Berlin auf Mephedron : „Das ganze Berghain hat nach Chemie gestunken“
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Après consommation de la dernière drogue à la mode à Berlin tu pues comne une litière pour chats qui mamque d’attention.
▻https://www.youtube.com/watch?v=RZq3_mASEbo
L’inoubliable Helge Schneider : Katzenklo
17.11.2024 von Johann Voigt - Auf der Tanzfläche stinkt es danach, und niemand weiß genau, was er sich da eigentlich durch die Nase gezogen hat. Trotzdem erlebt Mephedron gerade einen massiven Hype im Berliner Nachtleben.
„Das ganze Berghain hat nach Chemie gestunken“, sagt ein Freund zu mir. Es ist Samstagabend, wir sitzen auf der Couch, trinken Tee. Die Vorstellung davon, wie so ein kontaminierter Club riechen könnte, wirkt in diesem rentnerhaften Setting weit entfernt. Sein Schweiß habe noch mehr gestunken als bei anderen Drogen nach seiner letzten „Klubnacht“. Er holt seine Umhängetasche vom Kleiderhaken, hält sie sich unter die Nase und sagt: „Riecht immer noch ein bisschen.“
Der Grund, warum es in einigen Berliner Clubs zumindest auf den Toiletten mittlerweile nach Ammoniak oder Katzenurin riecht – je nachdem, wen man fragt –, hat mit Mephedron zu tun. „Mephi“ oder „Mephe“ wird in Deutschland immer beliebter. Einige nennen es angeblich auch „Meow Meow“. Klingt ja ganz süß, nach Kätzchen. Aber ist diese Droge wirklich so harmlos?
Als ich vor etwa drei Jahren zum ersten Mal von Mephedron hörte, dachte ich, es ginge um Crystal Meth. Das kenne ich noch aus meiner Jugend in den 2010er-Jahren in Ostdeutschland. Damals versorgten Meth-Labore aus Tschechien die ganze Gegend. Ich habe genügend Gründe dafür gesehen, warum man sich davon besser fernhält. Stichwort Suchtfaktor und Psychosen. Aber Mephedron, was ist das nun schon wieder?
Mit Drogen bin ich hauptsächlich in privaten Settings, bei Geburtstagen oder nach einem Dinner konfrontiert. Ich gehe im Jahr vielleicht noch einmal im Quartal feiern, bin dementsprechend nicht auf After Hours und bekomme die neuesten Drogen-Trends nicht als erster mit. In Berlin geht alles ohnehin ziemlich schnell.
Irgendjemand hat immer eine neue Substanz parat, die im besten Fall noch nicht unters Betäubungsmittelgesetz fällt, dafür aber aufputscht. Mal eine halbe Ecstasy-Pille nehmen? Ist was für Leute, die in den 90ern schon auf der Loveparade getanzt haben. Seit den 90ern hat sich viel getan in Sachen Rauschzuständen aller Art. Heute liegt der Fokus nicht mehr nur auf Speed, Koks und MDMA. Es gibt ein riesiges Spektrum an Substanzen, die als Line auf dem Handydisplay landen können.
Pferdebetäubungsmittel und K.-o.-Tropfen
Ketamin, das auch als Pferdebetäubungsmittel genutzt wird, war mal sehr angesagt. An der Charité wurde in den letzten Jahren zu dessen antidepressiver Wirkung geforscht. Viele machen sich damit aber lieber zu immerhin liebenswürdigen Untoten. Wer gemütlich von der Couch aus sehen will, wie das aussieht, sollte den Film „Rotting in the Sun“ von Sebastián Silva sehen, in dem ein depressiver Regisseur auf Ketamin vor sich hin trippt.
Auf Partys wird es oft mit Koks kombiniert, was dann Keks heißt. Wieder so eine Verniedlichung dafür, dass im Körper beim Mischkonsum zwei konträre Substanzen gegeneinander ankämpfen. Das sei gerade das Spannende, sagen mir Keks-Fans. Wer zu viel davon nimmt, zerstört seine Niere und uriniert im schlimmsten Fall Blut, sagen Ärzte.
Dann kam GHB. Man muss es penibel mit einer Pipette dosieren. Und weil dunkle Clubtoiletten nicht der Übungsraum des Chemie-Leistungskurses sind, dosieren sich Leute sehr oft über, werden leicht ohnmächtig. 2021 initiierten Akteure aus der Berliner Clubkultur eine Plakatkampagne gegen GHB, weil eine Frau im Suicide Circus an einer Überdosis starb. „Safe Use ist nicht immer die beste Lösung #NoGHB“, war unter anderem zu lesen.
