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  • Berlin auf Mephedron : „Das ganze Berghain hat nach Chemie gestunken“
    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/berlin-auf-mephedron-das-ganze-berghain-hat-nach-chemie-gestunken-l

    Après consommation de la dernière drogue à la mode à Berlin tu pues comne une litière pour chats qui mamque d’attention.

    https://www.youtube.com/watch?v=RZq3_mASEbo


    L’inoubliable Helge Schneider : Katzenklo

    17.11.2024 von Johann Voigt - Auf der Tanzfläche stinkt es danach, und niemand weiß genau, was er sich da eigentlich durch die Nase gezogen hat. Trotzdem erlebt Mephedron gerade einen massiven Hype im Berliner Nachtleben.

    „Das ganze Berghain hat nach Chemie gestunken“, sagt ein Freund zu mir. Es ist Samstagabend, wir sitzen auf der Couch, trinken Tee. Die Vorstellung davon, wie so ein kontaminierter Club riechen könnte, wirkt in diesem rentnerhaften Setting weit entfernt. Sein Schweiß habe noch mehr gestunken als bei anderen Drogen nach seiner letzten „Klubnacht“. Er holt seine Umhängetasche vom Kleiderhaken, hält sie sich unter die Nase und sagt: „Riecht immer noch ein bisschen.“

    Der Grund, warum es in einigen Berliner Clubs zumindest auf den Toiletten mittlerweile nach Ammoniak oder Katzenurin riecht – je nachdem, wen man fragt –, hat mit Mephedron zu tun. „Mephi“ oder „Mephe“ wird in Deutschland immer beliebter. Einige nennen es angeblich auch „Meow Meow“. Klingt ja ganz süß, nach Kätzchen. Aber ist diese Droge wirklich so harmlos?

    Als ich vor etwa drei Jahren zum ersten Mal von Mephedron hörte, dachte ich, es ginge um Crystal Meth. Das kenne ich noch aus meiner Jugend in den 2010er-Jahren in Ostdeutschland. Damals versorgten Meth-Labore aus Tschechien die ganze Gegend. Ich habe genügend Gründe dafür gesehen, warum man sich davon besser fernhält. Stichwort Suchtfaktor und Psychosen. Aber Mephedron, was ist das nun schon wieder?

    Mit Drogen bin ich hauptsächlich in privaten Settings, bei Geburtstagen oder nach einem Dinner konfrontiert. Ich gehe im Jahr vielleicht noch einmal im Quartal feiern, bin dementsprechend nicht auf After Hours und bekomme die neuesten Drogen-Trends nicht als erster mit. In Berlin geht alles ohnehin ziemlich schnell.

    Irgendjemand hat immer eine neue Substanz parat, die im besten Fall noch nicht unters Betäubungsmittelgesetz fällt, dafür aber aufputscht. Mal eine halbe Ecstasy-Pille nehmen? Ist was für Leute, die in den 90ern schon auf der Loveparade getanzt haben. Seit den 90ern hat sich viel getan in Sachen Rauschzuständen aller Art. Heute liegt der Fokus nicht mehr nur auf Speed, Koks und MDMA. Es gibt ein riesiges Spektrum an Substanzen, die als Line auf dem Handydisplay landen können.

    Pferdebetäubungsmittel und K.-o.-Tropfen

    Ketamin, das auch als Pferdebetäubungsmittel genutzt wird, war mal sehr angesagt. An der Charité wurde in den letzten Jahren zu dessen antidepressiver Wirkung geforscht. Viele machen sich damit aber lieber zu immerhin liebenswürdigen Untoten. Wer gemütlich von der Couch aus sehen will, wie das aussieht, sollte den Film „Rotting in the Sun“ von Sebastián Silva sehen, in dem ein depressiver Regisseur auf Ketamin vor sich hin trippt.

    Auf Partys wird es oft mit Koks kombiniert, was dann Keks heißt. Wieder so eine Verniedlichung dafür, dass im Körper beim Mischkonsum zwei konträre Substanzen gegeneinander ankämpfen. Das sei gerade das Spannende, sagen mir Keks-Fans. Wer zu viel davon nimmt, zerstört seine Niere und uriniert im schlimmsten Fall Blut, sagen Ärzte.

    Dann kam GHB. Man muss es penibel mit einer Pipette dosieren. Und weil dunkle Clubtoiletten nicht der Übungsraum des Chemie-Leistungskurses sind, dosieren sich Leute sehr oft über, werden leicht ohnmächtig. 2021 initiierten Akteure aus der Berliner Clubkultur eine Plakatkampagne gegen GHB, weil eine Frau im Suicide Circus an einer Überdosis starb. „Safe Use ist nicht immer die beste Lösung #NoGHB“, war unter anderem zu lesen.

    Rausch ja, aber bitte billig

    Und jetzt also das Amphetamin Mephedron, das man nicht mit der Pipette dosieren muss wie GHB, das einen auch nicht zu einem debil grinsenden Clown macht wie Ketamin. Es wird durch die Nase gezogen, kostet knapp 25 Euro pro Gramm, oft sogar weniger. Rund ein Viertel vom Kokspreis. So viel zum Monetären. Und das ist nicht zu unterschätzen. Denn wenn wir beim Berghain bleiben, ist das weitaus billiger, als sich zu betrinken.

    Weiter mit der Habenseite: Mephedron setzt Dopamin und Serotonin frei. Es wirkt euphorisierend, macht wach, sozial, und wirkt sexuell stimulierend. Nicht die schlechteste Voraussetzung, um auf eine Party in Berlin zu gehen. Auch die Kater seien weniger schlimm als beispielsweise bei MDMA oder Speed, sagen mir Menschen, die Mephedron schon mal genommen haben. Die Droge passt damit wie viele andere Substanzen gut in unsere Leistungsgesellschaft.

    Ende der Zweitausender-Jahre wurde Mephedron in Großbritannien als Badesalz und Pflanzendünger in Onlineshops verkauft. Die Droge erlebte dort einen riesigen Hype - und wurde 2010 schließlich fast überall verboten. Auch in Deutschland fällt sie seitdem unters Betäubungsmittelgesetz, bevor sie sich überhaupt verbreiten konnte. Seit einigen Jahren tanzt Berlin trotz des Verbots auf „Mephi“ und verseucht die Clubluft.

    Und wo ist jetzt der Haken, abgesehen vom Gestank? Ist es nicht egal, ob Menschen, wenn sie sich denn berauschen wollen, nach acht Bieren vom Stuhl fallen oder nach Mephedron-Konsum schlaflos im Bett liegen und die Decke anstarren?

    Mephedron: Niemand kennt die Langzeitfolgen

    Als letztens bei einem Geburtstag irgendwann die Frage aufkam, wer was nehmen will, wollte ich wissen, was es denn gäbe. 4-MMC, sagte jemand. Das ist die offizielle Bezeichnung für Mephedron. Schnell waren alle drauf, redeten enthemmt. Die Wirkung hält etwa zwei Stunden an, aber viele wurden schon nach kurzer Zeit unruhig und legten nach. Auch mein Freund sagt beim Teetrinken: „Man wird richtig gierig.“

    Das große Problem an Mephedron ist: Wer einmal angefangen hat, hört ähnlich wie bei Koks zumindest an diesem Abend so schnell nicht mehr auf. Laut meinem Freund ist man aber deutlich sympathischer unterwegs als im von Koks induzierten Egomodus. „Aber ich habe das Gefühl, die Droge wird von vielen nicht ernst genommen“, sagt der Freund. Denn: Übelkeit, Kopfschmerzen, im schlimmsten Fall auch Wahnvorstellungen können zwar laut Drugchecking Berlin die Folge dieser Maßlosigkeit sein, aber niemand, mit dem ich spreche, hat das je erlebt. Plötzliche Ohnmacht wie bei GHB gehört dagegen nicht zu den Nebenwirkungen. Mephedron erzeugt das Gefühl, sich im Griff zu haben, auch wenn man sich längst nicht mehr im Griff hat, wie viele andere Drogen auch. Aber was ist jetzt neu?

    Es gibt einen großen Haken. Mephedron ist kaum erforscht, die Langzeitfolgen durch den Konsum noch nicht bekannt. Und nur weil Dealer Substanzen als Mephedron verkaufen, heißt das noch lange nicht, dass man auch 4-MMC bekommt. Während bei anderen Drogen die gewünschte Substanz mit Streckmitteln versetzt ist, bekommt man bei Mephedron oft ganz was anderes. Mittlerweile sind unzählige Derivate im Umlauf. Sie heißen 2-MMC oder 3-CMC. Ihre Wirkung ist noch schlechter erforscht, die Folgen sind noch unberechenbarer. Nur 13 Prozent des bei Drugchecking Berlin abgegebenen Mephedrons waren auch wirklich 4-MMC.

    Der Status Quo ist also: Menschen putschen sich mit Substanzen auf, von denen niemand so richtig weiß, was sie langfristig mit einem machen. Was bleibt, ist ein Hype, der ziemlich stinkt. So lange, bis die nächsten neuen Kristalle am Partyhimmel glitzern.

    #Berlin #party #drogues #puanteur

  • Poldi-Döner in Berlin überraschend geschlossen: Ist der Podolski-Imbiss gefloppt?
    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/poldi-doener-in-berlin-ueberraschend-geschlossen-ist-der-podolski-i

    Dichtgemacht: Ist ein Kölner Döner in der Hauptstadt etwa gar nicht willkommen Enno Kramer

    Da hat einer der Dönerflation viel zu weit vorgegriffen. Zu gierig. Sogar auf der Touristenmeile Kottidamm legt keiner 7,50 fürs Döner und achtfuffzig beis Dürüm.

    Vor 25 Jahren gabs Dömer mit Cola für 5 Mark, heute sind 10 Euronen fürs gleiche Gedeck fällig ? Wer hat sein Taschengeld in der Zeit vervierfacht ? Keiner ? Eben. Hau weg den Scheiß. Brauchst du nicht.

    Verdingst euch nach wo ihr herkommt, ins Fussballaballaland oder sonstwo.
    Hauptsache wech.

    6.11.2024 von Enno Kramer - Plötzlich hat Lukas Podolskis Hauptstadt-Döner geschlossen. Wir haben in der Nachbarschaft gefragt, was der Grund dafür sein könnte. Die ist sich uneins.

    Gerade mal ein halbes Jahr nach Eröffnung des Poldi-Döners in Berlin-Kreuzberg sind die Schotten wieder dicht. Wo man bis vergangene Woche noch einen Blick auf Salate, Soßen und Dönerspieß erhaschen könnte, versperrt einem nun ein Metalltor die Sicht. Es habe sich von Anfang an um einen Pop-up-Store gehandelt, erklärt das Unternehmen. Komisch nur, dass in den sozialen Medien bei Eröffnung davon überhaupt nichts zu lesen war.

    „Danke an jeden einzelnen, der gestern mit uns die Neueröffnung der ersten Mangal-Döner Filiale in unserer Hauptstadt Berlin gefeiert hat (sic)“, schrieb das Unternehmen noch am 4. März auf Instagram. Was dort nicht stand: ein Verweis darauf, dass Poldis Döner nur auf bestimmte Zeit die Hauptstadt sattmachen sollen.

    In einer Stellungnahme des Unternehmens Lukndag, das hinter dem Dönerimbiss steht, versichert man, dass der Imbiss zwar „sehr gut bei den Gästen angekommen“ sei, der Laden allerdings von Anfang an als Pop-up-Store geplant gewesen sei. Im kommenden Jahr wolle man gleich mehrere Standorte eröffnen.

    „Zu hohe Preise für ein zu schlechtes Angebot“

    Die Nachbarschaft indes ist sich uneins, was zur Schließung geführt haben könnte. „Das hat einfach nicht funktioniert. Zu hohe Preise für ein zu schlechtes Angebot“, erklärt ein benachbarter Gastronom, der es für „völligen Unsinn“ hält, dass man das Geschäft von vornherein als Pop-up geplant haben soll. Mit knapp sechs Dönerläden in unmittelbarer Umgebung sei die Konkurrenz schlicht zu groß gewesen, mutmaßt der Nachbar.

    Ein Grund für das Schließen sehen einige Passanten in den zu hohen Preisen, die bei Poldi am Kottbusser Damm auf die Karte gerufen wurden. Mit 7,50 Euro für den klassischen Döner und satten 8,50 Euro für einen Dürüm, ist die Mahlzeit im Vergleich zur Konkurrenz in der Tat alles andere als günstig.

    Ein anderer Ladenbetreiber in der Nähe geht davon aus, dass der Imbiss in den nächsten ein, zwei Wochen wieder aufmachen werde. „Die machen den Laden wieder auf. Ich glaube, die hatten irgendwie Probleme mit ihrem Ofen“, erklärt der Mann, der namentlich nicht erwähnt werden möchte. Nur der Name Lukas Podolski soll ab der Wiedereröffnung nicht mehr an der Fassade zu lesen sein, glaubt er.

    Und tatsächlich: Horcht man am heruntergelassenen Metalltor, kann man Geräusche aus dem Inneren hören. Leider lässt sich daraus nicht schließen, ob man hier umbaut oder möglicherweise abbaut. Auf ein vehementes Klopfen reagierte niemand.

    Es ist zum jetzigen Zeitpunkt wahrscheinlich zu früh, um klar sagen zu können, wieso die Dönerbude nun geschlossen hat. Dass es sich allerdings von Beginn an um eine reine Pop-up-Geschichte handeln soll – wie es das Unternehmen schreibt – lässt sich wohl ausschließen. Hat man in dieser Stadt vielleicht nur ein Herz für den „Berliner Döner“?

    #Berlin #Kreuzberg #Kottbusser_Damm #Gastronomie #Döner_Kebab #Inflation #WTF

  • Vier Heiratsanträge hintereinander: Wie mich ein Abend im Berliner Biergarten verstörte
    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/vier-heiratsantraege-hintereinander-wie-mich-ein-abend-im-berliner-

    21.10.2024 von Manuel Almeida Vergara - Ein erzwungener Heiratsantrag bei „Promi Big Brother“ sorgt für Entrüstung. Unseren Autor erinnert die Aktion an einen verhängnisvollen Abend im Tiergarten.

    Das Plüschherz mit der Aufschrift „Marry Me“ war fast noch das am wenigsten peinliche Detail dieser quälenden TV-Minuten: Am Sonntagabend kam es auf Sat.1 zu einem Heiratsantrag, wie er sonst wohl nur zur Anbahnung von Zwangsehen vonstattenginge. Denn die Idee dazu kam gar nicht von Mike Heiter selbst – sondern von den Produzenten der Show „Promi Big Brother“. Aber immer schön der Reihe nach ...

    Zum ersten Mal in der Geschichte des Formats war vor rund zwei Wochen ein Paar gemeinsam in den Container gezogen: die beiden Realitystars Mike Heiter und Leyla Lahour, die sich – na klar – zuvor im Dschungelcamp auf RTL kennengelernt hatten. Am Sonntag wurde Heiter dann auf Geheiß des großen Bruders in einen Nebenraum geführt, in dem Blumendeko, Sektflöten und besagtes Plüschherz auf ihn warteten.

    „Was geht denn hier ab? Hä?“ war Heiters bestechend ehrliche Reaktion. „Du kannst Leyla jetzt und sofort um ihre Hand bitten“, formulierte die Big-Brother-Stimme ihren Vorschlag – der natürlich nicht wirklich ein Vorschlag, sondern eine Vorschrift war. Denn zwischen welchen Optionen hatte man den armen Mann denn wählen lassen? Einen öffentlichen Heiratsantrag machen, auch wenn er das gar nicht unbedingt wollte – oder das Angebot eines öffentlichen Heiratsantrags vor einem Millionenpublikum und vor der eigenen Freundin ausschlagen?

    Eine Wahl zwischen Pest und Cholera – und eine „Big Brother“-Aktion, die von Zuschauerinnen und Zuschauern online scharf als „übergriffig“ und „nötigend“ kritisiert wird. Mich persönlich hat die ganze Chose geradewegs zurückgeführt zu einem verhängnisvollen Sommerabend in Berlin: Vor ein oder zwei Jahren war es, da saß ich mit Freundinnen und Freunden im Café am Neuen See, dem vielleicht schönsten Biergarten der ganzen Stadt.
    Auch im Körnerpark kommt es oft zu öffentlichen Anträgen

    Plötzlich brandete in einer Ecke der großen Bierbanklandschaft Applaus auf: Ein Mann war auf die Knie gegangen, vor ihm eine Frau mit feuchten Augen – ein Heiratsantrag! Fassungslos ob der für uns unsagbar peinlichen Szenen debattierte unsere Runde gerade über öffentliche Heiratsanträge, die ja – ähnlich wie die Geschichte bei „Promi Big Brother“ – nur bedingt mit freier Wahl ... und schon wieder! Dieses Mal gab es Applaus in einer anderen Ecke des Cafés am Neuen See; wieder war irgendjemand auf die Knie gegangen und jemand anderes hatte ein Ja gestammelt.

    Das Ganze wiederholte sich an diesem einen Sommerabend noch zweimal; insgesamt waren wir ungewollt Zeuginnen und Zeugen von vier Heiratsanträgen geworden – alle am selben Abend und im selben Biergarten. Offenbar ist das tatsächlich sehr schöne Café am Neuen See im Tiergarten ein beliebter Ort für derlei öffentliche Liebesfragen. Und offenbar gibt es noch mehr Plätze in der Stadt, die dafür berühmt-berüchtigt sind: Eine Kollegin erzählte mir soeben jedenfalls, im Neuköllner Körnerpark komme es alle paar Tage zu ähnlichen Szenen; mit in Herzform ausgelegten Rosenblättern und all dem unerträglichen Quatsch.

    Öffentliche Heiratsanträge an sich sind schon peinlich genug – noch peinlicher ist doch nur, sie an einem Ort und auf eine Weise auszusprechen, die sich am besten als „redundant“ beschreiben ließe. Wie kann es nur sein, fragten wir uns damals im Café am Neuen See, dass der zweite, der dritte und der vierte Mann sich nicht zu blöd waren, den dusseligen Zinnober, den gerade schon ein anderer Biergartengast vorgemacht hatte, einfach noch einmal durchzuziehen? Und wie konnte es sein, dass sich keine der zugehörigen Frauen dazu durchringen konnte, eine so sichtlich unkreativ ausgestaltete Lebensfrage einfach zu verneinen?

    Eine Antwort auf letztere Frage ist natürlich schnell gefunden: Es ist ein Zwang, der jedem öffentlichen Heiratsantrag innewohnt und die Gefragte zu einer bejahenden Antwort drängt. Denn wäre es nicht noch unangenehmer, ehrlich Nein zu sagen? Wäre es nicht noch peinlicher, wenn die Aktion eben nicht in Applaus, sondern in Gelächter endete? Ist es besser, dem Mann und dem Publikum zu geben, was sie wollen – und die Antwort im Zweifelsfall später zu revidieren? In der Intimsphäre der eigenen Wohnung zum Beispiel, wo solche privaten Fragen übrigens hingehören.
    Bei „Promi Big Brother“ wurde die Übergriffigkeit gleich mal verdoppelt

    „Übergriffig“ und „nötigend“ – diese beiden Begriffe passen nicht nur zu der „Big Brother“-Aktion, sondern tatsächlich zu jedem öffentlichen Heiratsantrag. Der Fragende nötigt die Befragte zu einer öffentlichen Reaktion, die um des lieben Friedens willen meistens positiv ausfällt, auch wenn das womöglich gar nicht der Gefühlslage entspricht. Und im Fall von „Promi Big Brother“ wurde diese Übergriffigkeit eben noch verdoppelt.

    Denn nachdem schon Mike Heiter letztlich dazu genötigt wurde, einen Heiratsantrag im Live-Fernsehen auszusprechen – zuvor hatte er sich sieben Minuten Bedenkzeit genommen, was seine Unsicherheit über die ganze Situation und über die Frage, ob er seine Freundin denn überhaupt heiraten will, verdeutlichte –, wurde ja auch Leyla Lahouar dazu gedrängt, auf diese höchst private Frage in aller Öffentlichkeit zu reagieren.

