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  • Seit 30 Jahren bombardieren die USA den Irak
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=70630

    11. März 2021 um 9:37 Ein Artikel von Jakob Reimann

    Mit der Operation Desert Storm setzte Bush Senior 1991 eine Pathologie US-amerikanischer Außenpolitik in Gang, unter der seit nunmehr 30 Jahren Krieg gegen die irakische Bevölkerung geführt wird. Die Kriegsformen wechseln sich ab und greifen verstärkend ineinander: Bombenteppich, Invasion, Flugverbotszonen, Wirtschaftskrieg, Drohnenkrieg. Das Ziel ist es, den Aufstieg des ölreichen Irak zum Regionalhegemonen dauerhaft zu unterbinden. Für dieses machtpolitische Kalkül zerstörten die USA die Grundfeste eines ganzen Landes, der Wiege der Zivilisation, und töteten im Irak mindestens 2,7 Millionen Menschen – im Schnitt 250 jeden Tag, seit 30 Jahren.

    Der 17. Januar 2021 markierte den 30. Jahrestag des Krieges der USA gegen den Irak. Seit Januar 1991 bombardieren die Vereinigten Staaten nun ohne Unterbrechung das Land an Euphrat und Tigris, die Wiege der Zivilisation, und setzen darüber hinaus Wirtschaftskrieg, Staatsterrorismus und Folter ein. Der Irakkrieg dauert länger als der Amerikanische Bürgerkrieg, der Spanisch-Amerikanische Krieg, der Erste Weltkrieg, der Zweite Weltkrieg, der Koreakrieg, der Vietnamkrieg und der Kosovokrieg zusammen und ist damit der längste international ausgetragene Krieg seit dem Dreißigjährigen Krieg von 1618. Im Folgenden soll die Geschichte nachskizziert werden, wie die USA auf diesen mörderischen Irrweg gelangt sind.

    #impérialisme #guerre #USA #Iraq

  • »Reiches Land, starke Armee« - Vorgeschichte, Verlauf und Vermächtnisse des Zweiten Weltkriegs in Ost- und Südostasien (Teil I) 16. Februar 2020
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=58483

    75 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs in Ost- und Südostasien – Vorgeschichte, Verlauf, Vermächtnisse lautet der Titel dieser siebenteiligen Artikelserie von Rainer Werning,
    ...
    Im ersten Teil der siebenteiligen Serie zur Vorgeschichte, zum Verlauf und zu den Vermächtnissen des Zweiten Weltkriegs in Ost- und Südostasien beschäftigt sich unser Autor Rainer Werning mit dem Aufstieg Japans zur hegemonialen Macht in Ostasien.

    Wie zahlreiche Zeitzeugen sowie ost- und südostasiatische Historiker in ausführlichen Gesprächen mit dem Autor immer wieder hervorhoben, hatte Japans militärischer Feldzug und seine Okkupation nahezu sämtlicher Länder in den Regionen auch und gerade dazu geführt, dass der Nimbus der (vermeintlichen) Überlegenheit und Unbesiegbarkeit des »weißen« Kolonialismus und Imperialismus unwiderruflich erschüttert wurde.

    Last, but not least gilt es, eurozentris(tis)che Sichtweisen zu revidieren: Der Zweite Weltkrieg in Südost- und Ostasien sowie im Pazifik endete erst am 2. September 1945 mit der Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde seitens des japanischen Generalstabs. Und er begann dort nicht erst im Spätsommer 1939, sondern bereits mit der Zerstörung der damaligen chinesischen Hauptstadt Nanking um die Jahreswende 1937/38 und damit der Eskalation des Krieges gegen Gesamtchina, wenn nicht gar bereits 1931 mit der völkerrechtswidrigen Besatzung mehrerer Großstädte in der Mandschurei sowie der späteren Installierung des Vasallenstaates »Mandschukuo« – RW.

    Hoher Blutzoll – gescheiterte „Pazifizierung“ (Teil II) 05. April 2020
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=59918

    Nach spanischer und US-amerikanischer Herrschaft besetzt Japan die Philippinen

    Unterdrückung, Revolten und bewaffneter Widerstand sind eine Konstante in der philippinischen Geschichte. Das war so während der annähernd 350-jährigen Kolonialzeit unter den Spaniern, die 1898 endete. Und das war so in dem halben Jahrhundert der sich anschließenden US-amerikanischen Kolonialära. Jahre vor dem Ersten Weltkrieg hatten die imperialen USA in dem bis dahin größten Massaker die Zivilbevölkerung in ihrer einzigen Kolonie Asiens „befriedet“. Während des Zweiten Weltkriegs opponierten die Filipinos erst recht gegen die neue Kolonialmacht Japan, dessen Truppen die Inseln nur wenige Stunden nach dem Angriff auf Pearl Harbor am 8. Dezember 1941 besetzten. Es waren einheimische Guerillagruppen, die die Hauptlast dieses Kampfes trugen. Umso bitterer war die Enttäuschung, als 1945 die nach 1898 „zweimaligen Befreier“ Täter in Opfer verwandelten und die eigentlichen Widerstands- und Befreiungskämpfer als „Banditen“ und „kommunistische Aufrührer“ denunzierten und verfolgten. Die (Re-)Kolonialisierung der Kolonialisierten in einer Neokolonie von Washingtons Gnaden war das Markenzeichen der Nachkriegspolitik in diesem Teil Südostasiens

    „Auch unser späterer Präsident Sukarno arbeitete als Freiwilliger für die Japaner“ (Teil III) 31. Mai 2020
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=61422

    Indonesien – die niederländische Kolonie unter japanischer Besatzung

    Niederländisch-Indien, wie Indonesien früher hieß, war wie die meisten Länder Südostasiens Jahrhunderte von einer westlichen Kolonialmacht beherrscht worden. Die niederländische Kolonie war für die Japaner wegen ihrer Nähe zur Nordküste Australiens und wegen ihrer Ölvorkommen und anderer Bodenschätze von besonderer Bedeutung. Obwohl die Niederlande selbst bereits im Mai 1940 von den Truppen Nazideutschlands überrannt worden waren und sich die niederländische Regierung nach London abgesetzt hatte, leisteten die niederländischen Kolonialtruppen auf Sumatra und Java noch bis Anfang März 1942 Widerstand gegen die Japaner, die dort ihre Offensive am 11. Januar begonnen hatten. Doch dann mussten auch sie vor den Verbündeten der deutschen Faschisten in Asien kapitulieren. Denn die „antikoloniale“ Kriegspropaganda der Japaner gegen die Herren aus dem fernen Europa, die den indonesischen Archipel seit dem Jahre 1602 beherrschten, stieß in der indonesischen Bevölkerung auf weitaus mehr Sympathien als irgendwo sonst in Asien.

    Rote Fahnen über Malaya oder Wie aus Revolutionären und Freiheitskämpfern plötzlich „kommunistische Terroristen“ wurden (Teil IV) 19. Juli 2020
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=63014

    Herrschaft Japans über Malaya und Singapur
    ...
    Wer dagegen bewaffnet Widerstand leistete, galt aus Sicht der britischen Kolonialmacht als Freiheitskämpfer und Revolutionär. Bei Kriegsende wurde aus ihnen kurzerhand „ein Pack von CTs“ („communist terrorists“), weil das zurückgekehrte britische Militär diesen Zipfel Kontinentalsüdostasiens weiterhin als integralen Bestandteil des British Empire betrachtete

    Birma: Und stetig grüßt das Militär (Teil V) 27. September 2020
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=65223

    Herrschaft Japans über Birma, das lange Zeit Teil des British Empire war
    ...
    Für die Kaiserlich-Japanischen Truppen war dieses südostasiatische Land von herausragender geo- und militärstrategischer Bedeutung, erhoffte man sich doch nach dessen Eroberung und Okkupation einen ungehinderten Zutritt nach Indien. Dort, so das Kalkül der Achsenmächte Japan und Deutschland, sollten sich die aus dem Osten vorrückenden Japaner mit dem aus dem Westen über Zentralasien heranrückenden Nazitruppen siegreich treffen, um nach erfolgreicher gemeinsamer Kontrolle des indischen Subkontinents eine Neuaufteilung der Welt nach koordiniertem imperialen Design vorzunehmen.

    Während die Kriegsmaschinerie der Nazis bereits in der ehemaligen Sowjetunion von der Roten Armee besiegt wurde, erlitten die japanischen Truppen ausgerechnet ihre ersten Niederlagen zu Lande in der britischen Kolonie Birma. Im Kampf gegen die japanischen und später erneut gegen die britischen Truppen existierten diverse militärische Verbände, die zwar unter der Flagge von Freiheit und Unabhängigkeit angetreten waren, doch deren Führung sich nicht scheute, über weite Strecken ihres Kampfes ein geschlossenes militaristisches Weltbild gemäß japanischem Muster verinnerlicht zu haben. Die Militarisierung des Politischen und die Politisierung des Militärs sind denn auch auffällige Konstanten birmanischer Geschichte.

    „Nichts ist kostbarer als die Freiheit“ (Ho Chi Minh) - Vietnam: Antikolonialer Widerstand mit Tradition (Teil VI) 01. November 2020
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=66351

    Herrschaft Japans über Vietnam, das seit 1887 Teil von Französisch-Indochina war.

    Für die Kaiserlich-Japanischen Truppen war diese Kernregion im kontinentalen Südostasien wegen seiner Rohstoffe und militärstrategischen Lage von herausragender Bedeutung, bildete sie doch das Scharnier zwischen China und dem Südzipfel der malaiischen Landzunge inklusive Singapur sowie der britischen Kolonie Birma. Nach dessen Eroberung erhoffte man sich in Tokio einen ungehinderten Zugang zum gesamten indischen Subkontinent. In Indien, so das Kalkül der Achsenmächte Japan und Deutschland, sollten sich die siegreichen Truppen beider Mächte treffen und die Neuaufteilung der asiatisch-pazifischen Welt gemäß koordiniertem imperialen Design vornehmen.

    Nach dem Krieg war vor den Kriegen (Teil VII - I) 23. Januar 2021
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=69064

    Nationale Befreiungskämpfe und politische Neukonstellation in Ost- und Südostasien nach der Kapitulation Japans.

    Politische Entwicklungen in den Regionen und dem Beginn des Kalten Krieges nach der offiziellen Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde durch hochrangige Politiker Japans am 2. September 1945 - Teil 1

    Während der Krieg in Europa bereits Anfang Mai 1945 beendet war, dauerte er in zahlreichen Regionen des asiatisch-pazifischen Raumes noch bis Mitte September an. Und während sich die siegreichen Alliierten anschickten, fortan der Innenpolitik Japans ihren Stempel aufzudrücken und einem Teil seiner Kriegsarchitekten den Prozess zu machen, trachteten in den meisten Ländern Ost- und Südostasiens national gesinnte Parteien, Gruppierungen und Organisationen danach, endlich jenseits von ausländischer Bevormundung ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit zu organisieren. Beflügelt wurde ein solcher Nachkriegsentwurf durch ein nunmehr gedemütigtes japanisches Kaiserreich, dessen militaristische Politik paradoxerweise entscheidenden Anteil daran hatte, den Nimbus der Unbesiegbarkeit des „westlichen Imperialismus und Kolonialismus“ zu erschüttern.

    Während Japan unter der Ägide der Siegermacht USA schrittweise in deren Herrschaftsbereich, wiewohl unter Beibehaltung seiner Produktionskapazitäten und wesentlichen staatstragenden Institutionen/Organisationen sowie flankiert von umfangreichen Wirtschafts- und Finanzhilfen, integriert wurde, rüsteten sich Japans vormalige Kolonien – teils inmitten innenpolitischer Wirren, teils unter chaotischen Nachkriegsbedingungen – unter höchst unterschiedlichen Vorzeichen zum Kampf für Freiheit und Unabhängigkeit. Gleichzeitig fanden diese Emanzipationsbestrebungen gegen die alt-neuen Machthaber – die Briten in Malaya (das spätere Malaysia und Singapur), Birma (das spätere Myanmar) und den indischen Subkontinent (mit Indien, Pakistan und Ceylon, das spätere Sri Lanka) sowie die Niederländer in Indonesien, die Franzosen in Vietnam, Kambodscha und Laos und die USA in den Philippinen – allesamt im Schatten des Kalten Krieges und einer stetig eskalierenden Ost-West-Blockkonfrontation statt. In den Philippinen, dem traditionell engsten Verbündeten Washingtons in der Region, entstand gar 1954 mit der SEATO eine Osterweiterung der NATO, was explizit einen Cordon sanitaire um den „kommunistischen Machtblock“ bilden sollte.

    Nach dem Krieg war vor den Kriegen (Teil VII - II) 24. Januar 2021
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=69070

    Nationale Befreiungskämpfe im Schatten des Kalten Krieges: Den Anfang machten Indonesien und Vietnam. – Teil 2
    ...
    Just an dem Tag, da Japan seine Kapitulationsurkunde unterschreiben musste, am 2. September 1945, ging in Vietnam die Viet Minh (Liga für die Unabhängigkeit Vietnams), die als Bündnis antikolonialer, nationalistischer und kommunistischer Kräfte sowohl gegen die Franzosen als auch gegen die Japaner gekämpft hatte, in die politisch-diplomatische Offensive. Nachdem am 18. August ein Nationaler Volkskongress der Viet Minh den allgemeinen Aufstand, die „Augustrevolution“, beschlossen hatte, verkündete Ho Chi Minh am 2. September die Unabhängigkeit der Demokratischen Republik Vietnam (DRV). Die Viet Minh hatte geschickt ein kurzzeitiges Machtvakuum genutzt und setzte auf die Unterstützung der Alliierten. Die Anfangspassagen der Unabhängigkeitserklärung orientierten sich stark am US-amerikanischen Vorbild.

    Doch wie auch die Niederländer in Indonesien kämpfte Frankreich erbittert um die Wiederherstellung seiner politischen und ökonomischen Macht in seiner vormaligen Kolonie. Seine Niederlage in der Schlacht von Dien Bien Phu im Frühjahr 1954 und weltweite Proteste gegen den Krieg führten am 20./21. Juli zur Unterzeichnung der Genfer Indochina-Abkommen. Diese beendeten zwar vorerst die Kampfhandlungen, brachten aber nicht die Unabhängigkeit und Einheit Vietnams. Das sollten allgemeine, freie Wahlen im Jahre 1956 besiegeln. Bis dahin wurde entlang des 17. Breitengrads eine militärische Demarkationslinie gezogen, die das Land faktisch teilte.

    #Asie #Japon #colonialisme #guerre #guerre_froide #anticommunisme #histoire

  • Betriebsräte-Stärkungsgesetz: Auf Druck der CDU/CSU verschoben
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=69497

    Im Vertrag der gegenwärtigen CDU/CSU/SPD-Koalition steht: „Wir wollen die Gründung und Wahl von Betriebsräten erweitern.“ Auf Druck der Unternehmerlobbyisten in CDU und CSU wurde das Gesetz auf das Ende der Regierungsperiode verschoben, erstmal.

    SPD-Arbeitsminister Heil, die Aufräumer-Lusche, legte dann auch hier wieder einen lahmen Entwurf vor. Darin war die Vorschrift enthalten: Wenn Beschäftigte im Betrieb ankündigen, einen Betriebsrat bilden zu wollen, sind sie schon während der Vorbereitung der Wahl vor Kündigung geschützt. Das ist eigentlich eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit, oder? Und die Betriebsräte sollten bei der Digitalisierung der Arbeitsplätze mitentscheiden dürfen – gut gemeint, könnte man zugestehen.

    Aber auch das war der unbarmherzigen, christlich lackierten UnternehmerInnen-Lobby zu viel Rechtsstaat. Sie ließen den Gesetzentwurf von der Tagesordnung verschwinden: „Die regierungsinternen Abstimmungen dauern an“ – heißt das in der Verschleierungs-Sprache.

    Nur 1 (ein) Prozent aller Betriebe haben einen Betriebsrat
    Dabei ist das Problem ungleich größer, als der Arbeitsminister und der DGB und die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung (HBS) und auch besonders kritische Initiativen bejammern. Sie beklagen, dass es nur noch in 9 Prozent der Betriebe einen Betriebsrat gebe. Diese Nostalgiker!

    In Wirklichkeit ist es so: In § 1 Betriebsverfassungs-Gesetz (BetrVG) heißt es: „In Betrieben mit in der Regel mindestens 5 ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen 3 wählbar sind, werden Betriebsräte gewählt.“

    Laut Statista Research Department vom 14.2.2020 bestanden in Deutschland im Jahre 2018 insgesamt 7, 816 Millionen Betriebe. Davon ziehen wir die 5,646 Millionen Kleinstbetriebe mit weniger als 10 Beschäftigten ab – sie kommen meist nach BetrVG nicht für einen Betriebsrat infrage, selbst wenn sie fünf und mehr Beschäftigte haben: Weil einige Beschäftigte nur saisonal oder geringfügig beschäftigt sind. Es bleiben also übrig 186.339 Großbetriebe, 792.326 Mittelbetriebe und 1,191 Millionen Kleinbetriebe, die 10 oder mehr Beschäftigte haben. Es kommen also etwa 2,170 Millionen Betriebe infrage, in denen „Betriebsräte gewählt werden“ (können).

    Nach Angaben des DGB wurden bei der letzten turnusmäßigen Betriebsrats-Wahl 2018 nach BetrVG insgesamt 180.000 Beschäftigte als Mitglieder von Betriebsratsgremien gewählt, und zwar in 26.000 Betrieben. [8] Im Verhältnis zu den 2,1 Millionen Betrieben ab 10 Beschäftigten sind dies etwas über 1 Prozent.

    Und das eine Prozent kann korrumpiert und zermürbt werden
    Zudem ist ein nach BetrVG gewählter Betriebsrat längst keine Gewähr mehr für unabhängige und freie Vertretung der Beschäftigten. V.a. in Auto- und Pharmakonzernen und etwa im privatrechtlich verfassten Staatskonzern Deutsche Bahn AG werden BR-Vorsitzende durch hohe Managergehälter korrumpiert.

    Und die hochbezahlte Union-Busting-Branche verhindert reihenweise die Wahl von Betriebsräten und betreibt monate- und jahrelange zermürbende Kündigungsverfahren gegen schon gewählte Betriebsräte. Regierung und Justiz schauen zu, obwohl die Be- und Verhinderung von Betriebsräten nach § 119 BetrVG schon bisher eine Straftat ist, mit der Möglichkeit für Bußgelder und Gefängnisstrafe. Aber diese Straftat steht einsam an der Spitze der nicht verfolgten Straftaten. Das Vollzugsdefizit ist fast so hoch wie beim staatlich nicht verfolgten sexuellen Missbrauch in der (kapital-relevanten) katholischen Kirche. Verbesserung käme also nicht durch ein neues „Stärkungs-Gesetz“, sondern durch eine besser ausgestattete, politisch unterstützte, rechtsstaatlich funktionierende Justiz.

  • EU Observatory against disinformation (SOMA)
    https://www.disinfobservatory.org

    Le Ministère de la Vérité existe. C’est une agence de propagande de la Commission européenne .

    This project has received funding from the European Union’s Horizon 2020 research and innovation programme under grant agreement No 825469. This website reflects the views only of the Consortium, and the Commission cannot be held responsible for any use which may be made of the information contained herein.

    Commission européenne
    https://ec.europa.eu/info/index_fr


    Beware, Big Sister is watching you.

    Suivre le SOMA au jour le jour
    https://mobile.twitter.com/SOMAObservatory

    Source : „Die Latte der Zensur liegt so niedrig wie nie“
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=71268

    #Europe #dystopie #Orwell #1984

  • Die Wut in Myanmar wächst
    https://diasp.eu/p/12497316

    Die Wut in Myanmar wächst

    Die Protestbewegung in Burma nimmt nach dem Putsch am 1. Februar eine neue Dimension an. Die Militärs waren überrascht über den starken Widerstand der Bevölkerung gegen ihre erneute totalitäre Machtübernahme und gegen die Verhaftung der gewählten Regierungsmitglieder sowie der wichtigsten politischen Führer und Führerinnen, allen voran der bekannten Friedensnobelpreisträgerin Aung Suu Kyi. Aber nicht nur Politiker, auch Künstler, Journalisten und andere Oppositionelle wurden verhaftet. Von Jinthana Sunthorn, Hongkong, aus dem Englischen von der Redaktion.

    Es dauerte nur ein paar Tage, bis sich die burmesische Bevölkerung von der anfänglichen Schockstarre erholt hatte und damit begann, sich zu organisieren. In Burma ist, wie in anderen Ländern auch, eine neue, aufgeklärte (...)

  • Ein statistischer Blick auf die Übersterblichkeit in Zeiten von Corona
    https://diasp.eu/p/12430521

    Ein statistischer Blick auf die Übersterblichkeit in Zeiten von Corona

    Noch nie war das Interesse der Menschen für abstrakte statistische Kennzahlen so groß wie während des Coronageschehens im letzten Jahr. Meldungen über Kriege, Hungersnöte und Wirtschaftskrisen gerieten zu Randnotizen angesichts der sich weltweit ausbreitenden Coronaviren. In Nachrichtensendungen dominierten Graphiken und Statistiken zum Infektionsgeschehen und das Publikum verfolgte gebannt die Entwicklung der R-Werte, der Inzidenzen und der Übersterblichkeit. Das Statistische Bundesamt trug dem wachsenden Interesse Rechnung, indem es wöchentlich eine „Sonderauswertung zu Sterbefallzahlen“ veröffentlichte. Am 29. Januar 2021 hat die Statistikbehörde die noch ausstehenden letzten Sterbezahlen für das Jahr 2020 nachgereicht, so (...)

  • via https://www.nachdenkseiten.de/?p=69245#h06 Talk im Hangar-7 – M...
    https://diasp.eu/p/12370002

    via https://www.nachdenkseiten.de/?p=69245#h06

    Talk im Hangar-7 – Merkel, Kurz und Mutationen: Politik am Volk vorbei? | Kurzfassung - 20 Min.

    Jeden Donnerstag ab 22:10 Uhr bei ServusTV Österreich und Donnerstagnacht bei ServusTV in Deutschland.

    https://www.youtube.com/watch?v=LuSk4PnemGg

    Seit Monaten beherrschen #Lockdowns unseren Alltag, doch noch immer sind keine Lockerungen in Sicht. Aus Angst vor neuen Virus-Mutationen und weiterhin hohen Infektionszahlen werden die Maßnahmen verschärft und verlängert: Geschäfte, Schulen und das gesamte öffentliche Leben bleiben eingefroren. Verfechter der #ZeroCovid-Initiative fordern jetzt sogar eine europaweit umfassende Arbeitspause. Dies lehnen die meisten Regierungschefs zwar ab, doch der Tenor ist klar: Lockerungen kommen erst ab einer (...)

  • 80.000 Taxifahrer könnten bis Ende 2021 aufgeben
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=67599

    02. Dezember 2020 von: Redaktion - Joachim Schäfer, Taxifahrer in Berlin und Leser der NachDenkSeiten, berichtet über die dramatische und nicht nur corona-bedingte, sondern auch politisch gemachte Situation. Im Leserbrief wird auch sichtbar, wie sehr die Interessen internationaler Konzerne wie Uber und der damit verbundenen Finanzkonzerne Gesetzgebung und vor allem den Gesetzesvollzug beeinflussen – bis hin zur Missachtung.

    In Berlin war die Einführung des Mindestlohns zum 1.1.2015 für die meisten Kollegen vor allem aus der Tagschicht eine Lohnerhöhung. De Jure zumindest. Schnell verordnete der Finanzminister des Bundes, seine Großherrlichkeit Wolfgang Schäuble, dass an mobilen Arbeitsplätzen eine tägliche Gesamtstundenzahl mit Pausenzeit als Dokumentation ausreichend wäre. Zusammen mit der Erfindung der ‘passiven Pause’ durch die Taxameterhersteller, bei der nach vom Unternehmer festgelegten Takten sich das Meßgerät Taxameter auf Pause stellte, sobald das Kfz stand, wurden die Bereitschaftszeiten an den Halten der Mindestlohnentgeltung entzogen. 10 Stunden auf’m Bock waren dann schon mal nur 5-6 Stunden Arbeit. Diesem Treiben wurde auch kein Einhalt geboten, obwohl das Arbeitsgericht am Magdeburger Platz allen klagenden angestellten Taxifahrern Recht gab und die betroffenen Unternehmer den entzogenen Lohn nachzahlen mussten. Nun die Berliner Senatsverwaltung ist da recht resilient, wenn es um Achtung von Gerichtsurteilen zu Gunsten der Bürger geht. Da herrscht das große Verweigern, wie es ja auch an anderen Stellen deutlich geworden ist.

    Und nun nicht nur UBER, die sich mittlerweile in Berlin eine Flotte von rund 5000 Wagen halten, alles prekärst, denn UBER vermittelt ja nur, aber dies sei an anderer Stelle ausführlichst beschrieben (taxi-agentur.de), sondern noch der komplett verdrehte Irrsinn mit der pandemischen Lage nationalen Ausmaßes. Die Betriebe sterben wie die Fliegen. Natürlich nicht sofort, denn so einfach ist das ja alles nicht, wenn z.B. 20 Wagen in Betrieb sind und es dafür 50 Fahrer im Unternehmen gibt. Und der alleinfahrende Einwagenunternehmer, bar jeder Sozialversicherung hat jeden Monat die Kreditrate an den Autohersteller im Nacken. Kurzarbeitergeld für alle Angestellten (von den bürokratischen Exzessen bei dieser Versicherungsleistung der Arbeitslosenversicherung und auch bei den avisierten Coronahilfspaketen sei hier nicht berichtet) und H4 für alle anderen, und die Grundsicherung muß jeden Monat neu ausgerechnet werden, da ja die Einkommen, die Mickergroschen, nicht reichen, um überhaupt auf ‘n 1000er zum Leben zu kommen. Schmalhans ist angesagt mit Gürtel enger schnallen und einem Finanzhorizont, der weit unterhalb der 1000er Marke liegt. Noch ist es nicht Wasser und Brot.

