Tagesspiegel - Aktuelle Nachrichten - Berlin Nachrichten

https://www.tagesspiegel.de

  • Tagesspiegel Newsletter vom 16.2.2023
    https://txsl.de/tsp-leute.html

    Boris Buchholz hat ein Interview mit dem Taxi-Soziallotsen geführt.

    18.2.2023 von Klaus Meier - Uber ruiniere die Taxibetriebe: Taxi-Soziallotse Klaus Meier hält die Entscheidung, Uber zu einem Hauptsponsor der Filmfestspiele zu machen, für grundfalsch.

    NACHBARSCHAFT
    Interview: Boris Buchholz

    Es gibt nur einen Taxi-Soziallotsen in Berlin, und der heißt Klaus Meier. Der Steglitzer, im Jahr 1960 im Auguste-Viktoria-Krankenhaus geboren, in der Schützenstraße aufgewachsen, Schüler des Hermann-Ehlers-Gymnasiums, war von 1985 bis 2019 selbst Taxifahrer. Obwohl er in einer Neujahrsnacht mal fast 1000 Mark einnahm, „kann ich das jetzt nur noch als Hobby machen, weil man zu wenig verdient“, sagt er im Vorgespräch. Beschäftigt ist der Taxi-Soziallotse beim Berliner Arbeitslosenzentrum (BALZ); das BALZ wird unter anderem vom evangelischen Kirchenkreis Teltow-Zehlendorf finanziell unterstützt.

    Herr Meier, wie geht es den Berliner Taxifahrerinnen und Taxifahrern?
    In einem Wort: Schlecht. Seit ich 1985 ins Taxi eingestiegen bin, sind die Umsätze und Löhne mal schneller, mal langsamer gesunken. Der letzte Tiefpunkt war der Corona-Lockdown als nur noch Umsätze von unter fünf Euro pro Stunde eingefahren wurden. Seitdem haben sich die Einkommen kaum erholt und liegen meistens deutlich unter dem gesetzlichen Mindestlohn. Die Kollegen, mit denen ich spreche, fühlen sich von allen verraten und verkauft, von ihren Chefs genauso wie von Politik und Gesellschaft. „Wir werden wie Dreck behandelt“, höre ich oft.

    Sie wissen Bescheid, weil Sie Taxi-Soziallotse sind. Was ist das, was machen Sie genau?
    Meine Hauptaufgabe besteht im Zuhören. Ich versuche Mut zu machen und helfe bei Auseinandersetzungen mit Ämtern und Betrieben. Viele behördliche Regelungen sind auch für Taxiunternehmer undurchsichtig. Ich stelle Politik und Verwaltung die Fragen der Taxifahrer und versuche, Gesprächsfäden wieder zu verbinden, die abgerissen waren. In der nächsten Zeit werde ich eine Reihe von Interviews mit Taxikolleginnen und -kollegen veröffentlichen, die ich im Laufe des letzten Jahres gedreht habe. Sie sollen dem schlechten Image etwas entgegensetzen und die Bedeutung der Menschen am Steuer für unsere Stadt zeigen.

    Heute beginnt die Berlinale – und Sie verderben die Festtagslaune, weil Sie Uber als einen der Hauptsponsoren kritisieren. Warum?
    Es ist der Uber-Konzern, der für miese Laune sorgt. Er stellt das System bereit, mit dem die Mietwagenlenker zu Dumpinglöhnen ausgebeutet werden. Er ruiniert Taxibetriebe und trägt dazu bei, dass niemand mehr von der Arbeit als Taxifahrer leben kann. Die Taxibetriebe haben durch jahrelange Tricksereien auch ihren Anteil an der Lage, aber Uber hat für schädliche Gesetzesänderungen, zum Beispiel die Abschaffung der Ortskundeprüfung, und für die Gründung zahlreicher Mietwagenbetriebe gesorgt, die den Taxibetrieben den Rest geben. Die Berlinale-Leitung hat das wohl alles nicht auf dem Plan gehabt und Uber mit einem modernen Beförderungsdienstleister verwechselt. Das ist das Ergebnis der Millioneninvestitionen in Pro-Uber-PR.

    Wie stark leidet das Berliner Taxiwesen bereits an Uber und ähnlicher Konkurrenz?
    Wenn es so weitergeht, wird es in absehbarer Zeit kein Taxigewerbe mehr geben. Nur Unternehmen, die Ausbeutung und Verkürzung von Steuern und Sozialabgaben praktizieren, können mit dem Uber-Dumping mithalten, die anderen zahlen drauf. Das Problem ist nicht nur der Uber-Konzern, denn die vergleichbaren Plattformen sind nicht besser. Im Grunde geht es weltweit um den Überlebenskampf von schutzbedürftigen Klein- und Kleinstbetrieben gegen milliardenschwere Weltkonzerne, die lokale Märkte mit rücksichtslosen Methoden erobern wollen, um anschließend Preise und Arbeitsbedingungen alleine zu bestimmen.

    Was müsste die Berlinale nach Ihrer Meinung sofort tun?
    Ich verstehe, dass die Berlinale mit Uber geschlossene Verträge nicht sofort annullieren kann. Die Berlinale sollte aber sofort Taxihalteplätze direkt vor allen Kinos einrichten und Hinweistafeln zum Taxi- und BVG-Nahverkehr in den Kinos aufstellen. Außerdem sollte sie bereits während des Filmfestivals mit BVG und Taxiunternehmen gemeinsam die Auswertung der Besucherströme angehen und im Laufe des kommenden Jahres ein gemeinsames ökologisches Verkehrskonzept für 2024 entwickeln. Dabei sollten auch Vertreter der Gewerkschaft ver.di eingebunden werden, damit die Arbeitsbedingungen der Kollegen gut gestaltet werden.

    Halten vor den Kinos: Könnten dann die Berliner Droschken gleich einspringen?
    Es gibt immer noch über 5000 Taxis in Berlin, deren Fahrerinnen und Fahrer gerne die Berlinale-Gäste befördern möchten. Wenn Halteplätze vor den Kinos eingerichtet werden, und das Ende der Filmvorführungen über die Taxizentrale bekannt gemacht wird, werden sie mit Sicherheit zur Stelle sein. Die Stadt Berlin darf das sogar anordnen und die Taxiunternehmen müssen dem Folge leisten. Die Fahrgäste würden dann für eine Strecke immer den gleichen, von der Stadt festgelegten Preis zahlen und vor dem unkalkulierbaren „surge pricing“ von Uber geschützt sein.

    Gab es denn schon Gespräche mit der Festivalleitung? Wenn ja, was haben sie erbracht?
    Es hat ein Gespräch der Berlinale-Leitung mit einem Vertreter des Berliner Taxigewerbes gegeben. Dabei hieß es sinngemäß, dass es Verträge mit Uber gebe und der Drops gelutscht sei. Ich habe daraufhin der Berlinale-Leitung und den maßgeblichen Verkehrs- und Kulturpolitiker:innen geschrieben und um die Einrichtung von Halteplätzen vor den Kinos gebeten.

    Ich habe in diesem Berlinale-Programm keinen Taxifilm entdeckt. Was wäre denn ein gutes Thema für einen Film über Berlins Kutscher:innen?
    Die guten Taxigeschichten liegen sozusagen auf der Straße, man muss sie nur entdecken und aufschreiben. Am meisten bewegt hat mich, wie einfache Menschen, die nicht einmal die Bedeutung der Einträge auf ihrer Lohnabrechnung begreifen, skrupellos um den ihnen zustehenden Lohn gebracht werden. Viel besser würde mir die Geschichte von dem Kollegen gefallen, der wie Till Eulenspiegel die Bösen narrt und den Guten mit seinen Streichen hilft. Es gibt beide Figuren, denn wir Kutscher sind mal die Hilflosen und mal die Siegreichen.

    Sie sind als Soziallotse beim BALZ angestellt: Warum kümmert sich das Arbeitslosenzentrum um Taxifahrer – die haben doch noch ihren Job?
    Mittlerweile gibt es arbeitslose Taxifahrer, das ist neu und begann mit dem Einbruch von Uber in den Berliner Taximarkt. Das Berliner Arbeitslosenzentrum ist auch für arme Arbeitende da, die vom Ertrag ihrer Arbeit nur schlecht leben können. Betroffen sind mittlerweile so gut wie alle Taxifahrerinnen und -fahrer. Die Kolleginnen und Kollegen im BALZ Beratungszentrum und am BALZ-Beratungsbus helfen bei Fragen zu Arbeitslosen- und Bürgergeld und unterstützen bei der Bearbeitung des Papierkrams. Wohlhabende bezahlen Anwälte und Steuerberater, einfache Menschen müssen alles selber machen, auch wenn sie dafür überhaupt nicht ausgebildet sind. Diese Lücke füllt das BALZ und ich mache das für die Taxifahrerinnen und Taxifahrer.

    Noch einmal zurück zu Ihrer Zeit als aktiver Fahrer: Was sind Ihre Lieblingshalten in Steglitz-Zehlendorf?
    Die sind immer da, wo die meisten „Fuhren“ zu holen waren. Das änderte sich mit den Jahren. Zunächst war in den 1980-er Jahren „Händel“, das ist der Funkcode, am Arbeitsamt super. Aber die Gegend verarmte mit der Zeit und es zog mich immer öfter zur „Wiesenbaude“ im wohlhabenden Lichterfelde. Als Nachtfahrer mochte ich auch „Mexiko“ am S-Bahnhof, weil von dort aus ganz Zehlendorf, Nikolassee und Wannsee in wenigen Minuten erreichbar waren. Das funktionierte aber nur so lange, wie Aufträge per Sprechfunk vermittelt wurden und man sich bei guter Ortskenntnis für weiter entfernte Aufträge bewerben konnte. Als Tagfahrer würde ich mich heute nur an Halteplätzen in Steglitz-Zehlendorf aufstellen, wenn am Halteplatz und in der Funk-Warteschlange höchstens je ein Kollege vor mir dran wäre. Das ist so gut wie nie der Fall. Am besten „laufen“ heute die ehemaligen Ostberliner Außenbezirke.

    Und was schätzen Sie an dem Beruf?
    Ich liebe die Arbeit als Taxifahrer, nur hat mit den sinkenden Einnahmen auch Geringschätzung durch Fahrgäste und Verkehrsteilnehmer Einzug in den Arbeitsalltag gehalten. Das überschattet alles Positive.

    Bitte jetzt das Positive.
    Taxifahren ist toll, weil man arbeiten kann, wann, wo und soviel man will, zumindest wenn man nicht 40 Stunden und länger in der Woche am Lenkrad verbringen muss, um seine Miete zahlen zu können. Die Arbeit ist so selbstbestimmt, wie das für Angestellte überhaupt vorstellbar ist. Jeder Tag ist eine neue Herausforderung und wer seine Schicht mit offenem Herzen und guter Stadt- und Menschenkenntnis angeht, erfährt viel über das Leben von Menschen aus aller Welt. Man lernt jeden Tag etwas Neues über die Stadt, weil man überall hinkommt und allen Menschen begegnet, die Berlin ausmachen. Als man noch freie Fahrt hatte, und es nur wenige Staus, Blitzer und selbstmörderische Fahrradfahrer gab, machte auch das Autofahren auf den Berliner Straßen viel Spaß.

    Quelle:Tagesspiegel Newsletter - Namen und Nachrichten aus Ihrem Berliner Bezirk

    #Berlin #Taxi #TXSL #Berlinale

  • Taxi-Soziallotse kritisiert Berlinale-Sponsor Uber: „Das Festival soll vor jedem Kino eine Taxihalte einrichten“
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/bezirke/taxi-soziallotse-kritisiert-berlinale-sponsor-uber-das-festival-soll-vo


    Foto: André Wunstorf

    16.02.2023 von Boris Buchholz - Uber ruiniere die Taxibetriebe: Taxi-Soziallotse Klaus Meier hält die Entscheidung, Uber zu einem Hauptsponsor der Filmfestspiele zu machen, für grundfalsch.

    Es gibt nur einen Taxi-Soziallotsen in Berlin, und der heißt Klaus Meier. Der Steglitzer, im Jahr 1960 im Auguste-Viktoria-Krankenhaus geboren, in der Schützenstraße aufgewachsen, Schüler des Hermann-Ehlers-Gymnasiums, war von 1985 bis 2019 selbst Taxifahrer. Obwohl er in einer Neujahrsnacht mal fast 1000 Mark einnahm, „kann ich das jetzt nur noch als Hobby machen, weil man zu wenig verdient“, sagt er im Vorgespräch. Beschäftigt ist der Taxi-Soziallotse beim Berliner Arbeitslosenzentrum (BALZ); das BALZ wird unter anderem vom evangelischen Kirchenkreis Teltow-Zehlendorf finanziell unterstützt.

    Herr Meier, wie geht es den Berliner Taxifahrerinnen und Taxifahrern?

    In einem Wort: Schlecht. Seit ich 1985 ins Taxi eingestiegen bin, sind die Umsätze und Löhne mal schneller, mal langsamer gesunken. Der letzte Tiefpunkt war der Corona-Lockdown als nur noch Umsätze von unter fünf Euro pro Stunde eingefahren wurden. Seitdem haben sich die Einkommen kaum erholt und liegen meistens deutlich unter dem gesetzlichen Mindestlohn. Die Kollegen, mit denen ich spreche, fühlen sich von allen verraten und verkauft, von ihren Chefs genauso wie von Politik und Gesellschaft. „Wir werden wie Dreck behandelt“, höre ich oft.

    Sie wissen Bescheid, weil Sie Taxi-Soziallotse sind. Was ist das, was machen Sie genau?

    Meine Hauptaufgabe besteht im Zuhören. Ich versuche Mut zu machen und helfe bei Auseinandersetzungen mit Ämtern und Betrieben. Viele behördliche Regelungen sind auch für Taxiunternehmer undurchsichtig. Ich stelle Politik und Verwaltung die Fragen der Taxifahrer und versuche, Gesprächsfäden wieder zu verbinden, die abgerissen waren. In der nächsten Zeit werde ich eine Reihe von Interviews mit Taxikolleginnen und -kollegen veröffentlichen, die ich im Laufe des letzten Jahres gedreht habe. Sie sollen dem schlechten Image etwas entgegensetzen und die Bedeutung der Menschen am Steuer für unsere Stadt zeigen.

    Heute beginnt die Berlinale – und Sie verderben die Festtagslaune, weil Sie Uber als einen der Hauptsponsoren kritisieren. Warum?

    Es ist der Uber-Konzern, der für miese Laune sorgt. Er stellt das System bereit, mit dem die Mietwagenlenker zu Dumpinglöhnen ausgebeutet werden. Er ruiniert Taxibetriebe und trägt dazu bei, dass niemand mehr von der Arbeit als Taxifahrer leben kann. Die Taxibetriebe haben durch jahrelange Tricksereien auch ihren Anteil an der Lage, aber Uber hat für schädliche Gesetzesänderungen, zum Beispiel die Abschaffung der Ortskundeprüfung, und für die Gründung zahlreicher Mietwagenbetriebe gesorgt, die den Taxibetrieben den Rest geben. Die Berlinale-Leitung hat das wohl alles nicht auf dem Plan gehabt und Uber mit einem modernen Beförderungsdienstleister verwechselt. Das ist das Ergebnis der Millioneninvestitionen in Pro-Uber-PR.

    Wie stark leidet das Berliner Taxiwesen bereits an Uber und ähnlicher Konkurrenz?

    Wenn es so weitergeht, wird es in absehbarer Zeit kein Taxigewerbe mehr geben. Nur Unternehmen, die Ausbeutung und Verkürzung von Steuern und Sozialabgaben praktizieren, können mit dem Uber-Dumping mithalten, die anderen zahlen drauf. Das Problem ist nicht nur der Uber-Konzern, denn die vergleichbaren Plattformen sind nicht besser. Im Grunde geht es weltweit um den Überlebenskampf von schutzbedürftigen Klein- und Kleinstbetrieben gegen milliardenschwere Weltkonzerne, die lokale Märkte mit rücksichtslosen Methoden erobern wollen, um anschließend Preise und Arbeitsbedingungen alleine zu bestimmen.

    Was müsste die Berlinale nach Ihrer Meinung sofort tun?
    Ich verstehe, dass die Berlinale mit Uber geschlossene Verträge nicht sofort annullieren kann. Die Berlinale sollte aber sofort Taxihalteplätze direkt vor allen Kinos einrichten und Hinweistafeln zum Taxi- und BVG-Nahverkehr in den Kinos aufstellen. Außerdem sollte sie bereits während des Filmfestivals mit BVG und Taxiunternehmen gemeinsam die Auswertung der Besucherströme angehen und im Laufe des kommenden Jahres ein gemeinsames ökologisches Verkehrskonzept für 2024 entwickeln. Dabei sollten auch Vertreter der Gewerkschaft ver.di eingebunden werden, damit die Arbeitsbedingungen der Kollegen gut gestaltet werden.

    Halten vor den Kinos: Könnten dann die Berliner Droschken gleich einspringen?

    Es gibt immer noch über 5000 Taxis in Berlin, deren Fahrerinnen und Fahrer gerne die Berlinale-Gäste befördern möchten. Wenn Halteplätze vor den Kinos eingerichtet werden, und das Ende der Filmvorführungen über die Taxizentrale bekannt gemacht wird, werden sie mit Sicherheit zur Stelle sein. Die Stadt Berlin darf das sogar anordnen und die Taxiunternehmen müssen dem Folge leisten. Die Fahrgäste würden dann für eine Strecke immer den gleichen, von der Stadt festgelegten Preis zahlen und vor dem unkalkulierbaren „surge pricing“ von Uber geschützt sein.

    Gab es denn schon Gespräche mit der Festivalleitung? Wenn ja, was haben sie erbracht?

    Es hat ein Gespräch der Berlinale-Leitung mit einem Vertreter des Berliner Taxigewerbes gegeben. Dabei hieß es sinngemäß, dass es Verträge mit Uber gebe und der Drops gelutscht sei. Ich habe daraufhin der Berlinale-Leitung und den maßgeblichen Verkehrs- und Kulturpolitiker:innen geschrieben und um die Einrichtung von Halteplätzen vor den Kinos gebeten.

    Ich habe in diesem Berlinale-Programm keinen Taxifilm entdeckt. Was wäre denn ein gutes Thema für einen Film über Berlins Kutscher:innen?

    Die guten Taxigeschichten liegen sozusagen auf der Straße, man muss sie nur entdecken und aufschreiben. Am meisten bewegt hat mich, wie einfache Menschen, die nicht einmal die Bedeutung der Einträge auf ihrer Lohnabrechnung begreifen, skrupellos um den ihnen zustehenden Lohn gebracht werden. Viel besser würde mir die Geschichte von dem Kollegen gefallen, der wie Till Eulenspiegel die Bösen narrt und den Guten mit seinen Streichen hilft. Es gibt beide Figuren, denn wir Kutscher sind mal die Hilflosen und mal die Siegreichen.

    Sie sind als Soziallotse beim BALZ angestellt: Warum kümmert sich das Arbeitslosenzentrum um Taxifahrer – die haben doch noch ihren Job?

