• Verdacht der Zwangsadoptionen : Die verlorenen Kinder der DDR - Tagesspiegel
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    Depuis 69 ans le régime anticommuniste en Allemagne de l’Ouest soigne le mythe du régime inhumain à l’Est. Les Allemands sont exposés à un matraquage idéoligique composé de faits présentés dans un contexte historique manipulé et d’histoires abominables purement inventées dans le but de discréditer socialisme et démocratie sans propriété privée.

    Cette longue histoire de mensonges est responsable pour de la souffrance humaine depuis le début. Aujourd’hui le très conservateur journal berlinois Tagespiegel nous relate le sort de victimes imaginaires à la souffrance réelle. Ce sont des anciens citoyens de la RDA qui croient qu’on leur a volé leurs enfants alors que même les plus acharnés enquêteurs anticommunistes affirment que leurs soupçons sont infondés parce qu’il est impossible de trouver la moindre trace des crimes supposés dans les dossiers. Il n’y a ni témoin ni preuve matérielle pour l’enlèvement caché d’enfants par une institution de la RDA.

    Cette histoire montre l’Allemagne d’aujourd’hui comme un pays où la souffrance induite par la contradiction entre les vraies conditions de vie, leur présentation idéologique et la fausse image d’une société honnête produit un sentiment d’insécurité allant jusqu’à la folie chez des personnes déjà fagilisées.

    C’est un exemple pour la violence structuelle qu’on trouve d’habitude quand on regarde de près la pauvreté matérielle et ses origines. Là nous assistons à de la souffrance suite à de la violence structuelle purement idéologique. Elle est quand même structuelle parce que l’anticommunisme est la clé de voûte de la raison d’être de l’état capitaliste allemand.

    Sie hat ihre Tochter nie gesehen. Sie sei tot, sagte man ihr nach der Geburt. In Akten jedoch steht etwas anderes. So wie Katrin Huhnholz sehen sich 160 Mütter und Väter als Opfer der DDR.

    von FRANK BACHNER

    Drei Schritte neben dem Terrarium, wo zwei Leopardengeckos regungslos im Sand glotzen, steht der Esszimmertisch. Eine dunkelblaue Decke liegt darauf, eine rote Kerze steht in der Mitte. Hier hätte Katrin Huhnholz Kaffee und Kuchen serviert. Hier hätte sie mit der Frau, die ihrer Nichte so verblüffend ähnlich sieht, geredet. Hier hätten die beiden Baby-Fotos betrachtet, Aufnahmen von Huhnholz’ Kindern und Fotos der Besucherin als Säugling. Hier hätten sie vor allem die wichtige Frage besprochen: Wann macht die Besucherin einen Erbgut-Test?

    Dann, mit dem Ergebnis, hätten sie endlich die Antwort auf eine noch viel wichtigere Frage gehabt: War die fremde Frau, die hier in dieser kleinen Wohnung in Leipzig Kaffee hätte trinken sollen, die leibliche Tochter von Katrin Huhnholz?

    Am 17. Februar 2018 wollten sie sich treffen. So war der Plan.

    Der Plan ging schief.

    Die Frau ist nie aufgetaucht, es gibt keinen DNS-Test, es gibt keine Antwort.

    Vier Monate später sitzt Katrin Huhnholz am Esszimmertisch vor einem dicken Ordner und blättert Dutzende Dokumente durch, auf denen „Totenschein“ steht und „Autopsiebericht“ oder „gynäkologische Anamnese“. In diesem Ordner ist die Tragik im Leben der Katrin Huhnholz, 53 Jahre alt, Verkäuferin, dokumentiert. Sie blättert, schaut hoch, blättert wieder, schaut wieder hoch, irgendwann sagt sie: „Ich komme jetzt nicht mehr weiter. Da ist ein Gefühl der Ohnmacht.“ Die Trauer liegt weniger im Tonfall, sie ist in den Augen zu sehen, in den Blicken hinter der braunen Hornbrille.

    Ihr Verdacht klingt ungeheuerlich

    Die 53-Jährige, in Leipzig geboren und aufgewachsen, hat einen Verdacht. Einen, der ungeheuerlich klingt. Der Verdacht lautet: Ihre erste Tochter, nach Mitteilung der Ärzte in Leipzigs Universitätsklinik 1985 bei der Geburt gestorben, ist gar nicht tot. Die Ärzte haben gelogen und Huhnholz’ Tochter lebte, wurde im Krankenhaus weitergereicht, verkauft. Verkauft gegen Devisen an ein Ehepaar aus dem Westen, das ein Kind adoptieren wollte. Alles überwacht von der Stasi.

