• Ungewisse Zukunft: „Berlkönig" soll mit Diesel fahren – und stößt auf Bedenken | Berliner Zeitung
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    Es soll ein Mittelding zwischen Taxi und Bus sein. Vans und Limousinen von Mercedes befördern Fahrgäste durch die östliche Innenstadt – ohne Fahrplan und feste Linienführungen, nach Bedarf. Doch ob und wann der digitale Rufbus ins Rollen kommt, steht in den Sternen. Bisher haben die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) keine Genehmigung. Nach Informationen der Berliner Zeitung gibt es in der Verwaltung Bedenken. Auch Detlev Freutel vom Taxiverband Berlin Brandenburg zeigt sich skeptisch. „Eine dreistellige Zahl von Autos soll die Straßen verstopfen“, sagt er. „Und die meisten sollen mit Diesel fahren“– das passe einfach nicht in die Zeit.

    Städte prüfen Fahrverbote, Experten kritisieren Schummeleien bei Abgaswerten, Autohäuser beklagen Absatzprobleme: Der Dieselantrieb hat ein Imageproblem. Trotzdem sollen die geplanten Sammeltaxis zumindest zunächst größtenteils mit Dieselkraftstoff fahren.

    Schlecht für die Luftqualität
    „Wir reden von modernen Euro-6-Dieseln“, sagt BVG-Sprecher Markus Falkner. Vorgesehen sind Vitos und die V-Klasse. „Wir planen aber immer mit mindestens 25 Prozent Elektrofahrzeugen.“ Anfangs helfen B-Klassen vom Typ B250e aus. Später im Jahr wird der ebenfalls vollelektrische eVito Tourer auf den Markt kommen. Sein Anteil an der Flotte, die anfangs aus 50 und schließlich aus bis zu 300 Wagen besteht, soll nach und nach steigen. Auch mit Dieselautos sei der Fahrdienst sinnvoll: „Die Bündelung von Verkehren trägt zu einer Abnahme des Autoverkehrs und zu einer Verbesserung der Luftqualität bei.“

    „Dass zu einem großen Teil zunächst dieselangetriebene Fahrzeuge eingesetzt werden sollen, kann ich natürlich nicht begrüßen“, entgegnet Gernot Lobenberg, Chef der Berliner Agentur für Elektromobilität (eMO). Er könne den „schwierigen Abwägungsprozess der Betreiber“ nachvollziehen. „Das Grundproblem ist die nach wie vor mangelnde Verfügbarkeit von elektrischen Vans“, sagt Lobenberg. Es sollte aber „so schnell wie möglich eine vollständig elektrische Flotte eingesetzt werden“, verlangt er.

    Pro Kilometer ein Euro
    Andere Anbieter würden das jetzt schon schaffen. Clever Shuttle betreibt in Berlin 25 E-Autos, ähnlich wie von der BVG und Daimler geplant im Ride Sharing. Bestellt wird per App. Ein Computer koordiniert die Fahrtwünsche und sorgt dafür, dass Fahrgäste mit gleichen oder ähnlichen Zielen zusammen in einem Wagen fahren. Die Kunden haben die Autos also nicht für sich allein. Ride Sharing oder Pooling gilt als Zukunftstrend. Bündelung senkt die Kosten und schont die Umwelt.

    Elektrisch fahren auch die Vans der VW-Tochter Moia, die ab Ende 2018 durch Hamburg rollen – ebenfalls als digitale Sammeltaxis. Von den rund 8000 Berliner Taxis fahren zwar erst zwei elektrisch. „Doch ein Drittel der Taxis hat Hybrid- oder Gasantrieb“, berichtet Freutel. „Da sind wir umweltfreundlicher unterwegs als der ,Berlkönig’“, wie der digitale Rufbus heißen soll.

    Die landeseigene BVG und die Firma Via Van, an der Mercedes-Benz beteiligt ist, planten einen „Angriff auf die Taxibranche“. Die Kostenkalkulation sei unklar, Freutel befürchtet „versteckte Subventionen“. Wenn der Senat den Fahrdienst genehmigen würde, entstünde ein Präzedenzfall. „Dann stehen anderen Firmen dieser Art Tür und Tore offen“ – etwa dem US-Unternehmen Uber.

    Der BVG-Antrag datiert vom 14. November. Als Einsatzgebiet wird die östliche Innenstadt zwischen Hauptbahnhof und Ostkreuz sowie zwischen Gesundbrunnenkiez und Neukölln genannt, zudem das Komponistenviertel in Weißensee und das Quartier Michelangelostraße. In diesem Gebiet kann an 621 Bushaltestellen und rund 4400 „virtuellen“ Haltestellen ein- sowie ausgestiegen werden. Ein Kilometer soll einen Euro kosten. Hinzu kommen drei Euro als Grundtarif sowie in Stoßzeiten zwei Euro Zuschlag.

    Taxibranche droht Schaden
    Die BVG bezieht sich auf die Experimentierklausel, die Ausnahmen vom Personenbeförderungsgesetz zulässt – normalerweise ist es nicht erlaubt, Sitzplätze im Taxi einzeln zu verkaufen. „Das Genehmigungsverfahren ist unsererseits noch nicht abgeschlossen“, berichtet Matthias Tang, Sprecher der Verkehrsverwaltung. „Voraussichtlich im Frühjahr 2018 wird ein Ergebnis vorliegen.“

    Dass es so lange dauert, liegt offenbar auch daran, dass der Plan Behördenleuten Bauchschmerzen bereitet. Sie teilen die Befürchtung, dass weitere Fahrdienste ebenfalls nach Berlin drängen werden. Außerdem dürften Ausnahmen vom Gesetz nur genehmigt werden, wenn „öffentliche Verkehrsinteressen“ nicht entgegenstehen. Der Taxibranche, die einem besonderen Schutz unterliege, drohe Schaden.

    #Berlin #Verkehr #Disruption