    Mittlerweile gibt es arbeitslose Taxifahrer, das ist neu und begann mit dem Einbruch von Uber in den Berliner Taximarkt. Das Berliner Arbeitslosenzentrum ist auch für arme Arbeitende da, die vom Ertrag ihrer Arbeit nur schlecht leben können. Betroffen sind mittlerweile so gut wie alle Taxifahrerinnen und -fahrer. Die Kolleginnen und Kollegen im BALZ Beratungszentrum und am BALZ-Beratungsbus helfen bei Fragen zu Arbeitslosen- und Bürgergeld und unterstützen bei der Bearbeitung des Papierkrams. Wohlhabende bezahlen Anwälte und Steuerberater, einfache Menschen müssen alles selber machen, auch wenn sie dafür überhaupt nicht ausgebildet sind. Diese Lücke füllt das BALZ und ich mache das für die Taxifahrerinnen und Taxifahrer.

    Noch einmal zurück zu Ihrer Zeit als aktiver Fahrer: Was sind Ihre Lieblingshalten in Steglitz-Zehlendorf?
    Die sind immer da, wo die meisten „Fuhren“ zu holen waren. Das änderte sich mit den Jahren. Zunächst war in den 1980-er Jahren „Händel“, das ist der Funkcode, am Arbeitsamt super. Aber die Gegend verarmte mit der Zeit und es zog mich immer öfter zur „Wiesenbaude“ im wohlhabenden Lichterfelde. Als Nachtfahrer mochte ich auch „Mexiko“ am S-Bahnhof, weil von dort aus ganz Zehlendorf, Nikolassee und Wannsee in wenigen Minuten erreichbar waren. Das funktionierte aber nur so lange, wie Aufträge per Sprechfunk vermittelt wurden und man sich bei guter Ortskenntnis für weiter entfernte Aufträge bewerben konnte. Als Tagfahrer würde ich mich heute nur an Halteplätzen in Steglitz-Zehlendorf aufstellen, wenn am Halteplatz und in der Funk-Warteschlange höchstens je ein Kollege vor mir dran wäre. Das ist so gut wie nie der Fall. Am besten „laufen“ heute die ehemaligen Ostberliner Außenbezirke.

    Und was schätzen Sie an dem Beruf?

    Ich liebe die Arbeit als Taxifahrer, nur hat mit den sinkenden Einnahmen auch Geringschätzung durch Fahrgäste und Verkehrsteilnehmer Einzug in den Arbeitsalltag gehalten. Das überschattet alles Positive.

    Bitte jetzt das Positive.

    Taxifahren ist toll, weil man arbeiten kann, wann, wo und soviel man will, zumindest wenn man nicht 40 Stunden und länger in der Woche am Lenkrad verbringen muss, um seine Miete zahlen zu können. Die Arbeit ist so selbstbestimmt, wie das für Angestellte überhaupt vorstellbar ist. Jeder Tag ist eine neue Herausforderung und wer seine Schicht mit offenem Herzen und guter Stadt- und Menschenkenntnis angeht, erfährt viel über das Leben von Menschen aus aller Welt. Man lernt jeden Tag etwas Neues über die Stadt, weil man überall hinkommt und allen Menschen begegnet, die Berlin ausmachen. Als man noch freie Fahrt hatte, und es nur wenige Staus, Blitzer und selbstmörderische Fahrradfahrer gab, machte auch das Autofahren auf den Berliner Straßen viel Spaß.

    #Berlin #Berlinale #2023 #Taxi #Uber

  • Berlin ehrt „Gerechte unter den Völkern“: Aus dem Maerckerweg in Lankwitz wird der Maria-Rimkus-Weg
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/bezirke/berlin-ehrt-gerechte-unter-den-volkern-aus-dem-maercker-wird-der-maria-

    12.2.2023 von Boris Buchholz - Die Ehrung per Straßennamen für den „Kolonialkrieger“, Freikorps-Chef und Antisemiten Georg Ludwig Rudolf Maercker hat ein Ende: Am Freitag, 17. Februar, um 11 Uhr erhält der Lankwitzer Maerckerweg einen neuen Namen. Fortan wird der Maria-Rimkus-Weg an eine „Gerechte unter den Völkern“ erinnern:

    Maria Rimkus hatte im Nationalsozialismus der hochschwangeren jüdischen Zwangsarbeiterin Ruth Abraham und deren Familie geholfen und unter anderem durch gefälschte Pässe die Flucht aus Nazi-Deutschland ermöglicht. Die Feier zur Benennung des Maria-Rimkus-Weges ist öffentlich; sie findet an der Ecke von Maerckerweg und Emmichstraße statt.

    1953 ehrte der Staat Israel in der Gedenkstätte Yad Vaschem Maria Rimkus als „Gerechte unter den Völkern“. Geboren in Lankwitz, lebte sie bis zu ihrem Tod im Jahr 2001 in der Mörchinger Straße in Zehlendorf. Dass der Maerckerweg umbenannt werden soll, hatte die Bezirksverordnetenversammlung 2020 beschlossen. 2021 einigten sich die Bezirkspolitiker:innen dann auf den neuen Namen.

    Bereits seit 2011 trägt die am Gemeindepark gelegene ehemalige Seniorenfreizeitstätte „Club Lankwitz“ den Namen „Maria-Rimkus-Haus“. Auf der Website des Sozialamts Steglitz-Zehlendorf heißt es: „Maria Rimkus zählt zum Kreis der stillen Heldinnen und Helden, die ihren verfolgten Mitmenschen ohne viel Aufhebens halfen, ohne dafür Applaus zu erwarten.

    Im Gegenteil: Ihre Menschenfreundlichkeit und Glaubensüberzeugung als Katholikin drängten sie zu Zivilcourage und Nächstenliebe. Ohne das Zeugnis von Menschen wie Maria Rimkus wäre Steglitz-Zehlendorf ärmer.“

    1997 berichtete Maria Rimkus der US-amerikanischen Shoah Foundation über die Begegnung mit der Familie Abraham. Auf Youtube ist ein Ausschnitt des Interviews abrufbar (Screenshot oben).

    https://www.youtube.com/watch?v=NO9gEoDtZuY

    Maerckerweg 1-11 in Berlin - KAUPERTS
    https://berlin.kauperts.de/Strassen/Maerckerweg-12249-Berlin

    Allgemeines zu Maerckerweg
    Postleitzahl 12249
    Ortsteil Lankwitz
    ÖPNV Zone B Bus X83, 283
    Straßenverlauf von Emmichstraße bis Belßstraße
    Falk‑Stadtplan Planquadrat T 14
    Geschichte von Maerckerweg
    Ehemaliger Bezirk Steglitz
    Alte Namen Mackensenstraße (1915-1935)
    Name seit 18.1.1936
    Der Maerckerweg wird am 17.02.2023 in Maria-Rimkus-Weg umbenannt.

    Maercker, Georg, * 21.9.1865 Baldenburg/Havel, + 31.12.1924 Dresden, Militär.

    Zunächst im Dienst der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft tätig, ging Maercker 1889 zur Schutztruppe in Ostafrika, 1890 nach Deutsch-Südwest. Von 1908 bis 1910 war er Kommandeur der Schutztruppe im Hereroland. Im Ersten Weltkrieg war er Divisionskommandeur; er warf 1919 an der Spitze eines Freikorps linke revolutionäre Bewegungen in Mitteldeutschland nieder. Sein undurchsichtiges Verhalten während des Kapp-Putsches führte im April 1920 zu seiner Entlassung.

    Der Maerckerweg wurde auf den Fluchtlinien der 1935 gelöschten Mackensenstraße angelegt, die bis dahin nur im Bebauungsplan existierte.

    Openstreetmal Way: Maria-Rimkus-Weg (4792052)
    https://www.openstreetmap.org/way/4792052

    note Umbenennung am 17.2.2023
    postal_code 12249
    source https://www.bz-berlin.de/berlin/steglitz-zehlendorf/hilfe-niemand-findet-unsere-strasse

    Umbenannt, rückbenannt – Chaos!
    Hilfe, niemand findet unsere Straße
    https://www.bz-berlin.de/berlin/steglitz-zehlendorf/hilfe-niemand-findet-unsere-strasse

    16.9.2022 von Birgit Bürkner - Das Hin und Her um den Namen einer kleinen Straße bringt einige Lankwitzer zur Verzweiflung

    Eine Straße, die es nicht mehr gibt und noch nicht gibt, bringt rund 200 Lankwitzer zur Verzweiflung.

    Seit fünf Monaten können die Anwohner des Maerckerwegs keine Pakete mehr empfangen, haben Behörden-Ärger und die Feuerwehr würde sie im Notfall auch nicht finden.

    Der Sachverhalt
    Das Bezirksparlament Steglitz-Zehlendorf beschloss 2021, den Maerckerweg umzubenennen. Der Name war der hundert Meter langen Straße während der NS-Herrschaft zu Ehren Georg Ludwig Rudolf Maerckers (1865–1924) verliehen worden. Der Offizier verantwortete in Kolonialkriegen Morde an Einheimischen.

    Die Straße sollte nach Maria Rimkus (1910–2001) benannt werden, die Menschen jüdischer Herkunft zur Flucht verhalf. Im April erfolgte die Umbenennung. Die alten Straßenschilder wurden demontiert, die neuen angebracht.

    Das Problem
    Sieben Anwohner legten Widerspruch ein. Die Umbenennung wurde nicht rechtskräftig. Die neuen Schilder wurden abgeschraubt, die alten wieder aufgehängt. Aber: Der neue Name war schon digitalen Straßenverzeichnissen gemeldet worden.

    Die Konsequenzen
    Pakete mit der Adresse Maerckerweg konnten im Paket-Verteilzentrum nicht zugeordnet werden. Sie gingen zurück an den Absender. Sendungen mit der Anschrift Maria-Rimkus-Weg schafften es zwar bis ins Lieferfahrzeug, der Bote konnte die Straße vor Ort jedoch nicht finden.

    Anwohnerin Nicole N.: „Meine Steuerbescheinigung kam nicht an. Zudem konnte wochenlang eine Internetstörung nicht behoben werden.“ Ihre Nachbarin Corinna E.: „Kein Jobcenter wollte für mich zuständig sein, da man meine Adresse nicht fand.“

    Die Lösung
    Keine! Auf die B.Z.-Frage, wie das Problem behoben werden solle, antwortete der zuständige Stadtrat Urban Aykal (48, Grüne) nicht. Er teilte lediglich mit: Seine Behörde hätte keine Meldung an das Straßenumbenennungsverzeichnis veranlasst. Und: Die Umbenennung werde weiter bearbeitet.

    Alleingelassen in einer Straße, die es nicht gibt.

    #Berlin #Steglitz-Zehlendorf #Lankwitz #Maerckerweg #Maria-Rimkus-Weg #Emmichstraße #Mörchinger_Straße #Straßenumbenennung #nazis #shoa #résistance

  • Ausstellung: Wie Gott sie schuf
    https://www.tagesspiegel.de/kultur/ausstellungen/wie-gott-sie-schuf-6536686.html
    Adolf Salge ist von 1934 bis 1940 als Geschäftsführer der Mila-Lichtspiele für die Inhaberinnen M. u. H. (Martha und Hamida) Soliman

    31.03.2009 von Christian Schröder - Preußens nackte Venus: Eine Ausstellung erinnert an die Tänzerin Olga Desmond. Desmond war die erste Nackttänzerin in Preußen, sie stieg zu einer der bestbezahlten Unterhaltungskünstlerinnen und zu einer europäischen Berühmtheit auf.

    Nackttanz vor hundert Jahren: ein Skandal. Die Tänzerin Olga Desmond ist gerade einmal 17 Jahre alt, als sie am 19. Mai 1908 im Mozartsaal des Neuen Schauspielhauses am Berliner Nollendorfplatz gastiert. Ihr Auftritt vor 600 geladenen Zuschauern ist als „ein Gottesdienst der Schönheit, ein Kultus der Kunst“ angekündigt worden. Desmond, nur mit einem Diadem und einem Metallgürtel bekleidet, führt zum ersten Mal ihren „Schwertertanz“ vor. „Sie tritt auf in einem himmelblauen, seidenen Mantel“, so hat die „Frankfurter Zeitung“ das Ereignis festgehalten. „Die Musik spielt einen morgenländisch anmutenden Reigen. Plötzlich richtet sich die Desmond auf, lässt mit einem Ruck den Mantel fallen und steht auf der hellen Bühne wie die schaumgeborene Göttin. Und beginnt zwischen den blanken Schwertern zu tanzen. Badet ihre blütenweiße Schönheit in Licht und Musik. In holder Selbstverständlichkeit.“

    „Preußens nackte Venus“, unter diesem Titel wird Olga Desmond nun mit einer Ausstellung und einem Buch wiederentdeckt. Das Verborgene Museum, auf weibliche Kunst spezialisiert, präsentiert Fotos, Plakate und Zeitungstexte, die vom abenteuerlichen Leben der Tanzpionierin erzählen. Desmond war die erste Nackttänzerin in Preußen, sie stieg zu einer der bestbezahlten Unterhaltungskünstlerinnen im wilhelminischen Deutschland und zu einer europäischen Berühmtheit auf. „Sie war eine mutige Frau. Konventionen haben sie nicht interessiert. Kunst war die einzige Gottheit, für die sie lebte“, sagt Jörn E. Runge, der eine Biografie über die Desmond geschrieben und die Ausstellung kuratiert hat.

    Olga Desmond war von Karl Vanselow engagiert worden, dem Herausgeber der Zeitschrift „Die Schönheit“ und Initiator einer „Vereinigung für ideale Kultur“. Vanselow verstand sich als Lebensreformer und Aufklärer. Nacktheit stand für ihn für die Befreiung von den Zwängen der Zivilisation. Ihren Schwertertanz hatte Desmond in der geschlossenen Gesellschaft eines „Schönheits-Abends“ vorgeführt. Das schützte sie allerdings nicht vor öffentlichen Angriffen.

    Im Januar 1909 debattiert das Preußische Abgeordnetenhaus über den Fall. Der Zentrumsabgeordnete Hermann Roeren, Mitbegründer des „Kölner Männervereins zur Bekämpfung der öffentlichen Unsittlichkeit“, nennt die Desmond ein „nacktes Frauenzimmer in ihrer Schamlosigkeit“ und macht sie für „eine Verrohung und Verwilderung der Sitten“ verantwortlich. Der preußische Innenminister Friedrich von Moltke verbietet weitere Auftritte ohne Kostüm. Desmond tanzt fortan in sogenannten „Nacktkostümen“, eingehüllt in Gaze-Schleier.

    Sogar die „New York Times“ berichtete über den Skandal. Kurz vor der parlamentarischen Debatte war Olga Desmond als Nachfolgerin von Otto Reutter im Berliner „Wintergarten“ engagiert worden. Sie bekam eine Monatsgage von 6000 Reichsmark, was etwa sechs Jahresgehältern eines Arbeiters entsprach. Bessere Werbung als durch ihre Gegner hätte sie sich nicht wünschen können. „Olga Desmond beweist durch ihr gegenwärtiges Auftreten im Wintergarten, dass wahre Kunst nie unsittlich wirken kann“, versprachen Zeitungsanzeigen.

    Olga Desmond, 1890 als Tochter eines Buchdruckers im ostpreußischen Allenstein geboren und in Berlin-Kreuzberg aufgewachsen, beginnt mit 15 Jahren ein Schauspielstudium. Ihren Lebensunterhalt verdient sie als Aktmodell. Dabei lernt sie den Athleten Adolf Salge kennen, der sie in seine Varieté-Truppe „The Seldoms“ holt. Sie treten als „lebender Marmor“ auf. Nackt, mit weiß gepuderter Haut stellen sie Skulpturen nach, den „Raub der Sabinerinnen“, „Das Weib oder die Vase“ oder „Die badende Psyche“.

    Olga Desmond wird in London, St. Petersburg, Warschau, Wien und Budapest bejubelt, sie gründet eine „Schule für Körperkultur, Tanz, Gymnastik“ und bringt eine Sommersprossen-Creme und ein Schönheitsbuch auf den Markt. Als im Ersten Weltkrieg die Varieté-Theater geschlossen werden, macht sie Truppenbetreuung an der Front und beginnt, Stummfilme zu drehen. Trotzdem fühlt sie sich unverstanden. Das „Unglück meines Lebens“, klagt sie, sei es, dass sie in ganz Deutschland „keinen Saal zur Verfügung bekomme, der mir gestattet, meine Kunst in dem ganzen Ernste, wie ich sie auffasse, zu zeigen“.

    Gegen Ende der zwanziger Jahre beginnt ihr Stern zu sinken. Desmonds statuarischer Tanzstil gilt als veraltet, jüngere Tänzerinnen wie Anita Berber, Valeska Gert oder Mary Wigman machen nun Furore. Nackttänzen haftet nichts Skandalöses mehr an, sie werden inflationär. Nach 1933 brechen für die Tänzerin, die seit 1920 mit dem jüdischen Textilunternehmer Georg Piek verheiratet ist, schwere Zeiten an. Sie unternimmt einen Selbstmordversuch, er kann aus einem Konzentrationslager fliehen. Bis zu ihrem Tod 1963 schlägt sich Olga Desmond als Putzfrau in Ost-Berlin durch. Um den Lebensunterhalt aufzubessern, verkauft sie Postkarten und Andenken aus ihrer Zeit als Tänzerin.

    Das Verborgene Museum, Schlüterstraße 70, bis 29. Mai, Do und Fr 15–19, Sa und So 12–16 Uhr. – Jörn E. Runge: Olga Desmond. Preußens nackte Venus. Steffen Verlag, Friedland 2009, 180 S., 19, 95 €


    Bilder aus: https://arinevandersteur.nl/product/lebende-marmor-bildwerke-dargestellt-an-den-schonheit-abenden-in-be

    siehe auch
    https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Adolf_Salge

    GB190708573A - An Improved Process for Treating the Human Skin for Theatrical and like purposes. - Google Patents
    https://patents.google.com/patent/GB190708573A/en?inventor=Adolf+Salge

    Abstract
    8573. Salge, A., [known as Seldom.] April 12. No Patent granted (Sealing fee not paid). Making-up materials for theatrical use.-For producing a jewel-like effect in living statuary, after the skin has been coated with a mixture of zinc oxide, glycerine, alcohol, and eau de cologne, it is powdered with finely flaked mica, powdered boracic acid, or other suitable substance.
    GB190708573A

    United Kingdom
    Find Prior Art
    Similar

    Inventor
    Adolf Salge

    Worldwide applications
    1907 GB
    Application events
    Priority claimed from GB190708573T
    1907-04-12
    Application filed by Adolf Salge
    1907-05-30
    Application granted
    1907-05-30
    Publication of GB190708573A
    Status
    Expired

    Olga Desmond
    https://de.wikipedia.org/wiki/Olga_Desmond

    #Berlin #Kino #Tanz #Artistik #fkm

  • Berliner Firma baute KZ-Öfen
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/bezirke/berliner-firma-baute-kz-ofen-kein-zweifel-dass-alle-beteiligten-es-wuss


    Sous les régimes capitalistes tu ne sais jamais exactement qui profite de ton travail, qui sera blessé ou en mourra. Les relations commerciales et politiques sont très complexes et les patrons ne le voient pas comme une obligation d’en informer leurs employés. Parfois tu l’apprends malgré eux. Voici un cas exemplaire, où la responsabilité pour l’emploi d’un produit concerne aussi les employés d’une entreprise moyenne.

