenen Badehalle über verschiedene Becken.

    Wenn man ehrlich ist, war das ein sehr avantgardistischer Entwurf, den die DDR allein nicht hätte umsetzen können. Schon beim Palast der Republik kam ja zum Beispiel der Stahl der Grundkonstruktion aus Schweden. Und so ist im SEZ eben neben Materialien aus Meißen oder vom VEB Stuck und Naturstein, neben organisatorisch-planerischer Expertise aus dem Osten, auch viel Know-how aus dem Westen eingeflossen. Die großen Glasfronten zum Beispiel: Die Scheiben dafür kamen aus Westdeutschland.


    Große Fensterfronten, prismatische Glasdächer, leichte Materialien und ein Außenbecken, in dem man auch im Winter schwimmen konnte: Das SEZ war State of the Art. Fito Peter Meissner

    Was ist aus Ihrer Sicht neben dieser wenig bekannten Zusammenarbeit das Besondere an der SEZ-Architektur?

    Es ist ein offener, moderner Bau mit einer damals sehr fortschrittlichen Wärmerückgewinnungstechnik. Überhaupt haben wir alles auf dem neuesten Stand der Technik geplant, die Eingangsautomatik, die Duschen, die Trennwände, das Beleuchtungskonzept. Die DDR hat sich nicht lumpen lassen, wenn es um ihre Vorzeigeprojekte ging.

    Als das SEZ eröffnet wurde, verglich man es in den Zeitungen mit einem Ufo, das auf einmal gelandet war. Die Entstehung war für DDR-Verhältnisse ungewöhnlich, weil es vorher nicht die üblichen jahrelangen Planungen gegeben hatte. Das lag daran, dass es praktisch eingekauft wurde. Und so war es dann auch nach zwei Jahren Bauzeit schon fertig.

    Nach der Eröffnung wollten alle DDR-Bürger rein, die langen Schlangen vor dem SEZ waren legendär.

    Es war ein Bad für die Bevölkerung. Und es war einfach schön, weil es so viel zu bieten hatte. Nicht nur Badespaß, sondern Eislaufen, Rollschuhlaufen, Gymnastik, Ballsport, Bowling, Restaurants, Kneipen, Theater … Hier wurde gefeiert und geträumt. Das SEZ war so eine Art Karibik-Ersatz.


    Weit mehr als eine Schwimmhalle: Hier sitzen Freundinnen 1988 mit ihren Rollschuhen auf einer Bank und warten auf die nächste Runde.

    Weit mehr als eine Schwimmhalle: Hier sitzen Freundinnen 1988 mit ihren Rollschuhen auf einer Bank und warten auf die nächste Runde.Pemax/Imago

    Dass Sie trotz Ihrer Planung nicht beim Bau und der Eröffnung dabeisein konnten, dass Ihr Name nicht auftauchte, wie war das für Sie?

    Da ich all mein Herzblut für das SEZ aufbrachte, war das sicher nicht immer einfach. Aber ich habe mir von meinen Kollegen immer berichten lassen, wie es auf der Baustelle aussah, habe Fotos vom Rohbau gesehen, wie der VEB Ausbau Berlin nach unseren Skizzen den Innenausbau richtig toll umgesetzt hat.

    Besonders stolz war ich darauf, dass wir für den Brandschutz ohne Asbest auskamen. Als man später nach der Wende nach einem Grund für den SEZ-Abriss suchte, kam Asbest zumindest nicht in Frage, so wie beim Palast der Republik. Wir haben das SEZ mit einem anderen System geschützt, da habe ich mich schon drüber gefreut.

    Ansonsten taucht ja mein Name inzwischen in Architekturführern über die sogenannte Ostmoderne auf – und auch im Wikipedia-Artikel über das SEZ werde ich genannt.

    Wann haben Sie Ihr Werk zum ersten Mal live und in Farbe gesehen?

    Das war 1988, als mein Vater starb. Damals durfte ich zu seiner Beerdigung nach Dresden fahren, und auf der Rückfahrt hielten meine Familie und ich am SEZ. Es war 18 Uhr und wir aßen etwas unten in der Bowlingbahn. Ich fand’s toll, endlich dort zu sein. Es war so, wie ich es geplant hatte.

    Kurz danach fiel die Mauer, nach und nach wurden der Betrieb der Sportstätten und der Veranstaltungsbetrieb eingestellt und fast die gesamte SEZ-Belegschaft entlassen. Auch der Badebetrieb lief nach der Wende nicht mehr so gut. Haben Sie eine Erklärung dafür?

    Die Menschen wollten raus aus Berlin, sie wollten reisen oder in eines der neu erbauten Freizeit- und Thermalbäder nach Brandenburg fahren. Wirtschaftlich war das SEZ nicht mehr zu betreiben. Das war es ja in der DDR schon nicht: Die Eintritts- und Restaurantpreise waren hochsubventioniert und es gab ehrlicherweise viel zu viele Mitarbeiter.


    Den Spaß im Wellenbad ließ sich die DDR was kosten: Die Eintrittspreise waren hochsubventioniert.

    Nun verfällt das Gebäude schon seit Jahren.

    Der Senat wollte es damals einfach nur loswerden. Ich habe die Geschichte natürlich verfolgt. Nachdem das SEZ 2003 für einen Euro an den Leipziger Investor verkauft wurde, bin ich sogar an Herrn Löhnitz herangetreten, habe ihm meine Hilfe angeboten. Aber er wollte davon nichts wissen. Ich glaube, er hatte immer nur das Grundstück und nie das SEZ im Sinn.

    Mitte der Neunzigerjahre habe ich sogar mal Entwürfe gemacht für den Bezirk und den Senat. Es gab Investoren, die ein Kino im SEZ installieren wollten oder ein Sportkaufhaus. Daraus ist leider nie etwas geworden. Es ist schon sehr komisch, dass das Areal damals an Herrn Löhnitz ging.

    Und nun kommt die Nachricht, dass der Senat den Abriss des SEZ plant. Was geht da in Ihnen vor?

    Zunächst einmal ist es keine Überraschung, wenn man den Bebauungsplan kennt, der ja schon seit ein paar Jahren existiert. Es ist eine traurige Geschichte, die sich aber wohl nicht mehr verhindern lässt. Ich jedenfalls habe keine Macht, ich habe alles getan, was ich konnte.


    €Verfall hinterm Bauzaun: Seit Jahren schon bietet das einstige Vorzeigebad einen traurigen Anblick._

    Was meinen Sie: Ist das SEZ wirklich nicht mehr zu retten?

    Es ist immer alles möglich, wenn genug Menschen da sind, die etwas wollen. Die ganzen Anlagen auf Vordermann zu bringen, würde sehr viel Geld kosten. Und es fehlt der politische Wille. Das SEZ wird abgerissen, weil man jetzt halt viele Wohnungen braucht. Die könnte man natürlich auch am Rande des Tempelhofer Feldes bauen, und zwar sehr viel mehr als auf dem SEZ-Areal.

    Viele unserer Leser schreiben, die Abrissentscheidung sei typisch für den Umgang mit Gebäuden, die für Ostdeutsche von Bedeutung waren.

    Ich verstehe diesen Eindruck. Am SEZ hängen viele Erinnerungen, aber den Planern und Politikern fehlt in dieser Hinsicht oft jegliches Feingefühl. Ich jedenfalls war zur Ostpro-Messe vor vier Jahren das letzte Mal im SEZ und musste da sofort wieder raus. Alles war zerfleddert, überall lag Schrott herum, die neuen Farbanstriche waren furchtbar, es fehlten Decken und Böden. Mir blutete das Herz, als ich sah, was aus meinem SEZ geworden ist.

    Zur Person

    Günter Reiß, geboren 1940 in Dresden, studierte an der dortigen Technischen Universität Architektur und arbeitete dann noch zwei Jahre als Assistent an der Uni. In dieser Zeit war er an Planungen in der Leipziger Ostvorstadt und diversen Wohnungsbauprojekten beteiligt. 1969 wechselte er nach Ost-Berlin zu Hermann Henselmann an die Bauakademie.

    Drei Jahre später flüchtete er aus der DDR und lebte fortan in West-Berlin, wo er zunächst beim Hochtief-Konzern angestellt war. Seit 1981 ist er als selbstständiger Architekt tätig und arbeitet mit seiner Frau, die ebenfalls Architektin ist, noch immer an Bauprojekten in und um Berlin. Günter Reiß plante noch weitere Schwimmhallen und Kinos in der Stadt, so leitete er unter anderem einen Umbau des Filmpalastes Berlin, der heutigen Astor Film Lounge am Kurfürstendamm.

    #DDR #Berlin #Friedrichshain #Dimitroffstraße #Leninallee #Landsberger_Allee 77 #Danziger_Straße #Sport #Schwimmen #Freizeit #Sozialismus #SEZ #Architektur

  • Der größte DDR-Hit und die wahre Geschichte dahinter: „Über sieben Brücken musst du gehn“
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/peter-maffay-herbert-dreilich-ueber-sieben-bruecken-karat-sozialism


    Peter Maffay und Herbert Dreilich, Sänger von Karat, singen gemeinsam „Über sieben Brücken musst du gehn“.

    12.1.2024 von Werner Fritz Winkler - Ein Schriftsteller auf einer Großbaustelle, eine Liebe zwischen Polen und der DDR, ein Film-Song, der nicht erscheinen sollte: Das ist die Geschichte der Karat-Ballade.

    Für nicht wenige Ostdeutsche ist das Lied „Über sieben Brücken musst du gehn“ eine Art Hymne. Quasi ein Symbol ostdeutscher Lebensleistung, die eng mit ihrem Leben, ihren Gefühlen und ihrer Sozialisierung verbunden ist. Dagegen sind noch immer nicht wenige „Altbundesbürger“ überrascht, wenn sie erfahren, dass der Hit nicht von Peter Maffay getextet und komponiert wurde.

    Die beiden Hauptakteure, der Literat Helmut Richter sowie der Musiker und Komponist Ulrich „Ed“ Swillms, denen wir diese Rock-Ballade verdanken, weilen nicht mehr unter uns. Sie starben am 3. November 2019 bzw. am 27. Juni 2023. Aber bis heute lassen sich die einzigartige Geschichte und die emotionalen Erinnerungen an dieses Lied, das bisher in 30 Sprachen übersetzt und von mehr als 100 Interpreten gesungen wurde, fortschreiben. Die Geschichte des Liedes ist zugleich auch ein Zeugnis der Widersprüche und Konflikte, mit denen Künstler der DDR umgehen mussten.

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    Im Frühjahr 1967 erhält der seit drei Jahren freiberuflich tätige Journalist und Schriftsteller Helmut Richter eine Einladung in das Leipziger Ernst-Thälmann-Haus, dem Sitz des FDGB. Dort wird ihm vom Kultursekretär ein Vertrag für ein Auftragswerk vorgelegt. Die Zielstellung lautet: Literarische Begleitung der Arbeit auf der Großbaustelle des Braunkohlenkraftwerks Thierbach. Dessen Bau ist ein Gemeinschaftsprojekt des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW), dem Gegenstück des Ostblockes zur EWG, der heutigen Europäischen Union. Die Kraftwerksbauer nehmen den „Schreiberling“ für mehre Monate bei sich auf.

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    Helmut Richter: Er schrieb „Über sieben Brücken musst du gehn“

    Auf dieser Vertrauensbasis entstehen mehrere Reportagen. Sie handeln von der Zusammenarbeit, dem Zusammenleben und den Problemen der polnischen, sowjetischen, ungarischen und deutschen Arbeiter und Ingenieure auf der Baustelle und darüber hinaus. Aber auch von Missständen berichtet er. Und er schreibt von der jungen Liebe zwischen dem polnischen Brigadier Roman und einer Deutschen. Sie wollen heiraten, doch die Hochzeit platzt. Diese Episode beschäftigt Richter auch Jahre später noch.

    Das Braunkohlenkraftwerk Thierbach während des Baus.

    Sofortige Beachtung finden seine Schilderungen des Alltags und vom Miteinander der unterschiedlichen Nationalitäten auf der Großbaustelle. Im Rundfunk werden Lesungen gesendet. Der mit 15.000 DDR-Mark dotierte FDGB-Literaturpreis ist im Gespräch. 1969 erscheinen die Reportagen unter dem Titel „Schnee auf dem Schornstein“ in einem kleinen Taschenbuch im Mitteldeutschen-Verlag. Geplant als „Schwerpunkttitel“ zu Ehren des 20. Jahrestages der DDR. Auflagenhöhe: 5000 Stück. Das gelb-schwarze Büchlein ist überall im Angebot, auch im Buchladen im ZK der SED.

    Von dort ziehen Anfang September 1969 plötzlich dunkle Wolken auf. Der Grund: Mitarbeiter der Abteilung Maschinenbau und Metallurgie finden das Buch nicht linientreu. Nach ihrer Überzeugung wird über „Ereignisse vom Aufbau des KW Thierbach ohne Wahrung des Vertraulichkeitsgrades ausführlich berichtet“ und Probleme der Zusammenarbeit der RGW-Länder nicht „wahrheitsgemäß“ geschildert. Des Weiteren sind sie der Auffassung, die „Klassenwachsamkeit“ wird nicht eingehalten und Staats- und Wirtschaftsfunktionäre werden verunglimpft. Die Information geht zunächst an den ZK-Sekretär für Wirtschaft, Günter Mittag. Wenig später erhält sie auch Erich Honecker, damals schon der zweitmächtigste Mann im Parteiapparat.

    Nach einer teilweise kontrovers geführten Diskussion setzen sich Ende November 1969 die Hardliner durch. Das Buch wird aus dem Handel genommen. Die noch vorhandenen 1600 Exemplare im Lager des Leipziger Kommissions- und Großbuchhandels werden eingestampft. Auch das in der Deutschen Bücherei in Leipzig hinterlegte Belegexemplar darf nicht mehr ausgeliehen werden.

    Für Helmut Richter folgt eine Zeit der großen Enttäuschung. Richter ahnt zu diesem Zeitpunkt nicht, dass die in Kritik geratenen und verbotenen Reportagen zur Triebfeder für sein größtes literarisches Werk und zu einer deutschsprachigen Rockballade werden. Die Erlebnisse auf der Thierbacher Großbaustelle lassen ihn nicht los. 1975 entsteht die deutsch-polnische Liebesgeschichte „Über sieben Brücken musst du gehn“.


    Helmut Richter im Jahr 2002.

    Die Kritik an Richter hält jedoch weiter an. Seine Arbeiterfiguren und realistischen Beschreibungen der gelebten Freundschaft der sozialistischen Bruderländer werden als „problematisch“ eingeschätzt. Mitte der 70er-Jahre verschärft sich das politische Klima in der DDR. Die ersten 10.000 DDR-Bürger stellen einen Antrag auf Ausreise. Der Liedermacher Wolf Biermann wird 1976 ausgebürgert und wenig später siedelt Manfred Krug in die BRD über. Ein anderes, weltoffeneres Erscheinungsbild zeigt dagegen die Volksrepublik Polen. Auf Märkten werden amerikanische Jeans, Schallplatten, die in der DDR nicht erhältlich sind, und sogar Symbole der amerikanischen GI aus dem Vietnamkrieg angeboten. Der politisch verordnete Freundschaftsgedanke wird vom Ansturm auf diese Waren überlagert.

    Ed Swillms von Karat: Wie der Song komponiert wurde

    Der DDR-Fernsehfunk erhält deshalb den Auftrag, möglichst schnell einen Film zum Thema Freundschaft mit dem polnischen Volk zu machen. 1976 kauft er überraschend die Rechte an Richters Liebesgeschichte. Der bis vor kurzem noch geschmähte Literat darf das Szenarium für den Film mit den Hauptfiguren Gitta Rebus, einer deutschen Chemielaborantin, und dem polnischen Bauarbeiter Jerzy Roman schreiben. Ort der Handlung sind das Braunkohlenveredlungswerk Espenhain, im Film Zaspenhain genannt, und die Thierbacher Großbaustelle. Verknüpft werden das während des Zweiten Weltkrieges in dieser Region erlittene Schicksal polnischer Zwangsarbeiter und die Nachwirkungen auf eine deutsch-polnische Liebesbeziehung in der Gegenwart.


    Die Band Karat. Ganz links: Ed Swillms.

    Gedreht wird der Film in Hagenwerder bei Görlitz, Pößneck in Thüringen und in Borna bei Leipzig. Die Regie für den Film führt Hans Werner. Es ist sein erster Film. Bisher hat er als Regieassistent des Erfolgsregisseurs Lothar Bellag („Daniel Druskat“) gearbeitet. Der hatte „keinen großen Bock“ auf diesen Film und meldete sich krank. Trotz der vielen ungeklärten Probleme nutzt Werner diese Chance. Sofort hat er eine große „Baustelle“: Es gibt noch keine Filmmusik. Viele der damals populären Komponisten werden angefragt. Doch keiner hatte Zeit oder Lust.

    Werner bringt schließlich den Keyboarder und Komponisten der jungen Rockband Karat, Ulrich „Ed“ Swillms, ins Gespräch. Dieser braucht etwa 14 Tage, bis er die zündende Idee hat. Schließlich wird das Ganze über den Preis, 4000 Westmark, auf den Weg gebracht. Erst am Ende der Dreharbeiten entsteht die Idee, dem Film einen Titelsong zu geben. Die Textzeile „Über sieben Brücken musst du geh’n“ soll ihn emotional aufwerten. Richter stellt sich dieser Herausforderung. Er hat bis dahin noch nie einen Songtext geschrieben. Die Erinnerungen an sein eigenes Schicksal sind ihm hilfreich. Er kam 1945 als Flüchtlingskind aus Tschechien nach Deutschland.


    Karat bei einem Auftritt 1976.