    „Schatz, ich liebe dich und ich bin mir sicher mit dir. Willst du meine Frau werden?“, hatte der Bräutigam wider Willen herausgestoßen – „ja“, jubelte die Braut, und niemand kann mit Sicherheit sagen, ob dieser Jubel echt oder erzwungen war. Kann so eine glückliche Ehe anfangen?

    Manchmal frage ich mich, was eigentlich aus den vier Paaren vom Café am Neuen See geworden ist. Sind alle Frauen bei ihrem Ja geblieben, oder hat die eine oder die andere nach dem Sommerabend doch noch von Herzen Nein gesagt? Ist es zu allen vier Hochzeiten wirklich gekommen? Und: Saß im Biergarten womöglich noch ein fünfter Mann mit großen Plänen, dem die Sache nach vier Anträgen dann doch einfach zu albern war?

    Café am Neuen See, Lichtensteinallee 2
    https://www.openstreetmap.org/way/46603834#map=18/52.510367/13.344451

    #Bwrlin #Tiergarten #Lichtensteinallee #Gastronomie #Kultur

  • Brutal Berlin : „Das ist nicht mehr meine Stadt“ – eine Abrechnung
    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/brutal-berlin-das-ist-nicht-mehr-meine-stadt-eine-abrechnung-li.225

    Voilà ce que ça donne quand tu regardes "ta ville" d’une perspective de gauche/droite caviar. Tu remarques que tes copines et copains en viellissant se sentent de moins en moins en sécurité. Puisqu’ils en on les moyens ils déménagent à la campagne ou partent à Paris/New York/Tel Aviv, enfin jusqu’à ce que les imbéciles des pays respectifs transforment ces villes en véritables zone de guerre.

    La guerre berlinoise contre les exclus provoque des réactions peu agréables, mais pour le moment nous sommes encore en mesure de lutter contre les origines de l’exclusion sociale. Qu’est-ce que tu veux, New York n’est pas pour tout le monde.

    5.10.2024 von Marcus Weingärtner - Eine Dystopie ist nichts, was in der Zukunft liegt. In Berlin ist sie doch längst zum Alltag geworden. Eine Abrechnung mit dieser Stadt und ihrem Niedergang.

    „Das ist nicht mehr meine Stadt“, sagt die Frau, die neben mir am Gleis steht, als die U8 einfährt. Ich kenne sie nicht, aber gemeinsam mussten wir zusehen, wie sich ein Mann nur ein paar Meter weiter erleichterte. Er pinkelte an die geflieste Wand des Bahnhofs, sein Urin spritzte auf den Boden und bildete eine Pfütze zu seinen Füßen. Wir blickten beide weg. Das ist nicht mehr meine Stadt. Ich verstehe, was die Frau meint.

    Ich habe lange über diesen Satz nachgedacht. Sechs Worte, die genau beschreiben, was auch ich in diesem Moment empfand und was mich schon länger immer wieder beschäftigt. Das ist nicht mehr die Stadt, in die ich mal voller Freude gezogen bin, aus Gründen, die mir abhandengekommen sind.
    Neulich sagte jemand zu mir, diese Stadt würde „verslummen“

    Wer hat sich verändert? Ich oder Berlin? Oft habe ich das Gefühl, dass wir uns auseinanderleben. Ich werde unsicherer, dünnhäutiger, die Stadt wird härter, abweisender. Oder war Berlin vor zehn Jahren noch nicht so runtergekommen? So harsch, dass ich im öffentlichen Raum dauerhaft das leise Summen der Paranoia im Hinterkopf spüre? Woher kommt dieses Gefühl?

    In der Bahn lese ich Polizeimeldungen auf meinem Handy:

    „Einsatzkräfte des Spezialeinsatzkommandos nahmen gestern Abend drei Männer in Prenzlauer Berg fest. Gegen 21.10 Uhr alarmierten mehrere Zeugen die Polizei zu einem Mehrfamilienhaus an der Lilli-Henoch-Straße, da sie dort zuvor in einer Wohnung mehrere Schüsse gehört hatten.“

    „In Gruppen gingen vergangene Nacht mehrere Männer in Britz aufeinander los.“

    „Ein bislang unbekannter Jugendlicher soll gestern Abend in Lichtenberg zwei Männer mit einem Baseballschläger geschlagen haben.“

    „Ein Mann hat gestern Nachmittag in Alt-Hohenschönhausen mehrere Menschen angegriffen. Dem bisherigen Ermittlungsstand zufolge soll der 23-Jährige gegen 14.45 Uhr auf der Hauptstraße zunächst eine 18-Jährige verbal bedroht haben. Anschließend soll er unvermittelt auf die junge Frau zugegangen, sie mit beiden Händen am Hals gewürgt und sie gegen einen Bauzaun gedrückt haben.“

    Solche Meldungen lese ich mittlerweile dutzendfach, jede Woche. Eine Freundin sagt, das wäre schon immer so gewesen. Berlin wäre eine Metropole mit den Problemen, wie sie alle Großstädte plagen. Nur eben mit einer Verzögerung würden in Berlin Dinge ankommen wie Massentourismus, Wohnungsnot und eben auch zunehmende Gewalt und Verwahrlosung. Neulich sagte jemand zu mir, diese Stadt würde „verslummen“.

    Eine Übertreibung, klar. Wer mal einen Slum gesehen hat, weiß, dass das etwas anderes ist als die Gruppe Obdachloser, die am Halleschen Tor in der Uferböschung zeltet. Aber trotzdem denke ich über diesen Satz nach, als ich die Zelte der Obdachlosen auf einer Rasenfläche sehe, auf der ein Feuer brennt, um das circa 15 Männer in abgerissener Kleidung stehen und trinken. Es ist nebelig, nasskalt, eine dystopische Szenerie, die ich mittlerweile an vielen Plätzen in Berlin gesehen habe. Zelte in Parks, Obdachlose unter Brücken, mitten in der Stadt. Trinkgelage, Hoffnungslosigkeit, Aggression.

    Ich fühle mich in Berlin nicht mehr sicher.

    Die Freundin einer Bekannten wurde im Gleisdreieck-Park ausgeraubt. Nicht da, wo die Grünanlage dicht bewachsen und dunkel ist, sondern auf dem Hauptweg, der parallel zu den prächtigen weißen Neubauten verläuft, die in einer Art protzigem Fake-Gründerzeit-Stil den Park säumen. Sie wurde am helllichten Tag von einer Gruppe Jugendlicher vom Rad gezogen und geohrfeigt. Man nahm ihr ihr Geld ab und ließ sie gehen. Anzeige erstatten wollte sie nicht, das wäre doch einzig für die Statistik, und so viel Geld sei es nicht gewesen. Vor der sicherlich traumatischen Erfahrung spricht sie nicht.

    Ich könnte einfach weitere Beispiele aus dem Berliner Alltagsleben nennen. Von Cracksüchtigen und Diebstählen, Dealern im Bahnhof und einem zunehmenden Gefühl der Entfremdung mit dieser Stadt.

    Eine Kollegin erzählte, wie sie in der Hasenheide beim Joggen von arabischstämmigen Jugendlichen beschimpft und bedroht wurde.

    Ein Freund von mir wurde in der S-Bahn in Neukölln von einem Mann mit Palästinensertuch angespuckt, weil er einen Aufnäher in Regenbogenfarben auf dem Rucksack trug. „Ich bring dich um, du Schwein“, soll der Mann gesagt haben. Mein Freund sagte, er sei froh gewesen, dass der Mann ihn nicht auch noch geschlagen habe. Wie bitte? Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, und dafür müsste ich noch nicht mal weitere Polizeimeldungen bemühen, ich könnte einfach weitere Beispiele aus dem Berliner Alltagsleben nennen. Von Cracksüchtigen und Diebstählen, Dealern im Bahnhof und einem zunehmenden Gefühl der Entfremdung mit dieser Stadt, die ich nach rund 25 Jahren als in vielen Teilen dysfunktional und runtergekommen empfinde. Von immer mehr Menschen, die ich nicht mehr als Bereicherung für diese Stadt, sondern als Bedrohung empfinde.

    Legende, die sich vom Speck der Vergangenheit nährt

    Ist eine Dystopie eigentlich nur das Gegenteil einer friedfertigen Zukunft, etwas, das erst kommt? Wenn ich nach einem Tag in Berlin meine Wohnungstür schließe und durchatme, bin ich mir da nicht mehr so sicher. Mittlerweile empfinde ich Berlin als eine Stadt, die irgendwie zerbröselt. In verschiedene Gesellschaften, in Teile und Communitys, die einander meiden. Die ohne Sympathie und Verständnis aufeinander herabsehen, auf die Abgehängten, die Menschen aus anderen Ländern, vor allem auf die, die nicht der westlichen Welt zuzurechnen sind. Als ich nach Berlin kam, war das anders. Aber da war auch die Welt eine andere.

    Man kann das alles als zynisch betrachten, als Wehleidigkeit auf sehr hohem Niveau. Aber nach 25 Jahren in dieser Stadt kann ich die immer gleiche, reflexartige Leier nicht mehr hören, nach der Berlin so liberal sei, so frei, eine Heimat für jeden, der nur will.

    Denn: Es ist nicht wahr und nährt sich noch immer vom Speck vergangener Zeiten, goldenen 20ern und hedonistischen 90ern und dem längst zu Asche zerfallenen Arm-aber-Sexy-Image der 2000er. Auch das ist Berlin – ängstlich am Überkommenen hängend und daraus ein heimeliges Image zimmernd, das aber tagtäglich auf den Straßen dieser Stadt zusammenklappt. Eine Art Volkstheater für Touristen und ein bisschen Balsam aufs Gemüt aller, die hier leben. Berlin, das ist auch ein wurstiges Schulterzucken ob all der Probleme, die mittlerweile so virulent sind, dass man sich wundert, dass trotzdem irgendwie alles seinen Gang geht zwischen Verrohung und Verwahrlosung im öffentlichen Raum. Trotz all der bräsigen Bürokratie, der Wohnungsnot und dem altbackenen Beharren auf dem Analogen. Hier ist man mittlerweile doch schon zufrieden, wenn die Bahn pünktlich kommt und die Fahrkarten-App funktioniert.

    Mittlerweile ziehen Bekannte und Freunde wieder weg, zu genervt von der Stadt. Überall sei es sauberer und angenehmer als in Berlin, so die einhellige Übertreibung. Anderswo hätte man das Gefühl, eine Zukunft zu haben, in der deutschen Hauptstadt regiere der Stillstand. Und das wäre noch nicht mal das Schlimmste. Sie habe Berlin sehr genossen, aber hier würde sie nun nichts mehr halten, erzählte mir eine Freundin, die für längere Zeit ins Ausland ging. Ihr Berlin-Feeling sei schal geworden, der Lack ab und sie könne jetzt genau sehen, was hier alles verpennt worden sei in den vergangenen Jahren, sagte sie bei einem Frühstück in einem Café in Prenzlauer Berg. Ich verstehe sie gut.

    #Berlin #sécurité #exclusion_sociale

  • Katrin Bauerfeind über Berlin: „In keiner anderen Stadt sind die Leute so aggressiv“
    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/katrin-bauerfeind-ueber-berlin-in-keiner-anderen-stadt-sind-die-leu

    23.9.2024 von Anne Vorbringer - Katrin Bauerfeind ist froh, dass sie nach Berlin gezogen ist, sagt aber auch, sie würde hier nicht alt werden wollen. Was sie an der Stadt stört – und welche Orte sie feiert.

    Es gibt eine Folge der Show „Late Night Berlin“, da sitzen Klaas Heufer-Umlauf und Katrin Bauerfeind zu zweit an einem Restauranttisch und spielen ein Spiel. Die Aufgabe: Jeder bekommt abwechselnd eine Rolle zugewiesen und muss diese von jetzt auf gleich einnehmen, ohne dass dabei der normale Restaurant-Smalltalk abebbt.

    Bauerfeind, in Sachen Fernseh-, Podcast- und sonstiger Unterhaltung mit allen Wassern gewaschen, beginnt in der Rolle als schwäbelnde Bachelorette-Kandidatin. Eine Steilvorlage für die gebürtige Aalenerin, deren Spielpartner es sichtlich schwerfällt, mit ernster Miene am Tisch zu verharren – spätestens, als Bauerfeind ihm als frustrierte Lebenspartnerin entgegenwettert: „Jetzt hasch du des in dr Dragweide erfasst.“

    In unserem Berlin-Fragebogen wollten wir natürlich von der Moderatorin, die gerade mit dem neuen ProSieben-Format „Die Superduper Show“ auf Sendung gegangen ist, auch wissen, welche Schwaben-Klischees sie erfüllt und wie es sich mit entsprechendem Migrationshintergrund in Berlin so lebt.

    1. Frau Bauerfeind, Sie sind 600 Kilometer entfernt von Berlin im Schwäbischen aufgewachsen. Warum hat es Sie hierher verschlagen?

    Ich wollte einfach immer mal in der Hauptstadt leben. Ich war davor in Köln und beruflich viel in Berlin und immer, wenn man dachte, da vorne ist ein Brillenladen mit ausschließlich 70er-Jahre-Gestellen, da will ich mal hin, genau dann ging mein Flieger, und in Köln gab es dann nur Mainstream-Optiker. Irgendwann hatte ich die Faxen dicke und bin einfach hergezogen.

    2. Als Wahlberlinerin mit schwäbischer Herkunft stößt man in dieser Stadt auf eine Menge Klischees – welche davon erfüllen Sie?

    Bestimmt alle. Als die schwäbische Familie zum ersten Mal da war, sagte jemand: Berlin, weißte, wär schon schön, wenn nicht alles so angemalt wäre. Gemeint waren Graffitis. Hab sehr gelacht, hab das Kehrwochen-Gen natürlich auch in mir und denke, die Menschen könnten wirklich netter zu Berlin sein und nicht jeden Kaffeebecher da fallen lassen, wo sie ihn leer trinken.

    3. Ist Ihnen tatsächlich auch mal Unmut entgegengeschlagen?

    Nur im Kiosk im Prenzlauer Berg hat mich mal einer beschimpft, weil ich aus, seine Worte, „Schwabylon“ bin. Da ich aber Instant-Kaffee gekauft habe, statt, wie der Mann mir unterstellt hat, „du kaufst doch sicher Champagner“, fand er mich dann doch noch ganz okay.

    In Katrin Bauerfeinds „Die Superduper Show“ inszenieren Annette Frier, Bill und Tom Kaulitz, Edin Hasanovic und ein wöchentlich wechselnder Promi jeweils eine Mini-Show, zu der Kinder die ausgefallenen Ideen liefern. Die nächsten Folgen sollen 2025 ausgestrahlt werden.

    4. Wenn Sie Sehnsucht haben nach Ihrer Heimat – wo können Sie in Berlin dieses Heimweh lindern?

    Überall dort, wo es Maultaschen gibt. Und in den Schwarzwaldstuben in der Tucholskystraße.

    5. Welcher ist Ihr Lieblingsort in der Stadt?

    Das ja das Problem an Berlin. Es gibt zu viele. Ich mag die Insel der Jugend, den Kollwitzkiez, den Weg entlang der Friedrichstraße, weil’s mich historisch jedes Mal umhaut. Valentinswerder ist super, der Schlachtensee und der Holzmarkt.

    6. Ihre persönliche No-go-Area?

    Hab ich nicht. Wirklich nicht eine.

    7. Wo in Berlin wollten Sie immer schon mal hin, haben es aber noch nie geschafft?

    Auch hier ist die Liste endlos. Ich hab eine Notiz im Handy mit „Schönes Berlin“, da sind Restaurants drin, Sehenswürdigkeiten oder auch Seen. Ich hab manchmal das Gefühl, ich werde nie alles schaffen. Ich war noch nie oben im Fernsehturm. Als ich in Köln war, war ich nie im Dom. Das ist mein Vorsatz, die Stadt nicht immer nur den Touris zu überlassen. Spätestens 2025 bin ich auf dem Fernsehturm.

    Robert Stadlober über Berlin: „Die Stadt wird ohne Rücksicht verkauft und glattgebügelt“

    8. Ein Abend mit Freunden – in welchem Restaurant wird reserviert?

    Das ist auch mies, sich da entscheiden zu müssen. Aber ich denke, einer meiner absoluten Lieblingsläden ist das eins44 in Neukölln. Der zweite Hinterhof ist zauberhaft schön, das Essen ist fantastisch, der Service grandios. Ich hab da viele unvergessliche Abende gehabt.

    9. Einkaufen in der Stadt: In welchem Store kennt Ihre Kreditkarte kein Limit?

    Der Secondhandladen Soeur im Prenzlauer Berg. Das ist irgendwie ein Erlebnis. Alle beraten alle, wildfremde Menschen schreien „Nehmen Sie das, das sieht toll aus, sonst nehme ich es!“ Und am Ende haben alle die Tüten und die Herzen voll, weil das so froh macht.

    10. Der beste Stadtteil Berlins?

    Kreuzberg. Ehrlich, direkt, unangepasst, unaufgeregt und bisschen dreckig. Ich mag es da sehr, es entspricht mir und meiner Idee von Berlin vielleicht am meisten. Es war mir da noch nie langweilig irgendwo, Kreuzberg nutzt sich einfach nicht ab.

    11. In welches Viertel bringen Sie keine zehn Pferde?

    Steglitz ist nicht meine erste Adresse. Da weiß ich nie so genau, was man da soll, außer wohnen. Aber ich hab’s mir natürlich angeschaut, und auch da finden sich ganz fantastische Cafés und Läden, deswegen muss man in Berlin eigentlich jedem Stadtteil eine Chance geben, sonst verpasst man was.

    12. Was nervt Sie am meisten an der Stadt?Die Aggressivität ist nicht normal. In keiner Stadt, und da möchte ich fast sagen, weltweit, sind die Leute so aggressiv und hart. Ich verstehe wirklich nicht, warum sich die Leute zum Beispiel im Straßenverkehr nicht im Griff haben. Und ich bin der Meinung, dass man politisch, wo immer man verkehrstechnisch cleverer planen und das Zusammenleben erleichtern kann, dringend handeln sollte. Und den Leuten will man sagen: Schmeiß deinen Müll nicht überall hin und keine Räder in die Spree, fahr anständig, versuch es erst mit Höflichkeit statt Ausrasten, verdammt nochmal!

    13. Kommen vs. Gehen: Nach Berlin ziehen oder es lieber bleiben lassen?

    Ich bin froh, dass ich es gemacht hab, aber ich würde hier nicht alt werden wollen. Also, wenn Sie kommen, kommen Sie jung.

    Zur Person

    Katrin Bauerfeind kam 1982 in Aalen zur Welt. Ihren ersten Fernsehauftritt hatte sie im Februar 2007, als sie für 3sat das Berlinale-Journal moderierte. Von 2009 bis 2011 war sie Teil des Teams von Harald Schmidt in dessen Late-Night-Show, außerdem moderierte sie das nach ihr benannte Popkulturmagazin „Bauerfeind“ auf 3sat. Aktuell führt die 42-Jährige durch die Finalsendungen des seit 2021 ausgestrahlten ProSieben-Formats „Wer stiehlt mir die Show?“. Seit zwei Jahren erscheint zudem auf allen gängigen Plattformen der Podcast „Bauerfeind + Kuttner“, ein Talk-Format mit ihrer Berliner Kollegin Sarah Kuttner.

  • Mockridge in der Kritik: Witze über Menschen mit Behinderung – Janis McDavid zieht Grenzen
    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/witze-ueber-menschen-mit-behinderung-kann-man-machen-aber-nicht-wie

    10.9.2024 von Enno Kramer - Der Aktivist und Autor Janis McDavid erklärt im Interview, wo die Grenze zwischen Humor und Diffamierung liegt - und wie sie der Komiker Mockridge überschritten hat.

    Nach seinen abfälligen Äußerungen über Athleten bei den Paralympischen Spiele in Paris ist der Comedian Luke Mockridge in die Kritik geraten. Als Folge auf seine zweifelhaften Aussagen ergriff der Fernsehsender Sat. 1 bereits erste Maßnahmen und setzte eine Show mit dem Komiker ab; auch das Stand-Up-Format „NightWash“ strich einen Auftritt Mockridges.