    :13.12.2022 „Kein Zweifel, dass alle Beteiligten es wussten“

    Die H. Kori GmbH hatte ihren Sitz in der Dennewitzstraße und baute Öfen für die Verbrennung der Leichen in Konzentrationslagern der Nazis. Eine Erinnerungsinitiative und ein BVV-Antrag brachten ein Forschungsprojekt und ein Buch zur Kori GmbH auf den Weg, das jetzt vorliegt. Die Historikerin Susanne Zielinski hat dafür die Kori-Geschichte recherchiert. Sie benennt auch die persönliche Verantwortung der Mitarbeiter: „Dass Monteure der Firma vor Ort mit Hilfe von Gefangenen aus den Lagern die Kori’schen Öfen installierten und von der SS auch vorab Firmenmitarbeiter angefordert wurden, die die Orte der Bauprojekte besichtigen sollten, lässt keinen Zweifel daran, dass alle beteiligten Personen wussten, worum es hier ging: die systematische Ermordung von Menschen und die spurlose Beseitigung ihrer Leichname.“

    #Berlin #Dennewitzstraße #histoire #nazis #Auschwitz #shoa #travail #guerre

  • Durch Gefangenenaustausch : US-Basketballerin Brittney Griner kommt aus russischem Straflager frei
    https://www.tagesspiegel.de/politik/durch-gefangenenaustausch-mit-russland-us-basketballerin-griner-frei-89


    Victor Bout, le marchand d’armes surnommé Lord of War vient d’être libéré dans la cadre d’un échange de prisonniers.

    Die in Russland zu neun Jahren Haft verurteilte US-Basketballerin Brittney Griner ist in einem Gefangenenaustausch freigelassen worden. Sie wurde gegen den in den USA inhaftierten russischen Waffenhändler Viktor But ausgetauscht, wie das russische Außenministerium in Moskau am Donnerstag mitteilte.

    US-Präsident Joe Biden bestätigt die Freilassung aus russischer Haft. Er habe mit ihr gesprochen. „Sie ist sicher. Sie ist im Flugzeug. Sie ist auf dem Weg nach Hause“, teilt Biden auf Twitter mit.

    Der Freilassung sind nach Angaben Bidens „akribische, intensive Verhandlungen“ vorausgegangen. Griner sei jetzt froh, auf dem Weg nach Hause zu sein, sagt er. Sie sei in Russland einem Schauverfahren ausgesetzt gewesen. Biden kündigt an, sich weiterhin für die Freilassung von US-Bürgern in russischer Gefangenschaft einzusetzen, wie dem ehemaligen Soldaten Paul Whelan. „Wir geben nicht auf.“

    Griner war in Russland wegen Drogenbesitzes verurteilt worden. Unlängst war die zweimalige Olympiasiegerin in eine Strafkolonie rund 500 Kilometer südöstlich von Moskau verlegt worden. Bei ihrem Prozess sagte Griner, die in der US-Nebensaison Basketball für ein russisches Team spielte, dass sie Cannabis zur Linderung von Sportverletzungen verwendet habe. Sie habe aber nicht gegen das Gesetz verstoßen wollen.

    Die Athletin hatte nach Feststellung der Justiz bei einer Gepäckkontrolle am Moskauer Flughafen Scheremetjewo sogenannte Vape-Kartuschen und Haschisch-Öl bei sich. Es soll sich um 0,5 Gramm gehandelt haben. Dies wurde als illegaler Drogenbesitz und versuchter Schmuggel gewertet. Das Gericht sah keine mildernden Umstände. Griner hatte sich schuldig bekannt. Washington hatte Moskau von Anfang an ein politisch motiviertes Verfahren vorgeworfen - vor allem wegen des hohen Strafmaßes.

    Bout war 2012 von einem Gericht in Manhattan zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Der heute 55-Jährige wurde 2008 in Bangkok in Zusammenhang mit mehreren Vergehen beim Waffenhandel festgenommen. Er wurde von Thailand an die USA ausgeliefert und dort 2012 verurteilt. Seither bemüht sich Russland um seine Freilassung.

    Fast zwei Jahrzehnte lang galt Bout als einer der berüchtigsten Waffenhändler der Welt. Er verkaufte Rüstungsgüter an sogenannte Schurkenstaaten, Rebellengruppen und regionale Kriegsherren in Afrika, Asien und Südamerika. Weil er ein Meister darin war, Sanktionen zu umgehen, wurde er „Händler des Todes“ und „Sanktionenknacker“ genannt.

    Der Austausch der beiden fand den russischen Angaben zufolge auf einem Flughafen in Abu Dhabi statt. Die Verhandlungen hatten seit Monaten angedauert. Russland und die USA hatten bereits in der Vergangenheit ungeachtet der Spannungen im Zuge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine Gefangene ausgetauscht.

    #USA #Russie #commerce #Victor_Bout

  • Un quartier de #Berlin rebaptise des lieux avec les noms de résistants africains à la #colonisation

    Une rue et une #place portant le nom de personnalités phares du colonialisme allemand ont été débaptisées, début décembre, dans le quartier de #Wedding. Elles ont désormais le nom de résistants ayant œuvré, au début du XXe siècle, contre l’action de l’Allemagne en Afrique.

    “Fini d’honorer les dirigeants de la colonisation.” Comme le rapporte le Tagesspiegel, plusieurs lieux du “quartier africain” de Berlin ont été rebaptisés, dans le cadre d’une initiative menée par les autorités locales. “L’ancienne place #Nachtigal est devenue la place #Manga-Bell ; et la rue #Lüderitz, la rue #Cornelius-Fredericks”, détaille le titre berlinois. Le tout au nom du “travail de mémoire” et du “#décolonialisme”.

    #Gustav_Nachtigal et #Adolf_Lüderitz, dont les noms ornaient jusqu’à présent les plaques du quartier, avaient tous deux “ouvert la voie au colonialisme allemand”. Ils ont été remplacés par des personnalités “qui ont été victimes de ce régime injuste”.

    À savoir Emily et Rudolf Manga Bell, le couple royal de Douala qui s’est opposé à la politique d’expropriation des terres des autorités coloniales allemandes au #Cameroun, et Cornelius Fredericks, résistant engagé en faveur du peuple des #Nama, avant d’être emprisonné et tué dans le camp de concentration de #Shark_Island, dans l’actuelle #Namibie.

    “Indemnisation symbolique”

    “Les noms des rues du quartier africain ont fait polémique pendant plusieurs années”, assure le journal berlinois. Lorsqu’en 2018 l’assemblée des délégués d’arrondissement de ce quartier, Wedding, dans l’arrondissement de #Berlin-Mitte, avait proposé pour la première fois de changer les noms de certains lieux, près de 200 riverains étaient montés au créneau, critiquant notamment le coût de la mesure. Ils assuraient par ailleurs qu’“on ne peut pas faire disparaître l’histoire des plaques de rue”.

    Mais les associations des différentes diasporas africaines, elles, considèrent que les changements de noms sont importants, dans un pays “où les crimes du colonialisme allemand ne sont pas éclaircis systématiquement”. L’Empire allemand a en effet été responsable de diverses atrocités commises pendant sa courte période coloniale – comme le génocide des Héréro et des Nama, entre 1904 et 1908, dans ce que l’on appelait à l’époque le “Sud-Ouest africain allemand” et qui correspond aujourd’hui à la Namibie.

    Cet épisode de l’histoire n’a été reconnu par l’Allemagne qu’en mai 2021, rappellent les organisations décoloniales d’outre-Rhin. “Elles demandent de nouveaux noms de rue à titre d’indemnisation symbolique pour les victimes, mais également à titre éducatif.”

    https://www.courrierinternational.com/article/memoire-un-quartier-de-berlin-rebaptise-des-lieux-avec-les-no

    #toponymie #toponymie_politique #colonialisme #résistance #noms_de_rue #rebaptisation #colonialisme_allemand #Allemagne_coloniale #Allemagne #toponymie_coloniale #mémoire

    ping @cede @nepthys

    • Keine Ehre für Kolonialherren in Berlin: Straßen im Afrikanischen Viertel werden umbenannt

      Aus dem Nachtigalplatz wird am Freitag der Manga-Bell-Platz und aus der Lüderitzstraße die Cornelius-Fredericks-Straße. Anwohner hatten gegen die Umbenennung geklagt.

      Nach jahrelangen Protesten werden ein Platz und eine Straße im Afrikanischen Viertel in Wedding umbenannt. Aus dem bisherigen Nachtigalplatz wird der Manga-Bell-Platz und aus der Lüderitzstraße die Cornelius-Fredericks-Straße.

      „Straßennamen sind Ehrungen und Teil der Erinnerungskultur“, sagte Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne). Daher sei es eine wichtige Aufgabe, Namen aus dem Berliner Straßenbild zu tilgen, die mit Verbrechen der Kolonialzeit im Zusammenhang stehen.

      Gustav Nachtigal und Adolf Lüderitz waren Wegbereiter des deutschen Kolonialismus, der im Völkermord an den Herero und Nama gipfelte. An ihrer Stelle sollen nun Menschen geehrt werden, die Opfer des deutschen Unrechtsregimes wurden.

      Das Königspaar Emily und Rudolf Duala Manga Bell setzte sich nach anfänglicher Kooperation mit deutschen Kolonialautoritäten gegen deren Landenteignungspolitik zur Wehr. Cornelius Fredericks führte den Widerstandskrieg der Nama im damaligen Deutsch-Südwestafrika, dem heutige Namibia, an. Er wurde 1907 enthauptet und sein Schädel zur „Erforschung der Rassenüberlegenheit“ nach Deutschland geschickt und an der Charité aufbewahrt.

      Über die Straßennamen im Afrikanischen Viertel wurde viele Jahre gestritten. Im April 2018 hatte die Bezirksverordnetenversammlung Mitte nach langem Hin und Her beschlossen, den Nachtigalplatz, die Petersallee und die Lüderitzstraße umzubenennen. Dagegen hatten 200 Gewerbetreibende sowie Anwohnende geklagt und die Namensänderungen bis jetzt verzögert. Im Fall der Petersallee muss noch über eine Klage entschieden werden.

      Geschichte könne nicht überall von Straßenschildern getilgt werden, argumentieren die Gegner solcher Umbenennungen. Denn konsequent weitergedacht: Müsste dann nicht sehr vielen, historisch bedeutenden Personen die Ehre verweigert werden, wie etwa dem glühenden Antisemiten Martin Luther?
      Klagen verzögern auch Umbenennung der Mohrenstraße

      Ein anderes viel diskutiertes Beispiel in Mitte ist die Mohrenstraße, deren Namen als rassistisch kritisiert wird. Auch hier verzögern Klagen die beschlossene Umbenennung. Gewerbetreibende argumentieren auch mit Kosten und Aufwand für Änderung der Geschäftsunterlagen.

      Vor allem afrodiasporische und solidarische Organisationen wie der Weddinger Verein Eoto und Berlin Postkolonial kämpfen für die Straßenumbenennungen. Sie fordern sie als symbolische Entschädigung für die Opfer, aber auch als Lernstätte. Denn bis heute fehlt es oft an Aufklärung über die deutschen Verbrechen. Die Debatte darüber kam erst in den letzten Jahren in Gang.

      Wenn am Freitag ab 11 Uhr die neuen Straßenschilder enthüllt werden, sind auch die Botschafter Kameruns und Namibias sowie König Jean-Yves Eboumbou Douala Bell, ein Nachfahre des geehrten Königspaares, dabei. Die Straßenschilder werden mit historischen Erläuterungen versehen. (mit epd)

      https://www.tagesspiegel.de/berlin/bezirke/keine-ehre-fur-kolonialherren-in-berlin-strassen-im-afrikanischen-viert

    • Benannt nach Kolonialverbrechern: #Petersallee, Nachtigalplatz - wenn Straßennamen zum Problem werden

      Die #Mohrenstraße in Berlin wird umbenannt. Im Afrikanischen Viertel im Wedding dagegen wird weiter über die Umbenennung von Straßen gestritten.

      Die Debatte über den Umgang mit kolonialen Verbrechen, sie verläuft entlang einer Straßenecke im Berliner Wedding. Hier, wo die Petersallee auf den Nachtigalplatz trifft, wuchert eine wilde Wiese, ein paar Bäume werfen kurze Schatten, an einigen Stellen bricht Unkraut durch die Pflastersteine des Bürgersteigs. Kaum etwas zu sehen außer ein paar Straßenschildern. Doch um genau die wird hier seit Jahren gestritten.

      Am Mittwoch hat die Bezirksverordnetenversammlung Berlin-Mitte beschlossen, die Mohrenstraße in Anton-Wilhelm-Amo-Straße umzubenennen, nach einem widerständigen afrikanischen Gelehrten. Im gleichen Bezirk hat die Organisation „Berlin Postkolonial“ in dieser Woche ein Informationszentrum zur deutschen Kolonialgeschichte in der Wilhelmstraße eröffnet – in den kommenden vier Jahren soll es von Erinnerungsort zu Erinnerungsort ziehen.

      Das Zentrum ist die erste speziell dem Thema gewidmete öffentliche Anlaufstelle in der Stadt.

      Andernorts aber kämpft man seit Jahren nach wie vor erfolglos für eine Umbenennung von Straßennamen mit Bezügen zur Kolonialzeit. In ganz Deutschland gibt es noch immer mehr als 150 – im Berliner Wedding treten sie besonders geballt im sogenannten Afrikanischen Viertel auf. Orte wie die Petersallee, der Nachtigalplatz und die Lüderitzstraße. Orte, die nach deutschen Kolonialverbrechern benannt sind.
      #Carl_Peters wurde wegen seiner Gewalttaten „blutige Hand“ genannt. Gustav Nachtigal unterwarf die Kolonien Togo, Kamerun und Deutsch-Südwestafrika.

      Carl Peters (1856–1918) war die treibende Kraft hinter der Gründung der ehemaligen deutschen Kolonie #Deutsch-Ostafrika, seine Gewalttätigkeit brachte ihm die Spitznamen „Hänge-Peters“ und „blutige Hand“ ein. Gustav Nachtigal (1834– 1885) nahm eine Schlüsselrolle ein bei der Errichtung der deutschen Herrschaft über die drei westafrikanischen Kolonien Togo, Kamerun und Deutsch-Südwestafrika, das heutige Namibia. Und der Bremer Kaufmann Adolf Eduard Lüderitz (1834–1886) gilt als der Mann, der das deutsche Kolonialreich mit einem betrügerischen Kaufvertrag in Gang setzte.

      Eine Ehrung für außergewöhnliche Leistungen

      Straßennamen sollen eine besondere Ehrung darstellen, sie sollen an Menschen erinnern, die außergewöhnlich Gutes geleistet haben. Das deutsche Kolonialreich aufgebaut zu haben, fällt nicht mehr in diese Kategorie. Aus diesem Grund wurden in der Geschichte der Bundesrepublik bislang allein 19 Straßen umbenannt, die Carl Peters im Namen trugen. Das erste Mal war das 1947 in Heilbronn. Der aktuellste Fall findet sich 2015 in Ludwigsburg. Auch nach dem Ende des Nationalsozialismus und dem der DDR hat man im großen Stil Straßen umbenannt, die als Würdigung problematischer Personen galten.

      Im Wedding ist wenig passiert, in der Welt zuletzt viel. Die Ermordung des schwarzen US-Amerikaners George Floyd hat Proteste ausgelöst, weltweit. Gegen Rassismus, gegen Polizeigewalt. Aber auch gegen die noch immer präsenten Symbole des Kolonialismus, dem diese Ungerechtigkeiten, diese Unterdrückungssysteme entspringen. Im englischen Bristol stürzten Demonstranten die Statue des Sklavenhändlers Edward Colston von ihrem Sockel und versenkten sie im Hafenbecken.

      „Krieg den Palästen“

      Ein alter Gewerbehof in Kreuzberg unweit des Landwehrkanals, Sommer 2019. Tahir Della, Sprecher der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, sitzt an seinem Schreibtisch in einem Co-Working-Space. Um ihn herum Bücher, Flyer. Hinter Della lehnen zwei große Plakate. Auf dem einen steht: „Black Lives Matter“. Auf dem anderen: „Krieg den Palästen“. Ein paar Meter über Dellas Kopf zieht sich eine großformatige Bildergalerie durch die ganze Länge des Raums. Fotos von Schwarzen Menschen, die neue Straßenschilder über die alten halten.

      „Die kolonialen Machtverhältnisse wirken bis in die Gegenwart fort“, sagt Della. Weshalb die Querelen um die seit Jahren andauernde Straßenumbenennung im Wedding für ihn auch Symptom eines viel größeren Problems sind: das mangelnde Bewusstsein und die fehlende Bereitschaft, sich mit der deutschen Kolonialvergangenheit auseinanderzusetzen. „Die Leute haben Angst, dieses große Fass aufzumachen.“

      Denn wer über den Kolonialismus von damals spreche, der müsse auch über die Migrations- und Fluchtbewegungen von heute reden. Über strukturellen Rassismus, über racial profiling, über Polizeigewalt, darüber, wo rassistische Einordnungen überhaupt herkommen.

      Profiteure der Ausbeutung

      „Deutsche waren maßgeblich am Versklavungshandel beteiligt“, sagt Della. In Groß Friedrichsburg zum Beispiel, an der heutigen Küste Ghanas, errichtete Preußen schon im 17. Jahrhundert ein Fort, um von dort aus unter anderem mit Sklaven zu handeln. „Selbst nach dem sogenannten Verlust der Kolonien hat Europa maßgeblich von der Ausbeutung des Kontinents profitiert, das gilt auch für Deutschland“, sagt Della.

      Viele Menschen in diesem Land setzen sich aktuell zum ersten Mal mit dem Unrechtssystem des Kolonialismus auseinander und den Privilegien, die sie daraus gewinnen. Und wenn es um Privilegien geht, verhärten sich schnell die Fronten. Weshalb aus einer Debatte um die Umbenennung von kolonialen Straßennamen in den Augen einiger ein Streit zwischen linkem Moralimperativ und übervorteiltem Bürgertum wird. Ein Symptom der vermeintlichen Empörungskultur unserer Gegenwart.

      Ein unscheinbares Café im Schatten eines großen Multiplexkinos, ebenfalls im Sommer 2019. Vor der Tür schiebt sich der Verkehr langsam die Müllerstraße entlang, dahinter beginnt das Afrikanische Viertel. Drinnen warten Johann Ganz und Karina Filusch, die beiden Sprecher der Initiative Pro Afrikanisches Viertel.
      Die Personen sind belastet, aber die Namen sollen bleiben

      Ganz, Anfang 70, hat die Bürgerinitiative 2010 ins Leben gerufen. Sie wünschen sich eine Versachlichung. Er nennt die betreffenden Straßennamen im Viertel „ohne Weiteres belastet“, es sei ihm schwergefallen, sie auf Veranstaltungen zu verteidigen. Warum hat er es dennoch getan?

      Seine Haltung damals: Die Personen sind belastet, aber die Straßennamen sollten trotzdem bleiben.

      „Da bin ich für die Bürger eingesprungen“, sagt Ganz, „weil die das absolut nicht gewollt haben.“ Und Filusch ergänzt: „Weil sie nicht beteiligt wurden.“

      Allein, das mit der fehlenden Bürgerbeteiligung stimmt so nicht. Denn es gab sie – obwohl sie im Gesetz eigentlich gar nicht vorgesehen ist. Für die Benennung von Straßen sind die Bezirksverwaltungen zuständig. Im Falle des Afrikanischen Viertels ist es das Bezirksamt Mitte. Dort entschied man, den Weg über die Bezirksverordnetenversammlung zu gehen.
      Anwohner reichten 190 Vorschläge ein

      In einem ersten Schritt bat man zunächst die Anwohner, Vorschläge für neue Namen einzureichen, kurze Zeit später dann alle Bürger Berlins. Insgesamt gingen etwa 190 Vorschläge ein, über die dann eine elfköpfige Jury beriet. In der saß neben anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren auch Tahir Della, als Vertreter der Schwarzen Community. Nach Abstimmung, Prüfung, weiteren Gutachten und Anpassungen standen am Ende die neuen Namen fest, die Personen ehren sollen, die im Widerstand gegen die deutsche Kolonialmacht aktiv waren.