    Ende 1977 wird die Rockballade unter ungünstigen Bedingungen in einem Studio in Berlin-Grünau produziert. Sänger ist Herbert Dreilich (verstorben am 12.12.2004) der Frontmann von Karat. Die Übergabe des Demobandes erfolgt bei einem Treffen im Interhotel Gera. Mehr scherzhaft sagt Helmut Richter nach dem ersten Anhören: Das wird ein Welthit. Am Abend des 30. April 1978 wird der Film im Ersten Programm des Fernsehens der DDR erstmals ausgestrahlt. Völlig überraschend laufen unmittelbar nach dem Abspann in Adlershof die Telefone heiß. Die Anrufer, darunter auch 28 aus West-Berlin und der BRD, wollen wissen, wann und wo es die Schallplatte mit dem Titelsong zu kaufen gibt.

    Peter Maffay bittet um Erlaubnis für eine Coverversion

    Um das zu erreichen, müssen wiederum einige DDR-typische Hürden genommen werden. Es wird die Meinung vertreten, Text und Musik seien zu sentimental und es gebe Titel, die die Ziele des Sozialismus besser widerspiegeln. Zu den prominenten Befürwortern gehört die einflussreiche Autorin Gisela Steineckert. Als die Platte endlich gepresst ist und in den Handel kommen soll, fehlt es im Druckhaus Gotha an der roten Farbe für das Plattencover. Sie war wegen des Druckes der vielen Plakate für den 1. Mai ausgegangen. Noch im selben Jahr siegt die Gruppe Karat mit dem Lied beim Internationalen Schlagerfestival in Dresden. Eine Teilnahme des Filmes bei einem renommierten Festival in Prag wird dagegen von den DDR-Oberen verhindert. Der Grund: Die Schauspielerin Barbara Adolf, Darstellerin der Mutter von Gitta Rebus, ist im selben Jahr in die BRD übergesiedelt. Bei der Abnahme des Films kommentiert der anwesende Karl-Eduard von Schnitzler („Der schwarze Kanal“) den Satz „Ich gehe hier nicht weg!“ ihrer Figur mit den Worten: „Jetzt hat sie es sich wohl anders überlegt.“


    Karat bei der „ZDF-Hitparade“ 1982.

    Der Erfolgsgeschichte des Titelsongs konnten diese ideologischen Machtspiele nichts anhaben. 1979 erscheint von Karat das Album „Über sieben Brücken“, welches wenig später unter dem Namen „Albatros“ in der BRD veröffentlicht wird. Insgesamt liegen die Verkaufszahlen in den folgenden Jahren in Ost und West fast bei einer Million. Als Peter Maffay den Song zum ersten Mal im Rundfunk hört, ist er sofort begeistert und bemüht sich um Kontakt zu Karat. 1980 trifft er die Gruppe bei einem Konzert in Wiesbaden. Er bittet sie um Erlaubnis für eine Coverversion. Karat willigt ein und Maffay arrangiert das Lied neu. Die markanteste Veränderung wird das Saxofon-Solo. Der Song erlangt in dieser Version eine noch größere Bekanntheit. Maffays Album „Revanche“ verkauft sich mit dem Titel über zwei Millionen Mal. Ab 1990 singen Maffay und Karat ihn auch bei gemeinsamen Auftritten.

    Weitgehend unbekannt geblieben ist – die Hauptfiguren Gitta und Jerzy sind keine Erfindung. Sie gab es tatsächlich. Beide trugen im Film und der ihm zugrundeliegenden Liebesgeschichte nur andere Namen. Sie arbeiteten und wohnten einige Jahre in der Industriegemeinde Espenhain. Im Unterschied zum Film haben beide geheiratet und ein gemeinsames Kind. Später ziehen sie nach Hoyerswerda. Die Beziehung hält nicht und er kehrt nach der Trennung in seine Heimat zurück. Nur die Geschichte, dass die Figur Jerzy das Kind von polnischen Zwangsarbeitern ist, welches in Espenhain zur Welt kam und dessen Vater dort starb, hat Richter frei erfunden.

    Ostdeutsche Identität: „Im Westen wird auch nur mit Wasser gekocht“

    Ideologie und Urlaubsreisen in der DDR: Welche Rolle spielten die FDGB-Gewerkschaften?

    Bis ins hohe Alter hielt Helmut Richter freundschaftliche Verbindungen zu den Menschen aus der Kohleregion im Süden von Leipzig. Sein Grabstein aus Rochlitzer Porphyr auf dem Gohliser Friedhof in Leipzig trägt die Inschrift „Über 7 Brücken musst du gehn“. Wenige Tage vor Weihnachten 2023 hat der Leipziger Schriftsteller Ralph Grüneberger Richters Leben und Werk in einem sehr persönlichen Filmporträt („Über sieben Brücken. Helmut Richter“) der Öffentlichkeit präsentiert.

    Werner Fritz Winkler lebt im Leipziger Südraum und kannte Helmut Richter persönlich. Er erinnert mit Vorträgen an den Film und das Lied „Über sieben Brücken musst du gehn“.

    #histoire #DDR #RDA #Allemagne #culture #musique #politique

  • Bündnis Sahra Wagenknecht : Diether Dehm schickt Protestbrief an neue Parteispitze
    https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/buendnis-sahra-wagenknecht-diether-dehm-schreibt-protestbrief-an-ne
    Le nouveau parti de Sahra Wagenknecht évite de se situer trop à gauche en empêchant plusieurs personnes connues de gauche à participer au premier congrès du parti.

    13.1.2024 von Maximilian Beer, Harald Neuber - https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/buendnis-sahra-wagenknecht-diether-dehm-schreibt-protestbrief-an-ne

    Es gibt Sätze, die in den vergangenen Monaten oft sagte, in Interviews, auf Pressekonferenzen oder in Talkshows. Die meisten betreffen ihre neue Partei, das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Einer dieser Sätze lautet: Das BSW dürfe nicht „von Spinnern“ gekapert werden.

    Das sagte Wagenknecht auch in einem Interview mit der Berliner Zeitung. Und: „Gerade junge Parteien ziehen leider oft auch Glücksritter, Narzissten oder Extremisten an.“

    Die Vermutung liegt nahe, dass Wagenknecht und ihre Mitstreiter damit vor allem radikale Rechte meinen, zum Beispiel Überläufer aus der AfD. Oder eben gänzlich unpolitische Menschen, die Aufmerksamkeit suchen. Doch das greift zu kurz. Auch einstige Weggefährten fühlen sich ausgegrenzt, darunter langjährige Mitglieder der Linken. Mittlerweile ist mindestens ein Protestbrief in Wagenknechts Bundestagsbüro eingegangen.

    Wagenknecht-Anhänger: „Kränkung ist auch keine ganz unpolitische Kategorie“

    Der Berliner Zeitung und dem Online-Magazin Telepolis liegt das Schreiben vor, eine E-Mail mit dem Betreff: „Sind wir etwa Glücksritter?“. Sie ist adressiert an „liebe Sahra“ und „liebe Amira“, also Sahra Wagenknecht und Amira Mohamed Ali, die beiden Frauen an der Spitze des BSW.

    Datiert ist die Mail auf den 3. Januar. Fünf Tage später, am vergangenen Montag, wurden Wagenknecht und Ali zu den Vorsitzenden der gerade gegründeten Partei gewählt.

    Bemerkenswert ist vor allem der Absender der Mail. Dabei handelt es sich um Diether Dehm, also um den 73-jährigen Liedermacher, Musikproduzenten und ehemaligen Bundestagsabgeordneten, den eine lange gemeinsame Vergangenheit mit Wagenknecht verbindet, politisch wie persönlich. Doch mit dem Neuanfang hat Wagenknecht die engen Bande offenbar gekappt.

    Dehm hat die Mail gemeinsam mit der früheren Linke-Abgeordneten Pia Zimmermann verfasst, nach eigenen Angaben im Namen von „27 Genossinnen und Genossen“. Sie schrieben aus „Angst, unter die Räder Eures Top-Down-Prozesses zu kommen, den Ihr eigentlich gegen ‚Glücksritter und Extremisten‘ ausgerufen hattet“. Ihre Kritik: Dieser Prozess werde nun „willkürlich gegen seit Jahrzehnten zuverlässige Mitstreiterinnen“ gewendet. „Gerade dann, wenn diesen von Medien ‚zuviel (sic!) Angriffsfläche‘ vorgeworfen“ werde.

    Ob im Bündnis Sahra Wagenknecht nun „Querfront, Kontaktschuld und Verschwörungstheorie“ zu „Ausgrenzungsmodi“ geworden seien, fragen die Autoren. Das kommt nicht von ungefähr, denn zumindest Dehm eckt immer wieder an. Er hat sich bereits selbst als „Verschwörungstheoretiker“ bezeichnet, brachte einige Medien mit Geheimdiensten in Verbindung. Manche seiner Positionen sind auch in linken Kreisen umstritten. Doch er ist gut vernetzt.

    „Nun sagt Ihr: Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Und wir wären ja bloß gekränkt“, heißt es in der Mail. „Das mag sein“, so Dehm und Zimmermann. „Aber Kränkung (das sehen wir beim deutschen Umgang mit Russland in den letzten 20 Jahren) ist auch keine ganz unpolitische Kategorie.“ Ihr Fazit: Alte Mitstreiter „begehren Einlass in die neue Partei, die auch ohne uns nie zustande gekommen wäre. Bei aller Anerkennung der großen Leistungen von Sahra und Amira.“

    Großes Interesse für die Parteigründer: Sahra Wagenknecht und ihre Mitstreiter im Haus der Bundespressekonferenz.

    Großes Interesse für die Parteigründer: Sahra Wagenknecht und ihre Mitstreiter im Haus der Bundespressekonferenz.Jens Schicke/imago
    Hält Wagenknecht frühere Gefährten auf Abstand – oder riskiert sie „Angriffsfläche“?

    Für wen die beiden Autoren diese Kritik noch formuliert haben, geht aus der Mail nicht hervor. Doch Unmut war in den zurückliegenden Monaten durchaus zu vernehmen. Aktivisten aus dem Umfeld von Wagenknecht schimpften im vergangenen Jahr über den aus ihrer Sicht schleppenden Parteigründungsprozess. Akteure aus der ehemaligen Linke-Fraktion, darunter mindestens zwei frühere Abgeordnete, beklagten, nicht in den inneren Kreis der Neugründer aufgenommen worden zu sein.

    Basisaktivisten aus dem Umfeld des Wagenknecht-Bündnisses hatten daher im vergangenen Jahr vor überzogenen Erwartungen gewarnt. „Neuformierungen, Umgruppierungen, Spaltungen sind (...) nie etwas Abruptes, das von heute auf morgen passiert“, hieß es in einem Diskussionspapier der Bündnisses „Was tun?“, das sich im Mai in Hannover konstituiert hatte und vor allem friedenspolitische Ziele verfolgt. Neue Formationen, so hieß es aus dieser Richtung, müssten erst ihre Stabilität unter Beweis stellen.

    Das BSW startet also mit Wachstumsschmerzen. Was auch erwartbar war, immerhin hatte Wagenknecht selbst vor dem Schicksal anderer Parteien gewarnt, die gekapert und umgekrempelt worden seien. So habe etwa die AfD heute nichts mehr mit der Idee ihrer Gründerväter Lucke und Henkel zu tun, sagte Wagenknecht der Berliner Zeitung. Die Linke wiederum habe sich von der einstigen Partei der sozialen Gerechtigkeit entfernt. Grundsätzlich will das BSW deshalb langsam und kontrolliert wachsen.

    Die Frage ist aber, was auf lange Sicht verträglicher wäre: Hält man ehemalige Gefährten wie Diether Dehm fern vom BSW oder bindet man sie ein? Riskiert man andauernde Kritik aus den eigenen Kreisen oder nimmt man eine potenzielle „Angriffsfläche“ in Kauf – gegenüber den Medien, der parteipolitischen Konkurrenz?

    Sahra Wagenknecht: Erster Parteitag findet im DDR-Kino Kosmos in Berlin statt

    Ex-Abgeordnete Zimmermann: mit zweiter Welle nicht zufrieden

    Viele stehen durch die Parteigründung im Licht der Öffentlichkeit. Wagenknecht und ihre Mitstreiter genießen das große Interesse, sie vermitteln Aufbruch, Geschlossenheit. Doch der Gründungsprozess wurde auch von Ärger begleitet, denn andere begehren auf: Sie wollen beim neuen Projekt dabei sein, einige am liebsten schon am 27. Januar.

    Dann wird das Bündnis Sahra Wagenknecht seinen Gründungsparteitag in Berlin veranstalten. Im früheren DDR-Kino Kosmos sollen rund 450 Erstmitglieder zusammenkommen. Sie verabschieden das Programm für die Europawahl, stellen die Wahlliste auf. Es ist das erste große Partei-Event des BSW. Ein historischer Tag, zumindest in den Augen von Wagenknechts Anhängern.

    Pia Zimmermann war Bundestagsabgeordnete und Landesvorsitzende der Linken in Niedersachsen. Sie habe „viel für die Linke gegeben und hätte gerne zu den Erstmitgliedern des BSW gehört“, sagt Zimmermann auf Anfrage. „Ich persönlich wäre überhaupt nicht zufrieden damit, erst in der zweiten oder dritten Welle aufgenommen zu werden.“

    Sie habe über Jahre für linke Politik gekämpft, immer an der Seite von Wagenknecht. „Sahra selbst hätte wohl kaum ein Problem damit, wenn Diether Dehm und ich der neuen Partei beitreten würden“, sagt Zimmermann. Hinter der Entscheidung vermutet sie vielmehr die Co-Vorsitzende an der Seite Wagenknechts. „Offenbar führt Amira Mohamed Ali eine Liste, auf der Personen stehen, die keine Mitglieder werden sollen.“

    Das Bündnis Sahra Wagenknecht hat bis Redaktionsschluss nicht auf eine Anfrage zu dieser angeblichen Liste geantwortet. Anders als das Bundestagsbüro von Amira Mohamed Ali. Auf die Frage, ob es eine solche Liste gebe, reagierte Ali kurz und knapp mit: „Nein.“ Diether Dehm wollte sich nicht öffentlich äußern.

    Nach Informationen der Berliner Zeitung und von Telepolis hatte das BSW am 30. Dezember einem kleinen Kreis von künftigen Parteimitgliedern beziehungsweise Parteitagsdelegierten eine Mail gesendet – also wenige Tage, bevor das Schreiben von Dehm und Zimmermann an das Bündnis ging. In der Rundmail heißt es: „Du bist bitte am 8. Januar um 13 Uhr an deinem Laptop.“ Also am Gründungstag des BSW. Dann würde, wie mittlerweile geschehen, der Mitgliedsantrag per eigens eingerichteter Adresse versendet.

    #Allemagne #politique #gauche #BSW

  • Reisen wie Mao Zedong: Zwei Berliner mit dem Fahrrad auf dem Langen Marsch in China
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/reisen-wie-mao-zedong-zwei-berliner-mit-dem-fahrrad-auf-dem-langen-


    Christian Y. Schmidt (l.) und Volker Häring (r.) auf einer Landstraße in der Provinz Guangxi mit einer Schauspielertruppe. Sie fährt in den historischen Uniformen der damaligen Roten Armee im Auto die Route des Langen Marsches nach, um Schlüsselszenen nachzuspielen. Die Clips werden im Internet gestreamt. Ihr Vlog hat angeblich 30 Millionen Follower.

    9.1.2024 von Sören Kittel - Christian Y. Schmidt reist mit einem Kumpel per Fahrrad quer durch China. Sein Eindruck nach der ersten Hälfte: „Man muss China sehen, um es zu begreifen.“

    Kurz vor Jianhe ging bei Christian Y. Schmidt der Umwerfer kaputt. Umwerfer, so heißt die Schaltvorrichtung an einem Fahrrad mit Kettenschaltung. Jianhe ist eine eher kleine Stadt in der Provinz Guizhou, die Einwohnerzahl liegt unter 200.000, das H wird wie CH bei Dach ausgesprochen. Es wurde also in Jianhe ein neuer Umwerfer für rund 100 Euro im Internet bestellt, und Schmidt stellte sich auf mehrere Tage dort ein. So eine erzwungene Pause hätte ja vielleicht auch ihr Gutes. Doch China zeigte hier einmal mehr, was logistisch möglich ist: Der Umwerfer der Firma Shimano war binnen eineinhalb Tagen da und die Radtour konnte weitergehen.

    Zusammen mit seinem Freund, dem Reisebuchautor Volker Häring, hatte sich Christian Y. Schmidt im Herbst auf eine ambitionierte Fahrradtour begeben: Sie wollten die Strecke des Langen Marsches mit dem Fahrrad entlangfahren, jene historische 11.000-Kilometer-Route – die Angaben variieren je nach Historiker –, die Chinas Parteigründer Mao Zedong einst mit Gefolgschaft lief. Genau ein Jahr dauerte der Marsch der rund 90.000 Männer durch die Provinzen, nur etwa 7000 von ihnen erreichten das Ziel in Yan’an im Oktober 1935. Einer von ihnen war damals der Deutsche Otto Braun, der so auch Teil des Gründungsmythos der Roten Partei Chinas wurde. Im Jahr 1973 starb Braun bei einem Urlaub in Bulgarien eines natürlichen Todes, er war inzwischen Bürger der DDR.

    Bildstrecke


    Reisterrassen in Guizhou.Christian Y. Schmidt


    Christian Y. Schmidt und Volker Häring vor einer Statue von Mitreisenden des Langen Marsch. Otto Braun ist ganz links dargestellt, mit einer Zigarette in der Hand, genau wie Mao Zedong in der Mitte.Christian Y. Schmidt


    Ein Museum für den Langen Marsch am Wegesrand in Guizhou.Christian Y. Schmidt


    Angehöre der Minderheit der Miao in der Provinz Guangxi.Christian Y. Schmidt


    Christian Y. Schmidt und Volker Häring beim Start der Fahrradtour in Ruijin.Christian Y. Schmidt


    Der Fluss Wu, den die Rote Armee einst überquerte auf dem Langen Marsch – und 89 Jahre später die beiden Abenteurer aus Berlin.Christian Y. Schmidt


    Ein Glockenturm der Dong-Minderheit in Guangxi.Christian Y. Schmidt


    €Eine Brücke über den Xiang-Fluss in der Stadt Zunyi.Christian Y. Schmidt_


    Eine Gruppe von Rentnern auf E-Bikes, die in Sichuan gestartet sind in Richtung Süden. Das Treffen mit den beiden Reisenden (Mitte) fand in Tucheng statt.

