Klage gegen Deutschland : Hans Modrow will Einsicht in seine Geheimdienstakten erzwingen

?originalReferrer=

  • Klage gegen Deutschland: Hans Modrow will Einsicht in seine Geheimdienstakten erzwingen | Berliner Zeitung
    https://www.berliner-zeitung.de/berlin/klage-gegen-deutschland-hans-modrow-will-einsicht-in-seine-geheimdi
    L’état allemand refuse toujours d’ouvrir ses archives aux victimes de son espionnage.

    Hans Modrow will auf Herausgabe seiner Akten klagen. Der frühere SED-Spitzenfunktionär, der in der Wendezeit 1989/90 DDR-Ministerpräsident war, hatte bereits 2013 aus Regierungsauskünften und einem Brief des damaligen Bundesinnenministers Hans-Peter Friedrich (CSU) erfahren, dass bundesdeutsche Geheimdienste von 1956 bis 2012 über ihn Informationen sammelten – auch zu Zeiten, in denen er Abgeordneter im Bundestag und im EU-Parlament war. Seine Bitte auf Akteneinsicht wurde ihm seitens der Bundesregierung bisher verwehrt.

    „Ich möchte vor meinem Tod wissen, was sich gegen mich abgespielt hat“, sagt der heutige Vorsitzende des Ältestenrates der Linkspartei, der am Sonnabend 90 Jahre alt wird. Wie er der Berliner Zeitung mitteilte, will er mit einer Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Herausgabe erzwingen. Der Prozess soll am 28. Februar beginnen.
    Modrow hatte eine Vorahnung

    Wie viele Berichte es sind, ist unklar. Sie lägen im Bundesarchiv unter Verschluss, teilte der Bund mit. Da die Akten Staatsgeheimnisse enthalten könnten, dürften sie frühestens 2027 geöffnet werden.

    Doch damit gibt sich Modrow nicht zufrieden. Er wolle jetzt Klarheit haben, erklärte er. Unter anderem auch darüber, ob DDR-Staatschef Erich Honecker tatsächlich im Herbst 1989 Ermittlungen gegen den damaligen Dresdner SED-Bezirkschef wegen Hochverrats anstrebte. „2015 teilte die Bundesregierung mir diese Erkenntnis mit, die sie aus nicht näher genannt wollender Quelle hätte“, sagt Modrow.

    Bereits zu DDR-Zeiten habe er geahnt, dass ihn der Westen bespitzeln ließ. Modrow berichtet, wie er 1958 bei der Abgeordnetenhaus-Wahl in West-Berlin für die SED antrat und im Tiergarten 3,7 Prozent der Stimmen holte. „Ich hatte später stets Kontakte zur Bundesrepublik, war auch auf DKP-Veranstaltungen, die von Diensten überwacht wurden“, sagt Modrow. „Ich konnte daher doch davon ausgehen, dass auch ich unter Kontrolle stand. So blauäugig war ich doch nicht.“
    Aufarbeitung der Geschichte

    Der gelernte Maschinenschlosser war 1949 nach Krieg und Gefangenschaft über die Freie Deutsche Jugend (FDJ) in die Politik gekommen. Er war unter anderem 1. Sekretär der SED-Kreisleitung in Köpenick, später Sekretär der SED-Bezirksleitung Berlin und Mitglied des Zentralkomitees. Die SED-Bezirksleitung in Dresden leitete er von 1973 bis 1989.

    Im Vorfeld des Prozesses erscheint das Buch „Ich will meine Akte“ (Das Neue Berlin, 14,99 Euro) von Robert Allertz, das sich mit dem Fall Modrow beschäftigt. In diesem steht unter anderem, dass von 1949 bis 1990 etwa 71.500 DDR-Bürger vom Verfassungsschutz und BND beobachtet worden seien. Dies habe die Bundesregierung 2016 auf eine Anfrage der Linksfraktion des Bundestages mitgeteilt.

    „Meine Klage bezieht sich auch darauf, wie sich westdeutsche Geheimdienste mit dem Leben der Menschen in der DDR beschäftigten“, sagt Modrow. Man müsse neben der Stasi-Vergangenheit auch dieses Kapitel deutsch-deutscher Geschichte aufarbeiten.