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  • Betrug auf Uber, Bolt und Freenow: Legt den Sumpf trocken mit einem höheren Mindestlohn!
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-wirtschaft/betrug-auf-uber-bolt-und-freenow-legt-den-sumpf-trocken-mit-einem-hoher

    14.3.2024 von Benedikt Schmidt - Viele Uber- und Bolt-Fahrer betrügen den Staat um Steuern. Doch Repression löst nicht das Grundproblem, dass sich Menschen illegale Arbeit suchen, wenn sie nicht genug Geld verdienen.

    Uber, Bolt und andere Mobilitäts-Apps haben mit Billigpreisen erreicht, dass sich unter ihnen eine organisierte Betrügerei aufbläht. Nach Recherchen des Tagesspiegels und des „rbb“ sind in Berlin Hunderte Fahrer ohne Lizenz unterwegs. Mietwagenfirmen, bei denen sie angestellt sind und an die Uber und Co. Fahrten vermitteln, begehen offenbar systematisch Steuer- und Sozialbetrug. Als Gegenmittel könnte eine sehr einfache Maßnahme helfen: ein höherer Mindestlohn.

    Dieser liegt derzeit bei mickrigen 12,41 Euro pro Stunde. Angesichts der hohen Teuerung – die zwar zurückgeht, aber Supermärkte senken ja deshalb ihre Preise nicht – haben schon Alleinstehende am Monatsende Geldsorgen, sie können nichts ansparen. Noch verheerender ist die Situation für Personen, die für Bekannte oder eine Familie mitverdienen, viele müssen das Gehalt mit Bürgergeld aufstocken. Da liegt es nahe, ins Auto zu steigen und schwarzzuarbeiten. Ein höherer Mindestlohn wirkte dem entgegen, weil der existentielle Druck abnähme.

    Nun könnte man einwenden, Kriminelle scheren sich nicht um Mindestlöhne, sie hinterzögen ohnehin Steuern. Das Argument ist nicht falsch, natürlich brauchen wir schärfere Kontrollen durch Zoll und Polizei, und die Aufsichtsbehörde Labo muss endlich aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen und nicht jedem Hansbambel in der Stadt Lizenzen für seine Fahrzeugflotte erteilen. Aber Repression löst das Grundproblem nicht: Menschen werden sich weiter illegal Arbeit suchen, wenn sie in vielen Branchen nicht genug Geld verdienen.

    Diese Malaise werden auch Mindestpreise für die Mietwagenfirmen nicht lösen, wie sie das Taxigewerbe vorschlägt. Denn wenn die Unternehmen Steuern hinterziehen, können sie die Taxis weiter unterbieten. Von einem höheren Mindestlohn profitierten hingegen auch die Taxifahrer, von denen sich die meisten am unteren Rand der Einkommensskala befinden.

    Mehr Mindestlohn machte Taxifahrten vielleicht teurer und er könnte das Geschäft von Uber und Co. in Deutschland zerschlagen. Na, und? Dann fahren wir alle endlich öfter mit dem öffentlichen Nahverkehr, eine Branche, in der die Gewerkschaften einen hohen Organisierungsgrad haben und für ordentliche Tariflöhne sorgen. Die jetzt in illegalen Autos sitzenden Fahrer könnten vielleicht bald Busse lenken und so das Fachkräfteproblem der BVG der Deutschen Bahn lindern.

    Benedikt Schmidt befasst sich seit Wochen intensiv mit den Machenschaften der Mietwagenfirmen.

    #Berlin #Uber #Mindestlohn

  • Uber, Bolt und Co.: Jedes fünfte vermittelte Auto in Berlin fährt illegal
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/uber-bolt-und-co-jedes-funfte-vermittelte-auto-in-berlin-fahrt-illegal-

    20.2.2024 von von Constanze Nauhaus - Ohne Konzession unterwegs: In etwa 1000 über Mobilitäts-Apps vermittelten Fahrzeugen würden Nutzer ohne Versicherungsschutz befördert, ergeben Medienrecherchen.

    In Berlin sollen mindestens 1.000 über Mobilitäts-Apps vermittelte Autos ohne Konzession fahren. Das ergibt eine Recherche von rbb24. Demnach sei etwa jedes fünfte Fahrzeug, dass über Bolt, Freenow oder Uber gebucht werde, illegal unterwegs.

    Zugelassen sind in Berlin 4.500 Fahrzeuge, die im Auftrag von Mietwagenfirmen unterwegs sind. Die Plattformen vermitteln diese Wagen dann wiederum an die Nutzer. Hinzu kommen die besagten 1.000 Autos ohne Konzession. Diese Zahl stammt vom zuständigen Referatsleiter beim Landesamt für Bürger und Ordnungsangelegenheiten (LABO), Günter Schwarz: „Wir gehen davon aus, dass es eine Form der organisierten Kriminalität ist“, sagte dieser dem „Rbb“.

    Eigentlich regelt eine im August 2023 geschlossene Vereinbarung zwischen dem Berliner Senat und den Anbietern, dass nur noch geprüfte Mietwagenfirmen vermittelt werden dürfen. Allerdings galt diese Regelung nicht für den Bestand. Alexander Mönch, für die Plattform Freenow zuständig für Deutschland, fordert eine nachhaltige Lösung, eine Kontrolle aller Firmendaten. Sonst steige Freenow aus diesem Geschäft aus.

    Für Nutzer bedeutet das, im Zweifelsfall ohne Versicherungsschutz zu fahren, warnt Simon Götze von der Verbraucherzentrale Berlin. Denn wenn ein Mietwagen nur privat statt gewerblich versichert sei, bestehe auch kein Versicherungsschutz für das Fahrzeug. (Tsp)

    #Berlin #Uber #LABO

  • Uber und Bolt einigen sich mit Berliner Aufsichtsbehörde: Datenabgleich könnte das Ende der Schattenwirtschaft einläuten
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-wirtschaft/uber-und-bolt-einigen-sich-mit-berliner-aufsichtsbehorde-datenabgleich-

    14.3.2024 von Benedikt Schmidt - Nach langem Hin und Her und angeblichen Datenschutzbedenken wollen die großen Mobilitäts-Anbieter ihre Bestandsdaten mit der Aufsichtsbehörde teilen. Medienberichte deckten zuvor ein großes Betrugssystem auf.

    Die Plattformen Uber, Bolt und Freenow werden der Berliner Aufsichtsbehörde, dem Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (Labo), Einsicht in ihre Bestandsdaten gewähren. Darauf haben sich Vertreter der Unternehmen am Donnerstag mit der Labo-Direktorin Kirsten Dreher geeinigt. Medienberichte hatten zuvor aufgedeckt, dass in der Hauptstadt bis zu 2000 Fahrzeuge ohne Lizenz auf Mobilitäts-Apps buchbar sind.

    Ein Sprecher der Senatsverkehrssenatsverwaltung bestätigte die Einigung auf Anfrage. Vor allem Uber und Bolt hatten zuvor Datenschutzbedenken geäußert. Im Februar begannen sie schließlich, neue Daten an die Aufsichtsbehörde zu schicken. Die jetzt gefundene Einigung bezieht sich auf ihren gesamten Datensatz. Stichtag für den Abgleich soll nach Informationen des Tagesspiegels der 1. April sein.

    2000 Fahrzeuge ohne Lizenz waren zuletzt auf den bekannten Mobilitäts-Apps in Berlin buchbar.

    Ziel des Vorgangs ist es, Firmen herauszufiltern, die nicht beim Labo gelistet sind oder gar nicht existieren und den Plattformen mutmaßlich gefälschte Dokumente vorgelegt haben.

    Wer bei Uber und Co. legal Fahrten anbieten möchte, muss in Deutschland ein Mietwagengeschäft betreiben und seine Fahrzeugflotte bei einer Aufsichtsbehörde anmelden. In Berlin ist das Labo zuständig. Nach Prüfung des Unternehmens erteilt die Behörde sogenannte Konzessionen, die erlauben, mit den Mietwagen gewerblich Personen zu befördern. Die Fahrer sind bei diesen Firmen angestellt und benötigen einen Personenbeförderungsschein.

    Kritik an der passiven Rolle der Plattformen

    Uber, Bolt und Freenow erklären immer wieder, nur Fahrdienstvermittler zu sein. Die Plattformen verdienen mit einer Provision an jeder vermittelten Fahrt. Ihre Algorithmen berechnen den Fahrpreis, der im Gegensatz zum tarifgebundenen Taxigewerbe flexibel ist und auf dem Mechanismus von Angebot und Nachfrage beruht.

    Kritiker monieren, dass sich die Plattformen auf ihrer Rolle als Vermittler ausruhten und dass ihre Billigpreise auf Steuer- und Sozialbetrug basierten.

    Wir haben in konstruktiver und einvernehmlicher Atmosphäre eine Lösung gefunden, die nachhaltig tragfähig ist. Thomas Mohnke, Generalunternehmer für Uber

    Thomas Mohnke ist der Generalunternehmer für Uber – eine Art Subunternehmer, der alle Fahrten, die bei Uber eingehen, an Hunderte Mietwagenfirmen allein in Berlin weiterleitet. Nach dem Treffen mit Labo-Direktorin Dreher sagte er dem Tagesspiegel, spätestens Mitte April werde es keine illegalen Fahrzeuge mehr auf den Plattformen geben. „Wir haben in konstruktiver und einvernehmlicher Atmosphäre eine Lösung gefunden, die nachhaltig tragfähig ist.“

    Uber und die Konkurrenzplattformen würden bis dahin jedes Unternehmen gesperrt haben, das nicht über alle notwendigen Genehmigungen verfüge. Laut Mohnke betrifft die Einigung auch Firmen, die ihre Fahrzeuge in brandenburgischen Anrainergemeinden konzessioniert haben. Dort sind andere Aufsichtsbehörden als das Labo zuständig.

    Offiziell sind in Berlin rund 4400 Mietwagen und 5600 Taxis zugelassen. Hinzu kommen nach Schätzungen von Branchenkennern zwischen 1000 und 2000 illegale Fahrzeuge sowie etwa 2000 Autos mit einer Brandenburger Konzession. Vorgeschrieben ist, dass ein Mietwagen nach jeder Fahrt an den Betriebssitz zurückkehrt. Doch kaum ein Fahrer in Berlin soll sich daran halten – schon gar nicht, wenn der Betriebssitz in Neuruppin liegt.

    #Berlin #Uber #LABO

  • Kampf gegen Steuerbetrug in Berlin: Gibt Bolt Mietwagenfirmen die Möglichkeit, eine Behördenkontrolle zu umgehen?
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-wirtschaft/kampf-gegen-steuerbetrug-in-berlin-gibt-bolt-mietwagenfirmen-die-moglic

    21.3.2024 von Benedikt Schmidt - Bolt muss Daten von Mietwagenfirmen mit der Ordnungsbehörde teilen, um Anbieter ohne Lizenz zu überführen. Doch zuvor holt die Plattform deren Zustimmung ein.

    Die Mobilitätsplattform Bolt gibt womöglich illegal operierenden Mietwagenfirmen die Möglichkeit, die anstehende Datenübermittlung an Berlins zuständige Aufsichtsbehörde Labo (Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten) zu umgehen. Das legt eine E-Mail nahe, die Bolt am Mittwoch an die bei Bolt registrierten Flottenbesitzer verschickt hat.

    Hintergrund des Schreibens ist, dass Bolt zum 1. April die Daten von Mietwagenfirmen mit der Ordnungsbehörde teilen muss, um Anbieter ohne Lizenz zu überführen. So soll gegen Steuerbetrug im Mietwagengeschäft vorgegangen werden.

    Die Mail an die Anbieter liegt dem Tagesspiegel vor. Bolt, heißt es darin, bitte um „Einverständnis“, die bei sich hinterlegten Daten mit der Aufsichtsbehörde Labo zu teilen. „Wenn deine Fahrzeuge und dein Unternehmen eine gültige Lizenz besitzen, klicke auf EINVERSTANDEN“. Weiter heißt es: „Wenn du auf NICHT EINVERSTANDEN klickst, werden wir keine Daten mit dem LABO teilen, dein Unternehmen aber innerhalb der nächsten Wochen von der Vermittlung von Fahrten über die Bolt Plattform ausschließen“.

    Gibt ein Unternehmer ohne Lizenzen an, nicht einverstanden zu sein, könnte er sich der Kontrolle durch die Behörde wohl entziehen. Zumindest könnte er die „Umfrage“, wie Bolt sie nennt, so verstehen.

    Datenabgleich Anfang April

    Nach Schätzungen von Branchenkennern waren zuletzt bis zu 2000 Autos ohne Lizenz über die Mobilitäts-Apps von Uber und Co. in der Hauptstadt buchbar. Die Fahrgäste sind während der Tour mit einem solchen Wagen nach Einschätzung von Verbraucherexperten nicht versichert. In Deutschland vermitteln Uber und Bolt Fahrten an Mietwagenfirmen mit Angestellten, die einen Personenbeförderungsschein besitzen. In anderen Ländern fahren auch Freiberufler für die Konzerne durch die Gegend.

    Um die illegalen Unternehmer ausfindig zu machen, hatten sich Bolt und die Konkurrenten Uber und Freenow vergangene Woche einverstanden erklärt, ihre Datensätze an das Labo zu schicken, damit die Behörde diese mit den offiziell registrierten Mietwagenunternehmen abgleicht. Weil illegale Firmen mutmaßlich gefälschte Unterlagen bei den Plattformen eingereicht haben, würden sie bei dem Abgleich der Datensätze mutmaßlich auffliegen.