    Braun ist einer der Gründe, warum sich Häring und Schmidt auf diese Tour begeben haben. Der im Jahr 1900 in Bayern geborene deutsche Kommunist und Militärberater gehörte zu den ursprünglichen Initiatoren des Marsches, als die Rote Armee im Sommer 1934 in dem von ihr kontrollierten Gebiet im Süden Chinas durch die Nationalisten unter Chiang Kai-shek in schwere Bedrängnis geriet. Der Mann, den in China nahezu jedes Kind als Li De kennt (Li, der Deutsche), schlug vor, einen Ausbruch aus der Umklammerung zu wagen. Das bedeutete auch, einige Tausend Kranke, Frauen und Kinder zurückzulassen. Die Parteiführung stimmte zu und der Marsch begann, über Berge, durch Flüsse, im Zickzack, aufs tibetische Hochplateau und durch Sümpfe, bis man nach einem Jahr sicheres Terrain erreichte. So rettete sich auch die gesamte Führung der Kommunistischen Partei, und der Marsch wurde Teil chinesischer Nationalgeschichte.

    Christian Y. Schmidt ist Mitte der Nullerjahre nach Peking gezogen, heiratete eine Chinesin, schrieb für Taz und Titanic – und veröffentlichte mehrere Bücher über China, wie „Bliefe von dlüben“ und „Allein unter 1,3 Milliarden“. Das Land liegt ihm am Herzen, er kennt auch die Probleme, weiß von Hungersnöten und anderen Herausforderungen unter Maos Regime, vom harten Alltag der Wanderarbeiter, von Menschenrechtsverletzungen gerade in den äußeren Provinzen, bei Tibetern und Uiguren. Während der Arbeit zu seinem Buch „Der letzte Hülsenbeck“ habe er zu viel am Schreibtisch gesessen, sagt er, deshalb kam er auf den Gedanken, sich mehr zu bewegen und Häring, der die Idee zur Tour hatte, zu begleiten.

    Für die Geschichte von Otto Braun hat sich Schmidt schon lange interessiert. „Seine Biografie ist so etwas wie ‚Babylon Berlin‘ auf Speed, allerdings im globalen Maßstab“, sagt Schmidt der Berliner Zeitung. „In den 20er-Jahren war er in Berlin als Kommunist zunächst im Untergrund, dann im Gefängnis.“ Braun wurde aber mit Waffengewalt von seiner damaligen Geliebten Olga Benarrio aus seiner Zelle in Moabit befreit, floh nach Moskau, ging dort auf die Militärakademie. Als bekannter Womanizer war er gleich mit zwei Chinesinnen verheiratet. „Von der ersten Frau hat er sich scheiden lassen, obwohl sie für ihn lernte, wie man deutsche Wurst macht und Brot bäckt.“ Die zweite Frau war eine Sängerin.

    Der wütende Deutsche im chinesischen Fernsehen

    Schmidt hat alles gelesen, was er über Braun in die Hände bekommen konnte. „Das ist allerdings angesichts der Bedeutung, die sein Engagement in China hatte, nicht viel.“ In der DDR war Braun eine Zeit lang erster Sekretär des Schriftstellerverbands, er liegt heute auf dem Friedhof der Sozialisten in Friedrichsfelde. Während seiner Zeit in China war er auch ein Gegenspieler Maos, obwohl sie zusammen den Langen Marsch bewältigt haben. Schmidt hat sich etliche chinesische Filme über Braun angeschaut, in denen der Deutsche oft als jähzornig und ungeduldig dargestellt wird, als jemand, der wütend Nüsse knackt und sich dabei selbst verletzt.


    Christian Y. Schmidt (l.), stolzer Großvater (M.) und Volker Häring (r.) im Chinese Soviet Memorial Park in Ruijin (Jiangxi). Der Rote Stern soll an die Gründung des sogenannten Jiangxi Sowjets am 7. 11. 1931 erinnern, eines Guerillagebiets, das damals von den chinesischen Kommunisten beherrscht wurde und von wo die Rote Armee 1934 zum Langen Marsch aufbrach. Ruijin war die Hauptstadt des Gebiets. Hier starteten auch Schmidt und Häring ihre Tour. Offiziell ging der Lange Marsch allerdings im etwa 60 Kilometer entfernten Yudu los.

    Christian Y. Schmidt und Volker Häring wollten eigentlich schon im April 2020 auf die gemeinsame Tour gehen und auf den Spuren von Otto Braun unterwegs sein. Doch die weltweite Corona-Pandemie ließ die Pläne der beiden Reisenden weiter in den Hintergrund rücken. Im Nachhinein hat sich das allerdings als Glück erwiesen, weil die beiden nicht während der Sommerhitze durch China reisen mussten.

    Der nächstmögliche Termin für beide Abenteurer war dann der 17. Oktober 2023. „Das Schicksal hat uns also gedrängt“, sagt Schmidt, „dass wir ausgerechnet auf den Tag genau 89 Jahre nach Mao Zedong und Otto Braun in der gleichen Stadt mit dem Marsch beginnen: in Yudu.“ Gestartet sind sie einen Tag zuvor in dem ehemaligen Hauptquartier der Kommunisten, der Kleinstadt Ruijin. Dorthin kamen sie mit dem Zug aus Hongkong. Dann stiegen sie auf ihre E-Bikes.

    Schmidt und Häring hatten sich extra für diese Reise Pedelec-Fahrräder zugelegt. Anders als ein reines E-Bike fährt ein Pedelec nur dann, wenn die Pedale bewegt werden, allerdings setzt dann eine Motorunterstützung ein, die es bis zu einer Geschwindigkeit von 25 Kilometern pro Stunde bringt.

    „Anstrengend war es trotzdem noch genug“, sagt der 67-Jährige. „Gerade weil man hohe Berge bezwingen muss und es immer wieder Momente gab, in denen beide Akkus leer waren.“ Dann nämlich ist ein E-Bike wirklich schwer zu bewegen, zumal sie auch Gepäck dabeihatten. „Ich habe so eine Tour auch noch nie vorher gemacht“, sagt Schmidt. „Volker hat als alter Weltreiseleiter auf jeden Fall mehr Erfahrung auf dem Gebiet und ist deutlich besser im Training.“


    Christian Y. Schmidt auf seinem Pedelec vor einer Statue kurz hinter Jianhe, Provinz Guizhou. Die Wasserbüffel werben für eine nahe gelegene Arena, wo regelmäßig Kämpfe stattfinden.Christian Y. Schmidt

    Bis zum Dezember haben die beiden 2600 Kilometer zurückgelegt, was ungefähr der Entfernung zwischen Berlin und Lissabon entspricht. Dabei haben sie rund 35.000 Höhenmeter überwunden. Zwar kamen dann auch immer wieder lange Abfahrten, aber die haben sich fast als gefährlicher herausgestellt. Sie machen jetzt eine Pause bis Anfang März und starten dann mit der zweiten Etappe.

    „Der gefährlichste Moment war eine Serpentine, wo Volker plötzlich in der Kurve ein BMW entgegengeschossen kam“, sagt Schmidt. „Das war so knapp, dass Volker beinahe unter die Räder gekommen wäre.“ Ansonsten haben sie die Tour bisher fast unbeschadet überstanden – nur ab und zu mussten Teile ausgetauscht und Reifen geflickt werden, nicht nur in Jianhe. „Auch mein iPhone ging irgendwo in der Provinz Sichuan einmal kaputt“, erzählt Schmidt, „aber innerhalb von zwei Stunden hatte ich ein neues Display, hineingebaut von einem jungen Chinesen, der wie Harry Potter aussah und einen kleinen Apple-Laden betrieb.“

    Finanziert haben sie die Reise bisher unter anderem durch Spenden. Für 20 Euro kann man sich eine Postkarte aus China vom Marsch der beiden nach Hause schicken lassen – ein Konzept, was bisher aufging. Auch versuchen sie, in günstigen Hotels zwischen 100 und 200 Yuan (umgerechnet 13 und 26 Euro) pro Nacht zu übernachten. In den meisten Orten hat das bisher geklappt. Außerdem wollen sie einen Reisebericht schreiben, der unter dem Titel „So weit die Füße radeln“ bei Ullstein erscheinen soll.

    Nur einmal aus einem Bezirk ausgewiesen

    Es entwickele sich gerade eine Art „Roter Tourismus“, sagt Schmidt und meint damit jene Touristen, die er immer wieder auf seiner Reise getroffen hat. Das sind Chinesen oder andere Reisende, die sich auf den Langen Marsch machen, ähnlich wie Europäer den Jakobsweg gehen. Manche haben sogar rote Fahnen dabei, die sie auf der Strecke schwenken. Die touristische Infrastruktur entlang der Strecke ist noch nicht vollends professionalisiert, aber die beiden Deutschen waren mit ihrer Idee bei weitem nicht allein. Als Orientierung lasen sie auch einen Reisebericht von zwei Engländern, die den Marsch vor rund 20 Jahren zu Fuß gemacht hatten.

    So war es denn auch keine Überraschung, als sie in Tongdao Probleme hatten, eine Übernachtung zu finden. Die Stadt mit etwas mehr als 200.000 Einwohnern ist im Buch der Engländer schon erwähnt als komplizierter Ort. „Als wir dort ankamen, war es bereits spät“, erzählt Schmidt, „und die Fahrrad-Akkus waren leer.“ Doch das erste Hotel wies sie ohne Begründung ab, das zweite ebenfalls. „Als Europäer wird man in China dann auch schnell auf der Straße von der Polizei erkannt“, sagt Schmidt. Sie wurden dann das erste und einzige Mal auf ihrer Reise aus einem Bezirk offiziell ausgewiesen.


    Ein Dorf der Dong-Ethnie in der Provinz Guizhou. Im Hintergrund eine sogenannte Wind-Regen-Brücke, die typisch für Dong-Dörfer ist. Christian Y. Schmidt

    Erst in einer weiter entfernten Stadt, wohin sie dank eines Busses, der auch Fahrräder transportiert, gelangten, durften sie dann übernachten. Offiziell ist die Stadt nicht gesperrt. Im Internet kann man allerdings auf inoffiziellen Seiten nachlesen, dass dort ein Teil der chinesischen Atomwaffen lagert. Da Tongdao aber auf der Route des Langen Marsches liegt, wird die chinesische Tourismusbehörde dieses Problem auf lange Sicht noch lösen müssen, zumindest wenn mehr Menschen dem Beispiel von Häring und Schmidt nacheifern wollen.

    Abgesehen von solchen Erlebnissen ist aber bei Christian Y. Schmidt viel Begeisterung über die Entwicklung Chinas der letzten Jahre herauszuhören – und zu lesen im Internet-Blog, den sie auf der in China verbotenen Plattform Facebook führen. Die Qualität der Straßen habe sich eklatant verbessert, die Entwicklung selbst kleiner Städte nennt Schmidt erstaunlich, deren Anbindung an das Schienen- und Bussystem gehe rasant vonstatten.


    Brücke über den Chishui bei Taiping. Hier überquerte die Rote Armee im Frühjahr 1935 den Fluss. Die Brücke gab es damals natürlich noch nicht. Der Fluss bildet zugleich die Grenze zwischen den Provinzen Guizhou und Sichuan.Christian Y. Schmidt

    „Als ich 2007 auf meiner letzten Reise in Chengdu war, gab es in der Stadt noch keinen einzigen Kilometer U-Bahn“, berichtet er. Erst im September 2010 sei die erste Linie eröffnet worden. „Heute hat Chengdu mit 13 Linien und insgesamt 558 Kilometern das viertlängste U-Bahn-System auf der Welt.“ Die Entwicklung der Metro in Chengdu ist für ihn nur ein Beispiel für die rapide und zugleich systematische Entwicklung Chinas allein in den letzten 15 Jahren. „Sie sprengt jedes Vorstellungsvermögen eines Europäers“, sagt Schmidt. „Man muss sehen, was hier passiert, um es zu begreifen.“

    Die exotischen Speisen nehmen in seinen Reiseerinnerungen einen besonderen Platz ein. Da gibt es die Schüsseln, die in der Mitte geteilt sind und in denen die Restaurants so zwei verschiedene Hot-Pot-Suppen auf einmal servieren können. Da gibt es den leckeren Flussaal, der in den Reisefeldern seine Bahnen zieht und zum kulinarischen Höhepunkt der Reise wurde. Und da sind die Schnapsbrennereien in Maotai, einer kleinen Gemeinde mit nur 10.000 Einwohnern, von denen die meisten ihr Geld mit Hochprozentigem verdienen. Es heißt, so viele Schnapsfabriken gebe es sonst nirgendwo auf der Welt. Aber solche Superlative, das ist eine der vielen Erkenntnisse, entstehen schnell, wenn man durch China reist.

    CHINAHIRN trifft Christian Y. Schmidt – Radfahrer auf dem Langen Marsch
    https://www.chinahirn.de/2024/01/01/chinahirn-trifft-christian-y-schmidt-radfahrer-auf-dem-langen-marsch

    Christian Y. Schmidt - „Letztlich sterben immer die anderen“
    https://www.journal-frankfurt.de/journal_news/Gesellschaft-2/Christian-Y-Schmidt-Letztlich-sterben-immer-die-anderen-35924.html

    OLD CHINA HANDS I Volker Häring, Buchautor und Reiseveranstalter - 17. Oktober 2021 by Wolfgang Hirn
    https://www.chinahirn.de/2021/10/17/old-china-hands-i-volker-haering-buchautor-und-reiseveranstalter

    HU IS HU? Christian Y. Schmidt 22. Oktober 2020
    https://www.chinahirn.de/2020/10/22/hu-is-hu-christian-y-schmidt

    CHINA BY BIKE
    https://around-the-world.bike/chinabybike

    #Chine #tourisme #vélo #histoire #Longue_Marche

  • Jahrhundertwinter 1978/79: Was ich im eisigen West-Berlin als Lkw-Fahrer erlebte
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/jahrhundertwinter-1978-1979-was-ich-im-eisigen-west-berlin-als-lkw-

    So kanns einem gehen, wenn man als junger Mensch noch nichts von Gewerkschaften gehört hat. In diesem Artikel wird ein gutes Dutzend üblicher Verstöße gegen Arbeitsschutz und Sicherheit beschrieben. Aber als vorlauter Grünschnabel gibt man zu gerne den Held. Davon profitieren ausbeuterische Chefs. Leider erfahren wir hier nicht, um welchen Lichterfelder Fuhrbetrieb es geht.

    10.1.2024 von Christian Hartwich - Berge von Schnee und Wahnsinnskälte: Im Winter vor 45 Jahren wollte man in Berlin das Haus am liebsten nicht verlassen. Aber unser Autor hatte wichtige Fracht auszuliefern.

    45 Jahre ist es jetzt her, aber vergessen werde ich ihn nicht, diesen Jahrhundert-Winter 1978/79. Wahnsinnskälte, Berge von Schnee in den Straßen, Eis überall. Da freute man sich, wenn man die kuschelige Wohnung nicht verlassen und nach draußen auf die Straße musste.

    Kuschelig? Nicht auf die Straße? Bei mir sah es damals geringfügig anders aus. Von kuschelig konnte nicht die Rede sein, und auf der Straße war ich ständig: Als Transportfahrer auf einem 7,5-Tonner quälte ich mich täglich durch die Straßen von West-Berlin.

    Im September 1978 hatte ich bei „Brosch-Transporte“ (Name geändert) in Lichterfelde angeheuert. 19 Jahre jung, den Führerschein seit gut vier Monaten in der Tasche, den Trucker-Film „Convoy“ noch frisch im Gedächtnis – was konnte da schief gehen? Ich war doch sowieso der Schärfste (dachte ich). Das Irrste: Der alte Brosch stellte mich tatsächlich vom Fleck weg ein, und das obwohl ich in den zurückliegenden Wochen lediglich ab und zu den knallroten, klapprigen Opel Kadett meiner Mutter gefahren war. Die ausgiebige, fünfminütige Probefahrt mit einem seiner Trucks hatte ihn offenbar restlos von meinen Fähigkeiten überzeugt. Keine Frage, der Alte hatte Klasse. Und er war ein Visionär, anders war es kaum erklärlich, warum er mich nicht nach zwei Tagen wieder rauswarf. Schließlich hatte ich bereits an meinem zweiten Arbeitstag drei Außenspiegel von arglos am Straßenrand parkenden Pkw auf dem Gewissen. Es gab eben doch kleine Unterschiede zwischen einem 7,5-Tonner Daimler und einem Opel Kadett.

    Nun ja, das waren Kinderkrankheiten. Tatsächlich konnte ich nach relativ kurzer Zeit mit den Lkw von Brosch recht gut umgehen. Wir hatten fünf Wagen, wobei zwei mit Tiefkühl-Laderäumen ausgestattet waren. Einer von den Lastern hatte es besonders in sich; ihm fehlte die Servolenkung. Das war dann immer richtig toll für denjenigen, der dieses Ungetüm für den Tag zugeteilt bekam. Dabei war Brosch gerade auf diese Kiste besonders stolz: „Der iss zuverlässig, Herr Hartwich, der iss unbedingt zuverlässig…“ Was er nicht sagte, war, dass man massiv zu ackern hatte, wenn man die Kutsche überhaupt einigermaßen geschmeidig durch den Straßenverkehr bewegen wollte. Zum Glück hatte ich den Wagen nicht ständig, sonst hätte ich irgendwann noch Arme im Schwarzenegger-Format bekommen.