    Im Sitzungssaal 1228 des Berliner Jakob-Kaiser-Hauses stehen sechs Säulen aus nacktem Beton. Die Rollos der riesigen Fensterfront sind bis zum Boden heruntergelassen. Hier tagt am Montag der Petitionsausschuss des Bundestags, hier sitzt neben dem Ausschussvorsitzenden ein schmächtiger Mann mit Halbglatze und dunkelblondem Schnauzbart. Andreas Laake hat 2015 die „Interessengemeinschaft (IG) Verlorene Kinder der DDR“ gegründet, 1500 Eltern, deren Freunde und Angehörige sind dort organisiert. Die meisten sehen sich als Opfer von Zwangsadoptionen, 160 Väter und Mütter der IG aber als Betroffene eines vorgetäuschten Säuglingstodes.

    Ihr Verdacht nährt sich aus Ungereimtheiten in Unterlagen, er nährt sich durch den Vergleich mit Fällen, bei denen andere Frauen Zweifel am Tod ihrer Kinder haben. Fälle zwischen den 60er Jahren und 1989. Vielleicht wurden ihre Kinder von Westlern adoptiert oder von linientreuen DDR-Genossen, sie halten beides für möglich.

    Die Forderung: Unterlagen sollen aufbewahrt werden
    Laake hat nun die politische Ebene erreicht. Der Petitionsausschuss kümmert sich an diesem Tag um Zwangsadoptionen, aber auch um den angeblichen, vorgetäuschten Säuglingstod. Die IG hat den Abgeordneten im April eine Petition mit neun Forderungen überreicht. Eine längere Aufbewahrungsfrist von Unterlagen ist eine davon.

    Jetzt findet dazu die Expertenanhörung statt. Einer der Experten ist Laake, und als er an der Reihe ist, zittert seine Stimme. „Die Ungewissheit ist grauenhaft. Viele sind deshalb krank geworden.“ Die trauernden Eltern hätten Fragen. Lebt mein Kind noch? Und wenn ja, wo? Warum ist auf Krankenakten das Geburtsgewicht unterschiedlich vermerkt? Warum gibt es oft erst gar keine Akten? Wo ist mein Kind begraben? „Gräber wurden geöffnet, niemand lag drin.“

    Für die IG gibt es einfach zu viele Merkwürdigkeiten. Einige Geburtsurkunden wurden mit Schreibmaschine ausgefüllt und dann handschriftlich ergänzt. So stand dann hinter dem Hinweis „Junge“ plötzlich ein Mädchenname und umgekehrt. Oft waren die Mütter jung oder sogar noch minderjährig. Keine von ihnen war politisch auffällig. Auch Katrin Huhnholz nicht.

    Aber es müsste Mitwisser geben, wenn das alles stimmte, es wäre ja ein System gewesen. Leute, die jetzt vielleicht ein schlechtes Gewissen haben. Ja, sagt ein IG-Vorstandskollege von Laake am Telefon, die gibt es. „Wir haben mit Hebammen und Ärzten von damals gesprochen, die bestätigten, dass Adoptiveltern schon auf dem Gang gewartet hätten. Aber aus Angst geben sie das öffentlich nicht zu.“

    „War es ein Mädchen oder ein Junge?“

    Katrin Huhnholz’ Geschichte begann am 7. Mai 1985 in einem Kreissaal der Uniklinik Leipzig. Hier brachte sie ihre Tochter zur Welt, für die 17-jährige Mutter zugleich eine Tragödie. Die Ärzte hatten ihr schon Tage zuvor erklärt: „Ihr Kind wird bei der Geburt sterben.“ Leber und Darm des Babys lägen durch eine Fehlbildung im Mutterleib außerhalb des Körpers.

    Sofort nach der Geburt wurde das Kind in ein Tuch eingewickelt und weggebracht. Katrin Huhnholz hat es nie gesehen. „War es ein Mädchen oder ein Junge?“, habe sie eine Medizinstudentin gefragt, die bei der Geburt anwesend war. „Ich weiß es nicht“, sei die Antwort gewesen, „ich darf es Ihnen nicht sagen.“ Niemand sagte Katrin Huhnholz, wo das Kind beerdigt werden würde. Sie fragte auch nicht danach.

    Weshalb fragt eine Mutter nach dem Tod ihres Kindes nicht nach der Grabstelle? Eine Mutter, die nicht mal Abschied nehmen durfte? 33 Jahre später, im Esszimmer, trifft Katrin Huhnholz die Frage wie ein Schlag. Ihr Körper verkrampft, sie windet sich, sucht nach Erklärungen. Irgendwann zieht sie sich auf den Satz zurück: „Ich war jung.“

    Sie steckte in der Lehre als Verkäuferin, der Vater ihrer Tochter war gerade mal ein Jahr älter, sie war überfordert. Doch es gab einen Moment, an dem sie damals schon stutzte. Ihre Freundin hatte auch eine Totgeburt, aber die durfte sich von ihrem Kind verabschieden.