    Aufsichtsbehörde will den Sachverhalt untersuchen

    Versucht Bolt, die Zahl der illegalen Autos zu reduzieren, um nach der Datenabfrage am 1. April verkünden zu können, dass die Situation doch nicht so schlimm war, wie Experten behauptet hatten? Tino Schopf, der für SPD im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt, glaubt genau das. Er sagt, Bolt biete den Kriminellen „eine Hintertür zur Flucht“ an. „Ich bin kein Jurist, aber für mich ist das Beihilfe zur Steuerhinterziehung.“ Er lobt die Einigung mit dem Labo, kritisiert jedoch den Stichtag am 1. April: „Der Stichtag hätte der Tag sein sollen, an dem sich die Plattformen mit dem Labo an einen Tisch gesetzt haben.“

    Auf die Frage, warum das Labo den Datenabgleich nicht sofort durchführte, antwortet eine Sprecherin der Verkehrsverwaltung, dass die „personellen, organisatorischen und technischen Vorbereitungen“ einer Vorlaufzeit bedurft hätten.

    Ich bin kein Jurist, aber für mich ist das Beihilfe zur Steuerhinterziehung.
    Tino Schopf, SPD-Abgeordneter im Berliner Abgeordnetenhaus

    Was die Behörde und die ihr übergeordnete Verwaltung von dem Vorgehen Bolts halte, drückt die Sprecherin so aus: „Es besteht nach der Vereinbarung des Labo mit den Vermittlungsplattformen keine Option, dass der Unternehmer selbst entscheiden kann, ob die Vermittlungsplattformen die Daten an das Labo übermitteln.“ Der Sachverhalt werde „umgehend mit der betroffenen Vermittlungsplattform geklärt“.
    Bolt offenbar nicht der Einzige

    Mit den Vorwürfen konfrontiert, schreibt ein Sprecher von Bolt, dass es für den Datenaustausch „bisher keine gesetzliche Pflicht oder Grundlage“ gebe. „Mit Blick auf geltende Datenschutzbestimmungen haben wir uns entschieden, vorab eine Einwilligung in die Datenübertragung einzuholen. Unternehmen, die dieses Einverständnis nicht erteilen, werden von der weiteren Nutzung unserer Plattform ausgeschlossen.“

    Im Gegensatz zu Bolt schließt Alexander Mönch, Präsident des Mobilitätsunternehmens Freenow, auf Anfrage aus, den Datenbestand seiner Plattform vorab zu bereinigen. „Aus unserer Sicht ist das kontraproduktiv, weil wir so Unternehmen, die kriminell arbeiten, vor dem Zugriff der Behörde schützen. Wir wollen nicht, dass die Firmen als Nächstes versuchen, die Methode mit gefälschten Unterlagen im Taxigewerbe zu wiederholen.“

    Doch auch SafeDriver, das Generalunternehmen für Uber, so etwas wie ein Subunternehmer, bietet Kriminellen offenbar einen Plan B: In einem Schreiben fordert die Firma Flottenbesitzer auf, eine neue Genehmigungsurkunde hochzuladen, diese Nachricht liegt dem Tagesspiegel ebenfalls vor. Darin heißt es, das Unternehmen werde „dieses Dokument“ mit dem Labo teilen – was ermöglichen könnte, dass kriminelle Firmen einfach kein neues Dokument hochladen und so der Überprüfung entgehen.

    Auf die Frage, ob der SafeDriver-Chef Thomas Mohnke mit dieser Methode versuche, Unternehmen ohne gültige Konzession von der Plattform zu entfernen, bevor die Daten mit dem Labo abgeglichen werden, antwortet er nicht. Stattdessen: „Wir passen unsere Prozesse stetig an und verbessern sie.“ Seine Firma werde „die in der Vereinbarung mit dem LABO festgelegten Informationen“ mit der Behörde teilen. Zu den Inhalten wolle er keine Angaben machen.

    #Berlin #Uber #Bolt #LABO

  • Betrug von Mietwagenfirmen auf Uber, Bolt und Co.: Gericht rüffelt Berliner Aufsichtsbehörde Labo
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-wirtschaft/betrug-von-mietwagenfirmen-auf-uber-bolt-und-co-gericht-ruffelt-berline

    8.4.2024 von Benedikt Schmidt - Ein Unternehmer hatte ohne Betriebssitz Autos in der Hauptstadt herumfahren lassen. Ein Gericht bezweifelt, dass die Lizenz vom Amt jemals hätte erteilt werden dürfen.

    Das Verwaltungsgericht Berlin hat in einem Verfahren um ein Mietwagenunternehmen, das Fahrten bei Bolt und Uber angeboten hatte, ohne über den dafür erforderlichen Betriebssitz zu verfügen, die zuständige Ordnungsbehörde Labo (Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten) deutlich kritisiert.

    Es bestünden Zweifel, dass der Firma „die Genehmigung für die Ausübung des Gelegenheitsverkehrs mit zehn Mietwagen (jemals) hätte erteilt werden dürfen. Nach Aktenlage gibt es deutliche Hinweise darauf, dass es an seiner finanziellen Leistungsfähigkeit mangelt“, heißt es in dem Beschluss, der dem Tagesspiegel vorliegt.

    Der Unternehmer hatte seine Flotte beim Labo angemeldet und dafür unter anderem eine Adresse mit Büroräumen und Stellplätzen angeben müssen. Als das Labo die vermeintlichen Räumlichkeiten besichtigte, fiel auf, dass diese gar nicht existierten. Das Gericht gab dem Labo insofern recht, als dieses dem Unternehmer die Lizenz daraufhin entzogen hatte – wogegen der Unternehmer klagte.

    4426 Mietwagen waren im Februar 2024 bei der Aufsichtsbehörde Labo gemeldet.

    Trotz der Bestätigung des Entzugs der Lizenz scheint das Gericht jedoch ernsthafte Zweifel an der Urteilsfähigkeit des Labo zu haben. Dieses hätte die Liquidität des Unternehmens nicht auf Basis der von ihm eingesetzten Fahrzeuge berechnen dürfen, was „der Behörde bekannt sein dürfte“, heißt es in dem Beschluss. Und weiter: „Dass der Antragsteller über ein Vermögen im Wert von mindestens 13.500 Euro verfügt, ist nach Aktenlage nicht ersichtlich.“

    Freenow hat bereits Konsequenzen gezogen

    Der Fall ist deshalb aufsehenerregend, weil er ein Schlaglicht auf die Mietwagenfirmen wirft, die mit eigentlich ordentlicher Lizenz Fahrgäste durch die Stadt chauffieren. Medienberichte haben zuletzt aufgedeckt, dass in Berlin neben diesen legalen Firmen etliche illegale Fahrer mit Privatwagen unterwegs sind. Als Vermittler agieren Plattformen wie Uber, Bolt, Bliq und Freenow. Pro Tour kassieren sie eine Provision von den Mietwagenfirmen, die Fahrer mit Personenbeförderungsschein (P-Schein) beschäftigen.

    Weil selbst das Geschäft der lizenzierten Unternehmen in vielen Fällen wohl nur mit Steuervermeidung funktioniert, hat die Plattform Freenow, die 2019 in die Vermittlung von Mietwagen eingestiegen ist, vergangene Woche angekündigt, sich bis Ende des Jahres aus diesem Geschäftszweig zurückzuziehen. Der Freenow-Manager Alexander Mönch hatte durchgerechnet, dass viele Mietwagenfirmen die Taxikonkurrenz offenbar nur dauerhaft unterbieten können, wenn sie Geld am Finanzamt vorbeischleusen.

    Der Gerichtsbeschluss sieht in dem genannten Fall ebenfalls Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei den Verstößen „um ein systematisches Vorgehen handelt, auf dem das Geschäft (...) aufbaut“.
    Labo gesteht Fehler ein

    Auf Anfrage erklärt ein Sprecher der Verkehrsverwaltung, die dem Labo übergeordnet ist, dass es sich bei dem Fall um einen Bearbeitungsfehler gehandelt habe. Solche Fehler seien in Zukunft unwahrscheinlich, da die Behörde inzwischen ein Vier-Augen-Prinzip eingeführt habe. „Alle Entscheidungen werden durch eine zweite Dienstkraft überprüft und freigegeben.“

    Auf die Frage, ob das Labo nun systematisch alle jemals erteilten Genehmigungen überprüfen werde, antwortet der Sprecher, dass dies „im Sinne einer vollständigen Revision“ derzeit nicht geplant sei.

    Immerhin sollen spätestens bis Ende des Jahres die Firmensitze aller 700 in Berlin registrierten Unternehmen besichtigt worden sein. Lange Zeit hatte sich die Behörde teilweise auf die Angaben der Antragsteller verlassen und Betriebssitze nur stichprobenartig kontrolliert, offenbar aus Personalmangel. Inzwischen habe das Labo aber genügend Mitarbeiter, um den Betriebssitz bei neuen Anträgen obligatorisch zu überprüfen, heißt es beim Amt.

    Der Verkehrspolitiker Tino Schopf (SPD), der sich als Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses seit Jahren für das Taxigewerbe und gegen kriminelle Strukturen im Mietwagengeschäft engagiert, ist entsetzt, dass das Labo trotz des aus seiner Sicht eindeutigen Signals durch den Gerichtsbeschluss nicht alle Genehmigungen überprüfen will. „Das ist eine Bankrotterklärung“, sagt er.

    „Das Labo ist Teil des Problems und hat in weiten Teilen das Ausmaß des heute bestehenden kriminellen Sumpfes mitzuverantworten“, hatte er schon vor zwei Wochen in einem Brief an Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) und Innensenatorin Iris Spranger (SPD) geschrieben. Dieser liegt dem Tagesspiegel vor. Eine Antwort auf das Schreiben hat Schopf nach eigenen Angaben bislang nicht erhalten.

    Hatte er in diesem noch geschrieben, die Mitarbeiter des Labo seien mit ihrer Arbeit in den vergangenen Jahren wohl „fachlich und inhaltlich überfordert“ gewesen, nimmt Schopf den Gerichtsbeschluss jetzt zum Anlass, auch härtere Konsequenzen zu fordern: „Das Labo muss personell neu aufgestellt werden. Wenn nun schon ein Gericht feststellt, dass Genehmigungen nicht hätten erteilt werden dürfen, müssen die fachlichen Defizite groß sein.“

    Die Behörde scheint seit Veröffentlichung zahlreicher negativer Medienberichte mittlerweile um Schadensbegrenzung bemüht zu sein. Im März hatte Labo-Direktorin Kirsten Dreher nach Tagesspiegel-Informationen erstmals selbst mit den Plattformen Uber, Bolt und Freenow am Tisch gesessen und mit ihnen eine Vereinbarung zum Datentransfer vereinbart.

    Die Übereinkunft sieht vor, dass die Fahrdienstvermittler ihren gesamten Datensatz an die Behörde schicken müssen, damit diese illegale Firmen ohne Lizenz überführen kann. Der Datenabgleich wird voraussichtlich dazu führen, dass diese Firmen noch im Laufe des April von den Plattformen verschwinden werden.

    #Berlin #Uber #LABO #Justiz

  • Jahrelange Bauarbeiten im Osten der Stadt: Größte Berliner Trinkwasserleitung wird erneuert
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/jahrelange-bauarbeiten-im-osten-der-stadt-grosste-berliner-trinkwasserl

    4.4.2024 von Stefan Jacobs - Unter der Landsberger Allee fließen elf Prozent des Berliner Trinkwassers in die Stadt – und Abwasser hinaus. Jetzt werden die uralten Leitungen erneuert.

    Die Landsberger Allee ist für die Berliner Wasserversorgung etwa so wichtig wie die Stadtautobahn für den Autoverkehr und der Hauptbahnhof für Zugreisende: Nirgends sonst ballt es sich so wie hier. Vier Trinkwasserleitungen mit Durchmessern zwischen 76 und 120 Zentimetern verlaufen unter der Fahrbahn. Der Bruch eines dieser zwischen 89 und 125 Jahre alten Rohre wäre aus Sicht von Fachleuten der Berliner Wasserbetriebe (BWB) dramatisch: Die Wassermassen würden sofort die Umgebung frei spülen, wodurch auch die Nachbarrohre brächen – und hunderttausende Berliner zwischen Lichtenberg, Prenzlauer Berg und Mitte auf dem Trockenen säßen oder sich mit einem Rinnsal aus dem heimischen Hahn begnügen müssten.
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    Um dem zuvorzukommen, eröffnen die Wasserbetriebe Mitte April eine Großbaustelle. Bis 2029 sollen zwischen dem S-Bahnhof Landsberger Allee und der Vulkanstraße – also größtenteils auf dem Lichtenberger Abschnitt der Magistrale – neue Trinkwasserleitungen verlegt sowie zwei Abwasserdruckleitungen saniert werden. Gebaut wird in mehreren Abschnitten; bereits im Winter wurden Bäume auf dem Mittelstreifen der Magistrale gefällt.
    An der Landsberger Allee erneuern die Berliner Wasserbetriebe bis 2029 die Trink- und Abwasserleitungen.

    Denn unter dem sollen zunächst eine Abwasserleitung erneuert und dann ein provisorischer Fahrstreifen angelegt werden. Etwa ein Jahr soll dieser erste Bauabschnitt dauern. Gearbeitet wird laut BWB in zwei Schichten an sechs Tagen pro Woche.