      Die #Lüderitzstraße soll in Zukunft #Cornelius-Fredericks-Straße heißen, der Nachtigalplatz in Manga-Bell-Platz umbenannt werden. Die Petersallee wird in zwei Teilstücke aufgeteilt, die #Anna-Mungunda-Allee und die #Maji-Maji-Allee. So der Beschluss des Bezirksamts und der Bezirksverordnetenversammlung im April 2018. Neue Straßenschilder hängen aber bis heute nicht.

      Was vor allem am Widerstand der Menschen im Viertel liegt. Mehrere Anwohner haben gegen die Umbenennung geklagt, bis es zu einer juristischen Entscheidung kommt, können noch Monate, vielleicht sogar Jahre vergehen.

      Eine Generation will endlich gehört werden

      Auf der einen Seite ziehen sich die Prozesse in die Länge, auf der anderen steigt die Ungeduld. Wenn Tahir Della heute an die jüngsten Proteste im Kontext von „Black Lives Matter“ denkt, sieht er vor allem auch eine jüngere Generation, die endlich gehört werden will. „Ich glaube nicht, dass es gleich nachhaltige politische Prozesse in Gang setzt, wenn die Statue eines Versklavungshändlers im Kanal landet“, sagt Della, „aber es symbolisiert, dass die Leute es leid sind, immer wieder sich und die offensichtlich ungerechten Zustände erklären zu müssen.“

      In Zusammenarbeit mit dem Berliner Peng-Kollektiv, einem Zusammenschluss von Aktivisten aus verschiedenen Bereichen, hat die Initiative kürzlich eine Webseite ins Leben gerufen: www.tearthisdown.com/de. Dort findet sich unter dem Titel „Tear Down This Shit“ eine Deutschlandkarte, auf der alle Orte markiert sind, an denen beispielsweise Straßen oder Plätze noch immer nach Kolonialverbrechern oder Kolonialverbrechen benannt sind. Wie viel Kolonialismus steckt im öffentlichen Raum? Hier wird er sichtbar.

      Bemühungen für eine Umbenennung gibt es seit den Achtzigerjahren

      Es gibt viele Organisationen, die seit Jahren auf eine Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit dem Unrecht des Kolonialismus drängen. Zwei davon sitzen im Wedding, im sogenannten Afrikanischen Viertel: EOTO, ein Bildungs- und Empowerment-Projekt, das sich für die Interessen Schwarzer, afrikanischer und afrodiasporischer Menschen in Deutschland einsetzt, und Berlin Postkolonial.

      Einer der Mitbegründer dieses Vereins ist der Historiker Christian Kopp. Zusammen mit seinen Kollegen organisiert er Führungen durch die Nachbarschaft, um über die Geschichte des Viertels aufzuklären. Denn Bemühungen, die drei Straßen umzubenennen, gibt es schon seit den achtziger Jahren.

      Kopp erzählt auch von der erfolgreichen Umbenennung des Gröbenufers in Kreuzberg im Jahr 2010, das seitdem den Namen May-Ayim-Ufer trägt. „Vor zehn Jahren wollte niemand über Kolonialismus reden“, sagt Kopp. Außer man forderte Straßenumbenennungen. „Die Möglichkeit, überhaupt erst eine Debatte über Kolonialismus entstehen zu lassen, die hat sich wohl vor allem durch unsere Umbenennungsforderungen ergeben.“

      Rassismus und Raubkunst

      2018 haben sich CDU und SPD als erste deutsche Bundesregierung überhaupt die „Aufarbeitung des Kolonialismus“ in den Koalitionsvertrag geschrieben. Auch die rot-rot-grüne Landesregierung Berlins hat sich vorgenommen, die Rolle der Hauptstadt in der Kolonialzeit aufzuarbeiten.

      Es wird öffentlich gestritten über das koloniale Erbe des Humboldt-Forums und dem Umgang damit, über die Rückgabe von kolonialer Raubkunst und die Rückführung von Schädeln und Gebeinen, die zu Zwecken rassistischer Forschung einst nach Deutschland geschafft wurden und die bis heute in großer Zahl in Sammlungen und Kellern lagern.

      Auch die Initiative Pro Afrikanisches Viertel hat ihre Positionen im Laufe der vergangenen Jahre immer wieder verändert und angepasst. War man zu Beginn noch strikt gegen eine Umbenennung der Straßen, machte man sich später für eine Umwidmung stark, so wie es 1986 schon mit der Petersallee geschehen ist. Deren Name soll sich nicht mehr auf den Kolonialherren Carl Peters beziehen, sondern auf Hans Peters, Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus und Mitglied des Kreisauer Kreises.

      Straßen sollen vorzugsweise nach Frauen benannt werden

      Heute ist man bei der Initiative nicht mehr für die alten Namen. Für die neuen aber auch nicht wirklich. Denn diese würden nicht deutlich genug im Kontext deutscher Kolonialgeschichte stehen, sagt Karina Filusch, Sprecherin der Initiative. Außerdem würden sie sich nicht an die Vorgabe halten, neue Straßen vorzugsweise nach Frauen zu benennen.

      An Cornelius Fredericks störe sie der von den „Kolonialmächten aufoktroyierte Name“. Und Anna Mungunda habe als Kämpferin gegen die Apartheid zu wenig Verbindung zum deutschen Kolonialismus. Allgemein wünsche sie sich einen Perspektivwechsel, so Filusch.

      Ein Perspektivwechsel weg von den weißen Kolonialverbrechern hin zu Schwarzen Widerstandskämpfern, das ist das, was Historiker Kopp bei der Auswahl der neuen Namen beschreibt. Anna Mungunda, eine Herero-Frau, wurde in Rücksprache mit Aktivisten aus der Herero-Community ausgewählt. Fredericks war ein Widerstandskämpfer gegen die deutsche Kolonialmacht im heutigen Namibia.
      Bezirksamt gegen Bürger? Schwarz gegen Weiß?

      Für die einen ist der Streit im Afrikanischen Viertel eine lokalpolitische Auseinandersetzung zwischen einem Bezirksamt und seinen Bürgern, die sich übergangen fühlen. Für die anderen ist er ein Symbol für die nur schleppend vorankommende Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte.

      Wie schnell die Dinge in Bewegung geraten können, wenn öffentlicher Druck herrscht, zeigte kürzlich der Vorstoß der Berliner Verkehrsbetriebe. Angesichts der jüngsten Proteste verkündete die BVG, die U-Bahn-Haltestelle Mohrenstraße in Glinkastraße umzutaufen.

      Ein Antisemit, ausgerechnet?

      Der Vorschlag von Della, Kopp und ihren Mitstreitern war Anton-W.-Amo- Straße gewesen, nach dem Schwarzen deutschen Philosophen Anton Wilhelm Amo. Dass die Wahl der BVG zunächst ausgerechnet auf den antisemitischen russischen Komponisten Michail Iwanowitsch Glinka fiel, was viel Kritik auslöste, offenbart für Della ein grundsätzliches Problem: Entscheidungen werden gefällt, ohne mit den Menschen zu reden, die sich seit Jahrzehnten mit dem Thema beschäftigen.

      Am Dienstag dieser Woche ist der Berliner Senat einen wichtigen Schritt gegangen: Mit einer Änderung der Ausführungsvorschriften zum Berliner Straßengesetz hat er die Umbenennung umstrittener Straßennamen erleichtert. In der offiziellen Mitteilung heißt es: „Zukünftig wird ausdrücklich auf die Möglichkeit verwiesen, Straße umzubenennen, wenn deren Namen koloniales Unrecht heroisieren oder verharmlosen und damit Menschen herabwürdigen.“

      https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/petersallee-nachtigalplatz-wenn-strassennamen-zum-problem-werden-419073

  • Große Erwartungen an neue Comicgewerkschaft: „Wir verlangen zu wenig und arbeiten zu viel“
    https://www.tagesspiegel.de/kultur/comics/grosse-erwartungen-an-neue-comicgewerkschaft-wir-verlangen-zu-wenig-und

    30.11.2022 von Rilana Kubassa - Comics und vor allem Graphic Novels – also längere Comicerzählungen in Buchform – werden in der Kulturwirtschaft immer sichtbarer. Der Zeitschrift „Buchreport“ zufolge verzeichneten sie auf dem deutschen Buchmarkt im vergangenen Jahr ein zweistelliges Umsatzplus. Trotzdem können bislang hierzulande nur wenige Comicschaffende von ihrer Arbeit leben.

    Ein Grund dafür könnte die mangelhafte Comic-Infrastruktur in Deutschland sein. Förderungen ausschließlich für Comicprojekte sind rar. Berlin lobt als einziges Bundesland seit 2017 explizit Stipendien für Comiczeichner:innen aus. Verglichen mit den zahlreichen Förderungsmöglichkeiten für Literaturprojekte ist dies wenig. Comicschaffende sind jedoch auf Förderungen angewiesen. 

    Um die Arbeitsbedingungen zu verbessern, hat jetzt eine Gruppe Comicschaffender eine Gewerkschaft gegründet. Anlass dafür war die Einladung des Comickünstlers Nino Bulling zur Documenta 15 im Sommer. Er nutzte sein Budget und lud andere Comicschaffende dazu ein, die 2021 entstandene Idee einer Gewerkschaft gemeinsam weiterzuentwickeln.

    Worum es der Gewerkschaft geht, macht ihr Manifest deutlich: „Mit der Gewerkschaft wollen wir eine Struktur schaffen, an die sich Comicarbeiter*innen mit beruflichen Themen wenden können. Unsere Lebensumstände und Werdegänge sind unterschiedlich, die prekäre Lage von selbstständigen Kulturarbeiter*innen teilen wir jedoch alle.“

    Zum Kernteam gehören die Comickünstlerinnen Jul Gordon aus Hamburg und Sheree Domingo aus Berlin. „Für Comicarbeiter:innen gibt es in Deutschland noch immer kaum Fördermöglichkeiten und Aufenthaltsstipendien“, begründet Gordon ihr Engagement.

    „In der Regel arbeiten wir vereinzelt. Viele von uns fühlen sich allein mit Fragen zu Entlohnung, Bild- und Nutzungsrechten und sozialer Absicherung“, sagt Sheree Domingo. „Unser Traum ist eine Gewerkschaft, die wie eine organische Struktur funktioniert und horizontal strukturiert ist – wie ein Kollektiv mit politischen Forderungen.“
    Geplant sind ein Forum für offenen Austausch und das Aufstellen von Honorartabellen

    Konkret bedeute das etwa, sich in einem Forum offen über das Thema Bezahlung auszutauschen, Informationspools für ausländische Künstler:innen anzubieten und Honorartabellen aufzustellen. „Wir können ja nicht streiken“, so Sheree Domingo. „Aber wenn wir uns vernetzen, können wir Mindestsätze fordern.“

    Eine erste Orientierung in diese Richtung bietet auch der Deutsche Comicverein auf seiner Webseite. Dort ist eine Liste mit empfohlenen Mindesthonoraren angegeben. In der Realität werden diese jedoch oft unterboten.

    Hamed Eshrat, der kürzlich seine Graphic Novel „Coming of H“ veröffentlicht hat, kennt das. „Auftraggebern ist oft nicht bewusst, wie zeitaufwendig und komplex das Zeichnen und Schreiben eines Comics ist. Oft sind es Institutionen oder Vereine, die Themen vorgeben und sagen: ‚illustriert das mal schnell!‘ Das haut so nicht hin. Allein das Verdichten und Reduzieren von Themen und Geschichten, damit sie überhaupt als Comic funktionieren, ist sehr zeitintensiv“, sagt er.

    Wie lange es dauert, einen Comic fertigzustellen, zeigte er unter anderem im September im Anschluss an seine Lesung von „Coming of H“ in der Berliner Bibliothek am Luisenbad – mit Ausschnitten aus seiner Arbeit, vom ersten Entwurf über das Storyboard bis zum fertigen Buch, an dem er rund vier Jahre gearbeitet hat.

    „Auftraggeber holen sich Preise ein, die schon vor 20 Jahren ausbeuterisch waren“, so Eshrat. „Oder sie fragen Student:innen, die in der Regel weniger Geld nehmen. Deren Preise haben aber mit der Realität nichts zu tun.“ Die Aufgabe einer Comic-Gewerkschaft würde für ihn deshalb auch darin bestehen, zu zeigen, dass Arbeit und zeitlicher Aufwand der Comicschaffenden entlohnt werden müssen.

    Seit Anfang September ist die Webseite der Comic-Gewerkschaft online und findet viel Zuspruch in der Szene. Eine empirische Studie soll die Grundlage für zukünftige Forderungen und Arbeitsfelder bilden. Dazu können Comicschaffende noch bis zum 30. November einen Fragebogen auf der Webseite ausfüllen. Zu Redaktionsschluss haben 722 Menschen teilgenommen.
    Menschen, die Carearbeit leisten, werden bei Förderungen und Stipendien benachteiligt

    Die in München lebende Comicautorin Barbara Yelin („Aber ich lebe“) ist gespannt, wie sich die Gewerkschaft entwickelt. „Wir verlangen alle immer zu wenig und arbeiten viel zu viel – und machen dann Auftragsarbeiten, um das auszugleichen“, sagt sie. „Viele Comicschaffende sind am Rande ihrer Kräfte. Die Arbeit noch mit der Familie zu vereinbaren, bedeutet noch mehr Aufgaben. Das bringt mich manchmal zur Verzweiflung.“

    Für Yelin sind deshalb Austausch, Empowerment und Netzwerkarbeit schon lange wichtig. „In Berlin gab es vor 15 Jahren eine Art Wohnzimmersalon, den Ulli Lust und Kai Pfeiffer organisiert haben“, erinnert sie sich. „Das war ein guter Ort für Austausch.“ Auch das 2004 gegründete Illustratorinnen-Kollektiv „Spring“, das jährlich eine Anthologie verschiedener Künstlerinnen herausbringt, nennt sie als wichtiges Netzwerk in ihrer Laufbahn, auch um sich über die Vereinbarkeit von künstlerischer Tätigkeit und Carearbeit auszutauschen.

    Neben Angaben zum Einkommen und zur Ausbildung finden sich im Fragebogen der Comic-Gewerkschaft auch Fragen zur Lebenssituation. „Viele Förderungen haben eine Altersbeschränkung bis 30 Jahre – das ist ungerecht, wenn man Carearbeit geleistet hat oder berufliche Umwege gegangen ist“, findet Jul Gordon. Bei den meisten
    Aufenthaltsstipendien – nicht nur im Bereich Comic – sind zudem Kinder nicht vorgesehen.

    Das erlebt auch Barbara Yelin. „Seitdem ich ein Kind habe, kann ich mich auf viele Stipendien nicht mehr bewerben. Halbtags Comics zu zeichnen ist zudem eine riesige Herausforderung. Und was mache ich bei einem Arbeitsausfall?“ zählt sie einige der Problematiken auf.

    Im aktuellen Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien ist zwar erstmalig auch der Comic als zu förderndes Kulturgut genannt. „Aber die Frage ist, wie die Politik versteht, was wir wirklich brauchen“, gibt Yelin zu bedenken. „Nachwuchsförderung muss niedrigschwelliger und offener ansetzen. Traditionelle Stipendien hingegen sind oft altersbegrenzt, da wird angenommen, dass man als erfahrene:r Künstler:in keine Förderung mehr braucht. Dabei ist Förderung bitter nötig, gerade in teuren Städten wie München.“

    Barbara Yelin ist in München derzeit selbst aktiv für eine stärkere Vernetzung von Comicschaffenden. Das „Comicnetzwerk in Bayern“ wird mit einer strukturellen Förderung des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst unterstützt. Als Mitglied der Illustratoren Organisation (IO) wünscht sie sich, dass die einzelnen Interessenvertretungen mehr miteinander arbeiten.

    Die in Hamburg lebende Comicautorin Birgit Weyhe ist ebenfalls Mitglied der IO. Sie schätzt die Honorartabellen und Informationen zu rechtlichen Fragen, die die Organisation für ihre Mitglieder bereitstellt. „Anhand dessen kann man leichter berechnen, was man verlangen kann“, sagt sie. Das wünscht Weyhe sich auch für Comicschaffende.

    Weyhe gehört wie Barbara Yelin zu den erfolgreichsten Comickünstlerinnen in Deutschland. Gerade war sie mit „Rude Girl“ im Rahmen der Hamburger Literaturpreise als erste Comicschaffende überhaupt für das „Buch des Jahres“ nominiert. „Ich sollte kürzlich eine Freundin in einem Comicworkshop vertreten“, erzählt sie. „Als sie mir sagte, was dafür bezahlt wird, dachte ich, ich falle vom Stuhl. Da wäre ich ins Minus gegangen.“

    Trotzdem kennt sie auch Unsicherheiten. „Wenn ich eine Anfrage absage, habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht weiß, wann die nächste Anfrage kommt. Und ich weiß, dass sicher jemand anders kommen wird, der diesen Auftrag annimmt“, erzählt sie. Eine Gewerkschaft sollte ihrer Meinung nach solche Unsicherheiten ausräumen, indem über angemessene Honorare informiert wird und ein transparenter Austausch stattfindet. „Es ist so wichtig, dass jemand sagt: ‚Nein, mach das nicht! Rechne dir mal den Stundenlohn aus!’“

    Die Gründung einer Interessenvertretung für Comicschaffende könnte für den Comic in Deutschland auch ein weiterer wichtiger Schritt zu dessen Sichtbarmachung als eigenständiges künstlerisches Medium und Kulturgut sein. Zuletzt formulierten Comicschaffende 2013 auf dem Internationalen Literaturfestival Berlin so deutlich ihre Bedarfe in einem Manifest. Entstanden ist daraus etwa der Deutsche Comicverein. Eine zentrale Forderung war schon damals die stärkere Förderung von Comicprojekten.

    Öffentlich verlesen wurde das Manifest 2013 von der Comicautorin Ulli Lust, die seit 2013 Professorin für Illustrative Gestaltung und Comic an der Hochschule Hannover ist. Auch sie findet die Gründung der Gewerkschaft sinnvoll. „Je besser wir vernetzt sind, desto sicherer sind wir in den Forderungen. Ich brauche gar nicht so viel Unterstützung, aber die Jüngeren sind noch unsicher. Mit einer Rechtsberatung tritt man sicherer auf“, sagt sie.

    Comiczeichner Flix („Das Humboldt-Tier“) findet eine Gewerkschaft grundsätzlich gut. Das Manifest von 2013 unterzeichnete er nicht. „Ein guter Comic entsteht daraus, dass er das Herzensprojekt eines Einzelnen ist“, sagte damals dem Tagesspiegel. Auch jetzt äußert er sich skeptisch: „Da die meisten Zeichner:innen ja soloselbständig sind und keinen gemeinsamen Arbeitgeber haben, ist es sicher nicht leicht, Ansatzpunkte zu finden“, gibt er zu bedenken.