    Dass nun der Spiegel grad dies Thema bringt, na das ist erwähnenswert, aber für mich nur eine diese ‘Ach schaut mal wie schlimm Geschichten’, die täglich in den Springerblättern BILD und BZ zu finden sind, halt ein wenig elaborierter. UBER fahren die aus dem Berliner Spiegelbüro doch auch. Kein Wort vom drohenden Kollaps der Daseinsfürsorge Taxi durch die Novellierung des PBeFG durch die weise Führung des Herrn Scheuer und der Vorarbeit seiner bayrischen Vorgänger zu Gunsten der ‘neuen’ Plattformanbieter. Kein Wort von der Mißachtung der Regulierungsbehörden, was den Schutz vor unlauterem Wettbewerb auf der Straße betrifft. Tja, Pleite gehen sie, die selbständigen Kollegen und für mich als Angestellten ist eine Rückkehr auf den Arbeitsplatz Taxi nach 35jähriger Tätigkeit wohl gestorben. Mit 60 bin ich ja schon altes Eisen, aber noch nicht rentenwürdig.

    Titelzeilen zu liefern, dafür sind all die Menschen in minderbezahlten Jobs noch gut. Klatschen kost nix und bei den Tarifverhandlungen geht’s nicht mehr um Wertschätzung sondern um Wertminderung.

    Aber, und jeder der sich ein wenig mit der Arbeitergeschichte beschäftigt hat, weiß das, es wird der Punkt kommen, wo die nonames des Prekariates aufstehen und sich wehren, doch dann wird es spät sein noch zu reden.

    Friedliche Grüße
    Joachim Schäfer

    #Taxi #Berlin #

    Joachim Schäfer, Taxifahrer in Berlin und Leser der NachDenkSeiten, berichtet über die dramatische und nicht nur corona-bedingte, sondern auch politisch gemachte Situation. Im Leserbrief wird auch sichtbar, wie sehr die Interessen internationaler Konzerne wie Uber und der damit verbundenen Finanzkonzerne Gesetzgebung und vor allem den Gesetzesvollzug beeinflussen – bis hin zur Missachtung.

    In Berlin war die Einführung des Mindestlohns zum 1.1.2015 für die meisten Kollegen vor allem aus der Tagschicht eine Lohnerhöhung. De Jure zumindest. Schnell verordnete der Finanzminister des Bundes, seine Großherrlichkeit Wolfgang Schäuble, dass an mobilen Arbeitsplätzen eine tägliche Gesamtstundenzahl mit Pausenzeit als Dokumentation ausreichend wäre. Zusammen mit der Erfindung der ‘passiven Pause’ durch die Taxameterhersteller, bei der nach vom Unternehmer festgelegten Takten sich das Meßgerät Taxameter auf Pause stellte, sobald das Kfz stand, wurden die Bereitschaftszeiten an den Halten der Mindestlohnentgeltung entzogen. 10 Stunden auf’m Bock waren dann schon mal nur 5-6 Stunden Arbeit. Diesem Treiben wurde auch kein Einhalt geboten, obwohl das Arbeitsgericht am Magdeburger Platz allen klagenden angestellten Taxifahrern Recht gab und die betroffenen Unternehmer den entzogenen Lohn nachzahlen mussten. Nun die Berliner Senatsverwaltung ist da recht resilient, wenn es um Achtung von Gerichtsurteilen zu Gunsten der Bürger geht. Da herrscht das große Verweigern, wie es ja auch an anderen Stellen deutlich geworden ist.

    Und nun nicht nur UBER, die sich mittlerweile in Berlin eine Flotte von rund 5000 Wagen halten, alles prekärst, denn UBER vermittelt ja nur, aber dies sei an anderer Stelle ausführlichst beschrieben (taxi-agentur.de), sondern noch der komplett verdrehte Irrsinn mit der pandemischen Lage nationalen Ausmaßes. Die Betriebe sterben wie die Fliegen. Natürlich nicht sofort, denn so einfach ist das ja alles nicht, wenn z.B. 20 Wagen in Betrieb sind und es dafür 50 Fahrer im Unternehmen gibt. Und der alleinfahrende Einwagenunternehmer, bar jeder Sozialversicherung hat jeden Monat die Kreditrate an den Autohersteller im Nacken. Kurzarbeitergeld für alle Angestellten (von den bürokratischen Exzessen bei dieser Versicherungsleistung der Arbeitslosenversicherung und auch bei den avisierten Coronahilfspaketen sei hier nicht berichtet) und H4 für alle anderen, und die Grundsicherung muß jeden Monat neu ausgerechnet werden, da ja die Einkommen, die Mickergroschen, nicht reichen, um überhaupt auf ‘n 1000er zum Leben zu kommen. Schmalhans ist angesagt mit Gürtel enger schnallen und einem Finanzhorizont, der weit unterhalb der 1000er Marke liegt. Noch ist es nicht Wasser und Brot.

    Dass nun der Spiegel grad dies Thema bringt, na das ist erwähnenswert, aber für mich nur eine diese ‘Ach schaut mal wie schlimm Geschichten’, die täglich in den Springerblättern BILD und BZ zu finden sind, halt ein wenig elaborierter. UBER fahren die aus dem Berliner Spiegelbüro doch auch. Kein Wort vom drohenden Kollaps der Daseinsfürsorge Taxi durch die Novellierung des PBeFG durch die weise Führung des Herrn Scheuer und der Vorarbeit seiner bayrischen Vorgänger zu Gunsten der ‘neuen’ Plattformanbieter. Kein Wort von der Mißachtung der Regulierungsbehörden, was den Schutz vor unlauterem Wettbewerb auf der Straße betrifft. Tja, Pleite gehen sie, die selbständigen Kollegen und für mich als Angestellten ist eine Rückkehr auf den Arbeitsplatz Taxi nach 35jähriger Tätigkeit wohl gestorben. Mit 60 bin ich ja schon altes Eisen, aber noch nicht rentenwürdig.

    Titelzeilen zu liefern, dafür sind all die Menschen in minderbezahlten Jobs noch gut. Klatschen kost nix und bei den Tarifverhandlungen geht’s nicht mehr um Wertschätzung sondern um Wertminderung.

    Aber, und jeder der sich ein wenig mit der Arbeitergeschichte beschäftigt hat, weiß das, es wird der Punkt kommen, wo die nonames des Prekariates aufstehen und sich wehren, doch dann wird es spät sein noch zu reden.

    Friedliche Grüße
    Joachim Schäfer❞

    #Arbeitsmarkt #Arbeitsmarktpolitik #Wirtschaftspolitik #Konjunktur #Arbeitsbedingungen #Kurzarbeit #Mindestlohn #prekäre_Beschäftigung #Uber

  • In der Corona-Krise wissen die Russen die Datschen noch mehr zu sch...
    https://diasp.eu/p/11981431

    In der Corona-Krise wissen die Russen die Datschen noch mehr zu schätzen

    Während der Corona-Krise entstanden vor den russischen Großstädten viele neue Datschen. Unser Autor ist selbst auf die Suche nach einer Datsche gegangen und erfuhr dabei so Manches über den russischen Immobilienmarkt. Eine Reportage von Ulrich Heyden, Moskau.

    „Was, schon so lange in Moskau und noch keine eigene Wohnung?“ Mitleidiges Staunen bei allen Russen, mit denen ich über mein Leben in Moskau spreche. Wer in den 2000er Jahren aus der russischen Provinz nach Moskau kam, um Geld zu verdienen und Karriere zu machen, handelte schnell. Nach ein paar Jahren war der Neuankömmling Besitzer einer mit Hilfe von Krediten erworbenen Wohnung.

    Ich erinnere mich auch an eine schlaue Journalisten-Kollegin aus den Niederlanden. Die (...)

  • Deutsche Bahn wird ab sofort über eine US-Cloud gesteuert
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=66340

    Désormais #Microsoft et #Amazon gèrent la totalité des donnés de #Deutsche_Bahn dans leurs centres de calcul. L’auteur raconte l’aventure du renouvellement de son abonnement auprès de l’ancien service national et discute les conséquences du fait que ces corporations étatsuniennes sont en position d’exercer une influence sur le fonctionnement des chemins de fer allemands. Il aborde aussi le problème que pose l’accès aux donnés des déplacements enrégistrés de tous les utilisateurs de Deutsche Bahn par Microsoft et Amazon. Winfried Wolf nous informe également sur le déroulement de la prise de décision et de son implémentation et donne le nom des responsables à la tête de l’entreprise qui est toujours en possession de l’Allemagen fédérale.

    Les services proposés par les fournisseurs cloud allemands et européens n’ont pas été jugés adéquats pour ce projet par les chefs de l’entreprise et le gouvernement allemand.

    30.10.2020 von Winfried Wolf

    Vorbemerkung Albrecht Müller: Winfried Wolf beschreibt hier einen alarmierenden Vorgang. Er passt aber erstens ins Bild unseres totalen US-Vasallentums. Zweitens belegt der Autor das Wirken einer typischen US-Einflussperson und damit ein Phänomen, das die Politik in Deutschland im Innern und nach außen wesentlich bestimmt. Der Text enthält auch sonst noch viel Interessantes.

    Deutsche Bahn wird ab sofort über eine US-Cloud gesteuert
    Oder: Wie ich in nur 90 Minuten meine BahnCard100 in Lindau erstand.

    Am 28. Oktober konnte man im „Handelsblatt“ lesen:

    „Deutsche Bahn verlagert ihre komplette IT in die #Cloud […] Davon profitieren Amazon und Microsoft.“

    Berichtet wird, dass die Deutsche Bahn AG sich „eigentlich“ für den „grundlegenden Umbau ihrer Computer-Infrastruktur Zeit bis zum Jahr 2022 genommen“ habe. Doch dann habe man sich anders entschlossen. Gewissermaßen im Schutze der Corona-Cloud ist die gesamte IT des Bahnkonzerns in die von US-Konzernen kontrollierte Cloud abgewandert. Dazu der zitierte Bericht:

    „Noch in diesen Tagen werden im Bahn-Rechenzentrum Berlin-Mahlsdorf die letzten Rechner abgebaut […] Die eigenen Bahn-Server gibt es nun nicht mehr. Alles kommt aus der Cloud. Das sind Rechenzentren von Microsoft und Amazon, die mit ihren Diensten Azure und AWS Speicherplatz und Rechenleistungen über das Internet bereitstellen.“

    Zitiert wird dazu die IT-Chefin der Deutschen Bahn, Christa Koenen, wie folgt:

    „Wir haben quasi unter dem rollenden Rad die IT-Anwendungen in die Cloud gehoben und dann weiter optimiert.“

    Nun hieß es noch vor 16 Monaten, unter Berufung auf dieselbe DB-AG-Managerin Christa Koenen, wie folgt:

    „Schon seit 2016 verfolgt die Bahn eine konsequente Cloud-first-Strategie. Bis Juni 2020 sollen alle IT-Anwendungen in die Public Cloud migriert sein, berichtet Koenen, ein Großteil sei bereits geschafft. Für die entstehende “DB Enterprise Cloud” setzt der Konzern auf die großen Cloud-Provider Amazon Web Services (AWS) und Microsoft mit Azure. Die Inte­gration von innovativen Applikationen und Modulen in die Systeme und Prozesse der Bahn will DB Systel allerdings in der eigenen Hand behalten. Das gilt auch für den operativen Betrieb und das Management der rund 650 IT-Anwendungen.“[1]

    Inzwischen soll aber, so Frau Koenen laut Handelsblatt, „die letzte Anwendung unser Rechenzentrum verlassen“ haben. Man werde jetzt dort „den Rückbau starten“. Von den 1000 Mitarbeitern, die im Rechenzentrum beschäftigt waren, hätten „wir fast alle behalten und weiterbilden“ können.

    Alles super verschlüsselt

    Natürlich betont die Deutsche Bahn, dass man bei diesem Vorgang „einen ganz besonderen Fokus auf Sicherheit und Datenschutz gelegt“ habe. Und klar doch: „Wir verschlüsseln alle Daten. Und nur wir können sie entschlüsseln. Nur wir haben Zugriff auf die Schlüssel und nicht die Cloud-Provider.“ So könne die Bahn auch „Anwendungen, bei denen der Datenschutz eine wichtige Rolle spielt, in der Cloud betreiben.“

    Jetzt konnte man noch nie erleben, dass man Verschlüsseltes nicht entschlüsseln könnte.

    Spätestens seit der Entschlüsselung der deutschen Verschlüsselungsmaschine Enigma – ganz ausgezeichnet und spannend beschrieben im Roman von Robert Harris[2] – ist diese Erkenntnis Allgemeingut. Die Briten konnten die NS-Verschlüsselungen lesen, die US-Regierung konnte alle japanischen Verschlüsselungen lesen. Die Japaner lasen die US-Codes.

    Heute sind solche Entschlüsselungen nochmals einfacher, da moderne Computer und KI dazu eingesetzt werden. Und, ganz banal: Notfalls kauft man sich aus dem DB-AG-Management ein paar Figuren heraus. Das kann so teuer nicht sein. Wobei es in der Zeit der NS-Diktatur auch Überzeugungstäter wie Richard Sorge in Tokio gab, die wichtige Beschlüsse der Achsenmächte 1:1 durchreichen konnten, damals nach Moskau. Und natürlich wird es Verschlüsselungstechniker geben, die ihr Wissen – aus welchen Gründen auch immer – an die „Gegenseite“ durchreichen werden.

    „Das ist doch allgemein so üblich“

    Jetzt lässt sich sagen, dass die Abgabe von IT an die Cloud Stand der Technik sei, und dass diese Cloud überwiegend von US-Konzernen beherrscht werde. Dass der ganze Vorrang doch „allgemein üblich“ sei.

    Tatsächlich dürften viele Unternehmen so verfahren. Allerdings müsste man dabei konkret werden und Namen nennen. Interessant wäre, ob die deutschen Geheimdienste oder die Bundeswehr oder die Bundesregierung oder die Bundesbank oder die EZB so handeln. Und wenn sie dies tun, weil „transatlantisch“ gepolt, dann ist es nochmals eine andere Sache, ob deutsche staatliche oder EU-Institutionen so verfahren – oder ob deutsche oder französische, britische, spanische usw. Unternehmen, die sich in Konkurrenz zu US-Konzernen befinden, derart verfahren. Die Frage also lautet: Verfahren die Deutsche Bank oder Total oder Fiat oder Daimler oder Repsol oder Voest – oder auch die Nachbarbahnen SBB oder SNCF – auf die gleiche Weise? Lagern diese ihre IT komplett in eine Cloud aus, die von US-Konzernen kontrolliert wird?

    Vor allem gibt es wohl wenige Unternehmen, die hinsichtlich der Auswirkungen derart sensibel sind, bei denen eine solche Auslagerung mit potentieller Entschlüsselung und möglicher Fremdsteuerung derart weitreichende Folgen hat, wie dies auf den Deutschen Bahnkonzern zutrifft.

    Es geht dabei nicht allein und vielleicht nicht einmal vor allem um das Entschlüsseln, welche Bundesbürger wohin reisen und wo sie welche Kreditkarte einsetzen bzw. in welchem Hotel sie dann absteigen. Es geht darum, dass auf diese Weise vom Ausland aus und von privaten ausländischen, US-amerikanischen Konzernen (konkret: Amazon und Microsoft) auf die STEUERUNG EINER zentralen deutschen INFRASTRUKTUR zugegriffen werden kann. Eine Infrastruktur, mit der täglich ziemlich exakt 7,15 Millionen Bürgerinnen und Bürger befördert und täglich 4240 Güterzüge mit einigen hunderttausend Tonnen Gütern bewegt werden. All dies noch ohne die Bahntöchter Schenker Logistics und Arriva.

    Diese Leistungen können nun von weit “außerhalb” gestört, verlangsamt und was auch immer werden. Wenn das neue elektronische Sicherungssystem für den Bahnverkehr ETCS (European Train Control System) einmal weitgehend flächendeckend eingeführt ist – aktuell ist es erst auf ersten Strecken in Funktion – dann ist die entsprechende Verwundbarkeit eine nochmals größere.

    Wobei man sich diese Einflussnahme nicht immer als eine derart direkte vorstellen muss. Es geht vielleicht gar nicht um die Horrorvorstellung, dass da Amazon oder Microsoft irgendwann einen Schalter umlegen und dann gilt: „Alle Züge stehen still, weil der starke Google-Arm das will“. Ein US-Bericht über die Bedeutung der Entschlüsselung der NS-Chiffriermaschine Enigma beschrieb die Meta-Ebene, die eine solche Entschlüsselung hat, wie folgt:

    „Ultra [besagte Entschlüsselung von Enigma; W.W.] schuf in der Militärführung und an der politischen Spitze [in London und Washington; W.W.] ein Bewusstsein, das die Art und Weise der Entscheidungsfindung veränderte. Das Gefühl, den Feind zu kennen, ist höchst beruhigend. Es verstärkt sich unmerklich im Laufe der Zeit, wenn man regelmäßig und aufs Genaueste seine Gedanken und Gewohnheiten und Handlungsweisen beobachten kann. Wissen dieser Art befreit das eigene Planen von allzu großer Vorsicht und Angst, man wird sicherer, kühner und energischer.“[3]

    Seit 2016 geplant?

    Die Deutsche Bahn lässt nun, zur Beruhigung der Gemüter, mitteilen, es handle sich bei dieser Auslagerung der DB-IT in die Cloud um einen seit 2016 beschlossenen Prozess. Das dürfte so sein. Allerdings ist auch deutlich, dass der Bahnkonzern einiges unternahm, um die Tragweite dieses Vorgangs zu verdecken oder zu verheimlichen.

    Im Geschäftsbericht 2017 der Deutschen Bahn AG gibt es mehrere Stellen, an denen diese Entscheidung auftauchen müsste – und wo sie indirekt angesprochen oder wo „um diese Entscheidung herumgeschrieben“ wird. So gibt es dort einen ganzen Abschnitt zum Thema “Digitalisierung und Innovation (DB02)”. Dort findet sich jedoch kein Wort zum Ziel Auslagerung (S.33). Im Bericht des Aufsichtsrats (S.20f) liest man dann vage das Folgende: “Schwerpunkte der Beratung im Plenum (des AR; W.W.) bildeten … die wesentlichen Beteiligungsprojekte…” Und: “Im Rahmen dieser Sitzung (= “gesonderte Strategiesitzung der Strategie des DB-Konzerns”, so die wörtliche Bezeichnung; ein Datum wird nicht genannt; W.W.) wurde die Digitalisierungsstrategie … intensiv diskutiert.” (S.21).

    Wenn diesen Satz ein Linguistik-Fachmann untersucht, wird er sagen: Daran wurde so lange herumgefeilt, bis der Satz mit seinen sechs Zeilen und drei Mal das Wort „Strategie“ und drei Mal das Wort „Digitalisierung“ zwar sprachlich verunglückt ist, aber erreicht wurde, was das Ziel war, nämlich nichts auszusagen. Im Bericht zur Tätigkeit des Vorstands heißt es dann auf Seite 25, dass „am 22. März 2017″ das “Vorstandsressort Technik&Qualität” erweitert und umbenannt wurde in “Digitalisierung und Technik”, ein Bereich, der zunächst kommissarisch von Dr. Richard Lutz und dann – ein Datum findet sich hier nicht – “von Frau Prof. Sabina Jeschke” geführt wurde. Diese Digitalisierungs-Top-Frau – Chefin der eingangs zitierten Frau Koenen – hat dann den für das Führungspersonal der Deutschen Bahn AG typischen beruflichen Werdegang: Sie hatte vor ihrem Einflug im Bahnkonzern noch nie etwas mit Schiene zu tun gehabt, sie erwies sich jedoch als autoaffin. Wobei hinzukommt, dass sie in den USA u.a. im Umfeld der NASA aktiv war.[4]

    In diesem Geschäftsbericht gibt es auch einen ausführlichen „Konzern-Lagebericht“. Dieser beginnt auf Seite 41. In diesem gibt es eine Reihe von Kapiteln, in denen etwas über diese beabsichtige Auslagerung zu lesen sein müsste. Etwa im Abschnitt “Digitale Schiene” (S.60). Dann eventuell unter „Beteiligungen und Partnerschaften für mehr Digitalisierung” (S.64). Oder ab Seite 140 im Rahmen des Berichts zum “Geschäftsmodell Netze”. Doch nirgendwo ein Wort dazu.

    Die heiße Meldung selbst findet sich dann versteckt im Abschnitt “Beteiligungen/Sonstiges” (ab S. 148). Und da steht das Folgende: “Nach einer internationalen Ausschreibung hat die Penta Berlin GmbH den Zuschlag für den Kauf des Rechenzentrums Berlin-Mahlsdorf zum 1. Januar 2018 erhalten. Das Rechenzentrum wird zunächst noch drei Jahre durch DB Systel betrieben. Mit dem Verkauf geht die Migration von DB-Anwendungen in ein neues, zukunftsgerichtetes Cloud-System einher. Das Cloud-System wird von DB Systel gemanaged und von Amazon Webservices betrieben. Bis Ende 2021 sollen mehr als 1000 Anwendungen überführt sein.“[5]

    Einmal abgesehen davon, dass das im 250-seitigen Geschäftsbericht geradezu professionell versteckt wurde und dass es heißt, der Umzug finde erst 2021 statt, so steht dort nichts davon, dass die GESAMTE DB-IT abgeschaltet und dass ALLE IT-Vorgänge in diese Cloud und zu einer von einem US-Konzern verwalteten Cloud abwandern würden. Die Rede ist davon, dass gewissermaßen irgendwelche “DB-Anwendungen” transatlantische Migration betreiben. Auch müsste irgendwo ein Betrag genannt werden, was der Bahnkonzern dafür erhalten hat. Es muss sich dabei um einen mindestens dreistelligen Millionen-Betrag gehandelt haben. Eigentlich, um den Hartmut-Mehdorn-Sprech aufzugreifen, wäre dies zu ergänzen um die Frage, ob es dafür “Möhrchen” für diejenigen gab, die den IT-Ausverkauf eingestielt haben.[6]

    Dass dieser Verkauf an eine Cloud mit Provider im Ausland auch der Deutschen Bahn AG unangenehm ist, zeigt die Pressemitteilung der DB AG vom 28. Oktober 2020, in der der Vorgang mit blumigen Worten wie folgt beschrieben wird: „Davon profitieren die Reisenden, weil die Systeme auch unter extremer Last laufen, zum Beispiel die Fahrplanauskunft bei einem Sturm“. Das ist echt witzig: Da läuft dann die Auskunft stabil, aber der Zugverkehr bleibt oft ganz aus. Und dann steht da als Schlusssatz und in direktem Widerspruch zum Bericht im Handelsblatt und zur Eigendarstellung im Geschäftsbericht 2017 unter „Sonstiges“:

    „Die Daten der DB werden datenschutzkonform verschlüsselt und ausschließlich auf europäischen Servern in Deutschland und den Niederlanden gespeichert.“

    Das Handelsblatt betont nicht nur, dass die beiden US-Konzerne diese Cloud kontrollierten. Dort heißt es auch:

    „Anbieter aus Deutschland oder Europa gingen [bei der Ausschreibung; W.W.] leer aus.“

    Im Übrigen befindet sich die Deutsche Bahn AG zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes. Damit muss die Bundesregierung als Vertreterin des Eigentümers Bund von dem Ausverkauf Kenntnis gehabt haben.

    G5 und Nordstream II

    Es gab in jüngerer Zeit lange Debatten, wonach „die Chinesen” nicht via G5 und Huawei auf die deutsche Telekommunikation Zugriff bekommen dürften. Da wurde – unter anderem seitens Huawei – auch dagegen argumentiert, dass doch alle Daten in Deutschland lägen und dass diese verschlüsselt seien. Dem hielt unter anderem die US-Regierung entgegen, dass es irgendwelche kleinen Tools in der G5-Technik geben könnte, mit deren Hilfe “die Chinesen” dann an das entsprechende Wissen kämen. Wobei die Regierungen vieler Länder – darunter weitgehend auch die Bundesregierung – dann den entsprechenden US-Anforderungen Folge leisteten und Huawei ganz oder weitgehend von der G5-Technik ausschließen oder ausschließen wollen.

    Im Fall Nordstream wird vergleichbar argumentiert. Hier heißt es, man dürfe sich bei der Energieversorgung nicht von “den Russen” abhängig machen. Auch da ist die Abhängigkeit eine eher weit hergeholte, da es Alternativen in der Energieversorgung gibt. Und erneut droht auch in diesem Fall das Argument des Fremdeinflusses zu obsiegen.

    Doch all das gilt bei der DB-AG-IT nicht. Da sollen US-Konzerne letzten Endes eine zentrale deutsche IT zumindest potentiell kontrollieren können. Da wird es auch keine Rückfallebene mehr geben. Man schließt das Rechenzentrum und wirft die Schlüssel für den IT-Zugang in den Atlantik.
    Formal allerdings wird argumentiert, dass man auch mal wie Rumpelstilzchen mit dem Fuß aufstampfen und die ausgelagerte IT zurückholen könne. Es sei “absolut nicht ausgeschlossen, dass wir auch mal den Cloud-Provider wechseln” – heißt es bahnoffiziell.