    Eva Exner, Netzbau-Chefin der Wasserbetriebe, beschreibt die Nutzung des Mittelstreifens als stadtverträglichste Variante, weil dadurch die Bäume an den Straßenrändern verschont bleiben. Außerdem seien durch die Asphaltierung des Mittelstreifens während der gesamten Bauzeit zwei Fahrspuren pro Richtung nutzbar. Zurzeit sind es je drei. Hinzu kommen Abbiegespuren an den Kreuzungen, die zumindest zeitweise gesperrt werden. „Wir haben die Auflage, uns von Kreuzung zu Kreuzung zu bewegen“, sagt Exner. Insgesamt erstreckt sich die Baustelle über zwei Kilometer.
    Ab 2026 wird es auch für Fahrgäste der BVG unangenehm

    So weit wie möglich geschont werden soll auch die Kundschaft der BVG. Während der meisten Zeit sollen Straßenbahnen und Busse regulär fahren. Allerdings sind Sperrungen nicht zu vermeiden, weil beispielsweise der kreuzende Weißenseer Weg samt seiner Tramtrasse unterquert werden muss. Größere Einschränkungen stehen nach Auskunft von Exner ab 2026 an. Die wären aber ohnehin notwendig, weil die BVG nahe dem S-Bahnhof ohnehin Gleise erneuern müsse. Diese Arbeiten würden mit denen der Wasserbetriebe abgestimmt.
    92,5
    Millionen Euro sind – inklusive Inflation – für die Arbeiten einkalkuliert

    Sämtliche Querungen für Fußgänger und Radfahrer sollen während der Bauzeit benutzbar bleiben. Möglich wird das durch zwei bautechnische Besonderheiten. Zum einen werden die gusseisernen Abwasserleitungen nicht komplett herausgerissen, sondern saniert, indem eine Art Schlauch aus Polyethylen-Kunststoff eingefädelt wird – mit reichlich Speiseöl als biologisch abbaubarem und gesundheitlich unbedenklichem Schmiermittel. Zum anderen bleiben die alten Wasserleitungen unter den südlichen Fahrstreifen im Boden und werden so weit verfüllt, dass sie nicht brechen. Dadurch muss nur für die neuen Leitungen unter den nördlichen Fahrstreifen gebuddelt werden.

    Nach Auskunft von Vorstandschef Christoph Donner haben sich die Wasserbetriebe auch im Interesse ihrer CO₂-Bilanz für diese Variante entschieden, um unnötigen Tiefbau und aufwändigen Abtransport der alten Leitungen zu vermeiden.
    Berlin und sein Wasserhaushalt
    Streit um Regenwasser von der Autobahn Berlin will notfalls den Bund verklagen
    Kein Interesse? Warum Berlin derzeit keine Abwasser-Daten zum Drogenkonsum in der Hauptstadt erhebt
    Serie: Berlins Herausforderungen Hauptschwammstadt

    Die einmalige Ballung der dicken Rohre unter der Landsberger Allee ist historisch mit der Stadt gewachsen: Direkt hinter dem Ende der Baustelle an der Vulkanstraße befindet sich das um 1890 gebaute Zwischenpumpwerk Lichtenberg, das als Zwischenspeicher und Verteiler für Trinkwasser aus dem Wasserwerk Friedrichshagen – dem einzigen großen im östlichen Teil Berlins – dient.

    #Berlin #Lichtenberg #Landsberger_Allee #Bauarbeiten

  • Protest-Performance im Knast-Look: Taxifahrer demonstrieren in Berlin-Friedrichshain gegen die Uber-Konkurrenz
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/protest-performance-im-knast-look-taxifahrer-demonstrieren-in-berlin-fr


    Taxifahrer wurden am Freitagabend zu Schauspielern: Sie protestierten gegen die Umbenennung des Mercedes-Platzes und der beiden Veranstaltungsorte in Berlin-Friedrichshain.

    22.3.2024 von Alexander Conrad

    Die wohl skurrilste Demonstration der vergangenen Woche bot am Freitagabend das Berliner Taxigewerbe anlässlich der an diesem Tag vollzogenen Umbenennung der Friedrichshainer Mercedes-Benz-Arena in Uber-Arena. In Kostümen führten dabei Taxifahrer eine kurze Theaterperformance auf, die Message war klar: „Uber raus!“

    So tönte es immer wieder per Lautsprecher aus dem ersten Wagen einer Reihe von etwa 20 Taxis, die in der Mühlenstraße aufgefahren waren. Ursprünglich waren 50 Fahrzeuge auf dem Mercedes-Platz angekündigt worden, der an diesem Tag ebenfalls in Uber-Platz umbenannt wurde. Auch heißt die Verti-Music-Hall jetzt Uber-Eats-Music-Hall. Die Umbenennungen hatte eine Woche zuvor der Eigentümer der Arena, die Anschutz Entertainment Group, zusammen mit Uber angekündigt.

    Trotz Regenschauern war der Platz vor der Arena gut gefüllt. Johlende Jugendliche, die in der Schlange auf ein Konzert eines Rappers warteten, und Fans der Berliner Eisbären, die am Abend in der Arena spielten, bekamen jedoch wenig von dem Trubel mit, der sich einige Meter weiter an der Straße abspielte.

    Klaus Meier, der federführende Mann hinter der Performance, setzte seine Ziele für den Abend hoch: „Ich will die Welt vor der Uber-nisierung retten.“ Nachdem einige Powerpoint-Slides, die mit dramatischen Übergangseffekten über eine im Wind wehende Leinwand geflimmert waren, garniert mit Sprüchen wie „Wer muss sich da nicht Uber-geben“ oder durchgestrichenen Logos von Weltkonzernen, kam es zum Höhepunkt der Veranstaltung.

    Als Sträflinge verkleidete Taxifahrer zogen an einem Tau ein mit Uber-Eats-Tüten zugekleistertes Fahrzeug über den Bürgersteig, aus der Menge kam eine ältere Frau zu rockiger Musik in einem kurzen schwarzen Lederoutfit mit Batmansymbol, schmiss einen Hammer auf den Boden und machte sich daran, das Fahrzeug von dem grünen Verpackungsmaterial zu befreien. Gestalten in Regenbogenanzügen oder mit Fellkostümen samt Mäuseohren kamen ihr zu Hilfe.

    Die bunten Klamotten sollten wohl für Vielfalt stehen, die Schriftzüge „Taxi Lobby“,„IHK“ oder „LABO“, die improvisiert mit Tape auf den Rücken geklebt wurden, für die Verbände, die das Taxigewerbe unterstützen – so deutete es ein beteiligter Mitarbeiter des Unternehmens Taxi Berlin.

    Als der letzte Uber-Schriftzug entfernt worden war, kam darunter ein Taxi zum Vorschein. Auf dem Fahrersitz hatte wohl seit Stunden ein Mann in Handschellen ausharren müssen, der nun unter Beifall von der als Heldin agierenden Frau befreit wurde und mit dem Taxi davonfuhr. „Taxi ist Kultur“ zierte die Seite des in die Freiheit fahrenden Vehikels.

    Das sah auch der SPD-Abgeordnete Tino Schopf so, der vor Ort seine Solidarität mit dem Berliner Taxigewerbe ausdrücken wollte. „Wenn’s nach mir ginge, hätte ich den Platz nach Marlene Dietrich benannt“, sagte er. „Das ist ein Platz mit zwei großen kulturellen Veranstaltungsorten, der nun nach einem Konzern benannt wurde.“ Dessen Geschäftsmodell beruhe auf Sozialdumping, das sei eine Schande. „Wir müssen die Berliner Kultur beschützen.“ Ob das gebotene Taxi-Theaterstück auch unter seinen Kulturbegriff fällt, blieb offen.

    #Berlin #Friedrichshain #Mühlenstraße #Uber #Taxi #Theater #Kultur

  • Datenschützer warnen vor Kooperation : Berliner Charité vergibt Patientenportal an Doctolib
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/datenschutzer-warnen-vor-kooperation-berliner-charite-vergibt-patienten

    Doctolib est connue pour le niveau inacceptable de la protection des données des patients. L’entreprise fait partie des lauréats du prix Big Brother de l’association Digital Courage. L’hôpital berlinois Charité fera gérer les données de ses patients par cette entreprise à sombre réputation

    .https://digitalcourage.de/pressemitteilungen/2022/doctolib-abschalten

    21.3.2024 von Robert Kiesel - Die Berliner Charité plant eine tiefgreifende Zusammenarbeit mit dem von Datenschützern seit Jahren massiv kritisierten Unternehmen Doctolib. Wie ein Sprecher des Klinikums dem Tagesspiegel bestätigte, hat der französische Konzern eine EU-weite Ausschreibung für die Entwicklung und den Betrieb des Patientenportals in Europas größter Universitätsklinik gewonnen.

    Doctolib soll dort künftig das digitale Terminmanagement, automatische Terminbenachrichtigungen sowie einen Messenger zur Kommunikation mit den Patienten zur Verfügung stellen. Ebenfalls geplant ist ein digitaler Austausch medizinischer Dokumente. Anlass für die Ausschreibung ist das Krankenhauszukunftsgesetz, das Kliniken zur Einrichtung eines Patientenportals bis Ende 2024 verpflichtet.

    Unklar ist, in welchem Umfang sensible Patientendaten künftig von Doctolib gespeichert und verarbeitet werden dürfen. „Die Anzahl der Datensätze ist abhängig von der Adaptionsquote des Portals durch Patient:innen und kann deshalb aktuell noch nicht belastbar beziffert werden“, erklärte der Sprecher. Er ergänzte, die Nutzung des Portals werde nicht verpflichtend sein. Es gehe um einen „zusätzlichen, einheitlichen und digitalen Kommunikationskanal als moderne Alternative“.

    Mit der Auftragsvergabe an den schon jetzt in vielen Arztpraxen für die Terminbuchung verantwortlichen Dienstleister begibt sich die Charité auf datenschutzrechtlich heikles Terrain. Seit Jahren steht der rasch expandierende Konzern mit Sitz in Paris im Verdacht, es bei seinen Aufträgen vor allem auf die Patientendaten abgesehen zu haben. 2021 verlieh ihm der Datenschutzverein Digitalcourage seinen jährlichen Big-Brother-Award – einen Negativpreis.

    Wir hätten uns gewünscht, dass die Charité uns vorher schon eingebunden hätte. Simon Rebiger, Sprecher der Berliner Datenschutzbehörde

    In Berlin ist Doctolib bestens bekannt: Kurz nach Beginn der Corona-Pandemie hatte die Gesundheitsverwaltung das Terminmanagement der Impfkampagne an den Konzern vergeben. Binnen weniger Monate gelangte Doctolib so fast zum Nulltarif an die Daten hunderttausender impfwilliger Berliner. Die Datenverarbeitung durch das Unternehmen wurde von der Berliner Datenschutzbehörde einst gerügt.

    Auch die seit Anfang März laufende Zusammenarbeit zwischen der Charité und Doctolib wird die Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Meike Kamp, beschäftigen. Zwar werden einem Klinik-Sprecher zufolge ohne die offizielle Abnahme der erstellten Datenschutzfolgeabschätzung – „gegebenenfalls durch die Berliner Datenschutzbehörde“ – weder Patientendaten verarbeitet noch die geplante Pilotierung des Patientenportals in Teilbereichen der Charité begonnen.


    Meike Kamp leitet die Berliner Datenschutzbehörde. © Aubrey Wade

    Die Skepsis in der Behörde Kamps ist dennoch groß. „Wir hätten uns gewünscht, dass die Charité uns vorher schon eingebunden hätte“, erklärte Sprecher Simon Rebiger am Mittwoch mit Blick auf die Formulierung von Anforderungen im Vergabeverfahren. Aktuell würden mehrere durch Bürger-Beschwerden angestoßene Prüfverfahren gegen Doctolib laufen, bestätigte Rebiger eine Aussage Kamps zu Wochenbeginn im Berliner Abgeordnetenhaus.

    Diese war genau wie die für die Verwaltungsdigitalisierung zuständige Staatssekretärin Martina Klement (CSU) von der Nachricht der Zusammenarbeit kalt erwischt worden. Zuerst hatte das Nachrichtenportal „Business Insider“ berichtet.

    Während der Charité-Sprecher jegliche Bedenken zurückwies und erklärte, das Unternehmen habe als einziger Bewerber sämtliche Zertifikate und Testate zu Datenschutz und IT-Sicherheit vorlegen können, übte der Datenschutzexperte Thilo Weichert scharfe Kritik. Doctolib betreibe „absolut aggressiv Expansion“ und gehe zentrale Datenschutzprobleme nicht an, erklärte der ehemalige Datenschutzbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein. Tobias Schulze, gesundheitspolitischer Sprecher der Linksfraktion, forderte: „Daten dürfen auf keinen Fall für Zwecke außerhalb von Krankenversorgung und Forschung genutzt werden.“

    #iatrocratie #informatique #hôpital #patients #vie_privée #surveillance #bg_brother

  • Ex-Chef „maßlos enttäuscht von der Firma Apple“: Berliner Computerhändler Gravis schließ alle Filialen
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-wirtschaft/ex-chef-ist-masslos-enttauscht-von-der-firma-apple-berliner-computerhan

    Apple tue ses partenaires de distribution.

    19.3.2024 von Christoph Kluge - Die Computerhandelskette Gravis schließt alle Filialen und wird abgewickelt. Der Gründer und ehemalige Chef des Berliner Unternehmens, Archibald Horlitz, gibt dem US-Konzern Apple die Schuld an der Pleite.

    „Meine Gedanken sind bei den vielen Mitarbeitern, die nun ihren Arbeitsplatz verlieren“, schrieb der Potsdamer in einem Beitrag im sozialen Netzwerk LinkedIn. In den 1980er Jahren hatte er Gravis gegründet und 2012 an die Freenet AG verkauft.