    Ab Februar 2023 sollen voraussichtlich erste Mitglieder in die Gewerkschaft aufgenommen werden. Ob Beiträge gezahlt werden sollen, in welcher Form und unter welchem Namen sie läuft und ob sie sich möglicherweise der Freien Arbeiter Union anschließt, ist noch unklar. „Wir sind da bei weitem noch nicht fertig“, so Sheree Domingo. „Eigentlich brauchen wir dabei noch Unterstützung, zum Beispiel Helfer:innen für den Aufbau und finanzielle Mittel, um zum Beispiel die Studie auszuwerten.“

    https://www.comicgewerkschaft.org
    http://www.european-illustrators-forum.com/associations/io-illustratoren-organisation-e-v
    https://illustratoren-organisation.de

    #Gewerkschaft #Kunst #FAU #Comic #Zeichnung #Organisierung

  • Gleich fünf neue Straßennamen in Spandau: Der Nazi-Name ist vom Berliner Straßenschild verschwunden
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/gleich-funf-neue-strassennamen-in-spandau-der-nazi-name-ist-vom-berline

    11.11.2022 von André Görke - Taxifahrer, aufgepasst! Berlin-Kenner, Augen auf! Hier kommt Idealer Stoff aus der beliebten Rubrik „Unnützes Spandau-Wissen“. Denn im Berliner Westen gibt’s im Herbst 2022 gleich fünf neue Straßennamen. Kommt ja auch nicht alle Tage vor. Der Text erschien natürlich wieder zuerst im Spandau-Newsletter vom Tagesspiegel, dessen aktuelle Ausgabe Sie kostenlos und in voller Länge hier lesen können: tagesspiegel.de/bezirke.

    Erna-Koschwitz-Weg

    „Es endlich geschafft: die Umbenennung ist vollzogen!“, schrieb mir Erich Wettwer aus Berlin-Hakenfelde, wo der Elkartweg endgültig Geschichte ist. Der alte Name erinnert an einen üblen Nazi. Nach, öhm, lediglich zwölf Jahren Debatte ist die Straße umbenannt, über die auch der beliebte Havelradweg verläuft.

    Jetzt wird auf dem Straßenschild Erna Koschwitz gewürdigt, die dort mit ihrer Lebensgefährtin gelebt hat. Das Haus steht bis heute, ist in der Berliner Denkmalliste eingetragen – und wird von Familie Wettwer gepflegt.

    Foto: Familie Wettwer 2017 vor der alten Laube, in der einst Erna Koschwitz lebte.

    „Meine Familie, insbesondere meine Eltern waren enge Freunde von Frau Koschwitz. Nach dem Krieg lebte sie mit ihrer Lebensgefährtin Anneliese Zech in ihrem nach 1945 zu einem Behelfsheim ausgebauten Wochenendhaus Am Fährweg 41/43 in Hakenfelde. Das Haus, das heute in meinem Besitz ist, wurde 2018 in die Denkmalliste von Berlin aufgenommen. Der Tagesspiegel hat seinerzeit darüber berichtet“, erzählte mir Wettwer. „Frau Koschwitz war seit 1919 in der Jugendwohlfahrtsarbeit in Charlottenburg tätig, nach 1945 wurde sie mit der Leitung der Abteilung Jugendfürsorge betraut.“ Und: „Sie erhielt Anfang der 60iger Jahre das Bundesverdienstkreuz, das sie aber später aus Protest an der Sozialpolitik der Stadt zurückgab.“

    Heinrich-Hertz-Straße

    Das geht in Berlin? Straßen, die nach Männern benannt werden? Dabei soll doch Geschlechtergleichheit hergestellt werden. In diesem Fall ist’s etwas tricky, denn bei der Straße handelt es sich um einen privaten Erschließungsweg im Neubaugebiet am Saatwinkler Damm.

    Foto: „Halske Sommergärten“ am S-Bahnhof Gartenfeld (links): Das Neubaugebiet für 3000 Menschen aus der Vogelperspektive.

    Auf der einstigen Siemens-Kleingartenkolonie entstehen bis 2024 1000 Wohnungen neben dem S-Bahnhof. Die Straße erinnert an den Physiker Heinrich Hertz. Na, hoffentlich verwechselt die keiner mit der Hertzallee am Bahnhof Zoo! Einwände müssen bis Mitte des Monats erfolgen, sonst erfolgt die Benennung am 10. Dezember. Quelle: Amtsblatt

    Elsa-Neumann-Straße

    Auch diese Straße liegt im Neubaugebiet „Halske Sommergärten“ am S-Bahnhof Gartenfeld (ab 2029 in Betrieb) und verläuft parallel zu den Schienen . Dort entstehen jene 1000 Wohnungen, die oben drüber schon Thema waren. Hier ein Screeshot aus dem Amtsblatt, wo die beiden Straßennamen verzeichnet sind.

    Foto: Blick ins Amtsblatt: Links unten der neue, alte S-Bahnhof Gartenfeld.

    Erinnert werden soll auf dem Straßenschild ab 10. Dezember an Elsa Neumann, die 1899 als erste Frau im Fach Physik an der Berliner Universität promoviert hat. Alt wurde sie nicht: Die Physikerin starb im Alter von 29 Jahren an den Folgen eines Gift-Unfalls beim Experimentieren mit Blausäure. Quelle: Amtsblatt

    Jamaikaweg

    Okay, das ist simpel: Wo bis 2009 das große Berliner Kraftwerk Oberhavel mit 120-Meter-Schornstein (Foto) stand, leben heute Familien in der „Havel Marina“ (1000 Leute). Die dortigen Straßen im 1. Bauabschnitt (hier alle Namen im Spandau-Newsletter) tragen längst Namen wie Hawaiiweg, Seychellenring, Tongaweg und ab 10. Dezember auch Jamaikaweg. Aloahe! – Quelle: Amtsblatt

    Foto: Blick ins Amtsblatt, Teil II: Wo früher ein Kraftwerk am Fluss stand, leben heute Familien.

    Bahamasbogen

    Klingt nicht nach Hakenfelde, ist aber Hakenfelde – siehe oben „Jamaikaweg“. Der liegt nebenan. – Quelle: Amtsblatt

    #Berlin #Spandau #Bahamasbogen #Elsa-Neumann-Straße #Erna-Koschwitz-Weg #Elsa-Neumann-Straße #Hawaiiweg #Heinrich-Hertz-Straße #Jamaikaweg #Seychellenring #Tongaweg

  • Steinmeiers Rede an die Nation : Die unangenehmen Wahrheiten des Bundespräsidenten
    https://www.tagesspiegel.de/steinmeiers-rede-an-die-nation-der-bundesprasident-und-der-widerstandsk

    Voilà la perspctive du journal réactionnare Tagesspiegel

    28.10.2022 von Georg Ismar - Am Ende kommt Frank-Walter Steinmeier auf eine Enttäuschung zu sprechen. Verhallen seine Worte? Was kann er anstoßen in diesen Zeiten, die er als einen Epochenbruch bezeichnet?

    Der Saal in Schloss Bellevue ist bis auf den letzten Platz gefüllt, viele junge Leute sind dabei, um der vielleicht bisher wichtigsten Rede des Bundespräsidenten zu lauschen. Sie haben nicht die Erfahrung von Wehr- oder Zivildienst gemacht, den Kalten Krieg kaum noch erlebt. Wer dagegen fehlt, ist die komplette Bundesregierung bis hin zum Bundeskanzler, darauf wird noch zurückzukommen sein.

    „Reich und Arm, Jung und Alt, Stadt und Land: Verbindungen stärken, über Generationen und Lebenswelten hinweg – darum geht es mir jetzt“, sagt Steinmeier, es ist eine Rede, die die Tiefe der Krise nicht leugnet, es ist ein Versuch, den Laden zusammenzuhalten.

    Fakt sei aber, dass das klassische Ehrenamt altere, Verantwortung verteile sich auf immer weniger Schultern. „Dabei ist Einsatz für andere – gerade in der Zeit des Gegenwinds – unverzichtbar, systemrelevant“, appelliert Steinmeier.

    Daher habe er den Vorschlag einer sozialen Pflichtzeit gemacht. Aber viele haben das gar nicht mitbekommen. „Was ich will, ist eine ehrliche Debatte über unser Engagement für das gemeinsame Ganze. Eine Debatte, die hoffentlich nicht wieder im Nichts enden wird“, macht er aus der Enttäuschung keinen Hehl. Aber Demokratie gehe nicht ohne Zusammenhalt.

    Damit das ewige Plädoyer für Zusammenhalt nicht folgenlos bleibe, müssten mehr Menschen mindestens einmal in ihrem Leben sich für gewisse Zeit den Sorgen ganz anderer, zuvor fremder Menschen widmen, für sie da sein. „So stärken wir, was uns verbindet, und darauf kommt es jetzt an - mehr als je zuvor.“ An dieser Stelle gibt es mit den größten Applaus.

    Die CDU hat sich sogar für ein soziales Pflichtjahr ausgesprochen, aber die Ampel-Koalition blockt die Debatte bisher ab. Und Steinmeier mahnt die Ampel indirekt, nicht zu viel Selbstbespiegelung zu betreiben, er ist viel im Land unterwegs, verlegt für seine „Ortszeiten“ den Regierungssitz immer wieder in kleinere Städte, zuletzt nach Neustrelitz: „Viele Menschen, die in ländlichen Regionen leben – und das ist die Mehrheit in unserem Land – finden sich nicht wieder in Debatten, die wir in der Hauptstadt führen und die häufig noch viel weiter von ihren tatsächlichen Problemen entfernt sind als der nächste Facharzt oder die Poststelle“, betont Steinmeier. Ohnehin liest sich die Rede immer wieder ein Pflichtenheft, um das Land außen wie innen zu stärken.
    Steinmeier sah jetzt den Zeitpunkt für die Rede gekommen

    Der Bundespräsident hat lange überlegt, wann er diese Rede an die Nation, in Zusammenarbeit mit der Deutschen Nationalstiftung, halten soll. Aber erst wollte er die Regelungen der Koalition zu Entlastungen gegen die hohen Energiepreise abwarten, dann war noch die Niedersachsenwahl. Für ihn persönlich war es wichtig, auch um seine eigene Glaubwürdigkeit zu erhöhen, vor der Rede endlich das erste Mal seit Kriegsbeginn in die Ukraine zu reisen.

    Doch die eigenen Fehler als Kanzleramtschef und Außenminister in der Russlandpolitik thematisiert er nicht, sagt lediglich, der 24. Februar markiere „das endgültige, bittere Scheitern jahrelanger politischer Bemühungen, auch meiner Bemühungen, genau diesen schrecklichen Moment zu verhindern“.

    Aber einige im Saal fragen sich, ob der Epochenbruch nicht spätestens schon 2014 losgegangen sei, mit der Annexion der Krim, dem Krieg in der Ostukraine, warum dann noch das Milliardenprojekt der Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 gestartet worden ist?

    Der Schatten der Vergangenheit liegt über dieser zweiten Amtszeit, während dieser Tage sein Vorgänger Joachim Gauck glasklar Putins Denken analysiert, mit einer Perspektive, die in Putin schon früher den gesehen hat, der er heute ist: streng leninistisches Denken mit national-imperialem Gestus, das gezielte Einsetzen eines Angst-Apparats, das Vermischen der KGB-Schule mit einer neo-imperialen Ideologie eines neuen Russentums.

    Steinmeiers gut strukturierte Rede, der vielleicht der eine hängenbleibende Satz fehlt, spart aber nicht mit klaren Schlussfolgerungen aus dem Epochenbruch. An diejenigen gerichtet, die mehr Willen zu Verhandlungen mit Russland fordern sagt er: „Im Angesicht des Bösen reicht guter Wille nicht aus.“

    Ein vermeintlicher Friede, der Putins Landraub besiegele, sei kein Friede. Das würde Putins Hunger nur vergrößern. „Moldawien und Georgien, auch unsere NATO-Partner im Baltikum leben in Angst.“ Für alle, die die westlichen Sanktionen wegen der hohen Energiekosten kritisieren, hat der Bundespräsident ein Zitat der estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas parat: „Energie mag teurer werden, aber Freiheit ist unbezahlbar.“

    Steinmeier betont schonungslos: „Es kommen härtere Jahre, raue Jahre auf uns zu. Die Friedensdividende ist aufgezehrt. Es beginnt für Deutschland eine Epoche im Gegenwind.“ Er macht sich bei Russland keine Illusionen mehr: „Unsere Länder stehen heute gegeneinander.“
    Die Deutschen und die Widerstandskraft nach außen

    Deutschland sieht er nicht in der Rolle einer globalen Führungsmacht, aber es müsse mehr Verantwortung übernehmen und er wünscht sich mehr innenpolitische Gemeinsamkeit. „Wir müssen konfliktfähig werden, nach innen wie nach außen. Wir brauchen den Willen zur Selbstbehauptung und auch die Kraft zur Selbstbeschränkung. Wir brauchen keine Kriegsmentalität – aber was wir brauchen, ist Widerstandsgeist und Widerstandskraft“, betont Steinmeier.

    „In dem Maße, in dem die Erwartungen an uns wachsen, wird auch die Kritik an uns zunehmen. Damit müssen wir erwachsen umgehen und nicht jede Kritik von außen umgehend als Munition in der innenpolitischen Auseinandersetzung missbrauchen“, betont der Bundespräsident.

    „Dass ein Land wie unseres in der Kritik steht, daran werden wir uns gewöhnen müssen“, sagt Steinmeier. Die USA hätten viel Übung darin. „Die USA sind eine globale Führungsmacht. Sie werden kritisiert für das, was sie tun, und für das, was sie nicht tun. Sie können nicht auf andere zeigen oder höhere Instanzen anrufen. Sie müssen wissen, was sie tun und warum.“
    Die Bringschuld der Bürger

    Immer wieder benutzt er zudem den Begriff der widerstandskräftigen Bürger. Er sieht da bei den Bürgern eine gewisse Bringschuld, im Übrigen gelte es, ein Appell an die Ampel, die Krisenkosten gerecht zu verteilen, von den Reichen im Land fordert er, mehr für Ihr Land zu tun, es liest sich wie der Appell für eine Vermögenssteuer: „Sie müssen jetzt helfen, um die immensen Kosten der notwendigen Entlastungen überhaupt stemmen zu können. Sie müssen jetzt beitragen, um neue Ungerechtigkeiten zu vermeiden.“

    Zugleich mahnt er, bei allen Problemen die Herausforderung des Klimawandels nicht zu vergessen: „Der Klimawandel macht keine Ukraine-Pause.“ Wenn alle mitanpackten und dran glaubten, könnten Freiheit, Demokratie und Wohlstand gewahrt bleiben: „Wir machen Deutschland zu einer neuen Industrienation - technologisch führend, klimaverantwortlich, in der Mitte Europas.“ Vernetzt, aber weniger verwundbar, sagt Steinmeier – noch seine eigene Lehre aus der einseitigen Abhängigkeit von Russlands Gaslieferungen. Das sei die tiefste Krise, die das wiedervereinigte Deutschland erlebe, für viele Bürger seien die Belastungen und auch die Schäden durch eigene Sanktionen eine Zerreißprobe.

    Aber er betont auch: „Unser Land hat die Kraft, Krisen zu überwinden. Es hat die Menschen, die immer wieder dafür arbeiten, die Unternehmerinnen, die Forscher, die Ingenieure, die Facharbeiterinnen. Unser Land hat das Wissen und die Ideen, die Erfahrung von Generationen und den Ehrgeiz der Jugend.“ Es gelte nun „alles zu stärken, was uns verbindet. Das ist die Aufgabe. Tun wir’s.“ Danach gibt es langen Applaus, das Auditorium erhebt sich, klatscht stehend weiter.

    Vorne in der ersten Reihe klatschen die Altbundespräsidenten Gauck und Christian Wulff, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Stephan Harbarth, Bundesratspräsident Bodo Ramelow (Linke), CDU-Chef Friedrich Merz, FDP-Fraktionschef Christian Dürr. Aber kein Spitzenpolitiker von Grünen und SPD, kein Kanzler, kein Bundesminister. Dabei war die Rede geplant als gemeinsames Signal des Zusammenhalts in schwerer Zeit.

    In Schloss Bellevue löst das Fehlen großes Befremden aus, die Regierung verweist auf wichtige Energieberatungen. Ein anwesender Oppositionspolitiker zeigt sich fassungslos, das sei „ungeheuerlich“, ein Affront gegen den Bundespräsidenten.

    Regierungssprecher Steffen Hebestreit betont, er wisse „nichts über das Einladungsmanagement oder -wesen“. Er wisse aber, „dass der Bundespräsident den Bundeskanzler im Vorfeld intensiv über diese Rede informiert hat, sie haben darüber gesprochen, und der Bundeskanzler hat sie natürlich auch verfolgt.“

    Der Bundespräsident lässt sich derweil nichts anmerken, sagt nach der Rede, er wolle jetzt gern mit der vielen jungen Gästen ins Gespräch kommen, was zu tun ist. Er will, dass diese Rede nicht im Tagesgeschäft der sich überlappenden Krisen verpufft.

    #Allemagne #guerre #politique #2022

  • Update Für Uber, Freenow und Bolt unterwegs: Berlin verhängt halbe Million Euro Bußgeld gegen illegalen Fahrdienst
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/berlin-verhangt-halbe-million-euro-bussgeld-gegen-illegalen-fahrdienst-

    04.08.2022 von Christian Latz - Ohne Genehmigung führte ein Anbieter über Monate mit 160 Autos 100.000 Mietwagenfahrten durch. Nun greift das Land hart durch. Weitere Fälle werden wohl folgen.

    Gegen einen illegalen Fahrdienst hat der Berliner Senat ein Bußgeld von 500.000 Euro verhängt. Das teilte die Verkehrsverwaltung am Mittwoch mit. Kontrollen des Landesamts für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (Labo) sowie der Polizei Berlin hätten einen „besonders schwerwiegenden Fall von illegalem Mietwagen-Betrieb“ aufgedeckt, heißt es in der Mitteilung.

    Demnach habe das Unternehmen zwischen August 2021 und März 2022 mehr als 100.000 Fahrten mit rund 160 Fahrzeugen durchgeführt, ohne die dafür nötige Genehmigung zu besitzen.

    Mietwagenunternehmen führen in Berlin Fahrten für die großen Ride-Sharing-Plattformen Uber, Freenow und Bolt durch. Die internationalen Mobilitäts-Start-ups treten dabei rechtlich nur als digitaler Vermittler der gebuchten Touren auf. Die Fahrt selber führen lokal verschiedene Dienstleister durch.

    Der Anbieter Uber erklärte auf Anfrage, von dem Fall betroffen zu sein. „An die besagte Firma über den von Uber eingesetzten Generalunternehmer Fahrten vermittelt“, sagte ein Sprecher dem Tagesspiegel. Nachdem es Hinweise auf die fehlenden Lizenzen gab, sei die Zusammenarbeit eingestellt worden. „Wir haben in dem Fall aktiv mit dem Labo kooperiert.“ Auch Freenow und Bolt bestätigten, betroffen zu sein. Man habe die geschäftliche Beziehung mit dem Unternehmen eingestellt und arbeite mit dem Labo zusammen.

