• 17.02.2018: »Stabilisierung« à la USA (Tageszeitung junge Welt)
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    Washington braucht Krieg in Syrien, um den Mittleren Osten »neu zu ordnen«. Türkei, Iran und Russland sind Gegenspieler

    Von Karin Leukefeld

    Nach sieben Jahren Krieg in Syrien treten die eigentlichen Akteure in den Vordergrund. Die Türkei, der Iran, Saudi-Arabien und Israel wollen Einfluss nehmen und haben sich dafür mit internationalen Großmächten verbündet.

    Riad und Tel Aviv geht es darum, Damaskus zu schwächen, Syrien zu zerteilen und den Iran zurückzuschlagen. Ihr Bündnispartner ist die US-geführte »Anti-IS-Koalition«, NATO inklusive. Moskau und Teheran ihrerseits wollen verhindern, dass Syrien zerteilt wird und der Einfluss von USA und NATO in der Region wächst.

    Die vom Westen angestrebte Teilung Syriens geht auf die Strategie des »Neuen Mittleren Ostens« zurück, die seit den 1950er Jahren in den USA in verschiedenen Varianten aufgelegt wurde. Ziel ist, die arabischen Staaten zu zerbrechen, um eine geostrategische Kontrolle über die Region durchzusetzen. Israel, der wichtigste Bündnispartner des Westens in der Region, wird dafür in die EU-NATO-Strukturen eingebunden und militärisch gestärkt.

    Rechtzeitig zu Beginn des Konflikts in Syrien 2011 hob der bereits damals eigentlich geschlagene »Islamische Staat im Irak« sein Haupt erneut und breitete sich nach Syrien, in die Levante aus. Die USA, die Türkei und die Golfstaaten unternahmen nichts dagegen, wie der Militärische Geheimdienst des Pentagon (DIA) im Herbst 2012 in einem internen Bericht analysierte. Der Aufstand in Syrien wurde demnach von der Muslimbruderschaft, Salafisten und der irakischen Al-Qaida angeführt. Tonnenweise wurden durch die Türkei, Libanon und Jordanien Waffen zu den aufständischen Islamisten geschafft, um die säkulare syrische Führung zu stürzen und die »schiitische Expansion« des Iran zu verhindern.

    2014 wurde von den USA die »Globale Koalition gegen den ›Islamischen Staat‹« ins Leben gerufen. Die ersten Angriffe dieser »Anti-IS-Koalition« im September 2014 galten den syrischen Ölquellen im Osten des Landes, die 2012 von bewaffneten Gruppen – mit Unterstützung der »Freunde Syriens« – besetzt worden waren. Die Kämpfer hatten eigene Ambitionen entwickelt und mussten gestoppt werden. Inzwischen stehen viele Öl-, Gas- und Wasserressourcen im Nordosten Syriens unter der Kontrolle der syrischen Kurden, die von Washington und der »Anti-IS-Koalition« mit Geld und Waffen unterstützt werden. Das verschafft den USA »Verhandlungsmasse«.

    US-Außenminister Rex Tillerson erklärte das vor Journalisten in Kuwait am Dienstag mit den Worten: »Die USA und die Koalitionsstreitkräfte kontrollieren heute 30 Prozent des syrischen Territoriums und, damit verbunden, einen großen Anteil der Bevölkerung sowie der syrischen Ölquellen.« Angesichts dessen zu sagen, die USA hätten keinen Einfluss und spielten keine Rolle in Syrien, sei »einfach falsch«.

    Im Januar hatte US-Verteidigungsminister James Mattis die neue US-Verteidigungsstrategie vorgestellt, in der Russland und China als wichtigste Feinde der USA genannt werden. Sie forderten »Amerikas Macht, Einfluss und Interessen« heraus, dem müssten die USA entgegentreten. Die US-Armee schütze »unseren Lebensstil«, so Mattis. »Sie schützt auch ein Reich von Ideen. Es geht nicht nur um geographischen Schutz, diese Verteidigungsstrategie leitet unsere Anstrengungen in allen Bereichen an.«

    Mattis’ militärische Karriere ist geprägt vom U. S. Marine Corps und den Kriegen in Afghanistan und im Irak. 2005 hatte er zusammen mit Frank G. Hoffman den »Aufstieg der hybriden Kriege« als zukünftige Strategie beschrieben. Daraus wurde 2009 mit dem »Field Manual (FM) 7-0« die Ausbildungsanleitung für die US-Armee. Es geht um »Kriegführung mitten unter der Bevölkerung«, um den Kampf gegen Aufständische (FM 3-24) und die Stabilisierung von Krisenherden (FM 3-07). Militärische und zivile Missionen sollen eng kooperieren.

    Syrien ist für die USA kein souveräner Staat, sondern ein »Krisenherd«, Völkerrecht spielt keine Rolle. Die Gesellschaft wird in »Freund« und »Feind« gespalten, ein innersyrischer Friedensprozess soll verhindert werden. Teile des Landes werden besetzt, und die Kontrolle über die nationalen Ressourcen und Grenzen wird dem Land auch mit Hilfe von militärischen Angriffen entzogen. Geht es nach Washington, soll der Euphrat zum Grenzfluss zwischen Syrien und einem von den USA kontrollierten kurdischen Protektorat werden. Teile der südlichen Provinzen sollen von Jordanien und Israel übernommen werden, so wie die syrischen Golanhöhen bereits weitgehend von Tel Aviv annektiert wurden. Das ist es, was die USA und ihre Bündnispartner »Stabilisierung« nennen.

    #Syrie #USA #Europe #impérialisme