    Das dürfte jedoch eine Beruhigungspille sein. Die Verträge, die diesem Ausverkauf zugrunde liegen, dürften derart sein, dass die DB AG nicht so schnell aus diesen herauskommt.

    Aktuelle Anwendungen

    Kurz vor seinem Abgang sagte der damalige Bahnchef Grube, wie wertvoll “doch die Daten der Bahn” seien, und dass man da verstärkt aktiv werden würde. Das war im Herbst 2016. Ende 2016 wurde eingeführt, dass alle, die eine DB Lounge betreten, sich, wenn verfügbar, mit ihrer BC50- oder BC100-BahnComfort-Karte “ausweisen” und diese durch ein elektronisches Lesegerät ziehen müssen.

    Seit mehr als zwei Jahren gibt es den elektronischen “Komfort-Check-in”, der „die Fahrkartenkontrolle ersetzen“ soll. Vor zwei Wochen teilte der Bahnkonzern mit, dass die „Reisebegleiter” (die in jedem Zug seit mehr als 20 Jahren ausliegenden Faltblätter mit Wiedergabe des Zugverlaufs, den Umsteigeverbindungen usw.) abgeschafft wurden. Man möge sich ab sofort im Netz informieren.
    Und seit wenigen Wochen gibt es im Bordrestaurant keine Speisekarten mehr (bzw. nur noch ein Exemplar einer solchen; für Notfälle). Man möge sich die Speisekarte elektronisch einlesen.

    Bei all diesen Vorgängen geht es nicht darum, Zeit und Personal zu sparen. Meist ist das Gegenteil der Fall. Es geht allein um das eine: Daten&Daten&Daten.

    Meine jährliche BC100-Erfahrung – in diesem Jahr im schönen Lindau am Bodensee

    Am 7. September war es wieder soweit. Meine BC100 war abgelaufen; ich musste eine neue Karte erstehen. Und dies im Bahnhof Lindau. Ich war gerade am Bodensee auf Veranstaltungstour. Wie seit vielen Jahren bezahle ich diese Karte immer bar: bewaffnet mit einer dicken Tüte und vielen Scheinen. Da ist die Chefin meiner örtlichen brandenburgischen Sparkasse immer really amused. Und meist freut sich auch die eine und andere Bahn-Bedienstete an einem der verbliebenen DB-AG-Schalter. Irgendwie muss man ja, wenn auch auf lächerliche, kindische Art und Weise, Sand ins IT-Getriebe werfen.

    In Lindau nun war der Bahnbedienstete hinter dem Schalter, als ich ihn fragte, ob er sich das antun wollte, eine BC100 mir direkt zu besorgen und bar bezahlt zu bekommen, begeistert. In echt. Es handelte sich ersichtlich noch um einen echten Bahnbeamten und um einen engagierten Bahner. Er tat mir gleich kund, warum er mein Ansinnen so gut fände: Sein Schalter werde nämlich in Bälde geschlossen. Wenige Stunden vor meiner Ankunft vor dem Schalter sei die “Chefin“ – von der Bahntochter Station und Service – vor Ort gewesen und habe mitgeteilt, dass der gesamte DB-AG-Service aus dem wunderbaren Jugendstil-Bahnhof Lindau hinausverlagert werde … in einen Container. Das erfüllte die beiden Männer vor und hinter dem Schalter mit einigem Grimm. Der hinter dem Schalter kämpft um seinen Arbeitsplatz und den seiner Kolleginnen und Kollegen. Der vor dem Schalter kämpft seit vielen Jahren, zusammen mit Freunden vor Ort, gegen die Auflösung des Jugendstilbahnhofs auf der Insel.[7]

    Ich benötigte dann für den Erwerb meiner BC100-Karte ziemlich genau 95 Minuten. Zwei Mal unterbrachen wir die Angelegenheit, um die Schlange, die sich hinter mir bildete, wieder abzuarbeiten. Einmal musste der Bahnbeamte mir sein Handy durch die (Corona-Plastik-Schutzwand) hindurchreichen, da die BahnComfort-Zentrale mit mir direkt reden wollte…

    Ich musste dann wieder – wie in jedem Jahr – ein rund 65 Zentimeter langes Papier-Formular ausfüllen. Der Bahnbeamte war sich zunächst sicher, er könne das Ganze über seinen PC und die DB-AG-IT machen. Doch das ging nicht. Eben weil ich die Dienstleistung am Schalter haben und nicht „ins Netz gehen“ wollte. Also ging alles “zu Fuß”, handschriftlich. Auf Print. Mit allen meinen Daten. Obgleich ich eine Art Goldene BahnCard100 haben müsste, weil ich seit 1985 durchgängig eine Netzkarte respektive eine BC100 habe.

    Wie üblich erhielt ich nach besagten eineinhalb Stunden (die ich im Übrigen so auch bereits zuvor eingeplant hatte) eine provisorische BC100. Ein ziemlich windiger Wisch, im Aussehen wie eine einfache 14-Euro-50-Fahrkarte. Darauf der Hinweis, dass ich in rund zwei Wochen meine Plastikkarte zugesandt bekommen würde.

    Stattdessen erhielt ich 16 Tage später einen Brief von BahnComfort. Dort die Mitteilung: Die DB könne mir die Plastikkarte nicht zustellen, da ich nicht erkenntlich bezahlt hätte. Ich müsse das belegen. Ich nannte via E-Mail Ort und Zeit und Bahnhof, wo ich bezahlt hätte. Und dies in bar. Antwort: Das reiche nicht. Ich musste dann meine vorläufige BC100 kopiert und per Brief einer Bahn-Comfort-Firma, immerhin noch in Frankfurt am Main angesiedelt, zusenden. Sodann erhielt ich – fünf Wochen nach dem Kauf meiner BC100 im schönen Lindau am Bodensee – meine Plastikkarte.

    Natürlich bin ich jetzt gespannt, wie das am 9. September 2021 laufen wird. Und ob ich dann mit einer freundlichen Dame in Kalifornien oder einem Call Centre in Neu Dehli telefonieren darf. Und am Ende Post aus Paris, Texas, bekomme.

    [«1] Bericht in: CIO vom 29.6.2019

    [«2] Robert Harris, Enigma, München 1995 (englisches Original im gleichen Jahr unter dem gleichen Titel). Die Enigma-Verschlüsselungsmaschine wurde erstmals als Patent im Jahr 1918 in Deutschland angemeldet. Sie wurde in den Folgejahren mehrfach weiterentwickelt und teilweise in der zivilen Wirtschaft eingesetzt. Ab 1935 wurde sie nur noch von der deutschen Wehrmacht eingesetzt und in diesem Zusammenhang weiterentwickelt; ein ziviler Einsatz wurde unterbunden.

    [«3] Simon Singh, Geheime Botschaften, Carl Hanser Verlag, München 2000, S. 229f.

    [«4] Auszüge aus der Darstellung auf der Website der Deutschen Bahn AG: „Prof. Dr. Sabina Jeschke wurde am 27. Juli 1968 in Kungälv, Schweden geboren. […] Nach Forschungsaufenthalten bei der NASA, dem Ames Research Center Kalifornien und dem Georgia Institute of Technology in Atlanta promovierte sie 2004 zum Dr. rer. nat. […] 2009 erfolgte die Berufung an die RWTH Aachen mit den Schwerpunkten Informatik und Kybernetik im Maschinenbau. […] Zu ihren Schwerpunkten gehören die Bereiche „Verkehr und Mobilität“, „Internet of Things“, „Robotik und Automatisierungstechnik“ und „Künstliche Intelligenz“. Nach Forschungsaufenthalten in Hongkong und Singapore in 2015 und 2016 widmete sie sich 2017 im Rahmen eines Sabbaticals bei der Volvo Car Corporation in Göteborg dem Aufbau eines Think Tanks für „Starke künstliche Intelligenz“. […] Am 10. November 2017 wurde sie in den Vorstand der Deutschen Bahn AG berufen. Sie verantwortet dort den Bereich „Digitalisierung und Technik“. Nach dreijähriger Vertragslaufzeit wurde ihr Vertrag durch den Aufsichtsrat am 11. Dezember 2019 um fünf Jahre bis Ende 2025 verlängert.“

    [«5] Deutsche Bahn, Integrierter Bericht 2017, Seite 149. Im selben Geschäftsbericht gibt es auf den Seiten 240f ein ganzes Kapitel zu Datenschutz, wonach dieser jetzt verschärft – an die “EU-weite Datenschutzgrundverordnung” angepasst – werden würde, wonach es einen “Datenschutzbeirat” gibt. Ein Abschnitt trägt die Überschrift “Digitalisierung und Big Data…” Auch da kein Wort zur beabsichtigten Auslagerung.

    [«6] Im Herbst 2008, als der Börsengang der Deutschen Bahn AG abgesagt worden war, stellte sich heraus, dass die Mitglieder im Bahn-Vorstand, und dabei bevorzugt der damalige Bahnchef Hartmut Mehdorn für den Verkauf der DB-AG-Anteile Boni in Millionen-Euro-Höhe erhalten hätten. Mehdorn bezeichnete dies als „üblich“ und als „Möhrchen“.

    [«7] Nach der Verkündung von „Stuttgart21“ im April 1994 hatte der Bahnchef und Bahn-Ausverkäufer Heinz Dürr vergleichbare Projekte in anderen Städten mit „Frankfurt21″ und „München21“ angekündigt. Immer mit dem dümmlichen Argument, Kopfbahnhöfe müssten durch Durchgangsbahnhöfe ersetzt und nach Möglichkeit in eine Maulwurfsebene verlegt werden. Gegen Stuttgart21 wird weiter gekämpft. Frankfurt21 musste wegen eines ausgezeichneten organisierten Widerstands 2001 aufgegeben werden – das Projekt ersteht jedoch jetzt neu (zum Widerstand dagegen siehe: frankfurt22.de). In Lindau gelang es einem breiten Bündnis, den Halt der Regionalzüge auf der Insel zu verteidigen. Allerdings baute die Bahn einen neuen Fernverkehrshalt am Rande der Stadt, in Reutin, der in diesen Wochen in Betrieb genommen wird. Den wunderschönen Inselbahnhof lässt sie bewusst verfallen. Die Gleise sollen um ein paar hundert Meter zurückgenommen werden, womit der Charakter eines Empfangs direkt an der Seepromenade entfällt. Und womit der Bahnhof selbst faktisch in Bälde aufgegeben werden wird – zugunsten von man weiß noch nicht genau was. Siehe Karl Schweizer / Winfried Wolf / Klaus Gietinger / Wolfgang Hesse, Bahnhofskrimi Lindau, Michendorf 2004.

    #économie #surveillance #transport #nuage

  • Alle Brücken zu Russland sollen abgerissen werden: Auch der kulture...
    https://diasp.eu/p/11656570

    Alle Brücken zu Russland sollen abgerissen werden: Auch der kulturelle Austausch

    Das ZDF fragt, ob man „wegen Nawalny“ den Kulturaustausch mit Russland beenden solle. Derweil boykottiert Außenminister Maas ein deutsch-russisches Wissenschaftsprojekt. Nach dem Sport („Staatsdoping“) sollen nun weitere Bereiche der deutsch-russischen Verständigung „politisiert“ und ein Dialog unmöglich gemacht werden. Von Tobias Riegel.

    Gerade hat in Berlin der Abschluss des „Deutsch-Russischen Jahres der Hochschulkooperation und Wissenschaft“ stattgefunden. Eigentlich war lange geplant, dass der russische Außenminister Sergej Lawrow hier mit seinem deutschen Amtskollegen Heiko Maas zusammenkommt: Zum einen, um das vielversprechende und völkerverbindende deutsch-russische Wissenschaftsprojekt zu würdigen. Zum (...)

    • lien propre:

      https://www.nachdenkseiten.de/?p=64877

      [...]

      (...) um das vielversprechende und völkerverbindende deutsch-russische Wissenschaftsprojekt zu würdigen. Zum anderen aber, um zu nutzen, was internationale kulturelle, sportliche und wissenschaftliche Projekte „nebenbei“ möglich machen: Einen politischen Austausch auch in von giftiger Propaganda geprägten Zeiten. Ein Treffen von Maas und Lawrow beim Abschluss des „Deutsch-Russischen Jahres der Hochschulkooperation und Wissenschaft“ am gestrigen 15. September hätte also eine wichtige Gelegenheit sein können: dafür, im deutsch-russischen Verhältnis wieder ein Maß an Austausch und Vernunft walten zu lassen, inmitten der scharfen und irrationalen antirussischen Medienkampagne zum Fall Nawalny.

      Kultur, Wissenschaft und Sport sollen „politisiert“ werden

      Kultur und Wissenschaft sollen offensichtlich ebenso politisiert werden wie der Sport, der etwa durch die Kampagnen zur WM 2018 oder zum „russischen Staatsdoping“ bereits propagandistisch aufgeladen wurde – auch um die durch die „unverfänglichen“ Veranstaltungen möglich werdenden D

      Hier soll übrigens Doping durch russische Sportler nicht prinzipiell bestritten werden, aber die Instrumentalisierung dieses Sport-Themas für Geopolitik ist verwerflich. Neben der politischen Ebene soll zudem die friedliche und „unpolitische“ Begegnung der Bevölkerungen bei Sport oder Kultur torpediert werden – ein verwerflicher Angriff auf die Völkerverständigung. Ein weiteres aktuelles Beispiel für diese Tendenzen sind Angriffe auf den deutsch-russischen Kulturaustausch, über die etwa die ZDF-Sendung „Aspekte“ berichtet – dazu folgt weiter unten im Text mehr.

      Das aktuelle Verhalten vor allem großer deutscher Medien, aber auch von großen Teilen der Politik gegenüber Russland ist heuchlerisch, destruktiv und langfristig riskant: Wie viele harsche und arrogante Zurückweisungen werden die Russen wohl noch hinnehmen? Wie wird sich das auf ein vielleicht einst als möglich oder nötig zu betrachtendes Bündnis zwischen Deutschland und Russland auswirken? Man sollte die anscheinende Geduld der Russen mit den Marotten einer radikalen deutschen Medienlandschaft jedenfalls besser nicht als Schwäche missverstehen.

      „Lawrow schlägt Gesprächsangebot von Maas aus“

      Die jüngste Chance zum vernünftigen Dialog in einer von Kampagnen irrational aufgeladenen Zeit hat, nach Aussagen von russischer Seite, der deutsche Außenminister verhindert: Bereits am 3. September hat er demnach nicht nur die Teilnahme an der Zeremonie zum „Deutsch-Russischen Jahr der Hochschulkooperation und Wissenschaft“ abgesagt, sondern auch die Zeit für Gespräche mit der russischen Seite stark gekürzt, wie das russische Außenministerium aktuell mitteilte. In deutschen Medien wird der genaue Hergang der Absage als nicht eindeutig dargestellt, so schreibt der „Spiegel“ unter der irreführenden Überschrift „Lawrow schlägt Gesprächsangebot von Maas aus“, der Grund für die Absage sei „angeblich” eine Änderung im „Terminplan der deutschen Seite“. Im Gegensatz zu Maas hat Lawrow eine Grußbotschaft an das Wissenschaftsprojekt gesendet, eine deutsche Übersetzung der Mitteilung des Außenministeriums und eine Einordnung findet sich beim „Anti-Spiegel”.

      Welche Darstellung in Bezug auf Lawrows Besuch auch zutrifft: Kein Zweifel besteht daran, dass Heiko Maas durch seine Absage der Teilnahme an der Zeremonie eines wichtigen deutsch-russischen Projekts schon wieder einen der wenigen verbliebenen Räume des deutsch-russischen Dialogs ungenutzt ließ und diesen Dialog damit insgesamt und langfristig weiter beschädigt hat. Das ist für einen Diplomaten ein sehr schlechtes Zeugnis.

      [...]

      #Nord_Stream II #Allemagne #Russie #États-Unis #gazoduc #LNG #géopolitique

      #Navalny #neurotoxine #Novichok

      #Science #culture #sport #instrumentalisation

      #auf_deutsch

  • Fall Nawalny: „Putins Gift, Putins Anschlag“
    https://diasp.eu/p/11591824

    Fall Nawalny: „Putins Gift, Putins Anschlag“

    Die Berichterstattung zum Fall Nawalny ist extrem unseriös: Unschuldsvermutung? Logik? Gesunder Menschenverstand? All das erscheint überflüssig, wenn es um Meinungsmache gegen die russische Regierung geht. Die Berichte ergehen sich in abwegigen Spekulationen, sie sind teils gefährlich und kriegstreiberisch. Von Tobias Riegel.

    Zum Verständnis des Vorgangs um den russischen Politiker Alexej Nawalny muss immer wieder betont werden: Im Gegensatz zur Darstellung in westlichen Medien ist Nawalny in Russland politisch irrelevant. Die „Deutsche Welle“ ordnet die Chancen des nationalistisch orientierten Nawalny russlandweit „im niedrigen einstelligen Bereich“ ein. Die in den letzten Tagen in deutschen Medien massiv wiederholte Formulierung vom „wichtigsten (...)

  • Benjamin Netanyahu – der „Magier“ kämpft um sein politisches Überleben
    https://diasp.eu/p/11580663

    Benjamin Netanyahu – der „Magier“ kämpft um sein politisches Überleben

    Anfang Juli bangte die Welt, ob die israelische Regierung ihre Ankündigungen wahrmachen und weite Teile des palästinensischen Westjordanlands annektieren würde – es blieb zunächst aus, zu groß wäre der globalpolitische Preis für Netanyahu gewesen. Bereits Ende Mai begann das Gerichtsverfahren gegen ihn wegen mehrerer Fälle von Korruption und Bestechung – der erste amtierende Ministerpräsident des Landes vor Gericht. Seit Monaten gibt es im Land heftige Proteste, die einzig den Rücktritt Netanyahus zum Ziel haben. Erneut liegen Neuwahlen in der Luft. Mitte August erklärten die Regierungen Israels und der Vereinigten Arabischen Emirate in einem historischen Schritt, sie würden vollständige diplomatische Beziehungen aufnehmen, womit (...)

    • lien propre :
      https://www.nachdenkseiten.de/?p=64301

      (...) sie würden vollständige diplomatische Beziehungen aufnehmen, womit jetzt drei arabische Länder Israel anerkennen. Was all diese Ereignisse verbindet, ist die Person Benjamin Netanyahu, auch „Magier“ genannt, der um sein politisches Überleben kämpft.

      Von Jakob Reimann.

      In den letzten Wochen und Monaten gab es eine regelrechte Flut wichtiger Nachrichten aus Israel. Fragmentiert und isoliert betrachtet sind sie schwer zu verstehen, doch hängen sie alle miteinander zusammen – denn sie haben bei genauem Hinsehen alle Ministerpräsident Benjamin Netanyahu im Zentrum. Ein Versuch des Aufdröselns und Neuzusammenfügens.

      Wegen Korruptionsvorwürfen auf der Anklagebank

      Seit Dezember 2016 ermittelt die israelische Polizei gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu in mehreren Fällen verschiedener Korruptionsdelikte. Selbst vor Staatsgründer David Ben-Gurion ist Netanyahu der am längsten amtierende Ministerpräsident des Landes und mit dem Prozessauftakt am 24. Mai dieses Jahres schrieb er erneut Geschichte: Nie zuvor saß ein amtierender Regierungschef Israels auf der Anklagebank. Netanyahu sprach von Anfang an von „haltlosen Anschuldigungen … Das ist ein Witz.“ Die zweite Anhörung begann Ende Juli, doch wird die eigentliche Beweisaufnahme coronabedingt erst im Januar aufgenommen. Von den ursprünglich fünf Ermittlungsverfahren wurden schlussendlich drei zur Anklage gebracht. Im ersten Fall sollen Netanyahu und seine Frau Sara für diverse politische Gefälligkeiten undeklariert Champagner, Zigarren und Schmuck im Wert von 198.100 US-Dollar vom Milliardär und Medienmogul Arnon Milchan angenommen haben. Im zweiten Fall soll Netanyahu dem Herausgeber Israels zweitgrößter – und Netanyahu-kritischer – Tageszeitung im Austausch für wohlwollende Berichterstattung angeboten haben, per Gesetzgebung Mozes‘ größtem Konkurrenzblatt, Israel Today, Schaden zuzufügen. Der dritte Vorwurf dreht sich wiederum um Angebote vorteilhafter Gesetzgebung für den Telekommunikations-Riesen Bezeq in der Größenordnung von mehreren hundert Millionen Dollar. Im Gegenzug soll Bezeq über seine beliebte Nachrichtenseite Walla für günstige Berichterstattung über die Netanyahu-Regierung gesorgt haben. Ein weiterer – und der schwerwiegendste – Fall umfasst einen Rüstungsdeal über drei U-Boote und vier Korvetten mit ThyssenKrupp. Die deutsche Rüstungsschmiede soll über Mittelsmänner Schmiergelder in Millionenhöhe an hochrangige israelische Militärs und Politiker ausgeschüttet haben, um den Zuschlag für den Milliardendeal zu erhalten. In dem Fall wird nicht gegen Netanyahu, sondern gegen sein Umfeld ermittelt.

      Seine diversen Ministerposten musste Netanyahu bereits aufgeben, doch darf er laut israelischer Verfassung auch unter Anklage weiterhin das Amt des Ministerpräsidenten bekleiden. Nicht zuletzt aufgrund dieser Gerichtsverfahren ist innenpolitisch Netanyahus Zukunft so ungewiss wie nie zuvor. Israel ist tief gespalten in das Pro- und Contra-Bibi-Lager, auch die drei Wahlen der letzten anderthalb Jahre drehten sich ausschließlich um seine Person. Und nun könnte er nach insgesamt fast 15 Jahren im Amt schon bald hinter Gittern sitzen. Netanyahu wird gerne der „Magier“ genannt, hat er es doch schon immer geschafft, mittels diverser Ablenkungsmanöver seinen Kopf aus jeder politischen Schlinge zu ziehen. Und so bangte die Welt Anfang Juli, ob Netanyahu in einem erneuten Manöver sein Wahlversprechen einlösen und weite Teile des palästinensischen Westjordanlandes annektieren würde, um mit einem offenen Völkerrechtsbruch die Öffentlichkeit im In- und Ausland von seinen persönlichen Vergehen abzulenken. Der Schritt blieb vorerst aus, doch ist er noch lange nicht vom Tisch. Ein genauerer Blick auf den Komplex der Annexion ist daher geboten.

      Die Annexion ist vom Tisch – vorerst

      Vor einigen Jahren fuhren wir im Westjordanland von Ramallah nach dem Feiern mit dem Auto zurück nach Nablus, wo wir wohnten. Auf der Landstraße hielten uns einige schwerbewaffnete israelische Soldaten an, die meisten kaum 20 Jahre alt. Mit Finger am Abzug ihres Sturmgewehrs wurden wir angebrüllt, das Auto zu verlassen. Wie Schwerverbrecher wurden wir am Straßenrand aufgereiht und standen für eine Stunde in der Kälte, während drei Soldaten jeden Winkel unseres klapprigen Autos filzten und ganze Autoteile demontierten. Wären der Deutsche und die Chilenin nicht dabei gewesen, so erzählten unsere drei palästinensischen Kumpels aus vielfacher Erfahrung, hätte sich die Prozedur auch gerne aufs Zwei- oder Dreifache der Zeit ausdehnen können.

      Oft kam ich in ähnliche Situationen, in denen israelische Soldaten in „Palästina“ Willkür an uns übten – ob nun in Area C, das unter dem Oslo-II-Abkommen von 1995 rund Dreiviertel des Westjordanlandes ausmacht und vollständig unter israelischer Kontrolle steht, in Area B, das gemischt kontrolliert wird, oder selbst in Area A, das weniger als ein Fünftel umfasst und formal unter Kontrolle der hochkorrupten Palästinensischen Autonomiebehörde um Präsident Mahmoud Abbas steht. Es kam in der internationalen Debatte der letzten Monate immer wieder zur Frage, was sich denn durch eine formale Annexion von Teilen des Westjordanlandes überhaupt für die Menschen am Boden ändern würde. Ob wir das Kind nun Oslo II, Okkupation oder eben Annexion nennen – wenn dir israelische Soldaten ihr Gewehr ins Gesicht halten, macht Semantik keinen großen Unterschied.

      In einem sehr lesenswerten Meinungsartikel in der taz beklagen drei junge Palästinenser „mit Befremden, wie losgelöst diese Debatte von unserer Realität ist. Wir sehen Annexion nicht als drohende Gefahr in der Zukunft, sondern als einen bereits seit Generationen andauernden Prozess, der das System definiert, in dem wir leben: völlige israelische Kontrolle vom Jordan bis zum Mittelmeer, wo Freiheit und Rechte an die Ethnizität eines Menschen gebunden sind.“

      Auch ein Freund von der israelischen kommunistischen Partei erklärte mir in einem Interview zur Recherche dieses Artikels, Annexion wäre „definitiv eine bedeutende Veränderung, doch gleichzeitig ein Teil eines fortwährenden Prozesses“. Und weiter: „Es wäre ein qualitativer Sprung, kein quantitativer.“ Damit meint er, dass eine Annexion zwar durchaus beträchtliche Folgen haben, Israel jedoch kein Stück Territorium dazugewinnen würde – auch heute schon ist die israelische Staatsgewalt in der Lage, in jedem Teil des Westjordanlandes nach Belieben zu agieren. Und in diesem „qualitativen Sprung“ liege die eigentliche „Gefahr“, nicht in territorialen Zuwächsen. Denn neben den 134 israelischen Siedlungen in der Area C, in denen anno 2020 463.353 Menschen leben, würde Netanyahus Annexion auch das Jordantal umfassen, das hauptsächlich für Ackerbau genutzt wird und gewissermaßen die Obst- und Gemüsekammer der Westbank darstellt. Im Jordantal lebten 2016 rund 65.000 Palästinenserinnen und Palästinenser. „Was passiert mit denen?”, fragt mein Freund von den israelischen Kommunisten: „Werden sie israelische Staatsbürger? Netanyahu hat das bereits abgelehnt. Müssen sie in palästinensisches Land umziehen? Wenn ja, werden sie also zu Binnenflüchtlingen.“ Eine Annexion hätte demnach das Potential für ein weiteres palästinensisches Flüchtlingsdrama.