    Zuvor hatte der Komiker in dem Podcast „Die Deutschen“ unter anderem gesagt: „Es gibt Menschen ohne Beine und Arme, die wirft man in ein Becken – und wer als Letzter ertrinkt, der hat halt gewonnen.“ Auch zur Entstehung der Paralympics äußerte sich der 35-Jährige: „Abgefahren! Der Erste, der ein anderes Land angerufen hat und gesagt hat: Ey, du kennst doch die Olympischen Spiele. Ich habe eine ähnliche Idee. Ihr habt doch auch Behinderte in eurem Land. Sollen wir mal schauen, wer Schnellere hat?“

    Für diese fragwürdigen Scherze erntet Mockridge seit vergangenem Wochenende heftige Kritik. Eine Entschuldigung des Komikers, in der er die Äußerungen einzuordnen versucht, folgte am Sonntag – und löste einen weiteren Shitstorm aus. Wir haben mit Janis McDavid gesprochen, einem Autor und Botschafter, der ohne Arme und ohne Beine zur Welt gekommen ist. Über die Aussagen des Comedians zeigt auch er sich schockiert. Doch Menschen mit Behinderungen überhaupt nicht humoristisch einbinden? Das gehe auch nicht, meint er im Interview.

    Herr McDavid, am Sonntag sind die Paralympischen Spiele in Paris zu Ende gegangen. Wie beurteilen Sie die Resonanz in diesem Jahr?

    Mein Eindruck ist, dass die Aufmerksamkeit rund um die Paralympics in den vergangenen Jahren sehr stark zugenommen hat. Ein klarer Beleg dafür sind die Livestreams des ZDF oder der ARD, die teilweise zu den besten Sendezeiten übertragen haben. Auch im Allgemeinen habe ich das Gefühl, dass sehr viel mehr darüber gesprochen wurde – soweit ich das beurteilen kann. Natürlich sind wir noch weit davon entfernt, so viel Aufmerksamkeit zu bekommen wie die Olympischen Spiele, aber ich würde sagen, dass die Paralympics ein großes Stück aufgeholt haben.

    Wie ordnen Sie die Äußerungen des Comedian Luke Mockridge zu den Spielen ein?

    Mein Statement ist kurz: Das geht gar nicht. Viel mehr will und vor allem kann ich dazu nicht sagen – es bietet einfach keine Grundlage. Dieses Video ist an Dummheit, an Diffamierung und an Respektlosigkeit kaum zu überbieten. Schon sehr lange habe ich so etwas nicht mehr erlebt. Ich erinnere mich an dunkelste Zeiten aus meiner Kindheit – da gab es ähnliche Geschichten. Eigentlich hatte ich aber die Hoffnung, dass wir in den vergangenen Jahren ein ganzes Stück weiter vorangekommen sind.

    Mockridge behauptet in einem Statement, der paralympische Sportler Mathias Mester hätte mit ihm zusammen die Witze erarbeitet. Dieser allerdings hat sich von den Vorgängen nun distanziert. Aber hätte das gemeinsame Schreiben von Witzen diesen Fall überhaupt besser gemacht?

    Ich kenne die inhaltlichen Abwicklungen zwischen Herrn Mester und Herrn Mockridge nicht, deswegen kann ich mich dazu nur bedingt äußern. Allerdings beobachte ich bei Debatten darüber, was Humor alles darf und wo seine Grenzen sind, immer wieder einen gravierenden Denkfehler: Nur weil möglicherweise ein Mathias Mester – oder auch ich – einen teilweise derben Humor hat, bedeutet das noch lange nicht, dass ein Comedian, der keine Behinderung hat, diese Witze wiederholen darf. Und außerdem: Nur weil etwas in einer Stammkneipe unter Freunden gut funktioniert, heißt das noch lange nicht, dass wir alles in die Öffentlichkeit tragen müssen. Genau hier sollte Herr Mockridge eigentlich Profi genug sein, um das zu wissen.

    Luke Mockridge hat sich mittlerweile über Instagram für seine Witze entschuldigt.

    Seine Entschuldigung finde ich ebenfalls grenzwertig. Das liegt in erster Linie daran, dass er im gleichen Atemzug eine Rechtfertigung mit ins Spiel bringt. Grundsätzlich wäre ich immer sehr vorsichtig, wenn eine Entschuldigung mit einer Rechtfertigung verknüpft ist. Entweder man entschuldigt sich richtig oder man rechtfertigt sich. Da muss man sich dann aber entscheiden.

    Glauben Sie, dass es ebenso viel Kritik für die Witze gegeben hätte, wenn sie nicht von Luke Mockridge gekommen wären, der in der Vergangenheit mehrfach negativ aufgefallen war?

    Ich glaube, jeder hätte für diese Aussagen Schelte bekommen. Für mich ist das, was da passiert ist, schlicht und ergreifend kein Humor. Nur weil drei Typen sich in Schuljungen-Manier begackern, heißt das noch lange nicht, dass es sich um Humor handelt. Eigentlich müsste hier eine völlig andere Bewertung vorgenommen werden, weil es sich meines Erachtens weder um Satire noch um Humor handelt, sondern um bloße Diffamierung.

    Witze über Menschen mit Behinderungen machen – geht das denn überhaupt?

    Ich finde, dass wir alle von dem Film „Ziemlich beste Freunde“ lernen können: Hier wurde unheimlich viel richtig gemacht. Anders als das Video von Mockridge ist dieser Film auch von der betroffenen Community geliebt worden – ich selbst war dreimal im Kino und habe den Film auch noch viermal zuhause geschaut! Das zeigt vielleicht, wie viel weiter wir 2011 eigentlich schon waren und was für einen Rückschritt wir hier mit diesem Video erleben müssen.

    Wo ziehen Sie denn die Grenze zwischen Humor und Diffamierung?

    Ich bin davon überzeugt, dass es keine klare Grenze gibt – und auch nicht geben kann. Das liegt vor allem daran, dass Humor und Satire gesellschaftliche Aushandlungsprozesse sind. Ich glaube, Respekt ist der wichtigste Faktor.

    Hätte Luke Mockridge die Paralympischen Spiele denn in irgendeiner Weise „richtig“ zum Thema machen können?

    Wenn man unbedingt Satire zu den Paralympics machen will, dann sollte man sehr vorsichtig sein, weil man sich emotional und moralisch auf sehr gefährlichem Terrain bewegt. Deswegen verbietet es sich für jemanden, der nicht Teil der Community ist, fast ganz, Witze darüber zu machen. Gelegentlich muss man als Comedian doch für sich selbst feststellen: Manche Dinge kann ich einfach nicht machen. Es gibt aber jede Menge Möglichkeiten, wie man die paralympischen Spiele humorvoll thematisieren kann. Man könnte sich beispielsweise die Reden der Direktoren vornehmen, man könnte sich der Ironie annehmen, dass die Spiele gerade in Paris stattfinden – einer Stadt, deren ÖPNV extrem wenig barrierefrei ist. Oder man kann darauf eingehen, dass im neuen Haushalt der Bundesregierung die Fördergelder für den Parasport schon wieder gekürzt wurden. Wieso man sich allerdings ausgerechnet die Athletinnen und Athleten raussucht, um über sie Witze zu machen, kann ich nicht verstehen.

    Mockridge behauptet in seinem Entschuldigungs-Post auf Instagram, Mitleid sei „die schlimmste Form der Ausgrenzung“. Stimmen Sie zu?

    Ja, in diesem Punkt würde ich ihm sogar zustimmen. Ich finde grundsätzlich, dass man über alles Witze machen darf, auch über Menschen mit Behinderungen – wenn es denn die richtigen Witze sind. Natürlich wäre es noch diskriminierender, wenn man bestimmte Gruppen überhaupt nicht thematisiert.

    Zur Person - Janis McDavid

    Der Motivationsredner, Autor und Aktivist ist im Jahr 1991 in Hamburg geboren. Er kam ohne Arme und Beine auf die Welt und nutzt seit seiner Kindheit einen Rollstuhl. Der studierte Wirtschaftswissenschaftler hat das Buch „Dein Bestes Leben: Vom Mut, über sich hinauszuwachsen und Unmögliches möglich zu machen“ geschrieben und ist unter anderem als Sprecher und Berater zu Inklusionsthemen aktiv. Privat ist er begeisterter Rennfahrer; zuletzt hat er außerdem mit dem Schwimmen angefangen. Seitdem ist Janis McDavid Botschafter für die „Stiftung Deutschland schwimmt“.

  • Leon Windscheid über Berlin: „Ich komme in keinen Club, würde aber gerne mal“
    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/leon-windscheid-ueber-berlin-ich-komme-in-keinen-club-wuerde-aber-g

    Der Millionär spricht.

    9.9.2024 von Anne Vorbringer - Leon Windscheid ist Psychologe, Millionengewinner und Teilzeit-Berliner. Als solcher würde er gern Berghain, Sisyphos und Co. besuchen. Warum hat’s nicht geklappt?

    Viele werden sich noch daran erinnern; schließlich kommt es nicht sehr oft vor, dass jemand bei Günther Jauchs Show-Dauerbrenner „Wer wird Millionär?“ den Hauptgewinn abräumt. Seit 25 Jahren wird die Sendung ausgestrahlt – aber nur 13-mal lösten Kandidaten die Millionenfrage, die Prominenten-Specials nicht mitgerechnet.

    Am 7. Dezember 2015 war es für Leon Windscheid so weit: Als elfter Kandidat regnete es für ihn das Millionen-Konfetti; von seinem Gewinn kaufte er ein Schiff, das er einem Versprechen an den Moderator folgend nach Günther Jauch benannte. Heute betreibt Windscheid die „MS Günther“ als Event- und Kulturlocation in Münster.

    Doch der Psychologe hat noch viele andere Tätigkeitsfelder. Er schreibt Bücher, macht Podcasts und moderiert verschiedene TV-Formate. So erkundet er aktuell für die ZDF-Reihe „Terra X“ die Geschichte großer Metropolen und ist dafür unter anderem in New York, Istanbul und Paris unterwegs.

    Mit Metropolen kennt sich der 35-Jährige auch privat ganz gut aus, wie er in unserem Berlin-Fragebogen verrät. Seinen Lebensmittelpunkt hat Windscheid zwar in Münster, doch er wohnt auch in Berlin; in Neukölln, um genau zu sein. Wir haben ihn gefragt, welche Vorzüge – und Nachteile – beide Städte mit sich bringen.

    1. Herr Windscheid, Sie kommen aus Bergisch Gladbach, sind in Solingen aufgewachsen und haben in Münster studiert. Warum hat Ihr Weg Sie nach Berlin geführt? Ich habe vorher auch noch in Frankreich, in Spanien und dann in Istanbul gelebt. Danach wollte ich den Trubel der großen Stadt. Zuerst bin ich nach Prenzlauer Berg gezogen, dann nach Neukölln an die Sonnenallee, was Istanbul natürlich deutlich näherkommt.

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    2. Inzwischen leben Sie in Münster und Berlin. Wie kommt es denn zu dieser Mischung?

    Was mir in Münster an Metropole fehlt, finde ich in Berlin – und wenn ich mich in Berlin nach Ruhe sehen, dann geht es zurück nach Münster.

    3. Münster gilt allseits als beliebte und lebenswerte Stadt, auf Berlin hingegen wird immer gern draufgehauen. Betreiben Sie auch manchmal Hauptstadt-Bashing?

    Nein! Wobei ich manchmal kurz davor bin, wenn ich in Neukölln am selben Tag zweimal in einen Haufen trete.

    4. Wie viel von Ihrem „Wer wird Millionär“-Gewinn haben Sie eigentlich in der Hauptstadt investiert?

    Die Million fährt als „MS Günther“ in Münster auf dem Kanal.

    Infobox image

    Florian Breier/ZDF

    Zur Person

    Leon Windscheid hat Psychologie studiert und im Bereich Wirtschaftswissenschaften promoviert. Bereits zu Schulzeiten machte er sich als Eventmanager selbstständig. Große mediale Aufmerksamkeit erreichte der Sohn eines Lehrerehepaars, als er 2015 bei „Wer wird Millionär?“ eine Million Euro gewann.

    Seit 2023 moderiert er einzelne Ausgaben des ZDF-Reportageformats „Terra Xplore“. Dort beschäftigt er sich im September mit dem Thema toxische Männlichkeit. Seine drei „Terra X: Weltstädte“-Folgen über New York, Istanbul und Paris sind in der Mediathek abrufbar, im ZDF werden sie ab dem 8. September jeweils sonntags um 19.30 Uhr ausgestrahlt. Ab Herbst geht Windscheid dann mit seinem neuen Live-Programm „Alles Perfekt“ auf Tour, damit gastiert er am 6. April 2025 im Berliner Tempodrom.

    5. Welcher ist Ihr Lieblingsort in Berlin?

    Ich mag die Parks, aber vor allem das Tempelhofer Feld mit seiner Weite. Da gibt es einen ganz wilden Garten mit Möbeln aus Sperrmüll und Paletten. Genau so mag ich’s!

    6. Ihre persönliche No-go-Area?

    In Mitte ist es mir oft zu voll. Aber No-go-Areas habe ich nicht.

    7. Wo in Berlin wollten Sie immer schon mal hin, haben es aber noch nie geschafft?

    Ich komme in keinen Club, würde aber gerne mal. Im Sisyphos wurde ich abgewiesen, nach drei Stunden Anstehen. Weil ich nicht wusste, wie die Floors heißen. KitKat: abgewiesen, weil Outfit zu spießig. Im Berghain habe ich es nach alldem nicht mal versucht. Im Matrix hat’s geklappt, das spricht für sich.

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    8. Ein Abend mit Freunden – in welchem Restaurant wird reserviert?

    Ammazza che Pizza am Maybachufer. Das ist ein Hipster-Hotspot, aber die Pizza ist wirklich gut. Plus direkt am Kanal. Ich mag das wuselige Drumherum.

    9. Einkaufen in der Stadt – in diesem Store kennt Ihre Kreditkarte kein Limit:

    Dear, ein kleiner Secondhandshop in der Stargarder Straße in Prenzlauer Berg. Der ist echt wunderschön. Ich kaufe aber nicht wirklich viel Klamotten.

    10. Der beste Stadtteil Berlins – von diesem Kiez kriege ich nie genug:

    Der Körnerkiez in Neukölln! Bei mir um die Ecke, ehrlich, bodenständig.

    11. Das nervt mich am meisten an der Stadt:

    Wenn die Hitze im Sommer zwischen den Häusern steht. Dann wünsche ich mir die Felder von Münster.

    12. Kommen vs. Gehen: Nach Berlin ziehen oder es lieber bleiben lassen?

    19,50 Euro Miete pro Quadratmeter im Median und damit Platz zwei hinter München – ich mache mir eher Sorgen, dass die, die da sind, es sich bald nicht mehr leisten können.

  • „Wie kaputt ist diese Stadt!“ Ein Heimkehrer erkennt Berlin nicht wieder
    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/wie-kaputt-ist-diese-stadt-ein-heimkehrer-erkennt-berlin-nicht-wied

    Echt ?

    26.8.2024 von Timo Feldhaus - Verlassen Sie diese Stadt nie oder gehen Sie für immer. Unser Autor kommt nach dem Urlaub zurück nach Berlin und versteht die Welt nicht mehr.

    Wochenlang war ich nicht hier gewesen. Seitdem ich vor über 2o Jahren nach Berlin gezogen bin, war ich überhaupt zum allerersten Mal so lange weg. Und heute kann ich Ihnen raten: Tun Sie selbst das bloß niemals. Bleiben Sie für immer hier, oder ziehen Sie sofort weg. Aber kehren Sie nicht zurück! Denn nachdem man im Ausland war, wie ich etwa wochen- oder sogar monatelang in Italien, und die wunderbar erfrischten Augen dann wieder auf die Realität dieser Stadt treffen, kommt man gar nicht mehr klar.

    Denn man erkennt plötzlich, wie es hier wirklich aussieht. Nach vierzehn aufreibenden Stunden Heimfahrt, im Auto durch halb Europa, bog ich von der Stadtautobahn letztlich ab Richtung Neukölln, um meine Schwester in ihrem Viertel abzuladen. Kreuzkölln, immerhin eines der beliebtesten Viertel der ganzen Welt. Aber was zur Hölle ist denn hier los?

    Auf der Straße nur Möchtegerngangster oder Besoffene mit Bierflaschen, die mit leeren Augen und in asymmetrischen Secondhand-Klamotten umhertorkeln. Daneben läuft gehäuft der Typ „smarter Zalando-Mitarbeiter“ – international, gutes English, er möchte Spaß der Sorte haben, wie ihn Trip-Advisor vorschlägt. Zwischen diesen Menschen und denen der mehrheitlich arabischstämmigen Bevölkerung gibt es keine Beziehung oder Erkennung, nur indische Wolt-Fahrer, die mit dem Elektrorad zwischen ihnen hindurchheizen. Mit schwerem Kopf, die entzündeten Augen auf die Straße gerichtet, erinnerte ich mich: Während der Europameisterschaft hatte ich niederschmetternde Verrisse des Standorts Deutschland gelesen, nichts würde hier mehr funktionieren.

    Vorbei am Sperrmüll und anderen, völlig undefinierbaren Müllbergen auf allen Straßen, fahre ich dann über den Kotti, Himmelherrgott. Wieso war mir vorher nie aufgefallen, wie kaputt und fertig hier alle sind. Also, man wusste es natürlich, aber war es in den vergangenen Wochen einfach noch viel schlimmer geworden? Mir lief eine Frau fast vors Auto; wenn mich nicht alles täuschte, hing ihr noch eine Spritze aus dem Arm, von dem Blut auf den heißen Teer der Straße tropfte.

    Aber niemanden interessiert das. Die Passanten schauen einfach daran vorbei. Als gäbe es all das nicht. Als wäre es gar nicht real!

    Ich rieb mir die Augen. Ja, mit der Zeit muss man sich offenbar an all die Tristesse und Armut gewöhnen und dermaßen abstumpfen, dass man nichts mehr erkennt. Dass man das für völlig normal hält. Auch ich würde wohl bald wieder solche Zombieaugen haben wie all die Leute hier, die offenbar jeden Halt im Leben verloren hatten. Wie eine apokalyptische mittelalterliche Karawane wanken sie durch Kreuzberg.

    Genau einen Tag nach meiner Rückreise lese ich den Blog (schön, dass es sowas noch gibt) des Edel-Exjournalisten Moritz von Uslar, der mittlerweile in einem Wald lebt, und von dort in einem eigentlich gar nicht mehr existierenden Ton melancholischer Popliteratur, gepaart mit herrlich ehrlichen Midlife-Crisis-Etüden, offenbar auch gerade zurückgekehrt war aus seiner Heimatstadt Berlin und folgende „Meldung“ notierte:

    „Zu Berlin und allen klassischen Berlin-Themen – ist es Scheiße hier? War es eventuell schon immer Scheiße? – habe ich mittlerweile dieselbe Meinung, auch dieselben Ressentiments, dieselbe Abscheu und vor allem dieselben Ängste wie der hinterletzte Neonazi aus dem Erzgebirge. Ich sehe überall:

    Kaputte
    sonstige Kaputte
    Drogensüchtige
    Party-Leichen
    Party-Leichen aus schwäbischen Dörfern
    Party-Leichen aus Osteuropa
    Party-Leichen aus Island und Skandinavien
    gewöhnliche Crack-Süchtige
    Veganer
    Hanf-Verblödete
    Total-Verwirrte
    Vollgesabberte
    Gepiercte
    U-BahnfahrerINNEN, die aus Prinzip nicht duschen
    verblödete Linken-Wählerinnen
    1977 Zugezogene
    Psychotherapie-Freaks
    Transgender-Aktivistinnen
    Heulsusen
    Kleinkünstler
    sonstige Lebenskünstler
    Lastenrad-Opfer
    Bioladen-Heulsusen
    V-Schuhe-Trägerinnen
    ZEIT-Online-Leserinnen (Haha)
    sonstige Sandalenträger
    Salafisten
    Bibelchristen
    Jesus-Freaks
    Tantra-Sex-Freaks
    Free-Palestine-Aktivistinnen
    Clan-Mitglieder aus Arabien
    Clan-Mitglieder aus Vietnam
    Clan-Mitglieder aus Tschetschenien

    Scheiße!“

    Mein Nervenkostüm war lädiert, keine Frage, aber mir schien, der Autor könnte wohl etwas recht haben. Auf meiner Autofahrt, bei der ich komplett erledigt nur noch irgendwie nach Hause zu kommen suchte, hupte ich nun, kurz vor dem Ziel, wie in Italien gelernt, sanft ein Auto an, das mitten auf der Straße einfach stehen geblieben war – ein geräumiger nagelneuer Porsche Cayenne. Wir machen das so in Italien, es bedeutet nicht viel, ein nettes Huup hup. Die Hupen der kleinen italienischen Autos sind viel leiser als hier im brutalen Deutschland, fiel mir auf.

