• Foodora-Fahrer: Behandelt Foodora seine Mitarbeiter fair? | ZEIT Arbeit
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    ZEIT ONLINE: Herr Pfeifer, in Berlin rufen Fahrer für diesen Freitag zu Protesten gegen die Arbeitsbedingungen beim Essenslieferanten Foodora auf. Die Vertreter der Basisgewerkschaft FAU werfen Ihnen vor, die Verhandlungen zuvor haben scheitern lassen. Haben Sie die Gespräche nicht ernst genommen?
    Vincent Pfeifer: Doch, absolut. Die Gespräche sehen wir nicht als gescheitert an und sind weiterhin offen für den Austausch.
    ZEIT ONLINE: Bei den FAU-Vertreten klingt das anders. Sie beklagen, Foodora sei ohne die zugesagten konkreten Angebote in das letzte Gespräch gekommen.

    Pfeifer: Das ist ein Missverständnis. Wir haben die Gespräche mit der Basisgewerkschaft FAU angenommen, weil wir dankbar für jeden Verbesserungsvorschlag sind – auch wenn diese Gruppierung nur für einen kleinen Teil unserer Fahrer spricht, aber eben einen kleinen Teil, der offenbar unzufrieden ist. Leider sind von den FAU-Vertretern viele Dinge anders aufgefasst worden, als wir es kommuniziert haben. Wir haben den Fahrern für die vielen sehr wichtigen Anregungen gedankt, aber wir haben ihnen zu keiner Zeit ein Versprechen auf konkrete Angebote gegeben.

    Vincent Pfeifer ist Sprecher von Foodora und hat neben der Geschäftsführung an den Gesprächsrunden mit der Basisgewerkschaft FAU teilgenommen, die in Berlin unzufriedene Fahrerinnen und Fahrer organisiert. Gelegentlich fährt er selbst Essen aus – „um mir ein genaues Bild von unserem Lieferprozess zu machen“. © privat
    ZEIT ONLINE: Die Fahrer haben also versehentlich etwas als ernsthafte Verhandlungen über ihre Arbeitsbedingungen interpretiert, was von Ihnen nur als loser Gedankenaustausch gemeint war?

    Pfeifer: Nein. Aber manche Vorstellungen der Verhandler sind schlicht nicht realistisch, also können wir ihnen auch nicht nachkommen.

    ZEIT ONLINE: Eine Forderung lautet: einen Euro mehr Lohn. Eigentlich relativ klassisch.
    Pfeifer: Unsere Bezahlung ist fair und angemessen. Deswegen haben wir dem direkt eine Absage erteilt.

    ZEIT ONLINE: Ihr Einstiegssatz liegt derzeit bei neun Euro in der Stunde, 16 Cent über dem aktuellen gesetzlichen Mindestlohn. Man kann nicht behaupten, dass Sie besonders gut zahlen.

    Pfeifer: Je nach Standort und Erfahrung können es auch bis zu zwölf Euro sein. Dazu kommt das Trinkgeld, das den Fahrern in vollem Umfang zusteht. Im Schnitt sind das noch einmal ein bis zwei Euro pro Stunde.
    ZEIT ONLINE: Foodora expandiert rasant, schreibt aber immer noch rote Zahlen. Wird der harte Konkurrenzkampf unter den Lieferdienst-Start-ups auf dem Rücken der Fahrer ausgetragen?

    Pfeifer: Das unternehmerische Risiko tragen wir. Wir stellen unsere Fahrer alle fest an und wollen langfristig mit ihnen zusammenarbeiten, weil es uns selbstverständlich viel Geld kostet, immer wieder neues Personal anwerben und einarbeiten zu müssen. Wir versuchen möglichst viele Leute in unbefristete Verträge zu übernehmen.

    „So freundlich wie ein Fahrer wird ein Roboter nie sein können“

    ZEIT ONLINE: Aber eingestellt werden trotzdem alle erst einmal mit einem unsicheren befristeten Vertrag.

    Pfeifer: Ich sehe das Problem nicht. Mein Vertrag war zu Anfang auch befristet. Das ist völlig gängig auf dem deutschen Arbeitsmarkt, nicht nur bei uns.

    ZEIT ONLINE: Aber deswegen ist es nicht unbedingt gut.

    Pfeifer: Wir halten uns an die Rahmenbedingungen, die gesetzlich vorgegeben sind, so wie jedes andere Unternehmen auch. Wenn man ein Problem mit Befristungen hat, sollte man sich an die Politik wenden.

    ZEIT ONLINE: Man hat den Eindruck, dass Zeitverträge für Foodora auch deswegen eine ganz kommode Option sind, weil man auf diese Art schnell Mitarbeiter loswird, die sich für ihre Rechte einsetzen. Als sich in Köln kürzlich ein Betriebsrat formierte, haben Sie den Vertrag einer der gewählten Fahrervertreterinnen direkt auslaufen lassen.

    Pfeifer: Das hatte mit den Leistungen dieser Kollegin zu tun, nichts mit ihrer Betriebsratstätigkeit. Mit den anderen Betriebsratskollegen arbeiten wir nach wie vor sehr vertrauensvoll zusammen.

    ZEIT ONLINE: Die Fahrer, die in Berlin protestieren, stört, dass Foodora das Verfahren für die Schichtzuteilung verschlechtert hat, während die Gespräche liefen, in denen es unter anderem genau darum gehen sollte.

    Pfeifer: In der Tat könnte in der Kommunikation vieles bei uns immer noch besser laufen. Wir haben nicht deutlich gemacht, dass das, was bei den Fahrern als Verschlechterung wahrgenommen wurde, in Wahrheit eine Verbesserung ist.

    ZEIT ONLINE: Die Kuriere kommen auch deswegen zu Foodora, weil sie sich dort flexible Arbeit erhoffen, dafür stehen ja die neuen Unternehmen der Plattformwirtschaft wie Ihres. Früher konnten Foodora-Fahrer Schichten schnell und unkompliziert abgeben, jetzt müssen sie jedes Mal einen Tauschpartner benennen, der für sie einspringt. Wer das als Verschlechterung begreift, hat bloß eine gestörte Wahrnehmung?

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    Pfeifer: Früher waren die Arbeitszeiten für unsere Fahrer ultraflexibel, jetzt sind sie immer noch sehr flexibel. Wir brauchen allerdings eine gewisse Planbarkeit, auch im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im Frühjahr wurden wir von der FAU heftig kritisiert, weil wir so viele neue Leute eingestellt haben und viele Leute daher nicht auf ihre Stunden kamen. Aber warum mussten wir so viele Fahrer einstellen? Weil so viele Mitarbeiter immer wieder so kurzfristig Schichten abgesagt hatten. Mit dem neuen System können wir gewährleisten, dass die Fahrerinnen und Fahrer die Mindeststunden erhalten, die wir ihnen garantieren. Das macht die Arbeit letztlich auch für sie planbarer. Jedes Mal heißt es, wir verschlechtern Arbeitsbedingungen. Aber wir bewegen uns ganz klar nach vorne.

    ZEIT ONLINE: In Hamburg testet Foodora gerade den Einsatz eines Lieferroboters. Wie lange dauert es noch, bis Sie den Kurieren damit drohen können, das Essenaustragen künftig einfach zu automatisieren?

    Pfeifer: Ein Druckmittel im Gespräch mit den Fahrern ist er definitiv nicht. Wir testen, ob wir mit dem Roboter vielleicht schwer zugängliche Bereiche in den Städten besser erreichen oder die Kuriere bei schlechtem Wetter entlasten können. Aber so freundlich wie ein Fahrer wird ein Roboter nie sein können.

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