    Schon lange gibt es an der Branche Kritik. Insbesondere das Taxigewerbe erhebt regelmäßig schwere Vorwürfe, die Unternehmen hielten die gesetzlichen Bestimmungen zu Rückkehrpflichten nicht ein und agierten daher faktisch wie Taxis – ohne an deren Tarife gebunden zu sein. Da die Branche weniger stark reguliert sei, biete sich zudem der Raum für Sozialdumping, lautet der häufig genannte Vorwurf.

    Durch Kontrollen sei bereits seit Längerem bekannt, dass einzelne Mietwagen in der Stadt ohne die erforderliche Genehmigung zur gewerblichen Personenbeförderung unterwegs seien, heißt es in der Mitteilung. „Laut den bisherigen Ermittlungen war dies möglich, weil die Unternehmen den Vermittlungsdiensten bei der Registrierung gefälschte Unterlagen vorgelegt hatten.“

    Der nun bekannt gewordene Fall ist jedoch offenbar nur der erste von einer Reihe von Fällen, in denen schwere Missstände in der Branche zu einem hohen Bußgeld führen. Es gebe eine „Reihe weiterer Verfahren“, in denen das Labo wegen ungenehmigter Fahrten ermittelt. „Mit weiteren Bußgeldentscheidungen ist daher zu rechnen“, heißt es vom Senat.

    Aktuell sind demnach rund 4500 legale Mietwagen in der Stadt unterwegs, die man per App über Vermittlungsdienste wie Uber, FreeNow oder Bolt für Fahrten buchen kann. Daneben gibt es noch etwa 5800 Taxis. Ihre Zahl ist auch wegen der Konkurrenz durch die Fahrdienste in den vergangenen Jahren deutlich gesunken.
    Nutzer sollen auf legale Anbieter achten - sonst sind sie unversichert

    Auch Nutzer können erkennen, ob es sich bei einem Fahrzeug um einen legalen Anbieter handelt. Dann nämlich ist an der rechten unteren Ecke der Heckscheibe eine weiße Nummer auf blauem Grund angebracht. Sie ist Pflicht seit der Novelle des Personenbeförderungsrechts im August 2021.

    Die Verkehrsverwaltung und das Labo raten Fahrgästen, die Nummer vor Fahrtantritt zu überprüfen – und wenn sie fehlt, nicht einzusteigen. Sei ein Fahrzeug nicht konzessioniert, seien die Insassen „regelmäßig auch nicht hinreichend gegen etwaige Schäden versichert“, teilt die Verkehrsverwaltung mit. Außerdem bestehe die Gefahr, dass sich das Fahrzeug nicht in einem ordnungsgemäßen technischen Zustand befindet.

    #Berlin #Uber #Bußgeld #Mietwagen

  • „Die Kosten sind zu hoch“: Berliner Taxi-Unternehmer fordert Tariferhöhung um mindestens zehn Prozent
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/die-kosten-sind-zu-hoch-berliner-taxi-unternehmer-fordert-tariferhohung

    12.09.2022 von Alexander Kloß - Olaf Hilbig leitet seit 1993 das Dino-Taxi in Rudow. Im Interview erzählt der 52-Jährige von der angespannten Lage auf dem Berliner Taximarkt.

    Herr Hilbig, wie geht es Ihrem Unternehmen aktuell?

    Es ist eine sehr schwierige Zeit. Erstens, weil Corona noch nicht ganz überwunden ist, und zweitens, wegen der deutlich erhöhten Spritpreise. Damit einher geht die Mindestlohnerhöhung nächsten Monat. Leider hat es der Berliner Senat bis heute nicht geschafft, einen neuen Tarif aufzuerlegen. Das heißt, die Kosten werden voll auf uns als Unternehmer abgewälzt.

    Im August hat sich laut Berliner Taxi-Innung die Anzahl der Taxis in der Stadt um mehr als 100 verringert. Sind auch Sie davon betroffen?
    Vor Corona hatte ich 18 Taxen, aktuell sind es noch 13. Ich muss Konzessionen zurückgeben, weil ich kein Personal mehr kriege und aufgrund der wirtschaftlichen Situation. Die Auftragslage ist nicht schlecht und wir haben viel zu tun, aber die Kosten sind zu hoch.

    Welche Art der Unterstützung fordern Sie von der Regierung?

    Wir bräuchten sicherlich eine Unterstützung für die erheblich erhöhten Spritkosten und eine schnelle Tariferhöhung, angepasst an die Kosten, um mindestens zehn Prozent, wenn nicht 15 Prozent. Mit den jetzigen zu erzielenden Umsätzen ist das nicht mehr rentabel. Es muss definitiv dieses Jahr noch eine Tariferhöhung kommen, sonst wird es sehr schwierig.

    Sind Dienste wie Uber vor allem Konkurrenten, oder kann man sie auch sinnvoll in die Taxilandschaft einbinden?

    Uber ist ein riesiges Unternehmen mit sehr viel Kapital, die können ohne Probleme mit Defizit arbeiten. Die können auch Festpreise festlegen, das dürfen wir nicht. Viele von uns im Taxigewerbe wären da gern auch transparent. Jeder will den Preis vorher wissen, wenn er losfährt. Das wird uns leider verwehrt vom Berliner Senat. Das wäre ganz wichtig, um dem Fahrgast zumindest die Vergleichsmöglichkeit zu bieten: Ist Uber wirklich immer so viel billiger?

    Warum ist das Taxigeschäft für Berlin wichtig?

    Gerade für ältere Leute ist es wichtig. Wir als Taxigewerbe sind immer da – Tag und Nacht – und garantieren, das zum Tarif gefahren wird. Uber erhöht zu Spitzenzeiten die Preise und hat auch keine Beförderungspflicht. Wenn Oma Scholze vom Arzt nach Hause will, kann Uber sagen „die Strecke ist mir zu kurz“. Wir als Taxigewerbe geben eine Garantie, dass jeder befördert wird.

    Zum Schluss: Wie ist Ihr Ausblick für Ihr Unternehmen?

    Wir haben uns auf Großraumtaxen spezialisiert und arbeiten mit vielen Anbietern zusammen. Vor Corona gab es in Berlin etwa 8500 Taxen, jetzt sind es noch 5500. Wir haben genug Aufträge und müssen, ob man’s glaubt oder nicht, sogar viele ablehnen. Aber wir sind an einem Punkt, dass wir einfach die Kosten nicht mehr stemmen können.

    #Berlin #Taxi #Wirtschaft

  • Urteil des Landgerichts Frankfurt/Main: Das Geschäftsmodell von Uber ist rechtswidrig - Politik - Tagesspiegel
    https://www.tagesspiegel.de/politik/urteil-des-landgerichts-frankfurt-main-das-geschaeftsmodell-von-uber-ist-rechtswidrig/25354296.html
    EIn mittlerweile zweieinhalb Jahre altes Urteil wird nicht durchgesetzt.

    Interessant daran ist der Umstand, dass dies keine Ausnahme sondern die Regel im deutschen Rechtsbetrieb darstellt, wenn es um Klein gegen Gross geht. Da kann Klein noch so Recht haben und bekommen, es nützt nichts, wenn Gross am längeren Hebel sitzt. Die deutsche Justiz ist immer dann am wirkungsvollsten, wenn sie über leicht zu verständliche Konflikte zwischen Gleichen kümmert: Nachbar gegen Nachbar, Bäcker gegen Bäcker. Bus- gegen Autofahrer.

    Kenen Sie Heinrich von Kleists Richter Adam aus dem Theaterstück Der zerbrochne Krug? Das Königlich Bayerische Amtsgericht im Zweiten Deutschen Fernsehen? So etwas kann die deutsche Justiz gut und die Streitenden halten sich in der Regel an ihre Urteile, weil sie anderenfalls mit ausreichend harten Sanktionen belegt werden.

    Multinationnale Konzerne rufen eher private Schiedsgerichte an. Bevor es dazu kommt, verhandeln die Justiziare aller Seiten, denn Krähen hacken sich bekanntlich nicht gegenseitig die Augen aus. Die Bundesrepublik Deutschland hat große Teile dieser privaten Gerichtsbarkeit anerkannt, und sich damit zum Spielball privatwirtschaftlicher Interessen gemacht. Die Leiter von Strukuren wie Uber gehen deshalb davon aus, dass sie und ihre Vertreter vor Ort nur dieser überstaatlichen Privatjustiz unterstehen, und rechtsstaatliche Entscheidungen, sei es von Amts- Land- oder Verfassungsgerichten oder sogar durch den EUGH, für sie keine Bedeutung haben.

    Beispiele für diese Haltung gibt es genug, und wir begeben uns hier in Gefahr, vom Thema Uber vs. Taxi abzukommen.

    – Mit dreckigen Dieselkisten geprellte Autokäufer vs. VW/BMW/Mercedes und andere : die Industrie zahlt und produziert ihre Raum- und Umweltfressenden Kisten einfach weiter.
    – Von Contergan-. Geschädigte vs. Pharma: die Firma zahlt, aber Big und Small Pharma injizieren der Menscheit einfach weitere krankmachende Gifte.
    – Haftung von Anstiftern von Lohnraub in der Baubranche durch Subunternehmer: das funktioniert so gut wie nie.
    – Noch wirkunsgloser sind die Haftungsregeln im internationalen Textilbusiness: kein Gericht der Welt setzt hier Schadensersatz oder gute Arbeitsbedingungen gegenüber den Konzernen durch.

    In keiner Subbranche der individuellen Personenbeförderung in deutschsprachigen Raum wird Mindestlohn gezahlt, wobei interessante Ausnahemn die Regel bestätigen. Die Ausnahmen sind deshalb interessant, weil sie beweisen, dass existenzsichernde Löhne auch in diesen Branchen möglich sind. Wenn unter Milo-Niveau gezahlt wird, handelt es sich auf Seiten der Unternehmer ausnahmslos um Fälle von Gier gepaart mit Abwesenheit von Rechtsbewußtsein.

    Liebe Leserin, Sie haben die Pointe verstanden: Es gibt keinen Unterschied zwischen „bösen“ Großkonzernen und „guten“ Kleinunternehmern. Ob ein selbst fahrender Taxiunternehmer mehr oder weniger als den Milo verdient spielt keine Rolle. Wenn er seine Angestellten nicht richtig entlohnt und beschäftigt, also entsprechen dem Milo-Gesetz, dem Artbeitszeit- und Arbeitsschutzgesetz, sondern wie üblich Angestellte zum Akzeptieren von Sub-Milo-Einkommen zwingt, dann verkürzt er Steuern, die Abgaben an Berufsgenossenschaft und Sozialversicherung, und macht sich strafbar.

    Kräht ein Hahn danach? Nein. Die Zuständigen (Hähne) heiraten auf Sylt und lassen durch ihre Untergebenen erklären, dass bei der Durchsetzung des Schutz der Arbeitnehmer vor Ausbeutung alles zum Besten stehe.

    Zurück zu Uber vs. Taxi.

    Seit Uber vom Landgericht München und damit quasi für ganz Deutschland das Vermittlungsgeschäft untersagt wurde, passiert genau das, was wir immer wieder beobachten können, wenn die Ziviljustiz betrügerische Unternehmer zu Zahlungen an kleine Handwerker, Arbeitnehmer und Verbraucher verurteilt: Es geschieht zuunächst nicht. Sollte das verurteilte Großunternehmen in die Berufung gehen können, wird es das tun, um möglichst viel Zeit zu gewinnen. Die Berufungsgerichte sind gut ausgelastet und es vergeht viel Zeit, manchmal ein Jahr und länger, bis ein Termin in der Sache zustande kommt. Im Berufungsverfahren kann wieder auf Zeit gespielt werden, so dass zwischen ursprünglicher Klage und endgültigem Urteil Jahre liegen können.

    In dieser Zeit werden von den Beklagten immer wieder Änderungen am Klagegenstand, am liebsten „der App“ gemacht, so dass bei jedem Verfahrensschritt vorgebracht werden kann, dass die Klage hinfällig sei, weil der beklagte Umstand bzw. das beklagte Verhalten abgestellt wäre bzw. nicht mehr vorliege. Damit soll ein neues Verdahren erzwungen werden, das sich erneut über Jahre hinzieht. Zum Glück enthält das neue PBefG mit § 6 (Umgehungsverbot) einen Passus, der es erlaubt, aus dieser Endlosschleife auzubrechen. Es wird intelligentes und mutiges Handeln von Politik und Justizverwaltung brauchen, um das Urteil von 2019 durchzusetzen.

    Im Fall der Geschäftstätigkeit von Uber ist die Sache im Grunde klar. Es gibt eine Uber Germany GmbH, 10179 Köpenicker Straße 126, eigetragen beim AG Charlottenburg unter „HRB 146780 B“, die vermutlich für alle Gesetzesverstöße ihrer Erfüllungsgehilfen, vulgo „Uber Fahrer“ und „Mietwagenunternehmen“ verantwortlich ist. Als „Beförderer“ unterliegt sie den Regeln und Sanktionen des PBefG. Da diese Firma und alle ihre Konzern- und Partnerunternehmen seit Jahren immer wieder gegen alle erdenklichen deutschen Gesetze und europäischen Richtlinien und Urteile verstoßen, sollte ihre Zuverlässigkeit grundsätzlich in Frage gestellt und der Konzern genauso verboten werden wie ein Rockerklub aus der traditionellen Halbwelt. Soweit die Idee die von kompetenten Juristinnen mit Sicherheit in Verwaltungshandeln übersetzt werden kann.

    Wie wäre es mit einem europäischen Haftbefehl gegen sämtliche Uber Vorstände und Manager der Welt? Die Mißachtung der staatlichen Gerichtsbarkeit und damit auch der deutschen Rechtsstaatlichkeit vertreten sie allesamt.

    Der vorstehende Text ist keine kabarettistische FIngerübung und kein amateurjuristisches Sich-Luft-Machen. Es geht um die zehntausenden Uber- und Taxifahrer und Fahrinnen, denen der Mindestlohn und damit ein menschenwürdiges Leben durch die Praktiken des Uber-Konzerns vorenthalten wird.

    Wenn es nicht gelingt, das Grundsatzurteil des hohen Gerichts eines Bundeslandes durchzusetzen, wie soll es dann gelingen, die Voraussetzungen für die wirkliche Zahlung des Mindestlohns für jede geleistete Arbeitsstunde in Mietwagen und Taxis zu schaffen?

    Wir brauchen offensichtlich tiefgreifende Reformen der Aufsichtsbehörden, neue politischen Herangehensweisen und ein Bewußtsein für Gute Arbeit, um das Verharren im Elend vor allem in Berlin zu beenden.

    19.12.2009 von JANA KUGOTH - Ein Gerichtsurteil untersagt dem Fahrdienst Uber die Vermittlung von Beförderungsaufträgen. Der App-Dienst will weitermachen, obwohl das Verbot ab sofort gilt.

    Schlappe für Uber: Das Landgericht Frankfurt am Main hat dem App-Dienst untersagt, in Deutschland Beförderungsaufträge an Mietwagenunternehmer nach dem bisherigen Verfahren zu vermitteln. Das Gericht gab in dem am Donnerstag verkündeten Urteil damit der Unterlassungsklage von Taxi Deutschland, einem Zusammenschluss verschiedener deutscher Taxizentralen, statt.

    Die mit dem heutigen Urteil (Az.: 3-08 O 44/19) ausgesprochene Untersagung der Fahrvermittlung durch Uber gilt ab sofort, teilte das Landgericht mit. Uber habe wegen einer vorangegangenen Abmahnung und anderer gerichtlicher Verfahren mit einer Untersagung rechnen müssen, sagte eine Justizsprecherin.

    Das heißt jedoch nicht, dass Uber-Kunden den Dienst nun nicht mehr nutzen können: „Wir werden die Urteilsbegründung genau prüfen und dann die notwendigen Schritte einleiten, um unseren Service in Deutschland weiterhin zuverlässig anbieten zu können“, sagte ein Uber-Sprecher.

    Aus Sicht von Uber wurden lediglich einzelne Aspekte des Vermittlungsmodells beanstandet. Die Firma betont, dass man in Deutschland nur mit professionellen und lizenzierten Mietwagen- und Taxiunternehmen zusammenarbeite.

    Laut Urteil ist Uber als „Unternehmer im Sinne des Personenbeförderungsgesetzes“ anzusehen, der zur Geschäftstätigkeit über eine entsprechende Konzession verfügen müsse. „Diese Konzession hat Uber unzweifelhaft nicht“, sagte die Vorsitzende Richterin Annette Theimer in der Urteilsbegründung.

    Sichtweise der Fahrgäste entscheidend

    Zur Feststellung der Unternehmereigenschaft sei dabei die „Sichtweise der Fahrgäste“ entscheidend. Uber nehme die Aufträge entgegen, entscheide über die Auswahl der entsprechenden Fahrer und bestimme den Fahrpreis. Dass sich Uber selbst nur als Vermittler von Dienstleistungen an selbstständige Mietwagen-Unternehmer sehe, entnehme man lediglich dem Kleingedruckten, was den normalen Fahrgast aber in der Regel nicht interessiere.

    „Wir begrüßen das Urteil, denn das Landgericht Frankfurt hat klargestellt, dass das System Uber in Deutschland rechtswidrig ist“, erklärte der Geschäftsführer des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen, Michael Oppermann. „Wir fordern Uber auf, seine illegale Tätigkeit unverzüglich einzustellen.“ Betreibt Uber sein derzeitiges Geschäftsmodell weiter, drohten pro Verstoß Ordnungsgelder im sechsstelligen Bereich.

    Die Daimler- und Mietwagen-Tochter Free Now operiert ähnlich wie Uber. In Berlin und fünf weiteren deutschen Städten vermittelt das im Zuge der Fusion der Mobilitätsdienste von Daimler und BMW umbenannte Unternehmen (früher: Mytaxi) Mietwagen über seine Plattform. Das Uber-Urteil hat jedoch keine Konsequenzen für diesen Dienst – dafür müsste erst jemand separat gegen Free Now klagen.

    Verhindert Ubers neues Geschäftsmodell ein Verbot der App?
    https://www.taxi-times.com/verhindert-ubers-neues-geschaeftsmodell-ein-verbot-der-app

    1.10.2020 - Antwort des Bundesfinanzministrium auf eine Anfrage der Linken zu Kontrollen durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit
    https://www.bundestag.de/webarchiv/presse/hib/2020_10/795922-795922

    ZDF - Königlich Bayerisches Amtsgericht
    https://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%B6niglich_Bayerisches_Amtsgericht

    Heinrich von Kleist - Der zerbrochne Krug
    https://de.wikipedia.org/wiki/Der_zerbrochne_Krug

    Gerichtssendung
    https://de.wikipedia.org/wiki/Gerichtssendung#Vorl%C3%A4ufer

    Contergan-Skandal
    https://de.wikipedia.org/wiki/Contergan-Skandal

    Insektenkiller - Wie Chemieriesen unser Ökosystem zerstören (verfügbar bis zum 3.8.2022)
    https://www.arte.tv/de/videos/098073-000-A/insektenkiller

    Es hagelt Spott und Kritik an Lindner-Hochzeit auf Sylt: Merz im Privatjet angereist
    https://de.euronews.com/2022/07/09/es-hagelt-spott-und-kritik-an-lindner-hochzeit-auf-sylt-merz-im-privatj

    #Uber #Deutschland #Recht #Justiz #Urteil #Verbot #Konzerne #Disruption #USA

  • Berliner Polizei untersagt Veranstaltungen am Nakba-Tag: Organisatoren von verbotenen Palästina-Demos wollen klagen - Berlin Heute 11:58 Uhr – Alexander Fröhlich Jonas Fedders - Tagesspiegel Mobil
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-polizei-untersagt-veranstaltungen-am-nakba-tag-organisatoren-von-verbotenen-palaestina-demos-wollen-klagen/28334134.html

    Gegen das Verbot mehrerer palästinensischer Demonstrationen durch die Berliner Polizei will eine der betroffenen Organisationsgruppen klagen. „Gegen diesen Angriff auf unsere Grundrechte auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung (...) werden wir rechtliche Schritte einleiten“, teilte die Gruppe „Palästina spricht“ am Freitag mit. Das Verbot sei ein „alarmierender Türöffner für unbegrenzte staatliche Repression gegen jegliche Opposition in Deutschland, sei es für palästinensische Menschenrechte, Antirassismus oder Geflüchtetenrechte“.

