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  • Gefangen – eine sehr lesenswerte Außenperspektive eines ehemals ranghohen pakistanischen Militärs und Diplomaten
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=90138

    L’Allemagne et les autres fournisseurs d’armes de l’Ukraine se sont sont enfermés de leur propre gré dans une prison étatsunienne. Leur politique suit la ligne dictée par Washington et nuit leurs propres intérêts. La politique étatsunienne est la continuation des guerres qui nourrissent le complexe militaro-industriel du pays. L’impérialisme actuel produit donc une situation à l’iopposé de celle décrite par Clausewitz au dix neuvième siècle. C’est la conclusion que tire l’ancien chef des services secrets pakistanais qui a été formé à l’université militaire allemande Bundeswehrhochschule.

    8.11.2022 von Asad Durrani

    Die USA haben die Europäer in eine Falle gelockt und das alte und neue Europa tanzen nun sanftmütig nach der Pfeife der USA – selbst gegen ihr eigenes Urteil und Interesse. Das sagt Asad Durrani, General a. D. aus Pakistan, Absolvent der Führungsakademie der Bundeswehr, ehemaliger Chef des pakistanischen Geheimdienstes ISI, Botschafter seines Landes in Deutschland und Saudi-Arabien. Die NachDenkSeiten freuen sich, ihren Lesern diesen äußerst lesenswerten Text zu präsentieren.

    Gefangen

    „Ich bin jetzt so vernarrt in meinen Entführer, dass ich, wenn er mich freilässt, lieber tot wäre.“

    Raaz Allahbadi (ein indischer Dichter)

    Selbst diese gutmütige Seele, die sich im Laufe der Zeit in ihren Entführer verliebt hat, ist nicht freiwillig ins Netz gegangen. Die Jäger, wie die Befehlshaber auf dem Schlachtfeld, geben sich große Mühe, um ihr Wild zu überreden, in die Tötungszone zu gehen. Das ist ein ziemlicher Kraftakt, und einige von uns ernten natürlich gerne die Lorbeeren – auch wenn die Beute ohne unsere Hilfe in Schwierigkeiten geraten ist.

    Als die ehemalige Sowjetunion im afghanischen Sumpf feststeckte, gab der amerikanische „deep state“ augenzwinkernd zu verstehen, dass er den Bären auf den Friedhof der Imperien gelockt hatte, um die Schmach in Vietnam wettzumachen.

    Das Problem mit dieser These war, dass die erklärten Verschwörer keinen Glauben an ihren Erfolg hatten. Es dauerte zwei Jahre, bis sie überzeugt waren, dass der afghanische Widerstand gute Chancen hatte, die Invasion schachmatt zu setzen – und noch ein paar Jahre, um sicher zu sein, dass Systeme wie die Stingers in den Händen der Mudschaheddin sicher waren.

    Als Amerika an der Reihe war, sich in Afghanistan zu verzetteln, behauptete Al-Qaida schadenfroh, dass die Zwillingstürme zum Einsturz gebracht wurden, um die einzige Supermacht der Welt aus ihrer Festung herauszulocken, um einen asymmetrischen Krieg zu führen, in dem ihr gewaltiges Arsenal übertrumpft werden könnte. Um sich lächelte OBL, dass er jetzt nur noch im Irak, im Jemen und in Libyen Flagge zeigen müsse – und die USA und ihre Anhänger würden sich bei der Schattenjagd verausgaben. Nicht einfach, diese Behauptung zu widerlegen.

    Nach den indischen Atomtests im Jahr 1998 hatte Pakistan vielleicht seine eigene Logik, dem Beispiel zu folgen, aber unsere Kritiker im In- und Ausland spotteten, wir seien in die indische Falle getappt und müssten uns nun dem Zorn der globalen Hegemonen aussetzen. Ich glaube, wir haben uns in einem Brief bei Vajpayee dafür bedankt, dass er uns den Weg zu einem Atomwaffenstaat gezeigt hat.

    Die Versuchung, mich über meine eigene angebliche Verstrickung zu freuen, ist unwiderstehlich. Einige der Zwischenrufer, die mich beschuldigten, einen indischen Köder geschluckt zu haben, um ein gemeinsames Buch mit einem ehemaligen RAW-Chef zu schreiben, wurden nach der Vorstellung des Buches in Delhi als vermisst gemeldet. Dort billigte die strategische Elite des Landes die wichtigste Schlussfolgerung von The Spy Chronicles: Indien muss mit Pakistan zusammenarbeiten, um den Kaschmir-Konflikt zu lösen. Kein Wunder, dass mein Co-Autor der beliebteste Inder in unseren Medien wurde.

    Obwohl ich von diesen Mausefallen-Geschichten nicht sonderlich beeindruckt bin, neige ich doch, mit Professor Mearsheimer von der Universität Chicago, dazu anzunehmen, dass das amerikanische Establishment lange und hart daran gearbeitet hat, um Putin zum Einmarsch in die Ukraine zu provozieren. Es gibt eine lange Liste von Maßnahmen – die meisten von ihnen davon übrigens ganz im Einklang mit den Diktaten der Realpolitik – die den Weg geebnet haben müssen.

    Der Maidan-Aufstand, ein Rädchen in der amerikanisch inspirierten (und verschworenen) Farbrevolution, installierte ein Marionettenregime in Kiew, das das Minsker Abkommen aufkündigte. Eine Neo-Nazi-Miliz tötete eine große Zahl ethnischer Russen in den östlichen Teilen des Landes, und Berichten zufolge waren ukrainische Streitkräfte Anfang des Jahres in russisches Hoheitsgebiet eingedrungen. Wenn Putin sich dadurch zum Einmarsch in die Ukraine veranlasst sah oder ob er damit genau den richtigen Vorwand hatte, um die schleichende Expansion der NATO zu stoppen, ist schwer zu beurteilen. Sollte Kiew jedoch entgegen seiner erklärten Politik ankündigen, dem Bündnis beizutreten, könnte Moskau nur wenig dagegen tun. Man kann ein NATO-Mitglied nicht angreifen, ohne einen Weltkrieg auszulösen.

    Einen Monat nach dem Einmarsch war Zelensky bereit, den Krieg auf dem Verhandlungswege zu beenden. Dann ging Boris, der Pudel und der amtierende Nachfolger von Blair, hinüber, um den Prozess zu vereiteln. Das erinnerte mich an ein anderes Friedensabkommen, das von den USA im Keim erstickt wurde. Kurz nachdem sie Ende 2001 gestürzt worden waren, boten die Taliban an, sich mit dem Regime von Karzai in Kabul zu versöhnen. Rumsfeld, der damalige Vizekönig der USA in Afghanistan, legte sein Veto gegen diesen Vorschlag ein.

    Und dann gibt es eine lange Liste von Versuchen, die wir unternommen haben, um mit unseren entfremdeten Stammesangehörigen Frieden zu schließen, die abgeblasen wurden. Das stellt Clausewitz auf den Kopf. Der Krieg ist nicht länger ein Instrument der Politik, sondern in der Tat die Politik, die mit allen anderen Mitteln verfolgt werden muss.

    Niall Ferguson ist einer der bekannteren Zeithistoriker. Erst neulich hat er sich gefragt, warum Washington keine Anstrengungen unternommen hat, einen Waffenstillstand, geschweige denn Frieden zu vermitteln. Er vermutet, dass das Weiße Haus will, dass dieser Krieg weitergeht.

    Michael Whitney, ein renommierter Journalist, hat den Krieg in der Ukraine so beschrieben, dass er dazu dient, Nord Stream zu zerstören und die Zusammenarbeit von Russland und Deutschland zu verhindern. Das ungeschriebene Ziel der NATO lautet (wie von Lord Ismay, ihr erster Generalsekretär, erklärte, der als ehemaliges hohes Tier nur noch mit dem Mund schießen konnte): „Halten Sie die Russen draußen, die Amerikaner drin und die Deutschen unten“. Das ergibt Sinn, verfehlt aber immer noch das große Ganze.

    Nach dem Kalten Krieg ging es in keinem Konflikt jemals um die Dschihadis, die Taliban, die Massenvernichtungswaffen oder gar um die Russen, Ukrainer oder die Deutschen – es ging immer nur um die USA.

    Versetzen Sie sich in die Lage der einzigen überlebenden Supermacht der Welt, deren exklusiver Status an der Spitze der Pyramide gefährdet war – nicht nur durch ein aufstrebendes China, sondern auch durch seine Verbündeten. Der Euro drohte dem allmächtigen Dollar Konkurrenz als Leitwährung zu werden, wenn nicht gar diesen zu ersetzen. Viele der europäischen Länder, und nicht nur die eigenwilligen Deutschen, kuschelten mit den Russen, um ihre Häuser warm zu halten, aber auch, um den Geist von Helsinki wiederzubeleben (die OSZE war die erste Organisation, die während der Bosnien-Krise irrelevant wurde). Und die Nachfolger der Han- und der Ming-Dynastie schienen alles daran zu setzen, ihre Belts und Straßen zu bauen.

    Um diesen vielfältigen Bedrohungen zu begegnen, haben die USA als einziges Instrument eine mächtige Kriegsmaschinerie. Die Untergrabung von Friedensprozessen, zuweilen sogar durch schurkische Gruppen oder Staaten, ist daher der rote Faden der amerikanischen Politik, um Freunde und Feinde zu spalten – und ihre Rüstungsindustrie im Geschäft zu halten.

    Diese These ist ziemlich alt, sie wurde erstmals von Eisenhower aufgestellt. Was jedoch viele von uns überrascht hat, dass das alte und neue Europa so sanftmütig nach der Pfeife der USA tanzt – selbst gegen ihr eigenes Urteil und Interesse. Eine Reihe meiner alten afghanischen Freunde vom alten Kontinent hatten eine ziemlich gute Vorstellung davon, weshalb das amerikanische Afghanistan-Projekt torpediert worden war, räumten aber auch ein, dass sie wegen der Bündnistreue durchhalten mussten. Einige von ihnen kritisieren jetzt ihre Regierungen dafür, dass sie nicht versuchen, den Kurs der westlichen Politik gegenüber der Ukraine zu korrigieren – und sind in der Tat neidisch auf die tapferen Ungarn; zu gegebener Zeit wahrscheinlich auch auf die neue italienische Premierministerin, die Macron schon vor ihrer Vereidigung den Mund wässrig gemacht hat.

    Der eigentliche Erfolg der US-Politik besteht darin, dass sie die meisten Anderen in eine Falle gelockt hat, aus der es scheinbar kein Entrinnen gibt – aber das ernstere Problem ist, dass Europa nun so tief in seinen Unterdrücker verliebt ist, dass es Angst hat, sich zu befreien.

    Kissingers Vorhersage über das Schicksal, das die amerikanischen Verbündeten erwartet, wird wahr. Die Fixierung auf einen Sklavenhalter ist nicht nur die Fantasie eines längst verstorbenen indischen Dichters.

    Viele von uns finden in der Gefangenschaft mehr Trost als in der Freiheit. Selbst unter den furchtlos unabhängigen Afghanen gab es für jedes Individuum, das sich gegen die sowjetische oder amerikanische Besatzung widersetzte, eine entsprechende Anzahl von Kollaborateuren. Offensichtlich waren sie unzufrieden mit Pakistan, weil dieses erst die Mudschaheddin und dann die Taliban unterstützte. In den ehemaligen Kolonien sind viele stolz auf die Titel, die ihnen von ihren Kolonialherren verliehen wurden.

    Was mich jedoch überrascht hat, ist, dass sogar einige reiche und mächtige Länder unter diesem Syndrom leiden. Ihre Lage ist in der Tat noch erbärmlicher. Denn im Gegensatz zu vielen von uns, die in einer Honigfalle gefangen waren, sind die mächtigen Europäer einfach in die Knechtschaft geschlafwandelt.

    07.11.2022 von Generalleutnant Asad Durrani

    #impérialiamw #USA #OTAN #Europe #Ukraine #guerre

  • Die USA haben den Gaskrieg gegen Russland gewonnen
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=90151

    Les problèmes de l’industrie de « fracking » aux USA constituent une des multiples raisons pour la guerre que mène le bloc étatsunien contre la Russie. Il fallait un prétexte pour obliger les capitalistes allemands à accepter l’achat du gaz cher et sale étatsunien qui remplace désormais le gaz russe moins cher et moins nuisible pour l’environnement. Ce changement de fournisseur apporte en même temps une solution bien agréable au problème du déficit étatsunien dans le commerce avec l’Allemagne. La facture du gaz sera si énorme qu’on doit se préparer à un déficit allemand.

    Vu de la perspective des investisseurs tout cela n’est pas si grave car c’est le peuple qui paiera la facture pour les riches.

    9.11.2022 von Jens Berger - Schon in den nächsten vier Jahren werden die USA die ehemaligen russischen Gaslieferungen nach Mitteleuropa vollständig substituieren. Die gleiche Menge Gas, die bis zu Beginn dieses Jahres aus sibirischen Pipelines geliefert wurde, kommt künftig in verflüssigter Form mit Tankern aus den USA. Auch der Gaskrieg hat nicht erst in diesem Jahr begonnen. Klarer Gewinner dieses Gaskriegs sind die USA, die nur so ihre gewaltigen Überkapazitäten aus dem Fracking-Boom abbauen und damit den heimischen Gaspreis stabilisieren können, um die milliardenschweren Investitionen zu retten und eine Finanzkrise zu verhindern. Den Preis dafür zahlt vor allem Deutschland. Schon in diesem Jahr könnten die deutschen Exportüberschüsse im deutsch-amerikanischen Außenhandel sich in ein Defizit umkehren. Verlierer sind neben Deutschland und der EU auch die Umwelt und das Klima. Von Jens Berger.

    Vor drei Jahren herrschte in der LNG-Branche Katastrophenstimmung. Der Fracking-Boom in der zweiten Hälfte der 2010er-Jahre sorgte für ein massives Überangebot von Erdgas. Anfang dieses Jahrzehnts lag der Spotmarktpreis am US-Knotenpunkt Henry Hub bei umgerechnet gerade einmal fünf Euro pro Megawattstunde. Die mit vielen Milliarden Dollar vom Finanzsektor ausgestattete US-Frackingbranche stand vor dem Kollaps und mit ihr Teile des US-Finanzsystems, da die Investitionen nach „guter alter Manier“ mit wenig Eigen- und viel Fremdkapital gehebelt waren. Wollte man den Kollaps verhindern, gab es dafür nur eine Möglichkeit: Das Gas musste auf andere Weltmärkte exportiert werden und aus geographischen Gründen kam dafür nur die Verflüssigung zu LNG infrage. Doch auch der weltweite LNG-Markt war zu dieser Zeit gesättigt. Als letzter Ausweg blieb die Expansion auf Märkte, die ausreichend groß und bis dato über Pipelines mit Erdgas versorgt wurden. Weltweit gibt es nur einen Markt, auf den beide Voraussetzungen zutreffen: Europa.

    Bereits im Frühjahr 2018 prognostizierten die NachDenkSeiten einen „kommenden Gaskrieg zwischen den USA und Russland“. Wie recht wir damit hatten, zeigt sich heute. Nachdem die USA ihre LNG-Lieferungen nach Europa sukzessive durch politische Maßnahmen (z.B. Boykott russischer Importe durch Polen und das Baltikum) ausbauen konnten, konzentrierte man sich vor allem auf das größte Stück der europäischen Torte, auf Deutschland. Nur so kann man die fortwährende Einflussnahme auf die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 verstehen. Deutschland mit seinem Gasbedarf von rund 100 Milliarden Kubikmeter Gas ist für die US-Energiekonzerne als Absatzmarkt von zentraler Bedeutung.

    #guerre #énergie #Allemagne #USA

  • Comment la CIA manipule les médias et comment l’état étatsunien se défend contre la publication de ces méthodes
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=90167

    Fact-checking inuntile car la CIA aura "vacciné" toutes les sources que les journalistes contactent habituellement pour vérifier des informations obtenu â travers des sources non officielles

    https://www.youtube.com/watch?time_continue=979&v=UwerBZG83YM&feature=emb_logo


    CIA Officer Frank Snepp Discusses Planting Stories in Vietnam

    „Ich hatte verschiedene Aufgaben. Ich war Analyst und Verhandlungsführer. Außerdem stand ich mit der Presse in Kontakt: Wenn wir – die CIA – Falschinformationen verbreiten wollten, dann war diese Information nicht zwingend eine Lüge. Es kann auch eine Halbwahrheit gewesen sein. Wir haben dann Journalisten ausgesucht und ich habe sie eingewiesen. Wir haben dann gehofft, dass unsere ‚Informationen‘ übernommen und gedruckt würden.“

    „Wenn wir zum Beispiel die amerikanische Öffentlichkeit überzeugen wollten, dass Nord-Vietnam Strukturen in Süd-Vietnam aufbaut, dann bin ich zu einem Journalisten gegangen und habe ihm mitgeteilt, dass in den letzten sechs Monaten soundsoviele Nord-Vietnamesen den Ho-Chi-Minh-Pfad über Süd-Laos genutzt haben. Es gibt keine Möglichkeit für diesen Journalisten, diese Information zu überprüfen. Er kann sie nutzen, oder auch nicht. Normalerweise wird er sie aber nutzen – denn dieses „Wissen“ verleiht einen exklusiven Eindruck. Ich würde sagen, in 70 bis 80 Prozent konnten wir so Daten platzieren.“

    Les cibles : „Los Angeles Times“, „New Yorker“, „Chicago Daily News“, „US News“, „New York Times“, „Newsweek“ et tous les journalistes des médias grand public

    On apprend aussi que chaque ancien employé de l’état étatsunien doit obtenir une autorisation officielle avant la publication d’absolument toute information obtenue pendant son travail qu’elle soit classée ou non.

    Rappellons que ces méthodes sont utilisées par absolument tous les états qui en sont capables (c’est cher la production de fausses infos crédibles) et que la seule manière de se défendre contre est une approche analytique qui permet de vérifier des informations pas seulement avec des méthodes scientifique et des sources supplémentaires mais surtout â travers une contextualisation bien fondée.

    Je me permets parfois de référencer sur #Seenthis des articles tirées de sources douteuses afin d’obtenir à travers vos commentaires des éléments qui permettent de les confirmer ou afin de mieux comprendre pouquoi leur sources ne sont pas fiables.

    #USA #CIA #désinformation #fake_news #manipulation #services_secrets #guerre #Vietnam

  • Die „große Rede“ von Bundespräsident Steinmeier : Kriegserklärung nach innen und nach außen.
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=89845

    La revue en ligne Nachdenkseiten défend des positions socialdémocrates de gauche et récolte des diffamations comme ami de Poutine. Son titre de ce matin : "Steinmeier déclare la guerre à l’intérieur comme à l’extérieur".

    31. Oktober 2022 von Rainer Balcerowiak - Es gehört zu den Erwartungen an einen deutschen Bundespräsidenten, dass er wenigstens ein Mal in seiner Amtszeit so etwas wie eine „große Rede“ hält. Eine Rede, die sich sich über die Niederungen der Tagespolitik hinaus schwingt, den Kern des Selbstverständnisses des „Deutschen Volkes“ berührt und neue, grundlegende Orientierungen skizziert. Richard von Weizsäcker hat z.B. eine derartige Rede gehalten, als er am 8.Mai 1985 bei der Gedenkveranstaltung im Deutschen Bundestag zum Ende des zweiten Weltkriegs von einem „Tag der Befreiung“ sprach, und damit das herrschende Narrativ von der Niederlage Deutschlands öffentlich zertrümmerte. Von Rainer Balcerowiak

    Auch die Rede, die Roman Herzog im April 1997 im Berliner Hotel Adlon hielt, in der er einen „Ruck durch Deutschland“ anmahnte und eine Beschleunigung der neoliberalen Deregulierung in allen Lebensbereichen einforderte, hatte durchaus eine gewisse historische Dimension, zumal die wenig später installierte erste „rot-grüne“ Bundesregierung unter Gerhard Schröder und Joschka Fischer ihre Politik genau an diesen Maximen ausrichtete.

    Eine derartige „große Rede“ ist für die Bundespräsidenten die einzige Chance, sich einen einigermaßen wahrnehmbaren Platz in den Geschichtsbüchern zu sichern. Denn ansonsten haben sie – anders als etwa die Staatsoberhäupter in den USA oder Frankreich – vor allem repräsentative und protokollarische Aufgaben zu erfüllen und sind ausdrücklich angehalten, sich aus der legislativen und exekutiven Tagespolitik herauszuhalten. Wem das Momentum einer „großen Rede“ nicht vergönnt war, der endet in der Überlieferung dann möglicherweise als peinliche Witzfigur (Heinrich Lübke), Elbling-trinkender Volksliedinterpret (Walter Scheel), ewiger Wandervogel (Karl Carstens) , irrlichternder Möchtegern-Lebemann (Christian Wulff) oder penetranter Prediger (Joachim Gauck)

    Hans-Walter Steinmeier hatte es in seiner ersten Amtszeit zwischen Februar 2017 und Februar 2022 nicht zu einer „großen Rede“ gebracht. Eher genügsam und manchmal tapsig fügte er sich in die Rolle als gütiger, manchmal dezent mahnender Bundesonkel, die ihm Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dieser Personalentscheidung zugedacht hatte. Doch seine zweite Amtszeit fällt in eine „Zeitenwende“, die allerdings nicht er, sondern der Merkel-Nachfolger Olaf Scholz bereits am 27. Februar in einer Regierungserklärung ausgerufen hatte. In deren Mittelpunkt stand ein 100 Milliarden Euro umfassendes Aufrüstungsprogramm für die Bundeswehr.