Rausch ja, aber bitte billig
Und jetzt also das Amphetamin Mephedron, das man nicht mit der Pipette dosieren muss wie GHB, das einen auch nicht zu einem debil grinsenden Clown macht wie Ketamin. Es wird durch die Nase gezogen, kostet knapp 25 Euro pro Gramm, oft sogar weniger. Rund ein Viertel vom Kokspreis. So viel zum Monetären. Und das ist nicht zu unterschätzen. Denn wenn wir beim Berghain bleiben, ist das weitaus billiger, als sich zu betrinken.
Weiter mit der Habenseite: Mephedron setzt Dopamin und Serotonin frei. Es wirkt euphorisierend, macht wach, sozial, und wirkt sexuell stimulierend. Nicht die schlechteste Voraussetzung, um auf eine Party in Berlin zu gehen. Auch die Kater seien weniger schlimm als beispielsweise bei MDMA oder Speed, sagen mir Menschen, die Mephedron schon mal genommen haben. Die Droge passt damit wie viele andere Substanzen gut in unsere Leistungsgesellschaft.
Ende der Zweitausender-Jahre wurde Mephedron in Großbritannien als Badesalz und Pflanzendünger in Onlineshops verkauft. Die Droge erlebte dort einen riesigen Hype - und wurde 2010 schließlich fast überall verboten. Auch in Deutschland fällt sie seitdem unters Betäubungsmittelgesetz, bevor sie sich überhaupt verbreiten konnte. Seit einigen Jahren tanzt Berlin trotz des Verbots auf „Mephi“ und verseucht die Clubluft.
Und wo ist jetzt der Haken, abgesehen vom Gestank? Ist es nicht egal, ob Menschen, wenn sie sich denn berauschen wollen, nach acht Bieren vom Stuhl fallen oder nach Mephedron-Konsum schlaflos im Bett liegen und die Decke anstarren?
Mephedron: Niemand kennt die Langzeitfolgen
Als letztens bei einem Geburtstag irgendwann die Frage aufkam, wer was nehmen will, wollte ich wissen, was es denn gäbe. 4-MMC, sagte jemand. Das ist die offizielle Bezeichnung für Mephedron. Schnell waren alle drauf, redeten enthemmt. Die Wirkung hält etwa zwei Stunden an, aber viele wurden schon nach kurzer Zeit unruhig und legten nach. Auch mein Freund sagt beim Teetrinken: „Man wird richtig gierig.“
Das große Problem an Mephedron ist: Wer einmal angefangen hat, hört ähnlich wie bei Koks zumindest an diesem Abend so schnell nicht mehr auf. Laut meinem Freund ist man aber deutlich sympathischer unterwegs als im von Koks induzierten Egomodus. „Aber ich habe das Gefühl, die Droge wird von vielen nicht ernst genommen“, sagt der Freund. Denn: Übelkeit, Kopfschmerzen, im schlimmsten Fall auch Wahnvorstellungen können zwar laut Drugchecking Berlin die Folge dieser Maßlosigkeit sein, aber niemand, mit dem ich spreche, hat das je erlebt. Plötzliche Ohnmacht wie bei GHB gehört dagegen nicht zu den Nebenwirkungen. Mephedron erzeugt das Gefühl, sich im Griff zu haben, auch wenn man sich längst nicht mehr im Griff hat, wie viele andere Drogen auch. Aber was ist jetzt neu?
Es gibt einen großen Haken. Mephedron ist kaum erforscht, die Langzeitfolgen durch den Konsum noch nicht bekannt. Und nur weil Dealer Substanzen als Mephedron verkaufen, heißt das noch lange nicht, dass man auch 4-MMC bekommt. Während bei anderen Drogen die gewünschte Substanz mit Streckmitteln versetzt ist, bekommt man bei Mephedron oft ganz was anderes. Mittlerweile sind unzählige Derivate im Umlauf. Sie heißen 2-MMC oder 3-CMC. Ihre Wirkung ist noch schlechter erforscht, die Folgen sind noch unberechenbarer. Nur 13 Prozent des bei Drugchecking Berlin abgegebenen Mephedrons waren auch wirklich 4-MMC.
Der Status Quo ist also: Menschen putschen sich mit Substanzen auf, von denen niemand so richtig weiß, was sie langfristig mit einem machen. Was bleibt, ist ein Hype, der ziemlich stinkt. So lange, bis die nächsten neuen Kristalle am Partyhimmel glitzern.