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    Schwere Vorwürfe gegen den Hersteller

    Obwohl Gravis „nicht mehr mein Unternehmen war, hatte ich eine schlaflose Nacht und bin sehr traurig“, schreibt Horlitz weiter. Die Verantwortung sieht er jedoch nicht vorrangig bei Freenet oder der amtierenden Geschäftsführung: „Ich bin maßlos enttäuscht von der Firma Apple, mit der ich mehr als halbes Leben eng verbunden war.“

    Wenn es bei Gravis neue Apple-Produkte gab, standen die Fans Schlange, wie hier 2014.
    Wenn es bei Gravis neue Apple-Produkte gab, standen die Fans Schlange, wie hier 2014.

    © Imago

    Apple-Produkte machten einen wesentlichen Teil des Sortiments von Gravis aus. Horlitz behauptet, um die Jahrtausendwende habe Apple „mit dem Rücken zur Wand“ gestanden und sich „über jeden iPod“ gefreut, den Fachhändler wie Gravis verkauften.

    2001 habe er mit den Amerikanern sogar über eine Übernahme seines Unternehmens verhandelt. Die sei aber nicht zustande gekommen. Die „finalen Verhandlungen“ hätten am 11. September stattfinden sollen und seien wegen der Terroranschläge abgesagt worden. In der Krisenzeit danach sei die Übernahme nicht mehr zustande gekommen.

    Doch nach der Einführung des iPhones 2007 habe Apple die Händler zunehmend unfair behandelt. Die Margen seien verkleinert worden, von bis zu 18 Prozent auf acht Prozent. Inzwischen gebe es „keinen Platz in der Vertriebsstruktur von Apple“ für Händler mehr. Apple kommentierte die Vorwürfe gegenüber dem Tagesspiegel nicht.

    Gravis ist kein Einzelfall, der stationäre Einzelhandel steckt seit Jahren in der Krise. Der heute 65-jährige Archibald Horlitz war seit dem Verkauf an Freenet nicht mehr bei Gravis tätig. Von 2014 bis 2021 war er Vorstandsvorsitzender des Fußballvereins SV Babelsberg 03. Seit 2022 ist er Mitglied im Digitalisierungsrat der Landeshauptstadt Potsdam.

  • Aus Mercedes-Benz-Arena wird Uber-Arena: Berliner Taxigewerbe will gegen Umbenennung protestieren
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/aus-mercedes-benz-arena-wird-uber-arena-berliner-taxigewerbe-will-gegen

    19.3.2024 von Alexander Conrad - Das Berliner Taxigewerbe demonstriert am Freitag gegen die Umbenennung der Mercedes-Benz-Arena in Uber-Arena. Das teilte Taxi Berlin mit. „Uber steht aus unserer Sicht leider für fehlende Mindestlöhne und Sozialdumping. Und gerade erst hat sich herausgestellt, dass Uber, Bolt und Co auch über 1000 illegal operierende Mietwagen vermitteln. Dagegen richtet sich unser Protest“, erklärte Taxi-Berlin-Geschäftsführer Hermann Waldner.

    Die Teilnahme von 50 Taxis ist für die Protestaktion genehmigt. Zwischen 17 Uhr und 21.30 Uhr findet die Veranstaltung auf dem Mercedes-Platz in Friedrichshain statt. Um 19 Uhr soll es eine Performance geben.

    Am vergangenen Freitag hatte die Anschutz Entertainment Group, der Eigentümer der Arena, gemeinsam mit Uber die geplante Umbenennung informiert, die ebenfalls am Freitag durchgeführt werden soll. Auch die Verti-Music-Hall wird in diesem Zuge in Uber-Eats-Music-Hall umbenannt sowie der angrenzende Mercedes-Platz in Uber-Platz.

    In der Veranstaltungshalle, die je nach Veranstaltung bis zu 17.000 Besuchern Platz bietet, finden regelmäßig Konzerte weltberühmter Musiker statt. Zudem spielen die Eisbären Berlin in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) und die Basketballer von Alba Berlin dort ihre Heimpartien. Im Januar fanden in der Mercedes-Benz Arena auch Spiele der deutschen Nationalmannschaft bei der Handball-Europameisterschaft statt.

    2008 wurde die Halle unter dem Namen O2 Arena eröffnet. Seit 2015 heißt sie Mercedes-Benz Arena.

    #Berlin #Friedrichshain #Mühlenstraße #Mildred-Harnack-Straße #Hedwig-Wachenheim-Straße #Mercedes-Platz

    #Uber #Taxi #Theater #Schwarzarbeit #Kriminalität

  • Uber und Bolt einigen sich mit Berliner Aufsichtsbehörde: Datenabgleich könnte das Ende der Schattenwirtschaft einläuten
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-wirtschaft/uber-und-bolt-einigen-sich-mit-berliner-aufsichtsbehorde-datenabgleich-

    14.3.2024 von Benedikt Schmidt - Nach langem Hin und Her und angeblichen Datenschutzbedenken wollen die großen Mobilitäts-Anbieter ihre Bestandsdaten mit der Aufsichtsbehörde teilen. Medienberichte deckten zuvor ein großes Betrugssystem auf.

    Die Plattformen Uber, Bolt und Freenow werden der Berliner Aufsichtsbehörde, dem Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (Labo), Einsicht in ihre Bestandsdaten gewähren. Darauf haben sich Vertreter der Unternehmen am Donnerstag mit der Labo-Direktorin Kirsten Dreher geeinigt. Medienberichte hatten zuvor aufgedeckt, dass in der Hauptstadt bis zu 2000 Fahrzeuge ohne Lizenz auf Mobilitäts-Apps buchbar sind.

    Ein Sprecher der Senatsverkehrssenatsverwaltung bestätigte die Einigung auf Anfrage. Vor allem Uber und Bolt hatten zuvor Datenschutzbedenken geäußert. Im Februar begannen sie schließlich, neue Daten an die Aufsichtsbehörde zu schicken. Die jetzt gefundene Einigung bezieht sich auf ihren gesamten Datensatz. Stichtag für den Abgleich soll nach Informationen des Tagesspiegels der 1. April sein.

    2000

    Fahrzeuge ohne Lizenz waren zuletzt auf den bekannten Mobilitäts-Apps in Berlin buchbar.

    Ziel des Vorgangs ist es, Firmen herauszufiltern, die nicht beim Labo gelistet sind oder gar nicht existieren und den Plattformen mutmaßlich gefälschte Dokumente vorgelegt haben.

    Wer bei Uber und Co. legal Fahrten anbieten möchte, muss in Deutschland ein Mietwagengeschäft betreiben und seine Fahrzeugflotte bei einer Aufsichtsbehörde anmelden. In Berlin ist das Labo zuständig. Nach Prüfung des Unternehmens erteilt die Behörde sogenannte Konzessionen, die erlauben, mit den Mietwagen gewerblich Personen zu befördern. Die Fahrer sind bei diesen Firmen angestellt und benötigen einen Personenbeförderungsschein.
    Kritik an der passiven Rolle der Plattformen

    Uber, Bolt und Freenow erklären immer wieder, nur Fahrdienstvermittler zu sein. Die Plattformen verdienen mit einer Provision an jeder vermittelten Fahrt. Ihre Algorithmen berechnen den Fahrpreis, der im Gegensatz zum tarifgebundenen Taxigewerbe flexibel ist und auf dem Mechanismus von Angebot und Nachfrage beruht.

    Kritiker monieren, dass sich die Plattformen auf ihrer Rolle als Vermittler ausruhten und dass ihre Billigpreise auf Steuer- und Sozialbetrug basierten.

    Wir haben in konstruktiver und einvernehmlicher Atmosphäre eine Lösung gefunden, die nachhaltig tragfähig ist.
    Thomas Mohnke, Generalunternehmer für Uber

    Thomas Mohnke ist der Generalunternehmer für Uber – eine Art Subunternehmer, der alle Fahrten, die bei Uber eingehen, an Hunderte Mietwagenfirmen allein in Berlin weiterleitet. Nach dem Treffen mit Labo-Direktorin Dreher sagte er dem Tagesspiegel, spätestens Mitte April werde es keine illegalen Fahrzeuge mehr auf den Plattformen geben. „Wir haben in konstruktiver und einvernehmlicher Atmosphäre eine Lösung gefunden, die nachhaltig tragfähig ist.“

    Uber und die Konkurrenzplattformen würden bis dahin jedes Unternehmen gesperrt haben, das nicht über alle notwendigen Genehmigungen verfüge. Laut Mohnke betrifft die Einigung auch Firmen, die ihre Fahrzeuge in brandenburgischen Anrainergemeinden konzessioniert haben. Dort sind andere Aufsichtsbehörden als das Labo zuständig.

    Offiziell sind in Berlin rund 4400 Mietwagen und 5600 Taxis zugelassen. Hinzu kommen nach Schätzungen von Branchenkennern zwischen 1000 und 2000 illegale Fahrzeuge sowie etwa 2000 Autos mit einer Brandenburger Konzession. Vorgeschrieben ist, dass ein Mietwagen nach jeder Fahrt an den Betriebssitz zurückkehrt. Doch kaum ein Fahrer in Berlin soll sich daran halten – schon gar nicht, wenn der Betriebssitz in Neuruppin liegt.

    #Berlin #Uber #LABO

  • Elektronikgeräte in 90 Minuten : Uber liefert ab April Produkte von MediaMarktSaturn in Berlin aus
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-wirtschaft/elektronikgerate-in-90-minuten-uber-liefert-ab-april-produkte-von-media

    19.2.2024 von Christoph Kluge - Die Geräte können über den Onlineshop des Händlers bestellt werden. Einige Produkte sind von dem Angebot jedoch ausgenommen.

    Der Elektronikhändler MediaMarktSaturn liefert ab Anfang April Einkäufe innerhalb von 90 Minuten. Hinter dem Service steht eine Partnerschaft mit Uber Direct, dem Logistikdienstleister des Plattformanbieters Uber. Die Lieferungen werden im Markt abgeholt und an die Kunden zugestellt. „In Berlin sind zum Start im Frühjahr alle Media Märkte und Saturn-Märkte an die Sofort-Lieferung angebunden“, teilte eine Sprecherin des Unternehmens mit.

    Sperrige Artikel wie Waschmaschinen oder große LED-Bildschirme bringen die Kuriere jedoch nicht.

    Der Expresslieferdienst ist auf Produkte bis 23 Kilogramm Gesamtgewicht oder mit den Maximalmaßen von 100 mal 60 mal 60 Zentimeter beschränkt und kostet die Kunden 4,99 Euro. Die neue Lieferoption ist direkt in den Online-Shop von MediaMarktSaturn integriert.
    Pilotprojekt mit Lieferando läuft weiter

    Die Sofortlieferung wird außerdem in Hamburg, Frankfurt am Main, München, Köln und Düsseldorf angeboten. Bis Ende des Jahres sollen dem Unternehm zufolge alle Märkte angeschlossen sein.

    Bereits im Herbst war MediaMarktSaturn eine Kooperation mit dem Bringdienst Lieferando eingegangen. Dabei handle es sich um ein Pilotprojekt, mit dem der „Absatz von Artikeln über einen neuen Sales-Kanal, den Marktplatz von Lieferando“ getestet werde, erläutert die Sprecherin. Im Gegensatz dazu übernehme Uber Direct lediglich die Lieferung, während die Kundenbetreuung weiterhin durch Beschäftigte von MediaMarktSaturn erfolge.

    #Berlin #Uber #Einzelhandel

  • Ohne Genehmigung für Uber & Co unterwegs: Berliner Senat verschärft Kontrollen gegen illegale Mietwagenfirmen
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-wirtschaft/ohne-genehmigung-fur-uber-co-unterwegs-berliner-senat-verscharft-kontro

    14.8.2024 von Thomas Loy - Viele Verleiher arbeiten ohne Konzession für Fahrdienst-Vermittler wie Bolt oder Uber. Künftig soll jedes Fahrzeug vor Aufnahme in die Portale überprüft werden.

    4400 Mietwagen sind nach Angaben des Senats in Berlin offiziell gemeldet, doch im Auftrag von Uber & Co sind offenbar auch viele andere Autoanbieter unterwegs, die nicht gemeldet sind. Gegen diese illegalen Firmen will der Senat jetzt konsequenter vorgehen.

    Das Landesamt für Ordnungsangelegenheiten (Labo) hat mit den Fahrdienst-Vermittlern von Uber, Bolt und FreeNow vereinbart, dass jedes Fahrzeug vor der Aufnahme in die jeweiligen Vermittlungsportale vom Labo überprüft wird.

    Wie der Senat weiter mitteilt, habe das Labo im Austausch mit den Fahrdienst-Plattformen bereits in der Vergangenheit „eine Vielzahl solch illegal operierender Mietwagen-Unternehmen“ aufgespürt und hohe Bußgelder verhängt, im Einzelfall bis zu einer halben Million Euro. Ob diese Strafen auch gezahlt wurden, ist unklar. Hinweise erhielt das Labo bisher vor allem von der Polizei, die regelmäßig Mietwagen kontrolliert.