    Kreuzkölln, der beste oder der schlimmste Ort der Welt?

    Als ich das Auto dann jedenfalls überholte, gab mir der wutschnaubende Fahrer, der genauso aussah wie Kida Khodr Ramadan, eindeutigen Zeichens zu erkennen, dass er mich baldmöglichst zertreten möchte wie eine Küchenschabe. Er schien vor Wut zu kochen und machte immer wieder ein Würgezeichen an seinem Hals. Ich schloss schnell Fenster und Türen, wir hielten ja an der Ampel, er direkt hinter mir, wild alle möglichen Todesarten durchgestikulierend. Angstschweiß lief mir von der Stirn, ich hatte doch nur gehupt. Wir machen das so in Italien. Jetzt sollte ich deshalb sofort sterben?

    Ich machte das Radio ganz laut und versuchte, nicht in den Rückspiegel zu schauen. Im deutschen Radio redeten sie, seit ich die Landesgrenze überschritten hatte, ausschließlich von der AfD, auf jedem Sender, es ging nur um die AfD. Dazu Nachrichten, wie abgrundtief superschlecht die Berliner Schulen waren.

    Dies war also der Ort, an dem meine Kinder groß werden, dachte ich, als ich mein Wohnhaus schon sehen konnte, aber nach vierzehn Stunden Autofahrt noch extra einen Schlenker fuhr, damit der ultrawütende Angehupte nicht wusste, wo ich wohne. Hier also, am Ende von Kreuzberg, wo man mittlerweile so viel Miete zahlt wie in den Zentren von München oder Stuttgart oder Hamburg. Völlig niedergeschlagen konnte ich mir einfach nicht mehr erklären: Warum? Warum, warum, warum eigentlich wohnte ich hier?

    Ich müsste es mir in den kommenden Tagen langsam, ganz langsam, noch einmal erklären lassen. Von meiner Tochter, die Kreuzberg nie verlassen will, weil es ihrer Meinung nach der beste Ort der Welt ist. Von meiner Schwester, die nichts mehr liebt als Kreuzkölln. Wahrscheinlich leide ich an Halluzinationen, wahrscheinlich habe ich alles nur geträumt und mich schwer getäuscht. Stimmt´s? Es ist in Wirklichkeit gar nicht so. Es ist alles ganz anders.

  • Mourir pour une photo pourrie ?


    Pourquoi pas. On ne fait pas de l’art. On escalade.

    Wenn Selfies zur Lebensgefahr werden : Aus 220 Metern in den Tod gestürzt

    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/wenn-selfies-zur-lebensgefahr-werden-aus-220-metern-in-den-tod-gest

    Nicht nur Wu Yongnin bezahlte seine Selfies mit dem Leben.

    8.8.2024 von Adrian Lobe - Auf der Jagd nach spektakulären Schnappschüssen gehen Menschen oft lebensgefährliche Risiken ein. Selfies sind tödlicher als Hai-Angriffe. Erste Kommunen greifen nun durch.

    Vor wenigen Wochen kletterte ein Teenager mitten in der Nacht auf den Dom von Florenz und machte ein Selfie vor der ikonischen Kuppel – in rund 100 Meter Höhe. Das Foto postete er anschließend auf seinem Instagram-Account, dem 230.000 Nutzer folgen. Darauf sieht man einen jungen, vermummten Mann mit schwarzem Kapuzenpulli, der über den Dächern der historischen Altstadt thront.

    Vermutlich hielt sich der Eindringling in der Kathedrale bis zu ihrer Schließung versteckt und trickste so das Sicherheitspersonal aus. Ein Komplize filmte den illegalen Aufstieg auf dem historischen Gemäuer und auch die Flucht. Was man nicht alles für ein bisschen Aufmerksamkeit tut.

    Bei der waghalsigen Klettertour ging es offenbar um eine Social-Media-Challenge, eine Mutprobe, zu der Follower im Netz aufgerufen hatten. Der Influencer, bei dem es sich laut Berichten italienischer Lokalzeitungen um einen 17-Jährigen aus der Lombardei handeln soll, ist bereits auf anderen Monumenten wie dem Mailänder Dom und dem Stadiondach von San Siro herumgekraxelt und hat sich dort abgelichtet – ohne Seil und Sicherung.

    Rooftopper nennt man diese Extremsportler, die für ein paar Klicks ihr Leben aufs Spiel setzen: Sie klettern auf Türme, Kräne oder Sendemasten wie andere Menschen auf Berge – und werden für ihren heldenhaften Mut von ihren Fans gefeiert. Doch es ist ein extrem gefährliches Abenteuer. Man kann von Glück reden, dass bei der Aktion in Florenz nichts passiert ist.

    Aus 220 Metern in den Tod gestürzt

    Weniger Glück hatte der französische Extremsportler und Hochhauskletterer Rémi Lucidi, der im vergangenen Jahr beim Versuch, den Tregunter Tower in Hongkong zu erklimmen, aus 220 Meter Höhe in den Tod stürzte. Das letzte Selfie zeigt ihn auf der Spitze des Hochhauses mit einer Selfie-Stange. Eine Putzfrau hörte noch, wie der Fassaden-Kletterer an die Fensterscheibe eines Penthouse im 68. Stock klopfte, doch da war es bereits zu spät.
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    Ebenso tödlich endete das Abenteuer des chinesischen Kletterkünstlers Wu Yongning: Der Influencer, der bereits 300 Wolkenkratzer „bestiegen“ und sich einen Ruf in der Szene erarbeitet hatte, stürzte 2017 aus dem 62. Stock eines Hochhauses in der chinesischen Stadt Changsha – und filmte die letzten Sekunden vor seinem Tod, die live im Internet gestreamt wurden: Es sind dramatische Szenen eines Mannes, der sich mit bloßen Händen auf einem Hochhausdach in schwindelerregender Höhe festkrallt, verzweifelt versucht sich hochzuziehen, dann aber keine Kraft mehr hat und in die Tiefe stürzt. Voyeurismus im freien Fall.

    Immer spektakulärer, atemberaubender, maßloser müssen die Selfies sein, um sich in der digitalen Bilderflut von anderen Motiven abzuheben. Was dem Steinzeitmenschen Beeren und Mammuts waren, sind dem digitalen Jäger und Sammler Selfies: Jagdtrophäen, die man in digitalen Galerien präsentiert. Es sind aber längst nicht nur Influencer, die auf der Jagd nach einzigartigen Schnappschüssen lebensgefährliche Risiken eingehen. Erst im Februar dieses Jahres kam ein Inder ums Leben, als er für ein Selfie in einem Zoo in Tirupati über einen vier Meter hohen Zaun ins Löwengehege geklettert war und von dem Raubtier zerfleischt wurde. Der Löwe war offensichtlich nicht in Foto-Laune.

    Es ist kein Einzelfall. Laut einer Studie, die im Journal of Travel Medicine erschienen ist, sind Selfies fünfmal tödlicher als Hai-Angriffe – zumindest, was die Todeszahlen betrifft. So wurden bis 2022 insgesamt 379 Todesfälle gezählt, die im Zusammenhang mit Selfies stehen.

    Auf Wikipedia gibt es inzwischen einen eigenen Artikel, der die Unglücks- und Todesfälle auflistet. Ein Auszug: 20. Mai 2024, USA: Ein 17-jähriger Rapper erschießt sich aus Versehen, während er sich auf Instagram mit einer Waffe filmt. 4. Juni 2024, Mexiko: Eine Frau wird von einem Zug erfasst, weil sie für ihr Selfie zu nah an den Gleisen posiert. 4. August 2024, Indonesien: Ein italienischer Bali-Urlauber stürzt beim Versuch, ein Selfie von einem Aussichtspunkt zu machen, 25 Meter in die Tiefe, weil das Geländer nachgibt.

    Wenn man die Meldungen liest, staunt man über das fehlende Gefahrenbewusstsein, das tollkühne, ja todesliebende Vorgehen der Menschen: Handy ein, Gehirn aus. Kleine Jungs werden zu Flitzern, um, wie kürzlich bei der Fußball-EM in Deutschland, ein Selfie mit Cristiano Ronaldo auf dem Platz zu ergattern; große Jungs werden zu Vandalen, wenn sie, wie 2016 ein brasilianischer Tourist in Lissabon, für ein Selbstporträt eine historische Statue in einem Museum demolieren.
    Kitzel des Unvernünftigen

    Natürlich haben der zerstörerische Geltungsdrang, der Kitzel des Unvernünftigen, auch etwas mit den algorithmengetriebenen Mechanismen sozialer Netzwerke zu tun, die den Narzissmus mit immer neuen Likes bewirtschaften und erst den Bühnenraum für die Selbstinszenierung schaffen. Unbelebte Orte werden auf einmal zu Touristen-Hotspots, weil irgendein Hashtag trendet – sehr zum Leidwesen der Anwohner und Natur.

    Da trampeln dann Heerscharen von Touristen auf den Pfaden von Influencern über Blumenwiesen und belagern ganze Straßenzüge. Wie die Vandalen fallen die Selfie-Jäger ein und eignen sich das Stadtdekor für ihre digitalen Fototapeten an. In Notting Hill klagten die Bewohner, ihre Straße sei zum „Fotostudio“ verkommen – und forderten die Touristen auf, doch bitte woanders als vor ihrer Türschwelle zu „influencen“.

    Um den Handy-Tourismus einzudämmen, greifen Kommunen zu härteren Maßnahmen. So hat die Stadt Barcelona ein Selfie-Verbot am U-Bahn-Ausgang vor der Sagrada Família verhängt, weil auf den Rolltreppen akute Einklemmgefahr besteht. Davor hatten sich an dem Ausgang lange Schlangen von Menschen gebildet, die die Rolltreppenfahrt mit dem ikonischen Wahrzeichen im Hintergrund mit dem Handy filmen wollten.

    Ein Delikatessengeschäft in der Mittelmeermetropole verlangt unterdessen von Besuchern, die nur ein Selfie machen und nichts kaufen, eine Gebühr von fünf Euro. Auch das Schweizer Dorf Lauterbrunnen, das durch das Netflix-Drama „Crash Landing on You“ bekannt wurde und seitdem wegen des berühmten Wasserfall-Motivs von asiatischen Touristen überrannt wird, erwägt, eine Eintrittsgebühr zu erheben, um zu verhindern, dass Schaulustige einfach nur anhalten. Vielleicht hilft so ein Preisschild ja, dass man sich und seine Umwelt mehr schont.

  • Kult und Kaffee am Alexanderplatz in Berlin: Das Pressecafé eröffnet
    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/kult-und-kaffee-am-alexanderplatz-in-berlin-das-pressecafe-eroeffne


    Berlin, Alexanderplatz: Das Pressecafé hat im Untergeschoss des Pavillons wiedereröffnet, das Steakhouse Beast im ersten Stock hat sich schon gut etabliert. Benjamin Pritzkuleit

    7.8.2024 von Olga Ellinghaus - Nach monatelangem Umbau öffnet das historische Pressecafé im Herzen der Stadt wieder seine Türen. Mit dem Steakhouse Beast im ersten Stock erblüht das Gebäude nun voll zu neuem Leben.

    Zu DDR-Zeiten war das Pressecafé im Haus des Berliner Verlags ein beliebter Treffpunkt für Journalisten, doch der zweistöckige Pavillon auf der Karl-Liebknecht-Straße stand seit Jahren leer. In dieser Woche soll das gastronomische Angebot im Erdgeschoss des Gebäudes als Hommage an die DDR im Deli-Style wiederbelebt werden.

    Das kulinarische Angebot indes bewegt sich auf der Höhe der Zeit: Neben dem Kaffee der Londoner Rösterei Costa und einem Frühstücksangebot gibt es eine Mittagskarte, Matcha Latte und Mimosas. Drinnen sollen 100, draußen gleich 200 Gäste Platz finden.
    .
    Der rote Bär vor der Tür

    Das dominierende Thema des Cafés im Erdgeschoss ist Rot: Schlichte rote Designerstühle umringen eckige Holztische. Rote Samthocker stehen an der Bar, sogar die Wände sind rot tapeziert. Die Farbpalette drinnen ist im Einklang mit dem wieder freigelegten Fries draußen. Nachdem Willi Neuberts Wandfries „Die Presse als Organisator“ drei Jahrzehnte lang von einer Leuchtreklame verdeckt war, schmückt er seit 2021 wieder die Fassade. Auf dem Gehweg thront ein roter Berliner Bär.

    Im Stockwerk über dem Café hat das Steakhouse Beast erst vor kurzem seine Türen geöffnet. Der Fokus liegt eindeutig auf Premiumfleisch aus der Region – Steak Cuts, Spareribs und Burger.


    Willy Neuberts berühmter Wandfries „Die Presse als Organisator“ Markus Wächter/Berliner Zeitung

    Und ganz auf der Höhe der Zeit: Veganer kommen auch hier nicht zu kurz und finden Gerichte auf der Karte. Inhaber beider Neueröffnungen ist Alexander Freund, der weitere Restaurants wie das Fischer & Lustig im Nikolaiviertel und das Jäger & Lustig in der Grünberger Straße in Friedrichshain betreibt.

    Pressecafé/Pressehaus Memhardstraße/Karl-Liebknechtstr. 27
    https://www.berlin.de/tickets/suche/orte/pressecafe-pressehaus-memhardstrasse-karl-liebknechtstr-27-ca179bca-6097-4664

    #Berlin #Alexanderplatz #Gastronomie #DDR

  • Bocca Felice: Berlins geheimer Promi-Treff für Fußballstars, Politiker, Schauspieler
    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/bocca-felice-berlin-mitte-geheimer-promi-treff-fuer-fussballstars-p

    Jetzt istves soweit, der ordinäre italiener kistet doppelt bis dreimal soviel, wie die Mehrzal der Berlimer sich regemäßig leisten kann. Nudeln ab 17 und Süppchen ab 10 Euro, da kocht man besser selber. Für Topverdiener ist das natürlich „preiswert“.

    15.7.2024 von Marcus Weingärtner - Promis sieht man nur im Borchardt, der Paris Bar oder dem Grill Royal? Falsch! Ein unscheinbares Restaurant in Berlin-Mitte hat sich klammheimlich zum Hotspot gemausert.

    Kreuzberg an der Grenze zu Mitte. Wo die Alte Jakobstraße die oft als sozialen Brennpunkt verschriene Otto-Suhr-Siedlung von teuren Mietshäusern im immer gleichen Stil trennt, ist abends gastronomisch absolut tote Hose. Eine mittelmäßige Pizza-Ketten-Filiale und das Eck-Bistro einer sehr sympathischen türkischen Betreiberin haben ein bisschen länger auf, ansonsten sollte man auf einen Abend mit Stullen vorbereitet sein, wenn man Hunger zwischen Bundesdruckerei und Fischerinsel verspürt.
    Zum Promi-Hotspot gemausert

    Eine Ausnahme gibt es. Wo vor rund zwei, drei Jahren noch ein abgerocktes, schmuddeliges koreanisches Restaurant regelmäßig für verstimmte Mägen sorgte, hat nach einer Umbauphase „ein Italiener“ eröffnet, wie es so schön heißt. Richtig lautet die Bezeichnung Ristorante Bocca Felice. Was nach karierter Tischdecke, Weinflaschen im Bastkorb und Panoramatapete von Sizilien klingt, hat sich zu einem der absoluten Promi-Hotspots der Hauptstadt entwickelt.

    Erst am vergangenen Wochenende postete das Restaurant auf seinem Instagram-Account ein Foto mit den beiden Fußballlegenden Joe Hart (Manchester United) und Ruud Gullit (AC Mailiand/FC Chelsea), die beiden waren anlässlich der Europameisterschaft in Berlin zu Gast und offenbar zum Dinner in der Seydelstraße. Wo? Genau.

    Aber nicht nur internationale Prominenz wird regelmäßig im Bocca Felice gesehen, auch Politiker und Politikerinnen wie Bettina Jarasch (Die Grünen), Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) und Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) haben in dem recht kleinen, immer blitzsauberen Restaurant gegessen. Die Einrichtung ein bisschen 80er, die Atmosphäre indes immer gut. Was nicht zuletzt am sehr aufgeräumten und überaus geschliffenen Service des Bocca Felice liegt.
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    Und an zweiter Stelle natürlich an der klassischen, hier nicht überinterpretierten italienischen Küche von Gnocchi und Tagliatelle, über Saltimbocca und Piccata bis zu allem, was das Mittelmeer sich so abtrotzen lässt.

    Man muss indes nicht berühmt, noch halbberühmt sein, um im Bocca Fellice zu essen. Jeder – und das zeichnet italienisches Essen auch aus – wird hier gleich behandelt. Reservieren schadet jedoch nicht. Obwohl man kaum glauben kann, dass sich am Abend jemand in diese tote Ecke von Mitte an der Grenze zu Kreuzberg verirrt.

    Bocca Felice, Seydelstraße 16, 10117 Berlin. bocca-felice.de, info@bocca-felice.de. Vorspeisen ab 16 Euro, Suppen ab 10 Euro, Pasta ab 17 Euro, Fleisch und Fischgerichte ab 26 Euro.

    #Berlin #Mitte #Gaststätte

  • Das Märkische Viertel feiert Geburtstag: Fil erinnert sich an seine Punk-Gang
    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/das-maerkische-viertel-feiert-geburtstag-fil-erinnert-sich-an-seine

    27.5.2024 von Nicole Schulze

    Vor 60 Jahren, im August 1964, zogen die ersten Mieter ein, 1974 galt das XXL-Ensemble als fertiggestellt: Das Märkische Viertel in Reinickendorf feiert in diesem Jahr einen doppelt runden Geburtstag.

    Die insgesamt mehr als 17.000 Wohnungen in den Hochhäusern wurden ab 1963 errichtet. Mit einer Fläche von etwas mehr als drei Quadratkilometern war das MV die erste große Neubausiedlung West-Berlins und bietet heute mehr als 40.000 Menschen ein Zuhause.

    Märkisches Viertel: Millionen für den guten Ruf

    Von Prenzlauer Berg nach Weißensee: Der Komiker Philip „FIL“ Tägert weiß, was Glück mit Fanta, Hubba Bubba und Pokémon zu tun hat

    Es gibt dort eine Schwimmhalle mit einem richtig guten orientalischen Imbiss, eine coole Bowlinghalle, Open Air Skaterbahnen, eine Jugendkunstschule, viel Grün und Shoppingmöglichkeiten, aber auch eine Graphothek – sozusagen eine Bibliothek für Kunstwerke: Man kann sich Gemälde aus der Kunstsammlung des Bezirkes Reinickendorf ausleihen (siehe unten).

    Das Märkische Viertel ist an vielen Stellen besser als sein Ruf. Viele Berlinerinnen und Berliner rümpfen die Nase: Drogen, Kriminalität, anonyme Hochhausschluchten. Ganz unwahr ist das nicht. Deutschlandweit bekannt wurde das MV durch den Sido-Song „Mein Block“ aus dem Jahr 2004.
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    Darin rappt der gebürtige Ost-Berliner Paul Würdig: „Hier krieg ich alles // Ich muss hier nicht mal weg // Hier hab ich Drogen, Freunde und Sex // Die Bullen können kommen, doch jeder weiß Bescheid // Aber keiner hat was gesehen, also könnt ihr wieder gehen.“ Eine der harmloseren Zeilen.