    Der Pragmatiker Scholz widmete sich anschließend eher Waffenlieferungen an die Ukraine und allerlei „Entlastungsprogrammen“ bis hin zu einem „Doppel-Wumms“ zur Abfederung der desaströsen Folgen der Kriegspolitik für die Wirtschaft und große Teile der Bevölkerung. Und seine grünen Top-Ministerinnen und Minister Annalena Baerbock und Robert Habeck kündigten vollmundig an, Russland „ruinieren“ zu wollen, der Ukraine einen Freifahrtschein für die Eskalation des Krieges auszustellen und als deutschen Sonderweg uns selber den russischen Ölhahn zuzudrehen. Und natürlich die nagelneue Gas-Pipeline North Stream II nicht in Betrieb zu nehmen.

    Den „Demokratiefeinden“ die Leviten gelesen

    Das alles fanden die Regierenden in der Ukraine ziemlich Klasse, auch wenn es noch mehr und vor allem schneller schwere Waffen geben sollte, und Deutschland doch bitte ab sofort 500 Millionen Euro pro Monat extra überweisen möge, um u.a. die Auszahlung der Renten und der Bezüge der Staatsdiener sichern zu können. Aber unser Präsident hatte dort keine guten Karten. Galt er doch aus seiner Zeit als Außen- und Kanzleramtsminister als einer der langjährigen Protagonisten einer intensiven wirtschaftlichen Kooperation mit Russland und in ganz „dunklen Phasen“ auch einer europäischen Sicherheitsarchitektur unter Einbeziehung Russlands. Zeitweilig war Steinmeier in der Ukraine sogar eine persona non grata, und erst nach mehrmaligen reumütigen Entschuldigungen und vielen schicken neuen Raketenwerfern und Panzerhaubitzen wurde dem Präsidenten dann vor wenigen Tagen doch noch von seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj in Kiew eine Audienz gewährt .

    Das alles bietet natürlich ein optimales Umfeld für eine „große Rede“. Zumal viele Deutsche, vor allem in Ostdeutschland, diese Politik nicht gut finden, und jetzt sogar mit eindeutig „rechten“ und demokratiefeindlichen Forderungen wie nach dem Ende der Wirtschaftssanktionen und Initiativen für die Beendigung des Krieges auf die Straße gehen. Außerdem wollen die auch wissen, wie sie ihre Heizkosten und immer teurer werdenden Lebensmittel bezahlen sollen oder ihre berufliche Existenz sichern können.

    Denen hat Steinmeier am Freitag in seiner „Rede zur Lage der Nation“ gründlich die Leviten gelesen. Wäre der Präsident etwas lockerer, als er nun mal ist, hätte er sie unter das Motto „Schluss mit lustig“ stellen können. Der Krieg in der Ukraine sei ein „Epochenbruch“ Er habe „auch uns in Deutschland in eine andere Zeit, in eine überwunden geglaubte Unsicherheit gestürzt: Eine Zeit, gezeichnet von Krieg, Gewalt und Flucht, von Sorge vor der Ausweitung des Krieges zum Flächenbrand in Europa. Eine Zeit schwerer wirtschaftlicher Verwerfungen, Energiekrise und explodierender Preise. Eine Zeit, in der unser Erfolgsmodell der weltweiten vernetzten Volkswirtschaft unter Druck geraten ist. Eine Zeit, in der gesellschaftlicher Zusammenhalt, das Vertrauen in Demokratie (..) Schaden genommen hat“.

    Vorbei seien die „Jahre der Friedensdividende, von der wir Deutsche in der Mitte des vereinten Europas reichlich profitiert haben.(..) Freiheit und Demokratie schienen überall auf dem Vormarsch, Handel und Wohlstand in alle Richtungen möglich“. Und Deutschland habe immer nach Regeln gespielt, doch dann kam Putin und habe „nicht nur Regeln gebrochen und das Spiel beendet. Nein, er hat das ganze Schachbrett umgeworfen!“

    Beschwörung der „Volksgemeinschaft“ gegen Russland

    Nach dieser – sagen wir mal – recht limitierten Analyse des Ukraine-Konfliktes und der deutschen Rolle dabei kommt der „Blut,Schweiß&Tränen“ – Teil der Rede. Es werde „raue“ bzw. „harte“ Jahre geben und „wir brauchen den Willen zur Selbstbehauptung und auch die Kraft zur Selbstbeschränkung“, „Widerstandsgeist und Widerstandskraft“, eine entsprechend ausgestattete Bundeswehr und eine „Gesellschaft, die ihr den Rücken stärkt“. Frieden mit Russland könne man knicken, denn „im Angesicht des Bösen reicht guter Wille nicht aus“. Die Sanktionen seinen alternativlos und die Bürger sollten gefälligst nicht jammern, denn „Energie mag teurer werden, aber Freiheit ist unbezahlbar.“ Und diese Krise verlange halt „dass wir wieder lernen, uns zu bescheiden“. Wer ist eigentlich „wir“ und um welche „Freiheit“ geht es, mag man da fragen, darf man aber nicht, weil man sonst wieder bei den Rechten, den Demokratiefeinden und den Putin-Trollen gelandet wäre.

    Womit Steinmeier schließlich nach einem kurzen Klima-Schlenker bei der wehrhaften Demokratie landet, die schließlich auch zur bedrohten „kritischen Infrastruktur“ gehöre, „die wir besser schützen müssen“. Dazu brauche es „widerstandskräftige Bürgerinnen und Bürger“, die zwischen der Kritik an politischen Entscheidungen „und dem Generalangriff auf unser politisches System unterscheiden“, um dem „Gift des Populismus“ etwas entgegenzusetzen.

    Es folgt noch ein Werbeblock für ein soziales Pflichtjahr und ein bisschen Volksgemeinschafts-Gedöns („Reich und Arm, Jung und Alt, Stadt und Land: Verbindungen stärken, über Generationen und Lebenswelten hinweg – darum geht es mir jetzt“), und dann war der Spuk vorbei.

    Jedenfalls hat die Rede an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig gelassen. Steinmeier meint das Ernst, die Bundesregierung meint das auch Ernst, und die ganz große Koalition der alternativlosen Mitte aus CDU/CSU, SPD, Grünen, FDP, großen Teilen der Linken und einschlägigen staatstragenden Verbänden und Institutionen meint das ebenfalls Ernst. Wir sollen uns im doppelten bis dreifachen Sinne warm anziehen und ansonsten die Schnauze halten, schließlich geht es um einen „Epochenbruch“, was ja noch wesentlich dramatischer als „Zeitenwende“ klingt.

    Es war tatsächlich eine „große Rede“ des Bundespräsidenten. Eine unverhohlene Kriegserklärung an Alle, die sich der „westlichen Wertegemeinschaft“ entgegenstellen. Und auch an jene Teile der eigenen Bevölkerung, die sich der „Alternativlosigkeit“ dieser Politik verweigern. Eine Rede, die einer kraftvollen, wirkmächtigen Antwort bedarf. Um die gilt es jetzt zu ringen, und zwar schnell.

    #Allemagne #guerre #politique #2022

  • Leserbriefe zur Schließung des Goethe-Instituts Toulouse und damit zugleich zur Kulturpolitik der Bundesregierung
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=88958

    09. Oktober 2022

    Zwei mit den Goethe-Instituten und speziell mit dem Goethe-Institut in Toulouse/Frankreich verbundene Leser der NachDenkSeiten empören sich darüber, dass das Goethe-Institut in Toulouse geschlossen wird. Sie wenden sich mit Briefen an die Bundesregierung und an die Zentralverwaltung des Goethe-Instituts in München – mit wirklich triftigen Argumenten, allerdings auch sehr engagiert bis „sauer“. Wir geben Ihnen diese Briefe zur Kenntnis, auch deshalb, weil darin ein ganz anderer als der übliche Bereich von Politik und Kultur angesprochen wird – die deutsche Kulturpolitik im Ausland. Es wird in den Texten verständlich, dass und warum die betroffenen Menschen empört sind. Wir alle haben Gründe, diese Art von Kulturpolitik zu hinterfragen. Albrecht Müller.

    Brief an die Bundesregierung und die Zentralverwaltung des Goethe-Instituts vom 4. Oktober

    Rainer Kubis
    Am Feuerschlösschen 8
    D 53604 Bad Honnef

    An die Bundesregierung in Berlin
    An die Zentralverwaltung des Goethe-Instituts München

    Honnef, den 04. Oktober 2022

    Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
    sehr geehrte Damen und Herren Ministerinnen und Minister,
    sehr geehrte Damen und Herren der Zentralverwaltung des Goethe-Instituts,

    das Faktum: den Lehrern/Innen des Goethe-Instituts Toulouse wurde der Arbeitsvertrag zum 11. Oktober 2022 gekündigt, mit anderen Worten : die Sprachabteilung wird geschlossen, und in Kürze auch die Kulturabteilung, da die Immobilie, in der das Goethe-Institut untergebracht war, verkauft werden soll.

    Sie haben es anscheinend für nicht nötig gehalten, diese Schließung zu verhindern. 60 Jahre nach der Rede des General de Gaulle in Bonn werden die deutsche Kultur in Frankreich abgebaut und damit die deutsch-französischen Beziehungen einmal mehr belastet. 60 Jahre Arbeit, Aufopferung, Hingabe, das Engagement vieler, werden einmal mehr über den Haufen geworfen, für einen lächerlichen Betrag von 26 Millionen Euro Einsparung in einem Bereich, in dem nie gespart werden sollte. Können Sie sich wirklich guten Gewissens noch im Spiegel ansehen ? Was für ein Bild gibt die Bundesrepublik derzeit im Ausland ab? Unberechenbar, unzuverlässig, unbegreiflich.

    Damit verbinden sich weitere Fragen: die BRD, das Land, dessen Finanzhaushalt angeblich im Gleichgewicht steht, und das in Europa eine Vorreiterrolle spielt, mit erhobenem Finger auf all die Länder zeigt, deren Haushalt nicht so gut zu sein scheint, wo steht dieses Land wirklich? Es ist einfach, bei den Haushaltsdiskussionen in Europa den Bundeshaushalt vorzulegen, ohne die miserable Finanzlage der Länder und Kommunen. Es ist einfach, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, wenn seit 20 Jahren weder in das Straßen- noch in das Eisenbahnnetz und die Flusswege investiert wurde, und heute z. Bsp. über 4500 Autobahnbrücken zu renovieren sind. Es ist einfach, seine Krankenhäuser im wahrsten Sinne des Wortes kaputtgehen zu lassen, und damit Situationen hervorzurufen, die viele deutsche Bürger/Innen vor z. T. fast unlösbare Probleme stellen. Es ist einfach, die Leitung von Altenheimen an ausländische Firmen abzutreten, wobei die Leidtragenden sowohl die alten Menschen wie die zahlreichen Mitarbeiter/Innen sind, von denen einige Überstunden machen müssen, um Ferien zu bekommen, weil bei gewissen ausländischen Trägern die deutsche Gesetzgebung nur sehr spärlich und ohne wirkliche Überwachung von den Ämtern zum Tragen kommt. Es ist einfach, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, wenn seit 20 Jahren fast nichts ins Digitale investiert wurde.

    Zentrale Frage: wo ist das von den deutschen Bürgerinnen und Bürgern in den letzten 30 Jahren hart erwirtschaftete Geld geblieben? Was wurde daraus gemacht, dass sich dieses Land heute in einem zum Teil haarsträubenden Zustand befindet? Wie erklären Sie, dass man Sonderfonds für Militär (von dem die meisten Gelder nach Amerika gehen !!) und Energieprobleme einrichtet, aber keinen für die Kultur? Aber das Wort „Sonderfond“ sagt ja schon alles: taucht im Haushalt nicht auf, belastet also angeblich nicht den Steuerzahler. Und auch nicht den Staatshaushalt bei internationalen Debatten und Absprachen. Ein bedachteres und vernünftigeres Vorgehen beim Bau der Hamburger Philharmonie und des Berliner Flughafens hätten dem Steuerzahler über 5 Milliarden € erspart. Mit dem Betrag waren die kulturellen Ausgaben für das europäische Ausland erst einmal gedeckt.

    Außerdem war für das Jahr 2022 der Kulturhaushalt der BRD aufgestockt worden, auf 2,9 Milliarden €. Wie begründen Sie angesichts dieses Faktums die Einsparung von 26 Millionen, und damit, selbst als geringere Konsequenz, die Schließung des Goethe-Instituts Toulouse? Und keiner in der Zentralverwaltung des Goethe-Instituts reagiert ? Wurde auch ihnen Kommunikation untersagt, wie der Leiterin des Toulouser Instituts? Eigenartig.

    Angesichts solcher Irrwege stellt sich die Frage, wohin dieses Land gesteuert wird? Und wie die denken, die es steuern sollen und wollen?

    Deutschland wird für andere Europäer zu einem uninteressanten, unzuverlässigen Partner. Es sollte sich erst wieder einmal seiner kulturellen Geschichte und Tugenden bewusst werden, aufhören, mit dem Finger auf andere zu zeigen, und nie vergessen: Kultur und Begegnung schaffen Annäherung und Vertrauen, bilden die Grundlage. Auch wenn es noch Jahre braucht, um zu einem wirklichen Europa mit gemeinsamen Vorstellungen, Zielsetzungen, Zielen zu gelangen. Schumann, de Gaulle, Adenauer hatten den Weg eingefädelt und gezeigt. Es ist traurig und bedrückend, dass diesem bemerkenswerten Weg jetzt so radikale Hürden in den Weg gelegt werden. Dass damit fast extremistische Reaktionen in anderen Ländern ausgelöst werden, ist leider nicht mehr als eine logische Folge.

    Mit tief bedrückten sorgevollen Grüßen

    Rainer Kubis

    P. S. : Mein Schwiegervater, Franzose, 5 Jahre im Offiziersgefangenenlager in Soest, später Präsident der Industrie- und Handelskammer Paris, hat immer für die deutsch-französische Freundschaft gearbeitet. Mein Schwager, Franzose, hat „nur“ 150 Städtepartnerschaften in die Wege geleitet; meine Frau hat als erste Collège-Leiterin im Pariser Umfeld Englisch und Deutsch als 1. Fremdsprache in der 6ème eingeführt; ich selbst habe nur 30 Jahre ununterbrochen Schüleraustausch und 20 Jahre Schülerjahresaustausch organisiert und durchgeführt, und nur 38 Jahre am Goethe-Institut Toulouse gearbeitet. Unsere Beiträge sind bescheidene Beiträge zur deutsch-französischen Freundschaft; viele andere Personen und Persönlichkeiten, die wirkliche Akteure der deutsch-französischen Freundschaft waren und sind, haben noch wesentlich mehr geleistet. Aber wer und was sind Sie?
    Schreiben von Xavier Labourdique an die Zentralverwaltung des Goethe-Instituts. Xavier Labourdique ist seit 20 Jahren treuer technischer Mitarbeiter des Goethe-Instituts Toulouse

    Sehr geehrte Frau Prof. Dr. Lentz,
    sehr geehrte Herren des Vorstands,

    hiermit erlaube ich mir, Ihnen zu schreiben, um Sie auf die Lage Ihres Instituts aufmerksam zu machen. Ich weiß natürlich, dass in unserem Verwaltungssystem ein so kleiner Angestellter wie ich sich in keinem Fall an den Vorstand zu wenden hat. Die Umstände lassen mir jedoch heute keine andere Wahl, weder beruflich noch menschlich.

    Gerade dieses sehr hierarchisierte Modell zwingt mich zu diesem Brief, da unsere lokale Leitung vor Ort zum Schweigen verpflichtet wurde, und die Leitungen in Paris oder Brüssel uns nicht verteidigen, vermutlich aus denselben Gründen, wage ich zu hoffen.

    Ich bin sicher, dass die von Ihnen beschlossene Schließung Ihres Toulouser Instituts, über die Sie diesen Sommer entschieden haben, ein schwerwiegender Fehler und eine enorme menschliche, kulturelle und historische Ressourcenverschwendung ist. Daraus leite ich ab, dass diese ohne eine eingehende Kenntnis der Lage vor Ort durchgezogen wurde.

    Mangels einschlägiger Argumente ist die regionale Leitung von Süd-West-Europa nur 2 Stunden nach Toulouse gekommen, um zu versuchen, diese grausame und unverständliche Entscheidung zu rechtfertigen. Uns wurden lediglich die Einschränkungen in Verbindung mit der geopolitischen Lage mitgeteilt, aber es wurde nie auf nur eine unserer konkreten Fragen geantwortet; gearbeitet wurde mit Zahlen aus den Jahren 2015-2016, einer Stagnation, angeblich auf den aktuellen Zahlen aufbauend, wobei wir aus einer Pandemie herauskommend durch das außerordentliche Engagement unseres pädagogischen Teams bewiesen haben, wie dynamisch die Sprachabteilung ist. Als Beleg führe ich eine 30-prozentige Zunahme unserer Voreinschreibungen an für September 2022! Aber das Paradoxon: unsere Lehrkräfte werden zur Zeit bezahlt, und unsere Studenten haben keinen Unterricht …. Noch viel schlimmer : in unserem 60-jährigen Institut finden nur Italienisch- und Griechischkurse statt (Saalvermietung als Beitrag zur Kosteneinsparung !) !

    Anscheinend haben Sie nie über die genauen lokalen Zahlen verfügt, die belegen, dass das Toulouser Goethe-Institut das ist, was in Frankreich das geringste Defizit aufweist. Anscheinend ist Ihnen auch nicht klar, wie es in dem Kontext dieser Hauptstadt von Airbus und der zweitgrößten Universitätsstadt Frankreichs nach Paris aussieht.

    Wenn die Pariser Leitung nichts von einem Opfer wissen will und gegenüber den Medien nur von Restrukturierung und einem Übergang zu Online-Kursen spricht, dann verschweigt sie wissentlich die 150 Studenten, deren Aus- bzw. Weiterbildung von heute auf morgen abgebrochen wurde, und deren finanzielle Unterstützung für viele auf immer verloren ist. Was auch verschwiegen wird, ist die plötzliche Aufhebung der Möglichkeit, Prüfungen abzulegen wie auch das brutale Ende der materiellen und pädagogischen Unterstützung der Deutschlehrer an den Schulen und Gymnasien der Region.

    Sehr geehrte Frau Prof. Dr. Lenz, sehr geehrte Herren des Vorstands, glauben Sie wirklich, dass hunderte von Personen durch Frankreich fahren, um gutem Unterricht folgen zu können, wesentliche Prüfungen abzulegen oder pädagogische und materielle Hilfestellungen zu bekommen, und so ihre Beziehung zur deutschen Sprache aufrecht erhalten?

    Nein! Ihre Preisgabe des Instituts wird sich gravierend auf die Attraktivität der deutschen Sprache in den kommenden Jahren auswirken.

    Schon jetzt fallen zahlreiche partnerschaftliche linguistische Projekte mit den lokalen Universitäten, Gebietskörperschaften, Vereinen und Unternehmen unter den Tisch, wegen einer Entscheidung, die weder auf humaner noch buchhalterischer noch kultureller Ebene nachvollziehbar ist.

    Gleichzeitig werden 7 meiner Kolleginnen, ihrer Aufgabe ergeben und in jeder Hinsicht exemplarisch, in unwürdiger und fast brutaler Form „bedankt“ (entlassen ), ohne das aktuelle Programm zu Ende führen zu dürfen. Das Bild, das die Zentralverwaltung und damit Deutschland hier abgeben, ist ein schwer lädiertes.

    Ein Kollektiv unserer Studenten hat eine Online-Petition gestartet, die bis jetzt von mehr als 3000 Personen unterzeichnet wurde ( der Link ). Unsere Studenten haben einen ganzen Tag lang während unseres „Tags der offenen Tür“ eine Demo gemacht, am 10. September 2022, und eine große Demo wird diesen Samstag (08. Oktober 2022) in den Toulouser Straßen mit Unterstützung der Stadtverwaltung und des Bürgermeisters stattfinden.

    Sie scheinen den Abbau dieser hervorragenden Sprachabteilung zusätzlich noch durch die Absicht zu belegen, die Immobilie zu verkaufen, in dem sie untergebracht ist. Unsere Kulturabteilung muss sich zu Recht Sorgen machen, denn die Kosten nehmen ja nicht ab, während die Sprachabteilung rentabel war.

    Es ist eindeutig, dass der eventuelle Ertrag eines Verkaufs der Immobilie dem Goethe-Institut nichts bringt, und dass das Außenministerium lediglich den Hypothekarwert reinholt angesichts der kommerziellen Ausrichtung der Räume und Einrichtungen.

    Über die finanziellen und menschlichen Aspekte hinausgehend, und die Anerkennung Ihres bemerkenswerten Teams hier vor Ort beschädigt Ihre schwerwiegende Entscheidung das Herz der Begegnungen, der Kultur und der deutsch-französischen Freundschaft im gesamten Südwesten Frankreichs. Diese beschlossene Schließung würde damit zu einer schwarzen Seite in der Geschichte der menschlichen Beziehungen, die unsere zwei Völker verbindet, in einer Region, wo so viele deutsch-französische Paare und Familien sich für menschliche, kulturelle, oder berufliche Projekte zusammenschließen.

    Ihre Vorgänger haben in der Vergangenheit gezeigt, wie sehr es ihnen daran gelegen war, dieses Institut hier aufzubauen und zu erhalten, als wesentlichen und vitalen Vektor der deutsch-französischen Freundschaft, seit dem Freundschaftsvertrag zwischen Bundeskanzler Konrad Adenauer und dem General Charles de Gaulle.