    Das wachsende Entsetzen
    1991 wurde ihre Tochter Lisa geboren, lebend. Katrin Huhnholz lag wieder in der Uniklinik, sie erhielt ihre Krankenakte und blätterte flüchtig durch. An einem Blatt blieb sie hängen. Eine Seite mit Angaben zu ihrer offiziell damals seit sechs Jahren toten Tochter. Geburtsgewicht: 3400 Gramm, Größe 50 Zentimeter. „Die Zahlen haben sich eingebrannt.“ 2003 kam ihr Sohn auf die Welt, auch er gesund.

    Als Drama begann für Katrin Huhnholz diese Geschichte 2011. Im Internet stieß sie auf eine Reportage über Zwangsadoptionen und mysteriöse Totgeburten von Säuglingen in der DDR. Betroffene Mütter schilderten, was sie im Krankenhaus erlebt hatten und dass sie auf Ungereimtheiten in Dokumenten stießen. Katrin Huhnholz las mit wachsendem Entsetzen. Zu ihrer Tochter habe sie gesagt: „Das klingt wie bei meinem ersten Kind, das ist haargenau der gleiche Ablauf.“

    Fünf Jahre später stieß sie auf die Facebook-Seite der „IG Gestohlene Kinder der DDR“. Sie las Schicksale, die ihrem ähnelten, und jetzt wollte sie Gewissheit, unterstützt von ihrer Tochter. Auf Ebay schaltete sie eine Anzeige. „Suche Frauen, die am 7. 5. 1985 in der Uniklinik Leipzig geboren wurden.“ Eine Frau antwortete. „Ich wurde am 30. April geboren, geht das auch?“ Eigentlich, erwiderte Katrin Huhnholz, sei das ja das falsche Datum, aber man könne sich ja trotzdem mal austauschen.

    Auf Facebook suchte sie nach einem Bild der Unbekannten. „Sie sah meiner Nichte total ähnlich.“ Katrin Huhnholz schrieb ihr auf Facebook, berichtete über das Schicksal ihrer Tochter, über ihre Zweifel an deren Tod, die andere schrieb zurück, irgendwann fragte Katrin Huhnholz: „Hast du ein Babyfoto von dir?“ Kurz darauf erhielt sie eines.

    Am Esszimmertisch geht ein Ruck durch Katrin Huhnholz, sie erzählt von dem Moment, als sie das Foto sah. „Da ist mir das Herz stehen geblieben.“ Das Baby auf dem Foto sah aus wie ihre eigenen Kinder im Babyalter.

    Nun habe auch die andere Frau wissen wollen, was die Wahrheit ist. Sie verabredeten sich zu Kaffee und Kuchen. Doch am Abend vor dem Treffen sagte die Frau ab. Die Tochter sei krank.

    Am nächsten Tag wurde Katrin Huhnholz von ihr auf Facebook geblockt. Die Verkäuferin war fassungslos. Sie besaß weder Telefonnummer noch Adresse von der anderen.

    War die Blockade Selbstschutz?
    Hatte die Frau Angst vor der Wahrheit? War die Blockade also Selbstschutz? Am einfachsten wäre es ja gewesen, die Mutter dieser Frau zu fragen. Die musste die Wahrheit ja wissen. Aber hätte sie ehrlich geantwortet, wenn sie das Kind heimlich adoptiert hätte? Katrin Huhnholz hat nie erfahren, was die Mutter sagte. Die Frau, die ihrer Nicht so ähnlich sieht, hat dazu jede Aussage verweigert.

    Katrin Huhnholz konzentrierte sich auf Unterlagen, die ihr weiterhelfen könnten. Die Uniklinik Leipzig, Gesundheitsamt, Statistisches Bundesamt, Standesamt, Stasi-Unterlagenbehörde, alle möglichen Behörden und Einrichtungen bat sie um Unterlagen. Oft lautete die Antwort: keine Dokumente vorhanden. Eine Stasi-Akte von ihr wurde nie gefunden.