    Rekordwinter 1978/79: Minus zwanzig Grad am Morgen

    Immer wieder freitags kam Freude auf. Nachdem wir unsere Fahrten (übrigens mit Lade- und teilweiser Montagearbeit) am späten Nachmittag erledigt hatten, hieß es „abschmieren“. Mit Schmierpumpen bewaffnet, fetteten wir dann die Fahrzeuge an den dafür vorgesehenen Schmiernippeln komplett ab. Eine wunderbare Arbeit zum Wochenende. Ähnlich erfreulich waren die Starthilfen im Winter, wenn wir morgens um sechs Uhr bei minus 20 Grad Celsius die ausgekühlten Diesel mit Hilfe von Bunsenbrennern zum Leben erweckten.

    Kurzum, es war kein leichter Job, und er hatte auch Null-Komma-nichts gemein mit Filmen à la „Convoy“ oder TV-Opern wie „Auf Achse“. Diese Landstraßen-Märchen haben nämlich regelmäßig ein gemeinsames Alleinstellungsmerkmal: Es wird nicht gearbeitet. Die Wirklichkeit sah (und sieht) ganz anders aus. Ich hatte das schnell begriffen, und kapiert hatte ich auch rasch, dass ich in meinem neuen Job nicht gerade das große Geld verdienen würde. „Brosch & Sohn – große Klappe, kleiner Lohn“ - unser Lichterfelder Betrieb hatte einen gewissen Ruf in unserer schönen Halbstadt, und diesen Spruch bekam ich anno 78/79 von externen Kollegen öfter zu hören.

    Trotzdem hatte ich in meinem Job viel Spaß. Erstens war ich froh, überhaupt mein erstes eigenes Geld zu verdienen. Zweitens bekam ich dort in einem dreiviertel Jahr etwas geliefert, was man mit Geld nicht kaufen kann: Reife. Noch heute sage ich, dass mich die harte und lange Arbeit, das frühe Aufstehen am Morgen, hat mich erwachsen werden lassen. So eigenartig es sich heute vielleicht anhören mag, aber in wenigen Monaten war aus dem Zehlendorfer Vorstadt-Bubi mit endlosen Flausen im Kopf ein junger Mann geworden.

    Meine legendäre „Hähnchen-Tour“ durch West-Berlin

    Besonders in Erinnerung aus dieser Zeit ist mir ein Tag im Winter. Noch heute, wenn ich mit Freunden zusammen sitze, lachen wir über die legendäre „Hähnchen-Tour“, die ich an einem schönen, bitterkalten Donnerstag auf vereisten Straßen zu absolvieren hatte. Dabei war das damals alles andere als komisch, aber der Reihe nach. Frühmorgens wurde ich für einen unserer Tiefkühler eingeteilt. Es ging darum, mehrere Filialen der Kaufhauskette Hertie mit tiefgekühlten Hähnchen zu beliefern. Das Federvieh war in glatten Kartons verpackt und auf Paletten gestapelt. Ziele waren die Restaurants der Hertie-Häuser unter anderem in Neukölln, Friedenau und Spandau. Die Kartons waren fein säuberlich gestapelt, und damit nichts umstürzte waren sie auf einzelnen Paletten mit Packriemen aus (angeblich) reißfestem Kunststoff festgezurrt.

    Und so fuhr ich an jenem Tag vom Gehöft. Ich hatte vielleicht einen Kilometer zurückgelegt, da geschah es: An einer Kreuzung musste ich voll auf die Luftdruckbremse steigen, weil mir plötzlich auf eisglatter Fahrbahn ein Pkw entgegenschleuderte. Mein Truck kam – Eis hin, Eis her - augenblicklich zum Stehen, gleichzeitig rutschte der Pkw an mir vorbei und prallte gegen den Bordstein. In diesem Augenblick ging ein dumpfes Poltern durch meinen Wagen, und ich wusste sofort, was passiert war.

    Das Übel der autogerechten Stadt: Wie Willy Brandt West-Berlin veränderte

    Meine Kindheit auf dem Abenteuerspielplatz West-Berlin

    Durch die Vollbremsung waren die Packgurte der Paletten gerissen und die Hähnchen flogen wild durch den Laderaum. Ich fuhr an den Straßenrand, stellte den Motor ab, ging um den Wagen herum und öffnete die Ladebordwand am Heck. Und da lagen sie, die zahllosen Kartons, völlig durcheinander, manche eingerissen und offen. Völlig idiotisch, aber irgendwie spukte mir bei dem Anblick der Spruch „aufgescheuchte Hühner“ durch den Kopf. Zum Lachen war mir allerdings nicht zu Mute. Es half alles nichts, ich musste mit Hilfe der Lieferscheine die Stapel neu aufbauen und notdürftig stabilisieren. Die Packgurte (reißfest!) waren ja nicht mehr zu gebrauchen.

    Nach einer halben Stunde hatte ich es geschafft, und die Tour konnte weiter gehen. Ich hatte die erste Filiale fast erreicht, da passierte es ein zweites Mal. Diesmal reichte schon eine leichte Bremsung um die Hähnchen zum Fliegen zu bringen. Zähneknirschend rollte ich mit dem Lkw zur Laderampe vor, pickte dann die für die Filiale bestimmten Kartons heraus und lieferte den ersten Teil meiner Fracht ab. Anschließend stapelte ich die übrigen Kartons wieder aufeinander und startet zum nächsten Kaufhaus.

    Ich wurde immer besser, denn inzwischen schaffte ich ungefähr fünf Kilometer, bis zum erneuten Abflug der Tiefkühl-Biester in meinem Rücken. Ich entschloss mich, die Vögel im Laderaum erstmal liegen zu lassen. Was nutzte es schließlich, wenn ich jetzt wieder eine Pause einlegte, nur um die Viecher in ihren aalglatten Kartons bis zu ihrem nächsten Absturz wieder sinnlos übereinander zu stapeln?

    Passanten auf dem verschneiten Kurfürstendamm in Berlin

    Passanten auf dem verschneiten Kurfürstendamm in BerlinUnited Archives/dpa
    Das alte Berlin: Chaos und rauer Humor

    Tatsächlich kam ich auf diese Weise einigermaßen über den Tag. Da sich die Zahl der tiefgekühlten Hähnchenleichen in ihren Pappsärgen von Filiale zu Filiale reduzierte, wurde der Haufen in meinem Rücken somit auch immer kleiner, und das Stapeln bei der Auslieferung ging auch schneller von der Hand.

    Dann kam Hertie-Spandau. Es war mein letzter Kunde an diesem denkwürdigen Tag. Ich war zur Anlieferung auf den Hof der Filiale gefahren und hatte kurz vor einem Lastenaufzug die letzte Hühnerpalette gestapelt. Zack, fuhr ich mit den Greifarmen eines Hubwagens unter die Palette, stemmte die Ladung in die Höhe und rollte in den Aufzug. Da geschah es: zwischen Aufzug und davor liegender Bordstrecke war eine kleine Lücke. Und genau die reichte aus, um das wacklige Konstrukt auf der Palette mit einem enormen Poltern zum Einsturz zu bringen. Dutzende von tiefgekühlten Gummiadlern krachten in den Aufzug und blockierten die Türen.

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    Entstehung der Berliner Kinderläden: Kindergärtnerin „trägt Vollbart“ und „reinste Anarchie“

    Ich war am Ende. Als dann noch zwei superschlaue Packer daherkamen und ihre Witzchen machten, war es vorbei. Ich sprang auf, drehte mich nach den beiden Burschen um, schiere Mordlust in den Augen. „Lass ma´ brennen“, sagte der eine da schnell beschwichtigend. „Wir helfen dir, die Viecher wieder auf de Reihe zu kriejen.“ Ich war sprachlos, biss mir auf die Lippe, damit die Verwünschungen, die mir auf der Zunge lagen nicht plötzlich unkontrolliert ins Freie quollen. Keine fünf Minuten später hatten wir zu dritt das Chaos beseitigt. Ich fuhr die geflügelte Fracht zur Annahme wo mir ein Lagerist den Empfang bestätigte.

    Als ich wieder draußen war, standen da noch die beiden Packer, die mir zuvor geholfen hatten, das Malheur zu beseitigen. Vor sich drei Pappbecher mit Kaffee. „Komm´ ma her, Kolleje“, meinte der eine und zwinkerte mir aufmunternd zu. „Nimm erst ma n Kaffe und ne Zijarette, siehst ja aus wie n abjenagter Hühnerknochen.“ Das kam in etwa hin, und in dem Augenblick konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen, denn so eine (Tor-)Tour hatte ich während meiner gesamten Zeit bei „Brosch-Transporte“ noch nicht gehabt. Wir haben dann noch ein paar Minuten zusammen gestanden, geklönt über dies und das, und dann ging und fuhr jeder seiner Wege. Tja, auch das war West-Berlin: Chaos, rauer Humor und Hilfsbereitschaft.

    #Berlin #Arbeit #Fuhrgewerbe #LKW #Westberlin

  • Joe Chialo zur umstrittenen Klausel vor Kulturausschuss : „Als Senator kann ich das machen“
    https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/debatte/berlins-kultursenator-joe-chialo-zur-umstrittenen-antidiskriminieru


    La ville de Berlin exige désormais la signature d’une déclaration contre toute critique d’Israël comme condition préalable à l’accès aux subventions municipales pour les activités culturelles. La décision du sénateur chrétien-démocrate ne suscite que de critiques prudentes car tout le monde a peur de perdre le soutien indispensable pour la survie de milliers d’srtistes. On se prononce pour la liberté artistique ou déclare qu’une société libre n’a pas besoin de censure. Le véritable sujet n’est jamais évoqué. On ne parle pas des crimes de guerre contre la population civile de Gaza.

    Je sens un climat de peur. Le gouvernement municipal se comporte en censeur des critiques humanitaires et soutient la barbarie de l’armée de l’état hébreux.
    https://seenthis.net/messages/1035639

    Le sénateur de droite a encore évoqué la position partagée par la quasi totalité du monde politique allemand comme quoi la fondation de l’état d’Israël était une conséquence de l’holocauste commis par les allemands. D’après cette construction chaque allemand est obligé de défendre l’état juif. La taille et l’unicité du crime commis exigent que ce soutien soit illimité et sans condition.

    Nous avons déja constaté ici que c’est faux car les sionistest ont simplement profité des circonstances politiques favorables pour déclarer la fondation de l’état juif sur le sol palestinien. L’holocauste n’a de relation avec le projet sioniste qu’à travers la production d’un certain nombre de personnes déplacés juifs que les terroristes juifs ont invités à établir leur nouveau domicile sur la terre fraîchement conquise.

    La reconnaissance officielle de la culpabilité des allemands de deux générations, celle qui a établi le régime nazi et celle qui l’a suivi, a effectivement joué un rôle important pour la reconnaissance de l’état allemand capitaliste par les états adversaires des nazis.

    Cette position officielle a également rendu possible de cacher l’identité de beaucoup de criminels antisemites avec la complaisance de l’état d’Israël et des vainqueurs occidentaux de 1945. La taille et la complexité du problëne à la fois moral, politique, économique et culturel est énorme. La politique officielle allemande ne sait alors que défendre par tous les moyens le statu quo dont l’existence de l’état d’Israël.

    8.1.2024 von Stefan Hochgesand - Die neue Antidiskriminierungsklausel für Kulturförderung in Berlin bekommt Gegenwind. Wie hat Joe Chialo seine Maßnahme nun vor dem Kulturausschuss verteidigt?

    Die Sonne strahlt am Montagnachmittag auf den dunkelgrauen Teppichboden in Raum 311 im dritten Stock des Berliner Abgeordnetenhauses, als Kultursenator Joe Chialo (CDU) um 14.10 Uhr den Raum betritt, forschen Schrittes, in Sneakers, dunkler Hose und mit karminrotem Pullover an. Kein Tag wie viele andere für den Senator: „Antisemitismus und die Verantwortung von Kunst und Kultur“ steht staatstragend als Tagesordnungspunkt 3 auf der Einladung zur 28. Sitzung des Ausschusses für Kultur, Engagement und Demokratieförderung.

    Das Thema steht seit einem Monat fest – doch seit ein paar Tagen hat es abermals erhöhte tagespolitische Brisanz. Der Ausschussvorsitzende Peer Mock-Stümer (CDU) weist, als er die Sitzung eröffnet, darauf hin, dass die vordere Tür des Raums heute verschlossen sei. Zwischenrufe seien nicht gestattet. Er verweist auf die „aufgeregte Stimmung vor dem Haus“: Dort demonstrieren derweil gut 500 Menschen, auch mit weißen Flaggen samt Melonen-Logo; der Chiffre pro-palästinensischer Solidarität.

    Der Hintergrund ist folgender: Die am vorigen Donnerstag, dem 4. Januar 2024, von Kultursenator Joe Chialo publik gemachte Antidiskriminierungsklausel (oft verkürzt auch Antisemitismusklausel genannt) stößt auf Gegenwind. Kulturprojekte, die öffentliche Fördermittel aus Chialos Etat beziehen, müssen sich fortan bereits bei Antragsstellung dazu verpflichten, dass das Fördergeld nicht in rassistische, antisemitische, queerfeindliche oder anderweitig ausgrenzende Ausdrucksweisen fließt.

    Joe Chialos Berliner Antisemitismus-Klausel zur öffentlichen Kulturförderung: Es regt sich Widerstand

    Umstritten sind dabei in der Berliner Kulturwelt insbesondere die Details zum Punkt Antisemitismus: Während etwa der Zentralrat der Juden in Deutschland die Klausel begrüßt, kam von anderen Akteuren, etwa Berliner Kulturverbänden (wie dem Rat für die Künste Berlin und der Koalition der Freien Szene), aber auch zahlreichen Einzelpersonen in einem Offenen Brief Kritik an der von Chialo herangezogenen Definition von Antisemitismus Kritik auf: Die von der International Holocaust Rememberance Alliance vorgelegte, sogenannte IHRA-Definition sei nie für einen solchen Zweck bestimmt gewesen. Zumal mit der ebenfalls von Chialo verwendeten Erweiterung der Antisemitismus-Definition durch die Bundesregierung: „Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher [antisemitischen] Angriffe sein.“ Kritiker dieses Beisatzes sehen dabei Kritik an Israels Politik pauschal als Antisemitismus verunglimpft.

    Joe Chialo vor dem Kulturausschuss: Klausel gilt schon länger als gedacht

    Kein Wunder, dass Chialo auch im Ausschuss am Montagnachmittag mit Fragen zur Klausel überschüttet wird: Für wen die neue Fördermittel-Klausel denn nun eigentlich alles gelte, will Manuela Schmidt (Die Linke) von Chialo wissen: „Nur“ Kultur oder auch Engagement und Demokratieförderung, also Bereiche, die auch in Chialos Entscheidungsbereich fallen. „Ja, auch da“, sagt Chialo. Warum dann nicht etwa auch bei Wirtschaft und bei Sport, fragt Schmidt zurück. Das sei eine berechtigte Frage, gibt Chialo zurück. „Die Senatskollegen befassen sich damit.“ Womöglich findet die Klausel dann also in sehr viel mehr Bereichen bald noch Anwendung.

    In der AfD-Fraktion interessiert man sich noch für einen anderen Punkt: Wie sei das beim Neuköllner Kulturverein Oyoun, dessen Förderung die Kulturverwaltung zum Jahresende auslaufen ließ? Bei einigen Menschen des Vereins, der sich von dieser Entscheidung überrascht zeigt, sei offenbar ihr Aufenthaltstitel an den Arbeitsplatz gekoppelt. Chialo bestätigt dies: Man werde sich diese Fälle „sozialverträglich“ einzeln anschauen.

    Konkreter auf die Klausel bezogen bekräftigt Chialo im Ausschuss, dass man Diskriminierung keinen Raum geben und zugleich das hohe Gut der Kunstfreiheit wahren wolle. „Kunst ist frei, aber nicht regellos – zumindest nicht, wenn sie gefördert wird durch Steuergelder.“ Sowieso sei die Klausel deklaratorisch: Sie stelle die ohnehin geltende Rechtslage fest – aber sie solle zudem auch sensibilisieren. Er habe etwa am Donnerstag im Videocall das Gespräch mit Kultureinrichtungen gesucht. Genau so eine Klausel habe man sich dort gewünscht. Als Chialo dies verkündet, lacht eine Person hinten im Zuschauerbereich des Saals lautstark auf. Sie tut das nicht zum ersten Mal, während Chialo spricht. „Könnten Sie die Störung unterlassen?“, mahnt der Ausschussvorsitzende. „Sonst mache ich von meinem Hausrecht Gebrauch.“

    Chialo verweist vor dem Ausschuss darauf, dass man bei der neuen Klausel (die übrigens nicht, wie oft berichtet, erst seit letzter Woche, sondern schon seit dem 21. Dezember 2023 gelte) auf ein Landeskonzept aus dem März 2019 zurückgegriffen habe. Auch dieses Konzept stütze sich auf die IHRA-Definition von Antisemitismus – wie im Übrigen auch Regelwerke aus 40 anderen Länder, den Vereinten Nationen und sogar des Deutschen Fußballbundes. Chialo sieht es so: „Die IHRA-Definition besagt, dass man mit der Infragestellung des Existenzrechts Israels nicht durchkommt, nicht bei uns. Das ist keine gestrichelte Linien, sondern eine rote Linie.“

    Mehrfach ordnet der Senator die Hamas-Angriffe auf Israel vom 7. Oktober 2023 als eine Zäsur ein. Viele Jüdinnen und Juden seien auf ihn zugekommen, hätten ihm von ihrer Angst berichtet, auch von Davidstern- und von Hakenkreuz-Schmierereien. Die Einführung der Klausel nun sei für ihn, Chialo, allerdings nicht das Ende, sondern der Anfangspunkt einer Diskussion – „um die Klausel möglicherweise auch zu verändern und zu verbessern“. Auch in Abstimmung mit Schleswig-Holstein, die als erstes Bundesland, noch vor Berlin, eine vergleichbare Klausel einführten – und mit dem Bund, wo man ebenfalls gerade an einer Klausel arbeite. Man sei offen für Verbesserungsvorschläge, auch von den Akteuren aus der Kultur.
    Joe Chialo und die Antisemitismusklausel: Die AfD-Fraktion lobt die Grünen

    Der Opposition reicht dies nicht: Wie Daniel Wesener (Grüne) verkündet, habe man einen fünfseitigen Fragenkatalog bezüglich der Klausel formuliert, mit Themenkomplexen wie: Was sind die Rechtsgrundlagen? Wie ist das mit der Verfassung vereinbar? Und diesbezüglich erhalten die Grünen sogar unverhoffte Rückendeckung: Auch Martin Trefzer (AfD) findet einige der Fragen in dem Grünen-Katalog gut, wie er kundtut. „Sie tun so, als hätte es einen großen umfänglichen Abstimmungsprozess gegeben“, moniert Elke Breitenbach (Die Linke) Richtung Chialo. „Es ist aber kein Gesprächsangebot, die Sachen hinzulegen: friss und stirb. Ich finde, dass Sie ganz schön viel Porzellan zerschlagen haben. Wir hätten es anders gemacht.“ Der Senator, sich auf die Zäsur des 7. Oktober berufend, verteidigt hingegen seinen umstrittenen Schritt: „Bitte bedenken Sie, dass das ein Verwaltungshandeln ist. Und als Senator kann ich das machen.“ Er sagt dies, Chialo-typisch, mit sehr sanfter Stimme. Aber das Statement sitzt. Er könnte es wohl auch so ausdrücken: Er muss nicht erst mit allen reden, wenn Not am Mann ist.