    In der Hoffnung, dass auch Ihnen die Ausstrahlung deutscher Kultur und Sprache am Herzen liegen, wende ich mich an Sie mit der Bitte, alles zu unternehmen, was in Ihren Kräften steht, diese inhaltlich und formal völlig unbegründete Entscheidung gründlich zu überdenken und rückgängig zu machen.

    Bitte nehmen Sie den Ausdruck meiner Hochachtung entgegen !

    Xavier Labourdique

  • Spotify und Co. – die Streaming-Ökonomie forciert das Elend der kleinen Künstler
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=80395

    3.1.2022 von Jens Berger - Drohte der Musikbranche noch vor zwanzig Jahren durch CD-Brenner und MP3s der Ruin, feiert man heute Jahr für Jahr Rekordumsätze. Zwei Drittel der Umsätze werden dabei durch kommerzielle Audio-Streaming-Dienste erzielt. Doch nur weil sich mit Musik mehr Geld machen lässt als je zuvor, heißt das nicht, dass dieses Geld auch bei den Künstlern ankommt. Wenn Sie einen Song bei Spotify abspielen, bekommt der Rechteinhaber dafür lächerliche 0,003 Euro, wovon die Künstler selbst nur einen kleinen Teil bekommen. In Zeiten von Corona ist dies für viele Musiker der Todesstoß. Das Oligopol der Plattformen sorgt nicht nur für Umverteilung von den kleinen (armen) zu den großen (reichen) Künstlern, sondern setzt auch künstlerisch fragwürdige Anreize. Von Jens Berger

    Noch nie wurde mit Musik so viel umgesetzt. Der Branchenprimus Spotify konnte zum Ende des letzten Quartals 172 Millionen zahlende Abonnenten und 381 Millionen nicht-zahlende Nutzer vermelden, mit denen der Streaming-Dienst über Werbejingles einen kleineren Teil seiner Einnahmen generiert. Im letzten Quartal nahm Spotify insgesamt stolze 2,5 Milliarden Euro ein, hochgerechnet auf ein Jahr entspricht dies der Summe von 10 Milliarden Euro. Das ist sehr viel Geld. Doch wer bekommt eigentlich die Einnahmen?

    Dazu ein Rechenbeispiel. Ich bin Abonnent und zahle jeden Monat 10 Euro für den Dienst. Von diesen 10 Euro gehen erst einmal Steuern und Transaktionskosten (z.B. an die Bezahlplattform PayPal) ab. Grob geschätzt kommen bei Spotify also 7,50 Euro an. Davon kassiert der Dienst ein Drittel für sich selbst und schüttet zwei Drittel an die Rechteinhaber aus. Diese Ausschüttung erfolgt nach einem ganz einfachen Motto – sämtliche Gelder zur Ausschüttung werden in einen Topf geworfen und der Summe aller Streams im gleichen Zeitraum gegenübergestellt. Ein Song, der 1% der Streams ausmacht, bekommt also 1% der Summe aus dem Topf. Klingt gerecht? Ist es aber nicht. Dazu weiter im Rechenbeispiel.

    Wenn ich als etwas älterer Mann, der voll für den Dienst zahlt, hin und wieder mal einen Song höre, komme ich auf vielleicht 100 Abrufe pro Monat. Spitzen wir es mal zu und unterstellen, ich hätte im letzten Monat 100 Songs von einer kleinen Alternative-Band gehört, deren Fan ich bin. Eigentlich sollte diese Band doch dann fünf Euro (zwei Drittel von 7,50 Euro, die von meinem Abo im Topf landen) bekommen. Doch das verhindert – rein hypothetisch versteht sich – mein Sohn. Der ist jung, braucht jeden Euro, und hört Spotify als nicht zahlender Kunde mit Werbeunterbrechungen. Er hört jedoch auch viel mehr Musik als ich. Sagen wir mal, er kommt am Tag auf 50 Songs, also 1.500 pro Monat. Und – abermals rein hypothetisch[] – er hört nicht wie ich Musik einer kleinen Alternative-Band, sondern nur die Gassenhauer des deutschen Rappers und Megastars Capital Bra. Im Topf sind immer noch nur meine 7,50 Euro, die verteilen sich jetzt aber auf 1.600 Abrufe, von denen meine geliebte kleine Band mit 100 Abrufen nur 6,25% bekommt. Die Alternative-Band – bzw. deren Musikverlag – bekommen am Ende also nur 47 Cent und der Rapper Capital Bra bekommt stolze 7,03 Euro. Und das, obwohl ich als zahlender Kunde seine Musik weder mag noch überhaupt gehört habe.

    Dieses Rechenbeispiel mag recht konstruiert wirken, ist es aber nicht. Der Rapper Capital Bra kommt in Summe auf 1,4 Milliarden (ja, das ist kein Schreibfehler) Streams pro Jahr. Das sind selbst bei der lächerlich klingenden Ausschüttungsquote von 0,003 Euro pro Stream stolze 4,2 Millionen Euro. Meine kleine Band kommt hingegen auf beispielsweise rund 100.000 Streams. Das sind gerade mal 300 Euro. Davon lässt sich nicht nur nicht leben – das reicht noch nicht einmal, um ein Lied überhaupt erst einmal zu produzieren.

    Ja, auch in den Zeiten vor Spotify herrschte im Musikgeschäft nicht gerade der Sozialismus. Wer mehr Platten oder CDs verkaufte, verdiente natürlich auch mehr Geld. Doch damals lief die Verteilung auch über die Brieftaschen der zahlungswilligen Hörer. Und wenn ich mir eine CD von „meiner“ Band gekauft habe, wusste ich, dass davon rund drei Euro auch an diese Band gehen und ich nicht den Großteil meines Geldes irgendwelchen Teenie-Stars in den Rachen stopfe, die sich dafür Sportwagen, Villen oder sonstwas kaufen.

    Spätestens seit Musik vornehmlich in digitaler Form gehört wird, hat sich das Einnahmenmodell der Musiker ja ohnehin geändert. Gab es früher kostenlose Gigs, auf denen dann die CDs verkauft wurden, ist heute die digitale Musik im Grunde kostenlos, dafür bezahlt man gutes Geld, wenn man seine Bands live sehen will. Das ist ja auch in Ordnung, nur dass dieses Geschäftsmodell natürlich durch die Corona-Maßnahmen massiv in Unwucht geraten ist. Wenn es keine Konzerte und keine Live-Musik mehr gibt, dann bleiben vor allem die Künstler auf der Strecke, deren Musik nicht von Teenies auf Spotify rauf und runter gehört wird. Ein Capital Bra kann mit seinen Spotify-Einnahmen indes ohne Probleme mal ein oder zwei Jahre Konzertpause einlegen.

    Nun sind auch Musikverlage keine wohltätigen Einrichtungen und haben dementsprechend auch ihr künstlerisches Programm umgestrickt. Geld bringt, was kurz ist und von Teenies pausenlos gehört wird. Längere, konzeptionelle Stücke, die früher in Albenform ihre Anhänger fanden, bringen bei dem Spotify-Modell kaum Einnahmen. Wen wundert es da, dass z.B. die Hälfte der zehn meistgeklickten Songs des Rappers Capital Bra noch nicht einmal drei Minuten lang sind? Das sechs Minuten lange Queen-Meisterwerk Bohemian Rhapsody wäre heute aus kommerziellen Gründen wohl in einer Kurzversion produziert worden und die Elektro-Musik-Pioniere von Kraftwerk wären bankrott gegangen, erzielt ihr 23-Minuten-Epos „Autobahn“ doch rein statistisch bei einem Stream-Abruf nur ein Zehntel der Einnahmen, die der Rapper Capital Bra mit seinen kurzen Stücken generiert.

    1974 war Kraftwerks Album „Autobahn“ ein großer kommerzieller Erfolg und stand sowohl in Deutschland wie in Großbritannien und den USA in den Albumcharts. Geschätzte 140.000 Mal ging die Platte damals über den Ladentisch. Zu heutigen Preisen hatte die Band dafür etwas mehr als eine halbe Million Euro an Verkaufseinnahmen erzielt. Unterstellen wir mal großzügig, dass jeder Käufer den Song „Autobahn“ fünfzigmal hört, entspräche dies sieben Millionen Streams. Dafür würde Spotify heute 21.000 Euro ausschütten. Schwer vorstellbar, dass eine Band wie Kraftwerk heute so ein konzeptionelles, kulturell wertvolles Werk so produzieren könnte.

    Und das Beispiel Kraftwerk ist noch nicht einmal repräsentativ für die Problemstellung, da Kraftwerk ja gemessen an Verkäufen und Abrufen selbst zu den Großen gehört. Künstler mit kleiner oder mittlerer Reichweite kommen beim Ausschüttungsmodell von Spotify bestenfalls auf ein kleines Trinkgeld. Andere Künstler gehen ganz leer aus. Auch die NachDenkSeiten sind mit ihrem Podcast bei Spotify vertreten und die Bücher der NachDenkSeiten-Macher Albrecht Müller und Jens Berger sind in Hörbuchform dort ebenfalls präsent. Selbstverständlich haben wir von der Plattform noch keinen einzigen Cent gesehen, was zumindest beim NachDenkSeiten-Podcast wie bei allen NachDenkSeiten-Formaten auch ja in Ordnung ist, da wir unsere Inhalte über die Spenden unserer Leser finanzieren und überhaupt nicht von großen Plattformunternehmen kommerziell vertreiben lassen wollen.

    Ferner stellt sich hier die Frage, wofür genau eigentlich die riesigen Plattformunternehmen wie Spotify, aber auch deren Konkurrenten Apple Music, Amazon Music und das zum Google-Konzern gehörende YouTube-Music derart stolze Vertriebsgebühren kassieren. Wenn alleine Spotify 10 Milliarden Euro Umsatz macht, heißt dies, dass ein Drittel dieser Summe direkt an den börsennotierten Konzern und nicht an Künstler und Rechteinhaber geht. Die Kosten für die technische Infrastruktur dieser Konzerne ist sicher nicht gering, aber ganz sicher auch nicht annähernd so hoch.

    So kommt es dann, wie es kommen muss. Die Oligopolisten wachsen, indem sie kleinere, innovativere Konkurrenten aufkaufen und die mit Aktienanteilen ausstaffierten CEOs und Gründer wissen nicht wohin mit ihrem Geld. Jüngst machte ein Investment der besonderen Art von Spotify-Gründer Daniel Ek in den Fachmedien Schlagzeilen. Der benutzte nämlich die Einnahmen von Spotify dafür, um sich mit 100 Millionen US-Dollar am deutsch-britischen Rüstungsstartup Helsing zu beteiligen. Helsing entwickelt künstliche Intelligenz für das Schlachtfeld der Zukunft. Mit jedem Song, den ein möglicherweise ja sogar friedensbewegter Künstler via Spotify streamen lässt, geht so ein klitzekleiner Anteil in die Rüstung. Und wo bleibt der Aufschrei? Den gab es tatsächlich, einige wenige kleine Künstler riefen zum Boykott auf. Doch der Aufschrei verhallte. Ohne die ganz großen Namen der Branche lässt sich der Goliath nicht beeinflussen. Und da die ganz großen Namen ja fürstlich an den horrenden Einnahmen beteiligt werden, ist deren Gewissen ruhiggestellt. Außer es geht um Kritik am System, die über Spotify geäußert wird.

    So hat es der US-Comedian Joe Rogan doch tatsächlich gewagt, in seinem Podcast den durchaus kontroversen US-Wissenschaftler Robert W. Malone zu Wort kommen zu lassen. Schnell war die Rede von Desinformation und die Aufregung groß. Der Altrocker Neil Young nahm aus Protest seine Songs von der Plattform, andere Altstars, die es nicht so mit der Meinungsfreiheit halten, folgten ihm. Auch in Deutschland wurde darüber äußerst einseitig berichtet. So bezeichnet die Süddeutsche Joe Rogan, der bei der Präsidentschaftswahl zunächst der linken Pazifistin Tulsi Gabbard und dann dem linken Bernie Sanders sein Endorsement gegeben hat, faktenwidrig als „Rechtspopulisten“. Seltsamerweise hatte diese Art von Kritik sogar Erfolg. Nun will Spotify „coronakritische Inhalte“ wie schon Facebook oder YouTube mit einem redaktionellen Warnhinweis versehen.

    Systemimmanente Kritik hat also durchaus Chancen auf Erfolg. Nur dass man mit systemimmanenter Kritik an den eigentlichen Problemen der Streaming-Ökonomie nichts ändern kann. Was nötig wäre, wäre ein Aufstand der Künstler – idealerweise in einem Boot mit den Musikverlagen. Doch die Major Labels leben ja sehr gut von einer Umverteilung von unten nach oben. Bleiben die Kleinen. Können die Davids den Goliath besiegen? So paradox es klingt: Ja, das können sie. Wenn die – meist finanzstärkeren und zahlungswilligen – Anhänger anspruchsvoller Musik ihre Lieblingskünstler nicht mehr bei Spotify finden und den Dienst kündigen, hat dies wie eingangs ausgeführt große Auswirkungen auf das Geschäftsmodell. Die jungen – meist finanzschwachen und nicht zahlungswilligen – Fans der ganzen Rap-, Hip-Hop- und Plastikpop-Musik liefern zwar viele Klicks, aber kein Geld. Und das ist die einzige Währung in der Streaming-Ökonomie. Ein Aufstand hätte also durchaus Aussicht auf Erfolg. Aber er muss auch kommen. Auf gesättigte Altstars kann man da nicht zählen. Nun müssen die jungen, innovativen Künstler, von denen Spotify lebt, auf die Barrikaden gehen.

    ] Mein Sohn möge mir, wenn er dies liest, verzeihen, dass ich ihn für dieses Beispiel als Billig-Rap-Fan missbraucht habe. Er macht selbst Musik, hat einen guten Musikgeschmack fernab von Capital Bra und Co. Aber irgendwie musste ich ja ein Rechenbeispiel konstruieren, das repräsentativ ist, wenn wir es schon nicht sind ;-)

  • Solidarität statt offene Grenzen ! | Rubikon
    https://www.rubikon.news/artikel/solidaritat-statt-offene-grenzen

    10.8.2018. von Hans-Jürgen Bandelt - Mit ihrer Hetze gegen Heimatgefühle stärkt die Lifestyle-Linke den neoliberalen Wahn.

    „Solidarität statt Heimat“ — welch abartige Gegenüberstellung, die als Aufruf (a) bereits mehr als 12.000 Intellektuelle aus dem mutmaßlich linken Milieu unterzeichnet haben! Denn Solidarität und Heimat betreffen völlig verschiedene Ebenen. Und vieles wäre vorab zu klären: Für was oder gegen was und überhaupt mit wem soll wer solidarisch sein? Und was ist Heimat? Solidarität mit den Ausgebeuteten und Unterdrückten ist zu üben, in der Heimat wie international. Offene Grenzen sind als Phantasmen zurückzuweisen.

    Solidarität statt Heimat

    Im Sommer und Herbst der Großen Migration war die Welt scheinbar noch in Ordnung: Es gab sie, die Willkommenskultur. Sie wurde gefeiert – ach, wie war das schön und gut. Aber sie war von oben verordnet: „Wir schaffen das!“ war der Zuruf der Bundeskanzlerin an die Zivilgesellschaft und meinte doch übersetzt: Kümmert Euch gefälligst um die, die da in Massen kommen, wir – der Staat – tun es nicht, wir verwalten nur notdürftig – oder erst mal gar nicht.

    Und die Menschen glaubten tatsächlich, daß sie es schaffen könnten. Das konnte so nicht gutgehen, da es nie zuvor eine konsequente Integrationskultur in Deutschland staatlicherseits gegeben hatte.

    Asylanten waren dem Staate immer lästig. Und wenn man sie am Ende nicht loswerden konnte ohne Gesichtsverlust, mußten sie um jeden Sprachkurs, jede Integrationsförderung kämpfen und ansonsten halt sehen, wie sie klarkamen in dieser Gesellschaft.

    Sie schafften sich Subkulturen – generationsübergreifend. Jener denkwürdige Herbst rief ein Nachspüren und Nachdenken hervor, und kritische Stimmen meldeten sich, die die Merkelsche Inszenierung gar nicht gut fanden.

    Nun hat sich ein linksliberales Willkommensmilieu tief getroffen gefühlt und sendet Signale an die Kritiker, um sie als unsolidarische Hetzer zu brandmarken: „Wir erleben seit Monaten eine unerträgliche öffentliche Schmutzkampagne, einen regelrechten Überbietungswettbewerb der Hetze gegen Geflüchtete und Migrant*innen, aber auch gegen die solidarischen Milieus dieser Gesellschaft“ – so lautet es im Aufruf „Solidarität statt Heimat“, den jüngst Intellektuelle aus dem mutmaßlich linken Milieu unterzeichnet und ins Netz gestellt haben.

    Daß von „Geflüchtete und Migrant*innen“ im politisch korrekten Gender-Neusprech statt von „Flüchtlingen und Einwanderern“ in normalem Deutsch gesprochen wird, läßt erahnen, daß hier die Postmoderne die Hand der Aufrufschreiber geführt hat.

    „Wenn diese Welt noch nicht gut ist, darf man sie nicht als gut verteidigen. Und deswegen muss man auch jene kritisieren, die unablässig die Schönheit dieser Welt hervorheben. Das sind die liberalen Moralisten. Sie sind konservativ. Derjenige, der aus Liebe zur Welt handelt, ist progressiv. Er hat noch etwas vor. Er will noch vorankommen. Deswegen kritisiert er.
    Er kritisiert nicht aus rechter Ideologie. Nein, er kritisiert aus Liebe. Aus Liebe zur Welt. Er denkt auch an die, die im Denken eines ,progressiven Neoliberalismus‘ ausgeschlossen sind. Er denkt an die Ausgebeuteten und die Abgehängten. Gerade für sie will er vorankommen. Das ist Liebe. Solidarität. Und genau deswegen muss der liberale Moralismus auch kritisiert werden. Gerade jener, wie er sich in der Flüchtlingspolitik offenbarte“ (Nils Heisterhagen: Die liberale Illusion, J.H.W. Dietz Nachf., 2018, S.24f).

    Heimat

    „Heimat ist ein wesentlicher Teil der Identität! Warum ist das so? Weil Heimat eine Vertrauenswelt darstellt“ (1). Heimat ist ein positives Grundgefühl vieler Menschen, was es ihnen erst ermöglicht, solidarisch zu sein mit anderen Menschen. Aber es ist doch mehr als nur so irgendein Gefühl: Es ist an eine größere, teils lose Gemeinschaft und nicht nur auf die eigene Kernfamilie bezogen. Und damit ist es an einen Ort oder mehrere Orte gebunden. Insofern verkürzen den Begriff Heimat sowohl Mojib Latif, wenn er charmant vorträgt „Heimat ist dort, wo meine Frau ist“, als auch Herbert Grönemeyer, wenn er gepreßt singt „Heimat ist kein Ort, sondern ein Gefühl“.

    Auch die Kulturanthropologin Carola Lipp sagte in einem Interview, daß Heimat immer eine territoriale Komponente hat (2). Und weil uns das Heimatgefühl so wichtig ist, wird dieses immer wieder durch eine reaktionäre Politik von Parteien wie CSU und AfD instrumentalisiert.

    Wenn DIE LINKE nun mit dem Begriff Heimat fremdelt, weil es einen Seehofer und ein Heimat-Ministerium gibt, so schüttet sie das Kind mit dem Bade aus.

    Dadurch, daß nicht nur der politische Mißbrauch abgewiesen wird, sondern auch die individuelle Vorstellung von Heimat dabei verdammt wird, werden gerade die Menschen der Unterschicht, die sich nicht einmal in kleinsten Dosen die Illusion eines kosmopolitischen Lebens leisten können, auch noch ihrer Gefühle enteignet.

    Das ist die Ignoranz und Arroganz der hippen und selbstgerechten, oberen Mittelschicht und unteren Oberschicht. Die Unverbundenheit mit ihrer Umgebung ist dem flexiblen Kosmopoliten eigen: Ihm ist die alte Heimat fremd geworden, weil er sich im Zuge seiner globalen Karriere hat entwurzeln lassen. Er ist immer bei seinesgleichen und nirgendwo richtig zuhause, nirgendwo wirklich solidarisch mit den Menschen, die ihn zufällig umgeben und ihm dienstbar sind. Solidarität kennt er nur abstrakt als moralischen Imperativ. Die Selbstgerechtigkeit, die ihn einhüllt, nimmt er als Heimatersatz überall mit hin.

    Solidarität

    „Vorwärts, nicht vergessen, die Solidarität“ – hatte 1931 einst Ernst Busch gesungen. Welche Solidarität hatte er gemeint? Die der Arbeiterklasse. Denn nur vereint kann sie sich der Ausbeutung erwehren. Das war früher nicht anders als heute. Nur, was heute anders ist: Wer fühlt sich noch zur Arbeiterklasse gehörig? Der Arbeitslose, der Leiharbeiter, der Handwerksgeselle, der noch vom Jobcenter geförderte Scheinselbstständige oder der jeder Willkür ausgesetzte Lehrbeauftragte an einer Universität? Viele Schichten gibt es und scheinbar wenig Gemeinsamkeiten.