    Am Donnerstag hatte Berlins Polizei erneut mehrere anti-israelische Demonstrationen verboten. Die Behörde untersagte fünf für Freitag bis Sonntag geplante Versammlungen zum palästinensischen Nakba-Tag mit mehreren hundert Teilnehmern. Es bestehe die unmittelbare Gefahr, dass es zu volksverhetzenden, antisemitischen Ausrufen, Einschüchterungen und Gewalt kommt, hieß es in einer Polizeimitteilung.

    Bereits am Donnerstag hatte der Anwalt Ahmed Abed auf Tagesspiegel-Anfrage für das Netzwerk „Palästina spricht“ rechtliche Schritte gegen das Verbot der Kreuzberger Demonstration angekündigt. Abed ist für die Linkspartei Bezirksverordneter in Neukölln. (...)

  • SEK-Einsatz nach Streit um Fahrpreis: Taxifahrer mit Schusswaffe in Berlin-Niederschönhausen bedroht - Berlin - Tagesspiegel
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/sek-einsatz-nach-streit-um-fahrpreis-taxifahrer-mit-schusswaffe-in-berlin-niederschoenhausen-bedroht/28259432.html

    18.4.2022 - Ein 63-Jähriger soll in Berlin-Niederschönhausen einen Taxifahrer mit einer Schusswaffe bedroht haben. Deshalb rückte das Spezialeinsatzkommando
    der Polizei an und durchsuchte dessen Wohnung, wie die Berliner Polizei am Montag mitteilte.

    Eine Verletzung am Finger, die sich der Verdächtige bei der Festnahme zuzog, wurde im Krankenhaus behandelt. Bei der Durchsuchung fanden die Beamten eine Softairwaffe, die sie beschlagnahmten.

    Den Angaben des Taxifahrers zufolge hatte er eine Frau am Sonntagabend von Berlin-Köpenick in die Waldstraße gefahren. Sie soll jedoch mit dem Fahrpreis nicht einverstanden gewesen sein und zwei Bekannte hinzugerufen haben, die sich drohend geäußert hätten.

    Einer von ihnen, der 63-Jähriger, soll dem Taxifahrer eine im Hosenbund steckende Schusswaffe gezeigt haben. Schließlich hätten die Männer den Fahrpreis bezahlt, hieß es.

    [Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

    Der 63-Jährige bestritt, dem Taxifahrer eine Schusswaffe gezeigt zu haben. Eine Atemalkoholmessung ergab bei ihm einen Wert von mehr als drei Promille. Gegen ihn wird wegen des Verdachts der Bedrohung mit Waffen ermittelt.

    #Berlin #Pankow #Niederschönhausen #Zahlungsstreit

  • Ehrung für Alt-Bundespräsidenten: Berlin-Schöneberg erhält Richard-von-Weizsäcker-Platz - Berlin - Tagesspiegel
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/ehrung-fuer-alt-bundespraesidenten-berlin-schoeneberg-erhaelt-richard-von-weizsaecker-platz/28173832.html

    Keine Verwechslungen mehr, wer zum #Kaiser-Wilhelm-Platz will, outet sich demnächst zuberlässig als #Wannsee Bewohner oder als Liebhaber des noblen Vororts. Schluss is mit dem Schöneberger Kaiser-Willi. Da die nahegelegene Taxihalte schon jetzt nicht mehr über Funk als Kaiser WIlhelm angesprochen wird, ist die Umbenennung eigentlich unproblematisch.

    Trotzdem geht das schon aus einem einzigen Grund nicht in Ordnung: Die Platzumbenennung ist überflüssig. Man tut sowas nicht. Nachdem er 130 Jahre gut funktioniert hat, ändert man nicht mal einfach so den Namen eines der strukturgebenden Plätze Berlins.

    Fragen bleiben.

    – Was ist nur aus den Grünen geworden. Zu Freunden des preußischen Neu-Adels mutierte, kritische Ex-Denker, Erste-Weltkriegs-Feindschafts-Aufwärmer, gewesene Friedensfreunde. Verehrer widerlicher Machtideologen. Zu Ritschis Zeiten als Regierender lachten Grüne gerne darüber, wie ihn der Kabarettist Wolfgang Neuss aus der Fassung zu bringen verstand. Vorbei. Dem Grün ist mehr als das Humor-Gen abhanden gekommen.
    – Und jetzt mal im Ernst: Wieso muss ein preußischer Kaiser im Stadtbild durch den Sproß einer mordverbundenen preußischen Adelsfamilie ersetzt werden? Das Massenmorden, der Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln , war ab 1813 und weiter bis 1945 Mutterboden für den Aufstieg der Weizsäckers. Im ersten millionenverschlingenden Krieg gab es endlich 1916 den erblichen Freiherrenstand derer von Weizsäcker. Sollen nun etwa auf grüne Initiative mit dem Umweg über Weizsäcker des Clausewitz Kriegskonzepte rehabilitiert dem einundzwanzigsten Jahrhundert eingepflanzt werden?

    https://de.wikipedia.org/wiki/Weizs%C3%A4cker

    17.03.2022 von Sigrid Kneist - Kommende Woche wird der Kaiser-Wilhelm-Platz in Berlin-Schöneberg in Richard-von-Weizsäcker-Platz umbenannt. Die Initiative ging von den Grünen aus.

    Richard von Weizsäcker wird künftig im Berliner Straßenbild geehrt. Der Schöneberger Kaiser-Wilhelm-Platz wird am kommenden Donnerstag nach dem 2015 verstorbenen CDU-Politiker umbenannt. Von Weizsäcker war von 1981 bis 1984 Regierender Bürgermeister in Berlin und von 1984 bis 1994 Bundespräsident, der vor allem nach seiner Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes in Europa am 8. Mai 1985 viel geachtet war.

    Die Bezirksverordnetenversammlung von Tempelhof-Schöneberg beschloss die Umbenennung im Januar 2021. Die Initiative war von den Grünen ausgegangen, CDU und FDP hatten sich angeschlossen. Die SPD votierte mit der Begründung dagegen, die Benennung widerspreche dem Bestreben im Bezirk, Straßen vorrangig nach Frauen zu benennen und deren Verdienste damit im Straßenbild sichtbarer zu machen.

    Eine weitere öffentliche Debatte gab es nicht – auch keine Widersprüche von Anwohnern. Allerdings sind auch nur wenige Gebäude an dem an der Hauptstraße gelegenen, schmucklosen Platz betroffen.

    #Berlin #Schöneberg #Kaiser-Wilhelm-Platz #Straßenumbenennung #Preußen #Nazis

  • Info-Sheet „Rekommunalisierung des Stadtportals Berlin.de“ – Geschichte, Technik, Herausforderungen – Bündnis digitale Stadt Berlin
    https://digitalesberlin.info/info-sheet-stadtportal

    La ville de Berlin a racheté le domaine internet berlin.de et le site avec tous ses services. On discute alors comment bâtir un ensemble de sites et services publiques.

    Das Stadtportal berlin.de das „digitale Herz“ der Stadtbevölkerung dar: Internetauftritte von Behörden, Service-Portal mit Online-Bürgediensten, Open-Data-Portal und Beteiligungsportal werden hier unter einem Dach gebündelt. Doch bisher sorgte Berlin.de vor allem als Werbefläche und Datensauger für Skandale. Das Portal wurde seit Ende der 90er Jahre von wechselnden Privatunternehmen kommerziell betrieben und mit Werbetrackernund Boulevardnachrichten zugepflastert. Das dieser Zustand unhaltbar war hat auch die Landesregierung erkannt und 2020 die Rekommunalisierung von Berlin.de auf den Weg gebracht.

    Seit dem 1. Juli 2021 ist das Berliner Stadtportal berlin.de nun wieder in öffentlicher Hand – einer gemeinwohlorientierte Neuausrichtung des digitalen Stadtraums steht somit formal nichts mehr im Wege. Doch wie sieht ein gemeinwohlorientiertes Stadtportal eigentlich aus? Wie können Open-Source/Open-Data, digitale Souveränität und Nachhaltigkeit mitgedacht werden? Und wie könnte ein Prozess aussehen, in dem die Entwicklungsziele möglichst demokratisch – gerade auch mit Rücksicht auf benachteiligte Gruppen – bestimmt werden?

    Die Stadtöffentlichkeit ist an der Neuausrichtung von Berlin.de bisher nicht beteiligt. Dabei hat das Abgeordnetenhaus beschlossen, dass die digitale Zivilgesellschaft bei der Neuausrichtung eingebunden werden soll. Nach unserem Offenen Brief zum Stadtportal berlin.de vom April 2021 mit Impulsen zur Neuausrichtung hat sich die Senatskanzlei jedoch an einem Austausch interessiert gezeigt. Gemeinsam mit der zuständigen Landesredaktion bei der Berliner Senatskanzlei veranstalten wir im Februar 2022 einen Runden Tisch Digitalisierungspolitik um mit der bereiten Stadtgesellschaft weitere Prozessschritte zur Neuausrichtung vonBerlin.de zu diskutieren. Aus dieser kooperativen Zusammenarbeit entstand auch die folgende Informationsübersicht.

    Auf dieser Seite wollen wir Euch die wichtigsten Informationen rund um die Rekommunalisierung des Stadtportals bereitstellen:

    Geschichte des Stadtportals
    Das Stadtportal aktuell
    Technische Rahmenbedingungen
    Herausforderungen für die Neuausrichtung

    1. Die Geschichte des Stadtportals Berlin.de

    1995–2019: Entstehung und Entwicklung des Stadtportals: https://netzpolitik.org/2019/die-wirre-geschichte-einer-hauptstadt-website

    1998: Beginn einer Public-Private-Partnership zu Berlin.de mit wechselnden Betreibergesellschaften
    2011: Der Berliner Verlag hält ca 75 Prozent Anteile der Portal-Betreibergesellschaft BerlinOnline Stadtportal GmbH & Co. KG, die Investitionsbank Berlin erwirbt ca. 25 Prozent der Anteil

    August 2019: Auf Nachfrage eines Abgeordneten wird öffentlich, dass die Senatskanzlei den im Jahr 1998 geschlossenen Betreibervertrag bereits Ende 2018 einseitig zum 31.12.2021 gekündigt hat. Es wird jedoch über eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem Berliner Verlag auf neuer vertraglicher Basis verhandelt: https://www.tagesspiegel.de/berlin/kommunales-klickmonster-senat-verhandelt-ueber-zukunft-von-berlin-de/24940368.html

    Oktober 2019: Das IT-Unternehmer-Ehepar Holger und Silke Friedrich kaufen den Berliner Verlag und bezeichnen Berlin.de den „wahren Schatz“ ihrer Übernahme. Und weiter: „Da können wir prinzipiell jede Dienstleistung ausspielen.“ https://www.nzz.ch/feuilleton/medien/berliner-zeitung-die-neuen-eigentuemer-im-interview-ld.1522069

    Dezember 2019: Berlins Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk stellt fest, dass hunderte von Trackingdiensten, die Daten der Nutzer:innen abgreifen: https://www.tagesspiegel.de/berlin/verheerendes-zeugnis-fuer-betreiber-des-hauptstadtportals-berlinonline-soll-besucher-daten-ohne-einwilligung-erheben/25316804.html

    September 2020: Berlin.de wird im Medienausschuss des Abgeordnetenhauses diskutiert: https://www.parlament-berlin.de/ados/18/EuroBundMed/protokoll/ebm18-057-ip.pdf (Punkt 6 der Tagesordnung)

    Zustände Staatssekretär Christian Gaebler berichtet erstmals über die geplante Rekommunalisierung. Ziel sei es die restlichen Geschäftsanteile an BerlinOnline aufzukaufen.
    In 2021 stünde eine Transformationsphase an, in der die Neugestaltung des Hauptstadtportals berlin.de operativ durchgeführt werden solle. Die Weiterarbeit mit dem vorhandenen Portal sei die aktuell einfachere und günstigere Lösung.
    Das ITDZ habe bereits einen Businessplan für Migration und den Aufbau eines Stadtportals in mehreren Szenarien vorgelegt.
    Daniel Roleff (Leiter der Landesredaktion) stellt klar, dass „nicht das Stadtportal gekauft [werde]; die Domain berlin.de gehöre dem Land Berlin.“

    November 2020: Mündliche Behandlung im Plenum: https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/PlenarPr/p18-067-wp.pdf#page=36

    Der Regierende Bürgermeister Michael Müller verteidigt das werbefinanzierte Betreibermodell des Stadtportals: „Nun müssen sich ja Werbeeinnahmen und Qualität nicht zwingend ausschließen“

    Dezember 2020: Antrag im Abgeordnetenhaus „Das Stadtportal berlin.de in öffentlicher Hand neu aufstellen“: https://www.parlament-berlin.de/ados/18/IIIPlen/vorgang/d18-3240.pdf (wurde im Juni 2021 angenommen: https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/PlenarPr/p18-081bs3240.pdf)

    Das Abgeordnetenhaus fordert den Einbezug der Zivilgesellschaft bei der Neuaufstellung des Portals: „Bei der Neukonzeption und Modernisierung von berlin.de sollen (…) die Expertisen und die Kreativität der digitalen Zivilgesellschaft, der Wissenschaft, der öffentlichen Unternehmen und Kultureinrichtungen sowie Start-Ups genutzt werden.“
    Dienstleistungen privatwirtschaftlicher Akteure sollen als Auftragnehmer:innen der öffentlichen Hand geführt werden (nicht als Public-Private-Partnership)
    Zudem wird appelliert an die „Prinzipien des Datenschutzes, offener Schnittstellen, der Barrierefreiheit und Multilingualität sowie der Freiheit von kommerziellen Trackinginstrumenten“

    Mai 2021: Berlin.de wird im Medienausschuss des Abgeordnetenhauses diskutiert: https://www.parlament-berlin.de/ados/18/EuroBundMed/protokoll/ebm18-070-ip.pdf (Punkt 5 der Tagesordnung, S. 8)

    Staatssekretär Gäbler informiert über die laufenden Verhandlungen: „Mit dem Berliner Verlag sei ein akzeptabler Preis vereinbart. Es gebe durchaus konstruktive Gespräche mit dem Berliner Verlag, schon vor Jahresende einen Übergang anzustreben. Auch die IBB wirke mit. Das ITDZ bereite sich auf die Übernahmedes Betriebs vor.“

    Juli 2021: Vorlage der Senatskanzlei „über Neuausrichtung des Hauptstadtportals berlin.de und Erwerb der Gesellschaftsanteile an BerlinOnline Stadtportal GmbH & Co. KG und BerlinOnline Stadtportatbeteiligungsges. mbH“ https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/DruckSachen/d18-3904.pdf

    BerlinOnline wird in das Eigentum des Landes Berlin überführt. Die Investitionsbank Berlin hat die verbleibenden Anteile des Berliner Verlags an BerlinOnline zum 1. Juli 2021 für 4,2 Mio. Euro erworben.
    Das PPP-Modell wird aufgrund mangelnder Steuerungsfähigkeit beendet und die Verantwortlichkeit für Inhalte und Aufbau des Stadtportals gehen in die Verantwortung der Senatskanzlei über.
    BerlinOnline soll zukünftig mit der Webprogrammierung bzw. Digitalen Kommunikation des Stadtportals beauftragt werden. Aber „einzelne webbasierte Softwarekomponenten liegen im Eigentum der BerlinOnline, das Land Berlin hat hieran lediglich Nutzungsrechte.“

    Gleichzeitig legt die Senatskanzlei ein Kurzkonzept mit dem Titel „Neuausrichtung Hauptstadtportal Berlin.de“ vor (https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/DruckSachen/d18-3904.pdf, ab S. 7):

    Vollportal mit engem Themenkreis Berlin: Inhaltlich soll der Charakter eines thematischen Vollportals beibehalten werden. Die thematische Ausrichtung soll auf rein Berlin-orientierte Inhalte reduziert werden. Aktuelle Themenbereiche wie „Lifestyle“ oder „Shopping“, die boulevardeske Inhalte zur Reichweitensteigerung anbieten, sollen wegfallen.
    Vermarktung wird eingestellt: Werbefinanzierung wird eine Absage erteilt: „Eine gewinnorientierte Vermarktung wird auf Berlin.de nicht mehr stattfinden“. Stattdessen soll das Portal in Kooperation mit kommunalen Unternehmen und Stakeholdern „als Multiplikator für öffentliche Dienstleistungssektoren genutzt werden“
    Technische und gestalterische Weiterentwicklung: Das Portal soll „übersichtlich und anwenderfreundlich sowie auch datenschutzgerecht und barrierearm gestaltet werden, damit Menschen verschiedener Altersklassen und Nutzererfahrungen dieses nutzen können.“
    Bekenntnis zu Open-Source: „Die Verwendung quelloffener Software und transparenter Algorithmen gehörtzu den Wesensprinzipien bei Änderungen oder Neueinführung von Systemen.“
    Erweiterte Funktionalität: Zukünftig sollen viele weitere Dienste über das Stadtportal ausgespielt werden: „BerlinOnIine entwickelt und programmiert neue E-Government-Dienste im Auftrag der fachlich zuständigen Senatsverwaltungen.“ Genannt werden die „Authentifizierung über die elD“ sowie „E- Government-Dienste wie E-Payment“. Dazu soll eine „zentrale Anlaufstelle für digitale, webbasierte Dienstleistungen“ aufgebaut werden.
    Open-Data-Anwendungen und Bürgerbeteiligung verstärken: Kurz und knapp wird für die Erreichung „einheitlicher Qualitätsstandards“ auch der verstärkte Rückgriff auf „Open-Data-Anwendungen und Tools zu Bürgerbeteiligung“ angekündigt.
    Die Redaktion „für verwaltungs- und themenübergreifende Inhalte“ liegt weiter bei BerlinOnline.

    Januar 2022: Richtlinien der Regierungspolitik auf Basis des Koalitionsvertrags: https://www.parlament-berlin.de/ados/19/IIIPlen/vorgang/d19-0114.pdf

    Das Stadtportal berlin.de wird unter Einbezug externer Expertise neu aufgestellt – nutzerfreundlich, barrierefrei und mehrsprachig. Die Beteiligungsplattform „mein.berlin.de“ wird modernisiert und um weitere Tools zur digitalen Partizipation und zivilgesellschaftlichen Vernetzung erweitert. (S. 73)

    2. Das Stadtportal aktuell

    Hier eine knappe Information der Senatskanzlei: https://www.berlin.de/rbmskzl/service/stadtinformationssystem-berlin-de

    Welche Inhalte umfasst das Stadtportal Berlin.de?