    Hochhäuser, viel Grün: Blick auf das Märkische Viertel

    Hochhäuser, viel Grün: Blick auf das Märkische ViertelSabine Gudath

    Eine ganz andere Welt, als Philip Tägert sie erlebt hat. Der 1966 geborene Bühnenkünstler, Comiczeichner (Didi & Stulle) und Buchautor ist als Fil bekannt, tritt unter anderem seit Jahren im Mehringhof-Theater in Kreuzberg auf (siehe unten). „Sido war ja nur zugezogen“, sagt Fil und meint das aber „nullinger abwertend“.
    Sidos Song kam bei den Alteingesessenen nicht gut an

    Standesdünkel oder die Unterscheidung zwischen hier geborenen Berlinern und Wahlheimat-Neulingen interessieren ihn nicht. Was er ausdrücken will, ist der Umstand, dass Sido nicht im Märkischen Viertel groß geworden ist, dass er nur einen Ausschnitt kennengelernt hat und dass das MV eben mehr ist als ein Haufen 16-Geschosser mit flackerndem Flurlicht und zwielichtigen Gestalten.

    „Meine Freunde fanden das gar nicht witzig, dass der sowas rappt“, erzählt Fil, der 14 Jahre älter ist als Sido. „Es wirkte, als sei das MV so irgendwie wie in Amerika, und das passte nicht dazu, wie unser Leben dort war.“

    Denn das, woran der Künstler sich besonders gut und gerne erinnert, ist der Zusammenhalt damals: „Man hatte viele Freunde, aus mehreren Freundeskreisen, und jeder kannte jeden, man konnte sich aufeinander verlassen. Und wenn es mal eine brenzlige Situation gab, hat man gesagt: ‚Ich bin ein Freund von Christiane‘ – und dann kam man davon. Damals hießen alle Mädchen Christiane.“
    Ghetto-Gang: Punker-Dasein im Märkischen Viertel

    Fils Eltern waren seinerzeit „bewusst ins Märkische Viertel gezogen. Zuvor haben wir in Tegel gelebt, wo ich auch geboren bin“, erinnert er sich. Groß geworden ist er im Wilhelmsruher Damm, im 2. Stock eines Gesobau-Hauses. „Die aus’m Senftenberger Ring waren der Adel. Die Häuser waren weiß, drumherum viel Grün. Für mich sah das aus wie ein Nobelhotel im Urlaub. Und ich dachte: So sieht die Stadt der Zukunft aus.“

    Der Wilhelmsruher Damm war in seiner Wahrnehmung nicht so schön und futuristisch: „Das war unser Ghetto. So haben wir das genannt“, erzählt der Künstler. „Ich war ja in einer Gang, und wir waren alle Punks. Wir hießen DCDP, kurz für: Der Club der Peinlichen, gemeint war das aber eher so fishing-for-compliments-mäßig.“

    Sechs Leute gehörten zu der Bande, wie Fil weiter erzählt: „Wir trugen graue Hosen, Stiefel, schwarze Lederjacken und wollten gefährlich wirken, obwohl wir das gar nicht waren.“ Ein Kumpel war ein Skinhead, „aber kein Nazi“, wie Fil betont. „Der hat immer aufs Maul gekriegt. Nazis gab’s bei uns nicht, mal abgesehen von den alten Hausmeistern, die noch von früher da waren …“

    Vorbild für Fils Club der Peinlichen waren die Ghetto Rats. „Die fand ich so super. Das waren die ersten Skater in Berlin, alles Punks, richtig sportlich und lustig.“ Anders als heute gab es in den späten Siebzigern und frühen Achtzigern keine Skaterparks, man fuhr einfach irgendwo, wo eben Platz war.

    Gegenspieler der Punks waren die Biker; berüchtigt war seinerzeit eine Gruppe namens Phönix, wie Fil berichtet: „Die mochten uns nicht, und ich hatte auch echt Angst vor denen. Die saßen immer an der einen Treppe, und wenn ich da mit meinem Iro vorbeilief, hatte ich tierischen Schiss. Die waren nicht ungefährlich.“

    Man ging sich also so gut wie möglich aus dem Weg. „Meine Gang und ich, wir trafen uns immer ‚an der Ecke‘, so nannten wir die eine Bushaltestelle. Da saßen wir und hörten Ghettoblaster“, so Fil. „Kürzlich habe ich einen Mann getroffen, der mir erzählte, wir hätten sein Leben versaut, weil er direkt obendrüber gewohnt hat und es immer so laut war.“

    Punk in der DDR: Mit Schleimkeim gegen den Staat und mit der Axt gegen den Vater

    Mark Reeder: Der Soundtrack meiner Jugend in West-Berlin

    Man hört, dass ihm das ein bisschen unangenehm ist. Aber als junger Mensch denkt man über so etwas wie Lärmbelästigung und Nachtruhe nicht nach. Was nicht heißt, dass Fils Gang kein Unrechtsbewusstsein hatte. Im Gegenteil sogar, wie er sagt: „Irgendwann kamen die Punks aus Kreuzberg und Schöneberg zu uns. Die haben dann sowas gemacht, wie: sich einfach Bier von einer Party mitnehmen. Das fanden wir voll asi. Sowas macht man nicht.“

    Diese Punker seien „aus dem Westen gekommen, um sich vor dem Bund zu drücken und in Berlin neu zu erfinden. Die waren der Meinung, man könne sich so benehmen. Die fanden das cool. Für uns waren die nur arrogant. Das war voll affig. Bei uns gab’s Punks mit Schnurrbart und welche mit Glatze, aber so kalt und überheblich wie die war keiner von uns.“

    Mit 15 Jahren ist Fil mit seiner Familie aus dem MV weggezogen, nach Frohnau. Seit Ewigkeiten war er nicht mehr dort. Nach vielen Jahren in Prenzlauer Berg lebt er heute mit seiner Familie in Weißensee.

    Als das MV im Jahr 2013 offiziell 50. Geburtstag feiert, war er nochmal in seinem alten Kiez. „Und danach noch einmal mit meiner Frau, um es ihr zu zeigen, aber ansonsten … was soll ich da?“, fragt er. Von seinen früheren Freunden ist niemand mehr dort. „Die sind alle da weg. Und als ich zuletzt vor zehn Jahren da war, gab es keine Jugendgangs, sondern nur noch Rentner.“
    Was kann man im Märkischen Viertel sehen und erleben?

    Der Skaterpark am Senftenberger Ring, gelegen am nördlichen Ausgang der Shoppingmeile Märkische Zeile, wurde 2012 fertiggestellt und im Jahr darauf feierliche eingeweiht. Seither ist die 2000 Quadratmeter große, abwechslungsreich gestaltete Fläche (Kosten: 400.000 Euro) ein beliebter Treffpunkt für Jugendliche, aber auch Anwohner bleiben gern stehen und gucken zu, wie die Skater ihre Tricks üben.

    Ähnlich laut, wild und spannend geht es in der Motawi Bowlinghalle mit den 18 Bahnen zu (Zerpenschleuser Ring 37). An jedem letzten Freitag eines Monats gibt’s Kinderdisco mit Schwarzlicht, Mitsingliedern und Bonbonregen. Und sonntags findet immer ein Bowling-Frühstück mit üppigem Büffet statt.

    Auch Schultüten-Parties und Senioren-Training stehen auf dem Plan. Vor der Tür gibt’s übrigens einen großen Parkplatz; Sie müssen nicht rumkurven und suchen!

    Berlin-Reinickendorf: Deutschlands erste Einsamkeitsbeauftragte seit Februar im Dienst

    Berlin-Reinickendorf: Ein Besuch bei den letzten Cowboys der Stadt

    Lust auf Kunst und Kultur? Im 1976 eröffneten Fontane-Haus (Königshorster Str. 6) befindet sich neben einer Musik- und der Volkshochschule auch die Stadtteilbibliothek sowie die Graphothek. Gegen ein, wie es heißt „geringes Entgelt“ kann man sich dort gerahmte Bilder bis zu einem Jahr ausleihen. „Die Anzahl der entleihbaren Bilder pro Person ist unbegrenzt“, steht auf der Website.

    Eine Jahreskarte kostet 25 Euro; damit sind die Kosten für bis zu drei Grafiken gedeckt. Nicht nur Privatpersonen, sondern auch Firmen, Kanzleien und Praxen dürfen sich Kunst für ihre Räume mieten.

    Mehr als 5000 Werke stehen zur Auswahl: „Schwerpunkte der Sammlung sind die Klassische Moderne mit Künstlern wie Marc Chagall, Salvador Dalí, Fernand Léger, Joan Miró oder Wassily Kandinsky und die zeitgenössische Kunst mit Werken von Elvira Bach, A.R. Penck, Peter Foeller, Heike Ruschmeyer, Klaus Fussmann, Horst Janssen und Gerhard Richter“, schreibt die Graphothek.

    Im Fontane-Haus gibt es ein Amerikanisches Restaurant im Saloon-Style. Dort werden auch Line Dance Kurse angeboten.

    Im Fontane-Haus gibt es ein Amerikanisches Restaurant im Saloon-Style. Dort werden auch Line Dance Kurse angeboten.Markus Wächter/Berliner Zeitung

    Das Stadtbad Märkisches Viertel ist auch im Sommer geöffnet. Es gibt 25-Meter-Bahnen mit Sprungtürmen (ein und drei Meter), aber auch ein 27 Grad warmes Nichtschwimmerbecken mit Rutsche. Die Schwimmhalle ist barrierefrei, hat aber keine Sauna.

    Direkt neben dem Eingang befindet sich das kleine Restaurant Orient Kitchen, wo die Bedienung nicht nur sehr freundlich, sondern auch ausgesprochen schnell ist. Ein Schawarma-Avocado-Sandwich kostet 7,50 Euro, ein veganer Falafel-Teller 10,50 Euro, eine frisch gebackene Waffel mit Apfelmus 3,50 Euro.

    Falls Sie sich für die Geschichte des Märkischen Viertels interessieren, sei Ihnen der 30-minütige Deutschlandfunk-Podcast „Astra Zarina - Die Architektin des Märkischen Viertels“ empfohlen. Oder mögen Sie sich das MV lieber live und in Farbe erschließen?

    Die Stadtführerin und Kunsthistorikerin Dr. Gerhild Komander bietet geführte Architektur-Touren an. Diese dauern rund zwei Stunden und kosten pro Gruppe (bis zu 20 Personen) 160 Euro. Startpunkt ist Fils alte Straße, der Wilhelmsruher Damm; Termine gibt’s nach Absprache.

    Fil auf der Bühne: Im Mehringhof-Theater (Gneisenaustr. 2a) zeigt Fil sein aktuelles Programm „Wege zum Glück und wieder zurück“. Termine: 30. und 31. Mai, 1. Juni sowie 6. bis 8. Juni, jeweils 20 Uhr. Es gibt noch Karten (ab 17 Euro, je nach Anbieter).

  • Liebermann-Gärtner Sven Lieberenz: „Der Klimawandel ist real, aber er macht mir keine Angst“
    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/berlin-max-liebermann-gaertner-sven-lieberenz-der-klimawandel-ist-r


    Sven Lieberenz am Birkenweg, der von der Terrasse der Liebermann-Villa hinunter zum Wannseeufer führt. Sabine Gudath

    10.5.2024 von Anne Vorbringer - Der Berliner Impressionist Max Liebermann malte mit Leidenschaft seinen eigenen Garten. Heute stellt das blühende Kleinod am Wannsee hohe Ansprüche an seinen aktuellen Gärtner.

    Der Mann mit dem Cowboyhut und der grünen Gärtnerkluft hört uns nicht kommen. Er hockt versunken am Rande eines von Frühblühern übersäten Blumenbeetes, das Maßband ausgerollt, den Blick auf den Pflanzplan gerichtet. In penibel ausgerechnetem Abstand müssen hier ein paar neue Sommerstauden in die Erde: eine Großblumige Kokardenblume in die eine Ecke, eine rot blühende „Excalibur“-Dahlie in die andere.

    Sven Lieberenz ist bei der Arbeit, in seinem Element. Genauigkeit ist wichtig in seinem Geschäft, es kommt nicht nur auf Abstände an, sondern auch auf Farben, Formen, Symmetrieachsen. Lieberenz ist Gärtner, aber nicht in irgendeinem Privatgarten, sondern in der Liebermann-Villa am Wannsee, tief im Berliner Südwesten.

    Mehr als 70.000 Besucher wandeln hier jedes Jahr über die Kieswege zwischen Blumenrabatten, Gemüsebeeten und Heckengärten hindurch. Viele bemerken die strenge Ordnung – und nicht allen gefällt sie. „Hin und wieder erklärt mir mal jemand, dass man doch heute so gar nicht mehr gärtnert. Dass man jetzt naturnah unterwegs ist“, erzählt der 36-Jährige und schiebt seinen Hut in den Nacken. „Dann erkläre ich ihm, dass das hier ein Gartendenkmal ist. Dass wir dem Erbe Max Liebermanns verpflichtet sind und versuchen, alles so zu gestalten, wie es vor 100 Jahren war.“
    Ein Rückzugsort für Max Liebermann – und eine blühende Inspirationsquelle

    Der Garten der Liebermann-Villa ist einer der schönsten der Stadt – und einer der bedeutendsten Reformgärten des Landes. Als der berühmte Berliner Maler Liebermann im Sommer 1909 eines der letzten Wassergrundstücke der Villenkolonie Alsen erwarb, war ihm der Garten seines „Schlosses am See“ besonders wichtig. Mit viel Liebe zum Detail schuf er abseits der Großstadt einen Rückzugsort für seine Familie – und eine blühende Inspirationsquelle für sein impressionistisches Spätwerk.


    Sven Lieberenz kümmert sich um den Garten in der Liebermann-Villa. Die Frühjahrsbepflanzung wird jedes Jahr penibel genau erneuert. Sabine Gudath

    In einem Brief von Liebermann an seinen Freund Alfred Lichtwark, den Gartenreformer und damaligen Direktor der Hamburger Kunsthalle, der Liebermann bei der Gestaltung des Gartens unterstützte, heißt es: „Gestern habe ich den ganzen Tag gebaut, und über den Grundriß sind wir so ziemlich klar (ich bringe die Pläne mit). Nicht so über die Facade, die zu sehr nach einem Bauernhaus aussieht: ich möchte ein Landhaus, das sich ein Städter gebaut hat. Wie überall ist das einfachste das schwerste.“

    Mehr als 200 Gemälde entstanden in diesem grünen Paradies, einem Arrangement aus unterschiedlichen Gartenräumen: dem Bauerngarten mit üppig blühenden Stauden, dem Nutzgarten, der Blumenterrasse zum See hin, drei Heckengärten sowie einer sich bis zum Ufer des Wannsees erstreckenden Rasenfläche, auf der der Maler während der Hungersnot im Ersten Weltkrieg ein großes Beet anlegen ließ, um Kohl und Kartoffeln anzubauen.

    Ab 1910 verbrachte Liebermann die Sommermonate dort, wo heute an sonnigen Sonntagen Hunderte Besucher auflaufen. Er frage sich manchmal, wie der Maler das wohl finden würde, sagt Sven Lieberenz, dass sein einstiges Refugium nun ein gefragter Ausflugsort ist. Lieberenz arbeitet mit einem Team von 30 Ehrenamtlichen, er ist der einzige festangestellte Gärtner in der Liebermann-Villa.

    Jeden Tag ist er vor Ort, pflanzt, wässert, gräbt um, schneidet Hainbuchenhecken und jätet Unkraut. Das Liebermann-Objekt gehört dem Land Berlin, aber regelmäßige öffentliche Gelder erhält es nicht, betont Lieberenz. Vergangenes Jahr haben sie 450 neue Rosen gepflanzt, er hat das Bewässerungssystem erneuert und muss nun nach und nach die vom Zünsler geplagten Buchsbäume ersetzen. Das Geld dafür kommt aus Spenden, den jährlichen Mitgliedsbeiträgen des Trägervereins Max-Liebermann-Gesellschaft – und aus den Eintrittsgeldern.

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    Sabine Gudath

    Kunst und Führungen

    Die Liebermann-Villa am Wannsee ist das ehemalige Sommerhaus des Malers Max Liebermann (1847–1935). Heute erinnern das Kunstmuseum und der denkmalgeschützte Garten an die Geschichte der Familie. Das Museum in der Colomierstraße 3 wird von der Max-Liebermann-Gesellschaft getragen. Geöffnet ist es täglich außer dienstags zwischen 10 und 18 Uhr. Der Eintritt kostet 10, ermäßigt 6 Euro. Jeden ersten und dritten Donnerstag im Monat lädt Sven Lieberenz zu Benefizführungen im Garten ein.
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    Deswegen weiß Sven Lieberenz natürlich um die Bedeutung der Besucher, auch wenn er sich manchmal über sie ärgern muss. Es ist schon vorgekommen, dass Leute im Museumsgarten einen Einweggrill ausgepackt haben und drauf und dran waren, Würstchen auf den Rost zu legen. Trotz Beschilderung laufen auch immer wieder Besucher über die Rasenflächen, um abzukürzen. Oder sie lassen Kohlrabi, Tomaten und Erdbeeren mitgehen.

    Dabei sind die Früchte des Gartens für die Ehrenamtlichen gedacht, die hier jeden Dienstag werkeln. Darunter sind viele Pensionäre und Alleinstehende, die unter Gleichgesinnten so etwas wie eine zweite Familie gefunden haben, erzählt Lieberenz. Sie kommen aus Potsdam, aus Zehlendorf, aber auch aus dem hohen Norden Berlins mit zwei Stunden Anfahrtsweg. Die älteste Gartenhelferin ist 85 Jahre alt.

    Gärtnern in Corona-Zeiten: „Die Totenstille, das war gruselig“

    Ohne sein Team und die Wertschätzung der meisten Gäste wäre der hauptamtliche Gärtner aufgeschmissen. Das hat er spätestens in den Corona-Lockdowns gemerkt, als er plötzlich allein zwischen seinen Beeten stand. „Die Totenstille, das war gruselig“, erinnert sich Lieberenz, der damals YouTube-Videos drehte, um den Kontakt zu den Gartenfans zu halten.

    In den Beruf kam der gebürtige Potsdamer, weil er schon früh im Garten seines Großvaters mithalf. Und da aus seinem Kindheitstraum, als Dampflokführer zu arbeiten, nichts wurde, ließ sich Sven Lieberenz im Botanischen Garten Potsdam am Nordrand der Parkanlage Sanssouci zum Gärtner ausbilden.


    Liebermann mochte es symmetrisch. Und so sind auch heute noch jede Menge Hecken in Form zu halten. Sabine Gudath

    Bevor er zum Wannsee wechselte, arbeitete er in einer anderen noblen Villengegend – und unter ganz anderen Vorzeichen. Fünf Jahre lang kümmerte er sich um die Grünanlagen des Axel-Springer-Chefs Mathias Döpfner in Potsdam. Satte acht Hektar allein am Pfingstberg – das wurde irgendwann einfach alles zu viel.

    In der Liebermann-Villa sind es „nur noch“ 7000 Quadratmeter Grundstück, die Lieberenz seit nunmehr sechs Jahren beackert. Die Vorarbeit haben andere geleistet. Nachdem das Grundstück jahrzehntelang von Fremdnutzung bestimmt war, führten erst die Bemühungen der Liebermann-Gesellschaft dazu, dass die Villa ab 2002 zum Museum umgebaut wurde. Seit 2006 sind Haus und Garten originalgetreu wiederhergestellt und für die Öffentlichkeit zugänglich.

    Anhaltspunkt für die Rekonstruierung des Gartens waren Fotografien und natürlich die zahlreichen Gemälde Liebermanns. Die alten Pflanzpläne hatten die Nationalsozialisten vernichtet, die im Jahr 1940, fünf Jahre nach Liebermanns Tod, dessen Witwe Martha zum Verkauf des Grundstücks zwangen.