    Nach viel hochgekochter Emotion bringen die eingeladenen Experten etwas Ruhe in die Runde. Raphael Gross, Präsident des Deutschen Historischen Museums (DHM) macht in seiner Ansprache vor dem Ausschuss deutlich, dass Antisemitismus „kein jüdisches Thema, sondern ein Problem der Gesellschaft“ sei. Auch durch Kultur werde mitunter Antisemitismus transportiert. „Er blüht meist in einer Zeit, in der schnell Schuldige markiert werden.“ Die Forderung von Gross: „Kulturorganisationen sollten sich selbst reflektieren.“

    Ulrich Khuon zum BDS-Beschluss des Bundestags: „Die Politik darf nicht in die Kunstfreiheit reingrätschen.“

    Oliver Reese, Intendant des Berliner Ensembles (BE), berichtet von „Gegen Antisemitismus“, dem Solidaritätskonzert mit Igor Levit und Gästen am BE. In den sieben Jahren seiner Intendanz habe es in jedem Jahr mehrere Veranstaltungen am Haus gegen Antisemitismus gegeben. Man habe in der Vergangenheit bereits einen Kodex gegen Antisemitismus am BE erarbeitet. Es falle ihm, Reese, sicher nicht schwer, eine Erklärung gegen Antisemitismus zu unterschreiben. Aber: „Ich würde so eine Erklärung gerne freiwillig unterschreiben.“ Diese Chance würde ihm genommen, wenn alle sie gleichsam unterschreiben müssten. Reese warnt vor einem pauschalen „Misstrauen gegenüber der Berliner Kultur“.

    Gabriele Schulz, stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates, zieht einen Bogen von den sogenannten „Judensäuen“ an deutschen Kirchen bis hin zu Antisemitismus im deutschsprachigen HipHop, der etwa bei der Verleihung des Musikpreises Echo zum Eklat führte angesichts der Skandal-Lyrics der ausgezeichneten Rapper Kollegah und Farid Bang. Etwas andere Töne schlägt die Musikmanagerin Sonia Simmenauer vor dem Ausschuss an: Als Jüdin sei sie de facto betroffen. Sie befürchte indes, die Berliner Antidiskriminierungsklausel könne „zu einem Bumerang werden“. Der Senat schreibe der Klausel „magische Wirkung“ zu. Das Ausland aber schaue verwundert auf Berlin. Künstler zögen es vor, nicht unter Generalverdacht zu fallen. Simmenauer findet es „absurd, wenn kritische Juden als antisemitisch angesehen“ würden. Das verhindere „die Möglichkeit, sich miteinander auseinanderzusetzen“.

    Die Expertenvorträge führen zu allerlei interessierten Rückfragen der Ausschussmitglieder: Wie habe Reese am BE den Kodex erarbeitet? Welchem Druck seien Konzertveranstalter durch die BDS-Bewegung ausgesetzt? Wie könne man den Austausch mit israelischen Kultureinrichtungen verstärken? Susanna Kahlefeld (Grüne) lobt die Vorträge: „Sie haben das Niveau vorgebeben, auf dem wir weiterdiskutieren sollten.“ Und auch Chialo streckt die Hand aus für mehr Dialog: „Danke auch für kritische Worte in meine Richtung.“ Inzwischen ist es dunkel auf der anderen Seite der Fenster des Saal 311. Für den Tagesordnungspunkt 4 („Verschiedenes“) interessiert sich niemand mehr. „Kein weiterer Gesprächsbedarf“, konstatiert der Ausschussvorsitzende Mock-Stümer, als er die Sitzung kurz vor 17 Uhr schließt. Für die Klausel aber dürfte das indes noch lange nicht gelten.

    #Berlin #Israël #Palestine #guerre #génocide #CDU

  • Lust auf Bier : Schlagerstar Frank Zander hat Operation gut überstanden
    https://www.berliner-zeitung.de/news/frank-zander-hat-op-gut-uberstanden-bier-zum-anstossen-li.2174769

    Encore vivant. Unkraut vergeht nicht. Tout le mode aime papi Frank.

    Schlagerstar Frank Zander hat seine Operation am Montag gut überstanden. „Es geht ihm gut, er ist auf seinem Zimmer. OP ist gut verlaufen“, sagte sein Sohn Marcus Zander am Montag der dpa. Nach der Kopfoperation habe er ein wenig Kopfschmerzen und solle nun viel Wasser trinken. Er freue sich schon auf den Besuch von ihm, sagte Marcus Zander, „dann stoßen wir gemeinsam mit einem Schluck Bier an und besprechen, wie die weitere Nachbehandlung ablaufen soll“.

    Ende Dezember hatte die Familie mitgeteilt, dass bei Zander senior Hydrozephalus diagnostiziert wurde, ein Aufstau von Gehirnflüssigkeit. Der 81-Jährige wird in der Berliner Charité behandelt. Noch am Freitag hatte das Berliner Urgestein regionstypisch übermitteln lassen: „Aber ich weiß, es wird allet jut und ick freu mich schon auf n frisch gezapftes Bier nach der OP.“

    Am 22. Dezember hatte Familie Zander zum ersten Mal nach der Corona-Pandemie wieder die Weihnachtsfeier für Berliner Obdachlose ausgerichtet - nur ohne Frank Zander.

    Ur-Ur-Enkel von Frankenstein - Video 1847
    https://www.youtube.com/watch?v=-evBna1RFAg

    Ich trink auf dein Wohl Marie
    https://www.youtube.com/watch?v=-VJUDcQ-_Lg

    Hier kommt Kurt
    https://www.youtube.com/watch?v=BrPcg8y2-5E

    Der Nick Nack Man
    https://www.youtube.com/watch?v=NOKySVtYFA0

    Oh Susi
    https://www.youtube.com/watch?v=_UFUcqXQd-4

    Mama wir wollen Pommes haben (Frank und Kießling und Kinderchor im Altenheim)
    https://www.youtube.com/watch?v=2Xk8Omp_AVU

    Ja wenn wir alle Englein wären
    https://www.youtube.com/watch?v=NVujAB-eCaY

    Fröliche Hamsterparade
    https://www.youtube.com/watch?v=dOYHVshWkm4

    Frank Zander est un peu notre Coluche à nous. Moins intelligent, pas aussi cultivé mais bon musicien et proche des simples gens et de la bonne société de Berlin-Ouest. Chaque année il prépare un festin de noël pour les sans abri dans un grand hôtel.

    #Berlin #variété #people

  • Franz Beckenbauer ist tot
    https://www.berliner-zeitung.de/news/franz-beckenbauer-ist-tot-li.2174831

    Der letzte deutsche Kaiser ist gegangen. Die Lichtgestalt starb am Sonntag im Alter von 78 Jahren im Kreise seiner Familie.

    Est-ce que vous connaissez la définition allemande de football ? 22 types courent apres la balle et la Bavière gagne. Ce sport n’est pas intéressant.

    #footballl #corrruption #wtf

  • Nach der Rückgabe der Berliner Benin-Bronzen : Muss nun auch Nofretete weg aus Berlin ?
    https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/kunst/nach-der-rueckgabe-kulturgueter-der-berliner-benin-bronzen-muss-nun


    Non, elle n’a pas été volée aux Égyptiens. Dans son cas il y des preuves irréfutables. L’égyptienne est une reine berlinoise.

    Die Debatte um Rückgaben geklauter Kulturgüter wird uns auch in Berlin weiterhin begleiten. Nachdem Kulturstaatsministerin Claudia Roth und Außenministerin Annalena Baerbock im Dezember 2022 die sogenannten Benin-Bronzen feierlich an Nigeria zurückgegeben hatten, wurde insbesondere 2023 in der Kulturwelt heftig diskutiert: War das der richtige Schritt? Wer in Nigeria ist überhaupt der rechtmäßige Besitzer der 1897 von den Briten geplünderten Skulpturen-Schätze, die übrigens nicht nur aus Bronze, sondern teilweise auch aus Elfenbein gefertigt sind? Und wie kann gewährleistet werden, dass sie öffentlich ausgestellt werden und nicht in den Gemächern von Privatpersonen unter Verschluss bleiben?

    Solche Fragen werden auch in Zukunft gestellt werden. „Natürlich wird es auch künftig zu Rückgaben kommen“, sagte Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, gerade in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. „Wir arbeiten kontinuierlich und konstruktiv mit vielen Partnern in aller Welt zusammen.“

    Nofretete in Berlin: Ist die Skulptur rechtmäßig auf der Museumsinsel?

    Könnte das nun auch die berühmte Büste der Königin Nofretete betreffen? Immer wieder war sie von Ägypten zurückgefordert worden. Und es liegt nah, dass insbesondere dieses Jahr darüber heftig diskutiert wird. Woran liegt das? 1924 wurde Nofretete erstmals ausgestellt in Berlin; damals im Griechischen Hof des Neuen Museums. 2024 ist also hundertjähriges Jubiläum. Ein strategisch im Sinne der Aufmerksamkeits-Ökonomie günstiger Zeitpunkt.

    #Berlin #musées #art #histoire #nefertiti

  • Exklusiv: Der Senat will das SEZ an der Landsberger Allee komplett abreißen
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/sez-an-der-landsberger-allee-der-senat-will-das-alte-ddr-bad-abreis


    Und Tschüß, Berlin hat wieder ein Wellenbad weniger. Dabei war die schicke SEZ-Anlage besser als alle Westbäder zusammen.

    Blub-Britz (abgerissen) und Spreewaldbad-Kreuzberg (kalt, bibber...) waren und sind Mist im Vergleich zum SEZ Leninallee Ecke Dimitroffstraße. Aber da wollnwa ja nich wieda hin, Sozialismus, igittigitt ! Könnte ja als Virus beim Schwimmen übertragen werden. Dann lieba jejen Kowitt impfen. Wirkt aba och nich jejen Sozialismus.

    4.1.2024 von Anne Vorbringer - Wie aus einer Antwort auf eine Anfrage der Linken im Abgeordnetenhaus hervorgeht, plant Schwarz-Rot „den Abriss des gesamten Gebäudebestands“. Im Dezember hörte sich das noch anders an.

    Als die Berliner Zeitung Anfang Dezember bei der Senatsfinanzverwaltung zur Zukunft des SEZ und einem möglichen, drohenden Abriss des einstigen DDR-Vorzeigespaßbades nachfragte, gab sich eine Sprecherin noch vage: „Die Details der Rückgabe des Grundstücks und dessen weiterer Entwicklung werden zeitnah geklärt. Deshalb kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt keine weiteren Details nennen.“

    Man verwies auf die Pressemitteilung zum Thema, die nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofs darauf verwies, dass das Land Berlin nun wieder über das Grundstück des Sport- und Erholungszentrums (SEZ) an der Landsberger Allee verfügen und dieses neu entwickeln könne.

    Finanzsenator Stefan Evers (CDU) ließ verlauten: „Das SEZ geht zurück an das Land Berlin und kommt damit endlich wieder den Berlinerinnen und Berlinern zugute. Das ist eine großartige Nachricht. Ich danke allen Beteiligten, die sich in diesem viel zu langen Rechtsstreit mit viel Herzblut für die Interessen der Allgemeinheit eingesetzt haben. Jetzt geht es darum, aus dieser Fläche gemeinsam das Beste für Berlin zu machen.“
    Zukunft des SEZ-Areals: gemischt genutzter Standort mit hohem Wohnanteil

    Nun scheint klar zu sein, wie es um die Zukunft des SEZ wirklich bestellt ist. Der Berliner Zeitung liegt eine Anfrage des Linke-Politikers Damiano Valgolio vor, der als direkt gewählter Abgeordneter im Friedrichshainer Westen die aktuelle Berichterstattung zum Anlass genommen hat, beim Senat selber mal nachzufragen.

    In der Antwort der Senatsverwaltung für Finanzen auf die schriftliche Anfrage Valgolios heißt es zunächst: „Der Senat beabsichtigt, den vom Abgeordnetenhaus am 13. Dezember 2018 beschlossenen und durch Frau Senatorin Lompscher festgesetzten Bebauungsplan umzusetzen. Es soll ein gemischt genutzter Standort mit hohem Wohnanteil entstehen, zudem werden Flächen für einen dringend erforderlichen Schulstandort mit gedeckten und ungedeckten Sportanlagen geschaffen. Zudem ist u.a. der Bau von ca. 500 Wohnungen vorgesehen. Der Bebauungsplan schreibt auch vor, dass mindestens 30 Prozent der zu errichtenden Wohnungen für einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen vorzusehen sind.“

    Zu den Fragen, ob es ein Gutachten zur Bausubstanz des SEZ geben werde und ob der Senat einen Abriss oder Teilabriss der Gebäude beabsichtige, heißt es: „Die Umsetzung des Bebauungsplans wird den Abriss des gesamten Gebäudebestands erfordern. Es ist beabsichtigt, die Bausubstanz auf dem Grundstück so weit wie möglich wiederzuverwerten, um die CO₂-Belastung durch den Neubau so gering wie möglich zu halten. Hierzu ist eine differenzierte Untersuchung des Gebäudebestandes erforderlich.“

    Der Senat argumentiert weiter, der Erhalt des SEZ als Sport- und Freizeitstätte sei Ziel der vor 20 Jahren erfolgten Privatisierung gewesen. „Zwischenzeitlich sind keine Investitionen erfolgt, die einen dauerhaften Erhalt des im März 1981 eröffneten Gebäudekomplexes hätten sicherstellen können. Der Bebauungsplan widerspräche zwar nicht dem Bestandsschutz der bestehenden Gebäude. Ein dauerhafter Sportbetrieb dürfte aber ausgeschlossen sein. Keines der Gebäude steht unter Denkmalschutz. Die frühere öffentliche Sportnutzung ist durch eine spezialgesetzliche Regelung bereits Ende 2002 aufgegeben worden. Die Schwimm- und Sprunghalle im Europasportpark ist fußläufig ca. 650 Meter vom SEZ entfernt.“

    Damiano Valgolio kritisiert die Abriss-Entscheidung: „Unsere Anfrage hat ergeben, dass der Senat die SEZ-Gebäude ohne Prüfung der Bausubstanz abreißen will. Das ist ein Fehler, das SEZ ist ein wichtiges Stück Ost-Berliner Stadtgeschichte. Stattdessen muss der Senat nun als Erstes ein Baugutachten in Auftrag geben, um festzustellen, welche Teile des Gebäudes weiter für Sport- und Freizeitbetrieb genutzt werden können. Ziel muss es sein, einen möglichst großen Teil des historischen Ensembles zu erhalten und schnell ein Freizeitangebot zu schaffen, das der Tradition des SEZ gerecht wird.“

    Das Grundstück an der Ecke Landsberger Allee/Danziger Straße war 2003 vom Land Berlin an einen Investor verkauft worden. Seit 2016 wurde vor Gericht verhandelt, ob der damalige Käufer seine vertraglichen Pflichten eingehalten hat. Das Kammergericht hat im Jahr 2022 entschieden, dass der Investor das SEZ-Gelände an das Land zurückgeben muss. Eine hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde des Investors hat der Bundesgerichtshof kürzlich abgewiesen. Das Land Berlin kann wieder über das Grundstück verfügen.

    #DDR #Berlin #Friedrichshain #Dimitroffstraße #Leninallee #Landsberger_Allee 77 #Danziger_Straße #Sport #Schwimmen #Freizeit #Sozialismus #SEZ

  • Kastrationen gegen Bezahlung im Wohnzimmer ? 74-Jähriger aus Thüringen vor Gericht
    https://www.berliner-zeitung.de/news/kastrationen-gegen-bezahlung-im-wohnzimmer-74-jaehriger-vor-gericht

    Apparamment il n’est pas facile d’être un viel homme blanc. Ces dernières années on a vu plusieurs castrateurs passer devant la justice allemande après avoir proposé et pratiqué des solutions « maison » sans autorisation de l’ordre des médecins. Si ca continue comme ça il n’y aura bientôt plus de specimen de cette espèce, ils seront ou morts ou émasculés. Tant pis.

    4.1.2024 - Er soll Männern gegen Bezahlung in seinem Wohnzimmer unter anderem Hoden entfernt haben. Jetzt steht der 74-Jährige wegen dieser Eingriffe vor Gericht.

    Ein 74 Jahre alter Mann soll Kastrationen und andere operative Eingriffe gegen Bezahlung angeboten und durchgeführt haben – ohne medizinische Ausbildung. Deshalb muss sich der Mann aus dem thüringischen Sömmerda seit Donnerstag wegen schwerer Körperverletzung vor dem Landgericht Erfurt verantworten.