    „Oftmals haben diese Unternehmen bei den Vermittlungsdiensten gefälschte Unterlagen vorgelegt, ohne dass dies im Registrierungsprozess entdeckt wurde“, erklärt der Senat. „Damit verschaffen sich diese Unternehmen einen unzulässigen Vorteil zulasten der ordnungsgemäß angemeldeten und genehmigten Mietwagen- und Taxi-Unternehmen.“

    #Berlin #Uber #LABO

  • Lagebericht über Organisierte Kriminalität: Diese Banden dominieren in Berlin
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/diese-banden-dominieren-in-berlin-5348665.html

    11.12.2019 von Hannes Heine, Alexander Fröhlich, Helena Piontek - Auch wenn viel über arabische Clans gesprochen wird: Die meisten Täter der Organisierten Kriminalität sind aus Osteuropa. Das zeigt das erste Berliner Lagebild.

    Ermittler, Fachpolitiker und Journalisten haben darauf lange gewartet – an diesem Mittwoch stellt Innensenator Andreas Geisel (SPD) erstmals ein umfassendes Lagebild zur Organisierten Kriminalität (OK) in Berlin vor.

    Vorweg: Italienische Familien, die der klassischen Mafia zugerechnet werden, spielen kaum eine Rolle. In den meisten der 59 Berliner OK-Verfahren 2018 ging es um russischsprachige Verdächtige – oft aus dem Baltikum, vor allem aber aus dem Kaukasus.

    Schwerpunkt mafiöser Banden in Berlin sind Eigentumsdelikte. Demnach stufen Ermittler 17 Verfahren wegen Diebstahls als OK ein, meist ging es um Autoschmuggel. Danach folgen 16 Ermittlungen zu Drogenverstößen – vor allem Kokainhandel. Berlin bleibt OK-Hochburg. Nur in den deutlich größeren Ländern Nordrhein-Westfalen und Bayern wurden mehr OK-Verfahren geführt.

    Welche Taten als OK eingestuft werden, wägen Fahnder und Juristen ab. Meist wird Illegales dann als OK bezeichnet, wenn die Täter arbeitsteilig und dauerhaft Profite durch kriminelles Handeln machen und diese Beute in die legale Wirtschaft überführen wollen.

    Zur angeblichen Bedeutungslosigkeit der italienischen Mafia ein Satz von Bert Brecht: ,Die im Dunkeln sieht man nicht’
    schreibt NutzerIn Al.Dente

    Behördenintern wird als Beispiel dieser Fall angeführt: Aus einer Bank wurden 2014 mehr als neun Millionen Euro gestohlen. Ein Mann aus der Großfamilie Remmo wurde dafür verurteilt, das Geld nicht gefunden. Die Staatsanwaltschaft ließ 2018 dann 77 Immobilien beschlagnahmen, weil sie mit dem Geld gekauft worden sein könnten.

    Die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Lagebild Organisierte Kriminalität 2018

    In Berlin gab es 2018 insgesamt 59 Ermittlungskomplexe im Bereich Organisierte Kriminalität
    Es wurden 462 Tatverdächtige geführt
    Insgesamt 98,3 Millionen Euro Schaden und 16,4 Millionen Euro Erträge aus der OK wurden erfasst
    Insgesamt wurden 12,1 Millionen Euro Vermögenswerte gesichert, allein 11,7 Millionen Euro durch die Berliner Polizei
    Im Vergleich zum Vorjahr ging die Eigentumskriminalität und die Kriminalität im Zusammenhang mit dem Nachtleben zurück
    Rauschgiftschmuggel- und Handel sowie Fälschungskriminalität haben zugenommen

    Bei der Vorstellung des Lagebilds sagte Innensenator Geisel, die Organisierte Kriminalität sei seit vielen Jahren Schwerpunkt der Berliner Polizei. Es handle sich um Straftaten mit erheblichem wirtschaftlichem Schaden. Allerdings bilde die Statistik, wie alle Kriminalstatistiken, nur das Hellfeld ab. Anfang nächsten Jahres soll es zudem eine Bilanz speziell zur Clankriminalität geben.


    Andreas Geisel (SPD, l-r), Barbara Slowik, und Sebastian Laudan, Chef der Abteilung für Organisierte Kriminalität beim Landeskriminalamt.

    Warum wird zwischen Organisierter Kriminalität und Clankriminalität unterschieden?

    Die Polizeipräsidentin und der Innensenator betonten, es sei wichtig zwischen Clankriminalität und Organisierter Kriminalität zu unterscheiden. Denn arabische Großfamilien fassen zwischen mehreren hundert bis zu mehreren Tausend Familienmitgliedern. Davon seien manche im Bereich OK „auffällig“, wie Geisel sagte. Es gebe aber auch Familienmitglieder, die lediglich in der zweiten Reihe parkten oder mit Profilierungsfahrten auffallen würden. „Das ist nicht organisiere Kriminalität“, sagte Geisel, „aber dieses Dominanzgehabe höhlt unseren Rechtsstaat aus, deshalb arbeiten wir mit der gesamten Bandbreite an Maßnahmen.“

    Laut Polizeipräsidentin Barbara Slowik fanden elf Prozent der bundesweit geführten OK-Verfahren in Berlin statt. Die Ermittlungen seien umfangreich und zeitintensiv. Bei elf von 100 Tatverdächtigen sei Bewaffnung festgestellt worden, was gefährlich für die Polizeibeamten, aber auch für die Bürger sei.

    37,5 Prozent der Tatverdächtigen hätten die deutsche Staatsangehörigkeit, 9,5 Prozent davon hatten eine nicht-deutsche Geburtsurkunde, so Slowik. Die Unterscheidung in Nationalitäten sei kritisch so bewerten und nicht immer Zielführend. Tatverdächtige von OK seien unter anderem in zweiter oder dritter Generation in Deutschland, sowohl die aktuelle Staatsangehörigkeit und die Geburtsurkunde seien da Deutsch.

    Dem schon bekannten Lagebild des Bundeskriminalamtes zufolge hat es 2018 bundesweit 535 OK-Ermittlungsverfahren gegeben. Mit 59 Fällen wäre die Zahl der in Berlin geführten OK-Verfahren zurückgegangen, 2017 waren es 68. Im Jahr 2016 waren es 61 Verfahren. Auffällig an der Statistik ist, dass die Berliner Behörden selbst im vergangenen Jahr weniger Verfahren gegen organisierte Kriminelle geführt haben als im Vorjahr.

    Hier sank die Zahl im Vergleich zum Vorjahr von 60 auf 49. Dagegen ist die Zahl der Ermittlungskomplexe, die von den Bundesbehörden - Bundeskriminalamt, Bundespolizei und Zoll - betreut werden von acht auf zehn gestiegen.

    Allerdings können einzelne Ermittlungen ganze Netzwerke betreffen, womöglich also gab es 2018 mehr OK-Verdächtige als noch vor einigen Jahren. Zudem stieg die Zahl der Verfahren, die in Berlin von Bundeskriminalamt, Bundespolizei und Zoll geführt werden, von acht auf zehn.

    In der rot-rot-grünen Senatskoalition wird immer wieder über die Phänomene „Clans“ und „Ok“ debattiert: So lehnt die Linke den Term „Clan-Kriminalität“ ab, er diskriminiere komplette Großfamilien. In dem Bericht wird deshalb auch von „Kriminalität durch Angehörige aus ethnisch abgeschotteten Subkulturen“ gesprochen, gemeint sei damit aber eigentlich nur „Clan-Kriminalität“, so Geisel.

    Ermittler sagen immer wieder, dass deutsch-arabische Clans in zahlreiche OK-Verfahren involviert sind. Und es gebe durchaus Tausende Männer allein in Berlin, deren kriminelle Geschäfte darauf basieren, dass sie ein ethnisch und familiär abgeschottetes Milieu beherrschen.

    Schon in den vergangenen Jahren richteten sich die meisten OK-Ermittlungen in Berlin gegen russischsprachige Netzwerke und kaukasische Banden. Dann folgen die aus dem Libanon stammenden Familien und multiethnische Strukturen, die sich in ihrem Habitus an Rockern orientieren.

    Eine zentral geführte OK-Struktur – also den einen „Mafiapaten“ – gibt es in Berlin nicht. Viele Profi-Gangster arbeiten nur auf Zeit oder für bestimmte Taten zusammen. Die Verdächtigen sind flexibel, Bezeichnungen wie „Polenmafia“ taugen kaum. Allerdings gibt es Ermittlern zufolge auch homogene Gruppen – etwa von Tschetschenen.

    Europol: Deutschland soll mehr Finanzermittlungen führen

    Berlins Behörden hatten sich 2018 neu aufgestellt. Beim LKA wurde eine Koordinierungsstelle Organisierte Kriminalität (KO-OK) aufgebaut, bei der Staatsanwaltschaft gibt es jetzt eine Spezialabteilung zur Vermögensabschöpfung. Umso verwunderter sind Experten, dass es in Berlin seit einigen Jahren kein Verfahren zu italienischen Mafia-Strukturen gibt. Dafür fehlten, sagen Ermittler, offenbar immer noch ausreichend Fachleute.

    Im Oktober hatte der Europol-Chefermittler für Organisierte Kriminalität, Jari Matti Liukku, die deutschen Behörden zu intensiveren Geldwäsche- und Schwarzgeldermittlungen aufgefordert. Die Bundesregierung hatte zuvor begonnen, verschärfte EU-Richtlinien umzusetzen.

    #Berlin #Uber #LABO

  • Festpreise im Berliner Taxigewerbe: Verkehrssenatorin Schreiner will mehr Wettbewerb mit Mietwagenfirmen
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-wirtschaft/festpreise-im-berliner-taxigewerbe-verkehrssenatorin-schreiner-will-meh

    21.2.2024 von Simon Schwarz - Plattformen wie Uber und Freenow vermitteln Fahrten mit Mietwagenfirmen, die oft viel günstiger als Taxis sind. Die Verkehrsverwaltung will das Taxigeschäft flexibilisieren.

    Berlins Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) will dem Taxigewerbe ermöglichen, mit Fahrgästen Festpreise zu vereinbaren. Noch im ersten Quartal dieses Jahres werde ihre Verwaltung eine Senatsvorlage ausarbeiten, sagte die Senatorin am Mittwoch im Verkehrsausschuss.

    Bislang bezahlen Fahrgäste eine behördlich festgelegte Grundgebühr und einen ebenfalls tarifierten Kilometerpreis. Dies führt nach Ansicht von Schreiner zu einem Nachteil für das Taxigewerbe im Wettbewerb mit Mietwagenfirmen, die auf Plattformen wie Uber und Bolt flexible Preise anbieten dürfen: „Mit dem Festpreismodell erreichen wir eine Stärkung der Taxinachfrage. Die Kunden schätzen es, wenn sie bei der Buchung den Preis im Vorhinein wissen.“ Ein ähnliches Modell hat die Stadt München im vergangenen Jahr eingeführt.

    Mit dem Festpreismodell erreichen wir eine Stärkung der Taxinachfrage. Die Kunden schätzen es, wenn sie bei der Buchung den Preis im Vorhinein wissen.
    Manja Schreiner (CDU), Verkehrssenatorin von Berlin

    Eine Gleichstellung mit den Mietwagenfirmen wird die Maßnahme aber nicht bringen. Denn Schreiner kündigte an, einen Tarifkorridor für die Festpreise des Taxigewerbes vorgeben zu wollen: „Ausgangspunkt für den Festpreis ist der Preis nach Taxitarif für die kürzeste Route zum gebuchten Zielort. Der mit dem Kunden vereinbarte Preis muss sich dann in einem Korridor von minus zehn Prozent bis plus zwanzig Prozent bewegen.“

    Große illegale Schattenwirtschaft

    Lutz Kaden von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin begrüßte die Maßnahme, kritisierte aber, dass Taxis mit dieser Vorgabe von den Mietwagenfirmen weiter unterboten werden könnten. Dabei erlaube die 2021 in Kraft getretene Novelle des Personenbeförderungsgesetzes, auch den Mietwagenfirmen eine Mindestgebühr aufzuzwingen. Kaden regte zudem einen Konzessionsstopp für die Unternehmen an: Ab einer bestimmten Zahl von Fahrzeugen dürften die Mietwagenfirmen dann keine weiteren Autos dazukaufen. Eine Konzession stellt die Lizenz zur Personenbeförderung dar.

    Zugelassen sind in Berlin rund 5500 Taxis sowie 4500 konzessionierte Mietwagenfahrzeuge, hinzu kommen 1500 bis 2000 illegale Autos. Als „Schattenwirtschaft“ bezeichnete Schreiner diesen Wirtschaftszweig, in dem Menschen ohne soziale Sicherung und oft unter Mindestlohn arbeiten. Firmen existieren zum Teil nicht oder haben Scheinadressen, zahlen keine Steuern. Das bestätigte auch Axel Osmenda vom Hauptzollamt Berlin.

    „Umsatz und Profit stehen über allem, auf Kosten der Sicherheit von Fahrgästen, erwirtschaftet auf dem Rücken von Fahrerinnen und Fahrern“, sagte der Verkehrspolitiker Tino Schopf (SPD). Wenn es zu Unfällen mit einem illegalen Fahrer komme, seien die Fahrgäste zum Beispiel nicht versichert.

    Als Maßnahme gegen die illegalen Firmen will Schreiner die Aufsichtsbehörde Labo (kurz für Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten) personell stärken. Prüfen werde die Verkehrsverwaltung darüber hinaus, ob und in welchem Rahmen sie den Mietwagenfirmen Mindestpreise auferlegen kann. Leipzig und Lörrach machen von dieser Möglichkeit bereits Gebrauch.

    Uber, Bolt und Freenow besitzen selbst keine Fahrzeuge, die Unternehmen bringen Fahrgast und Personenbeförderer auf einer digitalen Plattform zusammen. Der Preis wird über Angebot und Nachfrage geregelt, im Gegensatz zum eng regulierten Taxigewerbe.