      Ein weiteres Problem läge im Status der zwei Friedensabkommen, die Israel mit Ägypten (1979) und Jordanien (1994) geschlossen hat. Bereits im November 2019 erklärte Jordaniens König Abdullah, die israelisch-jordanischen Beziehungen befänden sich auf einem „historischen Tiefstand“ und dass die Beziehungen gar „pausiert“ seien. Als Begründung nannte Abdullah einerseits das innenpolitische Chaos, da Israel über ein Jahr keine arbeitsfähige Regierung hatte, und andererseits die artikulierten Annexionspläne. Eine tatsächliche Annexion könnte den historisch so wichtigen Frieden zwischen zwei ehemaligen Feinden derart in Gefahr bringen wie in den letzten 26 Jahren nicht.

      Eine formale Annexion von Teilen des Westjordanlands wäre also neben einem klaren Völkerrechtsbruch in erster Linie ein propagandistischer Akt, durch den sich zwar die Lage am Boden kaum ändern, der jedoch regional wie international die Narrative des Konflikts über den Haufen werfen und diplomatische Beziehungen in Gefahr bringen würde. Nach einer formalen Annexion müssten selbst die weltweit hartnäckigsten Geisterbeschwörer ihr Narrativ von der Forderung nach einer Zweistaatenlösung final begraben, da durch diese Formalisierung des Unrechts das, was seit zehn, zwanzig Jahren immer deutlicher hervortrat, nun schlussendlich auch offenbar würde: Die Zweistaatenlösung ist tot.

      In den letzten 16 Monaten gab es in Israel drei Wahlen, in denen jeweils einzig über die Personalie Netanyahu abgestimmt wurde. Inhaltlich sind sowohl Bibis rechter Likud als auch der Blau-Weiß-Block um Bibis einstigen Rivalen – und heutigen Co-Ministerpräsidenten – Benny Gantz derart fest im rechten Spektrum verankert, dass in den allermeisten Fragen keinerlei Unterscheidbarkeit existiert. Und jedes Mal war die Annexion ein zentrales Wahlversprechen Netanyahus, um so am rechtsextremen Rand und bei den Ultra-Orthodoxen auf Stimmenfang zu gehen – und jedes Mal ließ er sie nach der Wahl wieder fallen und zog so den Zorn seiner Basis auf sich. Am 1. Juli ließ er so auch die letzte selbstgesetzte Deadline verstreichen, ist der globalpolitische und diplomatische Preis einer Annexion doch einfach zu hoch.

      Netanyahu hatte nie ernsthaft vor, die Annexion durchzuziehen, galt sie dem Meisterstrategen seit jeher vielmehr als Wahlmanöver, als Schachzug, als Ablenkung. Doch da der Druck von rechtsaußen stetig ansteigt, musste der „Magier“ zur Beilegung der Affäre einen wahrhaft fetten Hasen aus seinem Hut ziehen. Und das gelang ihm am 13. August mit dem sogenannten Abraham-Abkommen.

      Israel und die Emirate schließen Frieden

      Der US-Kriegsfalke und größte Israel-Freund Henry Kissinger bemerkte einmal (das Wortspiel funktioniert im Deutschen nicht, daher hier im Original): „Israel has no foreign policy, only domestic politics.“ Jede außenpolitische Unternehmung der israelischen Regierung wird immer durch die innenpolitische Brille getroffen, insbesondere im Hinblick auf die nächsten Wahlen. Was gewiss auch für viele andere Staaten zutrifft, wird in Israel auf die Spitze getrieben. Wie erwähnt, ist die geschickt platzierte Annexionsandrohung ein klassisches Beispiel zur Ablenkung von innenpolitischen Skandalen – periodisch wiederkehrende Kriege gegen die Zivilbevölkerung in Gaza, Luftschläge in Syrien oder zum x-ten Male die haltlose Behauptung, der Iran stünde so kurz vor der Bombe, sind weitere Klassiker. Um das erneut gebrochene Versprechen, Anfang Juli Teile der Westbank zu annektieren, propagandistisch zu relativieren und in politisches Kapital umzumünzen, musste etwas wahrhaft Historisches her.

      Am 13. August verkündeten die Führungen von Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten „die vollständige Normalisierung in den Beziehungen“ beider Länder. Botschaften werden errichtet und die Kooperation auf einer Vielzahl von Gebieten angekündigt, von Wirtschaft, Kultur und Umwelt über Tourismus und Technologie bis hin zu Rüstung und Militär. Der Abraham-Abkommen genannte Friedensvertrag wurde vermittelt von der Trump-Administration sowie von den Regierungen in Ägypten, Bahrain und Oman und soll Anfang September feierlich in Washington unterzeichnet werden. Die #VAE sind damit nach Ägypten (1979) und Jordanien (1994) erst der dritte arabische Staat, der Israel anerkennt – das Abraham-Abkommen ist damit wahrlich historisch. In einem politisch-diplomatischen Vakuum sind dies zweifelsohne gute Nachrichten: Eine Welt mit einem Friedensvertrag mehr ist eine bessere Welt. Nur existiert dieses Vakuum nun einmal nicht, was die Nachricht trübt. Und der Grund ist klar: Palästina.

      Nach Jahrzehnten der – zumindest offiziell – vollständigen Negierung Israels, beschloss die Arabische Liga 2002 zusammen mit weiteren mehrheitlich muslimischen Ländern wie dem Iran die Arabische Friedensinitiative. Diese stellt die diplomatische Anerkennung Israels durch die insgesamt 57 Länder in Aussicht – im Gegenzug für die Errichtung eines palästinensischen Staates und den Rückzug Israels aus den 1967 okkupierten Palästinensergebieten Gaza, Westjordanland und Ostjerusalem. Das deutliche Signal des jüngsten emiratisch-israelischen Abkommens an die Palästinenserinnen und Palästinenser könnte demnach kaum vernichtender sein: Eine Anerkennung Israels durch eine so bedeutsame Regionalmacht wie die Emirate ist auch ohne jegliche Zugeständnisse der israelischen Regierung möglich. Palästinenserführer Mahmud Abbas sprach dann auch vom „Verrat … an der palästinensischen Sache“, andere Vertreter von einem „Stich in den Rücken“, wieder andere erklärten, die VAE gehörten nun zu einer „Gruppe von Verrätern, die auf dem Müllhaufen der Geschichte enden werden“. Wieder einmal ließ die Führung eines arabischen Staates die Palästinenser im Stich – schon seit geraumer Zeit sitzt die einzige Regierung eines mehrheitlich muslimischen Landes, die sich konsequent für die palästinensische Sache stark macht, in Teheran. Jahrzehnte lang war Palästina ein wichtiger Klebstoff der pan-arabischen Bewegung im Großraum Nahost, heute gibt es bis auf geheuchelte Lippenbekenntnisse rein gar nichts mehr.

      Allein der Ankündigung des Friedensabkommens folgten bereits erste Annäherungen, wie etwa erste Flüge der emiratischen Etihad Airlines zum Ben Gurion Airport in Tel Aviv, Zusammenarbeit in der Covid-19-Forschung beider Länder, sowie weitere Kooperationen in der Gesundheitsversorgung. Auch soll es bald zu ersten Studierendenaustauschen kommen. Nach der Annäherung mit den mittelgewichtigen Emiraten wird erwartet, dass in den nächsten Jahren weitere arabische Leichtgewichte folgen werden, allen voran Sudan, Oman und Bahrain, bis, so meine Prognose, in den nächsten 15–20 Jahren auch das sunnitische Schwergewicht nachziehen wird: Saudi-Arabien. Ohnehin gibt es mit all diesen Ländern seit geraumer Zeit im Verdeckten Kooperationen mit Israel, auf diversen Gebieten, doch vor allem in der geheimdienstlichen und der militärischen Arena.

      Vor allem mit den Emiraten bestehen seit langem enge Kontakte, ein besonders perfides Beispiel dieser Kooperation enthüllte im Februar 2019 die israelische Zeitung Haaretz. Da die Emirate für ihren Genozid im Jemen nicht länger ihre eigenen jungen Männer in den Frontkämpfen verheizen wollten, begannen sie rasch im großen Stil mit der Rekrutierung vor allem kolumbianischer Söldner, oft ehemalige Spezialeinheiten. Diese Kolumbianer wurden im Auftrag der Emirate von israelischen Militärs in einer eigens dafür errichteten Basis in der israelischen Negevwüste ausgebildet. Von dort wurden sie zum Töten in den Jemen geschickt. Vermittelt wurde dieser bizarre Deal übrigens vom palästinensischen Quadrupel-Agenten Mohammed Dahlan – jenem Mann also, der mutmaßlich Palästinenser-Ikone Jassir Arafat mit Polonium getötet hat. Manche Groteske kann einfach nur der Nahe Osten hervorbringen.

      Doch was musste die israelische Führung für das historische Friedensabkommen mit den Emiraten eigentlich bezahlen? Die kurze Antwort: nichts. Zwar erklärte #Netanyahu, Pläne zur #Annexion des Westjordanlands seien „temporär ausgesetzt“, doch hatte er wie gesagt ohnehin nicht vor, in absehbarer Zeit den Annexionsplan durchzuziehen. Und so konnte Netanyahu vollkommen gratis zum Status Quo vor seinem Annexions-Wortbruch am 1. Juli zurückkehren und hat zusätzlich ein historisches Abkommen im Gepäck. Der „Magier“ konnte, ohne politisches Kapital zu verspielen, mit diesem geschickten diplomatischen Manöver an drei Fronten gleichzeitig punkten: Seine Basis rechtsaußen hält er weiter bei der Stange, schließlich ist die Aussetzung der Annexion nur „temporär“. Vor den Moderaten konnte er sich als versierter Dealmaker präsentieren, der für Stabilität in Nahost sorgt. Und der internationalen Staatengemeinde konnte er ein historisches Friedensabkommen abliefern wie letztmals Friedensnobelpreisträger Jitzchak Rabin 1994. Einzig die Menschen in Palästina verlieren, doch die zählen bekanntlich nicht.

      Netanyahu kämpft um sein politisches Überleben

      Innenpolitisch hat Netanyahu das Abkommen mit den Emiraten also sehr geholfen und seine Position bei potentiellen Neuwahlen einmal mehr gestärkt. Dies wären die vierten Wahlen seit April 2019 – so absurd dies klingen mag, wird der Ruf nach Neuwahlen immer lauter. Seit über vier Monaten wird Israel von einer Protestwelle überrollt. Am 20. April demonstrierten Tausende auf dem Rabin Square in Tel Aviv gegen Bibi Netanyahu, auf der Hochzeit der Corona unter strengen Abstandsregelungen – die Bilder der auf Kreidelinien mit zwei Meter Abstand stehenden Protestierenden gingen als erfolgreiches Corona-Experiment um die Welt. Anfangs richteten sich die Proteste auch noch gegen Netanyahus einstigen Rivalen Benny Gantz. Dieser ist zu den letzten Wahlen Anfang März erneut als der Anti-Netanyahu angetreten, sein einziger Programmpunkt: „Ich bin nicht Bibi.“ Und nur dafür wurde er gewählt. Im April schließlich der Bruch mit einigen halbwegs integren Köpfen seines Blau-Weiß-Bündnisses und das Einknicken von Gantz vor Netanyahu – beide verkünden an jenem 20. April die Bildung einer Einheitsregierung. Mit Netanyahu als Ministerpräsident und Gantz als Vize, bis Oktober 2021, dann wollen beide die Rollen tauschen. Wer jedoch glaubt, dass der machtbesessene Netanyahu einfach so seinen Hut nehmen wird, ist mehr als naiv – der „Magier“ hat sich Zeit für sein nächstes Manöver erkauft, mehr nicht.

      Schnell richteten sich die Proteste auch gegen die geplante Annexion, gegen Netanyahus Korruption sowie das Corona-Management seiner Regierung. Mit über 110.000 bestätigten Corona-Infizierten ist das kleine Land besonders heftig von der Pandemie betroffen und hat in Relation zur Einwohnerzahl eine der höchsten Infektionsraten überhaupt. Die Polizei ging oft mit Gewalt gegen die Protestierenden vor, ebenso Rechtsaußen-Netanyahu-Unterstützer, die auch vor Anschlägen mit Sprengsätzen nicht zurückschreckten. Woche über Woche versammelten sich auch Tausende vor dem Amtssitz Netanyahus sowie vor seinem Privathaus und forderten lautstark seinen Rücktritt. Auch von dem historischen Abkommen mit den Emiraten ließen sich die Protestierenden nicht von ihrer Rücktrittsforderung abbringen, die Proteste halten weiter an.

      Die letzten Wochen und Monate verdeutlichen einmal mehr die oft unglaublichen politischen Dynamiken im winzigen Land am östlichen Mittelmeer. Als erster amtierender Ministerpräsident steht Netanyahu vor Gericht – wegen Korruption und Bestechung in mindestens drei Fällen. Nach drei Wahlen hat er es endlich geschafft, seinen „Kontrahenten“ Benny Gantz einzulullen und in eine Einheitsregierung zu locken. Ein ums andere Mal konnte Netanyahu die Annexions-Frage geschickt für sich ausspielen und brachte auf Kosten der Palästinenserinnen und Palästinenser mit dem israelisch-emiratischen Friedensabkommen etwas wahrhaft Historisches zustande. Dennoch steht seine Regierung auf tönernen Füßen, seit Monaten kommt es landesweit zu Protesten, die einzig und allein den Rücktritt Netanyahus einfordern: Der „Magier“ kämpft um sein politisches Überleben, seine Zukunft ist so ungewiss wie nie zuvor.

      #Israël #Palestine #EAU #UAE

      #auf_deutsch

  • Hinweise des Tages
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  • Das schweigende Gesundheitsministerium: Wie in Frankreich eine effektive Therapie gegen Covid-19 unterdrückt wird
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=60005

    07. April 2020 von Pierre Blanchaud

    Hinter Italien und Spanien gehört Frankreich mit zur Zeit fast 9.000 Todesfällen mit Covid-19-Zusammenhang zu den am stärksten vom neuen Coronavirus getroffenen Ländern Europas. Frankreich ist jedoch auch das Land, in dem die Studien mit dem ursprünglichen Malariamittel „Chloroquin“ als Therapeutikum gegen Covid-19 am weitesten sind. Lobby- und Wirtschaftsinteressen der Pharmaindustrie verhindern jedoch bis dato eine Anerkennung dieses preiswerten Therapieansatzes, wie Pierre Blanchaud exklusiv für die NachDenkSeiten zu berichten weiß.

    Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

    https://www.nachdenkseiten.de/upload/podcast/200407-Das-schweigende-Gesundheitsministerium-NDS.mp3

    Update: Zu diesem Beitrag erreichte uns eine kritische Leserzuschrift, die auf die Nebenwirkungen von „Chloroquin“ hinweist. Selbstverständlich wollen wir keine Werbung für dieses Medikament machen und schon gar nicht mögliche Nebenwirkungen verschweigen. Greifen Sie also – sofern Ihnen das möglich ist – auf keinen Fall aufgrund dieses Artikels zu einer Selbstmedikation, sondern wenden Sie sich an einen Arzt Ihres Vertrauens.

    Frankreich, das früher auf eines der weltweit besten Gesundheitswesen stolz war, ist von der Covid-19-Epidemie in einem unvorstellbaren Zustand der Desorganisierung überrascht worden. Nach vier Jahrzehnten neoliberaler Sparpolitik, die seit Macrons Amtsantritt noch verschärft worden ist, liegt das Gesundheitssystem in Trümmern. Es hat eine massive Schließung öffentlicher Krankenhäuser gegeben.[1] Stellvertretend für dieses Phänomen, von dem das ganze Land betroffen ist, sind die Geschehnisse in der Hauptstadt. Seit dem Anfang des Jahrhunderts sind in Paris mindestens vier staatliche Krankenhäuser, die flächendeckend die Bevölkerung versorgten, geschlossen worden. Wenn man jedes dieser Krankenhäuser mit den Zeitpunkten seiner allmählichen Zerschlagung bzw. Schließung versieht, kommt man auf die folgende Liste: Krankenhäuser Laënnec (2000), Broussais (2000-2007), Saint-Vincent-de-Paul (2011) und Val-de-Grâce (2016). Ein fünftes Krankenhaus, das Hôtel-Dieu in der Nähe von Notre-Dame, wird z. Z. vom Staat an private Investoren im Rahmen eines Projektes verkauft, das aus diesem geschichtsträchtigen Viertel ein Luxus- und Vergnügungszentrum machen wird.[2] Diese Schließungen haben erwartungsgemäß eine Migration der Patienten in die übrigbleibenden Krankenhäuser verursacht, die dann auch zur normalen Zeit am Rand ihrer Kapazitäten arbeiteten, jetzt aber, bei der Pandemie, total überfordert sind. Eigentlich sollte dies keine Überraschung sein, denn seit langem hatte das Pflegepersonal Alarm geschlagen, war sogar in den Streik getreten und hatte auf der Straße demonstriert – aber alles vergebens![3] Es hatte keine Chance, gehört zu werden, da seine Forderung nach einer besseren Ausstattung der Krankenhäuser frontal der von der Finanzelite betriebenen Politik widersprach. Eine Politik, deren Grundprinzip ist, dass alles, was nicht „rentabel“ ist – sprich: profitabel für diese Finanzelite – eingespart werden muss. Die Nicht-Vorbereitung, die zu der heutigen, miserablen Situation geführt hat, ist so extrem und systematisch gewesen, dass viele Franzosen inzwischen vermuten, all dies sei kein Zufall und die jetzige sanitäre Katastrophe sei bewusst und absichtlich herbeigeführt worden.

    In dieser desolaten Landschaft gab es trotzdem eine Hoffnung und sie kam aus China. Dort wurden verschiedene Studien[4] zu erfolgsversprechenden Therapien veröffentlicht. Eine dieser Therapien, um die es im Folgenden nun gehen soll, basiert auf Chloroquin. Bei Chloroquin und seiner besser verträglichen Tochtersubstanz Hydroxychloroquin handelt es sich um ein Antimalariamittel, das es bereits seit siebzig Jahren gibt und das mittlerweile auch bei Rheumatoider Arthritis sowie bei Systemischer Lupus Erythmatodes eingesetzt wird. Dieses ursprünglich von der IG Farben erfundene Medikament ist bewährt und sicher. Da der Patentschutz abgelaufen ist, ist es zudem kostengünstig.

    Die vielversprechenden chinesischen Forschungs- und Behandlungsergebnisse wurden in Frankreich zunächst von dem Institut Hospitalo-Universitaire (IHU) Méditerranée Infection (angesiedelt bei dem Hôpital de la Timone in Marseille) aufgegriffen. Dieses Institut wird von einem weltweit renommierten Virologen, Prof. Didier Raoult, geleitet.[5] Es gelang dem Team um Raoult in einer kleinen Studie über das Hydroxychloroquin und das Antibiotikum Azithromycin, die Ergebnisse der chinesischen Forscher zu bestätigen.[6] Diese Nachricht wurde zunächst „auf dem Dienstweg“ dem Gesundheitsministerium weitergeleitet, aber leider nur mit Schweigen quittiert. Daraufhin wandte sich Raoult mit einer Videobotschaft an die Öffentlichkeit, um darin die Ergebnisse seiner Forschung vorzustellen.[7] Dieses Video hat rasant schnell seinen Weg über alternative Onlinepublikationen gefunden und eine Art „Gegenöffentlichkeit“ hergestellt. Das war notwendig, denn nicht nur das Gesundheitsministerium, sondern auch die „Qualitätsmedien“ standen dieser Initiative ablehnend bis feindselig gegenüber. Laut Raoult hatte Le Monde seine Forschungsergebnisse sogar als Fake News abgetan und das Gesundheitsministerium war dieser Zeitung gefolgt: es ließ 36 Stunden lang die Anschuldigung auf seiner offiziellen Webseite stehen.[8]

    Dass Raoults Forschungsergebnisse auf eine solche negative Resonanz bei der Obrigkeit und den Mainstream-Medien trafen, lässt sich dadurch erklären, dass das Aufkommen eines effizienten und billigen Medikamentes auf dem französischen und europäischen Markt die Projekte von zwei Pharmafirmen, Gilead und Abbvie, durchkreuzen würde. Diese beiden Firmen stellen zwei ebenfalls gegen Covid-19 eingesetzte Medikamente her: Gilead stellt das sehr teure Anti-Ebola-Mittel Remdesivir her und Abbvie Kaletra ein Kombinationspräparat aus den Anti-HIV-Medikamenten Lopinavir und Ritonavir. Bekanntlich reicht der Arm der starken Pharmaindustrie bis in die hohen Sphären der französischen Gesundheitspolitik. Und aus diesen hohen Sphären haben die oben erwähnten Firmen drei Personen, die sich – was für eine Überraschung! – als prominenteste Gegner Raoults und des Hydroxychloroquins geoutet haben: Agnès Buzyn, ihr Ehemann Yves Lévy und ihr Mitarbeiter und Freund Jerôme Salomon. Zu diesen drei Musketieren gesellt sich die Virologin Karine Lacombe, Chefärztin im Pariser Krankenhaus Saint-Antoine.

    Agnès Buzyn war vom 17.05.2017 bis zum 16.02.2020 Gesundheitsministerin unter Macron gewesen. Im Oktober 2019 – also unmittelbar vor dem Ausbruch der Covid-19-Epidemie – initiierte sie in ihrem Ministerium ein Vorgehen, das dazu führte, dass das bis dahin seit Jahrzehnten freiverkäufliche Hydroxychloroquin (in Frankreich unter dem Namen Plaquenil) ab Januar 2020 rezeptpflichtig wurde.[9]

    Ihr Ehemann Yves Lévy war von 12.06.2014 bis zum 13.10.2019 Leiter der wichtigen staatlichen Behörde Institut national de la Santé et de la Recherche Médicale (INSERM) gewesen. Er ist selber Arzt und Epidemiologe und hatte am Aufbau des Virologie-Labors in Wuhan mitgewirkt,[10] welches während der letzten Wochen oft in den Medien als ein möglicher Ursprung der Pandemie – durch ein Leck – erwähnt worden ist. Während Lévys Amtszeit hat der INSERM auch eng mit der Firma Gilead zusammengearbeitet. Mit vereinten Kräften hatten Agnès Buzyn und Yves Lévy in den vergangenen Jahren aus ihren jeweiligen Machtfunktionen immer wieder versucht, den Aufbau des IHU von Raoult zu verhindern oder zumindest zu bremsen.[11] Sie haben dafür gesorgt, dass dieser IHU gewisse verwaltungstechnische Anerkennungen nicht bekommt, auf die er normalerweise einen Anspruch gehabt hätte.[12] Vor allem die 160 Millionen Euro, die Raoult von dem französischen Staat für den Aufbau des Marseiller Labors erhalten hatte, bleiben Buzyn und Lévy ein Dorn im Auge.[13] Sie sind der Meinung, dass sie dieses Geld ganz gut für ihre eigenen, konkurrierenden Projekte hätten gebrauchen können.[14]

    Während Raoults Videobotschaft ihren Weg in eine breite, digitale Öffentlichkeit fand, ging es im Gesundheitsministerium darum, zu entscheiden, welche Forschungsprojekte im Rahmen des von der EU finanzierten „Essai Clinique Européen Discovery contre le Covid-19“ (in Deutschland bekannt als „das europäische Projekt Discovery“) berücksichtigt werden sollten. Dieses Projekt, das am 21./22. März 2020 gestartet ist, wird europaweit vom INSERM, der ehemaligen Arbeitsstelle von Lévy, koordiniert.[15] Vor Frau Buzyn Rücktritt letzten Februar sollten nur die Projekte der Pharmafirmen Gilead (Remdesivir) und Abbvie (Lopinavir+ Ritonavir) gefördert werden, unter Ausschluss des von Raoult empfohlenen Hydroxychloroquins. Die breite digitale Öffentlichkeit, welche das Video auf den Plan gerufen hatte, machte es aber unmöglich, den Vorschlag Raoults weiter zu ignorieren. Frau Buzyn trat freiwillig zurück und ihr Nachfolger als Gesundheitsminister, Olivier Véran, nahm Hydroxychloroquin in die Liste der im Rahmen des europäischen Projektes zu erprobenden Therapien auf.[16] Das war ein erster Erfolg für Raoult und sein Team.