    Um die Opfer zu schützen, wurde die Anklage unter Ausschluss der Öffentlichkeit verlesen. In acht Fällen soll der 74-Jährige Eingriffe durchgeführt haben. Sieben Männer aus verschiedenen Regionen Deutschlands sollen betroffen sein, hieß es auf Nachfrage seitens der Staatsanwaltschaft. Angeklagt ist der 74-Jährige unter anderem wegen schwerer Körperverletzung, da die Betroffenen dauerhaft ihre Fortpflanzungsfähigkeit verloren haben sollen.

    Der Angeklagte soll seine Dienste in Internetforen angeboten und die Eingriffe im Wohnzimmer seiner Wohnung durchgeführt haben. Es soll dabei unter anderem um die Amputation von Hoden und Penis gegangen sein. Die betroffenen Männer sollen für die Eingriffe zwischen 500 und 2200 Euro gezahlt haben.

    Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Taten strafbar sind, auch wenn sich die betroffenen Männer selbst dazu bereit erklärt haben. Im Falle einer Verurteilung bewegt sich der Strafrahmen laut Staatsanwaltschaft zwischen drei und 15 Jahren.

    Bayern: Weiterer Senior bat „Kastrationen“ im Internet an

    Der Angeklagte selbst schwieg beim Prozessauftakt. Sein Verteidiger gab allerdings an, dass sich der Mann gegebenenfalls im weiteren Verhandlungsverlauf äußern werde. Unklar ist, wann der Prozess weitergeht. Der Angeklagte ist selbst krank und plant, sich einer Operation zu unterziehen.

    Die Eckdaten erinnern an einen Fall aus Bayern: Im Dezember 2021 wurde am Landgericht München II ein damals 67 Jahre alter Elektriker wegen schwerer, gefährlicher und einfacher Körperverletzung zu mehr als acht Jahren Haft verurteilt. Er hatte zugegeben, in Sadisten-Foren im Internet „Kastrationen“ angeboten zu haben. Mehrere Männer zahlten ihm demnach Geld dafür, dass er sie beispielsweise folterte und die Hoden entfernte. Einer der Männer starb nach dem Eingriff – woran, konnte das Gericht nicht mehr ergründen.

    #hommes #castration #wtf

  • Silvester in Berlin: Betrunkene Feuerwehrleute wollten Notfall-Patienten in Klinik fahren
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/silvester-in-berlin-betrunkene-feuerwehrleute-wollten-notfall-patie

    Blaulicht schützt vor Strafe nicht. Jaja.

    3.1.2024 von Andreas Kopietz - Die beiden Rettungssanitäter lallten in die Funkgeräte. Alkoholtests ergaben bei ihnen 2,2 und 1,6 Promille. Wie viele Einsätze fuhren sie in der Nacht betrunken?

    Die Besatzung eines Berliner Rettungswagens ist in der Silvesternacht betrunken durch die Stadt gefahren. Sie wollte einen verletzten Patienten in ein Krankenhaus fahren. „So ein Verhalten ist völlig inakzeptabel“, sagte Behördensprecher Vinzenz Kasch am Mittwoch der Berliner Zeitung und bestätigte damit einen entsprechenden Bericht der B.Z.

    „Beide Kollegen befinden sich derzeit nicht mehr im Einsatzdienst. Sie werden nun zunächst dem Betriebsarzt vorgestellt.“ Alles Weitere sei Gegenstand der Ermittlungen.

    Die beiden Rettungssanitäter von der Wache Wannsee waren nach Informationen der Berliner Zeitung durch die Polizei wegen einer Körperverletzung alarmiert worden. Ein Verletzter sollte mit einer Kopfplatzwunde ins Krankenhaus gefahren werden.

    Aufgefallen sind die beiden Sanitäter am Funk in der Leitstelle: Sie lallten und drückten mehrfach die falsche Statustaste, mit der eine Besatzung durchgibt, ob sie einsatzbereit oder unterwegs ist.

    Über zwei Promille gemessen

    Daraufhin wurde ein Vorgesetzter losgeschickt. Als er an der Einsatzstelle eintraf, habe er die Alkoholfahne der beiden bemerkt, heißt es intern. Er ordnete daraufhin an, dass der Praktikant, der die Sanitäter begleitete und nüchtern war, den Verletzten fahre. Der Vorgesetzte fuhr in seinem eigenen Fahrzeug hinterher.

    Ein Atemalkoholtest soll bei dem medizinisch verantwortlichen Sanitäter 1,6 Promille angezeigt haben. Bei dem Fahrer sollen es 2,2 Promille gewesen sein. Die Polizei ordnete bei ihnen eine Blutentnahme an.

    Mehrere Vorgesetzte begaben sich kurz nach 4 Uhr zu der Feuerwache Wannsee und drängten die elf verbliebenen diensthabenden Feuerwehrleute zu freiwilligen Alkoholtests. Sie waren aber nüchtern. Problematisch war allerdings, dass während der Aussprachen und der Alkoholtests die Wache aus dem Einsatzgeschehen abgemeldet werden musste. Dabei wurde in der Silvesternacht jeder Wagen gebraucht.

    Gegen die beiden Feuerwehrleute wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Die Polizei ermittelt gegen sie wegen Trunkenheit im Straßenverkehr. Gegenstand dieser Ermittlungen ist auch die Frage, wie viele Rettungseinsätze sie in jener Nacht betrunken zurücklegten.

    #Berlin #Wannsee #Scabellstraße #Lronprinzessinnenweg #Feuerwehr #Alkohol #Arbeit

  • Berliner Gericht: Bezirk Pankow muss „Kiezblock“ im Nesselweg wieder entfernen
    https://www.berliner-zeitung.de/news/bezirk-pankow-muss-kiezblock-im-nesselweg-wieder-entfernen-gerichts

    Pankow, oder nicht Pankow? Ausnahmsweise und mit viel Glück hat unsere Lokaljournalistin die Angabe „Pankow“ dem berühmten Nesselweg richtig zugeordnet. Spätestens seit der Bezirksreform und der Schaffung des Monsterbezirks „Pankow“ qua Eingemeindung des völlig unzusammenhängenden Prenzlauer Berg in den Stadtrandbezirk ist die Information über den Bezirksnamen leider völlig sinnfrei geworden. Der Names des Ortsteils „Rosenthal“ wäre ein tippitoppi Hinweis, um dem Leser zumindest eine vage Vorstellung von der Lage des Nesselwegs zu vermitteln. Dann noch, wie dem Kaupert zu entnehmen, ein Verweis auf die Schönhauser Straße oder, noch besser, die zweite Straße, die der Kiezblock undurchfahrbar macht, und schon wäre man einigermaßen im Bilde.
    Aber was willste, die Lokalredaktion ist halt zweite Liga, Durchlauferhitzer für kleine Tröpchen, aus denen mal Journalisten werden sollen. Da kann man nicht so viel Präzision erwarten. Meldungen abtippen (oder mit CTRL-C übernehmen) muss reichen.

    3.1.2024 von Eva Maria Braungart - Das Gericht gab einem Eilantrag statt, der sich gegen die Sperrung einer Straße wandte. Der „Kiezblock“ muss nun wieder verschwinden.

    Das Berliner Verwaltungsgericht hat entschieden, dass ein sogenannter Kiezblock in Berlin-Pankow wieder entfernt werden muss. Durch Maßnahmen wie Durchfahrtsperren oder Einbahnstraßen sollte der Durchgangsverkehr in einigen Kiezen eingeschränkt werden. Vor einem halben Jahr wurde der erste in Berlin errichtet.

    Das Gericht gab einem Eilantrag statt, der sich gegen die Sperrung einer Straße mittels Sperrpfosten gewandt hatte. Es bestünden „ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Aufstellung der Sperrpfosten und sonstiger Verkehrsschilder“, so die Begründung des Urteils.

    Anderer „Kiezblock“ sorgte in Pankow für Aufregung

    Im Juni 2021 hatte die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) des Bezirks Pankow das Bezirksamt aufgefordert, Maßnahmen zur wirksamen Reduzierung des Durchgangsverkehrs im Nesselweg zu treffen. Dort sei ein zunehmender Durchgangsverkehr zu verzeichnen gewesen, wobei die erlaubte Höchstgeschwindigkeit regelmäßig deutlich überschritten worden sein soll. Ein „Kiezblock“ sollte dieses Problem lösen – doch damit ist nun Schluss.

    Das Gericht sieht die bemängelten Schäden am Nesselweg jedoch nicht als erwiesen an. „Im Gegenteil habe nicht nur die Polizei Berlin erhebliche Bedenken gegen die verkehrliche Anordnung gehabt, sondern auch ein Mitarbeiter des Bezirksamtes selbst bei einer Ortsbegehung im Januar 2022 keine Verkehrsgefährdungen festgestellt.“ Das Bezirksamt muss nun die Sperrung in Pankow aufheben und den Sperrpfosten entfernen.

    Ein weiterer „Kiezblock“ in Pankow sorgte im Sommer für Aufregung. Inhaber von Geschäften im Komponistenviertel beklagten unter anderem einen Einbruch der Umsätze.

    #Kiezblock #Berlin #Rosenthal #Nesselweg #Justiz

  • Chodowieckistraße und Co. in Berlin: Diese Straßennamen kann kein Mensch aussprechen
    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/chodowieckistrasse-und-co-in-berlin-diese-strassennamen-kann-kein-m

    Wenn’s weita nüscht is ...

    3.1.2024 von Anne Vorbringer - An manchen Straßennamen scheitern selbst alte Hauptstadthasen. Oder wissen Sie auf Anhieb, wie man die Chodowieckistraße in Prenzlauer Berg korrekt ausspricht?

    Im vergangenen Jahr haben die Sprachexperten der E-Learning-Plattform Preply untersucht, welche international bekannten Lebensmittel von den Deutschen am häufigsten falsch ausgesprochen werden. Dazu wurden knapp 500 Begriffe daraufhin analysiert, wie häufig deren Aussprache bei Google eingegeben wird.

    Die Top Fünf wurde von „Bruschetta“ angeführt, das Röstbrot aus dem italienischen Antipasti-Segment wird hierzulande mindestens genauso oft bestellt wie falsch ausgesprochen, was auch für Spezialitäten wie Ciabatta, Tagliatelle und Gnocchi gilt. Letztere werden in deutschen Restaurants gerne zu „Gnotschi“, „Gnoki“ oder „Noschi“ verhunzt.

    Leider gibt es noch keine statistisch verwertbare Erhebung zu den am häufigsten falsch ausgesprochenen Berliner Straßennamen, aber wir sind uns ziemlich sicher, dass unsere fünf Beispiele es in jedes derartige Ranking schaffen würden.

    1. Prenzlauer Berg: Chodowieckistraße

    Als mein Ex-Freund damals aus unserer gemeinsamen Vorderhauswohnung in der sehr leicht auszusprechenden Dunckerstraße auszog, waren wir nicht sonderlich gut aufeinander zu sprechen. In meinem emotionalen Verlassenwerden-Tief galt es, auch Kleinigkeiten mit einer gewissen Schadenfreude zu betrachten. Zum Beispiel den Umstand, dass auf dem angespannten Berliner Innenstadt-Mietmarkt nur noch eine Hinterhofbutze in der Chodowieckistraße für ihn frei war.

    Ausgerechnet in der Chodowieckistraße, hahahaha, dachte ich. Nun würde er jedem Taxifahrer buchstabieren müssen, wo er nach seinen Kneipenabenden mit den Kumpels hinkutschiert werden will. Schließlich hat es die kurze, parallel zur Danziger Straße verlaufende Chodowieckistraße aussprachetechnisch in sich und selbst Profis wissen nicht, was eigentlich richtig ist.

    Ich jedenfalls habe in Taxis schon alles gehört, von „Chodowjetzkistraße“, gesprochen mit „zk“, über „Chodowikki-“ bis „Schodowikkistraße“ – also mit sch und doppeltem k. Benannt ist die Straße in Prenzlauer Berg nach dem 1726 in Danzig geborenen und 1801 in Berlin verstorbenen Maler, Radierer und Kupferstecher Daniel Nikolaus Chodowiecki.

    Dessen Nachname wird laut Duden „Chodowjetski“ ausgesprochen, polnische Muttersprachler schlagen auf anderen Plattformen eher ein „Hoddowjetski“ vor. Zum Üben für die nächste Taxifahrt haben wir Ihnen einen YouTube-Link herausgesucht. Dass der Fahrer Sie dann auch versteht, dafür übernehmen wir allerdings keine Garantie. Mein Ex-Freund jedenfalls hat es irgendwann aufgegeben und bat immer darum, an der Ecke Danziger und Prenzlauer Allee rausgelassen zu werden.

    2. Grünau: Rabindranath-Tagore-Straße

    Früher hieß die vom Adlergestell bis zur Regattastraße verlaufende Rabindranath-Tagore-Straße im schönen Grünau mal schnöde-einfach Straße 900. Doch dann erfolgte auf Vorschlag des Indologen Professor Walter Ruben zum 100. Geburtstag des Nobelpreisträgers Rabindranath Tagore die Umbenennung nach dem 1861 in Kalkutta geborenen Philosophen und Dichter.

    Der Schriftsteller Stefan Heym hat in der Rabindranath-Tagore-Straße gewohnt und erzählte Ende der Neunzigerjahre in der Zeit diese hübsche Anekdote zu seiner Adresse: „Die DDR wollte von Indien anerkannt werden, nannte deshalb unsere Straße Tagorestraße, und da sagte jener Indologe zum Bürgermeister: Es gibt drei Brüder Tagore. Die könne man verwechseln, wenn man nicht deutlich mache, welchen man meint. Deshalb heißt die Straße Rabindranath Tagore, und alle Pförtner von Hotels, in denen ich je einkehrte, mussten ‚Rabindranath Tagore‘ in ihre Bücher schreiben.“

    Auch heute noch hat sich an der Unaussprechlichkeit und Unbuchstabierbarkeit wenig geändert, berichtet ein Kollege aus Grünau. Selbst bei Google Maps herrscht Zungenbrecherpotenzial, und wenn das Kartennavi auf dem Handy die „Rabbindrannattrgorr-Straße“ ausspricht, will man sich vor Lachen kringeln und vergisst dabei unter Umständen, auf den Verkehr zu achten. Auch nicht ungefährlich.

    3. Wedding: Malplaquetstraße

    Malplakat? Malplack? Wasnochmal? Die Malplaquetstraße in Wedding stellt wohl selbst Anwohner vor Schwierigkeiten. Sie reicht von der Nazarethkirchstraße bis zur Seestraße, so viel steht fest. Doch wie spricht man sie nur korrekt aus?

    Lesen wir zunächst im Kauperts Straßenführer durch Berlin nach. Dort heißt es: „In der äußerst blutigen Schlacht bei Malplaquet am 11.9.1709 vernichteten während des Spanischen Erbfolgekriegs die vereint kämpfenden preußischen, österreichischen und britischen Truppen – unter Führung von John Churchill Marlborough – die Armee Ludwigs XIV. von Frankreich. Der verlustreich erkämpfte Sieg wurde nicht genutzt und hatte auch nicht die erhoffte kriegsentscheidende Wirkung.“

    Verlustreich, aber namensgebend: die Schlacht bei MalplaquetHeritage Images/imago

    Und weiter: „Vorher Straße Nr. 45, Abt. X/1 des Bebauungsplanes. 1888 entschied der Magistrat von Berlin anlässlich des 200. Geburtstags Friedrich Wilhelms I., der als Kronprinz in den Niederlanden seine Feuertaufe erhalten hatte, eine Anzahl Weddinger Straßen nach Ereignissen und Personen des Spanischen Erbfolgekriegs (1701–1714) zu benennen. So erhielt auch die Malplaquetstraße ihren Namen.“

    Malplaquet liegt in Nordfrankreich und wird demzufolge très français ausgesprochen und betont: malplakee.

    4. Tiergarten: John-Foster-Dulles-Allee

    John Foster Dulles war ein amerikanischer Politiker, der unter US-Präsident Dwight D. Eisenhower von 1953 bis 1959 als Außenminister der Vereinigten Staaten diente. Er war bekannt für seine kompromisslose Haltung gegenüber der Sowjetunion im Kalten Krieg und betrachtete den Kommunismus als „moralisches Übel“.

    Übel gerät bisweilen auch die Aussprache seines Namens in Berlin, ist nach Dulles doch eine kleine, vom Spreeweg bis zur Scheidemannstraße reichende Allee benannt. Die lässt von „Dallas“ über „Dulls“ bis hin zu „Dulli“ allerlei verhunzungstechnische Alternativen zu. Entscheiden Sie selbst, wie sehr Sie den Ami ärgern wollen, etwa wenn Sie das nächste Mal das Haus der Kulturen der Welt ansteuern, das in der John-Foster-Dulles-Allee 10 ansässig ist.

    5. Friedenau: Handjerystraße

    Von „Hand-cherie“ über „Händ-dschäry“ bis „Hand-jerri“ ist eigentlich aussprachetechnisch alles drin in der Friedenauer Handjerystraße, die von der Varziner Straße bis zur Bundesallee und Stubenrauchstraße führt. Benannt ist sie nach dem Politiker Nicolaus Prinz Handjery, der 1836 in Konstantinopel zur Welt kam und 1900 in Dresden starb.