    Sämtliche Internet-Auftritte von Behörden und öffentlichen Einrichtungen auf Landes- und Bezirksebene
    Service-Portal mit über 70 Onlinedienstleistungen, wie bspw. die Beantragung eines neuen Personalausweises, und Daten zu über 1000 Standorten. Das Service-Portal hat ca. fünf Millionen Seitenabrufe pro Monat.
    Berliner Open-Data–Portal mit knapp 3000 offenen Datensätzen
    Berteiligungsportal „meinberlin.de“
    BVV-Dokumentationsportal (Allris) der Berliner Berzirksverordnetenversammlungen (BVVen)
    E–payment-Funktion mit monatlich ca. 35.000 Zahlungen mit einem Gesamtvolumen von bis zu mehr als 800.000€

    3. Technische Fakten
    Allgemein

    25 Mio Request/Tag
    600.000 Einzelseiten (u.a. Pressemitteilungen etc.), 40.000 Rubriken
    CMS Imperia wird von 3000 (dezentralen) Redakteure genutzt
    Bei BerlinOnline sind ca. 40-50 Mitarbeiter:innen angestellt

    Datenerhebung

    Auf der Webseite wird der Webanalysedienst „Mapp Intelligence“ der Webtrekk GmbH eingesetzt. Dieser Dienst erhebt aber keine personenbezogenen Daten, sondern ausschließlich anonymisierte, statistische Daten. Die Analyse erfolgt Session basiert und beschränkt sich damit auf den Zeitraum eines einzelnen Besuchs, ohne Möglichkeiten einer Erkennung wiederkehrender Besucherinnen oder Besucher.
    Die Implementierung des Dienstes erfolgte nach dem Prinzip der Datensparsamkeit und Datenminimierung und ermöglicht, die Webseite und deren Nutzerfreundlichkeit stetig zu verbessern.
    Genauso verlangen auch Service-Angebote wie Newsletter, Formulare, Videos oder Social Media Inhalten Datenverarbeitungen, die aber alle erst nach einer Bestätigung durch die Nutzenden erfolgen.
    Neben diesen portalweit implementierten Diensten und Services können weitere Datenverarbeitungen erfolgen, die in der Verantwortung der betreffenden Verwaltung liegen und von denen wir keine Kenntnis haben müssen. Die entsprechenden Verarbeitungen sind in den Datenschutzerklärungen der einzelnen Auftritte hinterlegt.

    Eingesetzte Software – proprietär/Open-Source?

    Fast alle von BerlinOnline für www.berlin.de eingesetzten Server laufen auf freien Betriebssystemen, Datenbanken und Webservern betrieben. Weitere Beispiele für eingesetzte Free Open-Source Software sind:
    Kubernetes, Docker
    Varnish
    NginX, Apache
    PHP, Perl, Python
    MySQL, ElasticSearch, CouchDB
    Für das zentrale Content-Management-System (CMS) kommt seit den Anfängen des Stadtportals die proprietäre Software CMS Imperia zum Einsatz. Dabei liegt der Quellcode jedoch vor und darf verändert werden
    Ähnlich verhält es sich bei dem proprietären Tool Sendy, welches zum Versand von Newslettern verwendet wird.
    Hinzu kommen Integration von Dritten (Subdomains oder im URL-Pfad via Reverse-Proxy) auf der Seite berlin.de über deren Lizenzmodell wir keine Informationen haben.
    Zum Einsatz von Kubernetes verwenden wir ein fertiges Produkt eines Hosting-Dienstleisters, bei dem einzelne Komponenten des Systems ebenfalls proprietär sind.

    4. Herausforderungen für die Neuausrichtung

    Rechtliche Einschränkung durch das „Crailsheim-Urteil“: Gerichte sehen öffentliche Hand als Portalanbieter sehr restriktiv, dürfen keine presserechtlichen: https://www.sueddeutsche.de/medien/stadtportale-presse-staatsferne-muenchen-de-dortmund-de-amtsblatt-crail
    Knappe finanzielle und personelle Ressourcen, aktuell noch kein Budget für zusätzliche Aufgaben
    Die Koordination wird erschwert durch dezentrale Verwaltungszuständigkeit bei vielen wichtigen Themenbereichen des Stadtportals. Ende 2021 wurde ein Verwaltungsbeirat zu besseren Absprache ins Leben gerufen. Beteiligt sind u.a.:
    Presse- und Informationsamt (Senatskanzlei) mit Landesreaktion: Aufgabe Information und Koordination der Verwaltungen, verantwortlich für Berlin.de allgemein und CMS; zugleich für Bürgerbeteiligung zuständig, bspw. https://mein.berlin.de
    SenWiEnBe: zuständig für Digitalisierung der Wirtschaft (Digitalisierung, IKT-Wirtschaft, digitale Infrastruktur und Open Data) – bspw. https://daten.berlin.de aber auch https://www.berlin.de/vergabeplattform
    SenInnDS: für Verwaltungsdigitalisierung und verfahrensunabhängige IKT zuständig sowie CIO-Funktion für Berlin; verantwortlich u.a. für https://service.berlin.de
    SenFinanzen; für Personal zuständig, und u.a. hierfür https://www.berlin.de/karriereportal
    SenUVK: hat viele Umwelt- und Verkehrsdaten – bspw. im https://wasserportal.berlin.de oder auch https://www.berlin.de/umwelt

  • Jahreswechsel: Wie ein Taxifahrer die Silvesternacht in Berlin erlebt - Berlin - Tagesspiegel
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/jahreswechsel-wie-ein-taxifahrer-die-silvesternacht-in-berlin-erlebt/23808302.html

    1.1.2019 von Robert Klages - Wenn sich Fahrgäste vor den Wagen schmeißen und auf der Rückbank würgen, dann muss Silvester sein in Berlin. Und Christian Schmitz sitzt hinterm Steuer.

    Silvester, die Nacht ohne freie Taxis. Das erfahren jährlich zahlreiche Berliner, wenn sie in der Nacht des Jahreswechsels versuchen, eines der hellelfenbeingelben Autos zu bekommen. Man steht am Straßenrand und winkt und winkt, keine Taxe hält an. Man ruft die Hotline an: entweder besetzt oder eine Wartezeit von mehr als einer Stunde. Ja, arbeitet denn keiner mehr?

    Wir ändern die Perspektive: Für Taxifahrer ist es die Nacht ohne Pause. Christian Schmitz fährt Nachtdienst, seine Schicht geht von 16 Uhr bis open end. „Silvester ist natürlich einer der wichtigsten Tage, da kann man das Dreifache des sonstigen Umsatzes machen“, erzählt er bei einem Kaffee an einer Schöneberger Tankstelle, wo seine Schicht beginnt und er den Wagen eines Kollegen übernimmt.

    Silvester kann er sich vor Kunden kaum retten. Schmitz berichtet vom vergangenen Jahr: Die Taxisuchenden hätten ihm sogar den Kofferraum aufgerissen und versucht, hineinzuklettern, obwohl der Wagen bereits voll war. Es verginge keine Minute ohne Auftrag und die „Winker“ verteilten sich entlang der größeren Straßen. Winker, das ist Taxifahrerjargon für Kunden, die vom Straßenrand aus versuchen, einen Wagen zu bekommen. Silvester jedoch würden diese Winker zu Springern, da sie sich teilweise sogar auf die Motorhauben der an Ampeln wartenden Taxen werfen, in der Hoffnung, mitgenommen zu werden. „Aber ich kann nur vier Leute mitnehmen“, sagt Schmitz und lacht. „Mehr geht nicht.“

    „Bitte... bitte, ich suche schon seit Ewigkeiten“
    In der letzten Silvesternacht habe er versucht, eine Pause zu machen. Er fuhr in eine dunkle Straße und stellte die Scheinwerfer, die Innenbeleuchtung und die Fackel, also das Taxilicht auf dem Dach, aus. Schmitz wühlte sein Pausenbrot heraus und wollte soeben abbeißen, da klopfte es an der Scheibe. Ein Mann lallte, er müsse nach Kreuzberg. Schmitz rührte sich nicht, vielleicht würde ihn der Mann durch die verdunkelte Scheibe nicht sehen. Doch es klopfte erneut. „Hallo. Halloooo! Ich muss nach Kreuzberg.“

    Schmitz schaute ihm direkt in die Augen. „Bitte… bitte, ich suche schon seit Ewigkeiten“, winselte der Mann und sackte zusammen, seine Hand glitt an der Scheibe herunter. Schmitz stellte das Licht an und öffnete die Tür, der Mann fiel ihm um den Hals und nur wenige Sekunden nach Start des Motors in einen komatösen Schlaf. „Das war knapp“, dachte sich Schmitz.

    Als Nachtfahrer hat er es öfter mit Betrunkenen zu tun. In seinem Buch „Der Fuchsflüsterer vom Zeltinger Platz“ erzählt er humorvoll davon. Der 57-Jährige hat 1983 seinen Taxischein gemacht, ist aber eigentlich Historiker. An der Freien Universität hat er zu Berliner Bürgermeistern im 17. Jahrhundert geforscht. Taxi gefahren ist er schon als Studierender, das sei damals so üblich gewesen.

    Im vergangenen Jahr hat Christian Schmitz seine Taxi-Geschichten auf diversen Berliner Lesebühnen präsentiert, wie „LSD – Liebe Statt Drogen“ oder der „Reformbühne Heim und Welt“. Sein Buch verkauft er natürlich auch im Taxi, im Schnitt eins pro Woche. Er ist nicht der erste Taxifahrer, der ein Buch schreibt. Das wohl bekannteste heißt „Rauchender Hund zur Nolle 17“ von Stefan Buchenau, erschienen 1984. Die Interaktionen zwischen Menschen, die von A nach B gebracht werden wollen, und denen, die sie von A nach B bringen, liefern immer neue Geschichten.

    Bei Betrunkenen gilt: Heizung aus, Fenster öffnen
    Silvester 2017/2018, Bahnhof Spandau, kurz nach Mitternacht. „Ein Pärchen, beide rotzevoll. Sie wollen nach Falkensee gefahren werden.“ Schmitz erzählt das mit tiefer, ruhiger Stimme. Das Wichtigste bei Betrunkenen sei: Heizung aus und das Fenster einen Spaltbreit runter. „Und dann ist denen immer noch zu warm.“ Und man müsse den Moment erkennen können, ob sich jemand wirklich übergeben muss oder nur besoffen ist. So auch diesmal: die Frau würgt, Schmitz hält, die Frau spuckt aus dem Wagen. Und wieder: „Das war knapp.“

    Ein paar Tipps für Taxikunden hat Christian Schmitz auch: Die Kurzstrecke, eine Eigentümlichkeit der Hauptstadt – maximal zwei Kilometer für fünf Euro. Ein Kollege aus Hamburg berichtete, dass sich immer wieder Kunden zu ihm in den Wagen setzen und „einmal Kurzstrecke“ wünschen. „Ah, Sie kommen aus Berlin“, weiß der Kollege dann sofort.

    Kurzstrecke gibt es nur bei einer Taxe aus freier Fahrt. Und die Kunden sollten darauf bestehen, meint Schmitz. Es gebe durchaus Taxifahrer, die so täten, als gäbe es den Tarif nicht. Übrigens sei es in Berlin üblich geworden, hinten einzusteigen. Man könne auch vorne einsteigen, betont Schmitz. Würde aber kaum jemand machen. Auch am Halteplatz: Man müsse nicht den ersten Wagen nehmen, wenn dieser nicht gefällt, weil etwa der Fahrer schläft oder das Auto zu dreckig ist.

    Nicht jeder Taxifahrer kennt sich mit Fußball aus
    Was aber, wenn der Taxikunde dem Fahrer nicht gefällt? Schmitz mag keine ausländerfeindlichen Fahrgäste. Letztens sei einer mit den Worten „Oh, mal ein deutscher Fahrer“ eingestiegen. Schmitz fuhr auch diesen Mann an sein Ziel, er fühlte sich schlecht hinterher, betrübt und traurig. „Ich hätte sagen sollen: oh, mal wieder ein ausländerfeindlicher Fahrgast.“

    Nicht ganz so schlimm, aber ungünstig fürs Gespräch ist es, wenn die Kunden mit Schmitz über Fußball reden wollen. „Von einem Berliner Taxifahrer wird anscheinend erwartet, dass er sich wie selbstverständlich für Fußball interessiert.“ Wenn von hinten die Frage kommt: „Wie haben sie denn gespielt?“, weiß Schmitz das nicht. Er stellt dann meistens das Radio an.

    In seinen Kurzgeschichten erzählt er auch davon, wie sich manche Leute von ihm durch Berlin kutschieren lassen – nur, um zu quatschen. Dem Taxifahrer, dem kann man es ja erzählen, so anonym in der Nacht. Schmitz hat eine Regel: „Die Unterhaltung muss immer vom Fahrgast ausgehen.“ Und klar: Die Gespräche wiederholen sich. So zum Beispiel der alte Witz auf die Frage, wo es denn hingehen soll: „Nach Hause“. Da lacht Schmitz nicht mehr, sondern drückt aufs Gas.

    „Aber im Grunde macht es Spaß, Silvester zu fahren. Die Leute sind gut drauf“, sagt er. Der Kaffee ist leer, seine Schicht beginnt. In diesem Jahr bleibt Schmitz zum Jahreswechsel allerdings zu Hause. Er will mit seiner Familie feiern.

    Wer Christian Schmitz und seine Texte ohne Taxe live erleben möchte: Am 10. Januar ist er um 20.30 Uhr bei den „Brauseboys“ zu Gast, der Lesebühne in Wedding im „La Luz“ in den Osramhöfen, Oudenarder Straße 16-20. Eintritt 8 Euro, ermäßigt fünf Euro. „Der Fuchsflüsterer vom Zeltinger Platz“ ist beim Periplaneta-Verlag erschienen, 144 Seiten, 12 Euro.

    #Taxi #Berlin #Anekdoten #Arbeit #Party

  • Baudenkmal an der Berliner Stadtautobahn: Die Avus-Tribüne öffnet nach 23 Jahren wieder – mit Fernsehstudios und Büros - Berlin - Tagesspiegel
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/baudenkmal-an-der-berliner-stadtautobahn-die-avus-tribuene-oeffnet-nach-23-jahren-wieder-mit-fernsehstudios-und-bueros/27567046.html?bezuggrd=LEU

    https://www.openstreetmap.org/way/7645926
    https://www.openstreetmap.org/way/24756982#map=17/52.50047/13.27549

    31.08.2021, von Cay Dobberke - Rechtzeitig zum 100. Jubiläum der berühmten Rennstrecke will Investor Hamid Djadda die Sanierung der Tribüne abschließen. So hatte er es sich im Frühjahr 2018 vorgenommen.

    Schon die Farbe der modernisierten Avus-Tribüne überrascht, wenn man diese vom Charlottenburger Messedamm aus betrachtet: Rund um die Eingänge ist die Fassade nun silbern statt graubraun. Das sei nicht nur konform mit dem geltenden Denkmalschutz, sondern entspreche dem Originalzustand aus dem Eröffnungsjahr 1937, sagt der Eigentümer Hamid Djadda. Warum die Tribüne später dunkler gestaltet wurde, ist ihm ein Rätsel. Mit dem jetzigen Anstrich wirke sie viel schöner, freut er sich.

    Am 24. September steht das 100. Jubiläum der Avus („Automobil-Verkehrs- und Übungsstraße“, heute: Autobahn A 115) bevor. Bis dahin solle die Sanierung und Umgestaltung der Tribüne nach Plänen des Hamburger Architekten Christoph Janiesch abgeschlossen sein, hatte sich Djadda vorgenommen, als er damit im Frühjahr 2018 angefangen hatte. Die vom ihm beauftragten Baufirmen werden wohl rechtzeitig fertig. Allerdings folgt dann noch die Inneneinrichtung durch den Fernsehsender Hauptstadt TV, der ab Mitte Oktober die ganze Tribüne nutzen will.

    Einst saßen dort bis zu 4000 Zuschauer der Avus-Rennen, die letztmalig 1998 ausgetragen wurden. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben verkaufte das Bauwerk an private Eigentümer. Doch am Leerstand änderte sich nichts.

    Schließlich erwarb Hamid Djadda im Jahr 2015 die Tribüne. Der im Iran geborene und in Hamburg aufgewachsene Unternehmer betrieb früher eine Kristallglasfirma in Thailand, wo er bis zum Umzug nach Berlin zwei Jahrzehnte lang wohnte. Hier übernahm er die seit 1904 bestehende „Berliner Blechschild Manufaktur“ in Tempelhof und gründete 2017 die Neuköllner Marzipankonfekt-Marke „OHDE Berlin“.

    Diese sei inzwischen „sehr erfolgreich“, sagt Djadda. Eigene Shops entstanden im KaDeWe sowie in den Charlottenburger Einkaufszentren „Bikini Berlin“ und „Wilma“. Außerdem kaufen viele Touristen das Konfekt an einem Souvenirstand im Flughafen BER. Aus Teilen des Unternehmensgewinns finanziert Djadda eine Stiftung, die Neuköllner Schüler fördert.

    Nur ein Vorhaben ist ihm nicht gelungen. Der im Frühjahr 2019 gegründete Verein „Erste Sahne“ sollte Berliner Häuser kaufen, deren Gewerbe- oder Wohnungsmieter von einer Verdrängung bedroht sind, und als gemeinnützige Stiftung für günstige Mietpreise sorgen. „Aber das Interesse blieb gering“, bedauert Djadda.

    In die Avus-Tribünen hat der 62-Jährige etwa sechs Millionen Euro investiert. Das marode Dach wurde durch einen denkmalgerechten Neubau ersetzt. Im mittleren Bereich um die einstige Sprecherkanzel entstand ein Veranstaltungsraum. Neu hinzu kamen einige Büroräume. Zum Messedamm hin entstehen lange LED-Lichtbänder für Werbung.

    Auch die steinernen Ränge der Tribüne ließ Djadda instandsetzen. Er wollte dort zum Beispiel alte Rennwagen präsentieren, aber Djadda darf den offenen Teil der Tribüne gar nicht nutzen. Das Bundesfernstraßenverkehrsamt verbot dies wegen der Sorge, dass Fahrer auf der Avus abgelenkt werden könnten.
    Der Sender Hauptstadt TV mietet die Tribüne für mindestens zehn Jahre, zieht mit Studios ein und will einen Teil der Büros beispielsweise für Coworking untervermieten. Der Saal um die Sprecherkanzel ist für diverse Events gedacht. Er verfügt über spezielle Fenster mit Flüssigkristall-Technik, die von der Avus aus schwarz wirken, aber von innen her milchig und auf Knopfdruck transparent.

    #Berlin #Automobil #Architektur #Verkehr #Medien #Geschichte #Kultur #Fernsehen

  • Langwierige Umbenennung: Nazi-Name wird nach elf Jahren vom Straßenschild entfernt - Bezirke - Berlin - Tagesspiegel
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/bezirke/langwierige-umbenennung-nazi-name-wird-nach-elf-jahren-vom-strassenschild-entfernt/27543424.html

    Laut Amtsblatt soll der #Elkartweg in Hakenfelde am 15. November 2021 umbenannt werden - endlich. Endlich? Ja, denn Kurt Elkart, nach dem die Straße benannt ist, war ein Nazi. Und der Antrag zur Umbenennung stammt aus dem Jahr 2010.

    #Berlin #Spandau #Hakenfelde #Geschichte #Straßenumbenennung #Nazis