    Eine Stadt, in der das Plattformgeschäft mit Mietwagenfirmen faktisch keine Rolle spielt, ist Hamburg. Dort sind nur 15 Mietwagen konzessioniert, die für Unternehmen wie Uber und Bolt fahren. Die Mietwagenfirmen müssen nachweisen, dass sie in der Lage sind, ein wirtschaftlich nachhaltiges Geschäft mit Mindestlohn zu betreiben, die Verkehrsbehörde der Hansestadt lehnt die Genehmigungen in den meisten Fällen ab.

    #Berlin #Uber #LABO

  • Uber, Bolt und Freenow: Wie Berliner Mietwagenunternehmer die Plattformen für Sozialkassenbetrug nutzen
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-wirtschaft/uber-bolt-und-freenow-wie-berliner-mietwagenunternehmer-diese-plattform

    5.3.2024 von Deana Mrkaja - Bolt, Freenow und Uber vermitteln in Berlin Autofahrten zu Kampfpreisen. Doch nicht alle Mietwagenfirmen, die diese Plattformen nutzen, sind seriös. Einige nutzen die Kontrolllücken systematisch aus.

    Kambiz steht mit seinem Taxi bereits seit mehr als zwei Stunden am Berliner Hauptbahnhof und wartet. Das passiert ihm in letzter Zeit häufig. „Bolt hat das Taxi-Geschäft kaputt gemacht“, sagt der Mann. Denn seitdem die Konkurrenz auf dem Markt ist, läuft es schlecht für ihn. Kambiz möchte nicht mit vollständigem Namen zitiert werden, um möglichen Ärger zu vermeiden.

    Die günstigen Preise von Bolt, Freenow und Uber führen zu immer weniger Fahrten bei den Berliner Taxiunternehmen. Während die Mobilitätsfirma Bolt aus dem estnischen Tallinn mit Deutschland-Zentrale am Alexanderplatz für 10,60 Euro vom Hauptbahnhof zum Kottbusser Tor fährt, wird mit einem regulären Taxi das Doppelte fällig.

    „Ich habe keine Lust mehr zu arbeiten“, sagt Kambiz. Die Warterei nerve ihn nicht nur, sondern sorgt auch für finanzielle Engpässe. Denn als Taxifahrer richtet sich sein Gehalt nach dem Tagesumsatz. Weniger Fahrten bedeuten weniger Geld.

    So wie Kambiz geht es immer mehr Taxifahrern in Berlin und anderen deutschen Städten, in denen die Fahrdienste zugelassen sind, wie beispielsweise in Köln oder Frankfurt. Dabei sind die ausbleibenden Fahrten nur ein Problem. Den Mietwagenfirmen, mit denen Bolt und Co zusammenarbeiten, wird nach Tagesspiegel-Recherchen Sozialbetrug vorgeworfen – und das im großen Stil.

    „Als Fahrer bei diesen Firmen musst du dich kriminalisieren, ob du willst oder nicht“, behauptet Leszek Nadolski, erster Vorsitzender der Berliner Taxiinnung. Anders als Taxiunternehmen müssen diese Firmen 19 statt sieben Prozent Umsatzsteuer abführen. Die digitalen Plattformen kassieren rund 25 Prozent des Umsatzes, weitere fünf Prozent gehen an den Generalunternehmer, hinzu kommen Kosten für Benzin, Versicherung und Abnutzung der Autos, und das alles bei niedrigen Kosten pro Fahrt. Für Nadolski und weitere Experten der Branche ist klar: Legal sind solche Mietwagenunternehmen nicht kostendeckend zu betreiben.

    Die Betrugsmasche soll folgendermaßen ablaufen: Digitale Mobilitäts-Plattformen vermitteln ihre Aufträge nicht direkt an einzelne Fahrer, sondern an Subunternehmer, sogenannte „Mietwagenfirmen“. Die Fahrer sind bei ihnen angestellt. Diese sollen laut Tagesspiegel-Recherchen als Minijobber beschäftigt werden, während sie in Wahrheit in Vollzeit tätig sind. Doch Geringfügigkeit wird an das zuständige Finanzamt gemeldet, beim Jobcenter wird aufgestockt, und „den Rest des Geldes kriegst du bar auf die Kralle vom Mietwagenunternehmen“, kommentiert der Taxifahrer Mesut den organisierten Betrug.

    Das ist kein Kavaliersdelikt, das ist organisierte Kriminalität mitten in der deutschen Hauptstadt.
    Mesut, Taxifahrer

    „Leistungen beziehen mit wenig offizieller Anmeldung“ laute das Motto. „Dieser Betrug ist so offensichtlich, jeder von uns weiß das, aber niemanden interessiert es. Das ist kein Kavaliersdelikt, das ist organisierte Kriminalität mitten in der deutschen Hauptstadt“, sagt Mesut, dessen Nachname nicht genannt werden soll. „Wer versucht aufzuklären, wird bedroht.“

    Nadolski hingegen spricht offen darüber. Bereits seit zwei Jahren versuche er mit seinem Verein das Thema auf die politische Agenda zu bringen. Er nennt es „höchst organisierte Schwarzarbeit“. Die zuständigen Behörden hätten ihm jedoch zu verstehen gegeben, dass so etwas in Deutschland gar nicht möglich sei.

    Fahren mit gefälschten Papieren

    Auch Kambiz und Mesut haben versucht, bei Bolt und Co anzuheuern. Kambiz, weil er seine Familie kaum mehr über die Runden bringt. Mesut, weil er dem Betrug nachgehen wollte. Beide Taxifahrer berichten unabhängig voneinander vom Ablauf. Auf der Seite Kleinanzeigen.de und in diversen Facebook-Gruppen wird nach Fahrern gesucht. Flexible Arbeitszeiten, pünktliche Lohnzahlungen, Trinkgeld und auch Bonuszahlungen werden geboten.

    Per Anruf oder WhatsApp-Nachricht kann sich jeder bewerben, der einen Führerschein hat. Firmennamen oder Ansprechpartner werden nicht genannt. Kambiz erzählt, die Bedingung für eine Anstellung sei gewesen, dass er Sozialbetrug begeht: „Sie wollten nichts offiziell anmelden.“

    Man habe ihm sogar angeboten, unter gefälschtem Namen und gefälschter Steuernummer zu arbeiten. „Was, wenn ich kontrolliert werde?“, wollte er wissen. „Dann sagst du einfach, es ist dein erster Tag und du weißt von nichts“, habe die Antwort gelautet. Kambiz verlangte einen legalen Vertrag, doch bekam nach eigenen Angaben eine Absage des Unternehmens.

    Ähnliches berichtet auch Mesut. Auf Türkisch habe er mit dem Betreiber einer Mietwagenfirma gesprochen. „Ich habe behauptet, dass ich Bürgergeld beziehe, aber trotzdem mehr arbeiten will.“ Als Antwort bekam Mesut, dass es kein Problem sei, man würde das Ganze schon regeln. „Ich hätte das Gespräch aufnehmen sollen“, sagt er im Nachgang. Auch Nadolski bestätigt dieses Muster – er habe es selbst bei mehreren Nummern versucht.

    Die Transportbranche: „schwarzarbeitslastig“

    Das Hauptzollamt in Berlin ist zuständig für die Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigungen. Auf Nachfrage teilt das Amt mit, dass die Transportbranche generell „schwarzarbeitlastig“ sei. Konkretes zum Vorwurf könne man nicht sagen, jedoch sei die Finanzkontrolle Schwarzarbeit auf der Straße tätig.

    Demnach werden Taxifahrer, aber auch Fahrer der digitalen Dienstleistungsfirmen, stichprobenartig kontrolliert. Die Daten würden mit dem Arbeitgeber abgeglichen. Falls es Verdachtsfälle gebe, würden diese auch beim Jobcenter oder der Rentenversicherung überprüft werden. Wie jedoch kontrolliert werden soll, ob Geld bar und somit am Fiskus und den Ämtern vorbei ausbezahlt wird, konnte das Hauptzollamt nicht beantworten.

    Drei Beamte kümmern sich um ganz Berlin. Ich glaube nicht, dass man dieses Problem jemals in den Griff bekommt.
    Leszek Nadolski über das Hauptzollamt

    Kambiz, der bereits seit 25 Jahren Taxi fährt, kann über die Aussage des Zolls nur schmunzeln. In all den Jahren sei er nur ein einziges Mal kontrolliert worden. Auch Nadolski lacht, wenn man das Hauptzollamt erwähnt. „Drei Beamte kümmern sich um ganz Berlin. Ich glaube nicht, dass man dieses Problem jemals in den Griff bekommt.“

    Burkard Dregger, der innenpolitische Sprecher der Berliner CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, zeigt sich alarmiert. „Wenn das so ist, muss dies so schnell wie möglich ein Tagesordnungspunkt im Innenausschuss werden.“ Dregger betont, dass es der „originäre Auftrag“ des Zolls und den Finanzverwaltungen sei, unzulässiger Aufstockung und Schwarzarbeit nachzugehen. „Ich frage mich da, reichen unsere Instrumente?“ Falls nicht, müsse man parlamentarisch Druck ausüben.

    Tino Schopf, den Sprecher für Mobilität und Verkehr der SPD-Fraktion, treibt das Thema schon seit Monaten um. Er spricht von „mafiösen Strukturen und organisierter Schwarzarbeit“. Er sieht das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) in der Pflicht, die Behörde sei seinen Aufgaben jedoch nicht gewachsen. Die SPD hat sich vorgenommen, das Thema anzugehen, und setzt sich dafür ein, das Taxigewerbe in Berlin zu sichern.

    4498 Mietwagen gibt es laut dem Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten aktuell in Berlin.

    Laut Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten gibt es derzeit 4498 Mietwagen und 691 Mietwagenunternehmen in Berlin (Stand Januar 2024). Ginge man davon aus, dass ein Drittel von ihnen, rund 1350 Mietwagenfahrer, Sozialbetrug begehen, indem sie ihre Geringfügigkeit illegal mit Bürgergeld aufstocken, würde das Amt je nach familiärer Lage rund 2000 Euro monatlich dazugeben. Bei 1350 Aufstockern käme pro Monat eine Summe von 2,7 Millionen Euro zusammen, die fälschlicherweise ausbezahlt wird.

    Firmen, die es gar nicht mehr gibt

    Doch warum ist es so schwer, den Betrügern auf die Spur zu kommen? Kürzlich veröffentlichte Recherchen des rbb decken auf, dass einige Mietwagenfirmen bereits aus dem Handelsregister gelöscht wurden, aber trotzdem weiter Fahrten von den Plattformen durchführen. Der erste Vorsitzende der Berliner Taxiinnung behauptet, die Masche der Mietwagenfirmen zu kennen.

    Unbekannte Hintermänner würden junge Menschen mit Geld locken, um als Geschäftsführer der Mietwagenfirmen zu agieren. Nach einer gewissen Zeit würden die Firmen ins europäische Ausland verkauft werden, sodass es schwierig wird, nachzuvollziehen, wo der vermeintliche Sitz der Firmen ist.

    Selbst wenn einer der eingesetzten Geschäftsführer überführt würde, könnte er beweisen, das Unternehmen nicht mehr zu besitzen, während seine Fahrer weiterhin Aufträge der digitalen Dienstleister durchführen. Freenow, Bolt und Uber seien so „sauber wie das Amen in der Kirche“, fasst Nadolski zusammen, denn ihre Aufgabe sei es nicht, „Mindestlöhne zu zahlen und Regeln einzuhalten, sondern Provisionen zu erhalten“.

    Die Plattformbetreiber wollen mit Behörden kooperieren

    Alle drei Unternehmen haben sich in einem schriftlichen Statement zu den Vorwürfen geäußert. Freenow teilt mit: „Wir distanzieren uns von jeglichen Praktiken, die gegen das Gesetz verstoßen, einschließlich Schwarzarbeit und ungerechtfertigter Inanspruchnahme von Sozialleistungen. Freenow agiert als Vermittler der Fahrten und nicht als Betreiber der Mietwagen. Fehlverhalten dieser oder anderer Art wird von uns nicht toleriert und kann zur Sperrung des jeweiligen Unternehmens von unserer Plattform führen.“ Das Unternehmen gibt weiter an, mit den zuständigen Behörden zu kooperieren, um den Zugang illegaler Mietwagenunternehmen „noch besser auszuschließen“.

    Bolt lässt mitteilen, dass sie selbst „keine Möglichkeit haben, um zu überprüfen, ob Mietwagenunternehmen, die Bolt für die Vermittlung von Fahrten nutzen, Sozialbetrug begehen oder nicht.“ Bolt behauptet weiter, nur mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, die ihre AGBs bestätigten. Auf Nachfrage, wie dies genau überprüft würde, gab es keine Antwort mehr. Auch Uber antwortete ähnlich. Man würde nur mit „lizensierten und unabhängigen Taxi- und Mietwagenunternehmen zusammenarbeiten, welche der Aufsicht der Genehmigungsbehörden unterliegen“.

    „Das ist das Ende für alle Taxifahrer“, sagt Kambiz. Sein Nachbar, der ebenfalls sein Leben lang Taxi fuhr, habe schon aufgehört. Immer mehr Kollegen würden darüber nachdenken, den Job zu wechseln. Kambiz zeigt sich resigniert: „Für uns Taxifahrer gelten Tausende Gesetze und Auflagen, und die anderen machen, was sie wollen“.