    Wenn’s hilft: Auch eine Pflanze ist nach Handjery benannt. Der Bergahorn „Prinz Handjery“ hat einen breit ovalen bis kugelförmigen Wuchs.Agefotostock/imago

    Der Kauperts weiß: „Der Sohn eines russischen Staatsrats stammte aus einer vornehmen griechischen Familie. Seit 1845 mit seiner Familie in Preußen lebend, erhielt Handjery 1851 das preußische Bürgerrecht, 1854 legte er in Berlin das Abitur ab und studierte dann in Berlin und Bonn Jura. 1858–1861 diente er im Garde-Kürassier-Regiment. Nach dem Examen und juristischer Tätigkeit beim Berliner Stadtgericht und der Potsdamer Regierung wirkte Handjery von 1870 bis 1885 als Landrat des Kreises Teltow und vertrat den Kreis im Abgeordnetenhaus und im Reichstag. 1885 wurde Handjery Regierungspräsident in Liegnitz, bis er 1895 wegen Krankheit aus seinen Ämtern ausschied und zurückgezogen in Berlin lebte. Seine Grabstätte befindet sich auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof, Großgörschenstraße.“

    Lässt man sich den Wikipedia-Artikel über den Juristen laut vorlesen, so spricht dort eine weibliche Stimme den Namen eher wie folgt aus: „Nikolaus Handjerü.“ Gibt man das wiederum in die Google-Sprachsuche ein, schlägt die Maschine Seiten vor wie „Handjob zum Nikolaus“. Das dürfte die Verwirrung endgültig komplett machen. Zumal es in Berlin gleich zwei Handjerystraßen gibt: Die andere liegt in Adlershof.

    #Berlin #Geschichte #Straßen #Handjerystraße #Adlershof #Friedenau #Tiergarten #John-Foster-Dulles-Allee #Wedding #Malplaquetstraße #Grünau #Rabindranath-Tagore-Straße #Prenzlauer_Berg #Chodowieckistraße

  • Schwerer Unfall am Fehrbelliner Platz in Berlin-Wilmersdorf: Mehrere Verletzte
    https://www.berliner-zeitung.de/news/schwerer-unfall-am-fehrbelliner-platz-mehrere-verletzte-li.2173242

    Uber schlägt zu. Mal wieder. Fahrer ohne Ortskenntnis + Lohndumping + Mangel an Erfahrung = Crash.

    Mal sehen, was mit der Versicherung des Mietwagens ist. Fahrgäste riskieren ihr Leben und Entschädigung. Kosten für Krankenhaus offen.

    2.1.2024 - Am Fehrbelliner Platz in Berlin-Wilmersdorf hat es am Dienstagabend einen schweren Unfall gegeben. Nach Angaben eines Sprechers der Feuerwehr kollidierten gegen 19.30 Uhr auf einer Kreuzung zwei Autos, wodurch insgesamt sechs Menschen zum Teil schwer verletzt wurden. Die Wucht des Aufpralls sei so stark gewesen, dass eine Person eingeklemmt wurde und mit schwerem Gerät aus dem Wrack befreit werden musste. Sie kam mit lebensbedrohlichen Verletzungen in ein Krankenhaus, so der Sprecher.

    Außerdem erlitten drei Insassen schwere Verletzungen, zwei weitere wurden leicht verletzt. Die Berliner Feuerwehr war mit 50 Einsatzkräften vor Ort, wie sie auf X mitteilte. Die Kreuzung ist voll gesperrt. Polizisten begannen umgehend mit den Ermittlungen zur Unfallursache. Nach Informationen der Berliner Zeitung handelt es sich bei den beiden Unfallwagen um einen Mercedes und einen Toyota, der gerade im Auftrag von Uber Fahrgäste transportierte.

    Update: Eine Person wurde im PKW eingeklemmt und musste mit hydraulischem Gerät befreit werden. Insgesamt wurden 6 Personen in Krankenhäuser transportiert, davon:
    🔴1 Person mit lebensgefährlichen Verletzungen,
    🟡4 Personen mit schweren Verletzungen
    🟢1 Person leicht verletzt. pic.twitter.com/Y7b3x8T7ys
    — Berliner Feuerwehr (@Berliner_Fw) January 2, 2024

    #Berlin #Wilmersdorf #Fehrbelliner_Platz #Verkehr #Uber #Unfall

  • Absurdität und Arroganz: Was Wolfgang Schäubles Wirken im Einigungsprozess den DDR-Bürgern brachte
    https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/absurditaet-und-arroganz-was-wolfgang-schaeubles-wirken-im-einigung


    Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (l.) und DDR-Staatssekretär Günther Krause bei der Unterzeichnung der Urkunden zum Einigungsvertrag am 31.08.1990. In der Mitte DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière. Im Palais Unter den Linden in Berlin wurde der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik per 3. Oktober 1990 besiegelt.

    1.1.2024 von Hans Modrow, mtk| - Hans Modrow beschrieb in einer Rede in Zürich die Haltung der westdeutschen Eliten in den Jahren nach 1990 und die offiziöse Geschichtsschreibung: Sind wir inzwischen „ein Volk“?

    Der am Dienstag im Alter von 81 Jahren verstorbene CDU-Politiker Wolfgang Schäuble hat in den vergangenen Tagen vielfache Würdigung erfahren. In frischer Erinnerung sind seine Jahre als Minister in der Regierung Merkel und als Präsident des Deutschen Bundestages – als energischer Verteidiger der Demokratie. Sein Anteil als von Bundeskanzler Helmut Kohl beauftragter Verhandlungsführer am Zustandekommen des Vertrages über die deutsche Einheit im Jahr 1990 fand in den Nachrufen allenfalls kurze Erwähnung. Das mag einerseits an dem Gebot des Anstandes und der Pietät liegen, einem jüngst Verstorbenen nichts Schlechtes nachzureden, andererseits daran, dass der Inhalt dieses Vertrages das Leben der Bürger der alten Bundesrepublik wenig beeinflusste – und damit auch das der Nachrufautorinnen und -autoren.

    In einem von der ARD ausgestrahlten Nachruf erinnerte Richard Schröder, seinerzeit Vorsitzender der SPD-Fraktion in der letzten DDR-Volkskammer, dass die Seite mit dem Geld den Lauf der Verhandlungen bestimmt habe. Der Mann mit dem Geld war Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble gewesen. Er trat im Mai 1990 mit einem Entwurf des Einigungsvertrages an, dem DDR-Verhandlungsführer Günther Krause mit einem Fünf-Seiten-Papier begegnete.

    Etliche der im Vertrag festgelegten Regeln sollten in den kommenden Jahren das Leben der DDR-Bürger über den Haufen werfen – man denke nur an das Prinzip Rückgabe vor Entschädigung von Eigentum in der DDR, (Richard Schröder hatte sich für Entschädigung vor Rückgabe starkgemacht.), die von der Treuhand zu erledigende Komplettabwicklung des Volkseigentums und die Privatisierung in „pragmatischer Eile“ oder die Frage der Berufsabschlüsse. DDR-Bürgern wurde in Kapitel VII des Vertrages die Gnade eingeräumt, auf Antrag eine „Gleichwertigkeitsfeststellung“ zu erlangen.

    Wolfgang Schäuble, in den Nachrufen politisch auch als „harter Knochen“ bezeichnet, hat bis zum Schluss keinen Hinweis gegeben, ob er Teile des Vertragswerkes später als unglücklich und der inneren Einheit nicht dienlich empfand. Zwei Jahre nach Unterzeichnung des Vertrages durch Schäuble und seinen im Westen viel verspotteten DDR-Partner Günther Krause schrieb der Spiegel: „Das Dogma Eigentumsrecht, die Ideologie, dass der Grundbesitz des Einzelnen über allem steht, erweist sich immer stärker und bedrohlicher als schwerster Fehler bei der Gestaltung der Einheit.“ Als Folgen diagnostizierte das Blatt: „Der Hass auf die Raffkes aus dem Westen wächst.“ Das Vertrauen in den Rechtsstaat schmelze dahin. Über den Vereinigungsvertrag, das Werk des Juristen Schäuble, heißt es: „Ein juristisches Glanzstück war das nicht.“

    Im März 1990 hatte die DDR-Regierung unter Hans Modrow noch ein Gesetz erlassen, demgemäß Bürger die volkseigenen Grundstücke, auf denen ihr Eigenheim stand, noch günstig kaufen und so vor dem West-Zugriff schützen konnten. Das war eine der Maßnahmen, mit denen Hans Modrow, letzter Ministerpräsident der DDR mit Parteibuch der PDS, vormals SED, die Einheit vorbereitete. Er hatte die erste freie Wahl am 18. März 1990 vorbereitet, in der eine klare Mehrheit unmissverständlich den Wunsch nach rascher Wiedervereinigung ausdrückte. Die Machtübergabe an seinen CDU-Nachfolger Lothar de Maizière verlief ruhig und geordnet.

    Am 16. April 2019 hielt der kürzlich verstorbene Hans Modrow einen Vortrag an der international hoch anerkannten Schweizer Eidgenössischen Technischen Hochschule, ETH, in Zürich, in dem er ohne Bitterkeit die Absurdität und auch Arroganz der westdeutschen Eliten aufzeigt, die gegenüber ostdeutscher Lebenswirklichkeit bis heute durchgehalten wird. Eine Einladung einer deutschen Hochschule hatte er nie erhalten. Die Schweizer gaben ihm die Möglichkeit, eine solche Rede zu halten, die im eigenen Land keiner hören wollte. Wolfgang Schäuble wird in dem Text nicht namentlich genannt. Sein Wirken aber liegt an der Wurzel von Modrows Lebensbilanz.
    Maritta Tkalec

    Hier die Rede mit dem Titel „30 Jahre nach dem Fall der Mauer – Europa damals und heute“ im Wortlaut:

    In den frühen Siebzigerjahren erschien ein Roman des deutschjüdischen Schriftstellers Stefan Heym mit dem Titel „Der König David Bericht“. In diesem ging es im Wesentlichen darum, dass im Nachgang historische Vorgänge umgeschrieben wurden, damit diese die Gegenwart und vor allem den Auftraggeber rühmten. Die damalige Literaturkritik in West und Ost, nicht frei vom Zeitgeist, interpretierte diesen Vorgang auf unterschiedliche Weise. Heute, wo es nur noch Westen gibt, ist sie sich einig: Heym attackierte damit den Stalinismus, den Machtmissbrauch, die Zensur und auch den Antisemitismus.

    Dabei sind jene, die dies postulieren, sich nicht einmal bewusst, dass sie selbst eigentlich nicht frei sind von jenen Verhaltensmustern, die der DDR-Autor Heym kritisierte.

    Mit dem Herbst ’89, der DDR im Allgemeinen und ihrem Ende im Besonderen ist es nicht anders.

    Seit dreißig Jahren wird ein Bild vornehmlich von jenen gezeichnet, die entweder nicht dabei waren, oder aber von Menschen, die sich als Opfer der DDR verstehen. Nun stelle ich keineswegs in Zweifel, dass etliche Ostdeutsche aus unterschiedlichen Gründen in der DDR nicht heimisch wurden und lieber gingen als blieben. Aber in keinem Staat leben nur glückliche Menschen. Allenfalls im biblischen Paradies – doch auch dort wurde das Machtmonopol repressiv eingesetzt. Bekanntlich wurden die Bürger Adam und Eva ausgewiesen.

    In der offiziösen Geschichtsschreibung über die DDR dominiert die sogenannte Opferperspektive. Weil sie die These von der Befreiung stützt und dem vermeintlichen Sieger Lob und Legitimation für sein Tun verschafft. Eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Sicht findet allenfalls an der Peripherie und selten im akademischen Raum statt. Die vorherrschende Meinung war und ist die Meinung der in Politik, Medien und Wissenschaft Herrschenden. Widersprechende Zeitzeugen, so sie aus der politischen Klasse der DDR stammen, bekommen entweder einen Maulkorb oder das Etikett „Täter“ verpasst. Wer ein gutes Haar an dieser untergegangenen DDR lässt, gilt als ewiggestrig, als unbelehrbar, als dogmatisch und – was ja der Sinn dieser denunziatorischen Übung war und ist – als unglaubwürdig.

    Da hilft es auch nicht, wenn man die deutsche Frage in einen internationalen Kontext stellt, wenn man vom Kalten Krieg spricht und beide Seiten zu gleichen Teilen für diesen unfriedlichen Zustand verantwortlich macht. Schuld haben nur die einen: die Verlierer.

    Noch weniger hinnehmbar ist, dass man von der „zweiten deutschen Diktatur“ spricht und ein Gleichheitszeichen setzt zwischen dem verbrecherischen Nazi-Reich und der zweiten deutschen Republik, der DDR. Einige behaupteten sogar, der Strich auf dem Bahnhof Friedrichstraße in Berlin gliche dem auf der Rampe in Auschwitz. Und da es keine vergleichbaren Leichenberge gab, sprach man ersatzweise vom „Auschwitz der Seelen“. Dass dies nicht nur die Menschen empörte, die die Nazibarbarei in Konzentrationslager und im Exil überlebt hatten und zur Gründergeneration der DDR gehörten, muss ich nicht betonen.

    Erfahrung von Krieg und Gefangenschaft

    Ich selbst kam 1949 – in jenem Jahr, als die Bundesrepublik und die DDR gegründet wurden – aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Nicht nach Hause, denn das lag in Pommern und nunmehr in Polen. Die Nazis hatten mich 17-jährig in ihr letztes Aufgebot gesteckt, und ohne jemals einen Schuss abgegeben zu haben, durfte ich vier Jahre lang in den Weiten Russlands Holz schlagen. Aber, und deshalb setze ich dies an den Beginn meines Vortrags: Ich war damals auch mit jener Unwissenheit geschlagen, die die Herrschenden – damals also die Nazi-Clique – brauchen, um Menschen in den Krieg zu schicken. Gegen diese Unwissenheit setzten damals die Sowjets die Aufklärung. In den sogenannten Antifa-Schulen klärten sie deutsche Ex-Soldaten darüber auf, wer diesen Krieg gemacht hatte, warum er geführt wurde, wer davon profitierte und wer dafür bezahlen musste. Auch ich hörte dort zum ersten Male davon.

    Kriege werden immer um Territorien, um Rohstoffe und Absatzmärkte, um Macht und Einfluss geführt. Die Ideen, um deren Verbreitung angeblich immer gekämpft würde, und die vermeintliche Befreiung von in Knechtschaft gehaltenen Menschen, sind reine Propaganda. Die angebliche „Rettung des Vaterlandes“ und die „Beseitigung des jüdischen Bolschewismus“ kostete zwischen 1933 und 1945 mehr als fünfzig Millionen Menschen das Leben.

    Europa war nach dem 8. Mai 1945 – die Schweiz ausgenommen – ein Leichen- und Trümmerfeld. Und die Siegermächte der Antihitlerkoalition beschlossen in Potsdam die Nachkriegsordnung für den Kontinent. Am 30. Januar 1933 hatte das deutsche Großkapital die Nazis an die Macht gebracht, weil es sich von ihnen höhere Rendite erwartete. Ohne diesen 30. Januar 1933 wären zwölf Jahre später in Berlin nicht die Kapitulation besiegelt und Deutschland nicht militärisch besetzt worden. Unmittelbar danach brachen die Interessengegensätze zwischen den einstigen Verbündeten auf, es begann ein Kalter Krieg, der zur Spaltung nicht nur Deutschlands, sondern Europas führte. Die Teilung Deutschlands, die ich bei meiner Rückkehr vorfand, empfand ich stets als Quittung für den von Deutschland 1939 begonnenen Eroberungskrieg. Ich war damals elf Jahre alt und daran unschuldig. Doch ich war jetzt nicht nur um eine Erfahrung reicher, sondern nunmehr auch verantwortlich dafür, dass Faschismus und Krieg nie, nie wieder stattfinden durften. Ich hatte meine Lektion in der Kriegsgefangenschaft gelernt.
    „Lass uns dir zum guten dienen, Deutschland einig Vaterland“

    Die Teilung Deutschlands hielten wir im Osten für einen temporären Vorgang – zumal die Bildung der DDR im Nachgang zur Gründung eines Separatstaates in den drei westlichen Besatzungszonen erfolgt war. Zwangsläufig. Denn wenn es auf der einen Seite eine Bundesrepublik Deutschland gab, durfte auf der anderen Seite das sowjetisch besetzte Territorium nicht weiter eine Zone bleiben. Auch wenn absichtsvoll bis in die 1960er-Jahre Bundeskanzler Adenauer nur von der „Sowjetzone“ sprach und später das Kürzel DDR in Anführungszeichen gesetzt wurde.

    Erst als 1973 beide deutsche Staaten gleichberechtigte Mitglieder der Uno wurden, zog mit der Entspannungspolitik auch ein wenig Normalität in die deutsch-deutschen Beziehungen ein. Eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR durch die BRD, eine Respektierung ihrer Bürger als Staatsbürger eines anderen Landes erfolgte bis zum Ende 1990 jedoch nie. Aber noch einmal: Die DDR verstand sich mindestens in ihrer Anfangszeit als Provisorium, ihr Parlament hieß „Provisorische Volkskammer“, und in der Nationalhymne sangen wir (erstmals am 6. Oktober 1949): „Auferstanden aus Ruinen / und der Zukunft zugewandt, / lass uns dir zum Guten dienen, / Deutschland, einig Vaterland.“

    Meine Partei, die SED, forderte „Deutsche an einen Tisch!“, unterbreitete Vorschläge, wie man zu einer Konföderation käme, und wollte den anormalen Zustand – denn die Teilung Deutschlands wurde als widernatürlich empfunden – überwinden. Diese Teilung wurde in der BRD jedoch zementiert. Man lehnte dort die Stalin-Noten von 1952 ab, mit denen Moskau u. a. freie Wahlen in ganz Deutschland und den Abzug aller Besatzungstruppen vorgeschlagen hatte. Die Adenauer-Regierung forcierte stattdessen die Westintegration der Bundesrepublik und die Wiederbewaffnung und grenzte sich vom Osten ab.

    Der Beitritt der BRD zur Nato 1955 verursachte auf der Gegenseite die Bildung eines Warschauer Paktes, dem sich die DDR anschloss. Damit wurde die Westgrenze der DDR – im westdeutschen Sprachgebrauch fälschlich immer als „innerdeutsche Grenze“ bezeichnet – zur Ostgrenze der Nato in Europa und zur Westgrenze des östlichen Bündnisses.