    Heute wird der Garten wieder durch die Villa unterteilt. Durch die Mittelachse des Hauses und über die große Rasenfläche hinweg schweift der Blick ungehindert auf den See, auf dem heute Segelboote und kleine Jachten dümpeln. An der Westseite stehen die Birken Spalier, durch deren noch zartes Blattwerk der Wind leise rauscht.


    Der Birkenweg, gemalt von der Hand des Meisters: Max Liebermann, Haus am Wannsee, 1926, Öl auf Holz SMB/Nationalgalerie

    Der Birkenweg ist eine der markantesten Gestaltungsideen des Liebermann-Gartens. Die wild gewachsenen Birken fand der Maler bereits vor, als er 1909 das Grundstück kaufte. Die unregelmäßigen Abstände zwischen den Bäumen und im Kontrast dazu die von Menschenhand geschaffenen geometrischen Formen der gegenüberliegenden Heckengärten übten wohl einen besonderen ästhetischen Reiz auf Liebermann aus. Seine Birkenweg-Bilder können heute noch als Blaupause für den Gärtner dienen.

    Doch wie lange noch, fragt sich Sven Lieberenz mit Blick auf die weißen Stämme. „Birken brauchen viel Wasser und vertragen die Hitze nicht gut“, sagt er. Ein Baum ist ihm letztes Jahr unter den Händen weggestorben. Noch darf er ohne Einschränkungen gießen, auch die große Rasenfläche sprengen. Wo es geht, hat er bereits auf die sparsame Tropfbewässerung umgestellt.

    Doch die Trockenheit und die steigenden Temperaturen stellen ihn vor Herausforderungen in einem Garten, in dem ja eigentlich nichts verändert werden darf. Jede Neupflanzung wird mit der Denkmalschutzbehörde abgestimmt. Das klingt zunächst einmal nach wenig kreativem Spielraum – doch wegen des Klimawandels muss der Liebermann-Gärtner erfinderisch bleiben.

    Da wäre zum Beispiel der schon angesprochene gefräßige Buchsbaumzünsler: Der Schädling kann hier wegen zunehmend milder Winter reichlich Nachwuchs produzieren. Lieberenz zeigt auf einen befallenen Busch mit traurigen braunen Stellen. Er hat inzwischen schon viele Pflanzen durch Euonymus japonicus ersetzt, einen immergrünen Strauch aus Japan, der mit seiner aufrechten Wuchsform dem Buchsbaum relativ nahe kommt.

    Auch der alte Rosenbestand aus Liebermanns Zeiten ist längst ausgetauscht worden. „Jetzt nehmen wir Sorten, die mit Hitze und Trockenheit besser klarkommen. Die Beetrosen Rotilia oder Kosmos zum Beispiel“, sagt Lieberenz. Bald wird es im Rosengarten, dessen Kletterspaliere und Rundwege der Maler so eindrucksvoll auf Leinwand bannte, wieder weiß, rosa und rot blühen.

    Man muss flexibel bleiben, findet der Gärtner, und die Herausforderungen annehmen. „Der Klimawandel ist real, das merke ich bei meiner Arbeit jeden Tag. Aber Angst macht mir das nicht. Gärten waren schon immer einem stetigen Wandel unterworfen. Wir müssen mit den Bedingungen klarkommen, wie sie sind, und das Beste daraus machen. Es bleibt in jedem Fall spannend.“


    Die Liebermann-Villa am Wannsee ist heute ein Museum und ein beliebtes Ausflugsziel. Wolfgang Kumm

    Gartenliebhaber jedenfalls kommen derzeit bei einem Besuch im Liebermann-Garten schon voll auf ihre Kosten. Die Blumenterrasse ist jetzt im Frühjahr mit gelben und blauen Stiefmütterchen bepflanzt. Demnächst werden sie durch Geranien ausgetauscht. Es heißt, Liebermann habe Jahr für Jahr die sommerliche Bepflanzung mit roten Geranien gegen den Willen seiner Familie durchgesetzt. „Er war eben Künstler, und kein Gärtner“, sagt Sven Lieberenz. Die lange Blühdauer und der starke Komplementärkontrast zwischen Rot und Grün waren dem Maler wichtig.

    Sein Reformgarten war eine Symbiose aus Natur und Kunst, ein reizvolles Spiel zwischen Strenge und freier Form. Die dazugehörige Bewegung, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts aufblühte, war der vom englischen Landschaftsgarten mit seinen geschwungenen Wegen und malerischen Baumgruppen geprägten Grünanlagen überdrüssig. Stattdessen sah man den Garten nun als gleichwertigen Wohnraum zum Haus, der nach den Bedürfnissen seiner Besitzer nützlich und klar in verschiedene Aufenthaltsräume gestaltet sein sollte.

    In puncto Nützlichkeit gehörte auch dazu, den Vorgarten als Nutzgarten zu bewirtschaften. Heute kann der geneigte Gemüsegärtner von Sven Lieberenz’ Arbeit so einiges mitnehmen. Der 36-Jährige düngt organisch mit Pferdemist, betreibt eine Fünffelderwirtschaft, bei der die Beete mit Starkzehrern wie Rotkohl immer eine Fläche weiterrücken, um den Boden nicht überzustrapazieren.

    Rotkohl baute übrigens auch Max Liebermann schon an. Allerdings weniger als schmackhafte Wildbeilage, sondern, wie könnte es anders sein, als pittoreske Malvorlage.

    #Berlin #Wannsee #Colomierstraße #Kunst #Geschichte #Malerei #Tourismus #Sehenswürdigkeit

  • Kollwitzplatz in Berlin: Wo sich reiche Eltern die Kante geben
    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/kollwitzplatz-in-berlin-wo-sich-reiche-eltern-die-kante-geben-li.22


    Wer am grumpy Crêpes-Verkäufer scheitert, muss auf die süße Leckerei verzichten. Klara Bezug für Berliner Zeitung am Wochenende

    13.04.2024 von Clint Lukas - Ich habe fünf Jahre lang jeden Sonnabend als Currywurst-Verkäufer auf dem Wochenmarkt am Kollwitzplatz gearbeitet. Habe Sekt und Pommes mit Trüffelmayo an Touristen und neureiche Menschen aus Prenzlauer Berg verkauft, bei Regen und Hitze und Schnee. Man könnte sagen, ich kenne diesen Markt in- und auswendig. Natürlich nur aus der Froschperspektive.

    Denn wenn so ein Personal Branding Coach mit schwäbischem Dialekt und 300.000 Euro im Jahr erst mal vor einem steht, frühmorgens, am Anfang der Schicht, dann erkennt man recht schnell, wo der Bauer den Most holt. Da wird einem klar, dass man nur die Currysau ist, ein bisschen origineller als ein Hausangestellter, aber auf derselben gesellschaftlichen Stufe rangierend.

    „Ich krieg eine Portion Pommes“, verkündet der Coach im Feldherrenton. „Und noch eine kleine Portion dazu, aber ohne Salz, für meinen Sohnemann hier.“

    Der Blick auf den Sohnemann ist zum Glück vom Tresen blockiert, wenigstens das bleibt einem erspart. Und so könnte es dann acht bis zehn Stunden weitergehen – ein Trauerspiel über den armen Arbeiter, der von bornierten Bürgern gequält wird. Wäre das der Fall gewesen, ich hätte niemals fünf Jahre lang durchgehalten. Warum sollte man sich so etwas antun? Fakt ist aber: Wir durften zurückfeuern, wenn uns danach war. Einem tollen Chef und vielleicht auch dem Berliner Hausrecht sei Dank.

    Die Möchtegern-Côte d’Azur Ost-Berlins

    „Erst mal heißt das: Ich hätte gern, und nicht: Ich krieg eine Portion Pommes. Und zweitens wird dein Kind das bisschen Salz schon vertragen. Du kannst es ja nicht vor allem beschützen.“ Bei der ersten derartigen Entgegnung sind Leute wie der Personal Branding Coach naturgemäß not amused. Man könnte annehmen, dass sie nie wieder auftauchen werden, dass man sie ein für allemal los ist. Doch das Erstaunliche: Sie kommen wieder. Und zwar immer wieder.

    Es ist mein bescheidener, über eine Reihe von Jahren gewonnener Eindruck, dass betuchte Prenzlinger es genießen, sich einmal pro Woche von formell Untergebenen übers Maul fahren zu lassen. Man kann das vielleicht mit der Maskenball-Tradition im Feudalismus vergleichen. Tief in sich drin wissen sie, dass sie als invasive Spezies hier eingefallen sind und wie die Schlingpflanzen alles aus dieser Stadt rausgewürgt haben, was mal cool war. Sie wollen deshalb bestraft werden. Deshalb holen sie sich gewissenhaft jeden Sonnabend ihre Portion Berliner Schnauze ab und empfehlen das ihren Freunden als besonders authentisches Erlebnis. Kann man es ihnen verdenken? Wir wollen doch alle abseits der ausgetretenen Pfade wandeln.

    Der Currystand wird inzwischen nicht mehr von meinem tollen Ex-Chef betrieben und hat dadurch sowohl seinen Charme als auch den pädagogischen Auftrag verloren. Doch zum Glück gibt es Ersatz. Hundert Meter die Kollwitzstraße runter in Richtung Senefelderplatz findet man ihn, neben dem Stand mit fränkischem Brot und dem Wollschwein-Metzger: den grumpy Crêpes-Verkäufer.

    Er wurde erst unlängst so getauft, vom gleichen Schlag Kunden, die aus Bremen und Tübingen anreisen, um sich mit wohligem Grausen schuhriegeln zu lassen. Denn das ist wirklich ein hundsgemeiner Knochen. Unbestechlich, gerecht, gnadenlos. Zufällig kenne ich ihn ganz gut und verbringe gern ein bis zwei Stunden in seiner Nähe.
    Heute leider nicht – wer hier einen Crêpe bekommt, entscheidet nicht die Kundschaft

    „Ein Crêpe mit Nutella“, trägt ihm eine distinguiert wirkende Dame um die sechzig auf.

    Daraufhin er: „Gnädige Frau. Sie haben schon ein paar Jahre auf diesem Planeten verbracht, genauso wie ich. Ist es da wirklich zuviel verlangt, hallo oder bitte zu sagen?“

    Ihre Mimik erstarrt zum Gletscher. „Ich bin nicht hier, um höflich zu sein“, sagt sie.

    „Alles klar“, sagt er. „Und ich bin nicht hier, um Geld zu verdienen.“

    In der Folge wird die Verblüffte ihres Platzes vor seinem Stand verwiesen. Die Schlange rückt ungerührt nach. Ab Mittag ist sie oft zwanzig bis dreißig Kunden lang. Man dürfte annehmen, dass die Viertelstunde Wartezeit reicht, sich im Vorfeld für das Gewünschte zu entscheiden.

    „Jaaa ... also ich glaube, hm ... Ich glaube, ich nehme einen mit Zimt und Zucker.“

    Der grumpy Crêpes-Verkäufer kommt dem Auftrag wortlos nach.

    „Und du, Calvin? Calvin! Ich hab jetzt einen Eierkuchen mit Zimt und Zucker genommen. Willst du auch einen haben? Du musst deutlicher sprechen! Ach, wirklich? Ist dir das nicht zu ... Na, gut. Dann noch einen mit Käse und Schinken.“

    Woraufhin mein Freund den bereits fertigen Crêpe in die Mülltonne feuert und Calvin sowie seinen junggebliebenen Ü50-Daddy zum Teufel schickt. Lebensmittelverschwendung in Prenzlauer Berg! Und das nur, weil man den Domestiken nicht schnell genug sagt, was sie tun sollen. Dieser Ort ist besser als jede Instant-Karma-Compilation auf YouTube.

    Obwohl das jetzt auch nicht zu biestig daherkommen soll. Man muss sie auch lieb gewinnen, diese Gestrandeten. Die aus ihren engen, protestantischen Dörfern flohen, um die Welt zu erobern, und die sich hier längst eine viel schlimmere Hölle geschaffen haben. Altbau-Eigenheim, Frau, Kinder und SUV. Letzten Endes sind sie genau so kaputt wie ich. Der vielleicht besser nach Berlin passt, aber auch nur ein Zugezogener ist.

    Jedenfalls rührt es mein Herz zu sehen, wie etepete sie morgens um zehn die Szene betreten. Der Kollwitzplatz als die Côte d’Azur Ost-Berlins. Alles dreht sich um den Nachwuchs, ums wohlfeile Networking. Man checkt die Nachbarn ab, die Kollegen, die Frau des Kollegen. Und jeder fühlt sich dem anderen überlegen.

    Doch sobald sie ein, zwei Flaschen Grauburgunder im Turm haben, kullern sie auf dem Spielplatz herum, pissen in Hecken, werden laut und gewöhnlich. Der Nachwuchs, komplett unbeaufsichtigt, schlägt sich gegenseitig munter mit Schaufeln die Schädel ein. Doch keine Sorge: Was auf dem Kollwitzmarkt passiert, bleibt auf dem Kollwitzmarkt. Denn nächste Woche geht alles von neuem los.

    #Berlin #Prenzlauer_Berg #Kollwitzplatz #Kollwitzstraße #Senefelderplatz

  • Christiane Paul über Berlin: „An manchen Ecken gerät etwas aus der Balance“
    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/christiane-paul-ueber-berlin-an-manchen-ecken-geraet-etwas-aus-der-

    26.2.2024 von Anne Vorbringer - Berlin hat rund 3,8 Millionen Einwohner, und jeder hat seinen eigenen Blick auf die Stadt. Was macht Berlin aus, wieso lebt man hier – und tut man es überhaupt gern?

    In unserer Rubrik „Fragebogen Berlin“ fragen wir bekannte Hauptstädterinnen und Hauptstädter nach ihren Lieblingsorten und nach Plätzen, die sie eher meiden. Sie verraten, wo sie gern essen, einkaufen oder spazieren gehen. Aber auch, was sie an Berlin nervt und was man hier auf keinen Fall tun sollte.

    Diesmal hat mit Christiane Paul eine der bekanntesten deutschen Film- und Fernsehschauspielerinnen geantwortet – und überdies eine echte Berliner Pflanze. Wie sie auf ihre Heimatstadt blickt, auf das Früher und das Heute, das hat sie uns ausführlich am Telefon erzählt.

    1. Frau Paul, seit wann sind Sie schon in der Stadt?

    Schon immer. Ich bin 1974 in Pankow zur Welt gekommen, in der Maria Heimsuchung. Gebürtige Berlinerin, das gibt es ja hier nicht so oft, höre ich. So wie in New York, wo man selten wirkliche New Yorker trifft.

    Ich kenne Berlin schon gut, bin irgendwie mit dem Rhythmus der Stadt verbunden. Viele, die hierherziehen, haben Probleme mit dem Charakter Berlins, der sehr rau sein kann. Der Berliner ist nicht der charmanteste Mitbürger, in Hamburg zum Beispiel sind die Leute nicht so direkt und kaltschnäuzig. Hinzu kommt, dass die Stadt eher schnell unterwegs ist. Das merke ich immer, wenn ich woanders bin, zum Beispiel in der Schweiz, in Zürich oder Bern. Dort ist alles so viel langsamer getaktet.

    Aber mir gefällt der Vibe in Berlin. Das, was Berlin ausmacht, ist auch in mir. Liegt sicher auch daran, dass ich die Stadt nie länger verlassen habe. In Pankow bin ich aufgewachsen und hab da sehr lange gelebt, dann zog ich nach Schöneberg während des Studiums, und da wohne ich heute noch. Ein Jahr war ich mal in Hamburg, sonst immer nur auf Reisen oder für Dreharbeiten woanders.

    2. Welcher ist Ihr Lieblingsort in Berlin?

    Meine Wohnung und mein Bett. Für Leute, die viel reisen, hat so ein Rückzugsort noch mal eine besondere Bedeutung. Es ist wichtig, dass man sich zu Hause wohlfühlt, und ich würde auch nicht wegziehen wollen, wenn es nicht unbedingt nötig ist.

    Zumal Umziehen nicht mehr so einfach ist wie in den Achtzigern, wo zumindest in West-Berlin als uncool galt, wer nicht alle paar Monate eine andere Bude bewohnte. Heute wäre man verrückt, seine Wohnung aufzugeben. Mein Kollege Devid Striesow ist gerade nach Wien gezogen, weil er hier keine passende Wohnung für sich und seine Familie gefunden hat. Viele andere Leute in meinem Umfeld sind in der gleichen Situation. Das ist ein Riesenproblem.

    3. Wo zieht es Sie hin, wenn Sie entspannen wollen?

    Mittlerweile an den Schlachtensee. Am liebsten bei schlechtem Wetter, dann ist es dort schön leer. Ich bin zwar ein Stadtmensch, aber hin und wieder muss ich raus in die Natur. Früher, in meiner Pankower Zeit, war es die Schönholzer Heide. Da war ich als Kind immer rodeln.

    4. Welche Ecken der Stadt meiden Sie?

    Tatsächlich keine, und das meine ich zunächst einmal als Kompliment an die Stadt. Ich bin viel mit den Öffentlichen und dem Fahrrad unterwegs und fühle mich nirgends unsicher oder unwohl. Allerdings muss ich die Einschränkung machen, dass ich keine 20 mehr bin und nicht ständig nachts unterwegs.

    Denn es gibt ja schon spezielle Ecken wie den Görlitzer Park oder das Kottbusser Tor. Ich will das gar nicht bewerten, das gehört wohl irgendwie zu einer Großstadt, dass es gemischte Communitys gibt, dass Dealer und Familien aufeinandertreffen. Aber ich hätte schon Sorge, wenn meine Kinder da nachts rumturnen. Es darf halt nicht kippen, und an manchen Ecken hat man schon das Gefühl, da gerät etwas aus der Balance.

    5. Ihr ultimativer Gastro-Geheimtipp?

    Mein Italiener um die Ecke: Bar Tolucci. Die machen super gutes Essen, sind entspannt, tolle Leute einfach, die das Restaurant schon seit langer, langer Zeit führen.

    6. Ihr ultimativer Shopping-Geheimtipp?

    Es gibt die Akazienbuchhandlung in Schöneberg, die ich sehr liebe. Und direkt daneben das Fidelio, ein Geschäft für Klassik- und Jazz-CDs. Da gehe ich zwar nie rein, weil ich nicht so ein Musikliebhaber bin, aber ich finde es toll, dass es noch solche Läden gibt. Das verschafft mir beim Vorbeilaufen Glücksgefühle. Genauso wie der alteingesessene Fleischer Albrecht in der Akazienstraße, bei dem ich jedes Jahr meine Weihnachtsgans hole – und jedes Mal wieder nach der Zubereitung fragen muss, weil ich es immer wieder vergesse. Dass man die Ladeninhaber noch kennt, das mag ich sehr an meinem Stadtteil.

    7. Der beste Stadtteil Berlins ist …

    Das kann man so gar nicht entscheiden, weil jeder was für sich hat. An Pankow zum Beispiel hängt mein Herz noch irgendwie. Aber es ist ein Ort, der für mich mit kindlichen Emotionen verbunden ist. Den gibt es nicht mehr, man lässt ihn zurück. Zwar bin ich mit meinen Kindern oft da, weil meine Eltern dort wohnen, und dann zeige ich ihnen auch schon mal die Schönholzer Heide und das Sowjetische Ehrenmal. Aber meine alten Wege dort abzulaufen, das wäre nicht einfach. Ich glaube, das möchte ich nicht.

    Pankow hat sich ja auch sehr verändert, es wurde viel gebaut. Als ich damals wegging, wollte ich eigentlich nur nach Prenzlauer Berg ziehen und nicht nach Schöneberg, aber Anfang der 2000er fand man dort keine Wohnung. Mittlerweile bin ich ganz froh, dieser Prenzlberg-Hype, das wäre nicht mein Lebensgefühl gewesen. Da bin ich im etwas verschlafenen, gewachseneren Schöneberg schon besser aufgehoben.

