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  • Prozess um getötetes Tier in Berlin-Neukölln: Ziege im Streichelzoo geschlachtet: Haftstrafe - Berlin - Tagesspiegel Mobil
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    Im England der Neuzeit wurden Apfeldiebe gehenkt. Wer die Boulevardblätter geifern gehört hat weiß, daß wir davon nicht weit entfernt sind. Armut wird eingesperrt. Dummeheit auch. Wem nützt das?

    Von Kerstin Gehrke - Zwei Männer hatten im Tiergehege in der Neuköllner Hasenheide eine Ziege getötet. Für eine Amtsrichterin kam eine Bewährungsstrafe nicht in Betracht.

    Die Männer auf der Anklagebank sahen sich kopfschüttelnd an: Rund sechs Wochen nach der Tötung der Angoraziege „Lilly“ im Tierpark Neukölln sind die beiden 29-jährigen Angeklagten zu Haftstrafen ohne Bewährung verurteilt worden. Für zehn Monate soll der vorbestrafte Nicusor-Razvan V. ins Gefängnis, der gleichaltrige Mihaita-Iulian B. für neun Monate. Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten sprach die Rumänen am Mittwoch des Diebstahls mit Waffen sowie der Tötung eines Wirbeltiers ohne vernünftigen Grund schuldig.

    Die Angeklagten waren am Abend des 18. Februar auf die Ziege mit den weißen Locken aufmerksam geworden. Ein dreijähriges Tier, trächtig und kostbar für den Tierpark. Eine Zucht sollte aufgebaut werden. Die beiden Angeklagten aber kamen gegen 22 Uhr als Schlächter. Obwohl sie reichlich Bier getrunken hatten, kletterten sie mühelos über den zweieinhalb Meter hohen Zaun, durchschnitten der Ziege mit einem Messer die Kehle und trennten dem Tier ein Bein ab.

    Aus Hunger getötet

    Über ihre Anwälte ließen V. und B. ihre Geständnisse verlesen. „Wir töteten das Tier, weil wir Hunger hatten“, erklärten sie. Sie hätten „nur ein Bein“ gewollt und den Streichelzoo in der Hasenheide für einen Bauernhof gehalten. Seit Anfang 2018 würden sie sich in Berlin aufhalten und als Bauhelfer arbeiten, dafür allerdings kaum Geld erhalten. „Ihr Chef hat ihnen den Lohn vorenthalten“, sagte einer der Verteidiger. Die beiden Angeklagten seien zudem „bäuerlich geprägt“ und keine „Tiermörder“. Die Ziege sei artgerecht und aus Sicht der Verteidigung auch nicht ohne vernünftigen Grund geschlachtet worden. „Es geschah zu Ernährungszwecken.“

    Dementsprechend plädierten die Anwälte auf Geldstrafen unter anderem wegen „Diebstahls geringwertiger Sachen“ und Hausfriedensbruchs. Die Richterin aber folgte im Wesentlichen der Staatsanwältin, die eine einjährige Gefängnisstrafe für V. und eine zehnmonatige Bewährungsstrafe für B. verlangt hatte. Das Küchenmesser, mit dem die Angoraziege geschlachtet wurde, sei juristisch als gefährliches Werkzeug einzustufen – also ein Diebstahl mit Waffen, wofür bis zu fünf Jahre Haft drohen. „Wenn ich Appetit auf ein Schafbein habe, gibt es keinen vernünftigen Grund, eine Ziege zu töten“, sagte die Amtsrichterin. Damit folgte sie nicht dem Argument, dass die damals erheblich angetrunkenen Männer aus Hunger getötet hätten. Davon abgesehen sei das Tier gestohlen und seine Tötung strafbar gewesen. „Für Alkohol war Geld da“, sagte die Staatsanwältin. „Sie hätten sich Essen kaufen können.“

    Ein Ziegenbein im Rucksack

    Es sind Strafen, die deutlich ausfallen. Die Begründung laut Urteil: Weil den Angeklagten keine günstige Sozialprognose gestellt werden könne. Beide seien kurz nach ihrer Einreise nach Deutschland straffällig geworden. Sie seien ohne festen Wohnsitz, ohne geklärte Arbeits- und Einkommensverhältnisse. Die Verhängung von Bewährungsstrafen komme deshalb nicht in Betracht. V. sei zudem als Dieb vorbestraft.
    Die Angeklagten wurden noch am Tatort gefasst. Anwohner hatten die Schreie des Tieres gehört und die Polizei gerufen. Als V. und B. das umzäunte Gelände verlassen wollten, wurden sie erwischt. Einer der Männer hatte ein blutverschmiertes Messer bei sich, in der Nähe lag ein Rucksack mit einem Ziegenbein. In dem Gehege des Streichelzoos im Volkspark Hasenheide entdeckten Polizisten schließlich die getötete Ziege.
    Seit ihrer Festnahme befanden sich die Rumänen in Untersuchungshaft. Ob es bei der verhängten Strafe bleibt, wird sich zeigen: Der Fall wird voraussichtlich in die nächste juristische Runde gehen, ein Verteidiger kündigte bereits Rechtsmittel an.

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