    Aber auch nach Ausscheiden von Frau Buzyn blieb ihre „rechte Hand“ im Amt: Jerôme Salomon, der seit dem 08.01.2018 Directeur général de la Santé, d.h der zweite Mann im Ministère de la Santé ist. Als solcher übt er weiter einen großen Einfluss unter dem neuen Gesundheitsminister Olivier Véran aus. Ist es also wirklich ein Zufall, dass am 26. März 2020 den niedergelassenen Ärzten in einem „Décret d’encadrement de la chloroquine“ , einem Erlass des Gesundheitsministeriums, verboten wurde, Hydroxychloroquin zu verschreiben? Von diesem Zeitpunkt an durften es nur noch die in der stationären Versorgung tätigen Klinikärzte anwenden – und auch lediglich in bereits fortgeschrittenen Fällen von Covid-19. Dieser letzte Punkt ist besonders perfide, weil bei solchen Fällen das Hydroxychloroquin nicht mehr wirken kann. Raoults Originalzitat:

    „Wenn es zu spät ist, dann ist es wirklich zu spät, wenn die Leute schon in Intensivbehandlung sind. Wenn die Leute Notsyndrome der Atemwege haben, wenn man gezwungen ist, sie zu intubieren, dann ist es wirklich nicht mehr die Stunde der Antiviren. (…) Wenn die Läsionen einmal vorhanden sind, sind sie unumkehrbar, und es gelingt uns nicht mehr, sie zu stoppen.“

    Das, was dann übrigbleibt, sind zerrissene Lungen und die Aussicht auf einen baldigen Tod. Man hatte also im Gesundheitsministerium beabsichtigt, negative Ergebnisse für die Anwendung des Hydroxychloroquins zu produzieren – Ergebnisse, die beweisen sollten, dass dieses Medikament unwirksam bleibt.

    Als medienaffine Gegnerin des Hydroxychloroquins profilierte sich Prof. Karine Lacombe, ehemalige Mitarbeiterin Lévys bei INSERM und jetzt Chefärztin im Fachbereich Infektionskrankheiten des Hôpital St. Antoine, Paris. In Frankreich erfüllt Professorin Lacombe eine ähnliche Funktion wie Christian Drosten in Deutschland oder Anthony Fauci in den U.S.A. Sie ist die „offizielle Fernseh-Virologin“, die die breite Öffentlichkeit über den wissenschaftlichen Sachverhalt auf eine Art und Weise „aufklärt“, die diese Öffentlichkeit in eine von gewissen wirtschaftlichen und politischen Interessen gewünschte Richtung lenkt. Es ist zudem publik geworden, dass Karine Lacombe seit 2013 insgesamt 25.000 Euro von der Firma Gilead für verschiedene Aktivitäten erhalten hat, und seit 2012 desgleichen 38.000 Euro von der Firma Abbvie.[17]

    Genau wie sich Karine Lacombe oder Christian Drosten[18] vorsichtig davor hüten, die Therapie mit Hydroxychloroquin + Azithromycin als unwirksam zu bezeichnen, sondern sich darauf beschränken, die Methodik der Marseiller Studien zu kritisieren, so ist es auch zu einem Umschwenken in der Strategie der Leitmedien gekommen. Während Le Monde z.B. weiter beharrlich über die therapeutischen Erfolge des Marseiller Teams schweigt, berichtet dieses neoliberale Blatt besonders gern über Einzelfälle von Selbstmedikation mit Chloroquin, die mit tödlichem Ausgang endeten. Im Gedächtnis der Leser bleiben dann nur die negativen Schlagzeilen.[19] Dabei wird es verschwiegen, dass Raoult und seine Mitarbeiter ständig vor Selbstmedikation gewarnt haben.

    Am 27. März publizierte Raoults Team die Ergebnisse einer weiteren, größeren Studie zu den mit Hydroxychloroquin + Azithromycin behandelten Patienten.[20] Und diese Ergebnisse sind vielversprechend: von 80 Fällen wurden 78 geheilt; ein 84-jähriger Patient starb und ein 76-Jähriger blieb in der Intensivpflege. Inzwischen werden in Frankreich die Befürworter des Chloroquins immer zahlreicher, auch wenn sie nur selten die Gelegenheit bekommen, sich in den „Qualitätsmedien“ auszudrücken. Einer dieser Unterstützer ist Prof. Med. Philippe Douste-Blazy (Schwerpunkt u.a. Epidemiologie), ehemaliger Gesundheitsminister und beigeordneter Generalsekretär der Vereinten Nationen. In einer Videobotschaft appellierte er am 3. April an die Regierung, den Erlass vom 26. März 2020 zurückzunehmen, und initiiert eine Petition,[21] die innerhalb von zwei Tage von zweihunderttausend Bürgern unterschrieben wurde. Da Douste-Blazy dem Marseiller Team sehr nahesteht, erlaubt er sich auch, in diesem Video Raoults Formel zu verraten: 600 Milligramm Hydroxychloroquin + 250 Milligramm Azithromycin täglich während zehn Tagen. Diese Formel muss aber jeweils nach individuellem Fall justiert werden – daher folgte auch von Douste-Blazy der dringende Aufruf, keine Selbstmedikation vorzunehmen.

    Übrigens hat diese Polemik inzwischen Frankreichs Grenzen überschritten, wie u.a. ein Artikel des international bekannten Journalisten Pepe Escobar es bezeugt: Why is France hiding a cheap and tested virus cure.[22]

    In Frankreich selbst hat übrigens die Behandlung mit Hydroxychloroquin + Azithromycin in der öffentlichen Meinung schon den Sieg davongetragen. Raoults Team hat inzwischen mehr als tausend Menschen getestet und mehrere Hunderte Patienten behandelt. Vor dem IHU in Marseille bilden sich unendliche Warteschlangen von Leuten, die diszipliniert darauf warten, von dem Pflegepersonal dieses Institutes aufgenommen, getestet und wenn nötig behandelt zu werden. Unter dem Druck der Ereignisse beziehen die Fachabteilungen für Infektionskrankheiten der verschiedenen französischen Krankenhäuser Stellung. Am 29.03.2020 waren es 44 in ganz Frankreich, die sich dafür entschieden haben, die Patienten nach dem Raoult-Protokoll zu testen und zu behandeln, und nur drei lehnten es kategorisch ab (darunter die Abteilung von Karine Lacombe im Pariser Saint-Antoine).[23]

    Inzwischen haben auch niedergelassene Ärzte aus ganz Frankreich ihre eigene Petition initiiert, die vor wenigen Tagen online gestellt wurde. Diese Mediziner beanspruchen auch für sich die Erlaubnis, ihre mit Covid-19 infizierten Patienten mit der Zusammensetzung Hydroxychloroquin + Azithromycin zu behandeln.[24]

    Die Hindernisse, die unter dem Vorwand protokollarischer Bedenken Raoults Therapie in den Weg gelegt werden, sind kriminell, denn es geht hier um Tausende, vielleicht sogar Zehntausende Menschenleben. Aber genau betrachtet sind sie auch lächerlich, wenn man bedenkt, dass bereits viele andere Länder das Chloroquin adaptiert haben. In Russland haben Forscher eine eigene Therapie ausgearbeitet, die sehr nah an Raoults Protokoll ist.[25] In den USA wurden große Mengen an Chloroquin vorsorglich bestellt.[26] In Algerien,[27] Marokko[28] und vielen anderen afrikanischen Ländern[29] soll diese Therapie nun in der Klinik eingesetzt werden. Und in dem am schlimmsten von Covid-19 betroffenen europäischen Land, Italien, schreibt Prof. Bartoletti, Vizepräsident des italienischen Verbandes der Allgemeinmediziner:

    „Die Ergebnisse, die wir zu zentralisieren beginnen, lassen vermuten, dass das Hydroxychloroquin, wenn es früh genug verabreicht wird, bei der Mehrheit der Patienten die Vermeidung einer schlimmen Entwicklung der Krankheit, und dadurch eine Entlastung der Intensivstationen ermöglicht.“[30]

    Mit ihrer Vollbremsung einer offensichtlich erfolgreichen Therapie ist die französische Regierung zunehmend isoliert. Und in Deutschland? Man scheint von der Effizienz des Chloroquins bzw. des Hydroxychloroquins insgeheim überzeugt zu sein. Anders ist es nicht zu erklären, dass Gesundheitsminister Jens Spahn große Mengen von diesem Stoff bei Bayer bestellt hatte.[31] Aber diese de-facto-Anerkennung lässt man im Halbdunkel, sie wird nicht der breiten Öffentlichkeit kommuniziert. Und die deutschen „Qualitätsmedien“ hüten sich sogar davor, diese beiden Produkte beim Namen zu nennen, als ob sie die Auseinandersetzung, die z.Z. in Frankreich stattfindet, gar nicht wahrnehmen wollten. Wenn sie manchmal das Thema anschneiden, sprechen sie wie beschämt nur von „einem Mittel gegen die Malaria“.[32] Warum das? Wäre es nicht wünschenswert, dass die Menschen in Deutschland erfahren, dass es schon ein erprobtes Medikament gegen Covid-19 gibt? Das würde den Behörden ermöglichen, Maßnahmen zurückzufahren, die tief in die Grundrechte und in die Grundfreiheiten eingreifen. Und das würde vor allem den Menschen die Angst wegnehmen. La peur est mauvaise conseillère, die Angst ist bekanntlich eine schlechte Beraterin. Und sie stellt eine Versklavung der Seelen dar.

    Pierre Blanchaud, Linguist, ehemaliger Lektor an der RWTH Aachen

    Titelbild: creativeneko/shutterstock.com

    [«1] francetvinfo.fr/sante/hopital/fermeture-des-hopitaux-quels-sont-les-chiffres_3187165.html; oder leparisien.fr/economie/hopital-17-500-lits-de-nuit-fermes-en-six-ans-17-10-2019-8174565.php

    [«2] lesechos.fr/pme-regions/actualite-pme/lhotel-dieu-le-plus-vieil-hopital-de-paris-souvre-aux-start-ups-et-aux-commerces-1131009

    [«3] leparisien.fr/societe/sante/greve-des-urgences-on-a-ferme-100-000-lits-en-20-ans-24-04-2019-8059401.php; s. auch lemonde.fr/sante/article/2018/03/17/ras-le-bol-decouragement-perte-de-sens-l-immense-malaise-de-l-ap-hp_5272382_1651302.html

    [«4] z.B.: Wang M, Cao R, Zhang L, et al. Remdesivir and chloroquine effectively inhibit the recently emerged novel coronavirus (2019-nCoV) in vitro. Cell Res. 2020;30(3):269–271. doi:10.1038/s41422-020-0282-0

    [«5] Wer sich über Prof. Raoults Leben und Werk in der deutsch- bzw. englischsprachigen Wikipedia informiert, der erfährt, dass er bereits mehrfach beratend für die französische Regierung und internationale Institutionen gearbeitet hatte. Aufgrund der Anzahl seiner Publikationen in den renommiertesten Fachzeitschriften wird er sogar auf der Internetseite Expertscape (expertscape.com) als DER weltweit führende Spezialist für „communicative diseases“ aufgeführt. Im Laufe seiner Karriere hat Raoult Tausende Patienten behandelt, die von viralen Krankheiten heimgesucht waren. Das von ihm gegründete IHU Méditerranée Infection ist heute eines der weltweit führenden Forschungslabore im Bereich der Virologie.

    [«6] S. Gautret P,Lagier J-C, Parola P, et al. Hydroxychloroquine and azithromycin as a treatment of COVID-19: results of an open-label non-randomized clinical trial Int J Antimicrob Agents. 2020 Mar 20 : 105949. doi: 10.1016/j.ijantimicag.2020.105949 [Epub ahead of print]

    [«7] monde.taibaweb.com/index.php/2020/03/03/hysterie-pourquoi-personne-necoute-lexpert-mondial-des-virus-qui-dit-quun-traitement-simple-contre-le-covid-19-existe-sante-et-bien-etre/

    [«8] Raoult hat die Aussage am Ende einer Pressekonferenz gemacht. S. mediterranee-infection.com/coronavirus-diagnostiquons-et-traitons-premiers-resultats-pour-la-chloroquine/ Da sowohl Le Monde wie auch das Gesundheitsministerium inzwischen die Anschuldigung von fake news aus ihren jeweiligen Webseiten weggenommen haben, ist es mir nicht gelungen, Links zu finden, die diese Aussage bestätigen. Dass Le Monde aber zweifelsohne eine feindliche Einstellung gegenüber Raoults Initiative hat, belegt der folgende Link: lemonde.fr/sciences/article/2020/02/26/un-antipaludeen-pourra-t-il-arreter-l-epidemie-de-covid-19_6030931_1650684.html

    [«9] legifrance.gouv.fr/affichTexte.do?cidTexte=JORFTEXT000041400024&categorieLien=id

    [«10] inserm.fr/en/news-and-events/news/yves-levy-presents-inserm-roadmap-for-2018

    [«11] asiatimes.com/2020/03/why-france-is-hiding-a-cheap-and-tested-virus-cure/

    [«12] geopolintel.fr/article2194.html

    [«13] geopolintel.fr/article2196.html

    [«14] presse.inserm.fr/en/launch-of-a-european-clinical-trial-against-covid-19/38737/

    [«15] geopolintel.fr/article2200.html

    [«16] legifrance.gouv.fr/affichTexte.do

    [«17] (1) Karine Lacombe, qui critique des méthodes de Didier Raoult, est-elle en «conflit d’intérêt» avec les laboratoires concurrents ? – Libération;oder auch Coronavirus : Karine Lacombe contre Didier Raoult – Geopolintel ;

    [«18] ndr.de/nachrichten/info/podcast4684.html

    [«19] lemonde.fr/sante/article/2020/03/27/la-surdose-mortelle-a-la-chloroquine-expliquee-en-sept-questions_6034694_1651302.html; lemonde.fr/sante/article/2020/03/30/alerte-contre-l-utilisation-de-l-hydroxychloroquine-en-automedication_6034881_1651302.html

    [«20] mediterranee-infection.com/pre-prints-ihu/

    [«21] change.org/p/ephilippepm-traitement-covid-19-ne-perdons-plus-de-temps-neperdonsplusdetemps?utm_source=grow_fr&utm_campaign=pss; youtube.com/watch?=v03TthAf7co youtube.com/watch?v=2EhNs0RGoQ0

    [«22] asiatimes.com/2020/03/why-france-is-hiding-a-cheap-and-tested-virus-cure/

    [«23] resistancisrael.com/liste-des-hopitaux-qui-suivent-les-consignes-du-dr-raoult/; S. auch twitter.com/LLP_Le_Vrai/status/1244357481251442689

    [«24] petition-mail@association-sante-naturelle.email petition-chloroquine.fr/texte-collectif-medecins

    [«25] fr.sputniknews.com/russie/202003281043417673-la-russie-devoile-son-medicament-pour-traiter-le-coronavirus/

    [«26] francais.rt.com/international/73344-don-du-ciel-si-ca-marchait-etats-unis-autorisent-usage-chloroquine

    [«27] tunisienumerique.com/coronavirus-lalgerie-commence-le-traitement-de-ses-malades-a-la-chloroquine/

    [«28] la-croix.com/Monde/Afrique/Coronavirus-Le-Maroc-mise-tout-chloroquine-2020-03-31-1201087121

    [«29] letemps.ch/monde/demunie-face-coronavirus-lafrique-se-jette-chloroquine

    [«30] petition-mail@association-sante-naturelle.email

    [«31] welt.de/vermischtes/article206630043/Coronavirus-Bundesregierung-hat-groessere-Mengen-von-moeglichem-Medikament-gesichert.html

    [«32] S. z.B. tagesspiegel.de/politik/malaria-medikamente-gegen-covid-19-jens-spahn-macht-hoffnung-was-bringt-das-medikament-resochin/25656826.html

  • Corona: Die Verzweiflung eines Berliner Taxiunternehmers

    ... und ein Kommentar dazu in den Nachdenkseiten
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=60051

    Derr Rettungsschirm in der Theorie und in den täglichen Redensarten: eindrucksvoll. Der Rettungsschirm in der Praxis: in der Warteliste auf 69.000ster Stelle. „Die Verantwortlichen in Bund und Ländern haben die weitreichenden Folgen nicht bedacht“, hatte ich gestern in diesem Beitrag geschrieben. Sie haben wohl auch nicht bedacht, dass ihre Rettungsversprechen oft an der Praxis scheitern und damit als hohl erscheinen müssen. Unter den Berliner Taxifahrern gibt es zumindest einen guten Freund der NachDenkSeiten, Joachim Schäfer. (Siehe hier) Er hat den folgenden Hinweis geschickt. Was er schildert, ist ein Zeichen dafür, dass die Folgen der am 22. März verkündeten Entscheidungen von Bund und Ländern viel schlimmer sein werden, als viele heute denken. Umso mehr spricht für eine schnelle Revision der Lahmlegung unserer Gesellschaft und Wirtschaft. Albrecht Müller.

    Quelle: Taxi Times
    https://www.taxi-times.com/corona-die-verzweiflung-eines-berliner-taxiunternehmers

    Kommentar: Als einer der ganz wenigen gewerkschaftlich organisierten Fahrer kann ich diesem unternehmerischen Kollegen leider nur zustimmen. Der Berliner Senat und die zuständigen Verwaltungen sind offensichtlich unfähig die Probleme auf der Straße zu realisieren. Die Wirklichkeitsverweigerung der letzten Jahre, die sich seit der Einführung des Mindestlohns gefährlich an der Existenz des Taxigewerbes in Berlin zu schaffen macht, führt nun in die Insolvenz, so es der Unternehmer nicht schafft seine Fixkosten auf null zu reduzieren. Alle Angestellten Fahrer in Berlin müssten sich z.Z. in Kurzarbeit befinden, da das Geschäft derzeit nicht mal im Ansatz so viel Umsatz generiert, um den Mindestlohn zu bezahlen. Und die alleinfahrenden Einzelunternehmer (Soloselbständigkeit) schaffen es nicht ihre Kosten zu decken. So gesehen ist das Übergangsgeld des Senats eine verdeckte Unterstützung zur Insolvenzverschleppung.

    Ein klarer Auftrag das medizinische Personal zu transportieren (hier muss das irre Angebot erwähnt sein, das die Taxen das Personal zum halben Taxitarif transportieren sollen, aber nur mit Fahrern die den neuen geforderten Mindestlohn von 12,50 € erhalten, wo doch schon vor Corona kaum MiLo gezahlt werden konnte), Gutscheine an transportbedürftige Personen oder ähnliche kleinteilige Hilfen sind von dieser Landesregierung wohl nicht zu erwarten, auch wenn mich das schmerzt, da dies eine rot-rot-grüne ist. Der Ductus des Rechthabens und die eigene Weltsicht als allgemeinverpflichtend zu erfordern ist in ihrer arroganten Anmaßung schon nicht mehr zu ertragen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Joachim Schäfer

    #Taxi #Berlin #covid-19

  • Schluss mit Irreführung: „Wir brauchen harte, gesicherte Fakten statt nur scheinbar objektive“.
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=59903

    Neue Ansage durch die Bundeskanzlerin: Bis mindestens 19. April bleibt der Shutdown der Gesellschaft bestehen. Erst wenn sich der Anstieg der Infiziertenzahlen deutlich verlangsamt hat, sollen Lockerungen denkbar sein. Die Zielvorgabe ist so schwammig, wie sie mit immer mehr Tests praktisch unerreichbar wird. „Dann kann man noch Monate so weiter machen“, meint Statistikprofessor Gerd Bosbach. Im Interview mit den NachDenkSeiten appelliert er an die Bundesregierung, endlich belastbare Daten zur Verbreitung des Corona-Virus in der Gesamtbevölkerung zu liefern. Erst dann könne man sich ein Bild zur Gefährlichkeit der Krankheit machen und die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen auf ihre Sinnhaftigkeit prüfen. Das Gespräch führte Ralf Wurzbacher.

    https://www.nachdenkseiten.de/upload/podcast/200403_Schluss_mit_Irrefuehrung_Wir_brauchen_harte_gesicherte_Fakten_

    #science #politique #statistiques #covid-19 #Allemagne

  • Die neue Weltwirtschaftskrise, das Corona-Virus und ein kaputt gesparter Gesundheitssektor. Oder: Die Solidarität in den Zeiten von Corona. Von Winfried Wolf.
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=59459

    20. März 2020 - Die Ausweitung des Corona-Virus hat zur flächendeckenden Beseitigung von Grundrechten und Bewegungsfreiheit geführt. Vieles spricht dafür, dass dies in der gegebenen Situation angebracht, unvermeidlich, ist. Wobei es auch Mitte März noch ernst zu nehmende Stimmen – so vom Weltärztebund-Präsidenten Frank Ulrich Montgomery – gibt, die dies in Frage stellen. Unbestreitbar ist, dass die Zuspitzung der Corona-Pandemie dazu geführt hat, dass das Versagen der Behörden nicht thematisiert wird. Dass der aktive Beitrag, den die Bundesregierung und ausdrücklich auch CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn und der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach beim Kaputtsanieren der Krankenhäuser geleistet haben, kein Thema in der öffentlichen Debatte ist. Nicht zuletzt dienen die Corona-Epidemie und die panischen und widersprüchlichen Maßnahmen zu deren Eindämmung dazu, die im Hintergrund ablaufenden massiven weltwirtschaftlichen Verwerfungen – und die Gefahr einer neuen Weltwirtschaftskrise – als das von einem Virus ausgelöste Resultat zu präsentieren. Was grundfalsch ist.

    Von Winfried Wolf.

    Vorbemerkung: Das ist ein Artikel mit vielen guten Anregungen. Danke vielmals. Wir veröffentlichen ihn, auch wenn wir nicht alle Aussagen teilen. Die NachDenkSeiten-Redaktion.

    Einiges spricht dafür, dass das Elend und die Zahl der Getöteten, die mit der Wirtschaftskrise geschaffen werden, nochmals deutlich das übersteigt, was vom Corona-Virus erzeugt werden kann.

    Es ist soweit. Nein – nicht die Corona-Krise ist gemeint. Zunächst zumindest nicht. Es ist vielmehr seit einem Vierteljahr – seit Ende 2019 – soweit: Wir stehen inmitten einer neuen weltweiten Krise. Die vorausgegangene hatte, so heißt es, ihren „Schwarzen Schwan“ in Gestalt der Pleite des Finanzinstituts Lehman Brothers am 15. September 2008. Die gegenwärtige hat, so heißt es, ihren „Schwarzen Schwan“ in Gestalt des neuen Corona-Virus (Covid-19), über dessen Existenz zum ersten Mal am 7. Januar 2020 informiert wurde.

    Doch in beiden Fällen schwammen diese „Schwarzen Schwäne“ deutlich dem Ereignis Krise hinterher. Die letzte Weltwirtschaftskrise hatte im Sommer 2007 mit dem Platzen der Subprime-Kredite in den USA und dem Zusammenbruch der deutschen IKB-Bank am 29. Juli 2007 begonnen. Die aktuelle Krise begann 2019 in der Weltautoindustrie und in China. Die deutsche Industrie war im gesamten Jahr 2019 gegenüber dem Vorjahr um vier Prozent abgeschmiert. Und auch der industrielle Sektor der Weltwirtschaft hatte sich im Dezember 2019 der Null-Linie angenähert. Damit war die Krise Anfang 2020 bereits da. Und sie war vorhergesagt und damals bereits analysiert worden.[1] Die „Schwarzen Schwäne“ dienen nur im Nachhinein der falschen Etikettierung der jeweiligen Krise als „Lehman-Krise“ und als „Corona-Krise“.

    Krise Anfang 2020

    „Wirtschaft steht unter Corona-Schock“, so lautete bereits am 28. Februar die Überschrift über einem halbseitigen Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Am 1. März hatte Bild die Schlagzeile: „Wirtschaft schon jetzt in der Corona-Krise“. Am 12. März veröffentlichte das Kieler Institut für Weltwirtschaft eine Analyse, wonach die Weltwirtschaft und die deutsche Wirtschaft 2020 „einen harten Konjunktureinbruch“ erleben würden. Natürlich als „Ergebnis des Corona-Schocks“.

    Doch sehen wir uns zwei Grunddaten der Ökonomie mit verlässlichen Zahlen bis Ende 2019 an. Erstens diejenigen der industriellen Produktion auf Weltebene und in Deutschland. Zweitens diejenigen der Weltautoproduktion, untersetzt mit der Fertigung in den vier größten Autoproduktionsländern.

    Die Industrieproduktion stellt den Kern der kapitalistischen Wirtschaft dar. Sie entspricht am ehesten dem produktiven Sektor. Unter anderem sind hier der Dienstleistungssektor und die Finanzwirtschaft – Sektoren, die die Gesamtentwicklung teilweise relativieren, teilweise akzentuieren – nicht enthalten. Die US-Bank JP Morgan veröffentlicht regelmäßig einen Indikator mit der Bezeichnung Global Manufacturing PMI. Dazu schrieb das Finanzinstitut, der entsprechende Index sei im Dezember gegenüber dem Vormonat nochmals gefallen und zwar auf eine Linie, die „die Wasserscheide zwischen Expansion und Kontraktion“ darstellen würde.[2]

    Für die deutsche Industrie liegen bis einschließlich Dezember 2019 die Zahlen des Statistischen Bundesamts für die Zeit vor dem Ausbruch des Corona-Virus vor. Sie sind in Tabelle 1 für den gesamten Zeitraum seit der vorausgegangenen Krise zusammengefasst.

    Tabelle 1: Industrielle Produktion in Deutschland 2008-2019 (verarbeitendes Gewerbe einschl. Bergbau); Index 2015 = 100; Wachstum gegenüber dem Vorjahr in Prozent

    Deutlich ist der massive Einbruch, den es 2008/2009 gab. Ab 2010 bewegt sich das deutsche verarbeitende Gewerbe im Plus. Die Wachstumsraten nach der 2008/09er Krise waren – außer derjenigen 2011 – niedrig. 2012 gab es sogar einen leichten Einbruch. 2018 war ein Höhepunkt erreicht. Der Rückgang im gesamten Jahr 2019 mit knapp 5 Prozent ist erheblich.