    In Ost und West denke ich ohnehin nicht mehr. Berlin ist für mich eine Stadt, und fertig. Zu mir hat mal jemand gesagt, dass es ja furchtbar gewesen sein muss, in Ost-Berlin aufzuwachsen. Und ich sagte, nee, war es nicht, es war meine Kindheit. Das ist ein eigenes Universum, das man auch später irgendwie behüten und behalten möchte. Ich war oft im SEZ schwimmen und Schlittschuh fahren. Insofern weiß ich schon, woher ich komme, aber ich habe mich mit Gesamtberlin verbunden. Eine Teilung wie diese hat keine andere Stadt so erlebt, und das macht Berlin einzigartig. Diese Identität zu erhalten und gleichzeitig einen Weg in die Moderne zu finden, ist schon eine schwierige Sache. Aber wie heißt es im Film „Spur der Steine“ selbstironisch: Man sollte immer „nach vorne“ diskutieren.

    8. Das nervt mich am meisten an der Stadt:

    Die vielen Baustellen, der Dreck und fehlende Ladestellen für Elektrofahrzeuge. Ich habe schon lange ein E-Auto, aber in den vergangenen zwei Jahren ist die Infrastruktur immer schlechter geworden, weil nicht entsprechend nachgerüstet wurde. Was absurd ist, schließlich brauchen wir doch andere Mobilitätskonzepte.

    9. Was muss sich dringend ändern, damit Berlin lebenswert bleibt?

    Es braucht eine politische Lösung für die Wohnungskrise. Eine Möglichkeit, die Mieten wirksam zu begrenzen. Man sieht die sozialen Verwerfungen mittlerweile überall in Berlin. Die zunehmende Obdachlosigkeit – erschütternd, wie das in die Stadt reindrückt und dass es kein Konzept dagegen gibt.

    So wie in Finnland, wo mit Housing First möglichst jedem Obdachlosen bedingungslos eine Wohnung plus Unterstützung durch Sozialhelfer zur Verfügung gestellt wird, um ihn in die Gesellschaft zu reintegrieren.

    Solch ein gesamtgesellschaftliches Konzept ist hier auch nötig. Es bedrückt mich ehrlich, was in dieser Hinsicht aus Berlin geworden ist. Dass die Mittelschicht aufgebraucht ist, die Stützen der Gesellschaft immer weiter abrutschen. Busfahrer, Krankenpfleger, deren Lohneinkünfte die Mieten nicht mehr decken können. Wie viel Geld mittlerweile fürs Wohnen draufgeht, das verursacht große Verzweiflung bei immer mehr Menschen.

    10. Ihr Tipp an Unentschlossene: Nach Berlin ziehen oder es lieber bleiben lassen?

    Klar kann man hierherziehen – wenn man eine Wohnung findet. Berlin ist die aufregendste Stadt in Deutschland, man kann hier aber auch noch ein Stück Ruhe finden, was zum Beispiel in London nicht mehr geht. Also ich kann jeden verstehen, der hierherziehen will.

    11. Cooler als Berlin ist nur noch …Ich war zuletzt häufiger in London. Dort ist es vielleicht nicht cooler, aber schon irgendwie anders. London ist am Puls der Zeit, auch kulturell. Ich würde da zwar nicht leben wollen, finde es aber wahnsinnig lebendig dort.

    Zur Person

    Christiane Paul wurde 1974 als Tochter zweier Ärzte geboren. Nach dem Abitur absolvierte sie ein Medizinstudium an der Humboldt-Uni und promovierte 2002. Parallel dazu betrieb sie ihre Schauspieltätigkeit und lernte am Lee Strasberg Institute in New York. Den Arztberuf gab sie 2004 auf, um sich neben der Betreuung ihrer Tochter stärker der Schauspielerei zu widmen.

    Bereits in jungen Jahren arbeitete die Berlinerin als Model, mit 17 erhielt sie ihre erste Hauptrolle in Niklaus Schillings Kinofilm „Deutschfieber“. Zu ihren bekanntesten Filmen gehören „Das Leben ist eine Baustelle“, „Im Juli“ und „Die Welle“.

    2016 wurde Christiane Paul der International Emmy Award als beste Hauptdarstellerin für Elmar Fischers Fernsehthriller „Unterm Radar“ verliehen. Seit 2017 spielt sie vermehrt in internationalen Produktionen. In diesem Jahr wird sie im Kinofilm „Die Ermittlung“ und in der Serie „Concordia“ zu sehen sein.

    #Hamburg #Berlin #Pankow #Prenzlauer_Berg #Schöneberg #Schönholzer_Heide #Görlitzer_Park #Kottbusser_Tor
    #Schauspieler

  • Berlin-Fragebogen mit Kabarettist Frank Lüdecke: „Berlins Dysfunktionalität muss erhalten bleiben“
    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/kabarettist-frank-luedecke-berlins-dysfunktionalitaet-muss-dringend

    Abgeklärte Sicht aus Kleinmachnow. Wer da gelandet ist hat das echte Berlin verlassen. Die dargestellte Haltung ist geblieben, nur blasierter ist sie geworden. Charlottenburg potenziert. Man merkt die innerliche Annäherung an Restdeutschland, die Voraussetzung jeden Erfolgs seit Berlin Bonn implantiert wurde.

    5.2.2024 von Anne Vorbringer - Berlin hat rund 3,8 Millionen Einwohner, und jeder hat seinen eigenen Blick auf die Stadt. Was macht Berlin aus, wieso lebt man hier – und tut man es überhaupt gern?

    In unserer Rubrik „Fragebogen Berlin“ fragen wir bekannte Hauptstädterinnen und Hauptstädter nach ihren Lieblingsorten und nach Plätzen, die sie eher meiden. Sie verraten, wo sie gern essen, einkaufen oder spazieren gehen. Aber auch, was sie an Berlin nervt und was man hier auf keinen Fall tun sollte.

    Diesmal hat der politische Kabarettist, Autor und Kolumnist Frank Lüdecke unsere Fragen beantwortet, der mit seinen Programmen seit vielen Jahren die hauptstädtische Kleinkunstszene prägt und auch im Fernsehen gern einen satirischen Blick auf die Stadt wirft. So bemerkte er unlängst bei „Nuhr im Ersten“, dass ihm Berlin in letzter Zeit in der öffentlichen Wahrnehmung zu schlecht wegkäme: „Es geht mir ziemlich auf den Senkel, wie manche hier über meine Heimatstadt sprechen, vor allem Zugereiste aus den ländlichen Gebieten wie Köln oder so.“

    Berlin-Fragebogen mit Minh-Khai Phan-Thi: „Diese Stadt hat mich befreit“

    Lucas Gregorowicz über Berlin: „Als Zugezogener sollte man sich nicht zu sehr beschweren“

    Auch in unserem Fragebogen kommen persönliche Eindrücke nicht zu kurz, immerhin hat der 62-Jährige die Stadt kaum je länger verlassen, auch wenn er seit geraumer Zeit etwas über den Rand gerückt ist und mit seiner Familie in Kleinmachnow lebt. Arbeitsort ist aber immer noch die City West: Seit fünf Jahren leiten Frank Lüdecke und seine Frau das Kabarett-Theater Die Stachelschweine in der Tauentzienstraße, dessen Programme wie „Steglitz, wir haben ein Problem!“ Presse und Publikum gleichermaßen überzeugen.

    Am 30. März hat Lüdeckes neues Soloprogramm „Träumt weiter!“ in den Wühlmäusen Premiere. Und während der Fußball-Europameisterschaft wird es bei den Stachelschweinen das satirische EM-Spektakel „Pfostenbruch“ geben, mit bekannten Kabarettisten, Comedians, Schauspielern und Sportlern.
    Meistgelesene Artikel

    1. Herr Lüdecke, seit wann sind Sie schon in der Stadt?

    Ich bin schon sehr lange in der Stadt. Ich glaube, einer der Hauptgründe muss wohl gewesen sein, dass mich meine Mutter in Charlottenburg zur Welt gebracht hat. So was prägt enorm. Dann, dass ich in Charlottenburg zur Schule gegangen bin und schließlich in Zehlendorf studiert habe. An einer Elite-Uni, die damals aber noch „Rostlaube“ hieß und einen total verfleckten Teppich hatte.

    Ich bin in dem Sinne kein Weitgereister. Ich war mal vier Jahre im Rheinland. Wir haben immer gesagt, wir leben jetzt zwischen Düsseldorf und Köln. Um nicht „Neuss“ sagen zu müssen. Dadurch habe ich Berlin wieder richtig schätzen gelernt.

    2. Welcher ist Ihr Lieblingsort in Berlin?

    Der Teufelsberg mit der Blickrichtung Grunewald/Spandau im Herbst.

    3. Wo zieht es Sie hin, wenn Sie entspannen wollen?

    In ein nahegelegenes europäisches Ausland, wo sehr viele Menschen Italienisch sprechen. In Berlin kann ich nicht so entspannen. Überall Termine, Spielplanänderungen, Proben, Leute, die was wollen und dieser blöde Fitnessclub, der monatlich abbucht.

    4. Welche Ecken der Stadt meiden Sie?

    Eigentlich nur den Hauptbahnhof. Ich mag den nicht. Vielleicht, weil mir da mal mein Computer gestohlen wurde. Die Gleise unten machen mich depressiv. Ich steige lieber in Spandau ein oder am Südkreuz.

    5. Ihr ultimativer Gastro-Geheimtipp?

    Ein veganes Restaurant in der Kantstraße: Bodhicitta Vegan Bowl, Kantstraße 139. Familienbetrieb. Und ich bin kein Veganer, überhaupt nicht. Also das will schon was heißen. Dann noch ein anderes, wo wir eigentlich noch öfter hingehen. Ich hab etwas Angst, dass es dann total überlaufen ist, wenn ich es jetzt hier empfehle. Aber egal. Es befindet sich ziemlich direkt am S-Bahnhof, wenn Sie den hinteren Ausgang nehmen. Direkt auf der anderen Straßenseite sehen Sie es schon. Ich kann es nicht besser beschreiben.

    6. Ihr ultimativer Shopping-Geheimtipp?

    Das ist lustig. Sie könnten mich auch nach meinen schönsten Ballett-Erfahrungen befragen. Ich bin nicht so der Einkaufstyp. Ich laufe immer nur hinterher und trage die Tüten. Die schönsten Geschäfte sind für mich die, die eine Sitzgruppe haben, zum Warten. Wo ich gerne hingehe, sind Gitarrenläden. Just Music am Moritzplatz zum Beispiel. Geht gerade pleite, lese ich. Das KaDeWe ist auch sehr schön. Viele Sitzgelegenheiten. Geht auch pleite, liest man. Empfehlen kann ich die sechste Etage mit vielen sogenannten „Food-Countern“. Das Preis-Leistungs-Verhältnis sucht seinesgleichen in der Stadt, wenn Sie verstehen, was ich meine.

    7. Der beste Stadtteil Berlins ist …

    Charlottenburg? Mitte? Friedrichshain? Schöneberg? Die Meinungen der Experten gehen auseinander. Gatow ist es – glaube ich – nicht. Obwohl die Rieselfelder auch was haben.

    8. Das nervt mich am meisten an der Stadt:

    In den 2000ern Zugereiste, die mir erklären, wie cool die Achtzigerjahre in Berlin waren. Und Türken, die seit 30 Jahren in der Stadt leben und hupend über den Kudamm fahren, weil Erdogan die Wahl gewonnen hat.

    9. Was muss sich dringend ändern, damit Berlin lebenswert bleibt?

    Die Dysfunktionalität muss erhalten bleiben. Dringend. Worüber sollen wir uns aufregen, wenn es keinen „Schienenersatzverkehr“ gibt? Berlin ist die einzige Stadt der Welt, die einen Eintrag bei der Schufa hat! Die Stadt, wo selbst die weltbesten Architekten ihre langweiligsten Projekte realisiert haben. Das muss doch einen Grund haben!

    Stellen Sie sich vor, wir hätten weltläufige Politiker! Wozu? Ich bin ja selbst über Charlottenburg kaum hinausgekommen. Nein, es ist alles gut so, wie es ist. Hier schreibt jeder an einem Drehbuch oder bringt demnächst eine EP heraus oder hat ein fantastisches Filmangebot. In Aussicht. Neulich hab ich einen kennengelernt, der hat keinen Podcast! Gibt’s auch, aber selten.

    Fließend Wasser in Grundschultoiletten wäre natürlich schon wünschenswert. Viele Turnhallen verfügen ja noch über Baumängel aus der Weimarer Republik. Wer die Stadt verstehen will, dem empfehle ich zwei Dinge. Zum einen die Geschichte von Hertha BSC. Und zum anderen eine kleine Anekdote, die ich Ihnen hiermit wiedergebe. Ich habe sie selbst erlebt und sie ist wahr. Am Tag des 9. November 1989 stand ich abends am Grenzübergang Invalidenstraße. Die Mauer war gerade gefallen. Plötzlich kommt Walter Momper, der Regierende Bürgermeister mit seinem roten Schal. Er steigt auf eine Art Mülltonne. Ich denke, was wird er uns mitteilen, zum welthistorischen Ereignis? Heute, da die ganze Welt auf uns schaut? Er breitet die Arme aus und sagt: „Liebe Berliner und Berlinerinnen! Dies ist der glücklichste Tag in unserer Geschichte! Aber wir dürfen eines nicht vergessen: Die Zufahrtswege müssen frei bleiben!“

    10. Ihr Tipp an Unentschlossene: Nach Berlin ziehen oder es lieber bleiben lassen?

    Bleiben lassen. Und versuchen, den Podcast in Bad Ems zu etablieren.

    11. Cooler als Berlin ist nur noch …

    … ein sehr kleiner Ort in Italien, dessen Name mir gerade entfallen ist.

    Zur Person

    Frank Lüdecke kam 1961 in Berlin-Charlottenburg zur Welt. Zur Abiturfeier gründete er die Kabarettgruppe „Phrasenmäher“, die er während seines Germanistik- und Geschichtsstudiums an der Freien Universität weiterführte.

    Seine Solokarriere als politischer Kabarettist begann 1997 mit dem Programm „Verteidigung der Sittsamkeit“. Lüdecke gastierte mit seinen Soloprogrammen auch häufig in Dänemark, der Schweiz und Italien sowie in Berlin in der Distel, im Schlossparktheater und den Wühlmäusen. Er wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Deutschen Kabarett-Preis.

    Ab 2004 war Lüdecke Stammgast in der ARD-Sendung „Scheibenwischer“, später auch im ZDF-Format „Die Anstalt“. Auch bei „Nuhr im Ersten“ tritt er regelmäßig auf. 2019 übernahm er die künstlerische Leitung des Kabaretts Die Stachelschweine im Europa-Center, seine Frau Caroline ist die Geschäftsführerin (Foto).

    #Berlin #Kabarett #Anekdoten

  • Sparen und gut essen? Bei Ikea gibt es das beste Mittagessen Berlins
    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/sparen-und-gut-essen-bei-ikea-gibt-es-das-beste-mittagessen-berlins

    Journalisten schreiben Quatsch. Viele Journalitsen schreiben viel Quatsch. Manchmal schreibt sogar ein einziger Journalist viel Quatsch.

    Was stimmt : Billig. Essen nicht Möbel. Ikea.

    22.1.2024 von Marcus Weingärtner - Schlauer Lunch: Der schwedische Möbeldiscounter hat nicht nur digital die Nase vorn, sondern serviert auch ein klasse Mittagessen. Zu wirklich fairen Preisen.

    Witze über Billy-Regale, fehlende Einzelteile, kryptische Bauanleitungen und lustige Produktbezeichnungen sind die ersten Dinge, die vielen Leuten in den Sinn kommen, wenn sich das Gespräch um Ikea dreht.

    Dabei hat sich der schwedische Möbeldiscounter mit dem familienfreundlichen Image längst an uns vorbei zu einer digitalen Wunderwelt gewandelt: Dreidimensionale Einrichtungsplanung, Laservermessungen, geschmeidig funktionierende Scannerkasse und durchdachte Online-Angebote zeigen, was auch hierzulande möglich wäre, würde man die weltweite Digitalisierung nur endlich ernst nehmen.
    Ernsthafte Kundenbindung

    Aber wer wissen will, wie sehr dem Möbelhaus die Zufriedenheit der Käufer wirklich am Herzen liegt, der sollte das hauseigene Restaurant besuchen, denn hier zeigt sich, dass es dem Discounter mit der Kundenbindung wirklich ernst ist. Mit anderen Worten: In keinem gastronomischen Betrieb der Stadt ist das Preis-Leistungs-Verhältnis so ausgewogen wie bei Ikea.

    An einem Mittwoch gegen zwölf Uhr besuchen wir das Restaurant der Filiale in Tempelhof, in dem man auch frühstücken kann. 1,50 Euro kostet das für Kinder, die Erwachsenen zahlen für Äggfrukost 3,95 Euro, dafür gibt es dann ein Eieromelette, vier Scheiben gebratenen Schinken, Butter und ein Brötchen. Wir sind aber später dran und wollen zu Mittag essen. Auch dabei setzt Ikea auf Fortschritt und bietet vermehrt pflanzliche Kost anstelle roten Fleisches an.

    So gibt es nun neben den legendären Köttbullar die Plantbullar und ich entscheide mich voller Zukunftsfreude und Neugier für die pflanzliche Variante: Das sind fünf Erbsenproteinbällchen, die besser schmecken, als die Bezeichnung vermuten lässt, was aber auch an der wirklich ordentlichen Rahmsoße liegt. Die Bällchen sind ein wenig zu fluffig, da hinkt die vegetarische Alternative noch, aber geschmacklich gut. Was auch der Tatsache geschuldet ist, dass man hier nicht versucht hat, Fleisch in Geschmack und Konsistenz nachzubilden.

    Ein Hauptgericht für unter drei Euro

    Dazu gibt es Erbsen aus der Tiefkühlung und für mich Pommes statt Püree. Die Erbsen sind in Ordnung, die Pommes frites sogar klasse. Alle goldgelb, keine verkohlte Niete darunter. Unschlagbar auch der Preis: Das Hauptgericht kostet 2,95 Euro. Noch mal: zwei Euro fünfundneunzig. Klar, dass das Möbelhaus hier wohl subventioniert und anderswo wohl draufschlägt, aber das kann dem Mittagsesser auch egal sein.

    Dazu gibt es eine Schale mit frischem Salat, den man mit einer Auswahl an Dressings selbst anrichten kann. Der Salat, hauptsächlich Mais und Radieschen, ist knackig, das Joghurt-Dressing nicht zu penetrant. Bis jetzt überzeugt der Günstig-Lunch. Das Restaurant ist nun gut gefüllt mit einer Mischung aus Kleinfamilien, Senioren und Hipstern mit Tagesfreizeit. Nicht alle kaufen ein, man kommt also auch „nur“ zum Essen und Trinken nach Tempelhof.

    Zum Dessert gibt es ein Stück Schokoladenkuchen, das nicht riesig, aber mit einem Euro auch nicht teuer ist und genau die richtige Größe für einen Nachtisch hat. Der Kuchen ist saftig, wenn auch ein wenig zu süß. Dazu gibt es eine Flasche Wasser und das Ganze hat mich nicht mehr als zehn Euro gekostet. Fazit: Wer ordentlich und günstig essen möchte, der sollte des Öfteren bei Ikea vorbeischauen. Natürlich kann man auch noch ein paar Teelichter, Servietten und Kissenhüllen einpacken.

    Wertung: 4 von 5

    Ikea Schwedenrestaurant: Hauptgerichte ab 3,95 Euro, Suppen ab 1 Euro. Frühstück und Kindergerichte ab 1 Euro, Desserts und Getränke ab 1 Euro.

    Ikea Tempelhof, Sachsendamm 47, Öffnungszeiten: Mo–Do 10–21 Uhr, Fr–Sa 10–22 Uhr

    #Berlin #billig #Gastronomie #Restaurants #Kantine #WTF

  • Bingo, Bier und Jukebox: Wie Berliner Kneipen der Krise trotzen
    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/bingo-bier-und-jukebox-eckkneipe-kupferkanne-wie-berliner-kneipen-d

    Die Sprechfunk Zentrale der Innung quäkte „Schulli Steinmetz-Alvensleben“. Das klingt mir immer noch im Ohr, obwohl mit Sprechfunkvermittlung schon seit Jahren Schluß ist. Bei „Erster Meldung“ fuhr man da nur hin wenn man eben nicht fahren musste, sondern zufällig schon vor der Tür stand. Gerade einen Kandidaten abgeliefert. Halb besoffen rein, sturzbesoffen raus. Das ging wie die Drehtür. Immer reingehen und Gast auf Transportfähigkeiz prüfen. Ab zweieinhalb bis drei Promille ist die Bullerei zuständig für die „hilflose Person“. Alles darunter ist gebongt. Wir sind ja tolerant.