    Oder sollten wir an die Flüchtlinge denken und meinen, sie seien der neue Messias der Arbeiterklasse, der alle eint? Auch wenn kein Schwan, sondern ein Rettungsschiff sie brachte. Daniela Dahn fragte dazu (3): „Sind die Flüchtenden das ersehnte revolutionäre Subjekt, das Egalisierung und Ökologisierung zwangsläufig vorantreibt? Endlich eine Globalisierung von unten? Prekarier aller Länder vereinigt euch!“

    Nein, eine Globalisierung von unten kann es nicht geben, dazu haben die Unterprivilegierten nicht die Mittel und Möglichkeiten, die die herrschende Klasse hat, die global bestens vernetzt ist. Und auch das World Wide Web wird eines nicht so fernen Tages ganz und gar von den Mächtigen kontrolliert und zugeteilt werden.

    Und ebensowenig sind die Flüchtlinge selber revolutionäre Subjekte, denn die, die zu uns kommen, wollen nur ihr Leben retten, was ihr gutes Menschenrecht ist, und hoffen, wohl vergeblich, auf ein menschenwürdiges Dasein hierzulande.

    Solidarität kann nicht direkt im Weltmaßstab funktionieren, sondern sich nur unmittelbar in Dialogen und Aktionen entwickeln. Zunächst in einem begrenzten Bereich des Kontaktes, wo Menschen in ähnlicher Weise der Ausbeutung unterliegen. Solidarität ist keine wohlfeile Gesinnung, die man wie eine Monstranz vor sich herträgt, sondern aktives Handeln, wo immer sie gefragt ist – im Klassenkampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung.

    Wer also die unbedingte und globale Solidarität preist und gleichzeitig eine beliebte Politikerin, die Ikone der Linken, in die Nähe von Rassisten rückt, muß wohl etwas anderes mit Solidarität meinen. Denn Solidarität meint auch Konsens – und der ist in der Postmoderne mit ihrem ungehemmten Subjektivismus nicht mehr gefragt, sondern nur der Kampf gegen die Anderen, die man dämonisiert.

    Wie es im Solidaritätslied klingt „Unsre Herrn, wer sie auch seien, sehen unsre Zwietracht gern, denn solang sie uns entzweien, bleiben sie doch unsre Herrn“, so ist es auch heute.

    Die Zwietracht, die die urbanen Mittelschichtler – und mit ihr die akademischen Aufrufer zu „Solidarität statt Heimat“ – sähen, nützt genau diesen Herrn – den Profiteuren des Neoliberalismus.

    Denn sie wollen keine Grenzen respektieren, die sie daran hindern könnten, nach Belieben Finanzkapital hin- und herzuschieben und Humankapital, von wo auch immer, einzusetzen und auszubeuten.

    Offene Grenzen
    „Fernziel muss eine Welt sein, in der jeder leben kann, wo er will. Ein Privileg, das die Reichen längst haben“, drückt Daniela Dahn wohl das aus, was wohl auch viele der Aufrufunterzeichner denken mögen (3). In der Tat ist sie damit nicht allein – viele in DER LINKEN würden die naive Forderung „Jeder Mensch muss das Recht haben zu wählen, wo sie oder er leben möchte“ unterschreiben (4). Wir leben aber nicht in Utopia, wo alle Menschen einander wohlgesonnen sind und sich mit Wertschätzung begegnen.

    Wollen wir, die wir uns noch Menschlichkeit bewahrt haben, wirklich rücksichtslos wie manche Superreiche leben? Reiche wollen natürlich nicht mit den Menschen in einer Favela in Rio leben, sondern suchen sich global die abgegrenzten Sahnestücke an Villen mit grandiosem Seeblick und guter Flughafenanbindung aus. Wenn das nun alle wollten – wie sollte das gehen?

    Jenes „Fernziel“ ist eine Utopie mit Geschmäckle. Denn Siedlerkolonisten haben zu allen Zeiten diese sogar als Nahziel gehabt: Sie haben sich das Recht herausgenommen, da zu siedeln, wo sie wollten und wo andere bereits lebten – mit den fatalen Konsequenzen von Ermordung, Vertreibung und Einsperrung der Indigenen, wie einst in Amerika, Südafrika und aktuell noch in Palästina.

    Der Chefkommentator der rechtskonservativen WELT begrüßte jüngst das neue rassistische Nationalitätengesetz Israels und brach in Bezug auf den jüdischen Staat Israel in ekstatischen Jubel aus: „Er ist die Verwirklichung eines Ideals von Heimat, einer Heimat, die die geschundenen Juden über Jahrhunderte ersehnt haben und sich erobern mussten“ (5). Ja, genau, sie haben ihre neue Heimat erobert, nur halt auf Kosten der Palästinenser, die sie massenhaft ermordet, vertrieben oder in Freiluftgefängnisse eingepfercht haben im Laufe der letzten sieben Jahrzehnte.

    Staatsgrenzen haben gerade auch die Funktion, diejenigen, die in einer großen Gemeinschaft leben, zu schützen, indem bestimmte Gesetze nicht verletzt werden dürfen und gewisse Regeln zu beachten sind. Ein globaler Raubtierkapitalismus kann so zunächst daran gehindert werden, ungehemmt seinen Raum des Ausbeutens beliebig zu erweitern.

    Israel hat übrigens keine offiziellen Staatsgrenzen, so daß die Palästinenser unter der Besatzung und Lufthoheit des israelischen Militärs ungeschützt bleiben und der israelische Staat der privilegierten Juden weiterhin Eroberungspolitik auf Kosten der Palästinenser machen kann. Hier rächt sich das Versagen der Weltgemeinschaft, die nicht beizeiten Israel angeklagt und isoliert hat.

    Grenzen erinnern selbst flüchtige Besucher, daß andere Gemeinschaften andere Sitten und Gebräuche haben, die auch bewahrt werden wollen. So heißt es schon bei Ankunft auf dem Narita Airport mit großen Lettern (seit mehr als einem Vierteljahrhundert): „Welcome to Japan. Please respect the rules. (Willkommen in Japan. Bitte respektieren Sie die Regeln.)“ Da hält man erst einmal inne.

    Eine ungeregelte Freizügigkeit – außer in humanitären Notsituationen – kann es nicht ohne Konflikte geben. „Als international anerkanntes Menschenrecht bezieht sich Freizügigkeit allein auf das Recht eines Bürgers, das eigene Land zu verlassen und wieder dorthin zurückzukehren“ (6). Selbst Staaten müssen nicht absolute Freizügigkeit innerhalb ihrer Grenzen gewährleisten, im Sinne eines postulierten Gemeinwohls, wie das Beispiel der Volksrepublik China lehrt.

    Grenzenlose Utopien

    Wer offene Grenzen, also absolut ungehemmte Freizügigkeit will, müsste eigentlich Staatsgebilde grundsätzlich ablehnen, also einer anarchistischen Utopie folgen. So wie dies seit rund zwanzig Jahren die deutsche Bewegung „Kein Mensch ist illegal“ und das europäische „No-Border-Netzwerk“ tun.

    Nun ist nichts gegen Utopien einzuwenden, seien es anarchistische, kommunistische, christliche oder andere, solange sie auf einem Humanismus gegründet sind, Orientierungen geben und Gedankenspiele bleiben. Man wird doch noch träumen dürfen. Problematisch wird es allerdings, wenn man meint, hier und heute Teile von Utopien realisieren zu wollen – inmitten eines neoliberal-kapitalistischen Umfelds, ohne die Grundfeste des ökonomischen Systems anzugreifen und anzutasten. Die Teilutopien, die dann scheinbar real umsetzbar sind, werden dann genau die sein, die dem Neoliberalismus dienstbar sind.

    „Naiver Kosmopolitismus bringt niemanden weiter. (...) Denn von Globalisierung hat bislang im Grunde nur das Kapital wirklich profitiert. Und die ,neuen Liberalen‘, die ,neuen Linken‘, die helfen seit Jahren dem Kapital dabei, wirklich zu profitieren“ (Nils Heisterhagen).

    Wer Utopien unmittelbar in seiner Tagespolitik verfolgt, ist naiv, weil er die Folgen nicht bedenkt. Früher hieß es im Klassenkampf: Man muß den Klassenfeind studieren, also damals etwa FAZ lesen. Heute ist jeder nur mit seinem beruflichen Vorankommen, seinen sichtbaren Moralattributen auf Facebook und mit der Resonanz in seiner Blase beschäftigt.

    Wer das Edle propagiert, veredelt sich selbst. Offene Grenzen gelten als edel. Und diese beziehen sich nicht nur auf Staatsgrenzen.

    Grenzen im Bildungssystem wurden längst schon ausgemacht. Und die sollen natürlich erst recht weg: Keiner soll ausgegrenzt werden – so lautet die postmoderne Illusion. Ein mehrgliedriges Schulsystem, was allen – je nach Begabung und Nöten – das Beste für jeden bringen soll, ist demnach grundsätzlich böse und schlecht. Konsequenterweise hat sich die Idee von der inklusiven Einheitsschule in das linke Gedankengut eingeschleust. So heißt es im Wahlprogramm DER LINKEN:

    „Eine gute Schule für alle ist eine Schule in der das längere gemeinsame Lernen individuell und gemeinschaftlich so gestaltet wird, dass sich die Kinder und Jugendlichen zu mündigen, lebensfrohen, friedfertigen, weltoffenen und kompetenten Bürgerinnen und Bürgern entwickeln“.

    Naiver ließe sich das kaum formulieren – und obendrein noch Flagge zeigend mit Gender- und Kompetenz-Neusprech. Das könnte die Bertelsmann-Stiftung – aus ganz anderen Interessen – nur voll unterstützen. Ein Zitat von Gernot Bodner (siehe unten) paraphrasierend könnte ebenso Bezug auf unser Bildungssystem nehmen: „Bei ein wenig historischem Gedächtnis ist es schwer zu begreifen, wie das mehrgliedrige Schulsystem für die Linke zu einem derartigen Synonym für das Böse werden konnte.“

    In den sechziger und siebziger Jahren haben vor allem die Kinder aus der Arbeiterklasse einen Bildungsschub erlebt, der ihnen einen Aufstieg bis hin zur technischen und politischen Elite erlaubte. Leider auch einem Gerhard Schröder. Hingegen ist die inklusive Einheitsschule langfristig billiger und bei sinkender Einflußnahme der Lehrer den Eingriffsmöglichkeiten von außen (vom Kapital) stärker ausgeliefert.

    Unterzeichner

    Haben wirklich alle, die den Aufruf unterzeichnet haben, verstanden, worum es geht beziehungsweise worum eben nicht? Wenn es dann hervorgehoben lautet „Nennen wir das Problem beim Namen. Es heißt nicht Migration. Es heißt Rassismus“, dann kann man sich nur wundern, wieso das das Problem sein sollte – hier in Deutschland oder überhaupt in Europa. Unser Hauptproblem ist immer noch der Neoliberalismus, der dabei ist, seinen finalen Sieg zu erringen (7). Die Folgen sind doch hinreichend bekannt: weiterer Demokratieabbau, Tiefer Staat, weiteres Öffnen der Schere zwischen Arm und Reich, stärkere Militarisierung und mehr Beteiligung an illegalen Kriegen und so fort.

    Nicht für alle Unterzeichner des Aufrufs gilt die Unschuldsvermutung. Die drei Mitglieder des Fraktionsvorstands DER LINKEN, Caren Lay, Petra Pau und Bernd Riexinger, wußten genau, was sie da taten, nämlich faktisch zur Spaltung DER LINKEN aufzurufen. In einem Interview mit der jungen Welt vom 22. Juni 2018 erläuterte eine Verfasserin des Aufrufs:

    „Wir leben lange schon in einer Gesellschaft, in der gut 20 Prozent rassistische Auffassungen vertreten – aber im Grunde ist das eine Ideologie, die nicht nur in AfD und CSU zu finden ist, sondern bis weit in die Linke hineinreicht. Dass mit der Sammlungsbewegung um Sahra Wagenknecht ein nationalistischer Versuch von links gestartet wurde, war der Punkt, wo wir aktiv geworden sind“ (8).

    Das ist eine maßlose Unterstellung („20 Prozent rassistische Auffassungen“, „nationalistischer Versuch“) und eine direkte Verleumdung der Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht obendrein. Wer so spricht und schreibt, hat nicht verstanden, was Linkssein bedeutet und was demokratische Spielregeln im Umgang miteinander sind. Ein Arbeiter oder Arbeitsloser kann sich da nur fragen, ob denen da in ihrer Blase nicht ihr elitäres Weltbild komplett entrückt ist. Hier tut sich ein tiefer Graben auf.

    Pikanterweise schrieb ausgerechnet die Geschäftsführerin der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung dem Verfasser einer Studie, der hart mit der antikommunistischen Geschichtsklitterung DER LINKEN in Thüringen und ihrer Führung ins Gericht ging, im April ins Stammbuch, daß „heute mehr denn je eine linke Grundsolidarität vonnöten“ sei (Ludwig Elm: Rechte Geschichtspolitik unter linker Flagge, pad-Verlag, 2018).

    Ja, aber eine solche Solidarität gibt es schon lange nicht mehr. Zum Zeitpunkt ihrer Gründung war DIE LINKE noch eine Sammlungsbewegung mit einer gemeinsamen Ausrichtung trotz unterschiedlicher Positionen, jetzt ist sie zu einer postmodern gewendeten Ausgrenzungsbewegung mutiert. Ach ja, die Vorstandsvorsitzende der Rosa-Luxemburg-Stiftung hat den Aufruf auch unterschrieben.

    Die Parteigänger DER LINKEN haben in großer Zahl den Aufruf unterstützt. Aber nicht allein sie sind dabei, sondern auch mehrere Mitglieder der kleinen Deutschen Kommunistischen Partei (DKP). Ja, sie ist noch nicht abgewickelt, erscheint aber politisch wirkungslos, da sie in erster Linie mit sich selbst beschäftigt und gespalten ist auf der Suche nach der richtigen Imperialismustheorie.

    Ein kleiner Verein („marxistische linke – ökologisch, emanzipatorisch, feministisch, integrativ e.V.“), der eine Brücke zwischen Teilen DER LINKEN und der DKP und Sympathisanten, die „die sich dem lebendigen, beweglichen Marxismus verbunden fühlen“, schlagen will, ist mit mehreren Unterzeichnern auch dabei: Unterschrieben haben die beiden Vereinsgründerinnen und mindestens vier weitere Mitglieder.

    Das „Institut Solidarische Moderne“, unterstützt von der Vorsitzenden DER LINKEN, Katja Kipping, hat einen breiten Vorstand, aus dem heraus viele jenen unsolidarischen Aufruf unterzeichnet haben, insbesondere auch ihr Sprecher, einige Sozialdemokraten und zwei Mitglieder jener Marxistischen Linken. Offenbar wird mit diesem Institut intensive Netzarbeit auf verschiedenen Ebenen geleistet. Man nennt das dort wohl Bündnisarbeit. Und bleibt doch unter sich.

    Der Riß geht also quer durch DIE LINKE, die DKP und die SPD und verläuft offenbar zwischen den angeblich beweglichen und den unbeweglichen Teilen. Sind die beweglichen Teile, wohl die dynamischen, etwa die, die mit dem flexiblen Kapitalismus (sprich: Neoliberalismus) ihren ideologischen Frieden gefunden haben? Und sind die unbeweglichen Teile, wohl die dogmatischen, gerade die, die noch etwas vorhaben und noch vorankommen wollen in ihrer Welterkenntnis?

    Es haben viele Mitglieder der absterbenden SPD unterzeichnet, 45 an der Zahl. Und viel mehr Parteigänger der GRÜNEN. Und noch mehr offenbar Parteilose. Niemand von der CDU/CSU, der FDP oder der AfD. Paßt schon. Nicht unterschrieben hat übrigens der IG-Metall-Vorstand Hans-Jürgen Urban, weil, wie er in einem Interview sagte, „dieser Aufruf neben den offenkundigen anti-rassistischen Botschaften, denen ich mich anschließe, auch eine versteckte Agenda enthält. Diese will nicht nach außen einigen, sondern nach innen polarisieren und spalten. Und diese Agenda will ich nicht unterstützen, ich halte sie für fatal“ (9). Das ist sie in der Tat – und markiert womöglich den Anfang vom Ende der Linkspartei, so wie sie jetzt besteht.

    Begriffsverdrehung

    Das hilflose Aufbegehren mancher, die das Heil in der Unterstützung rechtspopulistischer Gruppen suchen, ist ein ernstes Symptom, das das Versagen der postmodernen Linken signalisiert. Und das nicht nur in Deutschland. Rassismus ist dabei nicht das Problem, das als Schreckgespenst hysterisch bekämpft werden muß. Es gab immer und gibt wirkliche Rassisten. Und für die sollte die derzeitige Gesetzgebung hinreichen, um sie, wenn nicht zu läutern, doch wenigstens für ihre Gewaltaktionen und Haßaufrufe zu bestrafen.

    Die übergroße Mehrheit derjenigen, die heutzutage als Rassisten und Antisemiten bezeichnet und verleumdet werden, sind gar keine, sondern nur politische Feinde des Mainstreams, die mit größtmöglichem Haß ausgegrenzt und dämonisiert werden sollen – ganz im Sinne des Neoliberalismus.

    Dabei werden Begriffe im neoliberalen Neusprech zwecks Ausgrenzung der unerwünschten Kritiker schlicht umgedeutet.

    Das fängt schon an mit dem Begriff Nation. Dieser wird inzwischen bei gewissen Linken negativ konnotiert und in einem Atemzug mit Nationalismus genannt. Die Bejahung der Nation hat aber nichts mit Nationalismus zu tun, im Sinne eines übersteigerten Nationalgefühls. Der Wiener Gernot Bodner schrieb jüngst:

    „Bei ein wenig historischem Gedächtnis ist es schwer zu begreifen, wie der Nationalstaat für die Linke zu einem derartigen Synonym für das Böse werden konnte. (...) Der Nationalstaat war der Ort des sozialen Ausgleichs (Sozialstaat) und der parlamentarisch-demokratischen Steuerung. Von ihm ging die Aushandlung internationaler Bündnisse mit anderen Staaten aus. (...) Der Nationalstaat als Ort des Eingreifens in wirtschaftliche, soziale und politische Entwicklungen hat nie aufgehört zu existieren und wird nun in seiner Rolle neu definiert. Die Rechtspopulisten greifen dazu auf ihre völkischen Ideen einer ausschließenden Nation zurück. Die Linke braucht dagegen ein überzeugendes alternatives Narrativ der Nation als Ort demokratischer Willensbildung, sozialen Solidarität und Völkerverständigung“ (10).

    Der Historiker Klaus-Rüdiger Mai meinte:

    „Denn die meisten Bürger wollen zuallererst einen funktionierenden Staat, der an jedem Ort im betreffenden Land seine Hoheitsrechte durchzusetzen vermag – was an den Grenzen beginnt – und der in der Lage ist, eine solidarische Absicherung seiner Bürger gerecht zu organisieren.“

    „Und wie selbstgerecht ist es, den Bezug auf den Nationalstaat und das Verlangen nach Souveränität als gestrigen Nationalismus zu geißeln, wenn für eine erdrückende Mehrheit der Menschen genau dieser Nationalstaat ein zentraler positiver Bezugspunkt bleibt?“ schrieb Sebastian Müller (11).

    Milton Friedman sagt:

    „Man kann einen Sozialstaat haben und man kann offene Grenzen haben, aber man kann nicht beides zugleich haben“ (12).

    Das wird von manchen liberalen Autoren (Jakob Augstein und Rainer Hank) auch sofort eingesehen, die dann prompt daraus folgern, daß der Sozialstaat eben abgebaut werden müsse (13). Und das genau ist ein Ziel des Neoliberalismus. Klingelt es jetzt beim Stichwort „Offene Grenzen“?

    Wundert es nun, daß die ärmeren Bevölkerungsschichten, die ganz besonders auf den Sozialstaat angewiesen sind, genau spüren, daß sie vom linksliberalen Mainstream verraten und verkauft werden und sie es sind, die die Zeche für ungehemmte Einwanderung zahlen sollen? Wundert es dann, daß sich diese Schichten von den linken Moralisten und Selbstgerechten abwenden und überproportional AfD wählen?

    Obendrein werden sie, die ökonomisch in der Abwärtsspirale hängen, dann noch von denen, die ihr schönes linksliberales Lebensgefühl weitgehend unbeschwert genießen können, als Rassisten diffamiert. Mit Verteilung solcher Wutetiketten wird also massiv Wahlkampfhilfe für die AfD betrieben.

    Ein Sozialdemokrat kommentierte auf den Nachdenkseiten: „Liebe Genossen, Ihr habt nicht mehr alle Tassen im Schrank, wenn Ihr so weitermacht und berechtigte Kritik an ungehemmter Zuwanderung mit menschenverachtendem Rassismus gleichstellt und damit den Rassismus trivialisiert. (…) So wird das nix mit rot-rot-grün“ (14).

    Rassismus

    Rassismus ist zu einem Kampfbegriff der linksliberalen Eliten geworden. Damit geht einher, daß im neoliberalen Zeitalter der Rassismusbegriff unzähligen Erweiterungsversuchen unterworfen wurde. Alltagsrassismus ist auch ein solch unzulässiger Begriff, weil da eher Ressentiments gemeint sind. Fremdenfeindlichkeit kann auch nicht unter Rassismus subsumiert werden. Und die feindselige Einstellung gegenüber einer bestimmten Religion ebensowenig.

    Es gibt eben ein ganzes Spektrum vom pauschalen Ablehnungsmöglichkeiten. Die Sprache ist reich genug, diese alle zu benennen und zu unterscheiden. Man muß nur wollen. In derzeitigen Diskursen scheinen jedoch alle Ausgrenzungsarten in Rassismus zu kollabieren, weil damit ein größerer Abschreckungseffekt erzielt werden kann.