    Damit fiel die Oberhoheit an dieser Trennlinie der Systeme den jeweiligen Führungsmächten zu. Nicht die BRD und die DDR, sondern Washington und Moskau diktierten im Wesentlichen die Bedingungen. Wie das Grenzregime gestaltet wurde, wer wo was zu tun und zu unterlassen hatte.
    Heikler Sonderfall Berlin

    Berlin, auf dem Territorium der DDR gelegen, war ein heikler Sonderfall: Dort saßen die vier Mächte und achteten darauf, dass die Stadt – in der es keine Grenze zwischen den Sektoren gab – weder von der einen noch von der anderen Seite regiert werden durfte. Und nach West-Berlin durften auf drei Trassen nur die Flugzeuge der Siegermächte verkehren. Unkontrolliert von deutschen Behörden.

    Unproblematisch hingegen war es auf der Erde. Mit einem Ticket für 20 Pfennig gelangte man mit der S-Bahn von Ost- nach West-Berlin und umgekehrt. Als DDR-Bürger bekam man, so man es wünschte, im Westen sofort einen westdeutschen Pass, denn die BRD maßte sich an, für alle Deutschen zu sprechen. Auch für die in Polen, der ČSSR und in der Sowjetunion lebenden. Bonn überzog entsprechend seiner Hallstein-Doktrin sogar Drittstaaten mit Sanktionen, sofern diese – im Unterschied zur BRD – die DDR und die Pässe ihrer Bürger anerkannten.

    Das führte zu zusätzlichen Spannungen, die im Juni 1961 die Staatschefs der beiden Großmächte in Wien bei ihrem ersten Gipfeltreffen zu beheben hofften. Chruschtschow und Kennedy einigten sich jedoch nur darauf, dass die Rechte der Westmächte in West-Berlin nicht angetastet, ihr Zugang zur einstigen Reichshauptstadt nicht behindert und die Sicherheit der West-Berliner durch sie geschützt werden durften. Dadurch blieb das grundsätzliche Problem – das der offenen Grenze zwischen Ost- und West-Berlin – ungelöst, worauf Moskau Anfang August entschied, diese Grenze zu schließen und eine Mauer rund um West-Berlin zu errichten. Die am 13. August 1961 getroffenen Maßnahmen wurden als Bündnisentscheidung deklariert. Das waren sie auch, denn alle Staaten des Warschauer Vertrages stimmten zu. Auch die DDR.

    Aber es war eben nicht die DDR und schon gar nicht Walter Ulbricht, der den Mauerbau befahl.

    Und es waren eben nicht die Kommunisten allein, die Deutschland und Europa geteilt haben, was wahrheitswidrig seither behauptet wird. Der Mauerbau und seine Konsequenzen waren die Folge der Politik beider Seiten. Die Logik des Kalten Krieges erzwang Aktion und Reaktion, auf die Provokation der einen folgte die der anderen Seite. Ich gehörte damals der Leitung der Berliner SED-Organisation an und weiß, worüber ich rede. Nicht jeder Schritt war von Vernunft diktiert.

    Erst die Einsicht, dass zwischen den beiden Blöcken ein militärstrategisches Gleichgewicht bestünde, führte zur Entspannung. Beide Seiten wussten: Schieße ich als Erster, sterbe ich als Zweiter. Die Möglichkeit wechselseitiger Vernichtung führte zur Einsicht, dass man sich arrangieren müsse, um friedlich miteinander zu existieren. Das führte erstmals in der Geschichte zur Schaffung eines Systems kollektiver Sicherheit, geknüpft durch eine Vielzahl bilateraler und multilateraler Verträge.

    Die Krönung dieser globalen diplomatischen Anstrengungen war die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, deren Schlussdokument 1975 von Staats- und Regierungschefs der 33 Staaten des Kontinents sowie der USA und Kanadas in Helsinki unterzeichnet wurde.

    Dieses in Jahrzehnten entstandene Netzwerk vertrauensbildender Abkommen und Vereinbarungen überstand viele Belastungen – selbst den Untergang des Ostblocks. Der gegenwärtig in Washington herrschende Präsident und die ihn stützenden Kräfte vermochten es allerdings, dieses System binnen zweier Jahre zu liquidieren. Seither bestimmen wieder Argwohn und Misstrauen die Weltpolitik und es wird, wenn überhaupt, Jahrzehnte brauchen, um dieses Vertrauen wiederherzustellen.

    Wir lernten in der Folgezeit nicht nur mit der Bombe zu leben, sondern auch mit der Mauer. Beide aber sollten verschwinden. Das war nicht nur der Wunsch vieler Menschen im Westen, sondern auch im Osten. Honecker nannte die Raketen, die auf deutschem Territorium stationiert und mit Atomsprengköpfen bestückt waren, „Teufelszeug“ und verlangte ihren Abzug. In dieser Hinsicht war er sich mit Bundeskanzler Kohl einig. Sie erklärten am 12. März 1985 in Moskau gemeinsam, dass „die Unverletzlichkeit der Grenzen und die Achtung der territorialen Integrität und Souveränität der Staaten in Europa in ihren gegenwärtigen Grenzen“ (...) „grundlegende Bedingungen für den Frieden“ seien. Und: „Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg, von deutschem Boden muss Frieden ausgehen.“

    Honecker, der zwei Jahre später als Staatsgast die Bundesrepublik bereiste, wollte durchaus auch die Mauer durchlässiger machen. Er war zwar beim Abendessen mit Kohl in Bad Godesberg am 7. September 1987 der Auffassung, „dass Sozialismus und Kapitalismus sich ebenso wenig vereinigen lassen wie Feuer und Wasser“, womit er gewiss nicht Unrecht hatte. Doch in Neunkirchen im Saarland meinte er Tage später, dass man auf einen Zustand hinarbeiten wolle, dass die Verhältnisse an dieser Grenze so sein würden wie die an der Grenze zu Polen oder zur Tschechoslowakei.

    Nun will ich Honecker nicht zum Heiligen machen. Es gibt reichlich Gründe, ihn auch kritisch zu beurteilen. Aber was wahr ist, sollte auch als historische Wahrheit zur Kenntnis genommen werden. Wäre Honecker nicht am 29. Mai vor 25 Jahren in Chile verstorben, sondern vielleicht schon sechs, sieben Jahre früher und zwar im Amte, dann wäre halb Bonn nach Berlin geeilt, um dem ostdeutschen Staatsmann die letzte Ehre zu erweisen. Erst als er gestürzt und die DDR zu Grabe getragen war, wurde er zu jenem Schuft erklärt, als der er heute öffentlich geschmäht wird.

    Ganz nebenbei: Als der Wehrmacht-Leutnant Helmut Schmidt – dem wiederholt eine „einwandfreie nationalsozialistische Haltung“ von seinen Vorgesetzten attestiert wurde – Leningrad belagerte und in jener Zeit mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet wurde, saß Honecker im faschistischen Zuchthaus Brandenburg-Görden. Dort saß er ganze zehn Jahre für seine antifaschistische Gesinnung ein. Schmidt wurde später Bundeskanzler, Honecker Staats- und Parteichef. Schmidt ist heute ein Denkmal und sein Wohnhaus in Hamburg Museum, Honecker hat nicht einmal ein Grab in Deutschland. Wogegen ich im Übrigen auch bin. Denn ich fürchte, dass es nicht sicher wäre angesichts der üblen Nachrede, die er seit seinem Abgang von der politischen Bühne erfährt.

    Das alles gehört in Erinnerung gerufen, wenn wir über den 9. November 1989 reden. Denn der sogenannte Mauerfall hat eine Vor- und nicht nur eine Nachgeschichte. Außerdem fiel die Mauer erst 1990, als die Bagger und Mauerspechte kamen. An jenem 9. November öffnete die DDR Grenzübergangsstellen, und sie tat dies, weil a) einer aus der Führung auf einer Pressekonferenz fahrig und unkonzentriert die Sperrfrist übersah, die der Reiseverordnung beigegeben war, und weil b) diese Meldung übers Westfernsehen sogleich über die Mauer flog und viele DDR-Bürger an Grenzübergänge lockte. Sie wollten sehen, ob Schabowskis „sofort, unverzüglich“ auch zuträfe.

    Und nun tritt ein Moment hinzu, das für die Moral und den Anstand der DDR-Grenzer spricht. Nicht einer griff zur Waffe. Sie taten in dieser Minute das einzig Richtige, weil Vernünftige: Sie öffneten die Übergänge.

    Warum gab es in der DDR keine bürgerkriegsähnlichen Zustände wie etwa in anderen Staaten, in denen ebenfalls das sozialistische System sowjetischer Prägung implodierte? Warum blieb alles friedlich, floss kein Blut? Der Staat besaß das Gewaltmonopol, er hatte die Waffen – die Demonstranten Kerzen.

    Die sozialistische Staatsmacht kapitulierte nicht vor Kerzen und Friedensgebeten, sondern vor der Einsicht, dass man nicht auf das eigene Volk schießen darf. Solche Skrupel waren zum Beispiel der sozialdemokratischen Führung fremd, die die Novemberrevolution 1918 an die Macht gebracht hatte. Die schloss einen Pakt mit den kaiserlichen Militärs und ließen auf Menschen wie auf Hasen schießen. Nicht nur auf Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht.

    Und später, als die Rechten marschierten, vermieden diese Sozialdemokraten den Schulterschluss mit den Linken. Auf ihre 94 Nein-Stimmen gegen das Ermächtigungsgesetz der Nazis am 24. März 1933 sind sie mit allem Recht stolz. Sie waren die Einzigen, die im Reichstag gegen die Entmündigung der Parlamentarier und des Parlaments, gegen die Abschaffung der Demokratie und die Errichtung der faschistischen Diktatur stimmten.

    Die 81 Abgeordneten der KPD, die gesamte Fraktion, konnten es nicht mehr: Diese Abgeordneten waren bereits verhaftet oder auf der Flucht wie eben auch 26 SPD-Parlamentarier.

    Der Bruderkrieg im linken Spektrum hatte die Nazidiktatur möglich gemacht, weshalb der Umkehrschluss lautete: Wir brauchen die Einheit, um Wiederholung zu verhindern! Sie wurde im Osten auf der Parteiebene vollzogen und im Westen aktiv verhindert. Die Sozialistische Einheitspartei sollte die Geschicke der DDR bis 1989 leiten. Ich war, wie es immer heißt, der letzte Ministerpräsident der SED. Mein Nachfolger Lothar de Maizière kam von der CDU und verantwortete den Beitritt.
    Kohls Fahrplan zur Einheit

    Die staatliche Vereinigung der beiden Staaten wurde weder in Bonn noch in Berlin beschlossen. Sie wurde auch nicht vom Volk der DDR erzwungen. Die Mehrheit jener, die im Herbst ’89 demonstrierten – darunter nicht wenige der etwa 2,3 Millionen Mitglieder der SED –, wollten eine andere, eine bessere, eine sozialistische DDR. Erst später wurde aus dem Ruf „Wir sind das Volk!“ die Parole „Wir sind ein Volk!“

    Mit dem Ruf „Wir sind das Volk!“ stellte der Souverän klar, wer laut Verfassung das Sagen im Lande hatte. Die andere Parole wurde gewissermaßen von außen hereingetragen. Aus der von mir angedachten Vertragsgemeinschaft mit der Bundesrepublik wurde nichts. Bundeskanzler Kohl präsentierte am 28. November 1989 einen Zehn-Punkte-Plan, mit dem er ein „Selbstbestimmungsrecht der Deutschen“ einforderte.

    Diesen Fahrplan hatte er mit US-Präsident Bush abgestimmt, sonst mit niemandem. Gorbatschow fühlte sich übergangen, die deutsche Teilung war für ihn ein Ergebnis der Geschichte. Aber Kohl hielt sich nicht an seine eigene Zusage, die er 1985 gemeinsam mit Honecker gemacht hatte: Die Unverletzlichkeit der Grenzen und die Achtung der territorialen Integrität und Souveränität der Staaten in Europa in ihren gegenwärtigen Grenzen sind eine grundlegende Bedingung für den Frieden. Damit war auch die Souveränität der DDR und ihre territoriale Integrität gemeint.

    Die Gefahr von Kohls Fahrplan wurde in Moskau sehr wohl erkannt. Der sowjetische Außenminister Schewardnadse ließ seinen Kollegen Genscher wissen: „Nicht einmal Hitler hat sich Derartiges erlaubt!“

    Ende Januar 1990 war ich bei Michail Gorbatschow und präsentierte ihm mein Konzept, das ich unter eine Zeile aus unserer Nationalhymne von 1949 gestellt hatte: Deutschland einig Vaterland. In einem Vierstufenplan sollte die Einheit über eine Vertragsgemeinschaft mit konföderativen Elementen, die Bildung einer Konföderation von DDR und BRD mit gemeinsamen Organen, die Übertragung von Souveränitätsrechten beider Staaten an Machtorgane der Konföderation und schließlich die Bildung eines einheitlichen deutschen Staates in Form einer Deutschen Föderation oder eines Deutschen Bundes durch Wahlen erfolgen. Diesen Plan stellte ich am 1. Februar 1990 auf einer Pressekonferenz in Berlin vor.

    Allerdings hatten Gorbatschow und Kohl andere Pläne. Kohl reiste mit „Bimbes“ nach Moskau, versprach der Sowjetunion Nahrungsmittelhilfen von 220 Millionen D-Mark, um die Moskau nachgesucht hatte, und bekam dort einen Freifahrtschein.

    Am 10. Februar erklärte der Bundeskanzler vor der Presse in der sowjetischen Hauptstadt: „Ich habe heute Abend an alle Deutschen eine einzige Botschaft zu übermitteln. Generalsekretär Gorbatschow und ich stimmen darin überein, dass es das alleinige Recht des deutschen Volkes ist, die Entscheidung zu treffen, ob es in einem Staat zusammenleben will.“
    Wo die Entscheidungen fielen

    Das deutsche Volk wurde nicht gefragt. Die Entscheidungen wurden in Bonn und in Washington getroffen, die Widerstände in London und Paris, wo man gegen eine Vereinigung war, wurden ausgeräumt. Moskau konnte und wollte sich nicht mehr widersetzen: Das Land lag wirtschaftlich danieder, die Strategie der USA, die UdSSR totzurüsten, war erfolgreich gewesen. Wie eben auch die Nachkriegsstrategie der USA in Europa aufgegangen ist. Sie bestand aus zwei Prämissen: Erstens wollten sie sich dauerhaft in Europa festsetzen, zweitens die Sowjets aus Zentraleuropa verdrängen. 1994 zogen die letzten russischen Soldaten aus Deutschland ab.

    Die Amerikaner sind noch immer da.

    Im Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz lagern noch immer Nuklearwaffen.

    Die Nato steht inzwischen an der russischen Grenze.

    Die USA haben wichtige Rüstungsbegrenzungsverträge mit den Russen aufgekündigt.

    Washington droht selbst Verbündeten mit Sanktionen, wenn diese die Boykottmaßnahmen gegen Russland unterlaufen.

    Die EU steht in Nibelungentreue fest zu den USA. Die Chance zu einer eigenständigen Politik, die eine Emanzipation von den USA zwingend voraussetzt, wurde bis dato nicht genutzt.

    Deutschland verhält sich so wenig souverän wie vor 1989 unter den Bedingungen der Zweistaatlichkeit.

    1999 beteiligte sich die Bundesrepublik erstmals seit 1945 an einem Angriffskrieg – den der Nato in Jugoslawien. Aktuell ist die Bundeswehr in dreizehn Staaten und Regionen in sogenannten Friedensmissionen unterwegs.

    Und innenpolitisch? Sind wir inzwischen „ein Volk“?

    Wir haben die staatliche, jedoch keine innere Einheit. In dreißig Jahren wurde es nicht geschafft, den inneren Frieden herzustellen. Die Lebensbedingungen in West und Ost sind verschieden. Nachdem man jahrelang dafür die SED und die „marode Wirtschaft“ der DDR verantwortlich machte, kommt man inzwischen nicht umhin einzugestehen, dass bei der Vereinigung Fehler gemacht worden seien. Das Wort von der Kolonisierung macht die Runde. Wichtige Funktionen in Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft werden unverändert von Westdeutschen besetzt, und diese ziehen wiederum ihresgleichen nach. Obgleich die Arbeitslosigkeit im Osten so niedrig ist wie seit 1990 nicht, es spürbare Bemühungen gibt, Renten und Gehälter dem Westniveau anzunähern, bleibt immer noch eine bemerkenswerte Differenz. Nach dreißig Jahren!

    Es ist auch weniger die soziale Ungerechtigkeit, die die Menschen im Osten bedrückt. Es ist die ungebrochene Vormundschaft, die über sie ausgeübt wird. Ihnen wird ihre Vergangenheit interpretiert, vorgeschrieben, gedeutet. In letzter Konsequenz ist es eine fortgesetzte Entmündigung. Der Vertrauensverlust in die Institutionen des Staates – Parteien eingeschlossen – ist so groß wie nie. Die Stunde der braunen Rattenfänger ist da. Faschisten saßen schon immer im Bundestag. Noch nie aber mit einer eigenen Fraktion ...

    Der Historiker in Heyms Roman „Der König David Bericht“, der mit der „richtigen“ Geschichtsschreibung beauftragt wurde, hieß Ethan ben Hoshaja. In Erinnerung an diesen Mann und seine Mission kann ich nur sagen: Solange die deutschen Ethans das Monopol auf die DDR-Geschichte, auf die Deutung von Mauerbau und Mauerfall besitzen, werden sich die Ostdeutschen bevormundet fühlen.

    Auch deshalb bin ich Ihnen dankbar, dass Sie mir Gelegenheit gaben, hier heute zu sprechen. In Zürich, in der Schweiz.

    Eine solche Einladung habe ich bisher von keiner deutschen Universität oder Fachhochschule erhalten. Und es gibt weit über dreihundert davon.

    Muss ich noch mehr sagen?

    #DDR #histoire