    Tabelle 2 dokumentiert die Autoproduktion im gleichen Zeitraum – und zwar auf Weltebene (unterste Zeile) und die Pkw-Fertigungen in China, in den USA, in Japan und in Deutschland. Auf Weltebene und bei der Autoherstellung in China und in Deutschland gibt es seit 2018 einen absoluten Rückgang. In den USA trifft dies auf 2019 zu.

    Da die Autoindustrie weltweit die Funktion einer Leitbranche hat und da sie in den hier aufgeführten Ländern den jeweils wichtigsten Industriezweig darstellt, bestimmt dieser Rückgang auch in erheblichem Maß die jeweilige gesamte Industrie.

    Tabelle 2: Pkw-Produktion weltweit und in China, USA, Japan und Deutschland 2008-2019 (Angaben in Millionen Einheiten) [ 3]

    Es ergibt sich ein vergleichbares Bild wie im Fall der Industrieproduktion: Es gab den massiven Einbruch 2009. Danach ein fast ungestümes Wachstum bis 2016. 2017 wurde bereits der Höhepunkt erreicht. Seither gab es zwei Jahre mit einem absoluten Rückgang der Weltautofertigung, wobei bereits 2018 der Fahrzeugbau in Deutschland und dann 2019 die Autoindustrie in Deutschland und in der VR China eine wichtige Rolle spielten.

    Die Entwicklung in der aktuellen Weltwirtschaftskrise wird sich aber von der in den Jahren 2007 bis 2009 unterscheiden. Damals brach die Autofertigung in Japan, in den USA und in Deutschland addiert um 8,9 Millionen Einheiten ein. Im gleichen Zeitraum konnte jedoch die Autoproduktion in der VR China um 4 Millionen Einheiten gesteigert – ja bis 2010 sogar verdoppelt – werden. Dadurch wurde die Delle, die in den klassischen Autoherstellerländern entstand, nochmals massiv gemildert.

    2020 wird dies nicht mehr der Fall sein. Hier dürfte es zu einem sich selbst verstärkenden Effekt kommen: Alle Autoherstellerländer werden eine massive Branchenkrise erleben. Und diese Branchenkrise dürfte erneut einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, dass es eine umfassende und weltweite Krise gibt.

    Der Zyklus, der alte Schlawiner[4]

    Wir haben also – ohne jeden Einfluss von Corona & Co. – spätestens seit Anfang 2020 die Situation eines zu Ende gehenden Konjunkturzyklus, einer Stagnation der Weltindustrieproduktion und des industriellen Sektors in der Eurozone, eines Rückgangs der Industrie im wichtigen Industrieland Deutschland (und schon längst in Italien) und eines Einbruchs bei der führenden Industrie, im weltweiten Fahrzeugbau.

    Damit verblasst auch das „Besondere“, das für den vergangenen Zyklus immer wieder behauptet wurde. Jahrelang hieß es, wir erlebten einen „historisch einmalig langen Konjunkturaufschwung“. Zyklus? Den gäbe es – so eine Reihe von Feststellungen – so nicht mehr. Was irgendwie durch Nullzinspolitik und Helikoptergeld möglich geworden sei.

    Alles falsch. Die neue Krise begann im Herbst 2019 – nach einem neun Jahre währenden schwachen Wirtschaftswachstum. Die Länge des Zyklus 2009-2019 ist weitgehend identisch mit der Länge der Zyklen 1982-1990 und 1990-2000. Unsere Grundaussage, wonach die kapitalistische Weltwirtschaft spätestens seit 1974/75 ihren typisch zyklischen Verlauf nimmt, wonach es diese zyklische Bewegungsform seit Anfang des 19. Jahrhunderts – also nunmehr seit mehr als zweihundert Jahren – gibt und wonach es lediglich Kriege und große Krisen waren, die diesen zyklischen Verlauf abänderten, bestätigt sich ein weiteres Mal.

    Dennoch gibt es immer aufs Neue ein Verwirrspiel bei der Bezeichnung der Krise – und auf diesem Weg eine Infragestellung der Zyklizität. So auch in der neuen Krise, bei der nur noch von einer Corona-Krise die Rede ist. Doch Vergleichbares gab es allzu oft – beispielsweise 1974/75. Damals erlebten wir die erste große Weltrezession seit der Weltwirtschaftskrise 1929-33. Da nicht sein durfte, was tatsächlich stattfand, da eine Wiederkehr ordinärer kapitalistischer Krisen von den seit 1948 vorherrschenden Wirtschaftswissenschaften geleugnet wurde, war bald der Bösewicht identifiziert: Es waren der Ölpreis respektive die „Scheichs“, die die Welt ins Chaos gestürzt und die Arbeitslosenzahl allein in Westdeutschland von 250.000 im Jahresdurchschnitt 1973 auf mehr als eine Million 1975 hatte hochschnellen lassen. Tatsächlich hatte das OPEC-Kartell als Reaktion auf den Nahostkrieg die Öllieferungen an den Westen drastisch verknappt; der Ölpreis hatte sich verdreifacht. Doch bereits damals handelte es sich beim Ölpreis ebenso wie heute beim Corona-Virus in erster Linie um den Trigger-Effekt im ansonsten ordinären Wirtschaftsgeschehen. Für das Publikum aber war der Begriff „Ölkrise“ ideal. Später bemühten sich Wirtschaftswissenschaft und Medien bei buchstäblich jeder Krise, für diese eine jeweils spezifische Erklärung zu drechseln. Da gab es eine „Asien-Krise“, eine „Rubel-Krise“, eine „Tequila-Krise“, eine „IT-Krise“ und eine „Subprime-“ oder auch „Lehman-Krise“.

    Epidemien und Krise

    Nun also eine Krise, bei der eine Epidemie die Ursache sein soll. Eine Kombination, die es in der kapitalistischen Wirtschaftsgeschichte so noch nie gab.

    Tatsächlich kam es in den letzten einhundert Jahren zu einem Dutzend Epidemien und einigen Pandemien, die jedoch alle keine größeren Rückwirkungen auf die Ökonomie hatten. Die „Spanische Grippe“ 1918/19 mit mehr als 25 Millionen Toten und die „Asiatische Grippe“ 1957/58 mit bis zu zwei Millionen Toten richteten Verheerungen bei den Menschen an – hatten jedoch keine vergleichbaren Konsequenzen für die Weltwirtschaft. Tabelle 3 liefert einen Überblick.

    Tabelle 3: Einige (entsprechend der jeweils relativ hohen Zahl an Todesfällen ausgewählte) Epidemien im Abgleich mit dem Wirtschaftswachstum 1918 bis 2020[5]

    Die vorausgegangenen Epidemien bzw. Pandemien – die Schweinegrippe 2009/10 wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Pandemie eingestuft – waren trotz der sehr hohen Zahl an Todesfällen und trotz einer vergleichbar schnellen und weltweiten Verbreitung – auch nicht annähernd mit derart drastischen Maßnahmen begleitet wie wir sie aktuell im Fall der Corona-Epidemie erleben.

    Unterschiedliche Reaktionen auf Epidemien – was sind die Gründe?

    Fragt man nach den Gründen für die Vehemenz, mit der aktuell auf die Corona-Epidemie reagiert wird, dann erhält man die Antwort: Das Virus breite sich wesentlich schneller aus als die Erreger der vorausgegangenen Epidemien. In einigen Regionen verdoppelt sich die Zahl der Infizierten alle sechs bis sieben Tage, in Deutschland am 20. März alle 2,5 Tage. Die aktuellen Versuche laufen darauf hinaus, die Ausbreitung zu strecken. Dabei verläuft die Erkrankung in rund fünf Prozent der Fälle so heftig, dass die Betroffenen ins Krankenhaus müssen. Dabei muss mehr als ein Drittel aller Corona-Krankenhauspatienten beatmet werden. Die Krankenhäuser, die Betten in den Kliniken und dann insbesondere die Intensivbetten mit Beatmungsgeräten – das ist der Flaschenhals, der die Pandemie zu einer ernsten Gefahr hat heranreifen lassen.

    Das Corona-Virus kam zuerst nach Deutschland, weil der Autozulieferer Webasto Ende Januar 2020 eine Schulung mit einigen Dutzend Beschäftigten durchführte, zu der eine Chinesin – mehr als drei Wochen nach dem Ausbruch der Epidemie in China – eingeflogen wurde. Mehr als ein Dutzend Beschäftigte infizierten sich. Wurde der Ort, an dem die Schulung stattfand und die Infizierten lebten, Gauting, isoliert? Wurden Schulen geschlossen? Nichts von alledem. Seither gab es zwei Monate lang ein widersprüchliches Nebeneinander von grober Fahrlässigkeit (Fußballspiele mit Zehntausenden Zuschauern fanden bis Mitte März statt) und unverhältnismäßigen Maßnahmen (am 1., 4. und 6. März wurden drei ICE- Züge wegen eines einzelnen Corona-VERDACHTSFALLS gestoppt und teilweise evakuiert – es handelte sich jeweils um einen Fehlalarm). Als ein Höhepunkt der krass widersprüchlichen amtlichen Verhaltensweise muss empfunden werden, dass am 15. März in Bayern und in Frankreich Kommunalwahlen durchgeführt wurden, ein Akt, bei dem addiert mehr als 40 Millionen Menschen sich – dazu aufgerufen von staatlichen Behörden! – in Tausenden Wahllokalen, frequentiert immer von Dutzenden zusammengewürfelten Personen – zeitweilig versammelten. Die Sicherheitsmaßnahmen bestanden darin, dass dazu aufgefordert wurde, ein jeder möge „seinen eigenen Stift“ mitbringen. Tags darauf – tatsächlich am 16. März – wurde dann in Bayern der „Katastrophenalarm“ ausgerufen. Fast zeitgleich beschlossen die Behörden in Frankreich noch drastischere Einschränkungen der Bewegungsfreiheit. Und wie ist zu erklären, dass der Senat von Berlin am 17. März kundtat, man werde JETZT ein Notfallkrankenhaus für Corona-Fälle mit mehr als 1000 Betten auf dem Berliner Messegelände – „in Kooperation mit der Bundeswehr“ – errichten – zehn Wochen nach Ausbruch der Epidemie in Wuhan, neun Wochen, nachdem dort eine solche Spezialklinik errichtet worden war?

    Die drastischen Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus sind auch Folge einer Politik, die soziale Verantwortung an private Investoren verkauft hat und die zu keiner rechtzeitigen konsequenten Politik der Eindämmung der Epidemie in der Lage war.

    Nicht thematisiert und ABGELENKT wird vom Krankschrumpfen des Krankenhauswesens

    Die Corona-Epidemie stößt weltweit – und dabei auch in erheblichem Maß in Deutschland, wohl auch exponiert in Italien – auf einen ausgepowerten und kaputtgesparten Gesundheitssektor. Die hektischen Maßnahmen zur Eindämmung der Epidemie sind geeignet, über diese Tatsache hinwegzutäuschen. Das scheint durchaus auch auf China zuzutreffen, wo die medizinische Versorgung in den letzten zwei Jahrzehnten mit der sprunghaften wirtschaftlichen Entwicklung nicht Schritt gehalten zu haben scheint. So haben laut offizieller nationaler Schätzung nur 22 Prozent der Wanderarbeitskräfte eine grundlegende Krankenversicherung.[6] In der EU kam es in den vergangenen 15 Jahren zu massiven Prozessen der Privatisierung und Kommerzialisierung in der Gesundheitsversorgung und im Krankenhauswesen. Das Personal wurde flächendeckend um meist mehr als 30 Prozent abgebaut. In Deutschland wurde seit 1992 die Zahl der Krankenhausbetten um gut 30 Prozent reduziert. Es kam buchstäblich zu einem Krankenhaus-Sterben (siehe dazu weiter unten). Parallel erfolgte eine umfassende Kommerzialisierung des Krankenhauswesens, bei dem die Fallpauschalen-Orientierung im Zentrum steht. Laut Angaben der Gewerkschaft Verdi fehlen aktuell in Deutschland 162.000 Beschäftigte, um eine zufriedenstellende Versorgung der Patienten zu ermöglichen. 63.000 Fachkräfte müssten zusätzlich im Bereich der stationären Altenpflege eingestellt werden. Und wir reden hier von normalen Zeiten, noch nicht von Zeiten der Epidemie.[7] Die Ausbildungsstandards wurden aufgeweicht. Die Arbeitsintensität des Krankenhauspersonals nahm enorm zu – bei parallelem Abbau der Realeinkommen. Massenhaft werden Ärztinnen und Ärzte und Krankenhauspersonal aus Drittländern abgeworben und nach Deutschland gebracht. Warum? Weil sie dort nicht gebraucht werden? Nein! Im Gegenteil! Wehe, die Corona-Epidemie bricht in massivem Umfang dort – in Griechenland, in Kroatien, in Serbien, in Bosnien-Herzegowina, auf den Philippinen – aus, wo Tausende unserer Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte herkommen! Sie wurden abgeworben, weil sich unsere Gesellschaft auf diese Weise die Ausbildungskosten spart und weil die Arbeitskraft dieser Menschen so gut wie immer deutlich weniger kostet als die einheimischer Lohnabhängiger, weil sie also in diesem Umfang die Profite der privaten Krankenhausmaschinerie steigert.

    Der Flaschenhals in den Krankenhäusern selbst sind die mit ausgebildetem Pflegepersonal und Ärzten besetzten Intensivbetten. Dazu kommen auf der technischen Seite Beatmungsgeräte, die zu knapp sind. Die Kliniken in Deutschland verfügen über rund 28.000 Intensivbetten, wobei gleichzeitig 4.700 Intensivpflegekräfte fehlen. Tatsächlich dürften nur rund 27.000 der Betten ad hoc bereitstehen. Diese sind allerdings im Durchschnitt bereits zu 80 Prozent ausgelastet. Damit sind tatsächlich etwa 5.400 Betten frei.

    All das ist seit einem Vierteljahr bekannt – ohne dass es irgendwelche relevanten Aktivitäten gegeben hätte, die Bettenzahl aufzustocken, zusätzliches Pflegepersonal auszubilden und einzustellen und in den Ruhestand getretene Ärztinnen und Ärzte zu reaktivieren. Die Filmemacherin Leslie Franke und der Filmemacher Herdolor Lorenz fassten in einem Rundschreiben am 17. März 2020 unter Bezugnahme auf ihren Film zur dramatischen Lage in den Kliniken die Situation wie folgt zusammen:

    „Wir haben in dem Film „Der marktgerechte Patient“ gezeigt, dass schon im normalen Tagesgeschäft die Intensivstationen aus pflegerischer Sicht Tag für Tag bereits überfordert sind. Keine einzige im Film untersuchte Intensivstation konnte mehr als 60 Prozent ihrer Intensivbett-Kapazitäten betreuen auf Grund des Pflegemangels. Schuld daran ist eindeutig die Profit orientierte Finanzierung durch Fallpauschalen. Pflegekräfte sind dadurch vor allem lästige Kosten. Seit Einführung der sog. DRGs [Diagnosis Related Groups – Fallpauschalen; W.W] wurden 50.000 Pflegekräfte abgebaut!.“[8]

    Doch all das ist aktuell kein Thema. Mehr noch: Der Mit-Verantwortliche für dieses Desaster, Gesundheitsminister Jens Spahn, gebärdet sich aktuell als Corona-Krisen-Zampano. Dabei trug der Mann seit Übernahme des Amtes im März 2018 wesentlich zur fortgesetzten Aushöhlung des Gesundheitswesens bei. Noch im Juli 2019 legte die Bertelsmann-Stiftung eine Studie vor, wonach „jede zweite Klinik in Deutschland“ schließen sollte. Widersprach dem der Gesundheitsminister? Etwa mit Verweis auf Notzeiten und Epidemien? Mitnichten! Der Mann erklärte: „Nicht jedes Krankenhaus muss alles machen.“ Erforderlich sei ein „Mix“ aus Abbau von Klinken und Konzentration auf „das Notwendige“.[9]

    Notstandsübung anstelle der Beseitigung von Notstand

    Die staatlichen Instanzen haben wochenlang praktisch nicht gehandelt. Dabei zeichneten sie bereits Mitte Februar das Bild einer kommenden Epidemie und Pandemie – bei Beibehaltung der beschriebenen widersprüchlichen Praktiken. Dieses Nicht-Handeln hat erst zur aktuellen dramatischen Situation geführt – und dazu, dass nunmehr Notstandsmaßnahmen so gut wie unausweichlich wurden. Fast schlagartig werden jetzt eine ganze Reihe von Grundrechten und elementare Formen des sozialen Zusammenlebens außer Kraft gesetzt – Grundrechte für die Masse der Bevölkerung, wohlgemerkt, keineswegs für die Mächtigen in Wirtschaft und Staat und für diejenigen, die für das Desaster eines ausgehungerten Gesundheitssektors verantwortlich zeichnen. René Schlott schrieb dazu in der Süddeutschen Zeitung vom 17. März 2020 wie folgt: „Aristoteles definierte den Menschen als “zoon politikon” als ein gemeinschaftsbildendes, gemeinschaftssuchendes Wesen, das ohne sein Gegenüber nicht existieren könne. Gut 2300 Jahre später versuchen Regierungen weltweit unter Berufung auf Virologen, diese Grundtatsache außer Kraft zu setzen. Nicht anders ist der Aufruf der Bundeskanzlerin zu verstehen, jeder solle seine sozialen Kontakte ´weitestgehend einstellen´. Diese Empfehlung ist ungefähr so sinnvoll, wie die Fische zu bitten, das Wasser zu verlassen, um ihr Überleben zu sichern […] Mit atemberaubender Geschwindigkeit […] werden Rechte außer Kraft gesetzt, die in Jahrhunderten mühsam erkämpft worden sind. So etwa das Recht auf Versammlungsfreiheit, das Recht auf Bildung als auch die Reisefreiheit. Wer jetzt nichts absagt, gilt als asozial. […] Nicht das Virus ist jedoch für diese Entwicklungen verantwortlich, sie sind menschengemacht. Es sind Entscheidungen von Verantwortungsträgern im Umgang mit dem Virus, die zum Shutdown führen. Es ist alarmierend, wie rasch Wissenschaft, Kunst und Kultur, Sport, ja sogar die Bildung der Kinder für verzichtbar erklärt werden. Nichts offenbart das wahre Gesicht unseres Gemeinwesens besser als die Tatsache, dass einzig Wirtschaft, Konsum und Börsen aufrecht erhalten werden sollen. Als sei dies der einzige Daseinszweck unserer fortschrittlich geglaubten Gemeinschaft. […] Die Dinge sind ins Rutschen geraten. Denn viele der Maßnahmen sind nicht einmal zeitlich begrenzt. Was, wenn alle Einschränkungen nicht fruchten? …Dieses Gemeinwesen braucht einen Verständigungsprozess darüber, ob es wirklich jeden Preis um die Eindämmung eines Virus zu zahlen bereit ist.“

    Könnte es nicht sein, dass der Mensch als gemeinschaftssuchendes Wesen eher in der Lage wäre, selbständig und kreativ Wege zur Eindämmung des Virus zu beschreiten, als wenn diese als Zwang verordnet werden von denen, die ihre Unglaubwürdigkeit seit Jahren bewiesen haben und in der Krise weiter Tag für Tag unter Beweis stellen? Wenn in dieser Situation sich der Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery kritisch zu Notstandsmaßnahmen wie Schulschließungen und Ausgangsverboten äußert und darauf hinweist, dass diese Maßnahmen in Italien nichts bewirkt, eher im Gegenteil Panik produziert hätten, dann gehen solch mahnende Worte im allgemeinen Klima geschürter Panik eher unter.[10]

    Die neue Krise – und wie die „reinigenden Kräfte“ in der Krise vor dem Hintergrund der Epidemie im Sinne des Kapitals effizient wirken könnten

    Einiges spricht dafür, dass sich die aktuelle Krise zu einer neuen Weltwirtschaftskrise entwickelt. Alle wichtigen Börsenindizes liegen – Stand: 20. März 2020 – um knapp 50 Prozent unter ihrem Höchststand, auf den sie sich noch im Februar, Wochen nach Ausbruch der Corona-Epidemie, hochgeschwungen hatten. Gab es so etwas jemals zuvor? Es übersteigt zumindest das, was wir 2008/2009 erlebt haben. Es gab „so etwas“ nur in der großen Krise, die 1929 einsetzte, und die in gewaltige wirtschaftliche und soziale Verwerfungen, in Chaos, Gewalt und Krieg, mündete.

    Gleichzeitig könnten es jedoch ausgerechnet die Corona-Krise und die Art und Weise, wie diese Pandemie instrumentalisiert wird, sein, dass der normale Gang der Krise verkürzt und die Profitinteressen der ganz Großen in dieser Krise weniger als im Normalfall negativ beeinflusst werden. Was im Umkehrschluss aber auch heißen könnte, dass die Schwachen in der Gesellschaft noch weit mehr in dieser Krise leiden – und Zehntausende in den banalen Tod durch Hunger und ordinäre Krankheiten gestoßen werden.

    Zunächst ist festzuhalten: In dieser Krise lassen sich vier verschiedene Schauplätze identifizieren, die sich in Wechselwirkung zueinander befinden, und die die gesamte Weltwirtschaft in eine Abwärtsspirale treiben können. Da ist zunächst die zweitgrößte Ökonomie der Welt. Zum ersten Mal wird China in dieser weltweiten Krise nicht mehr als „Krisendämpfer“ wirken. Diese zweitgrößte kapitalistische Ökonomie – zugleich der weltweit größte Exporteur – ist dieses Mal selbst Zentrum der Krise. 2020 dürfte das erste Jahr sein, in dem das Wachstum der chinesischen Wirtschaft nahe Null absinkt. Wobei eine Wachstumsrate unter sechs Prozent bislang als brandgefährlich galt – unter anderem aufgrund des ständigen Zustroms neuer Arbeitskräfte vom Land in die städtischen und industriellen Zentren. Selbst wenn sich die Lage in China nicht zur offenen Krise mit dem Zusammenbruch großer Unternehmen und einer schnell ansteigenden Massenarbeitslosigkeit entwickelt, so wird es für die Weltwirtschaft nicht mehr, wie 2008/2009 der Fall, eine positive Rückwirkung Chinas auf die Weltwirtschaft und ein entsprechendes Einebnen der weltweiten Krise geben.

    Als zweites ist die Weltautobranche von der neuen Krise besonders betroffen. Führende Konzerne in dieser Weltindustrie waren bereits mit „Dieselgate“ belastet. Die Branche als Ganzes befindet sich als Resultat der Klimakrise und des Versuchs einer teilweisen Umstrukturierung hin zu Elektroautos in einer Umbruchphase. Es gab 2018 und 2019 den beschriebenen deutlichen Einbruch der Weltautofertigung. Für 2020 droht ein Rückgang um mehr als 15 Prozent. Das muss Folgen für die verbliebenen Konzerne haben. In Japan werden die sechs noch unabhängigen Autohersteller (Toyota, Honda, Mazda, Suzuki, Nissan und Subaru) einen Konsolidierungsprozess erleben. Im neuen gigantisch aufgeblähten Konglomerat PSA (mit Peugeot, Citroen, Opel, Fiat, Chrysler und Alfa Romeo) wird es einen Kahlschlag geben. Insgesamt sind allein in dieser Branche aktuell mehr als eine Million Arbeitsplätze bedroht.

    Drittens droht eine neue EU-Krise und eine neue Euro-Krise. Die Entwicklung in Italien dürfte hier entscheidend werden. Dieses Land befindet sich seit 20 Jahren im Krisenmodus; die Staatsschuld lag bereits 2019 mit 130 Prozent auf Rekordniveau. In der aktuellen Corona-Virus-Krise steigen die Staatsausgaben in Italien, während gleichzeitig das Bruttoinlandsprodukt rückläufig sein wird. Damit aber müssen – siehe die Entwicklung in Griechenland 2012-2018 – die Schulden gemessen am BIP nochmals massiv auf 150 und mehr Prozent ansteigen. Das wird die Ratingagenturen auf den Plan rufen und zu neuen Herabstufungen der Kreditwürdigkeit des Landes führen. Was wiederum die Bedienung der gigantischen Staatsschulden massiv verteuern muss. Wie wird dann die EU, wie wird die EZB reagieren, wenn Italien in einer Kombination von medizinischem und ökonomischem Notstand dringend der solidarischen Hilfe bedarf? Die EZB-Chefin Christine Lagarde antwortete am 13. März auf die Frage, wie man der italienischen Regierung helfen könne, deren Kreditzinsen im Vergleich zu Deutschland deutlich in die Höhe geschossen sind – der „spread“ sich also ausweitete: „Wir sind nicht dafür da, diese Zinsunterschiede einzuebnen.“[11]

    Und schließlich – viertens – spricht fast alles dafür, dass diese Krise auch den Finanzsektor erfassen und beuteln wird. Der Zusammenbruch von großen Finanzinstituten kann nicht mehr ausgeschlossen werden. Wobei im Fall einer solchen Bankenpleite erneut – wie 2007- 2009 – gelten dürfte: „too big to fail“; das heißt, die Steuerzahlenden werden zur Ader gelassen werden.