    Die folgende populäre „Definition“ von Albert Memmi ist eine überschießende und somit unzulässige Verallgemeinerung (15): „Der Rassismus ist die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Nutzen des Anklägers und zum Schaden seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seine Aggressionen gerechtfertigt werden sollen.“

    Denn der im Worte Rassismus enthaltene unwissenschaftliche Begriff Rasse (der im Falle von Menschen kein biologisch begründbares Konzept ist) nimmt auf jeden Fall Bezug auf eine mutmaßlich biologische, also mutmaßlich ererbte Form einer äußerlichen Eigenschaft, die sich somit auf eine gesamte Gruppe bezieht, die einer bewertenden Diskriminierung unterliegt.

    Wohin die Aufblähung des Rassismusbegriffs führt, kann man bei dem Sprecher des Instituts Solidarische Moderne (das heißt wirklich so), Thomas Seibert, lernen:

    „Rassismus liegt dort vor, wo Menschen nach entsprechenden Merkmalen selektiert werden: in solche, die hierhergehören, und solche, die hier nur geduldet sind und bald wieder wegsollen“ (16).

    Das ist paßgenau für eine Polemik in der Flüchtlingsproblematik konstruiert. Und dann kommt das Skandalon schrill aus seinem Munde:

    „Wagenknecht stärkt rassistische Positionen in der Wählerschaft der politischen Linken und damit den diffusen Rassismus in rund einem Viertel unserer Gesellschaft. Streng verstanden ist das selbst Rassismus.“

    Von einem Philosophen, auch wenn er für ein Institut der unsolidarischen Postmoderne spricht, würde man eigentlich einen genaueren Umgang mit Begriffen und sauberes Schließen erwarten. Zu den 20 Prozent des Aufrufs gibt er übrigens noch 5 Prozent dazu – wer bietet mehr?

    Das mit dem praktischen Kampf gegen den Rassismus ist auch so eine Sache. Der Co-Vorsitzende DER LINKEN, Bernd Riexinger, will mit dem Aufruf eine („sozialpolitisch fundierte“) Offensive gegen den Rassismus starten (laut Stuttgarter Zeitung, Hauptausgabe vom 20. Juli 2018, S.4).

    Währenddessen machte sich der Co-Fraktionsvorsitzende, Dietmar Bartsch, mit der rassistischen Netanyahu-Regierung Israels gemein und pflanzte ein Bäumchen, angeblich zum Schutze der Israelis vor den Palästinensern. Und er will sein Bäumchen auch wieder besuchen (17). Das ist Treue. Hätte er mal besser ganze Haine gepflanzt zum Gedenken an die vielen ermordeten Palästinenser (18). Aber Solidarität mit den Palästinensern kennt er nicht.

    Stattdessen „Solidarität mit diesem Besatzerstaat auszudrücken, stellt eine Kolonialideologie zur Schau und drückt Verständnis für die brutalen rassistischen Praktiken der Besatzung aus“ (19). Der israelische Marxist Moshe Zuckermann klagte:

    „Wenn DIE LINKE meint, sich mit einem Land wie Israel beziehungsweise mit dem, was aus Israel geworden ist, solidarisieren zu sollen, dann erweist man ihr die falsche Ehre, sie noch als eine linke Partei anzusehen – eine Ehre, auf die sie übrigens vielleicht überhaupt keinen Wert mehr legt“ (20).

    Ganz richtig – DIE LINKE ist mehrheitlich keine linke Partei.

    Die Lifestyle-Linke und ihr Haßhorizont
    Perfide ist die Umdeutung, die überhaupt das Linkssein in der Postmoderne erfahren hat. Links bedeutete stets Solidarität mit den Unterdrückten, auch wenn diese einen anderen Habitus und Sprachstil pflegten. Der Klassenstandpunkt ist wesentlich. Und da das Ideal der Menschlichkeit und der Beseitigung von Ausbeutung real werden soll, gehört ein universeller Humanismus selbstverständlich zum Kern der Leitvorstellungen für eine klassenbewußte Linke.

    Wenn der Klassenstandpunkt im gesellschaftlichen Diskurs schwindet, geraten die ökonomischen Bedingungen leicht aus dem Blickfeld und werden durch Emanzipationsbestrebungen und Identitätsfragen aller Art ersetzt. Es ist die Postmoderne, die große Teile der Linken, sogar bis hin zu den Kommunisten, transformiert hat. Für die kulturelle Emanzipation wird gekämpft, aber der ökonomische Gesichtspunkt fällt unter den Tisch. So konnte zum Beispiel aus einem Feminismus des Klassenkampfes das identitätspolitische Gender Mainstreaming mit seinen Sprachspielen werden.

    Die postmoderne Linke (oder auch Neue Linke), die zumeist im arrivierten Milieu der oberen Mittelschicht und unteren Oberschicht (je nachdem, wo die jeweiligen Einkommensgrenzen gezogen werden) zu finden ist, das sich mit dem Neoliberalismus arrangiert hat, wird auch „Kulturlinke“ genannt. Ein besserer Name wäre jedoch Lifestyle-Linke.

    Diese Lifestyle-Linke vertritt den progressiven Neoliberalismus im Gegensatz zu jenen, die jegliche Spielart des Neoliberalismus abweisen. Diese Linke denkt, wie sie zu leben strebt, nämlich kosmopolitisch. Diejenigen, die sich diesen Lebensstil nicht leisten können und auf Solidarität eines Sozialstaats angewiesen sind, werden dann der sogenannten kommunitarischen Linken zugewiesen.

    Der Gegensatz zwischen Kosmopolitismus und Kommunitarismus ist aber nur ein Aspekt eines tieferen, ideologischen Konflikts innerhalb der Linken und der Mitte der Gesellschaft, nämlich zwischen progressivem Neoliberalismus (wie ihn Nancy Fraser bezeichnet hat) und konsequentem Anti-Neoliberalismus (21). Das Flüchtlingsproblem, an dem sich AfD wie DIE LINKE abarbeiten, ist nur ein Symptom.

    Die AfD und DIE LINKE brauchen einander als Haßobjekt. Die AfD bezieht sich gern auf die Linken, wenn sie von „linksgrün versifft“ spricht. Eigentlich ist ihr wahrer Haßhorizont der progressive Neoliberalismus mit seinem ausgrenzenden Moralismus und seiner politischen Korrektheit. Aber das weiß die Partei nicht, weil sie sich eher von dumpfen Stimmungen leiten läßt und den Neoliberalismus auch gar nicht grundsätzlich ablehnt.

    Andererseits: was wäre, wenn sich die AfD plötzlich in Luft auflösen würde? Dann verlöre DIE LINKE auch gleich ihr Alleinstellungsmerkmal und ihren Haßhorizont und müßte im Wahlkampf kontur- und orientierungslos erscheinen. Denn ihr herausgestelltes Antifa-Gebaren gegen den Rassismus ist in erster Linie auf das Wahlvolk der AfD gemünzt. Dadurch will sie beim Wähler punkten: Seht her, WIR sind die konsequentesten Kämpfer gegen das Übel in Europa, den Rassismus der Rechtspopulisten. WIR sind die Weltretter. Das Dumme ist nur, daß das Wahlprogramm der AfD nichts in Bezug auf Rassismus hergibt.

    Die wirkliche politische Auseinandersetzung mit der AfD unterläßt DIE LINKE – aus gutem Grunde. Die AfD ist dezidiert frauenfeindlich, weil sie alte Benachteiligungen neu auflegen will. Nur DIE LINKE beläßt es einfach bei der ökonomischen Benachteiligung der Frauen, indem sie Identitätspolitik betreibt und das Gender Mainstreaming stützt und ein Feuerwerk von Gendersternchen zündet.

    Die AfD ist rechtsneoliberal und fremdenfeindlich, wie sich aus ihrem Wahlprogramm herauslesen läßt (22). DIE LINKE hingegen ist linksneoliberal, nicht zuletzt, da sie auch auf den Politikfeldern Feminismus und Bildungspolitik dem Neoliberalismus Tür und Tor geöffnet hat.

    Die AfD ist militaristisch und einer kriegstreibenden Politik zugewandt (23). Aber die Israel-Politik DER LINKEN ist kriegstreiberisch, indem sie Netanyahu mit seiner barbarischen Besatzungspolitik und dem Angriffskrieg in Syrien den Rücken stärkt.

    Die AfD ist ausgesprochen arbeitnehmerunfreundlich, auch da sie nie davon spricht, Arbeitnehmerrechte und Gewerkschaften zu stärken. DIE LINKE hingegen hat da laut Wahlprogramm sehr viel vor – nur warum glaubt ihr der Wähler das nicht? Das war schon vor einem Jahrzehnt nicht viel anders. Hat DIE LINKE ein Glaubwürdigkeitsproblem? Jetzt ganz gewiß: Wer in einem Rundumschlag die Mehrheit der Deutschen, die so etwas Selbstverständliches wie Staatsgrenzen bewahren wollen, völlig borniert als Rassisten tituliert und damit Björn Höcke und Sahra Wagenknecht in eine Reihe stellt, dem glaubt man einfach gar nichts mehr. Und denkt sich: (pseudo-)linke Spinner.

    Aber die Lifestyle-Linke will und muß aus ihrer Selbstgerechtigkeit heraus hassen – und zwar nicht die Großkonzerne und das internationale Finanzkapital mit ihren Think Tanks. Sondern die, die sich am greifbarsten hassen lassen, nämlich jene, die sich ihren netten Lebensstil nicht leisten können oder sich ihrer selbstgerechten Ideologie verweigern.

    Hillary Clinton hatte einst vom „basket of deplorables“ gesprochen. Hierzulande ist man drastischer und beschimpft solche Menschen gleich als Parias (Rassisten, Rechte, Nazis, Antisemiten und so weiter). Eigentlich müßte sich die Lifestyle-Linke selber hassen: im Besonderen, weil sie die soziale Frage in der Praxis bestenfalls als Charity sieht und den Klassenkampf abgeschrieben hat, weil sie sich selber bestens mit einem hedonistischen Lifestyle arriviert hat und sich vom neoliberalen Kapitalismus hat korrumpieren lassen.

    Konsequenzen

    Die neoliberale Hegemonie manifestiert sich durch die Macht der postmodern gewendeten Begrifflichkeiten, die die Klassengegensätze vertuschen und dabei neue Fronten errichten sollen. Es soll Zwietracht gesät werden unter denen, die als Ausgebeutete eigentlich ähnliche objektive Interessen haben müßten. Divide et impera. Im postmodernen Zeitalter haben sich Losungen wie Freiheit und Emanzipation verselbständigt, Identitäten werden konstruiert und wieder dekonstruiert. Jeder muß um die Anerkennung seines spezifischen Opferstatus ringen. Solidarität ist nur noch innerhalb einer Opfergruppe realisierbar. Die Konkurrenz der Gruppen ist groß.

    DIE LINKE reklamiert bisweilen für sich, anti-neoliberal zu sein – das ist außer Wunschdenken jedoch bestenfalls nur in der Frage der Militäreinsätze der Fall. Selbst auf ökonomischem Gebiet führt sie die Schrödersche Politik der Privatisierung weiter, nämlich in einer runderneuerten Softvariante von ÖPPs (Öffentlich-private Partnerschaft), die verschleiernd als ÖÖPs (Öffentlich-öffentliche Partnerschaft) bezeichnet werden. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung plädiert offen für eine „progressive ÖÖP-Praxis“ (Analysen32.Zukunftsinvestitionen; 24). So sollen in Berlin und Thüringen, dort wo DIE LINKE in Regierungsverantwortung steht, die Schulgebäude in eine Gesellschaft übergehen, die noch mehrheitlich in öffentlichen Händen ist (Marxistische Blätter 3-2017, S.15-18; UZ, 16. März 2018, S.5; 25).

    DIE LINKE ist absolut naiv in dieser Hinsicht. Denn gleichwohl wird damit das Geschäftsmodell des neoliberalen Abverkaufs vorangetrieben, das auch noch die letzten staatlichen Bereiche langfristig privatisieren soll. Ralf Wurzbacher nennt es den großen Schulraub (26). Dieser einmal angeworfene Prozeß ist dann kaum mehr rückgängig zu machen, da den staatlichen Verwaltungen nach und nach die Fachleute ausgehen. Die Bauämter in den Kommunen sind jetzt schon völlig ausgedünnt: magersüchtiger Staat. Der rot-rot-grüne Senat von Berlin verhält sich kein bißchen anders als „konservative“ Regierungen, meint auch Magda von Garrel (27).

    Durch die Übernahme postmoderner Vorstellungen geht in anderen Bereichen Identitätspolitik vor ökonomischen Maßnahmen, die das Großkapital schmerzen könnten. Das ist so mit dem fehlgeleiteten Feminismus, bei dem nur die Sprache im Sinne politischer Korrektheit umgebaut wird, aber nicht die Grundpfeiler des Entlohnungssystems, das Frauen nach wie vor benachteiligt (28).

    Der Aufruf „Solidarität statt Heimat“, der – in bewußter Frontstellung gegenüber der Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht – sogar vom Co-Parteivorsitzenden und zwei anderen Mitgliedern des Fraktionsvorstands DER LINKEN unterzeichnet wurde, hat eine katastrophale Außenwirkung auf das Wählervolk, das noch nicht den Slogans der postmodernen Moralisten auf den Leim gegangen ist.

    Wer will denn noch DIE LINKE wählen, die schon lange aufgehört hat, sich als Partei dem neoliberalen Mainstream zu verweigern? Sie paralysiert sozusagen die wenigen linken Kräfte in diesem Land, folgt der Staatsräson und schützt den neoliberalen Staat vor einem effektiven Aufbegehren der Ausgebeuteten.

    DIE LINKE ist also nicht das geringste Übel, welches man zähneknirschend wählen müßte, sie ist neben den GRÜNEN das Übel schlechthin diesseits von Rechts. Eine solche Partei brauchen wir nicht – denn es gibt ja schon die SPD (für die Sozialprosa) und die GRÜNEN (für die Moralkeule) (29). Und der Aufruf demonstriert ja überdies, daß dieser Teil der Kipping-Linken nicht wirklich bündnisfähig ist, weil sie mit Andersdenkenden keinen Konsens sucht, sondern sofort mit Antifa-Gebaren die Rassismuskeule schwingt.

    Georg Seeßlen behauptete jüngst in seinem Beitrag „Dem Volk was vormachen“: „Der Populismus ist eine Kraft, die das Linke zersetzt, von außen wie von innen“ (30). Nein, die bereits vollzogene Zersetzung ist durch die Postmoderne, die linksliberale Leitideologie des progressiven Neoliberalismus, geschehen. Der Linkspopulismus ist lediglich die nötige Antwort darauf, um wieder Gehör und Glauben beim „Volk“ zu finden, das sich in seinen wirtschaftlichen Nöten schon lange nicht mehr politisch repräsentiert sieht.

    Den Unterschied zum Rechtspopulismus hat Bernd Stegemann in seinem Buch „Das Gespenst des Populismus“ (Verlag Theater der Zeit, 2017) hinreichend deutlich dargelegt.
    „Linke Parteien müssen darauf hinarbeiten, ihre Basis wieder zu verbreitern und Wähler zurückzugewinnen“, schrieb Lev Lhommeau (21). Nur, DIE LINKE wie die GRÜNEN können und wollen es gar nicht, da sie mehrheitlich die schlecht verdienenden und hart arbeitenden Menschen mit ihrem linksliberalen Moralismus nachhaltig abschrecken.

    Und die SPD ist sowieso am Ende ihrer Glaubwürdigkeit angelangt. Die beworbene obere Mittelschicht ist eher dünn und wird noch dünner. Mit ihr allein gewinnt man keine Wahlen.
    Nils Heisterhagen hat dennoch die Vision von einem „linken Realismus“, der die linken Kräfte einen soll. Ihm ist zwar klar, daß ein kultureller Kosmopolitismus, der alle nationalen Kulturen aufhebt und enthält, naiver postmoderner Unsinn ist.

    Nur ist dieser als moralische Haltung in der Lifestyle-Linken fest verankert. Ein solcher Habitus und Moralismus läßt sich nicht einfach aus den Köpfen vertreiben und wird noch Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte, überdauern. Eine Einigung ist nicht in Sicht und nur eine saubere Trennung verspricht einen Neuanfang.

    Die Kritiker des liberalen Mainstreams und der Lifestyle-Linken müssen also und werden sich weiter sammeln, um letztendlich eine neue linkspopulistische Partei noch vor der nächsten Bundestagswahl zu gründen – Name egal, Hauptsache klassenbewußt und anti-neoliberal. Dann könnte sie aus dem Stand vielleicht sogar die zweitstärkste Volkspartei werden.

    Die Reste der Linkspartei würden dann hoffentlich ihre Katharsis erfahren und unter die Fünf-Prozent-Hürde gehen und später vielleicht eingehen in ein Bündnis mit den postmodernen GRÜNEN – wo sie eigentlich auch jetzt schon hingehörten. Eine postmoderne linksliberale Mittelschichtpartei in Deutschland reicht völlig. Eine wirklich linke Partei ohne postmoderne Verstrickungen fehlt ganz.

    Solidarität mit den Ausgebeuteten und Unterdrückten ist zu üben, in der Heimat wie international. Offene Grenzen sind als Phantasmen zurückzuweisen.

    Quellen und Anmerkungen:

    (a) https://solidaritaet-statt-heimat.kritnet.org
    (1) https://zahramohammadzadeh.wordpress.com/2010/11/08/was-ist-heimat-fur-mich
    (2) https://www.hna.de/kultur/interview-darum-ist-heimat-ein-trend-9521710.html
    (3) https://www.rubikon.news/artikel/willkommen-und-abschiebung
    (4) https://www.zeitschrift-luxemburg.de/offene-grenzen-sind-machbar
    (5) https://www.welt.de/debatte/kommentare/article179671432/Nahost-Israel-ist-ein-juedischer-Staat-eine-Selbstverstaendlichkeit.html?wtrid=
    (6) https://www.rubikon.news/artikel/der-spaltpilz
    (7) https://www.rubikon.news/artikel/die-unsichtbare-hand
    (8) https://www.jungewelt.de/artikel/334596.wir-erleben-gerade-einen-rechten-putsch.html
    (9) https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/anti-rassismus-und-eine-versteckte-agenda
    (10) http://www.antiimperialista.org/de/content/mit-antifa-gegen-rechtspopulismus
    (11) https://makroskop.eu/2018/07/mit-falscher-empfindlichkeit-gegen-den-rauen-wind-des-populismus
    (12) https://www.deutschlandfunkkultur.de/absage-an-ein-vereintes-europa-warum-die-linke- die-nation.1005.de.html?dram:article_id=410341
    (13) https://www.nachdenkseiten.de/?p=44870, http://norberthaering.de/de/27-german/news/995-hank-sozialnazis
    (14) https://www.nachdenkseiten.de/?p=44529#h01
    (15) http://www.dir-info.de/dokumente/def_rass_memmi.html
    (16) http://www.taz.de/!5455168
    (17) http://www.kkl-jnf.org/about-kkl-jnf/green-israel-news/may-2018/life-saving-trees-sufa-dietmar-bartsch/german
    (18) https://www.rubikon.news/artikel/wenn-die-olivenhaine-trauer-tragen
    (19) https://www.jungewelt.de/artikel/336757.protest-aus-pal ProzentC3 ProzentA4stina-gegen-besuch-von-dietmar-bartsch-die-linke-ende-mai-in-israelischer-siedlung.html; https://www.rubikon.news/artikel/die-apartheid-pr
    (20) https://www.rubikon.news/artikel/linker-opportunismus
    (21) https://makroskop.eu/2018/06/der-kosmopolitische-irrweg
    (22) https://www.rubikon.news/artikel/neoliberal-und-fremdenfeindlich
    (23) https://www.rubikon.news/artikel/die-kriegspartei
    (24) https://www.rubikon.news/artikel/die-schulen-werden-privatisiert
    (25) https://www.rubikon.news/artikel/ware-bildung
    (26) https://www.rubikon.news/artikel/der-grosse-schulraub
    (27) https://www.rubikon.news/artikel/der-grosse-coup
    (28) https://www.rubikon.news/artikel/die-grosse-ablenkung
    (29) https://www.rubikon.news/artikel/diese-linke-braucht-kein-mensch
    (30) http://www.taz.de/!5519642

    #Allemagne #polituque #gauche #migration

  • Spotify und Co. – die Streaming-Ökonomie forciert das Elend der kleinen Künstler
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=80395

    https://www.nachdenkseiten.de/upload/podcast/220203_Spotify_und_Co_die_Streaming_Oekonomie_forciert_das_Elend_der_

    3..2.2022 von: Jens Berger - Drohte der Musikbranche noch vor zwanzig Jahren durch CD-Brenner und MP3s der Ruin, feiert man heute Jahr für Jahr Rekordumsätze. Zwei Drittel der Umsätze werden dabei durch kommerzielle Audio-Streaming-Dienste erzielt. Doch nur weil sich mit Musik mehr Geld machen lässt als je zuvor, heißt das nicht, dass dieses Geld auch bei den Künstlern ankommt. Wenn Sie einen Song bei Spotify abspielen, bekommt der Rechteinhaber dafür lächerliche 0,003 Euro, wovon die Künstler selbst nur einen kleinen Teil bekommen. In Zeiten von Corona ist dies für viele Musiker der Todesstoß. Das Oligopol der Plattformen sorgt nicht nur für Umverteilung von den kleinen (armen) zu den großen (reichen) Künstlern, sondern setzt auch künstlerisch fragwürdige Anreize. Von Jens Berger

  • Probleme der Russlandpolitik als Friedenspolitik. Kritische Anmerku...
    https://diasp.eu/p/14065228

    Probleme der Russlandpolitik als Friedenspolitik. Kritische Anmerkungen zur Russland-Ukraine-Diskussion.

