• Berliner Traditionseisdiele: Kühler Abschied bei Eis Hennig in Steglitz - Berlin - Tagesspiegel
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    Eis Hennig war eine West-Berliner Instanz. Jetzt hat die traditionsreichste ihrer Filialen geschlossen. Einst unterhielt das Unternehmen elf Läden in der Stadt.

    Es war das Eis West-Berlins. Elf Filialen hatte Eis Hennig zu seinen besten Zeiten im Westen der geteilten Stadt. Da war es den Berlinern kaum möglich, der süßen Speise zu widerstehen. Doch das ist lange her, nach und nach wurden Filialen dichtgemacht – und jetzt hat die traditionsreichste ihre Türen für immer geschlossen.

    „Zwei Eisläden alleine zu verwalten, war auf Dauer doch sehr anstrengend“, sagt Nadja Müller-Hennig, Inhaberin der Filialen Steglitz und Alt-Mariendorf. So entschied sie sich, ihre Kraft auf die größere Filiale in Alt- Mariendorf zu konzentrieren – und das Steglitzer Traditionsgeschäft ist Geschichte. Vor 69 Jahren feierte hier Franz Hennig am Steglitzer Damm, damals noch Mariendorfer Straße, Wiedereröffnung.

    Nach fünf Jahren Kriegsgefangenschaft in Russland sollte dies der Neubeginn einer erfolgreichen Gründerkarriere sein. Angefangen hatte alles 1930, als Franz Hennig, mit seinem Bruder Alois einen Eisladen in der Rubensstraße in Friedenau eröffnete. „Eis Hennig“ sollte er heißen und Generationen von Berlinern mit Speiseeis versorgen. Das Erfolgsrezept: frisch und vor den Augen der Kunden produzierte Eiscreme für kleines Geld.

    Erst Waffeln, dann Pappbecher

    In Berlin kannte man die kalte Süßspeise noch nicht all zu lang. „Florida-Eis“ in Spandau und das „Eiscafé Monheim“ in Wilmersdorf eröffneten nur wenige Jahre zuvor die ersten Berliner Eisdielen. Das Eis wurde auch damals schon in Kugeln, aber vorwiegend zwischen zwei Waffeln verkauft. Erst nach 1970 wurde das Eis, so wie man es heute noch von „Eis Hennig“ kennt, randvoll in Pappbechern portioniert. Franz und Alois expandierten weiter Richtung West- und Ostpreußen und eröffneten Eisläden in Allenstein, Marienburg, Elbing und Königsberg, wo „Eis Hennig“-Kreationen wie der „Ostpreußen-“ oder der „Lorbasbecher“ entstanden.

    Nach acht erfolgreichen Jahren gingen die beiden Brüder getrennte Wege und gaben noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs den Betrieb in Berlin auf. Franz, der eigentlich Getreide-Großhandelskaufmann war, zog schließlich nach Ostpreußen, in die Heimat seiner Eltern, um dort dem Eisgeschäft weiter nachzugehen. Alois lebte nach dem Krieg in Hamburg. Als gelernter Konditor stellte er dort neben Eis auch Marzipan her.

    Der „Steglitzer Rundgang“

    Franz wird 1944 sowjetischer Kriegsgefangener und 1949 als „Spätheimkehrer“ zurück nach Berlin kommen. Noch im selben Jahr gründet er die Filiale am Steglitzer Damm. Es folgen Filialen in Tempelhof, Alt-Mariendorf und Schmargendorf. Franz Hennigs Geschäft läuft gut.

    Gemeinsam mit seiner Ehefrau Lisbeth leitet er noch bis Anfang der 1980er die Filiale in Steglitz. Die anderen drei Läden hatten inzwischen seine Kinder Christine, Maria und Norbert übernommen. Weitere folgen unter anderem in Wilmersdorf, Neukölln und Schöneberg. Eis Hennig wird das Eis West-Berlins.

    „Baden im Insulaner, danach eine Curry bei Krasselt’s und anschließend gegenüber bei Hennig ein Eis essen. Das hatte sich hier nicht nur bei den jungen Leuten als ,Steglitzer Rundgang‘ etabliert“, erinnert sich Enkel Christian Hennig etwas wehmütig, der heute für das Eis in der Tempelhofer Filiale Verantwortung trägt. Nach der Schließung der Steglitzer Filiale verbleiben am Tempelhofer-Damm und am U-Bahnhof Alt-Mariendorf die letzten beiden Eisläden des Berliner Traditionsunternehmens.

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