    Ein großer Finanzcrash kann seinen Ausgang nehmen bei der gewaltigen Immobilienblase in Indien. Oder bei dem aktuell ablaufenden libanesischen Staatsbankrott. Oder bei einer zu erwartenden argentinischen Staatspleite. Oder beim Zusammenbruch des Systems der chinesischen Schattenbanken. Oder im Rahmen einer neuen Russland-Krise, in der sich Öl- und Gaspreisverfall und Bankenkrise bündeln. Oder im Rahmen der umfassenden Insolvenzen-Welle, die noch 2020 als Folge der „Reduktion aller sozialen Kontakte“ und der Schließung hunderttausender Geschäfte zu erwarten ist und die sich in Deutschland im Bereich der Sparkassen und Genossenschaftsbanken zu kritischen Ausfällen in Höhe vieler Dutzend Milliarden Euro aufaddieren dürfte. Sicher ist, dass heute der Finanzsektor vergleichbar labil ist wie vor der letzten großen Krise. Staatliche Auffangprogramme in der Größenordnung, wie es solche 2008/2009 gab, sind im Rahmen der bestehenden Logik der Wirtschaftspolitiken und der politischen Strukturen kaum mehr zu stemmen. Und auch die Zentralbanken sind ihrer klassischen Waffen beraubt, senkte doch die US-Zentralbank Fed früher in Krisen den Leitzins gern um vier und fünf Prozent – doch heute, nur wenige Wochen nach Eintritt der Stunde X, liegen diese Leitzinsen in New York, Tokio, London und Frankfurt/M. nahe Null.

    Das Ensemble dieser Krisenherde kann dazu führen, dass sich diese durch die Weltwirtschaft fressen und dass es zu einer Kernschmelze der Weltökonomie kommt.

    Schlimm? Ja, schlimm für die Erwerbslosen, für die Noch-Beschäftigten, für Millionen Kleingewerbetreibende und für den Durchschnitt der Bevölkerung. Doch im Fall der großen Konzerne gibt es einerseits die Direktprofiteure und andererseits möglicherweise eine große Zahl von Langzeitprofiteuren. Direkt von der Krise profitieren die Pharmakonzerne, viele PC-und Softwarehersteller (die Umstellung des Schulunterrichts auf home-schools wird umfassend vorbereitet) und die Logistiker. Amazon kündigte am 16. März an, 100.000 neue Stellen zu schaffen – allein in den USA!

    Die Langfrist-Profiteure könnten führende Finanz- und Industriekonzerne sein. Dies hängt damit zusammen, dass aktuell eine Schockpolitik läuft, mit der der normale Gang einer Krise radikal verkürzt, wenn auch zugleich vertieft werden könnte. Normalerweise dauert eine Krise ein Jahr und mehr, bis die „reinigenden Kräfte“ der Krise ausreichend gewirkt, sprich: gewütet haben. 2008/2009 gab es eine fast zwei Jahre währende Kontraktion der wirtschaftlichen Tätigkeiten. In dieser Zeit mussten die Unternehmen die aufgebauten Überkapazitäten Schritt um Schritt reduzieren, Belegschaften abbauen – in Deutschland oft verbunden mit teuren Sozialplänen – die Preise senken und Rabattschlachten durchführen, abwarten, bis sich die Nachfrage wieder einpendelte und bis staatliche Unterstützungsmaßnahmen wieder griffen. Völlig undenkbar war damals, dass funktionierende Unternehmen ihre Produktion schlicht von heute auf morgen einstellen.

    Doch just das passiert in diesen Tagen. So im Fall des weltweit größten Autobauers: VW wird am 20. März alle seine Werke in Deutschland schließen. Und warum? Gibt es einen Abriss in den Lieferketten? Mitnichten! In China wird die Produktion von VW gerade hochgefahren. VW-Boss Herbert Diess erklärt, dass es „bislang keine Lieferketten-Unterbrechung“ gegeben hätte. Stattdessen verweist der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Bernd Osterloh auf „Infektionsketten“. Dieser Co-Manager erklärt, es gelte die „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ zwischen VW-Büroarbeit und VW-Produktionsarbeit zu beenden; schließlich arbeiteten die Kollegen „Schulter an Schulter“ in der Fertigung, was die Gefahr einer Infektion erhöhe. Tatsächlich gibt es in erster Linie einen massiven Einbruch der Nachfrage. Und der Volkswagenkonzern nutzt die Gunst der Stunde und schließt schlicht den größten Teil der Fertigungsstätten, um sich einen großen Teil der Löhne und Gehälter vom Staat bezahlen zu lassen. Vergleichbares machte Ford in der Weltwirtschaftskrise. Doch bislang hieß es: das war US-amerikanischer Manchester-Kapitalismus. Jetzt gibt es exakt dies im Land, das sich einst rühmte, mit einem „Rheinischen Kapitalismus“ einen anderen Weg zu gehen.

    Die Möglichkeit, auf Steuergelder-Kosten den Laden zu schließen, haben allerdings nur wenige große Unternehmen. Grundsätzlich gibt es in der gegenwärtigen Situation einen krassen Widerspruch, der da lautet: Die medizinisch optimale Reaktion auf die Krise – maximale Reduktion aller sozialen Kontakte, also auch Einstellung jeglicher nicht absolut lebensnotwendiger Produktion – hat mittelfristig äußerst negative Folgen für die Profite und kann bei Tausenden vor allem mittelständischen und kleineren Betrieben die Existenzfrage stellen. Und kaum jemand wird behaupten, das RKI sei mächtiger als der BDI: das Robert Koch-Institut ist letzten Endes eine Außenstelle des Gesundheitsministeriums und dessen Chef untergeordnet. Jens Spahn wiederum betrieb in den Jahren 2006 bis 2010 eine Lobbyagentur für Pharmaklienten (Politas) und forcierte die Liberalisierung des Apotheken-Markts ; sein Partner und Mann war für die Versandapotheke DocMorris und den Pharmagroßhändler Celesio, inzwischen McKesson, aktiv. Womit wir bereits im Umfeld des eigentlichen Zentrums von Politik und Wirtschaft angelangt sind: beim Bundesverband der Deutschen Industrie, dem BDI.

    Wofür bloß gibt es diese Vernetzungen von Politik, Macht und Profit? Doch just für Krisensituationen wie die aktuelle. In diesen werden sie in besonderer Weise aktiviert. Hier kann der Krisenschock zur Durchsetzung schockierend inhumaner Interessen führen. Naomi Klein schrieb über die aktuelle Krise: „Diese Kombination von Krisen-Kräften [ausgepowerter Gesundheitssektor und beginnende Wirtschaftskrise; W.W.] produziert den maximalen Schock. Dieser wird jetzt dazu ausgenutzt, um Branchen herauszuhauen, die im Zentrum der extremsten Krise stehen, die wir kennen – und das ist die Klimakrise: Herausgehauen werden die Branche der Airlines, die Gas- und Öl-Industrie, die Kreuzfahrtschiff-Branche. Die werden jetzt vollgestopft mit Dollars.“[12] Am 16. März verkündete US-Präsident Trump, er werde die ins Straucheln geratenen US-Airlines „zu 100 Prozent unterstützen“. Die Rede ist von einem 50-Milliarden-US-Dollar-Hilfsprogramm. Worauf die Aktienkurse von Delta und United und Southwest einen Freudensprung nach oben absolvierten.

    Erinnern wir uns: Im Juni 2009 ging General Motors in Folge der letzten Weltwirtschaftskrise pleite. Damals gab es zwei grundsätzliche Positionen, wie es weitergehen könnte. Die eine hatte der Filmemacher und politische Aktivist Michal Moore vertreten. Er forderte, GM umzubauen zu einem Konzern, der Busse und andere Produkte für den öffentlichen Verkehr herstellt. Diese umweltfreundliche und klimapolitisch sinnvolle Perspektive konkretisierte Mr. Moore in einem eindrucksvollen Manifest.[13] Die andere Perspektive wurde von US-Präsident Barack Obama vertreten – und letzten Endes durchgesetzt. Der US-Staat übernahm GM. Bis zu 50 Milliarden US-Dollar flossen in den Konzern. Zehntausende Beschäftigte wurden entlassen; die Löhne massiv gekürzt. Ausdrücklich erklärte Obama, die Regierung werde sich nicht in die Unternehmenspolitik einmischen. Er sei “absolut zuversichtlich”, dass GM bei gutem Management “einer neuen Generation von Amerikanern helfen wird, ihre Träume zu verwirklichen”.[14] Die Folge war: GM baute nochmals größere SUVs, die nochmals klimaschädigender waren. Und wenn GM nun in der neuen Krise erneut an den Rand einer Insolvenz gelangen sollte – die Hilfe von Mr. Trump dürfte den Klimasündern im GM-Top-Management sicher sein.

    Neue Solidarität, Corona-Krise und neue Klimabewegung

    Die Doppelkrise – ordinäre kapitalistische Krise und die Corona-Virus-Krise – die wir im Augenblick erleben, stellt eine außerordentliche politische Herausforderung für die Linke dar. Die Gefahr, dass wir von den sich überschlagenden Ereignissen in eine absolute Defensive gedrängt werden – zumal sich auch rein physisch die Bewegungsspielräume einengen – ist enorm. Gleichzeitig sind die aktuell großen Akteure keineswegs neutrale Instanzen, die das Wohl und Wehe der Gesellschaft im Auge haben. Ganz im Gegenteil. Die Akteure in Washington, Peking, Tokio, London, Brüssel, Berlin oder Wien – einschließlich des großen Teils der Gesundheitsbehörden und beratenden Institute – verfolgen einerseits überwiegend die Interessen, die sich aus der Bestimmung des Gesellschaftssystems durch Kapital und Profit ergeben. Andererseits sind sie ergänzend – was die Sache verschlimmert – von engstirnigen nationalen Interessen – denen des jeweiligen ideellen Gesamtkapitals auf nationaler Ebene – bestimmt.

    Ganz praktisch: Am 5. März erklärte die Regierung in Reykjavik den österreichischen Skiurlaubsort Ischgl zum „Risikogebiet“, weil sich mehrere Isländer, die dort Skifahren waren und die von dort bereits Ende Februar nach Island zurückgekehrt waren, mit dem Corona-Virus infiziert haben. Reykjavik informierte am gleichen Tag Wien. Nichts passierte. Zehntausende zusätzliche Skiurlauber fuhren mehr als zehn Tage lang weiter nach Ischgl – die Lifts liefen noch eineinhalb Wochen lang Tag für Tag. Hunderte Neuinfizierte aus Dutzenden europäischer Städte fuhren dort Ski, trafen sich abends beim „Ballermann in den Alpen“ zum Après-Ski und kamen – relativ schnell erkennbar – als Infizierte zurück. Das traf zum Beispiel zu auf mehr als 100 Däninnen und Dänen und auf gut 80 Personen mit Wohnsitz Hamburg. In Süddeutschland entwickelte sich so ein besonders krasser Corona-Hotspot: Am Samstag, dem 7. März, fuhren sechs Omnibusse mit 200 Skifahrern aus dem Ostalbkreis (Stadt Aalen) nach Ischgl. Am Sonntag, dem 8. März, kehrten sie abends bereits zurück. Eine Woche später gab es die ersten Verdachtsfälle. Bis 15. März wusste man, dass 50 Personen (!) im Landkreis sich infiziert haben. Am 16.3. waren es bereits 109 identifizierte infizierte Personen. Doch am 18.3. standen hunderte Testergebnisse noch aus. Laut Landesregierung in Stuttgart kämen die Labore „mit der Arbeit nicht hinterher“. Wurde eine Taskforce nach Aalen geschickt? Quarantäne verhängt? Gab es eine Abriegelung? Nichts dergleichen! Sechs Wochen nach den skandalösen Vorkommnissen in Gauting in Bayern, wo es auch primär um das Wohl und Wehe des Autozulieferers Webasto ging, nun exakt dasselbe Verhalten in den Nachbarländern Baden-Württemberg und Tirol.[15] In Ischgl selbst wurde die Saison am 16. März „vorzeitig beendet“. Tatsächlich hat man, so ein treffender Kommentar von Thomas Mayer in der österreichischen Tageszeitung Der Standard, die „letzte starke Ski-Woche mitnehmen wollen, auf dass die Kassen der Liftbetreiber und Hoteliers klingeln. […] Gier hat die Verantwortung für die Gesundheit der Bürger und Gäste besiegt.“[16]

    Es gibt triftige Gründe anzunehmen, dass es Vorfälle vergleichbarer Art zu Tausenden in ganz Europa gab – zehn Wochen nach dem Ausbruch der Epidemie in Wuhan, China. Sechs Wochen, nachdem die Weltgesundheitsbehörde WHO Corona als Epidemie erkannte. Vier Wochen, nachdem Corona als Pandemie identifiziert wurde. Und 12 Tage, nachdem eine europäische Regierung eine andere Regierung in Europa ausdrücklich warnte und den eigenen Bürgerinnen und Bürgern einen Ischgl-Besuch untersagte. Es ist ebenso skandalös aus medizinischer Sicht wie charakteristisch für die Grundaussage: Der Profit, nicht die Gesundheit, ist der Maßstab.

    Alles, was jetzt getan werden muss, sollte unter der Leitlinie laufen: raus aus der Profitorientierung im Allgemeinen und der Profitwirtschaft im Krankenhaus- und Gesundheitssektor im Besondern. Mensch statt Profit – Solidarität anstelle von Kapitallogik. Das mündet in ein 12-Punkte-Programm.

    Krankenhaussektor allgemein stärken: Stopp aller Privatisierungstendenzen in diesem Bereich
    Notwendig ist ein Sofortprogramm zur Stärkung des Gesundheitssektors. Das erfordert auch, dass jede Privatisierungstendenz auf diesem Gebiet gestoppt werden muss (siehe die zitierte jüngste Bertelsmann-Studie) und dass – analog zu der Kampagne „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ – als Ziel gelten sollte: Der gesamte Gesundheitssektor muss wieder unter öffentliche Kontrolle gestellt werden. Private Konzerne, die ein Geschäft mit Krankheit und Gesundheit machen, haben in diesem Sektor nichts zu suchen. Sie sind auf der Basis der Grundgesetzartikel 14 und 15 zu enteignen. Völlig inakzeptabel ist jede weitere Schließung eines Krankenhauses. Siehe dazu den Aufruf der Nichtregierungsorganisation Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB)[17]
    Krankenhausbetten um mindestens 50 Prozent ausbauen, Intensivbettenzahl verdoppeln – aufgelassene Krankenhäuser wieder „instandsetzen“ und in Betrieb nehmen
    Seit 1991 wurden mehr als 32 Prozent der Krankenhausbetten in Deutschland abgebaut. Die Zahl der Krankenhäuser wurde drastisch reduziert. Allein im Zeitraum 2003 bis 2012 wurden 74 Krankenhäuser mit 5200 Betten geschlossen. Die Große Koalition hat sich das Ziel von weiteren Krankenhäusern-Schließungen gesetzt – unterstützt von dem führenden SPD-Gesundheitspolitiker Lauterbach.[18] Diese Politik rächt sich seither Tag für Tag – siehe die „blutigen Entlassungen“. Das rächt sich jetzt in der Corona-Krise in besonderem Maß. Die Gesamtzahl der Betten muss wieder deutlich erhöht werden. Die Orientierung auf Fallpauschalen ist aufzugeben – womit davon auszugehen ist, dass die durchschnittliche Verweildauer der Patientinnen und Patienten in den Krankenhäusern erneut deutlich steigt. Insbesondere muss die Zahl der Intensivbetten mit entsprechender Notfallausrüstung massiv erhöht und damit auf mehr als 50.000 rund verdoppelt werden.

    Viele der in jüngerer Zeit geschlossenen Krankenhäuser gibt es noch; viele stehen leer. Andere werden für andere Zwecke genutzt. Es sollte geprüft werden, eine größere Zahl von ihnen wieder in ihre alte Funktion zu versetzen. Auswertungen der WHO im Zusammenhang mit Ebola haben gezeigt, dass zur Eindämmung einer Epidemie eine gute regionale Gesundheitsversorgung gehört. Die absolute Zahl der Betten allein reicht nicht aus, wenn etwa Kliniken zu weit entfernt liegen.
    Sonderfonds für Krankenhausbelegschaften, Gehälter aufstocken; Beschäftigtenzahl ausbauen.
    Die Belegschaften in den Krankenhäusern sind bereits beim Auftakt der Corona-Krise ausgebrannt und ausgepowert. Schuld daran hat die auf Kommerzialisierung ausgerichtete Gesundheitspolitik, die die Bundesregierungen seit mehr als eineinhalb Jahrzehnten betreiben. Notwendig ist eine Stärkung des bestehenden Personals u.a. durch eine Erhöhung der Löhne und Gehälter. Die Gesellschaft zollt diesen Menschen Anerkennung; sie wird in den nächsten Wochen auf die aufopferungsvolle Tätigkeit dieser Belegschaften angewiesen sein. Daher muss auch jetzt bereits alles getan werden, die Personalstärke deutlich erhöhen. Die von Spahn angekündigte „befristete Aussetzung“ der Personalschlüssel ist fragwürdig.
    Bundeswehrkapazitäten heranziehen und auf ziviler Basis im Kampf gegen Corona einsetzen; Bundeswehr entmilitarisieren
    Die Bundeswehr unterhält einen großen Sanitätsbereich, in dem nach Angaben der Bundeswehr aktuell 19.945 Soldatinnen und Soldaten aktiv sind. Diese sind als erstes in Gänze dem Kampf gegen Corona zur Verfügung zu stellen. Dies sollte umgehend und außerhalb der militärischen Strukturen – in der Form einer Zuordnung zum allgemeinen Gesundheitssektor – erfolgen. Auf alle Fälle muss es das Ziel sein, eine Entmilitarisierung des Bundeswehr-Sanitätswesens zu erreichen.

    Es ist zu prüfen, inwieweit die übrigen mehr als 150.000 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in den Kampf gegen die Corona-Krise eingesetzt werden können. Dies muss jedoch strikt auf Bereiche beschränkt sein, die zivilen Charakter haben.

    Es handelt sich bei der Bundeswehr um ein riesiges Potential von oft gut ausgebildeten Personen, deren Gehälter zu 100 Prozent von den Steuerzahlenden finanziert werden, die also ohne größere zusätzliche Kosten im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus eingesetzt werden können.

    Alle Bundeswehr-Kontingente im Ausland sind unverzüglich abzuziehen. Die damit freiwerdenden Mittel sind den Gesundheitssektoren der Länder (Mali, Afghanistan, Bosnien, Kosovo usw.), in denen die Einheiten stationiert waren, als Schenkung zur Verfügung zu stellen.
    Umstellung der Produktion in unterschiedlichen Sektoren auf die Herstellung von Materialien, Geräten usw. für Gesundheitsschutz und für die Corona-Krisen-Vorsorge. Insbesondere Konversion der Autoindustrie. Jetzt gilt: „Autos zu Atemgeräten“
    Unser hochindustrialisiertes Land verfügt über gewaltige Produktionskapazitäten, die unterschiedliche Produkte für unterschiedliche Zwecke herstellen können und die aufgrund des hohen Automatisierungsgrads und vielfachen Robotereinsatzes auch enorm flexibel sind. Aktuell liegen riesige dieser Produktionskapazitäten brach – selten wegen Corona-Infizierten, in der Regel, weil die Unternehmenszentralen keine ausreichende Nachfrage für ihre Produkte sehen oder weil Lieferketten unterbrochen wurden. Inzwischen haben die Autokonzerne ihre Produktion fast komplett eingestellt. Diese Kapazitäten liegen also brach – das kostet riesige Summen, nicht zuletzt solche, die die Steuerzahlenden aufzubringen haben (Kurzarbeitergeld).

    Notwendig ist, dass ein großer Teil des produktiven Kapitals – insbesondere die brachliegenden Kapazitäten – dafür eingesetzt werden, Produkte des dringenden Bedarfs im Kampf gegen die Corona-Epidemie herzustellen. Viele dieser Unternehmen beziehen bereits im Produktionsalltag große Summen an Subventionen – also an Steuergeldern – beispielsweise für „Elektromobilität“. Es ist also auch aus diesem Grund nachvollziehbar, dass diese Kapazitäten im Kampf gegen Corona einzusetzen sind. Da die Autoindustrie ohnehin unter anderem aufgrund der Klimakrise eine ungewisse Zukunft vor sich hat, ist dies der richtige Zeitpunkt, um eine Konversion der Autoindustrie-Produktionskapazitäten in Angriff zu nehmen – weg vom Auto, hin zu Produkten der Verkehrswende und der Gesundheitsvorsorge. Analog zu dem Slogan „Schwerter zu Pflugscharen“ sollte gelten: „Autos zu Atemgeräten“.

    Dass eine solche Zielsetzung zügig umsetzbar ist, zeigte sich in der VR China im Januar und Februar 2020. Nachdem dort der Verkauf von GM-Autos um bis zu 90 Prozent sank, stellte der Konzern – auf Anforderung der Zentralregierung in Peking – die Produktion in seinen chinesischen Werken zum größten Teil auf die Fertigung von Mund-Nase-Masken um.[19] In Frankreich hat der Luxuskonzern LVMH Mitte März damit begonnen, seine Parfüm-Produktion auf die Herstellung von Desinfektionsmitteln umzustellen. Auch deutsche Chemieunternehmen kündigten an, ihre Kapazitäten in eine vergleichbare Richtung neu auszurichten.
    Konversion der Rüstungsindustrie
    Die Rüstungsproduktion gehört zu den hochindustrialisierten Bereichen des Landes. Sie finanziert sich zu 98 Prozent aus Steuergeldern – darunter zu rund zwei Drittel aus deutschen Steuergeldern Rüstungsexporte unterliegen zu 100 Prozent staatlicher Kontrolle. Das Ergebnis von Rüstungsproduktion und Rüstungsexporten sind Vernichtung, Zerstörung, Kriege, Flüchtlinge und nicht zuletzt auch Freisetzung riesiger CO-2-Emissionen und damit ein massiver Beitrag zur Klimaerwärmung.

    Die gesamte Rüstungsproduktion (und damit auch alle Rüstungsexporte) ist einzustellen; die gesamte Fertigung auf sinnvolle Produkte im Kampf gegen Corona und für andere sinnvolle Produkte und Dienstleistungen z.B. auf den Gebieten der Energiewende und Verkehrswende umzustellen.
    Sonderprogramm für Hilfs- und Schutzbedürftige in Deutschland: Wohnungslose und Behinderte schützen
    In Deutschland leben Millionen Menschen von Hartz IV und Sozialhilfe. 2018 hatten laut Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe 678.000 Menschen keine Wohnung – das war Nachkriegsrekord.[20] Corona macht nicht vor den Zelten und übrigen Schlafstätten der Wohnungslosen Halt. Natürlich gebieten bereits Menschlichkeit und christliche Nächstenliebe, diesen Gestrandeten und vom kapitalistischen Betrieb Ausgestoßenen Hilfe zukommen zu lassen. In der gegebenen Situation der Corona-Krise bildet diese große Gruppe von Menschen darüber hinaus ein erhebliches Risikopotential für die Ausbreitung der Epidemie.