    Von Herwig Roggemann. – Redaktionelle Vorbemerkung: Der emeritierte Berliner Jurist und Osteuropaexperte skizziert in diesem Essay den eigenartigen und friedenspolitisch problematischen Umgang des Westens mit Russland nach 1990. Der Essay ist lang, aber ausgesprochen lehrreich. Die Lektüre lohnt sich. Nach dem Einstieg in den Essay wird auf das PDF verlinkt. Albrecht Müller.

    Treffende und unzutreffende Thesen „Wir sind in der gefährlichsten Situation, die wir seit Ende des Kalten Krieges erlebt haben“, warnt Johann Wadephul im Berliner Tagesspiegel. „Es droht nicht weniger als ein Krieg in Europa.“ Die Warnung ist begründet. Seine und die Ursachenerklärungen und Handlungsempfehlungen (...)

  • Goldige Verwahrlosung. Wie marode Brücken und Hochschulen Investore...
    https://diasp.eu/p/14069720

    Goldige Verwahrlosung. Wie marode Brücken und Hochschulen Investorenherzen höher schlagen lassen.

    Jetzt ist es raus: Deutschlands Autobahnbrücken sind so kaputt, dass sie schleunigst und unbürokratisch für Zigmilliarden Euro flott gemacht werden müssen. Das hat die neue Autobahn GmbH ermittelt. Wie sie das gemacht hat und wie schlimm die Sache wirklich ist, muss keinen interessieren. Hauptsache, die Bundesregierung hat verstanden und rückt das nötige Geld raus, um den in Jahrzehnten herbeigekürzten Verschleiß zu beheben, am besten gleich durch Komplettneubau. Und wenn sich dabei die Profiteure der Entstaatlichung am Scherbenaufkehren noch einmal bereichern, macht das die Sache noch viel besser – zum Beispiel für anlagesüchtige Banken, Versicherungen und Hedgefonds. Mit bröckelnden Unigebäuden geht (...)

    • Gaspreis-Explosion – für die Medien kein Thema, außer man kann Putin dafür verantwortlich machen

      https://www.nachdenkseiten.de/?p=80121

      [...]

      Polen will schon im nächsten Jahr vollkommen unabhängig von russischem Gas sein. Das ist zwar Unsinn, aber so lautet die offizielle Sprachregelung der polnischen Regierung. Man hat die langfristigen Lieferverträge mit Russland gekündigt und bezieht sein Gas nun zu großen Teilen auf dem liberalisierten EU-Spotmarkt für Erdgas. Nun ist Gas aber keine Ware, die man per Mausklick virtuell transportieren kann. Ab 2023 will Polen einen großen Teil seines Gasbedarfs über die neu gebaute Baltic Pipe über Dänemark aus Norwegen beziehen. Der Rest soll durch Flüssiggasimporte aus den USA gedeckt werden und da das nicht reicht, wird Polen de facto einen großen Teil seines Gases aus einem Land beziehen, das selbst Gasimporteur ist: Deutschland. Und bis Baltic Pipe Gas liefert, bezieht Polen sogar den größten Teil seines Erdgases aus Deutschland. Deutsches Gas? Das von Deutschland nach Polen exportierte Gas stammt natürlich nicht aus Deutschland, sondern aus Russland. Deutsche Händler kaufen ganz einfach russisches Gas und verkaufen es dann an die Polen. Dies sei durch den Umweg über Deutschland für Polen aus der „Sicherheitsperspektive“ jedoch unproblematisch.

      Der polnische Wunsch nach einer energiepolitischen Unabhängigkeit von Russland ist dabei ein äußerst lukratives Geschäft für deutsche Gashändler. Die kaufen das Gas preiswert aus den in langfristigen Lieferverträgen vereinbarten Abnahmemengen aus Russland ein und verkaufen es dann zu den weitaus höheren Preisen auf dem Spotmarkt und den Futuremärkten an Polen weiter. Noch verrückter wird die ganze Geschichte, wenn man sich die physischen Lieferwege anschaut. Deutschland bezieht dieses Gas hauptsächlich aus Russland über die durch Polen verlaufende Jamal-Pipeline. Und über eben diese Pipeline liefern die Händler dann auch das Gas im Rückwärtsbetrieb an Polen weiter.

      Genau das passiert durchgängig seit nunmehr 36 Tagen. Nach Meldungen des deutschen Netzbetreibers Gascade liefert die Jamal-Pipeline seitdem nicht etwa russisches Gas in deutsche Speicher, sondern umgekehrt russisches Gas aus deutschen Speichern ostwärts nach Polen und von dort aus sogar in die Ukraine. Zurzeit beträgt das Liefervolumen sagenhafte 13 Millionen Kilowattstunden pro Stunde. Das ist, gemessen am derzeitigen Gaspreis an den Spotmärkten, Gas im Wert 1,3 Millionen Euro pro Stunde, 31,2 Millionen Euro pro Tag. Leider ist nicht bekannt, zu welchem Preis die Händler das Gas zuvor aus Russland eingekauft haben. Wenn der Preis sich jedoch an dem langfristigen Durchschnittspreis auf dem Future-Markt orientiert, so kann man davon ausgehen, dass sie zurzeit mindestens 400% Gewinn machen.

      Nun ist es aber nicht nur so, dass nur deutsche Spekulanten sich mit diesem Dreieckhandel die Taschen vollstopfen. Gas, das eigentlich für deutsche Kunden bestimmt ist, fließt nach Polen und in die Ukraine und gleichzeitig kommt kein neues Gas aus Russland durch die Jamal-Pipeline in die deutschen Gasspeicher, da diese ja im Rückwärtsbetrieb Gas aus den Speichern gen Osten transportieren muss. Die Folge: Die Speicher leeren sich und auf dem deutschen Gasmarkt treibt die Knappheit den Preis in die Höhe. Die Versorger geben diese Preissteigerungen an die Verbraucher weiter. Energieintensive Unternehmen gehen pleite und ein durchschnittlicher Haushalt muss mehr als 100 Euro pro Jahr mehr für die Heizkosten aufbringen. Somit zahlen letztlich auch deutsche Haushalte den Preis dafür, dass Länder wie Polen mit politischer Unterstützung Deutschlands ihre antirussischen Reflexe energiepolitisch umsetzen. Aber klar, Schuld daran ist natürlich Putin. Wer sonst?

      Warum liest man über diese Zusammenhänge nichts in den Zeitungen? Warum ist das politisch kein Thema?

      [...]

      pris du #gaz #Pologne #Ukraïne #Russie
      #entrepôts #spéculation

  • Von Giorgio Agamben, über Karl Heinz Roth bis zu ‚verlockenden‘ End...
    https://diasp.eu/p/14061632

    Von Giorgio Agamben, über Karl Heinz Roth bis zu ‚verlockenden‘ Endzeitstimmungen

    Vieles an der Corona-Politik der Bundesregierung ist widersprüchlich, wissenschaftlich evidenzlos, kurzum haarsträubend. Das verleitet einige dazu, anzunehmen, dass die Bundesregierung kopflos sei und dabei selbst die ‚Wirtschaft‘ mit in den Abgrund reißen würde. Dieser Erklärungsversuch deckt mehr zu als auf. Von Wolf Wetzel.

    Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

    Giorgio Agamben ist ein italienischer Philosoph, der in der Debatte der 1970er und 1980er Jahre eine wichtige Rolle spielte: Dazu gehört auch sein Buch „Ausnahmezustand“, das ich zum Geburtstag geschenkt bekommen habe – mitten im Lockdown 2021. Er ist mir als wichtige Quelle bekannt, bei dem Versuch, den „Deutschen Herbst“ 1976/77, die (...)

  • Julian Assanges juristische Odyssee geht weiter
    https://diasp.eu/p/14040037

    Julian Assanges juristische Odyssee geht weiter

    Am Montag ging das Tauziehen – oder man könnte auch sagen das (Kasperl-)Theater – um Julian Assanges Zukunft in eine weitere Runde. Seine Verlobte Stella Moris bezeichnet das Ergebnis als Sieg. Ich fand die kurze Verhandlung bzw. das Ergebnis eher undurchsichtig. Im britischen Justizsystem scheint es fast endlos verschiedene Routen zu geben. Im Endeffekt bleibt Julian Assange weiterhin im Hochsicherheitsgefängnis inhaftiert. Ein Bericht aus London von Moritz Müller.

    Am Londoner High Court geht es um einiges entspannter zu als im September 2020 am zentralen Strafgerichtshof Old Bailey. Man kann Tasche, Computer und Handy nach einem flughafenähnlichen Sicherheitscheck in den Gerichtssaal mitnehmen. Der Vorsitzende Richter Burnett ist der höchste (...)

  • Die NachDenkSeiten haben heute Geburtstag
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=78468

    30. 11.2021 von: Redaktion - Statt eines Geschenkes bekamen wir einen Stich ins Herz. Diese Nachricht nämlich: “British Army returns to Germany in face of Russian threat”. Wir haben vor 18 Jahren, am 30. November 2003, mit unserer Aufklärungsarbeit begonnen. Wir wollten damit einen Beitrag zu einer besseren Politik leisten – vor allem, um den Frieden zu sichern und um mehr soziale Gerechtigkeit zu erreichen. Und jetzt diese Nachricht verbunden mit einer glatten Lüge über die angebliche Bedrohung durch Russland. Wir müssen zusammen mit sehr vielen Menschen erkennen, dass die Lobby der Rüstungswirtschaft und die Interessen der Oberschicht stärker sind. Aber was bleibt uns anderes übrig, als zusammen mit Ihnen, den NachDenkSeiten-Leserinnen und -Lesern, weiterzumachen. Das wollen wir tun.

    Wir werden dazu gerade in diesen Tagen von vielen inhaltlich interessanten und freundschaftlichen Mails ermuntert. Danke vielmals. Und danke auch für die vielen guten Hinweise auf interessante oder verstörende Medienereignisse.

    Liebe Grüße
    Ihr NachDenkSeiten-Team

    P. S.: In der Mail, mit der wir über den Artikel in der Times zur Rückkehr der britischen Armee nach Deutschland informiert wurden, steht übrigens noch Folgendes:

    “Hundreds of vehicles including tanks and drones will be deployed back to Germany in a government U-turn as the army builds one of its three big overseas hubs in the country.”

    Ob die deutsche Bundesregierung über diese Aktion, die die angespannte Lage noch verschärft, unterrichtet worden ist, konnten wir auf die Schnelle nicht ermitteln. Seltsam ist auch, dass in deutschen Medien zum Thema Rückverlagerung der britischen Armee wenig bis nichts zu lesen ist oder zu hören ist.

    Der Friede ist wirklich brüchig. Darauf deutet vieles hin. Wir haben in den letzten Tagen und Wochen darüber immer wieder berichtet und vor dem Hochschaukeln neuer Bedrohungen und neuer Rüstung gewarnt.

    Und P.S. Nr. 2:

    Wenn Sie es sich finanziell leisten können, die Arbeit der NachDenkSeiten auch finanziell mitzutragen, dann finden Sie hier die Möglichkeit:

    #journalisme #politique #paix #otan #russie

  • Ein Kessel Hetze – gegen „Alles auf den Tisch!“
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=76765

    7.10. 2021 von von Klaus Hartmann - Dieser Kommentar, genauer: dieser Bericht von Klaus Hartmann über die üblich gewordene Hetze in maßgeblichen Medien veranlasst mich zu einer Bitte an NachDenkSeiten-Leserinnen und -Leser. Es steht nicht gut um die demokratische Debatte und damit auch um die Demokratie selbst. Deshalb die Anregung, über diese Vorgänge mit Ihren Freunden und Verwandten zu sprechen. Wenn sich Medien so, wie im Kommentar von Klaus Hartmann berichtet, verhalten und wenn Videos und andere kritische Texte gelöscht werden und dies auch systematisch und mit öffentlichem Geld betrieben wird, dann ist Aufklärung und Widerstand dringend not-wendig. Im Kontext siehe auch den Beitrag Corona-Kritik: Gute Künstler, böse Künstler (nachdenkseiten.de) von Tobias Riegel. Albrecht Müller.

    Und noch etwas vorweg: Sehen Sie uns bitte nach, dass wir Sie in diesen Zeiten mit viel Stoff versorgen. Nutzen Sie das, was Ihrer Arbeit als Multiplikatorin oder Multiplikator hilft. Und hier nun der Text:

    Ein Kessel Hetze – gegen „Alles auf den Tisch!“

    Von Klaus Hartmann

    Über eines können sich die über 100 Schauspieler, Künstler und Wissenschaftler der Aktion „#allesaufdentisch“ nicht beklagen: über zu wenig mediale Aufmerksamkeit. 91 TV- und Radiostationen sowie überregionale und regionale Zeitungen (Stand 03.10.2021) haben berichtet und kommentiert (Nachricht und Kommentar meist unauflöslich vermischt). Über zu wenig Häme und Tadel können sie allerdings auch nicht klagen, das wird heutzutage „Hatespeech“, Hassrede genannt, aber nur, wenn es die „anderen“ machen. Die Hohepriester der „Qualitätsmedien“ haben diesbezüglich Narren- und Straffreiheit.

    Zwischenfrage: Gehört das Wort „schwurbeln“ oder „Geschwurbel“ eigentlich zu Ihrem normalen Sprachschatz? Nein? Dann ist es höchste Zeit, das zu ändern. Lt. Duden steht es abwertend für Unsinn reden, verworren, und diese Wörter haben in den letzten Monaten eine regelrechte Blitzkarriere hingelegt. Sie sind als Ergänzung gedacht und im Einsatz für die hinlänglich bekannte „Verschwörungstheorie“, die direkt von der CIA stammende Diffamierungsvokabel für alle, die sich trauen, Fragen zu stellen oder gar zu kritisieren. Zwar wurden auch hier, wie beim Virus, neue Varianten entdeckt: Verschwörungsmythos, Verschwörungserzählung, und aus der medialen Geisterbahn tönt es: krude, kruhuhuuude Verschwörungstheorie! Doch mit deren Dauereinsatz kommen unvermeidlich auch die Abnutzungserscheinungen, und so wurde es höchste Zeit fürs Schwurbeln.

    Das Schwurbeln hat eine bemerkenswerte Gemeinsamkeit mit der Hassrede: Es sind immer nur die anderen, die Andersdenkenden, die an den Pranger gestellt werden. Kein „Qualitätsmedium“ würde sich oder seinesgleichen jemals der Schwurbelei bezichtigen, und natürlich auch Merkel, Maas, Söder oder Kramp-Karrenbauer nicht. Und besonders immun gegen das Schwurbeln sind der Chefvirologe Prof. Drosten, der Bankkaufmann Spahn, der Tierarzt Prof. Wieler und Kassandra Lauterbach. Hingegen diejenigen, die diesen „Experten“ widersprechen: alles Schwurbler!

    Stilbildend berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 30.09.2021 über die neue Aktion „Alles auf den Tisch!“ unter der fetten Überschrift: „Ein Kessel Schwurbel“. Sie unterstellt, die Intention dieser Leute in den Videos sei es, „das Vertrauen in wissenschaftliche Kompetenzen grundsätzlich zu erschüttern“. Im selben Tonfall nennt die Süddeutsche Zeitung die Video-Serie „hochgefährliche Querdenker-Folklore“. So geht Framing heute: „Querdenker“ … da wissen wir endlich Bescheid – oder auch nicht: es soll wohl nur das Ressentiment gestreichelt werden. Spöttisch schreibt die „linksliberale“ Zeitung über „Aufklärer bezüglich vermeintlich unbequemer Wahrheiten“ – und da dies überwiegend Schauspieler sind, tun sie das, was sie am Besten können: sich „in Szene zu setzen“. Apropos Schauspielerei, da reitet der SZ-Kommentator Nils Minkmar doch gerne weiter auf dem Genre rum: „Man sollte sich die Videoreihe ‚Alles auf den Tisch‘ als zweite Staffel der Querdenkerserie ‚Alles dichtmachen‘ vorstellen.“ Den Mitwirkenden attestiert er sogleich ein „besorgniserregendes Selbstdarstellungsbedürfnis“. Schließlich geht es den nur „vermeintlich“ unbequemen Wahrheiten an den Kragen – die sind nämlich plötzlich „gefährliche Unwahrheiten zum Thema Corona“.

    Die Frankfurter Rundschau verkündet am 02.10.2021: „Hier lesen Sie, was sich die CoronaKritiker:innen in ihren Videos zurechtschwurbeln.“ Beruhigend: Die Kritiker:außen schwurbeln offenbar nicht. Die Redakteurin Katja Thorwart nimmt dem Schauspieler Wotan Wilke Möhring übel, dass der von „Zensur“, von „delegitimierten“ und „praktisch verbotenen Diskursen“ spricht. Thorwarts Antwort macht sprachlos: „Erstens wurde kein Diskurs verboten, auch wenn das immer wieder aus der Ecke der selbsternannten ‚Querdenker‘ kolportiert wird. Wäre er ‚praktisch‘ verboten, wären die 50 Filmchen längst gelöscht.“ Liest die begabte Redakteurin ihr eigenes Blatt nicht? Am 29.09.2021 hätte sie gefunden: „Wegen Corona-Desinformationen hat Youtube den Putin-Kanal RT DE gelöscht“.

    Von „wirrer Corona-Kritik“ (am Virus?) bis zum „Verschwörungserzähler Ken Jebsen“ kommt jeder auf seine Kosten. Besonders nett auch diese Einlassung: „#allesaufdentisch ist der Versuch, den ersten Flopp mit selbst auserkorenen Experten anzureichern, die dann halt sagen, was selbst ernannte Experten so sagen: Der deutsche Journalismus ist im Keller, keine Unterscheidung von Meinung und Bericht. Und natürlich völlige einseitige Berichterstattung.“ Und Kellerkind Thorwart gibt sich alle Mühe, genau diesen Befund mit jeder Zeile zu bestätigen. Vielleicht sollte sie eine Namensänderung in Erwägung ziehen, in „Eigenthorwart“.

    Der NDR (am 02.10.2021) nimmt Anstoß daran, dass die Initiatoren von #allesaufdentisch mit ihren 54 Videos einen „herrschaftsfreien Diskurs über die Corona-Pandemie“ anregen wollen, dabei legt der NDR beredtes Zeugnis von seiner eigenen Urteilskraft ab: „So als ob der Diskurs bislang nur so laufe, wie sich ‚die Herrschenden‘ das wünschten.“ Auch für den Focus ist es klar: „Es wird wieder geschwurbelt“, und fährt dann „einen Experten für Verschwörungsideologien“ auf, den Politikwissenschaftler Josef Holnburger. Nach dessen Überzeugung befeuert die Aktion ein „schädliches Narrativ“. „Über die Schauspieler und Künstler verbreiteten sich wissenschaftliche Minderheitenmeinungen über die Pandemie-Leugner-Szene hinaus, diese würden als Mehrheitspositionen dargestellt. Durch einen wissenschaftlichen Anschein werden die Beiträge aufgewertet.“ Beim Stichwort „schädlich“ muss ich unwillkürlich an die „asozialen Schädlinge für die Volksgesundheit“ denken, mit denen die deutschen Faschisten ihr „Euthanasie“-Programm zu rechtfertigen suchten.

    Im Deutschlandfunk kommt der Deutsche Journalisten-Verband zu Wort, der befindet: „Was da serviert wird, ist teilweise schwer verdaulich.“ Der Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Michael Meyen von der LMU München hat sich in den Augen des djv schon dadurch disqualifiziert, dass er „den Verschwörungsideologen Ken Jebsen mal einen ‚professionellen Journalisten‘“ nannte. Und jetzt kommt Prof. Meyen gar mit dem Satz: „Faktenchecker sind Propagandamaschinen, die sich als Journalismus verkleiden.“ Da schäumt der Journalisten-Verband: „Blödsinn! Gerade in der Corona-Pandemie haben die Faktenchecker von Faktenfuchs, Faktenfinder, Correctiv und anderen wichtige und großartige journalistische Arbeit geleistet.“ Und die sieht Meyen so: „Faktenchecks hatten in der Corona-Zeit Hochkonjunktur, wenn es darum ging, Argumente von Kritikern der Corona-Maßnahmen zu widerlegen.“

    Beim Stichwort „Faktenchecker“ müssen wir kurz innehalten und auf den „Freidenker“ 3-2021 verweisen, in dem Klaus von Raussendorff das Buch von Thomas Röper „Abhängig beschäftigt“ besprochen hat. Dort lesen wir: Wegen nachlassenden Vertrauens in die Medien sei man auf „eine altbewährte Idee“ gekommen: „Man müsste sich von ‚unabhängiger‘ Seite bestätigen lassen, dass man die Wahrheit berichtet.“ Also habe man die Organisation correctiv gegründet.