    Die Kupferkanne war eine der Absturzkneipen , unendlich ergiebige Quellen für Suffkes, Patienten und Mörder Fahrgäste (siehe https://txsl.de/uli-hannemann-taxiglossar.html ). Alle zehn Minuten schreit ein Strammer Max nach seinem Gummi . Der erste Dialog mit dem Fahrgast im Auto geht dann so : „Haste wat dajejen wennick rooche? Nö, is jut, man jönnt sich ja sonst nüscht.“ Mit dem kann man sich zumindest über das Fahrziel verständigen. Es geht nie weit. Der Weg von der Kiezkneipe nach Hause um die Ecke ist zu Fuß einfach nicht mehr machbar. Dafür gibts meistens ordentlich Schmalz.

    Lageplan Kupferkanne Steinmetz- Ecke Alvensleben
    https://www.openstreetmap.org/node/4967649020

    Alles Vergangenheit. Fahren die Gäste heute noch Taxi? Keine Ahnung, muss ich den Wirt bei Gelegenheit fragen. Falls ich sowieso in der Gegend feiern sein sollte und mich als Gast in den Laden reintraue. Der klassische Alkoholpegel führte zu erhöhtem Auf-die-Fresse-Risiko. Daran hat sich nichts geändert, am Alkohol-Auf-die-Fresse-Verhältnis.

    An den holzvertäfelten Wänden hängen Poster des Fußball-Zweitligisten Hertha BSC, dazu alte Mannschaftsfotos und Pokale. Der Geruch von Rauch liegt eigentlich immer leicht in der Luft. Die Kupferkanne in Berlin-Schöneberg ist eine Sportkneipe durch und durch. Junge Menschen würde man hier auf den ersten Blick eher nicht vermuten.

    Doch das Lokal ist seit einigen Jahren eine Art Hotspot für die jüngere Generation. Der Berliner Rapper Ski Aggu mit Skibrille drehte hier kürzlich ein Musikvideo. Entdecken Jüngere in Zeiten des Kneipensterbens die Schankwirtschaften wieder neu?

    Necip Cakir und seine Frau Rose-Gül Cakir betreiben die Kupferkanne in einer eher ruhigen Ecke Berlins seit knapp 40 Jahren. Mittlerweile seien rund 90 Prozent der Gäste Studierende, sagt Cakir, leidenschaftlicher Hertha-Fan. „Die Leute haben es probiert mit Cocktailbars, mit Schickimicki-Restaurants oder Shishabars. Das hat nicht so richtig funktioniert“, vermutet der 64-Jährige. „Die uralte Kiezkneipenkultur kommt wahrscheinlich wieder zurück.“

    Es sei toll, wenn sich Jüngere gemütlich in Kneipen setzen, ein Bierchen trinken und ins Gespräch kommen. Auf ihren Wunsch hin wird sogar seit einiger Zeit wieder Bingo gespielt. Rose-Gül Cakir meint: „Die kommen zur Gemütlichkeit wieder zurück.“ Rapper Ski Aggu sagte im vergangenen Jahr am Rande einer Preisverleihung: „Das ist kein Schickimicki, man geht einfach hin. Einfach noch so ’ne ehrliche Kneipe.“

    Urige Schankwirtschaften: Eher ein lokaler Trend

    Aus Sicht des Wirtschaftsgeografen Martin Franz handelt es sich aber um keinen flächendeckenden Trend, dass urige Schankwirtschaften generell wieder stärker vom jungen Publikum erobert werden. Franz forscht an der Universität Osnabrück unter anderem zur Zukunft der Kneipen. Es sei vielmehr ein „lokaler Trend, der an bestimmte Städte und bestimmte Szenen gebunden ist.“ Es könne mehrere Gründe haben, dass ein junges Publikum traditionelle Kneipen auswählt – zum Beispiel, weil Fußball gezeigt wird, die Musik angepasst wird oder wegen der Persönlichkeit eines Wirts, mit dem man ein Schwätzchen halten kann.

    „Diese Kneipen haben sich an veränderte Rahmenbedingungen angepasst“, sagt Franz. Dazu hätten sie meist eine gute Lage, etwa nahe einer Uni. Ein grundsätzliches Problem in der traditionellen Gastronomie sei, dass sie relativ innovationsfeindlich gewesen sei. „Diejenigen, die eine Kneipe hatten, wollten meist auch nichts anderes als eine Kneipe zu betreiben und haben sich oft über die Jahre hinweg nicht angepasst.“


    Necip Cakir in seiner Kult-Kneipe: An den holzvertäfelten Wänden hängen viele Poster von Hertha BSC.Jörg Carstensen/dpa

    Starker Rückgang an Kneipen in Deutschland

    Grundsätzlich habe sich das Konsum- und Freizeitverhalten der Menschen verändert, so der Forscher. In Deutschland sei ein starker Rückgang an Kneipen zu erkennen. Das zeigen auch Zahlen des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga). Wurden 2014 noch 31.650 Schankwirtschaften verzeichnet, waren es 2021 lediglich 19.201.

    Cakir und Rose-Gül hätten vor mehr als zehn Jahren mit wirtschaftlichen Problemen in der Kneipe gekämpft. Mit einer Gruppe jüngerer Menschen hätten die beiden überlegt, was man verändern könne. So kamen sie unter anderem auf die Idee, den Raum für Geburtstagsfeiern anzubieten, wie Cakir erzählt. Nach und nach habe sich die Kupferkanne bei jungen Menschen um die 20 herumgesprochen.

    Auch bei Annabel Lehmitz in der Hamburger Ratsherrn Klause ist das Hauptpublikum zwischen Mitte bis Ende 20. Die 33-jährige Gastronomin hat die urige Kneipe während der Corona-Pandemie im Jahr 2021 von ihrem Vater übernommen. „Es ist schon so, dass man merkt, dass die Kneipe wiederkommt, auch bei den jungen Leuten“, sagt Lehmitz.

    In der Eckkneipe Zum Knobelbecher im Belgischen Viertel in Köln ist das Publikum einer Mitarbeiterin zufolge sehr gemischt. „Alt und Jung kommen zusammen, das schafft ein Gemeinschaftsgefühl. Man weiß nie, wen man abends kennenlernt“, sagt Johanna Keuser. Im Keller könnten Gäste kegeln, oben laufe viel kölsche Musik und Schlager. Dazu zeigt der Knobelbecher im Veedel wie die Kupferkanne in der Hauptstadt auch Fußball – allerdings nicht Hertha, sondern den 1. FC Köln.

    Eine noch größere Rolle als Treffpunkt für junge Leute kommt Kneipen der Dehoga zufolge in den Kleinstädten oder auf dem Land zu. „In der Corona-Zeit wurden sie schmerzhaft vermisst, umso mehr genießen es die Menschen heute, auszugehen und entspannt zusammenzukommen“, hieß es. Kneipen seien weiter die öffentlichen Wohnzimmer der Gesellschaft.

    #Berlin #Schöneberg #Alvenslebenstraße #Steinmetzstraße #Kneipe #Drogen #Alkoholismus

  • Chodowieckistraße und Co. in Berlin: Diese Straßennamen kann kein Mensch aussprechen
    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/chodowieckistrasse-und-co-in-berlin-diese-strassennamen-kann-kein-m

    Wenn’s weita nüscht is ...

    3.1.2024 von Anne Vorbringer - An manchen Straßennamen scheitern selbst alte Hauptstadthasen. Oder wissen Sie auf Anhieb, wie man die Chodowieckistraße in Prenzlauer Berg korrekt ausspricht?

    Im vergangenen Jahr haben die Sprachexperten der E-Learning-Plattform Preply untersucht, welche international bekannten Lebensmittel von den Deutschen am häufigsten falsch ausgesprochen werden. Dazu wurden knapp 500 Begriffe daraufhin analysiert, wie häufig deren Aussprache bei Google eingegeben wird.

    Die Top Fünf wurde von „Bruschetta“ angeführt, das Röstbrot aus dem italienischen Antipasti-Segment wird hierzulande mindestens genauso oft bestellt wie falsch ausgesprochen, was auch für Spezialitäten wie Ciabatta, Tagliatelle und Gnocchi gilt. Letztere werden in deutschen Restaurants gerne zu „Gnotschi“, „Gnoki“ oder „Noschi“ verhunzt.

    Leider gibt es noch keine statistisch verwertbare Erhebung zu den am häufigsten falsch ausgesprochenen Berliner Straßennamen, aber wir sind uns ziemlich sicher, dass unsere fünf Beispiele es in jedes derartige Ranking schaffen würden.

    1. Prenzlauer Berg: Chodowieckistraße

    Als mein Ex-Freund damals aus unserer gemeinsamen Vorderhauswohnung in der sehr leicht auszusprechenden Dunckerstraße auszog, waren wir nicht sonderlich gut aufeinander zu sprechen. In meinem emotionalen Verlassenwerden-Tief galt es, auch Kleinigkeiten mit einer gewissen Schadenfreude zu betrachten. Zum Beispiel den Umstand, dass auf dem angespannten Berliner Innenstadt-Mietmarkt nur noch eine Hinterhofbutze in der Chodowieckistraße für ihn frei war.

    Ausgerechnet in der Chodowieckistraße, hahahaha, dachte ich. Nun würde er jedem Taxifahrer buchstabieren müssen, wo er nach seinen Kneipenabenden mit den Kumpels hinkutschiert werden will. Schließlich hat es die kurze, parallel zur Danziger Straße verlaufende Chodowieckistraße aussprachetechnisch in sich und selbst Profis wissen nicht, was eigentlich richtig ist.

    Ich jedenfalls habe in Taxis schon alles gehört, von „Chodowjetzkistraße“, gesprochen mit „zk“, über „Chodowikki-“ bis „Schodowikkistraße“ – also mit sch und doppeltem k. Benannt ist die Straße in Prenzlauer Berg nach dem 1726 in Danzig geborenen und 1801 in Berlin verstorbenen Maler, Radierer und Kupferstecher Daniel Nikolaus Chodowiecki.

    Dessen Nachname wird laut Duden „Chodowjetski“ ausgesprochen, polnische Muttersprachler schlagen auf anderen Plattformen eher ein „Hoddowjetski“ vor. Zum Üben für die nächste Taxifahrt haben wir Ihnen einen YouTube-Link herausgesucht. Dass der Fahrer Sie dann auch versteht, dafür übernehmen wir allerdings keine Garantie. Mein Ex-Freund jedenfalls hat es irgendwann aufgegeben und bat immer darum, an der Ecke Danziger und Prenzlauer Allee rausgelassen zu werden.

    2. Grünau: Rabindranath-Tagore-Straße

    Früher hieß die vom Adlergestell bis zur Regattastraße verlaufende Rabindranath-Tagore-Straße im schönen Grünau mal schnöde-einfach Straße 900. Doch dann erfolgte auf Vorschlag des Indologen Professor Walter Ruben zum 100. Geburtstag des Nobelpreisträgers Rabindranath Tagore die Umbenennung nach dem 1861 in Kalkutta geborenen Philosophen und Dichter.

    Der Schriftsteller Stefan Heym hat in der Rabindranath-Tagore-Straße gewohnt und erzählte Ende der Neunzigerjahre in der Zeit diese hübsche Anekdote zu seiner Adresse: „Die DDR wollte von Indien anerkannt werden, nannte deshalb unsere Straße Tagorestraße, und da sagte jener Indologe zum Bürgermeister: Es gibt drei Brüder Tagore. Die könne man verwechseln, wenn man nicht deutlich mache, welchen man meint. Deshalb heißt die Straße Rabindranath Tagore, und alle Pförtner von Hotels, in denen ich je einkehrte, mussten ‚Rabindranath Tagore‘ in ihre Bücher schreiben.“

    Auch heute noch hat sich an der Unaussprechlichkeit und Unbuchstabierbarkeit wenig geändert, berichtet ein Kollege aus Grünau. Selbst bei Google Maps herrscht Zungenbrecherpotenzial, und wenn das Kartennavi auf dem Handy die „Rabbindrannattrgorr-Straße“ ausspricht, will man sich vor Lachen kringeln und vergisst dabei unter Umständen, auf den Verkehr zu achten. Auch nicht ungefährlich.

    3. Wedding: Malplaquetstraße

    Malplakat? Malplack? Wasnochmal? Die Malplaquetstraße in Wedding stellt wohl selbst Anwohner vor Schwierigkeiten. Sie reicht von der Nazarethkirchstraße bis zur Seestraße, so viel steht fest. Doch wie spricht man sie nur korrekt aus?

    Lesen wir zunächst im Kauperts Straßenführer durch Berlin nach. Dort heißt es: „In der äußerst blutigen Schlacht bei Malplaquet am 11.9.1709 vernichteten während des Spanischen Erbfolgekriegs die vereint kämpfenden preußischen, österreichischen und britischen Truppen – unter Führung von John Churchill Marlborough – die Armee Ludwigs XIV. von Frankreich. Der verlustreich erkämpfte Sieg wurde nicht genutzt und hatte auch nicht die erhoffte kriegsentscheidende Wirkung.“

    Verlustreich, aber namensgebend: die Schlacht bei MalplaquetHeritage Images/imago

    Und weiter: „Vorher Straße Nr. 45, Abt. X/1 des Bebauungsplanes. 1888 entschied der Magistrat von Berlin anlässlich des 200. Geburtstags Friedrich Wilhelms I., der als Kronprinz in den Niederlanden seine Feuertaufe erhalten hatte, eine Anzahl Weddinger Straßen nach Ereignissen und Personen des Spanischen Erbfolgekriegs (1701–1714) zu benennen. So erhielt auch die Malplaquetstraße ihren Namen.“

    Malplaquet liegt in Nordfrankreich und wird demzufolge très français ausgesprochen und betont: malplakee.

    4. Tiergarten: John-Foster-Dulles-Allee

    John Foster Dulles war ein amerikanischer Politiker, der unter US-Präsident Dwight D. Eisenhower von 1953 bis 1959 als Außenminister der Vereinigten Staaten diente. Er war bekannt für seine kompromisslose Haltung gegenüber der Sowjetunion im Kalten Krieg und betrachtete den Kommunismus als „moralisches Übel“.

    Übel gerät bisweilen auch die Aussprache seines Namens in Berlin, ist nach Dulles doch eine kleine, vom Spreeweg bis zur Scheidemannstraße reichende Allee benannt. Die lässt von „Dallas“ über „Dulls“ bis hin zu „Dulli“ allerlei verhunzungstechnische Alternativen zu. Entscheiden Sie selbst, wie sehr Sie den Ami ärgern wollen, etwa wenn Sie das nächste Mal das Haus der Kulturen der Welt ansteuern, das in der John-Foster-Dulles-Allee 10 ansässig ist.

    5. Friedenau: Handjerystraße

    Von „Hand-cherie“ über „Händ-dschäry“ bis „Hand-jerri“ ist eigentlich aussprachetechnisch alles drin in der Friedenauer Handjerystraße, die von der Varziner Straße bis zur Bundesallee und Stubenrauchstraße führt. Benannt ist sie nach dem Politiker Nicolaus Prinz Handjery, der 1836 in Konstantinopel zur Welt kam und 1900 in Dresden starb.

    Wenn’s hilft: Auch eine Pflanze ist nach Handjery benannt. Der Bergahorn „Prinz Handjery“ hat einen breit ovalen bis kugelförmigen Wuchs.Agefotostock/imago

    Der Kauperts weiß: „Der Sohn eines russischen Staatsrats stammte aus einer vornehmen griechischen Familie. Seit 1845 mit seiner Familie in Preußen lebend, erhielt Handjery 1851 das preußische Bürgerrecht, 1854 legte er in Berlin das Abitur ab und studierte dann in Berlin und Bonn Jura. 1858–1861 diente er im Garde-Kürassier-Regiment. Nach dem Examen und juristischer Tätigkeit beim Berliner Stadtgericht und der Potsdamer Regierung wirkte Handjery von 1870 bis 1885 als Landrat des Kreises Teltow und vertrat den Kreis im Abgeordnetenhaus und im Reichstag. 1885 wurde Handjery Regierungspräsident in Liegnitz, bis er 1895 wegen Krankheit aus seinen Ämtern ausschied und zurückgezogen in Berlin lebte. Seine Grabstätte befindet sich auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof, Großgörschenstraße.“

    Lässt man sich den Wikipedia-Artikel über den Juristen laut vorlesen, so spricht dort eine weibliche Stimme den Namen eher wie folgt aus: „Nikolaus Handjerü.“ Gibt man das wiederum in die Google-Sprachsuche ein, schlägt die Maschine Seiten vor wie „Handjob zum Nikolaus“. Das dürfte die Verwirrung endgültig komplett machen. Zumal es in Berlin gleich zwei Handjerystraßen gibt: Die andere liegt in Adlershof.

    #Berlin #Geschichte #Straßen #Handjerystraße #Adlershof #Friedenau #Tiergarten #John-Foster-Dulles-Allee #Wedding #Malplaquetstraße #Grünau #Rabindranath-Tagore-Straße #Prenzlauer_Berg #Chodowieckistraße

  • Im Uber: Ex-Botschaftergattin Shawne Fielding zusammengeschlagen
    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/im-uber-ex-botschafter-gattin-shawne-fielding-zusammengeschlagen-li


    Glamour-Paar der Berliner 2000er: Shawne Fielding und Thomas Borer, hier im Jahr 2007 beim Wiener Opernball.

    Es trifft die Reichen und Schönen nur, wenn sie unmittelbar von Armut und Ausbeutung profitiren wollen. Es gibt gute Gründe dafür, dass die Angehörigen der Oberklassen eigene Limousinen und Chauffeure haben. Jetzt wissen ein paar mehr : Mit Uber fahren ist gefährlich, weil man nie weiß, wer wirklich am Steuer sitzt.

    26.12.2023 Marcus Weingärtner - Shawne Fielding, die Ex-Frau des ehemaligen Schweizer Botschafters Thomas Borer, wurde in Dallas Opfer einer Gewalttat.

    Berlinerinnen und Berlinern ist Shawne Fielding ein Begriff: In den 2000ern brachten der Schweizer Botschafter Thomas Borer und seine Ehefrau Fielding den lang vermissten Glamour in die deutsche Hauptstadt. Sie unterhielten Berlin mit ihren Auftritten und dem einen oder anderen Skandälchen um angebliche Affären und Abnehmpülverchen.
    Opfer einer Gewalttat

    Shawne Fielding und Thomas Borer waren von 1999 bis 2014 verheiratet. Die beiden haben zwei gemeinsame Kinder. Danach war die gebürtige Texanerin sieben Jahre mit dem Eishockey-Spieler Patrick Schöpf (56) zusammen. Das Paar nahm 2018 an der Sendung „Sommerhaus der Stars“ teil. Nun wurde Fielding in ihrer Heimat Dallas/Texas Opfer einer Gewalttat, wie die Bild-Zeitung berichtete.

    Offenbar wurde Fielding während einer Uber-Fahrt in Dallas angegriffen und geschlagen, wie die Ex-Botschaftergattin in den sozialen Medien mitteilte:

    „Heiligabend mit der Unterstützung meiner Familie und meiner Freunde. Ich wurde gestern in einem Uber brutal angegriffen und für tot geglaubt zurückgelassen. Jeder Knöchel an meiner rechten Hand wurde genäht. Ich bin dankbar für das Weihnachtswunder, am Leben zu sein. Bitte sag den Leuten jeden Tag, wie sehr du sie liebst. Danke, Weihnachtsmann, was auch immer mir Kraft gab, zu kämpfen. Das geschah am helllichten Tag – ich hatte keine Einkaufstaschen, war aber alleine. #neveragain

    #USA #Texas #Dallas #Uber #Kriminalität