    Ein Sonderprogramm mit den Zielen Schaffung menschenwürdiger Unterkünfte und Garantien für ein menschenwürdiges Leben ist für diese Gruppe in Zusammenarbeit mit den in diesem Bereich aktiven sozialen Verbänden aufzulegen.
    Hilfsprogramm für die osteuropäischen Hilfsarbeiter in den Fleischfabriken, in der Landwirtschaft und bei den Zustelldiensten
    In Deutschland leben zwischen drei und vier Millionen Arbeitskräfte aus osteuropäischen Ländern – vor allem aus Rumänien, Bulgarien und Polen – die auf der Basis von Werksverträgen beschäftigt sind. Sie bilden das Subproletariat unserer Gesellschaft. Sie sind in den Bereichen der Fleischindustrie („System Tönnies“), der Landwirtschaft, der häuslichen Pflege und der Zustelldienste beschäftigt. Diese Menschen arbeiten unter unmenschlichen Bedingungen. Und vor allem leben sie in extrem prekären Wohnverhältnissen, was die Ausbreitung des Corona-Virus enorm begünstigt. Pfarrer Peter Kossen, der seit Jahren auf die Situation dieser Menschengruppe aufmerksam macht und – soweit dies in seinen Kräften steht – viele von ihnen betreut, erklärte in einem aktuellen Appell: „Wenn jetzt die Pandemie auf diese ausgelaugten, angeschlagenen und gedemütigten Menschen aus Ost- und Südeuropa trifft, dann wird dies zahlreiche Opfer fordern. […] Die Totalerschöpfung dieser Menschen ist der Normalzustand. Hinzu kommen [insbesondere im Fleischgewerbe; W.W.] zahlreiche Schnittverletzungen, aber auch wiederholte und hartnäckige Infekte durch mangelhafte hygienische Zustände in den Unterkünften und durch gesundheitswidrige Bedingungen an den Arbeitsplätzen.[…] Wenn nicht wirklich schnell gehandelt wird, ist eine massenhafte Ansteckung mit zahlreichen schweren und auch tödlichen Verläufen nicht mehr aufzuhalten.“[21] Zu fordern sind von den Unternehmen und den Behörden umfassende und wirksame Maßnahmen zum Schutz der Arbeitsmigranten in der aktuellen Corona-Krise.
    Hilfsprogramm für das kleine Gewerbe, für Künstlerinnen und Künstler und Projekte solidarischer Hilfe
    In den Bereichen Kunst und Kultur sind laut Angaben des Verbands deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS) in Verdi 1,4 Millionen Menschen, darunter rund 500.000 „Soloselbständige“ beschäftigt. 90 Prozent dieser Menschen leben von Einkommen, die deutlich unterhalb des Durchschnitts und bei netto 1000 Euro monatlich liegen. Einem großen Teil dieser Menschen bricht mit der Corona-Epidemie die Existenzgrundlage zusammen, da Veranstaltungen nicht mehr stattfinden und der Kulturbetrieb faktisch für Monate einen kompletten Shutdown erlebt. Der VS hat einen Forderungskatalog entwickelt (u.a. zur Bildung einer Notfallkasse für existentiell bedrohte Kulturschaffende und -betriebe; die kurzfristige und bezüglich Beitragszahlungen prozentual an das Einkommen geknüpfte Einrichtung einer Arbeitslosenversicherung für selbständige Künstlerinnen und Künstler), dem die öffentliche Hand gerecht werden muss.[22]
    Hilfsprogramm für die Flüchtlinge auf den griechischen Inseln und an der türkisch-griechischen Grenze
    Die Lage auf den griechischen Inseln mit großen Ansammlungen von Geflüchteten hatte sich in den ersten Wochen des Jahres 2020 bereits enorm zugespitzt. Mit der Corona-Epidemie werden die Verhältnisse dort nochmals kritischer. Es ist verantwortungslos, in genau dieser Situation die nationalen Grenzen hochzuziehen und die Menschen dort – und nicht zuletzt das EU-Mitgliedsland und Euroland Griechenland – im Corona-Regen stehen zu lassen. Die Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel: „Die Bundesregierung und die Europäische Union sind hier in der Pflicht, gemeinsam mit internationalen Hilfsorganisationen sofort Abhilfe zu schaffen. Durch die katastrophale Situation der Menschen in dem Lager gehören viele zu einer Risikogruppe. Eine massive Verbreitung des Corona-Virus auf den griechischen Inseln muss verhindert werden. DIE LINKE teilt den dringenden Appell von ‚Ärzte ohne Grenzen‘, die EU-Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln zu evakuieren, sobald es die Corona-Eindämmung zulässt, damit es nicht zu noch mehr Opfern unter den 42.000 Asylsuchenden auf den griechischen Inseln kommt. Darüber hinaus muss endlich eine gesamteuropäische humane Flüchtlingspolitik umgesetzt werden, die großzügige Resettlement-Programme, rechtsstaatliche Asylverfahren und humanitäre Lösungen beinhaltet.“[23]
    Direkthilfe für Italien
    Es war überraschenderweise der langjährige, ehemalige Chef des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, der am 19. März in einem Interview mit dem Deutschlandfunk, mehrmals von einem überraschten Interviewer unterbrochen, forderte: Deutschland möge eine Soforthilfe „als Geschenk“ in Höhe von zunächst 20 Milliarden Euro an Italien gewähren. Das Land befinde sich „in großer Not“. Auf die Zwischenfrage des Interviewers, ob denn so etwas „für die Steuerzahler vermittelbar“ wäre, antwortete Sinn: „Das ist sehr wohl vermittelbar und jetzt dringend notwendig.“[24]

    Es ist hier nicht der Ort, über die zersetzenden neoliberalen Politikvorschläge zu debattieren, die derselbe Mann viele Jahre lang vorgetragen hat. In der aktuellen Stunde hat er mit seinen zitierten Forderungen absolut Recht. Wobei es sicherlich noch weit mehr Möglichkeiten für eine direkte Hilfe für Italien gibt. Frankreich nahm beispielsweise bereits Patienten aus Italien in eigene Krankenhäuser auf. Noch haben wir in Deutschland freie Bettenkapazitäten. Wenn diese bei uns knapp sind, könnte es sein, dass wir froh sind, wenn andere Länder uns zu Hilfe kommen.

    Eine deutsche Soforthilfe für Italien ist auch in finanzieller Hinsicht angebracht – und der von Sinn genannte Betrag wäre nur eine bescheidene Rücküberweisung angesichts der Gewinne, die die deutsche Wirtschaft im Rahmen des Euro-Regimes und als Resultat der Exportüberschüsse aus Italien bezogen hat.

    Im Übrigen kann sich im Rahmen der sich weiter zuspitzenden Krise auch die Frage stellen, ob Italien auf eigenen Wunsch die Eurozone verlässt. Kommt es zu einer solchen Entscheidung der italienischen Regierung, dann darf sich die erpresserische Politik der EU und der Berliner Regierung, wie sie 2015 gegenüber Griechenland praktiziert wurde, nicht wiederholen. Vielmehr muss dann eine einvernehmliche, gemeinsam getragene Lösung für einen solchen Eurozonen-Austritt geschaffen werden. Das mag zum aktuellen Zeitpunkt überraschend erscheinen. Doch eine solche Thematik kann sich bereits in kurzer Zeit konkret stellen. Schließlich gab es die Euro-Krise 2012 bis 2015 in einer Zeit mit wirtschaftlichem Wachstum. Wir befinden uns aktuell am Rand einer neuen Euro-Krise. Und diese findet in der Zeit einer neuen schweren Wirtschaftskrise statt.[25]
    Finanzierung eines Teils Wirtschafts- und Corona-Krise durch ein 250-Milliarden-Programm mit Sondersteuern auf hohe Einkommen, auf Gewinne und auf Vermögen – Aufhebung der „Schuldenbremse“
    Die neue Krise, die wir in Deutschland auf wirtschaftlichem und medizinischem, gesundheitspolitischem Gebiet erleben, ist mit erheblichen finanziellen Kosten verbunden. Dass in diesem Rahmen bereits nach wenigen Wochen die „Schuldenbremse“ von den Regierenden grundsätzlich in Frage gestellt wurde, ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Es dokumentiert natürlich auch, dass es sich bei der Schuldenbremse und der „schwarzen Null“, wie dies unter anderem auf den NachDenkSeiten wiederholt ausgeführt wurde, um ein rein ideologisch begründetes Konstrukt handelt. Immerhin wurde die Schuldenbremse in die Verfassung aufgenommen; sie sollte ja gerade für Krisenzeiten gelten. Nun wird sie ausgerechnet am Beginn einer Krise zur Verhandlungsmasse erklärt. Bislang wirkte die Schuldenbremse als Mittel, um den Sozialstaat weiter zu demontieren. Jetzt wird sie quasi über Nacht in Frage gestellt, um massive Unterstützungsprogramme für die Konzerne und Banken zu ermöglichen.

    Aktuell besteht die große Gefahr, dass die Kosten der neuen Krise erneut, wie 2008/2009, zu einem großen Teil von den kleinen Leuten bezahlt werden sollen – in Form schnell steigender Arbeitslosigkeit, Einkommenseinbußen und Sozialabbau und vermittelt über höhere Staatsschulden. Tatsächlich muss alles getan werden, damit die Krisenkosten von denen gestemmt werden, die in den vergangenen Jahrzehnten auf Kosten der Allgemeinheit riesige Gewinne gemacht und Reichtum angehäuft haben.

    Notwendig sind in diesen Zeiten der Wirtschafts- und Corona-Krise Sondersteuergesetze auf Vermögen, hohe Einkommen und Gewinne in einem Volumen von 250 Milliarden Euro. Angesichts der Tatsache, dass allein die Gewinne der 100 größten börsennotierten deutschen Unternehmen 2019 bei 81 Milliarden Euro (bei einem addierten Umsatz von 1.300 Milliarden Euro) lagen und dass sich die Zahl der Euro-Millionäre im Zeitraum 2000 bis 2018 auf eine Million verdoppelt hat, erscheint ein Programm einer 250-Milliarden-Euro-Corona-Krisen-Steuer für diejenigen, die die Profiteure der Steuerreformen seit Ende der 1990er Jahre sind, mehr als angebracht.[26]

    *

    Die neue Wirtschaftskrise und die Corona-Epidemie stellen einen tiefen Einschnitt in unserer Geschichte dar – vielleicht ist es der tiefste seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Damals waren sich die Parteien der bürgerlichen Mitte und alle Parteien auf der Linken, SPD und KPD, einig: Nur ein Wirtschaftsmodell, das auf Demokratie und Planung basiert, hat Zukunft und verhindert eine Wiederholung des Gangs in Weltwirtschaftskrise, Faschismus, Krieg und Elend. Oder, in den Worten des CDU-Programms von Ahlen: „Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den […] sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden.[…] Durch eine gemeinwirtschaftliche Ordnung soll das deutsche Volk eine Wirtschafts- und Sozialverfassung erhalten, die dem Recht und der Würde des Menschen entspricht.“[27] Diese Feststellungen im Programm der Partei der bürgerlichen Mitte – also im Gründungsprogramm der Partei von Angela Merkel – trugen erheblich dazu bei, dass es im Grundgesetz die zitierten Artikel 14 und 15 gibt, die eine Enteignung großer Unternehmen und deren Überführung in Gemeineigentum als Möglichkeit vorsehen.

    Aktuell erleben wir ein weiteres Mal, wie die kapitalistische Grundordnung versagt – auf ökonomischem Gebiet und auf dem Gebiet des Kampfes gegen die Epidemie. Die einzig wirksamen Maßnahmen, die in diesen Wochen ergriffen werden, sind fast ausschließlich solche, die in Widerspruch zum „Wirken der freien Kräfte des Marktes“ stehen – es sind planwirtschaftliche. Diejenigen, die den freien Markt zum Götzen erklärt hatten, betteln bereits nach wenigen Wochen Krise um Staatshilfen. Aktuell werden diese planwirtschaftlichen Maßnahmen von einer Regierung ergriffen, die sich bislang den neoliberalen Gesetzen, also dem „freien Wirken des Marktes“ verschrieben hat. Und zweifellos werden sie von diesen Personen nicht aus innerer Überzeugung ergriffen, sondern als Resultat von Not und äußerem Zwang, wobei diese Personen aufs Engste mit den Kapitalinteressen und den Privatisierungsprojekten verbunden sind. Wenn es also einen wirksamen Kampf gegen den Strudel der neuen Krise und gegen die Corona-Epidemie geben soll, dann wird es darauf ankommen, dass solche Maßnahmen auf demokratischer Grundlage, getragen von einer breiten Mehrheit in der Bevölkerung, durchgesetzt werden.

    Das würde im Übrigen durchaus der Grundstimmung in der deutschen Bevölkerung entsprechen. Am 25. Februar 2020 – von Corona-Krise war damals noch kaum die Rede – konnte man in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf einer kompletten Seite unter der Überschrift „Kapitalismus am Pranger“ lesen: „Die Löhne sind hoch, die Arbeitslosigkeit ist niedrig, der Sozialstaat wächst. Trotzdem glaubt mehr als jeder zweite Deutsche, dass der Kapitalismus mehr schadet als nutzt.“

    Titelbild: ffikretow@hotmail.com/shutterstock.com

    Winfried Wolf ist verantwortlicher Redakteur von Lunapark21 – Zeitschrift zur Kritik der globalen Ökonomie. Jüngste Publikationen: „Abgefahren. Warum wir eine neue Bahnpolitik brauchen“ (Köln 2019, PapyRossa; zusammen mit Bernhard Knierim) und „Verkehrswende. Das Manifest“ (Köln April 2020; PapyRossa; zusammen mit Carl Waßmuth).

    [«1] Siehe z.B. das Interview mit Robert Shiller „Die Rezession wird kommen“, in: Handelsblatt vom 4. Dezember 2019. Siehe Lunapark21, Heft 44, Dezember 2018, „Warten auf den großen Knall – Die Weltwirtschaft Anfang 2019 – ein gewaltiges Krisenpotential“, Seiten 28-35; und Heft 47, Herbst 2019, „Die Weltwirtschaft vor der Krise. China wird es nicht nochmals richten“, Seiten 20-33.

    [«2] „The JP Morgan Global Manufacturing PMI […] fell to 50,1 in December, from 50,3 in November, to remain only marginally above the 50.0 waterline that separates expansion from contraction. PMI reading signalled contractions in the intermediate and investment good sectors, with rates of deterioration accelerating in both cases. This reflected ongoing downturns in output and new orders in these industries.“ Nach: JP Morgan, 2 January 2020.

    [«3] Quellen: Organisation International des Constructeurs d´Automobiles (OICA); für 2019 = aktuelle Berichte (Stand: 18.3.2020). Es wurden die Angaben für die Pkw-Produktion – anstelle der Kfz-Fertigung – gewählt (in den USA = „Light Vehicles Production“ (was die SUV, die dort als Lkw gewertet werden, einschließt). Bei Einschluss der Nutzfahrzeuge ist die zyklische Bewegung – nach oben und unten – abgeschwächt. In China stieg z.B. der Absatz von Nutzfahrzeugen 2019 nochmals an, was den zyklischen Abschwung des gesamten Fahrzeugbaus abmildert.

    [«4] Im Nachgang zur letzten Weltwirtschaftskrise gab es im Kulturbetrieb ein kleines Aufblitzen von radikaler Kapitalismuskritik, als der „gesichtslose“ Sänger und Liedermacher Peter Licht durch Talkshows geisterte – unter anderem mit dem „Lied vom Ende des Kapitalismus“. Darin heißt es: „Der Kapitalismus / Der alte Schlawiner / is uns lange genug auf der Tasche gelegen / Vorbei vorhorbei vorbei vorbei / Jetzt isser endlich vorbei […] Is auch lang genug gewesen / Is auch lang genug gewesen / Hast du schon gehört jetzt isser / endlich vorbei.“ CD „Ende des Kapitalismus“.

    [«5] Angaben zu den Epidemien zusammenfassend nach Wikipedia; Angaben zu 1918-1920: Die Welt vom 6.6.2018 und Jürgen Kuczynski, Die Lage der Arbeiterklasse 1917-1933, Berlin (Akademie-Verlag) 1966, S.4ff. Angaben zu 1957/58: swr Archiv-Radio Sendung vom 16.10.1957. Angaben zur wirtschaftlichen Entwicklung nach den Statistischen Jahrbüchern der Bundesrepublik Deutschland.

    [«6] In einem aktuellen, interessanten und faktenreichen, aus dem Chinesischen übersetzten Text werden die Erfolge in China u.a. auf Basis eines Heeres von „Barfußärzten“ und auf den Gebieten der Gesundheitsversorgung und Entwicklung der Lebenserwartung bis Ende der 1990er Jahre hervorgehoben. Um dann fortzufahren wie folgt: „Seitdem haben Nachlässigkeit und Privatisierung dieses System erheblich verschlechtert, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, als die rasche Verstädterung und die unregulierte industrielle Produktion von Lebensmitteln eine umfassende Gesundheitsfürsorge erst recht notwendig gemacht hätten. […] Heute gibt China nach Angaben der WHO 323 USD pro Kopf für öffentliche Gesundheitsversorgung aus. Diese Zahl ist selbst im Vergleich zu anderen Ländern mit »oberem mittlerem Einkommen« niedrig: ungefähr die Hälfte von dem, was Brasilien, Belarus und Bulgarien ausgeben. […] Die Folgen bekommen dabei vor allem die Hunderte von Millionen von WanderarbeiterInnen zu spüren, die jedes Recht auf eine medizinische Grundversorgung verwirken, wenn sie ihr Heimatdorf verlassen.“ Siehe: Soziale Ansteckung. Mikrobiologischer Klassenkampf in China, in: wildcat-www.de/aktuell/a112_socialcontagion.html

    [«7] Lunapark21 widmete ein komplettes Heft diesem Thema (LP21 Heft 22, Sommer 2013) mit wichtigen Beiträgen von Daniel Behruzi. In Heft 40 gingen Patrick Schreiner und Kai Eicker-Wolf im Rahmen des „Märchen des Neoliberalismus“ auf diesen zerstörerischen Prozess mit den „blutigen Entlassungen (aus dem Krankenhaus)“ ein. D. Behruzi ging in einem weiteren Beitrag in Heft 43 (Herbst 2018) auf die Misere im Gesundheitssektor ein. Volker Lösch inszenierte zusammen mit Beschäftigten der Berliner Charité am 13. September 2018 ein „Gesundheitstribunal“. Hierüber berichtete Urs-Bonifaz Kohler in LP21 Heft 43, Herbst 2018.

    [«8] Rundschreiben der beiden genannten Filmemacher vom 17. März 2020. Siehe: der-marktgerechte-patient.org | kernfilm.de

    [«9] Mehr als jede zweite Klinik sollte schließen, Bericht in: Manager Magazin vom 15. Juli 2019. manager-magazin.de/unternehmen/artikel/bertelsmann-jedes-zweite-krankenhaus-sollte-schliessen-a-1277356.html Antwort Spahn nach: Ärzteblatt vom 16. Juli 2019. Siehe: aerzteblatt.de/nachrichten/104668/Debatte-um-Studie-zu-Krankenhausschliessungen-geht-weiter

    [«10] “Ich bin kein Freund des Lockdown. Wer so etwas verhängt, muss auch sagen, wann und wie er es wieder aufhebt”, sagte Montgomery im Interview mit der Düsseldorfer “Rheinischen Post” am 18. März 2020. Weiter: „Da wir ja davon ausgehen müssen, dass uns das Virus noch lange begleiten wird, frage ich mich, wann wir zur Normalität zurückkehren?” Man könne doch nicht Schulen und Kitas bis Jahresende geschlossen halten. Denn so lange werde es mindestens dauern, bis man über einen Impfstoff verfüge, betonte Montgomery. Italien habe ein Lockdown verhängt und habe einen gegenteiligen Effekt erzielt. “Die waren ganz schnell an ihren Kapazitätsgrenzen, haben aber die Virusausbreitung innerhalb des Lockdowns überhaupt nicht verlangsamt.” Ein Lockdown sei eine politische Verzweiflungsmaßnahme, weil man mit Zwangsmaßnahmen meint, weiter zu kommen, als man mit der Erzeugung von Vernunft käme. Kritisch äußerte sich Montgomery zu den von der Bundesregierung angeordneten Grenzschließungen. “Ich glaube nicht, dass die Grenzschließungen das Virus aufhalten können. Das ist politischer Aktionismus.”

    [«11] Zitiert in: Süddeutsche Zeitung vom 14. März 2020. Die EZB hat am 19. März ein neues „Notkaufprogramm“ in Höhe von 750 Milliarden Euro zum Aufkauf von staatlichen und kommerziellen Papieren angekündigt und aufgelegt. Sie scheint damit ihren Kurs zu revidieren. Explizit sollen „auch griechische Papiere“ aufgekauft werden – was natürlich vor allem heißt, dass nun auch Stützungskäufe für italienische Anleihen stattfinden. Diese Korrektur erfolgt sehr spät. Man wird sehen, ob die EZB diesen neuen Kurs dann durchhält, wenn es zum Sturm der Finanzmärkte auf die Papiere einzelner „schwacher“ Länder, vor allem zur Spekulation gegen Italien, kommt.

    [«12] Naomi Klein, Coronavirus is the perfect disaster for „disaster capitalism“, 13. März 2020 (vice.com…)

    [«13] Michael Moore damals, 2009: „Die Produkte, die in den Fabriken von GM, Ford und Chrysler hergestellt werden, gehören zu den größten Massenvernichtungswaffen. Sie sind verantwortlich für die globale Erwärmung und das Abschmelzen der Polkappen. Was wir „Autos“ nennen, macht sicher Spaß beim Fahren, aber sie sind wie eine Million Dolche ins Herz von Mutter Natur. Sie weiter zu bauen, bedeutet den Untergang unserer Art und eines großen Teils dieses Planeten.“ Hier nach: Die Welt vom 3. Juni 2009.

    [«14] Der Spiegel vom 1. Juni 2009. spiegel.de/wirtschaft/gm-insolvenz-obama-verteidigt-den-massiven-staatseingriff-a-627965.html

    [«15] Das zuständige baden-württembergische Sozialministerium räumt ein, dass die Laboruntersuchungen ´teilweise mehrere Tage in Anspruch nehmen´. Viele Labore im Land seien ´an der Kapazitätsgrenze angelangt´“. Bericht Süddeutsche Zeitung vom 19. März 2020.

    [«16] Der Standard vom 16. März 2020. derstandard.de/story/2000115776404/hotspot-ischgl-gier-und-versagen-in-tirol

    [«17] gemeingut.org/gib-aufruf-keine-krankenhausschliessungen/

    [«18] „Prof. Lauterbach, Gesundheitsökonom und späterer SPD-Sprecher im Gesundheitsausschuss des Bundestags, hat bereits 2003 in seinem Buch ´DRG in deutschen Krankenhäusern´ vorgerechnet, dass 1410 der damals 2242 Krankenhäuser und 194.000 der damals 523.114 Betten in allgemeinen Krankenhäusern überflüssig seien.“ Nadja Rakjowitz, Zur Frage der Schließung von kleinen Krankenhäusern, in: Krankenhaus statt Krankenfabrik, März 2018.

    [«19] GM: „We produce about 1,7 million masks daily“; gmauthority.com vom 7. Februar 2020.

    [«20] Bericht in: ARD-Tagesschau vom 11. November 2019. tagesschau.de/inland/wohnungslose-anstieg-deutschland-101.html

    [«21] Das Werksvertragssystem – das im Übrigen Basis der Billigstfleischangebote ist – ist einzustellen. Siehe die Erklärung Peter Kossen vom 17. März 2020; labournet.de/interventionen/asyl/arbeitsmigration/migrationsarbeit/pfarrer-peter-kossen-arbeitsmigranten-sind-hochrisikogruppe/

    [«22] vs.verdi.de/themen/nachrichten/++co++4e085142-660f-11ea-9bec-001a4a160100

    [«23] Erklärung von Heike Hänsel, MdB DIE LINKE vom 16. März 2020; heike-haensel.de/2020/03/16/griechische-fluechtlingslager-medizinisch-gegen-corona-ausbreitung-schuetzen-und-mittelfristig-evakuieren/

    [«24] Sinn: „Die Italiener brauchen sicher Unterstützung. Ich habe auch vorgeschlagen, dass Deutschland zum Beispiel unilateral […] ein Geschenk von 20 Milliarden Euro für Italien auf den Tisch legt, um ihnen unsere Solidarität zu zeigen.[…] Das bisschen Geld, was diese medizinischen Maßnahmen kosten, ist doch ein Klacks. Da […] darf man an gar nichts sparen. Bevor wir jetzt Banken retten mit riesigen Geldsummen, können wir mit Bruchteilen erst mal in die Medizintechnik investieren, damit wir wirklich die Krise bekämpfen, die Corona-Krise, […] Die Prioritäten muss man einfach richtig setzen.“ Interview im Deutschlandfunk am 19. März 2020. deutschlandfunk.de/notkaufprogramm-der-ezb-sinn-ueberhaupt-keine-massnahme.694.de.html?dram:article_id=472876

    [«25] Siehe zu den Exportüberschüssen im Rahmen der Eurozone ausführlich: Nikos Chilas / Winfried Wolf, Die griechische Tragödie. Rebellion. Kapitulation. Ausverkauf, Wien, 3. erw. Aufl. 2019, Seiten 96ff.

    [«26] Angaben zu den Unternehmensgewinnen 2019: Bericht auf ntv vom 3. Januar 2020 auf Basis von Berechnungen des Bewertungs- und Prüfungsunternehmens EY; nach: n-tv.de/wirtschaft/Deutsche-Top-Konzerne-duempeln-durch-2019-article21487478.html Würde die gut eine Million Euro-Millionäre in Deutschland im Durchschnitt mit 100.000 Euro Soli-Steuer belastet, erbrächte dies bereits 100 Milliarden Euro.

    [«27] Das Ahlener Wirtschafts- und Sozialprogramm der CDU, 1. und 3. Februar 1949.

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  • Die neue Weltwirtschaftskrise, das Corona-Virus und ein kaputt gesparter Gesundheitssektor. Oder: Die Solidarität in den Zeiten von Corona. Von Winfried Wolf.
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=59459

    Die Ausweitung des Corona-Virus hat zur flächendeckenden Beseitigung von Grundrechten und Bewegungsfreiheit geführt. Vieles spricht dafür, dass dies in der gegebenen Situation angebracht, unvermeidlich, ist. Wobei es auch Mitte März noch ernst zu nehmende Stimmen – so vom Weltärztebund-Präsidenten Frank Ulrich Montgomery – gibt, die dies in Frage stellen. Unbestreitbar ist, dass die Zuspitzung der Corona-Pandemie dazu geführt hat, dass das Versagen der Behörden nicht thematisiert wird. Dass der aktive Beitrag, den die Bundesregierung und ausdrücklich auch CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn und der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach beim Kaputtsanieren der Krankenhäuser geleistet haben, kein Thema in der öffentlichen Debatte ist. Nicht zuletzt dienen die Corona-Epidemie und die panischen und widersprüchlichen Maßnahmen zu deren Eindämmung dazu, die im Hintergrund ablaufenden massiven weltwirtschaftlichen Verwerfungen – und die Gefahr einer neuen Weltwirtschaftskrise – als das von einem Virus ausgelöste Resultat zu präsentieren. Was grundfalsch ist. Von Winfried Wolf.

  • ♲ NachDenkSeiten – Die kritische Website (https://www.nachdenkseite...
    https://diasp.eu/p/9747095

    ♲ NachDenkSeiten – Die kritische Website - 2019-09-29 09:16:31 GMT

    Gestern vor 50 Jahren, bei der Bundestagswahl vom 28. September 1969, gab es den ersten richtigen Kanzler- und Politikwechsel. Von CDU/CSU zur SPD.

    Die SPD erreichte 42,7 % der Stimmen. Zusammen mit der FDP (5,8 %) reichte es zu einer knappen Mehrheit und zum Kanzlerwechsel, der dann am 21. Oktober 1969 vollzogen wurde. Das Jubiläum wurde von der SPD, obwohl dieser Tag für unser Land wie auch für die SPD von großer Bedeutung war, nicht gefeiert, nicht einmal erwähnt. Siehe unten. Auch von den meisten Medien nicht. Deshalb folgen hier ein paar kurze, stichwortartige Anmerkungen zur politischen Bedeutung dieser Zäsur und zu den Gründen des damaligen Wahlsiegs. Ich war in den damaligen Bundestagswahlkampf persönlich involviert. (...)