    Und „seitdem liest man in den Medien immer wieder, dass die Faktenchecker des ‚unabhängigen Journalistennetzwerks correctiv‘ zu dem gleichen Schluss kommen wie die Medien.“ Die scheinbar unabhängige Organisation ist aber 2014 von der milliardenschweren Eigentümerfamilie der WAZ-Gruppe gegründet worden, also „von der Presse selbst …, damit die Presse eine angeblich neutrale und unabhängige Gruppe von ‚Aktivisten‘ als Bestätigung für die eigenen Meldungen anführen kann.“

    Damit nicht unerwähnt bleibt, wes‘ Geistes Kinder der Deutsche Journalisten-Verband ist: Sein Vorsitzender Frank Überall erklärte tags zuvor (29.09.2021): „Das Wirken von RT hat mit seriösem Journalismus nichts zu tun … Dieser Kanal verbreitet Desinformation und russische Propaganda. Die Löschung durch YouTube war längst überfällig.“ Reporter ohne Schamgrenzen eben.

    „Sie haben es wieder getan“, titelt die Berliner Zeitung am 01.10.2021, die als eine der Wenigen nicht in das Geheul des Meutenjournalismus einstimmt: „Die Interviews kommen sachlich daher, es werden Experten befragt. Statt ein paar Minuten wie bei #allesdichtmachen, dauern die neuen Videos fast eine halbe Stunde. Es ist viel eher der Versuch, eine Gegenöffentlichkeit herzustellen.“ Dann wird eine Reihe der Themen und kurze Inhaltsangaben von Videos genannt – alles in allem eine positive Ausnahme im Blätterwald. Ähnlich sachlich nur noch die Neue Zürcher Zeitung (01.10.2021), die gleich eingangs zu der Video-Aktion bemerkt: „Das ist kein heroischer Akt, aber auch kein empörender Vorgang. Jede Demokratie besteht aus Rede und Gegenrede“, und sich abschließend dagegen wendet, „jede Anfrage, Irritation und Melancholie pauschal als Schwurbelei abzutun.“

    Die wenigsten interessieren sich für die Motive der Kampagnenmacher, es wird über sie geschrieben, aber nicht mit ihnen geredet. Ausnahme wiederum die Berliner Zeitung, die (am 03.10.2021) den Schauspieler Volker Bruch zu Wort kommen lässt: „Wenn ich Missstände sehe und sie nicht benenne, dann stimme ich zu und akzeptiere sie. Das möchte ich nicht. Ich möchte mich zu Wort melden, wenn ich eine Diskrepanz zwischen der in den Medien abgebildeten Meinung und den verfügbaren Informationen sehe. … Meine Politisierung bezüglich Corona sehe ich als Notwehr. Die Maßnahmen wurden immer widersprüchlicher und gleichzeitig wurde die Kritik an ihnen immer mehr kriminalisiert. … Unser erklärtes Ziel war: Wir müssen die Kritik an der Regierung wieder in die Mitte der Gesellschaft zurückholen und verhindern, dass jeder, der Kritik übt, automatisch als Nazi bezeichnet wird. Das ist ja völlig absurd.“

    Bei diesen wenigen Lichtblicken muss nochmal an Abgründe wie bei der ZDF-Sendung „Die lange Nacht der Zeit“ mit Markus Lanz am 04.09.2021 erinnert werden, als ein finster dreinschauender Staatskünstler Böhmermann den Moderator Lanz dafür rügte, auch „falsche“ Gäste einzuladen. Wobei Böhmermann nicht von sich sprach, sondern vom Virologen Professor Dr. Hendrik Streeck, Direktor des Institutes für Virologie und HIV-Forschung an der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn, und von Professor Dr. Alexander S. Kekulé, Hochschullehrer für Medizinische Mikrobiologie und Virologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie des Universitätsklinikums Halle. Ihr Vergehen, das den Ausschluss aus der Diskussion rechtfertigen soll: Sie sind in Einzelfragen immer mal anderer Meinung als das Berliner Corona-Regime. Böhmermanns Vorwurf an Lanz war also, diese einzuladen, obwohl man „fachlich sagt, das ist keine gute Sache“. Wer entscheide über die fachliche Eignung, fragte Lanz, und Böhmermann knapp: „Die Leute, die Ahnung haben.“

    Fassungslos titelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung (23.09.2021): „Böhmermann meint es ganz ernst“, und fragte: „Soll Satire so politisch einseitig und oberlehrerhaft wie beim ZDF sein? Dort will Jan Böhmermann bestimmen, wer diskursfähig ist.“ Böhmermann anschließend auf Twitter: „Meinungen im öffentlichen Raum sollten einer strengen, umfassenden medialen und gesellschaftlichen Qualitätskontrolle standhalten.“ Die FAZ rätselte weiter, „welche ominöse Kommission die ‚Qualitätskontrolle‘ durchführen soll, von der Böhmermann fantasiert“.

    Des Rätsels Lösung ist nicht so schwer: Böhmermann ist eben kein Komödiant, weil das alle echten Komödianten beleidigen würde, er ist auch kein Blödelant, weil zum Blödeln auch die Fähigkeit gehört, sich selbst auf die Schippe zu nehmen, und ein Satiriker ist er auch nicht, weil er bevorzugt „nach unten“ tritt. Wer Schwierigkeiten hat, den Unterschied zwischen Satire und Zynismus zu verstehen, bekommt hier eine Chance: Böhmermann ist schlicht ein Zyniker, ein Menschenfeind: „Pandemie vorbei und meine Oma auch“, sang er mit triumphierender Miene.

    Und bei Markus Lanz gab er zum Besten, dessen „falsche Gäste“ verträten eine Meinung „durchtränkt von Menschenfeindlichkeit“. Wie wir wissen: Wer andere beschuldigt, sagt möglicherweise nichts über sie, aber viel über sich selbst.

    Das Dumme ist jedoch: Wie bei der aktuellen Kampagne „Alles auf den Tisch“ festzustellen, hat die Methode des Ausgrenzens von allen Meinungen, die nicht auf Mainstream- oder Regime-Linie liegen, endemische Ausmaße angenommen. Keinen Deut besser als Böhmermann gebärdeten sich die Spiegel-Journalistinnen Veronika Hackenbroch und Rafaela von Bredow, deren Interview mit dem Leiter der Virologie an der Berliner Charité, Christian Drosten, am 23.01.2021 veröffentlicht wurde. In suggestiver Form versuchen sie, die Zustimmung ihres Interviewpartners zu ihrer Aussage zu erheischen: „Einen größeren Schaden als Corona-Leugner haben im vergangenen Jahr wohl Experten angerichtet, die immer wieder gegen wissenschaftlich begründete Maßnahmen argumentiert haben, zum Beispiel Jonas Schmidt-Chanasit und Hendrik Streeck.” (Prof. Dr. Schmidt-Chanasit ist Virologe, Leiter der Molekularbiologie und Immunologie am Hamburger Tropeninstitut, über 200 wissenschaftliche Veröffentlichungen).

    Die Nachdenkseiten kommentierten: „Dass die öffentliche Debatte inzwischen totalitäre Züge annimmt, zeigt das erwähnte Interview des Spiegels mit Drosten. Selbst renommierte Wissenschaftler werden, wenn sie es wagen, die Regierungspolitik zu kritisieren, sofort in die Ecke der Corona-Leugner und Querdenker gestellt oder sogar als noch gefährlicher diffamiert.“ Gegen diese Methode, Kritiker in die rechte Ecke zu stellen, sie somit zu diskreditieren und aus dem wissenschaftlichen und öffentlichen Diskurs auszuschließen, sie mundtot zu machen, ist der entschlossene Widerstand aller Demokraten und „echten“ Linken gefordert. Deshalb wehren wir uns auch gegen die Diffamierung von #allesaufdenTisch und fordern dazu auf, sich mit den Inhalten auseinanderzusetzen. Dazu nur die folgende kleine Auswahl:

    Ein Interviewpartner ist Dr. Hans-Joachim Maaz, Arzt, Psychiater, Psychotherapeut, Psychoanalytiker, langjähriger Vorsitzender der „Deutschen Gesellschaft für analytische Psychotherapie und Tiefenpsychologie“. Er diagnostiziert eine „Kollektive Angststörung von nationaler Tragweite“, verursacht durch „die politisch-medial geschürte Panik und die aktive Verhinderung eines wissenschaftlichen Diskurses aller Maßnahmen und ihrer Folgen, wobei vor allem kritische Stimmen ausgegrenzt bis diffamiert werden. Der Angstkomplex lässt zunehmend eine autoritär-totalitäre Normopathie entstehen.“ Ein direkter oder indirekt geduldeter Impfzwang bedeute das Ende der Demokratie und wäre ein erschreckendes Versagen des Medizinsystems.

    Der Infektiologe Prof. Dr. Matthias Schrappe beklagt, dass anstelle einer evidenz-basierten Medizin, die Studien bewertet, transparent zusammenfasst und sich vor allem einer multidisziplinären Herangehensweise bedient, ein Rückfall in die „eminenz-basierte“ Medizin stattgefunden habe, wie sie vor 50 Jahren noch üblich war, als Einzelpersonen mit ihrer Meinung die Behandlung bestimmten. „Es gibt heute Personen in den Medien und auch im universitären Umfeld, die sich anmaßen, der Wissenschaft Vorgaben zu machen, was ‚gute‘ und ‚schlechte‘ Wissenschaft sei – ein ungeheurer Vorgang, der der Gesellschaft eines ihrer wichtigsten Innovationsmomente beraubt. ‚Die‘ Wissenschaft gibt es nicht, sondern nur den immerwährenden Disput zwischen widerstreitenden Ansätzen und Hypothesen.“ Aus der Überzeugung, nur eine Meinung sei richtig und andere anzuhören pure Zeitverschwendung, habe sich eine Tendenz zum Durchregieren breitgemacht, in der Folge hat die Gesellschaft ihre Liberalität verloren und fachlich sind massive Fehler gemacht worden.

    Dr. Ulrike Beate Guérot, Politikwissenschaftlerin und Publizistin, nimmt zu den Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf die Demokratie Stellung. Ein „paternalistische Staat“ nimmt mit seinen Maßnahmen den Bürgerinnen und Bürgern die Eigenverantwortung. Die aktuellen Diskussionen um 3G oder 2G sind tendenziell Ausgrenzungsdiskussionen. Größere Teile der Bevölkerung werden von der Teilhabe am gesellschaftlichen Geschehen ausgeschlossen, ihnen werden de facto ihre bürgerlichen Rechte entzogen. Der verfassungsmäßige allgemeine Gleichheitsgrundsatz gilt für alle Bürgerinnen und Bürger, die Ausgrenzung von Teilen der Gesellschaft aufgrund eines Impfstatus kann nicht zulässig sein. Ungeimpfte werden stigmatisiert und schon jetzt vorweg als Schuldige bezeichnet, wenn es in Zukunft vielleicht wieder zu einer Überlastung der Krankenhäuser kommen sollte. Es herrschen Stigmatisierung, Moralisierung und Druck – Elemente, mit denen eine Demokratie nicht gut funktionieren kann. Aus einer offenen Gesellschaft wird eine geschlossene Gemeinschaft – die vorher aussortiert: wer sind die Guten, wer die Bösen. Wir sehen beispielhaft an „2G“, dass die Nichtgeimpften nicht zu den Guten gehören, sondern als schlechte Elemente aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden. Geschlossene Gemeinschaften können nicht demokratisch sein.

    Eine kleine kritische Anmerkung zur „offenen Gesellschaft“; aus der Gegenüberstellung zur „geschlossenen Gemeinschaft“ geht klar hervor, was Frau Dr. Guérot meint: eine demokratische Gesellschaft mit gleichen Rechten für alle. Dass sie dafür die subversive Propaganda-Formel des George Soros mit seiner „Open Society“ benutzt, ist sicher ein Versehen.

    Und eine letzte Stimme: „Die Freiheitsbeschränkungen in der Corona-Krise waren intensiv und vielfältig, und ihre rechtsstaatliche Aufarbeitung ist bei Weitem noch nicht abgeschlossen. Und die Erosion unserer Freiheitsrechte hat auch keineswegs mit der Corona-Krise begonnen, sondern wurde durch die Pandemie lediglich erheblich beschleunigt. (…) Auch das allgemeine legitime Ziel, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen, rechtfertigt nicht jeden Grundrechtseingriff. Nutzen und Schaden müssen stets in einem angemessenen Verhältnis stehen, und die Beweislast für das Vorliegen der Verhältnismäßigkeit trägt der Staat. Schwerwiegende Freiheitsbeschränkungen aus bloßer Vorsorge sollte es künftig nicht mehr geben. (…) Das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates und die Rationalität seiner Entscheidungen ist im Laufe der Zeit erschüttert worden. Es wurde nicht generell, aber doch teilweise ziemlich irrational, widersprüchlich, kopflos und im Übermaß reagiert.“

    Der das sagt, tritt in der Videoserie nicht auf, er würde nach den Kriterien vieler „Qualitätsmedien“ aber umstandslos zu den „Irren und Wirren“ gezählt. Der Beitrag steht in der Welt vom 06.10.2021, und zwar als Interview mit Hans-Jürgen Papier, dem ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts.

    Auf der Kampagnenseite kann man die Videos ansehen, und auch eine Petition unterzeichnen:

    Es ist Zeit für den Runden Tisch

    Mit dem Unterzeichnen der Petition fordern wir einen regelmäßig stattfindenden “Runden Tisch” für das Corona-Krisenmanagement, an dem WissenschaftlerInnen verschiedener Disziplinen mit unterschiedlichen Standpunkten interdisziplinär und evidenzbasiert diskutieren und anschließend die Politik beraten. Wichtig ist, dass in diesem Gremium auch WissenschaftlerInnen gehört werden die nicht in institutioneller staatlicher Abhängigkeit stehen. Sämtliche Ergebnisse und daraus resultierende Maßnahmen sollen transparent mit allen BürgerInnen kommuniziert werden.

    Klaus Hartmann ist stellv. Bundesvorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes

    #pandémie #politique #Allemagne #censure #allesaufdentisch

  • Die Grünen, Annalena und der Krieg
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=73374
    Pourqoi voter pour les verts allemands ?
    Dans les statistiques de l’électorat vert on dêcouvre un pourcentage élevé de personnes aisés, ce qu’il faut comprendre comme cette partie de la population allemande qui a su profiter de la politique transatlantique, impérialiste et antisociale des gouvernements fédéraux depuis 1989.

    Il n’est alors pas étonnant du tout que leur parti se rallie aux forces qui défendent l’emprise des impérialismes étatsuniens et allemands sur les marchés du monde plutôt que la sécurité et la vie en paix de ses populations.

    L’auteur de cet article fut candidat social-démocrate au poste de chancelier fédéral allemand, fondateur du parti de justice sociale (WASG) et auteur de son unification avec le parti socialiste démocratique (PDS) créant ainsi le parti de gauche (Die Linke) allemand.

    Dans cet article il insiste sur le fait de la transformation du parti vert issu des mouvements pacifistes, antinucléaires et sociales dans une organisation qui agit contre les intérêts des allemands qui ne sont pas prêts à sacrifier la vie de leurs fils et filles sur les champs de bataille impérialistes.

    15. Juni 2021 von Oskar Lafontaine | Verantwortlicher: Redaktion

    Dass Annalena Baerbock nicht reden kann und ängstlich vom Blatt abliest, will man ihr nicht vorwerfen. Auch dass sie sich mal verhaspelt und „liberale Feinde“ statt „Feinde der liberalen Demokratie“ sagt. Und dass sie nicht faktensicher ist, entgegen den Behauptungen des „Groupie-Journalismus“ (Lambsdorff), spricht sich mittlerweile herum: Kobalt wird zu „Kobold“, Strom kann im Netz gespeichert werden und in einer siebenminütigen Rede im Bundestag bringt sie es fertig, die SPD zur Erfinderin der sozialen Marktwirtschaft zu machen, und aus der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl wird die Europäische Gemeinschaft für Kohle, Öl und Stahl. Früher wäre ein Kanzlerkandidat bei solchen Flops in der Luft zerrissen worden.

    Ein Gastbeitrag von Oskar Lafontaine.

    Der Grünen-Parteitag hat aber wieder einmal gezeigt, dass die Grünen für diejenigen unwählbar geworden sind, die sich der Friedensbewegung und einer Politik für Abrüstung und Entspannung verbunden fühlen. Nicht nur, dass sie sich mittlerweile für bewaffnete Drohnen aufgeschlossen zeigen. Vielmehr wurde wieder deutlich, dass sie die treuesten Verbündeten des US-Imperiums sind. Sichtbarster Ausdruck war, dass sie die „Kindsmörderin“ Madelaine Albright wieder einmal eingeladen haben (Albright auf die Frage, ob die US-Sanktionen im Irak den Preis von 500.000 toten Kindern wert waren: “Wir glauben, es ist den Preis wert.”) und offenbar nichts dabei finden.

    Die grüne Außenpolitik würde Europa nicht sicherer machen, sondern die Kriegsgefahr erhöhen. Merkel wusste immerhin noch, dass man die Ukraine oder Georgien nicht in die Nato aufnehmen kann, da Russland seiner Einkreisung durch US-Truppen und Militärstationen nicht ewig tatenlos zusehen kann. Und sie weiß, im Gegensatz zu den Grünen, dass die deutsche Export-Wirtschaft auf China angewiesen ist. Die FDP hat sich mit Westerwelle als Außenminister immerhin noch dem Überfall auf Libyen verweigert. In der SPD bemüht sich insbesondere der Fraktionsvorsitzende Mützenich, einige Bestandteile der Friedenspolitik Willy Brandts in Erinnerung zu rufen. Und sogar die AfD hat erkannt, dass für die Sicherheit Deutschlands und Europas gute Beziehungen zur russischen Atommacht notwendig sind. Hitlers Vernichtungskrieg, bei dem 25 Millionen Menschen in der Sowjetunion ihr Leben verloren, war eben doch kein „Vogelschiss“ in der Geschichte.

    Aber die Grünen haben sich von einer einst pazifistischen Partei zu einer Partei gewandelt, die unter Verantwortung Deutschlands in der Welt die Beteiligung an völkerrechtswidrigen Kriegen versteht.

    #Allemagne #politique #verts #guerre #impérialisme

  • Russland und China in Myanmar
    https://diasp.eu/p/12799970

    Russland und China in Myanmar

    Die Welt schaut entsetzt auf Myanmar: Ein Militärputsch, die Führer einer demokratisch gewählten Regierung wurden verhaftet. Suu Kyi, Staatspräsident Win Myint sowie viele andere Regierungsmitglieder sitzen seit dem 1. Februar im Gefängnis. Seit nun mehr drei Monaten gibt es landesweite Proteste und Streiks. Bereits 800 Menschen wurden erschossen, weil sie gegen den Militärputsch auf die Straße gegangen sind. Von Marco Wenzel.

    Eine Armee, die sich wie eine fremde Besatzungsmacht verhält, die mitscharfer Munition, und mit schweren Waffen, Maschinenpistolen und Granaten auf die Zivilbevölkerung schießt, ja sie sogar mit ihren Jagdflugzeugen bombardiert und in den Dschungel oder über die Landesgrenzen treibt hat in Myanmar die Macht ergriffen. Mehr als dreitausend (...)

    • L’article donne un bon aperçu des intérêts des grandes puissances à l’égard de la junte militaire, en mettant l’accent sur la Chine et la Russie.

      propre lien :

      https://www.nachdenkseiten.de/?p=71839

      [...]

      Warum aber blockieren China und Russland konkrete Maßnahmen gegen eine Militärdiktatur, die sich international als Paria geoutet hat und die bei der eigenen Bevölkerung so verhasst ist? Stimmen sie aus Prinzip gegen jede Resolution im Sicherheitsrat, wenn sie von den USA, Großbritannien oder Frankreich eingebracht wurde, sind sie von allen guten Geistern verlassen oder was steckt dahinter?

      [...]

      #Birmanie #Chine #Russie
      #jeu_d'echecs
      #ONU #États-unis #ANASE / #ASEAN #Europe
      #océan_Indien #géopolitique
      #route_de_la_soie

    • [...]

      China bezeichnete den Putsch als „Kabinettsumbildung”, während Russland ihn als „rein innenpolitische Angelegenheit” bezeichnete. China zusammen mit Russland als ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrates und als Vetomächte haben bisher alle Versuche westlicher Nationen im UN-Sicherheitsrat blockiert, kollektive Maßnahmen gegen Myanmars Militärputschisten und deren tödliches Vorgehen gegen unbewaffnete Demonstranten zu ergreifen. Bereits 2017 blockierte China zusammen mit Russland eine Resolution des UN-Sicherheitsrates, die Myanmar wegen der Rohingya-Krise kritisierte.

      Peking spielt den Militärputsch systematisch herunter. Chinas Interessenpolitik ist darauf ausgerichtet, sich mit jeder Regierung gut zu stellen, unabhängig von ideologischen und moralischen Fragen. Offiziell betreibt China eine Politik der Nichteinmischung. Wenn man sich aber die Geschichte der Beziehungen zwischen China und Burma anschaut, so gibt es darin keine Epoche, in der sich China, seit Gründung der Volksrepublik, nicht in Burma eingemischt hätte. Eine gute Zusammenfassung darüber hat Bertil Lintner hier veröffentlicht: China and Myanmar: No interference?[3]

      Was für Russland gilt, gilt im Großen und Ganzen auch für China. China ist der größte Lieferant von Militärgütern und Waffen an die Tatmadaw. Der burmesische Waffenimport aus China beträgt in etwa das Doppelte von dem aus Russland. Dass China die Militärs in Burma mit Waffen beliefert, dürfte unseren Lesern bereits bekannt sein. Wir wollen uns hier die Aufzählung der verschiedenen chinesischen Waffensysteme ersparen und verweisen auf den Link weiter unten, wo alle Waffen und Waffensysteme des burmesischen Militärs und deren Herkunft aufgelistet sind.[2] Die Rüstungsverkäufe, obwohl sie sehr umfangreich sind, spielen aber aus finanzieller Sicht nur eine untergeordnete Rolle für China. Viel wichtiger sind geostrategische Gesichtspunkte. Die riesigen Investitionen Chinas in Myanmar im Rahmen der neuen Seidenstraße übertreffen den Umsatz im Waffenverkauf um ein Vielfaches.