    #Berlin #Uber #LABO

  • Die Tricks der Mietwagenfirmen: So schleusen Kriminelle Gelder an Berlins Finanzämtern vorbei
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-wirtschaft/die-tricks-der-mietwagenfirmen-auf-uber-bolt-und-freenow-so-schleusen-k

    14.3.2024 von Benedikt Schmidt - Per App können Fahrgäste in Berlin wohl bis zu 2000 illegale Autos buchen. Chats und Eigentümerstrukturen geben tiefe Einblicke in eine Branche, die offenbar vom organisierten Verbrechen durchsetzt ist.

    Es ist Anfang März und die Fahrer in der Whatsapp-Gruppe sind aufgeschreckt. „U-Bahn Tierpark, Richtung Friedrichsfelde, Zollkontrolle“, warnt einer seine Kollegen. „Die Hurensöhne“ hätten an der Kaserne Richtung Kurt-Schumacher-Platz „eine Mausefalle“ aufgestellt, schreibt ein anderer Tage später.

    An mehreren Orten in der Stadt kontrollieren Zoll und Polizei und ziehen Leute heraus, die auf Plattformen wie Uber, Bolt oder Freenow Fahrten in der Hauptstadt anbieten, aber keine Lizenz dafür haben und illegal arbeiten. Branchenkenner schätzen, dies gelte für ein Drittel der Fahrer. Berlins zuständige Aufsichtsbehörde Labo (Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten) spricht in einem „rbb“-Bericht von einem Fünftel.

    Anders als in den USA fahren in Deutschland nicht Privatleute bei Uber und Co. durch die Gegend. Das dürfen nur Fahrer mit Personenbeförderungsschein, die bei Mietwagenfirmen angestellt sind. Die Plattformen treten nur als Fahrdienstvermittler auf, über ihre Apps finden Fahrer und Fahrgast zusammen. Anders als im Taxigewerbe gibt es keine Fest- oder Mindestpreise, sondern flexible Preise nach dem Mechanismus von Angebot und Nachfrage. Pro gebuchter Tour erheben die Plattformen eine Vermittlungsprovision, der Rest verbleibt bei den Unternehmen, ein Teil davon als Lohn bei den Arbeitern.

    Fahrten, die die Mobilitäts-Apps vermitteln, sind äußerst beliebt, denn Fahrgäste zahlen meist deutlich niedrigere Preise als bei Taxis. Doch Medienberichte haben aufgedeckt, dass die Billigpreise offenbar auf systematischer Betrügerei aufbauen. Zum einen sind in Berlin etliche Autos ohne gültige Lizenz, eine sogenannte Konzession, die beim Labo beantragt werden muss, unterwegs. Recherchen des Tagesspiegels legen zudem nahe, dass selbst offizielle Firmen mit konzessionierten Fahrzeugen ihr Geschäft häufig nur mit Sozialbetrug betreiben können sollen.

    In der Whatsapp-Gruppe, in der sich Fahrer vor Kontrollen warnen, lässt sich das Ausmaß erahnen. Zutritt bekommt man nur über einen Einladungslink. Der Tagesspiegel hat wochenlang mitgelesen. Hunderte Fahrer sind dort Mitglied, viele arbeiten für Scheinfirmen oder schleusen, wie die Nachrichten nahelegen, zumindest teilweise Gelder unversteuert am Finanzamt vorbei.


    Einer der Fahrer warnt die anderen in der Whatsapp-Gruppe vor einer „Mausefalle“.

    1000 illegale Fahrzeuge sollen laut einem „rbb“-Bericht auf Uber und Co. buchbar sein, vermutlich liegt die Zahl darüber.

    Wie konnte sich in der Hauptstadt ein offenbar florierendes, weitgehend illegales Geschäft mit mafiösen Strukturen entwickeln? Nach Tagesspiegel-Informationen spielt neben den Kriminellen vor allem die Aufsichtsbehörde Labo eine unrühmliche Rolle.

    Fahrer fälschen wohl Unterlagen

    Eine der Betrugsmaschen wird als „80/20“-Modell bezeichnet: 80 Prozent des Fahrpreises behält der Fahrer, 20 Prozent gehen an einen Hintermann – beides nach Abzug der Vermittlungsprovision. Der Hintermann gibt sich als Unternehmer aus, fälscht Dokumente wie den Konzessionsschein und lässt den Fahrer bei den Plattformen mit einem Privatauto freischalten. Von jenen, die so vorgehen, dürften viele Bürgergeld erhalten, da sie offiziell als arbeitslos gemeldet sind. Doch das merken die Behörden nicht, wenn die Plattformen den Datenschutz wahren oder die Kriminellen falsche Identitäten nutzen. Mit dem Trick sparen sich der Fahrer und sein Hintermann unter anderem Lohn-, Umsatz- und die Einkommenssteuer.

    Indizien dafür, dass Fahrzeuge nicht korrekt angemeldet sind, sind laut einem Insider: falsche TÜV-Plaketten, falsche KfZ-Kennzeichen oder Fahrzeuge ohne Konzessionsnummer. Die muss als blauer Aufkleber an der Heckscheibe kleben – oft sind es auch Imitate.

    Einer dieser Fahrer ist Hamza, auf seinem Profil in der App heißt er anders. Bei einer Fahrt gibt er an, auskömmliche Geschäfte mit Bolt und Co. zu machen, eine Konzessionsnummer hat sein Auto nicht. Auf der Rechnung, die Bolt ausstellt, ist eine Person angegeben, die sein Chef sein soll. Auf Anfrage teilt das Labo mit, dieser Mann besitze keine Konzessionen und sei der Behörde nicht bekannt. Auch unter der angegebenen Adresse in Charlottenburg ist der Name des angeblichen Unternehmers nicht anzutreffen.

    Hamza und andere 80/20-Fahrer haben es neuerdings etwas schwerer als noch vor Wochen: Die Plattformen gleichen neue Unternehmen mit dem Labo ab, und auch die Bestandsdaten könnten sie bald an die Aufsichtsbehörde weiterleiten. Die bis zu 2000 illegalen Wagen dürften also bald nicht mehr unterwegs sein.

    Die 18-Monats-GmbHs

    Ein weiteres beliebtes Konstrukt sind die „18-Monats-GmbHs“. So nennt Leszek Nadolski, der Vorsitzende der Berliner Taxi-Innung, Mietwagenfirmen, die zwar eine Konzession haben, aber nach etwa zwei Jahren wieder verkauft werden, um krumme Geschäfte zu verschleiern, wie er glaubt.

    Die Hinterleute starten legal: Sie gründen eine GmbH, besorgen sich einen Unternehmerschein, legen eine Fachkundeprüfung bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) ab, kaufen eine Fahrzeugflotte und beantragen beim Labo Konzessionen. Alles sauber.

    Dann stellen sie Fahrer ein, oft auf Minijob-Basis, lassen diese im Schichtbetrieb arbeiten und zahlen ihnen die Stunden, die sie darüber hinaus arbeiten, schwarz aus. Dem Fiskus fällt das nicht auf, weil der Unternehmer den Betrieb verkauft, bevor er Steuern zahlen soll, oder er hat die Firma unlängst in die Pleite getrieben, ganz bewusst. So erzählen es mehrere Insider.

    Einer, der wie die anderen anonym bleiben will, sagt: „Der Unternehmer muss nach zwei Jahren Einkommenssteuer zahlen, das sind Einnahmen minus Ausgaben. Hier fällt auf, dass der Betrieb viel mehr Ausgaben hatte, als er mit den Minijobbern offiziell eingenommen hat.“ An diesem Punkt gehe er entweder pleite oder die Firma werde vorher auf einen Verwandten überschrieben.

    Dann fahre „der Dampfer weiter“, sagt Nadolski. Ein Blick ins Handelsregister zeigt: Hier handeln offenbar professionelle Betrüger. Ein Mann, so ist dort vermerkt, war Geschäftsführer von sieben Mietwagenfirmen, von denen inzwischen zwei pleite sind. Eine davon wurde innerhalb von zwei Jahren gleich dreimal verkauft. Viele Firmen gehören heute Leuten, die auffällig oft osteuropäische Namen tragen. Ein Insider sagt, das seien Leute, die auch mal zum Notartermin eingeflogen würden.

    Diese Strohleute seien Geschäftsführer, aber ein als Betriebsleiter getarnter Komplize vom ursprünglichen Inhaber agiere als eigentlicher Chef. „Wenn der Betriebsleiter einen Unternehmerschein hat, dann braucht der Geschäftsführer keinen. Und der Betriebsleiter kommt meist aus der Familie“, erzählt einer, der seinen Namen ebenfalls nicht veröffentlicht sehen will. Mit diesem Trick könnten sich die Kriminellen von sämtlichen Pflichten befreien und das illegale Geschäft trotzdem weiterführen.

    Legales Geschäft kaum möglich

    Und die Fahrer, sind sie nicht die ersten, die die Polizei hochnimmt? Ja, schon, aber selbst bei neugierigen Zollbeamten weiß die Whatsapp-Gruppe Rat. Einer der User gibt Tipps, wie man am besten lügt: „Abrechnung monatlich? Antwort: Monatlich wird mein Lohn auf das Konto überwiesen“. Und: „Habt ihr Aufenthaltsräume im Büro?“ Antwort: „Ja, wir haben Kaffee, Tee, kalte Getränke und Kuchen stehen jeden Tag bereit“. In beiden Fällen ist höchstwahrscheinlich das Gegenteil der Fall: Denn nach Tagesspiegel-Informationen erhalten viele Fahrer einen großen Teil des Lohns in bar, und einen Betriebssitz gibt es oft nicht.


    Polizei, Zoll und das Labo scheinen seit einiger Zeit entschlossener gegen die illegalen Fahrer vorzugehen, ein weiterer Screenshot von der Whatsapp-Gruppe.

    „Nachhaltig lässt sich das Geschäft nicht aufziehen, das geht nur illegal, alles andere ist Blödsinn“, sagt Nadolski. Der Taxi-Chef mag aus Eigeninteresse sprechen, aber selbst andere, wie der Präsident der Mobilitätsplattform Freenow, Alexander Mönch, sagen das.

    Mönch ließ nachrechnen. Heraus kam, dass es für Mietwagenunternehmen, die Fahrten auf Uber und Co. anbieten, unter arbeitsrechtlichen Standards nicht möglich sei, dauerhaft kostendeckend zu wirtschaften. „Es haben sich im taxiähnlichen Mietwagengeschäft massive illegale Strukturen gebildet. Wir sehen in ein tiefes, schwarzes Loch.“

    Mönch scheint ernsthaft interessiert zu sein, die illegalen Geschäfte auszutrocknen. Im Verkehrsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses sprach er über das System und brüskierte die eigene Branche. Seine Konkurrenten bestreiten solche Berechnungen: Sie behaupten bis heute, dass die Fahrer der Mietwagenfirmen mehr Touren pro Stunde absolvierten als die Taxis. Wegen der höheren Auslastung lohne sich das Geschäft.
    Die traurige Rolle der Aufsichtsbehörde Labo

    Wie konnten diese Entwicklungen jahrelang an der Aufsichtsbehörde Labo vorbeigehen? Der SPD-Abgeordnete Tino Schopf hat Akteneinsicht bei 38 der rund 700 in Berlin registrierten Mietwagenunternehmen beantragt. Was er zu sehen bekam, hatte er nicht erwartet: Das Labo habe in einem Fall einer 19- bis 20-jährigen Frau Konzessionen erteilt, obwohl sie trotz ihres Alters noch fünf andere Unternehmen leitete. Die Frau hatte laut Schopf nicht einmal einen Wohnsitz in Deutschland. In einem anderen Fall habe eine größere Firma angegeben, dass der Betriebsleiter weniger als 1000 Euro brutto verdiene, auch hätte die Behörde so gut wie nie den Betriebssitz kontrolliert. „Warum fällt mir als Laie das auf, dem Labo aber nicht?“, fragt Schopf.

    „Das Labo hat systematisch versagt“, sagt er. Doch hat die Behörde auch systematisch weggesehen? Schopf formuliert es diplomatisch. Die Sachbearbeiter seien mit ihrem Job scheinbar inhaltlich und fachlich überfordert gewesen. Da die Fehler von damals nicht rückgängig gemacht werden könnten, fordert der Politiker, die Behörde solle die Betriebe jetzt systematisch nachprüfen.

    Der Tagesspiegel hat das Labo mit Anschuldigungen konfrontiert. Ein Sprecher antwortet, in der Akteneinsicht von Schopf habe es keinen Fall mit einer so jungen Frau gegeben. Weiter schreibt der Sprecher, das Labo sei „inzwischen in der Lage“, bei Beantragung von Konzessionen den Betriebssitz des Mietwagenunternehmens zu kontrollieren – was im Umkehrschluss bedeutet, dass die Behörde dazu wohl länger nicht fähig gewesen war.

    Für die Verkehrsverwaltung, die dem Labo übergeordnet ist, antwortet derselbe Sprecher. Diese unterstütze seit Jahren die Forderung, das Labo personell aufzustocken, es stünden mittlerweile mehr Mittel zur Verfügung, leider merke man den Fachkräftemangel. Neben einer „behördenübergreifenden Arbeitsgemeinschaft“ zur Schattenwirtschaft im Mietwagenbereich, die aber erst noch initiiert werden müsse, solle „zeitnah“ ein Leitfaden vorliegen, der eine „höhere Wirksamkeit und schnellere Reaktionsmöglichkeiten“ bewirken könne. Kurzum: Noch ist nicht viel passiert.