    Von der Uniklinik Leipzig erhielt sie ihre Krankenakte. Und sofort verstärkte sich Huhnholz’ Verdacht. Das Blatt mit den Geburtsdaten, 3400 Gramm Gewicht, 50 Zentimeter Größe, fehlte. Stattdessen fand sie, unter ihrem Namen, Unterlagen zu einem Baby, das zwar unter jenen Fehlbildungen litt, die angeblich ihr Kind hatte. Aber dieses Baby wog bei der Geburt 1880 Gramm und war 40 Zentimeter groß. „Ich kann mir vorstellen, dass man die Akte eines wirklich gestorbenen Kindes genommen und meinen Namen drauf geschrieben hat.“

    Verschwörungstheorie? Vielleicht. Aber dann erzählt sie die Geschichte mit dem Friedhof. Laut Akten soll ihr Kind auf dem Zentralfriedhof Leipzig begraben sein. Doch die Friedhofs-Verwaltung teilte ihr mit: „Ihr Kind ist hier nicht begraben.“ Nächster Punkt: Vom Statistischen Bundesarchiv erhielt Katrin Huhnholz die Kopie eines Auszugs aus der Lebendgeburt-Statistik der DDR. Neben ihrem Namen steht in der Rubrik „Lebendgeburten“: „Drei.“ Drei? Laut Krankenakte kam Huhnholz’ erste Tochter bereits tot zur Welt, das Kind starb schon im Mutterleib.

    In den Akten findet sich nichts

    Im Sitzungssaal 1228 sitzt zwei Meter neben Laake ein anderer Experte. Der Historiker Christian Sachse, er blickt jetzt sehr mitfühlend, er sagt: „Das tut jetzt einigen verdammt weh.“ Stimmt, Andreas Laake zum Beispiel. Sachse hatte nämlich gerade erklärt: „Wir haben in den Akten keinen einzigen Fall von vorgetäuschtem Säuglingstod gefunden.“

    Und überhaupt: Wie hätte so ein System in der Praxis funktionieren sollen? „So etwas setzt voraus, dass es ein ganzes Krankenhaus mit Inoffiziellen Mitarbeitern hätte geben müssen.“ Hätte es diese fiktiven Tode wirklich gegeben, dann „hätten sie mit Sicherheit Spuren in den Akten hinterlassen“. Haben sie aber nicht. Jedenfalls wurde bislang nichts gefunden.

    Gut, ein schreckliches Szenario hält Sachse für möglich. Jungen Frauen in Jugendwerkhöfen, die gerade ein Kind geboren hatten, wurde gesagt, der Säugling sei bei der Geburt gestorben. Werkhöfe waren das gefürchtete Sammelbecken für Jugendliche, die als schwer erziehbar galten. In Wirklichkeit hätten linientreue Genossen heimlich das Baby adoptiert. Eine Möglichkeit, nicht bewiesen.

    Auch die Expertin Maria Nooke, Brandenburger Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur, muss Laake weh tun. „Wir haben keinen einzigen Fall gefunden, der einen vorgetäuschten Säuglingstod belegt.“ Das gelte auch für die Stasi-Unterlagen-Behörden. Mit entsprechender Sachaufklärung bei Betroffenen könne man sogar Ungereimtheiten bei Unterlagen auflösen. Aber der Verlust eines Kindes, die Trauer, die Ungewissheit über das Schicksal, das alles ist nicht mit Statistik zu bewältigen. Deshalb, sagt Nooke auch, benötigten Betroffene eine psychosoziale Trauerarbeit.

    Die Ängste vor der Wahrheit bleiben

    Auch Katrin Huhnholz kann mit Statistik nichts anfangen. Die hilft ihr nicht weiter, wenn es um ihr eigenes Kind geht. Ihre offenen Fragen bleiben ja. Und so klammert sie sich in Gedanken an die Frau, die als Baby so aussah wie ihre eigenen Kinder. Inzwischen hat sie die Adresse dieser Frau herausgefunden und ihr einen Brief geschrieben. „Mir geht’s nur um den DNA-Test.“

    Doch zugleich tobt in der 53-Jährigen weiter ein innerer Kampf. Die Katrin Huhnholz, die so sehr auf Antworten drängt, die bremst sich zugleich. Die Sehnsucht nach der Wahrheit ist größer geworden, die Ängste vor dieser Wahrheit sind aber immer noch da.

    Sie stand sogar mal vor dem Haus der Frau, sie wollte sehen, wie die lebt. Aber sie nahm keinen Kontakt zu ihr auf. Warum nicht? Da knetet Katrin Huhnholz die Hände, die Antwort kommt erst nach Sekunden. „Der nächste Schritt muss von ihr kommen. Sie hat meine Nummer.“

    Katrin Huhnholz hat noch nicht vergessen, dass in dieser Geschichte nicht bloß sie ein Opfer sein könnte. „Diese Frau“, sagt sie leise, „muss ja auch alles verarbeiten können, wenn herauskommt, dass sie meine Tochter ist.“

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