      Burma spielt eine strategisch wichtige Rolle im südostasiatischen Teilabschnitt von Chinas Projekt der neuen Seidenstraße. Der Landweg über Burma erlaubt China den direkten Zugang zum Golf von Bengalen und von dort in den Indischen Ozean.

      [...]

      (cf. la carte ci-dessus)

  • Schuldenbremse: Bankrotterklärung der Mainstream-Ökonomik
    https://diasp.eu/p/12791307

    Schuldenbremse: Bankrotterklärung der Mainstream-Ökonomik

    Wissenschaft, so haben wir das einst gelernt, ist der immerwährende Versuch, die Welt zu verstehen. Die große Mehrzahl der Ökonomen hat sich von diesem Konzept verabschiedet, was sich nirgendwo besser als an der Diskussion der Schuldenbremse zeigen lässt. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte: Der jüngste ifo-schnelldienst (ifo-schnelldienst 4/2021) hätte ihn erbracht: Das, was die große Mehrzahl der Ökonomen betreibt, hat nichts mit Wissenschaft zu tun. Der Vorgang ist leicht zu verstehen: Ein Institut, das weitgehend vom Staat finanziert wird und wissenschaftlichen Ansprüchen genügen sollte, lädt 13 Autoren zu einer Diskussion über die Schuldenbremse ein – und zwar unter dem Obertitel „Zur Diskussion gestellt“. Von Heiner Flassbeck mit (...)

    • Schuldenbremse: Bankrotterklärung der Mainstream-Ökonomik

      Von Heiner Flassbeck
      | 21. April 2021

      „Die Nachfrage der Unternehmer ist nicht eine Funktion ihres Einkommens, sondern ihr Einkommen ist eine Funktion ihrer Nachfrage“

      [...]

      Doch was wurde in Wirklichkeit zur Diskussion gestellt? Offenbar geht es bei der Schuldenbremse um die Frage, ob der Staat in einer bestimmten, uns durchaus bekannten deutschen Wirtschaft jenseits von Ausnahmesituationen wie dem Corona-Schock einen Einnahmeüberschuss (einen Überschuss der staatlichen Einnahmen über die Ausgaben erzielen soll, was wir meist „Sparen“ nennen oder Unter-den-Verhältnissen-leben), oder umgekehrt, einen Überschuss der staatlichen Ausgaben über die Einnahmen (was wir „Schulden machen“ nennen oder Über-den-Verhältnissen-leben).

      Was müsste einem Wissenschaftler in den Sinn kommen, der sich mit der Volkswirtschaft beschäftigt und zu den Schulden des Staates Stellung beziehen soll? Die Volkswirtschaft einzubeziehen, kann wohl nur bedeuten, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, auf welche Weise die Einnahmen und die Ausgaben des Staates sowie der Saldo mit den Ausgaben und Einnahmen der anderen Sektoren der Volkswirtschaft korrespondieren – oder auch nicht. Weder die Einnahmen des Staates noch seine Ausgaben lassen die anderen Sektoren unberührt.

      Hinzu kommt, in einer Marktwirtschaft gibt es einen Sektor, der kein festes Einkommen bezieht, weil er am Ende aller Anpassungsprozesse steht und das Einkommen erhält, das übrigbleibt, wenn alle vertraglich fixierten Einkommen abgegolten worden sind. Das ist der Unternehmenssektor. Sein Einkommen, der Gewinn, ist ein Residualeinkommen. Das, was der Staat in Sachen Schulden tut, schlägt sich folglich zumindest unmittelbar in den Unternehmensgewinnen nieder. Weiß man zudem als Volkswirt, dass das Nettogeldvermögen und die Nettoschulden der Welt immer genau gleich null sind (weil niemand über seinen Verhältnissen leben kann, wenn nicht gleichzeitig ein anderer unter seinen Verhältnissen lebt) ist die Aufgabe, die sich bei der Diskussion der Schuldenbremse stellt, klar umrissen.

      Das alles aber weiß offensichtlich keiner der vom ifo-Institut eingeladenen Volkswirte einschließlich der Volkswirte aus den eigenen Reihen, die das Institut zu Wort kommen lässt. Sucht man in den gesamten Texten nach „Finanzierungssalden“ ist das Ergebnis Null, bei „Unternehmensgewinnen“ ebenso und von „Leistungsbilanzüberschüssen“ hat scheinbar noch nie jemand etwas gehört. Ist das Nachlässigkeit, ein Versehen oder hat das System? Kann es sein, dass die Volkswirte ihr eigenes Untersuchungsobjekt aufgegeben haben und als Betriebswirte oder Haushaltsexperten herumdilettieren?
      Wilhelm Lautenbach hat es schon vor fast hundert Jahren erklärt

      Die Tatsache, dass das Geldvermögen einer geschlossenen Volkswirtschaft immer Null ist, liefert den Schlüssel zu einer eindeutigen und absolut unbestreitbaren Analyse. Alle Überschüsse und alle Defizite inklusive des Gewinns der Unternehmen, auf den es nach allgemein herrschender Auffassung für die gesamte Dynamik der Volkswirtschaft und damit letztlich auch für die staatlichen Schulden ankommt, ist nur in diesem logischen Korsett angemessen zu analysieren.

      Diese Erkenntnis haben im Gefolge der Weltwirtschaftskrise mehrere Ökonomen nahezu gleichzeitig entwickelt. Einer davon war Wilhelm Lautenbach, der hoher Beamter des Reichswirtschaftsministeriums während der großen Krise von 1929/30 und danach war. Er hatte in großer Klarheit erkannt, dass die damals und heute herrschende Lehre einen entscheidenden logischen Defekt aufwies: Sie analysierte die Wirtschaft auf eine Weise, die unterstellte, dass Angebot und Nachfrage nicht nur für das einzelne Unternehmen und den einzelnen Haushalt unabhängig voneinander gegeben sind, sondern auch für die Gesamtwirtschaft. Das aber konnte nicht stimmen, folgerte Lautenbach, weil man leicht zeigen kann, dass es für den Unternehmenssektor auf keinen Fall gilt.

      Lautenbach teilte das gesamte Einkommen (E) der Volkswirtschaft in Unternehmereinkommen (EU) auf der einen Seite und Nichtunternehmereinkommen (EN) auf der anderen auf. Da das gesamte Volkseinkommen (auf der Nachfrageseite) nur aus Konsum (V) und Investition (I) bestehen kann, schrieb er:

      EU + EN = E = I + V

      Lautenbach folgerte daraus: „Da aber das Einkommen der Nichtunternehmer pari passu mit der Produktion unmittelbar gegeben ist, eben durch die Höhe der Entschädigungen, die die Unternehmen an die Nichtunternehmer zahlen, während das Unternehmereinkommen gerade unbestimmt ist, erst auf dem Markt festgestellt wird, so hat es einen Sinn, diese Gleichung nach EU aufzulösen“. Nach einigen einfachen Umformungen entsteht:

      EU = I + VU – SN

      Das bedeutet, dass das Einkommen der Unternehmer immer gleich ist dem Wert der Investition zuzüglich des Verbrauchs der Unternehmer selbst, aber abzüglich der Ersparnisse aller Nichtunternehmer, also auch der des Staates. Staatliches Sparen schlägt sich unmittelbar als Verminderung des Gewinns der Unternehmen nieder und staatliche Ausgabenüberschüsse (Schulden) vergrößern die Gewinne der Unternehmen. Wer über staatliche Schulden redet, ohne diesen Zusammenhang zugrunde zu legen, bleibt vollkommen irrelevant.

      Offensichtlich ist es so, dass jede Ausgabenkürzung, wo immer in der Volkswirtschaft sie vorgenommen wird, gleichartige negative Auswirkungen auf die Gewinne der Unternehmen hat. Ob es die privaten Haushalte sind, der Staat, die Unternehmen selbst oder die gleichen Akteure in den Ländern, die mit uns Handel treiben (das Ausland), immer führt eine Kürzung der Ausgaben einer dieser Gruppen bei gleichbleibenden Einnahmen dazu, dass die Gewinne der Unternehmen sinken.
      Die Unternehmen nutzen und schaden sich selbst

      Besonders eklatant ist das im Falle der Unternehmen. Reagieren die Unternehmen auf Ausgabekürzungen anderer Sektoren mit eigenen Ausgabekürzungen, was den Normalfall darstellen dürfte, verschlechtern sie unmittelbar die Situation aller Unternehmen weiter, weil ihre Kürzungen nichts anderes bedeuten als Einnahmeausfälle für andere Unternehmen.

      Dieses Phänomen kann man in seiner grundsätzlichen Bedeutung kaum überschätzen. Das heißt nämlich, dass es für das marktwirtschaftliche System ohne Intervention des Staates keine Möglichkeit der Selbststabilisierung im Falle eines negativen Nachfrageschocks gibt. Eine einmal ins Rollen gebrachte Lawine ist nicht mehr zu stoppen. Umgekehrt gilt, dass investierende und sich verschuldende Unternehmen die Situation aller Unternehmen ständig verbessern, ohne dass es dafür eine „natürliche“ Grenze gäbe. Der Zyklus der Konjunktur mit seiner offenkundigen Neigung, in beiden Richtungen zu „überschießen“, findet hier eine systematische Erklärung.

      Für die Interventionen der Wirtschaftspolitik in der Vergangenheit war diese Erkenntnis von enormer Bedeutung. Es bedurfte nicht unbedingt dauernder Eingriffe mit höherer staatlicher Verschuldung, sondern es genügte in der Regel, durch eine antizyklische Maßnahme die Richtung zu ändern, in der die Unternehmen die Anpassung an eine sich ändernde Einnahmesituation vornehmen. In der neuen Welt, wo die Unternehmen praktisch immer sparen (siehe Schaubild weiter unten), wie das in den meisten Ländern der Welt seit über zehn Jahren der Fall ist, ist der Staat allerdings permanent gefordert, neue Schulden zu machen, weil es sonst niemals aufwärts geht.

      Auch „das Ausland“ respektive die dort agierenden Gruppen können mit der Kürzung ihrer Ausgaben (mit vermehrtem „Sparen“) die Situation der inländischen Unternehmen verschlechtern und umgekehrt mit mehr Ausgaben für Importe die inländischen Unternehmen zu eigenen Investitionen anregen. Es zeigt sich an diesen schlichten Überlegungen, dass der repräsentative Haushalt, von dem die herrschende neoklassische Theorie glaubt, dass er mit seiner Entscheidung über mehr oder weniger Sparen aus einem gegebenen Einkommen, die Weltwirtschaft lenkt, eine geradezu lächerliche Figur ist. Das Gleichgewichtsdenken allgemein trägt in kaum zu überschätzender Weise zur allgemeinen Verwirrung bei. Für die Wirklichkeit komplexer arbeitsteiliger Wirtschaften, wo die Unternehmen sich an anonymisierte Signale über Einnahmen und Ausgaben anpassen müssen, ist das Gleichgewicht keine Annäherung an die relevanten Zusammenhänge, sondern eine Ablenkung.

      Alle staatlichen Handlungen, die ein Ausgabendefizit zur Folge haben, sind grundsätzlich nicht geeignet, eine Volkswirtschaft zu stabilisieren, weil die Nachfrage der Unternehmen, die Auslastung ihrer Produktionskapazitäten und ihre Gewinne sinken. Weil die Unternehmen daraufhin mit ihrer Anpassungsreaktion an sinkende Gewinne die Gewinne der Unternehmen insgesamt noch einmal verringern, besteht jederzeit die Gefahr einer kumulativen Verstärkung des Abschwungs.

      Umgekehrt gilt, dass jede bewusste Herbeiführung eines Ausgabenüberschusses, sei es von der Seite des Staates, des Auslands oder der Unternehmen selbst, die Nachfrage- und Gewinnsituation der Unternehmen unmittelbar verbessert. Das wiederum schafft die Möglichkeit, dass die Unternehmen die positiven Impulse zu einer weiteren Vergrößerung ihres Ausgabenüberschusses veranlassen, was dann zu einem kumulativen Aufschwungsprozess führen kann.

      Wir beobachten hier also eine starke Asymmetrie. Je nachdem, ob ein Ausgabenüberschuss oder ein Einnahmenüberschuss am Beginn eines dynamischen Prozesses steht, entwickelt sich die Wirtschaft in Richtung Einkommenssteigerung oder Einkommenssenkung. Die neoklassische Vermutung, man könne auch in einer komplexen Wirtschaft durch einen Einnahmenüberschuss, durch „Sparen“, durch Gürtel-enger-Schnallen mithilfe von „nichtkeynesianischen Effekten“ einen Wachstumsschub initiieren, ist von vorneherein vollkommen unsinnig und gefährlich.

      Wilhelm Lautenbach hat den Kern der Geschichte in seiner unnachahmlich knappen Art in die Worte gefasst: „Die Nachfrage der Unternehmer ist nicht eine Funktion ihres Einkommens, sondern ihr Einkommen ist eine Funktion ihrer Nachfrage“ (S.22). Bei John Maynard Keynes findet man diese bedeutende Einsicht in einer eher beiläufigen Bemerkung schon in der „Treatise on Money“ aus dem Jahre 1930. Wolfgang Stützel hat übrigens versucht, diesen (ihn offensichtlich schockierenden) Satz in einer Fußnote, die sich über mehrere Seiten zieht, zu erklären. Das ist ihm nicht gelungen, man kann aber klar herauslesen, dass auch er, der Herausgeber des Lautenbachschen Buches (Zins/Kredit und Produktion, Mohr Siebeck 1952), diesen zentralen Satz weder inhaltlich noch im Sinne seiner großen wirtschaftspolitischen Bedeutung verstanden hat.

      Anzumerken ist noch, dass die Tatsache, dass ex post, also nach dem Ende aller Anpassungsprozesse dennoch alle Ausgabendefizite durch Ausgabenüberschüsse genau ausgeglichen werden, keinerlei Bedeutung für die Frage hat, ob der Prozess, der zu dieser ex post-Gleichheit führte, effizient oder ineffizient war. Denn es ist entscheidend, ob der zwischen den ursprünglich getroffenen Entscheidungen liegende (ungleichgewichtige) Prozess und dem ex post Resultat ein Aufschwung oder ein Abschwung stattfand, ob also im Laufe des Prozesses die gesamtwirtschaftlichen Einkommen gestiegen oder gesunken sind und ob Arbeitsplätze geschaffen oder verloren wurden.

      Beeindruckend ist auch, dass die Unternehmensverbände dieser Welt nicht verstanden haben, in welcher Weise und in welchem Ausmaß ihre Mitglieder sich dadurch schaden, dass sie zu Netto-Sparern geworden sind. Wie die Finanzierungssalden für Deutschland in der Graphik zeigen, war das systematische Sparen der deutschen Unternehmen in den vergangenen zwanzig Jahren nur möglich, weil fast immer das Ausland die Rolle des Schuldners übernommen hat. Im Jahr 2020 musste allerdings wieder einmal der Staat die Lücke in der Nachfrage schließen, die von den Unternehmen und den privaten Haushalten mit dem Anstieg ihrer Sparquote geschaffen wurde.

      Abbildung 1

      Damit ist die Frage nach der Zukunft der Schuldenbremse für Deutschland abschließend und eindeutig geklärt. Wenn es dem Staat nicht gelingt, die Unternehmen wieder in die Rolle des Schuldners zurückzudrängen, muss er selbst diese Rolle übernehmen, es sei denn, er will Merkantilist bis ans Ende aller Tage bleiben und erwartet, dass die Handelspartner diesen massiven Verstoß gegen alle Handelsregeln klaglos und ohne Gegenwehr akzeptieren.
      Warum lernen die deutschen Volkswirte nicht?

      Ich muss noch eine kurze Anmerkung nachschieben. Es ist mehr als bemerkenswert (skandalös wäre vermutlich das richtige Wort), dass schon in dem 1952 posthum erschienenen einzigen Buch von Wilhelm Lautenbach (Lautenbach ist 1948 schon gestorben) die Ablenkungsmanöver der deutschen Ökonomen in vollem Gange waren. Wilhelm Röpke, einer der immer noch als bedeutend angesehenen Ordoliberalen schrieb im Vorwort zu dem Buch, er hätte gerne gewusst, ob Lautenbach (den er offensichtlich persönlich kannte) sich der „außerordentlichen Bedingtheit“ der keynesianischen Lehre, ihrer „engen Grenzen“ und „der schweren Gefahren ihres Missbrauchs“ bewusst gewesen sei. Schließlich habe sich die „einzigartige Situation der großen Depression, von der #Lautenbach und #Keynes ausgegangen waren, völlig umgekehrt…“.

      Was ist wohl an der obigen Aussage von Lautenbach über die Unternehmereinkommen „außerordentlich bedingt“? Es ist eine vollkommen unbedingte, immer und jederzeit geltende Gesetzmäßigkeit, die sich aus der Tatsache ergibt, dass die Ausgaben einer Gruppe in der Volkswirtschaft immer die Einnahmen der anderen Gruppen sind und die Unternehmen insgesamt in einer Marktwirtschaft das Residualeinkommen erzielen.

      Diese Erkenntnis ist, wie die vollständige Vernachlässigung der Finanzierungssalden zeigt, bis heute nicht in die herrschende liberal-neoklassische Ökonomik vorgedrungen und genau deswegen hat man die Dynamik einer Marktwirtschaft nicht einmal im Ansatz verstanden, obwohl man von nichts anderem als der Marktwirtschaft redet. Genau deswegen kann diese gesamte Denkschule keinen geeigneten wirtschaftspolitischen Vorschlag machen und richtet mit ihrer kleinteiligen und falschen Sichtweise großen Schaden an. Nach fast hundert Jahren des Missverstehens ist es an der Zeit, die zentralen Einsichten anzuerkennen oder offen zu sagen, dass es um Wissenschaft und objektive Erkenntnis gar nicht geht.

      Heiner Flassbeck ist Gründer und Spiritus Rector von MAKROSKOP. Er ist Honorarprofessor an der Universität Hamburg, war Chef-Volkswirt der UNCTAD und Staatssekretär im BMF. Seine Hauptarbeitsgebiete sind die Globalisierung, die Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung sowie Geld- und Währungstheorie.

      #endettement #théorie_monétaire #monnaie #valuta #économie #keynésianisme

  • Der US-alliierte Krieg gegen den Irak. Ein „gerechter Krieg“ feiert seinen 30. Geburtstag
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=71289

    Ein Masterplan für einen Krieg aus edlen und selbstlosen Gründen, die nicht nur für alte Militaristen gut sind. Es liegt nun 30 Jahre zurück, als US-alliierte Truppen in den Irak einmarschiert waren. Es lohnt sich, Bilanz zu ziehen. Denn heute lassen sich viel sicherer Versprechen, Propaganda und Wirklichkeiten auseinanderhalten. Und es gibt noch einen sehr aktuellen Anlass, auf diesen ‚Zweiten Golfkrieg‘ zurückzublicken. Damals taten jene, die dem „Realoflügel“ der GRÜNEN nahestanden, alles, um den Pazifismus über Bord zu werfen. Heute machen sich Teile der Partei DIE LINKE dieselben Gedanken. Wie kann man sich als Koalitionspartner anbieten und gleichzeitig ein wesentliches Erkennungszeichen der LINKEN, keinen Kriegseinsätzen zuzustimmen, aushebeln? Von Wolf Wetzel.

    #Allemagne #Iraq #guerre #OTAN

  • Seit 30 Jahren bombardieren die USA den Irak
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=70630

    US-Justizminister Clark nannte Mitte der 1990er die erschreckende Zahl von 1,5 Millionen durch Sanktionen Getötete, während andere diese noch höher ansetzten. Die Welternährungsorganisation nannte bereits 1995 die Zahl von 576.000 durch Sanktionen getötete Kinder – das ist Madeleine Albrights berühmt-berüchtigter „Preis“ für den Regime Change der USA, den es „wert“ sei, von irakischen Kindern zahlen zu lassen. Genozid durch Sanktionen, Zerstörung eines Landes durch Wirtschaftsterrorismus, millionenfacher Mord durch aktive Unterlassung – das ist Bill Clintons Erbe im Irak und das Paradebeispiel, wie ein Land und seine Bevölkerung zerstört werden können, ohne auch nur einen Fuß auf dieses Land zu setzen.

    Madeleine Albright: „500,000 Dead Iraqi Children Was Worth It“
    https://www.thegatewaypundit.com/2008/03/madeleine-albright-500000-dead-iraqi-children-was-worth-it

    Here is a much forgotten exchange between Lesley Stahl and Madeleine Albright on “60 Minutes” back on May 12, 1996 that is not getting much play lately:

    Lesley Stahl on U.S. sanctions against Iraq: We have heard that a half million children have died. I mean, that’s more children than died in Hiroshima. And, you know, is the price worth it?

    Secretary of State Madeleine Albright: I think this is a very hard choice, but the price–we think the price is worth it.

    In case you missed that episode, here is the video:
    https://www.youtube.com/watch?v=omnskeu-puE

    #impérialisme #USA #Iraq #guerre #enfants #boycott