    Uber und Co. argumentieren, nur Vermittler zu sein

    Konfrontiert man die Plattformen mit vermeintlichen Missständen, antworten sie, nur Fahrdienstvermittler zu sein. Ein Sprecher von Bolt schreibt, das Unternehmen habe den „Anspruch, Fahrten ausschließlich an lizenzierte und gesetzeskonforme Mietwagenunternehmen zu vermitteln“, aber: „Die Einhaltung von Arbeitsstandards sowie die korrekte Zahlung von Steuern und Sozialversicherungsabgaben obliegt den Transportunternehmen selbst und die Kontrolle dessen den Ordnungsbehörden.“

    Mietwagenunternehmen dürfen am Flughafen nicht warten, bis ein Fahrgast kommt. Sie müssen, anders als Taxis, zum Betriebssitz zurückkehren. Nach Informationen des Tagesspiegels hält sich kaum ein Fahrer daran.
    Mietwagenunternehmen dürfen am Flughafen nicht warten, bis ein Fahrgast kommt. Sie müssen, anders als Taxis, zum Betriebssitz zurückkehren. Nach Informationen des Tagesspiegels hält sich kaum ein Fahrer daran.

    Ähnliche Antworten schickt Uber. Für den Konzern habe „gesetzeskonformes Handeln oberste Priorität“: „Sofern sich unsere Partner nicht an die Regeln halten und wir davon Kenntnis erlangen, ziehen wir entsprechende Konsequenzen, bis hin zu einer Sperrung auf unserer Plattform.“ Bevor Uber Fahrten vermittle, prüfe ein Team zudem die Unterlagen und Konzessionen der Firmen. „Leider haben manche Manipulationen eine so hohe Qualität, dass sie nicht von echten Dokumenten zu unterscheiden sind.“

    Dabei wäre es so einfach: Ein Datenabgleich mit dem Labo zöge die 80/20-Fahrer sofort aus dem Verkehr. Nach Tagesspiegel-Informationen könnte ein solcher Abgleich bald stattfinden, eine Einigung mit der Behörde steht offenbar kurz bevor. Die Plattformen hatten lange Datenschutzbedenken geäußert.

    Der SPD-Politiker Schopf ärgert sich trotzdem, dass die Plattformen so lange ahnungslos spielten, und wundert sich über ihre passive Rolle. Schließlich könnten sie selbst aktiv werden und prüfen, ob Konzessionen abgelaufen sind oder ob Mietwagenfirmen existieren, an die sie Aufträge vermitteln.

    Wenigstens das Labo scheint inzwischen aus seiner Passivität herauszukommen, das bemerken auch die Fahrer in der Whatsapp-Gruppe: „Wallah aufpassen, Männer, ich glaube, heute sieht es sehr böse aus mit Labo.“ Ein anderer schreibt: „Alexanderplatz Leute, 3 Brüder hintereinander erwischt.“

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    Zu den Arbeitsbedingungen und Einkommen der Fahrer

    Viele Fahrer überschreiten die maximale Arbeitszeit von zehn Stunden pro Tag, um ein auskömmliches Einkommen zu erzielen. Verrichten die Arbeiter Schwarzarbeit und erhalten sie gleichzeitig Bürgergeld, erwirtschaften sie bei einer normalen Arbeitswoche inklusive der Sozialhilfe vermutlich ein relativ gutes Gehalt.

    So kommen auf ein Mietwagen in Berlin laut dem Start-up Bliq, das wie Uber als Fahrdienstvermittler auftritt, zwischen 1500 und 2000 Euro Umsatz pro Woche. Allerdings handelt es sich hierbei um Bruttobeträge, vor Abzug von Vermittlungsgebühren. Zudem kann ein Auto von mehreren Fahrern benutzt werden. Bei zwei Fahrern käme jeder nach Abzug der Gebühren auf durchschnittlich 2600 Euro im Monat. Im Falle des „80/20“-Modells behielten beide rund 2000 Euro, weil sie sämtliche Steuern (etwa Umsatz- und Einkommenssteuer) unterschlagen.

    „Hamburger Modell“

    Deutlich strenger als in Berlin geht die Hamburger Aufsichtsbehörde mit Mietwagenunternehmen um, die Fahrten auf Mobilitäts-Apps anbieten wollen. Konzessionen bekommt nur, wer beweisen kann, kostendeckend zu wirtschaften. In den meisten Fällen lehnt die Behörde den Antrag ab, was dazu geführt hat, dass in der Hansestadt nur 15 konzessionierte Fahrzeuge unterwegs sind.

    Das ist der Hintergrund der Recherche:

    Für die Recherche hat der Tagesspiegel mit rund einem Dutzend Personen gesprochen: aus dem Taxigewerbe, mit Fahrern, mit Mietwagenunternehmern, mit Plattformbetreibern und anderen Insidern. Teilweise erfolgten die Recherchen anonym. Viele Namen wurden im Artikel pseudonymisiert, um Beteiligte zu schützen.

    #Berlin #Uber #LABO

  • Schwerverletzte nach Clan-Streit in Kreuzberg: Großaufgebot der Berliner Polizei sichert Notaufnahme mit Maschinenpistolen ab
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/schwerverletzte-nach-clan-streit-in-kreuzberg-grossaufgebot-der-berline

    25.2.2024 von Pascal Bartosz, Amelie Sittenauer - Im Graefekiez gingen Männer bekannter Großfamilien aufeinander los. Zwei Schwerverletzte kamen ins Urban-Krankenhaus, die Polizei rückte an. Alles begann in Neukölln.

    Im Graefekiez in Berlin-Kreuzberg ist es in der Nacht zu Sonntag zu einer folgenschweren Auseinandersetzung zweier Gruppen aus dem Clanmilieu gekommen. Dies bestätigte ein Polizeisprecher auf Nachfrage. Es gab zwei Schwerverletzte. Zuerst hatte die „B.Z.“ berichtet.

    Ersten Erkenntnissen zufolge fuhr gegen 20.30 Uhr ein Angehöriger einer Familie mit mehreren Insassen durch den Graefekiez und rammte dabei geparkte Autos mit seinem Audi. Eine Gruppe aus zehn bis fünfzehn Männern soll daraufhin auf den Wagen zugestürmt sein und die Fenster eingeschlagen haben.

    Dabei entdeckten die Männer offenbar, dass der Fahrer in der Nacht zuvor schon in einen milieuinternen Streit verwickelt war – nach Tagesspiegel-Informationen hatte es am Samstag um 3 Uhr im Neuköllner Schillerkiez eine blutige Auseinandersetzung gegeben. Nun bekamen, so vorläufige Erkenntnisse, beide Seiten Verstärkung aus ihren Familien.

    Manchmal reicht ein schiefer Blick, damit ganze Horden aufeinander losgehen.

    In dem Streit sollen Messer, vermutlich auch eine Schreckschusswaffe, eingesetzt worden sein. Ein 19-Jähriger erlitt demnach eine Schussverletzung an einem Bein, wie die Polizei mitteilte. Einem 43-jährigen Mann wurden mehrere Stichverletzungen am Rumpf zugefügt. Ein weiterer 19-Jähriger wurde durch Schläge am Kopf verletzt. Letzterer habe sich entgegen dem ärztlichen Rat selbst wieder aus dem Krankenhaus entlassen, die anderen beiden Männer blieben zur stationären Behandlung.

    Angehörige blockierten Notaufnahme des Urban-Krankenhauses

    Angehörige brachten die drei Verletzten in das nahegelegene Urban-Krankenhaus. Die Polizei rückte an, weil viele Angehörige die Notaufnahme blockierten. Das ist nach Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen polizeibekannter Großfamilien üblich. In den letzten Jahren kam es in solchen Situationen immer wieder zu Angriffen auf Pflegekräfte, Ärzte und andere Patienten. Die Clans der an diesem Streit beteiligten Männer leben nach Tagesspiegel-Informationen überwiegend in Kreuzberg, Neukölln und Schöneberg.

    Mit Maschinenpistolen sicherten Beamte die Rettungsstelle. Mitarbeiter der Klinik seien nicht zu Schaden gekommen. Sie hätten „sehr besonnen reagiert und die drei Verletzten sehr professionell versorgt“, sagte Kliniksprecher Christoph Lang der Deutschen Presse-Agentur. Ihnen werde jetzt psychologische Betreuung angeboten. „Und es wird in Teambesprechungen auch noch aufgearbeitet.“

    Notfälle mussten fortan in andere Kliniken gefahren werden. Insbesondere im Urban-Krankenhaus geschieht das regelmäßig, zudem in der ebenfalls zum landeseigenen Vivantes-Konzern gehörenden Klinik in Neukölln und am Virchow-Campus der Charité in Wedding.

    Bis in den Sonntagmorgen beobachteten Ermittler des Landeskriminalamtes einzelne Clan-Treffs, um auf etwaige Revierkämpfe unter den Familien schnell reagieren zu können.

    In der Hauptstadt gebe es „eine ganze Reihe an testosterongeladenen Protagonisten“, teilte der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei in Berlin, Benjamin Jendro, am Sonntag zu dem Vorfall mit. Diese würden beim Konkurrenzkampf in Bereichen der Organisierten Kriminalität – wie Prostitution, Schutzgelderpressung oder Drogenhandel – auch nicht vor Waffengewalt zurückschrecken. „Manchmal reicht ein schiefer Blick oder eine Bemerkung, damit ganze Horden wie im Urzustand mit Schlägern, Macheten oder Schusswaffen aufeinander losgehen“, sagte Jendro. (mit dpa)

    #Berlin #Neukölln #Schillerkiez #Graefekiez #Kreuzberg #Dieffenbachstraße #Krankenhaus_am_Urban #Kriminalität

  • Roter Teppich : Diese Gäste werden am vorletzten Berlinale-Tag zur großen Preisverleihung erwartet
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/roter-teppich-diese-gaste-werden-am-vorletzten-berlinale-tag-zur-grosse

    24.2.2024 von Tobias Langley-Hunt - Zehn Tage lang ist Berlin voller Promis – zur Berlinale kommen sie alle. Den Überblick zu behalten, wer wann, wo über den roten Teppich läuft, ist nicht so einfach. Wir helfen.

    Ein letztes Mal wird der rote Teppich vor dem Berlinale-Palast am Potsdamer Platz gut besucht sein, denn auch wenn das Filmfestival noch offiziell bis Sonntag läuft, wird am Sonnabend ab 18.30 Uhr die glamouröse Abschluss-Gala über die Bühne gehen – inklusive Verleihung der begehrten Bären.

    Rückblickend war die 74. Berlinale aus Hobby-Paparazzo- oder Autogrammjäger-Perspektive ein voller Erfolg: Mit etwas Glück konnte man mindestens einen Blick auf diese Promis werfen: Hunter Schafer („Cuckoo“), Gael García Bernal („Babel“), Carey Mulligan und Adam Sandler („Spaceman“), Rooney Mara („Verblendung“), Kristen Stewart („Love Lies Bleeding“), Cillian Murphy und Matt Damon („Small Things Like These“) oder der mit dem Goldenen Ehrenbären ausgezeichnete Martin Scorsese.

    Gäste aus Politik, Gesellschaft und Kunst

    Wen die internationale Jury, die auf jeden Fall nochmals auftreten wird, mit dem Goldenen und Silbernen Bären auszeichnet, bleibt vorerst natürlich Spekulation. Zu den Favoriten gehören aber Andreas Dresens neuer Film „In Liebe, Eure Hilde“ und die iranischen Tragikomödie „Keyke mahboobe man“ („My Favourite Cake“). Mit einem Besuch des iranischen Regieduos, bestehend aus Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha, können wir leider nicht rechnen, die iranischen Behörden hatte ihnen die Reise nach Berlin untersagt.

    Die Jury unter Leitung der Schauspielerin Lupita Nyong’o wird unter anderem folgende Preise vergeben: den Goldenen Bären für den besten Film (an die Produzenten) und den Silbernen Bären für die beste Regie, die beste schauspielerische Leistung in einer Hauptrolle, die beste schauspielerische Leistung in einer Nebenrolle, und das beste Drehbuch. Außerdem je einen silbernen Bären in den Kategorien „Großer Preis der Jury“ und „Herausragende künstlerische Leistung“.

    Das live mitzuerleben, werden sich viele deutsche Promis nicht entgehen lassen. Jetzt schon angekündigt haben sich unter anderen die Regisseure Fatih Akin und Mo Asumang, der Künstler Olafur Eliasson, sowie die Schauspielerinnen Florence Kasumba, Anne Ratte-Polle, Florian Stetter oder Jannik Schümann. Außerdem werden aus der Politik mindestens Berlins Regierender Kai Wegner (CDU) und die Kulturstaatssekretärin Claudia Roth (Die Grünen) mit ihrer Anwesenheit glänzen.

    Der Live-Stream vom roten Teppich beginnt um 17 Uhr, während der Fanbereich vor dem Berlinale-Palast bereits um 16 Uhr öffnet.

    #Berlinale

  • Uber ist Partner der Berlinale: Warum Taxifahrer während der Berlinale ihr eigenes Filmfest starten
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/festival-der-ausgeschlossenen-warum-taxifahrer-wahrend-der-berlinale-ih

    16.2.2024 von Marlon Saadi - Die Berlinale kooperiert seit einem Jahr mit Uber. Taxifahrer sehen darin ein weiteres Symbol für ihre Verdrängung. Aus Protest haben sie ein eigenes Filmfest organisiert.
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    #Taxi #Kultur #Film #Kino #Berlin #Mitte #Potsdamer_Straße #Eichhornstraße #TaxiFilmFest #Berlinale #Boulevard_der_Stars #Journalismus #Presse #TaxiFilmFest #Medienecho