https://www.deutschlandfunk.de

  • Depuis le début de l’ère capitaliste on a toujours été en guerre, mais on a tendance à l’oublier pendant les périodes de cessez-le-feu.

    Caitlin Johnstone - I Was 19
    https://caitlinjohnstone.com/2023/07/05/i-was-19

    Les souvenirs de jeunesse en temps de paix et prospérité de la future journaliste indépendante australienne.

    I was 19 the first time I was raped.

    Backpacking through Europe, drugged, woke up being sodomised over a toilet bowl in some Italian hotel bathroom.

    Blood everywhere.

    Memories were fuzzy through whatever it was he slipped me, but I recall fumbling with the doorknob trying to get out, unable to understand why it wasn’t opening, then looking down and seeing that he had his foot up against the bottom of the door.

    Earlier that day I’d felt like I was flying. Here I was, traveling in Europe just like a grownup, making it work somehow even in a country where I didn’t speak the language.
    ...

    CaitlinJohnstone.Com Is Now At CaitlinJohnstone.Com.Au
    https://caitlinjohnstone.com.au/2023/07/24/caitlinjohnstone-com-is-now-at-caitlinjohnstone-com-au

    Konrad Wolf - Ich war neunzehn
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Ich_war_neunzehn

    Il y a des moments qui nous font croire qu’on puisse établir une paix durable.

    Les souvenirs de jeunesse en temps de guerre et famine du futur réalisateur et président de l’académie des beaux arts de la #RDA .

    Film von Konrad Wolf (1968) - Am 16. April 1945 ziehen der Deutsche Gregor Hecker als Soldat der Roten Armee mit seiner kleinen Truppe im Gefolge der 48. Armee von der Oder her kommend durch Brandenburg nach Westen. Gregor Heckers Eltern sind deutsche Kommunisten, die noch vor dem Zweiten Weltkrieg in die Sowjetunion fliehen konnten.

    Als die Truppe nach Bernau kommt, das nach der Besetzung durch sowjetischen Panzerspitzen inzwischen wieder geräumt worden ist, wird Hecker kurzerhand zum Kommandanten der Stadt ernannt. Mit einer Handvoll Leuten versucht er, eine Kommandantur einzurichten. Sie kommen mehrfach mit Zivilisten in Kontakt, darunter ein heimatloses Mädchen, das um schützende Unterkunft bittet.
    ...

    Moi, à dix neuf ans j’étais heureux et décidé à passer ma vie à me battre contre les responsables des crimes de guerre et dans notre quotidien faussement considéré comme paisible. On voulait stopper leur guerre contre la terre et l’humanité.
    Quelle illusion.

    Heureusement il y a Bert Brecht.

    Die Bitten der Kinder
    https://www.berlin.de/projekte-mh/netzwerke/spaetlese/themen/politik-wirtschaft-und-soziales/artikel.471296.php

    „Die Häuser sollen nicht brennen.
    Bomber sollt man nicht kennen.
    Die Nacht soll für den Schlaf sein.
    Leben soll keine Straf sein.
    Die Mütter sollen nicht weinen.
    Keiner sollt töten einen.
    Alle sollen was bauen.
    Da kann man allen trauen.
    Die Jungen sollen`s erreichen.
    Die Alten desgleichen.“

    1951

    Uraufführung vor 75 Jahren „Der gute Mensch von Sezuan“
    https://www.deutschlandfunk.de/brecht-urauffuehrung-vor-75-jahren-der-gute-mensch-von-100.html

    Käthe Reichel spielte die Rolle 1957 in der berühmten Inszenierung von Benno Besson am Berliner Ensemble. In einem Interview vor der Premiere wurde sie nach der Botschaft des Stückes gefragt:

    „Na, die ist einfach: dass es unter gewissen Umständen, solche Umstände, wie sie im Stück gezeigt werden, in einer durch und durch korrupten kapitalistischen Welt, nicht möglich ist, gut zu sein.“

    Der Krieg, der kommen wird
    https://lyricstranslate.com/de/bertolt-brecht-der-krieg-der-kommen-wird-lyrics.html

    Liedtext
    Der Krieg, der kommen wird
    Ist nicht der erste. Vor ihm
    Waren andere Kriege.
    Als der letzte vorüber war
    Gab es Sieger und Besiegte.
    Bei den Besiegten das niedere Volk
    Hungerte. Bei den Siegern
    Hungerte das niedere Volk auch.

    Morgendliche Rede an den Baum Griehn
    http://www.planetlyrik.de/bertolt-brecht-gedichte-fuer-staedtebewohner/2018/11

    1
    Griehn, ich muß Sie um Entschuldigung bitten.
    Ich konnte heute nacht nicht einschlafen, weil der
    Sturm so laut war.
    Als ich hinaus sah, bemerkte ich, daß Sie schwankten
    Wie ein besoffener Affe. Ich äußerte das.

    2.
    Heute glänzt die gelbe Sonne in Ihren nackten Ästen.
    Sie schütteln immer noch einige Zähren ab, Griehn.
    Aber Sie wissen jetzt, was Sie wert sind.
    Sie haben den bittersten Kampf Ihres Lebens gekämpft.
    Es interessierten sich Geier für Sie.
    Und ich weiß jetzt: einzig durch Ihre unerbittliche
    Nachgiebigkeit stehen Sie heute morgen noch gerade.

    3
    Angesichts Ihres Erfolgs meine ich heute:
    Es war wohl keine Kleinigkeit, so hoch heraufzukommen
    Zwischen den Mietskasernen, so hoch herauf, Griehn, daß
    Der Sturm so zu Ihnen kann wie heute nacht.

    #Brecht #guerre

  • Sure 33 Verse 26-27 - Die Auslöschung eines jüdischen Stammes
    https://www.deutschlandfunk.de/sure-33-verse-26-27-die-ausloeschung-eines-juedischen-100.html

    Est-ce que le coran autorise ou appelle à l’extermination des juifs ? En principe non mais ...

    Voici la signification du verset coranique en question : les muselmans sont aurorisés par le prophète à tuer tous les hommes appartenant aux tribus qui les ont trahi. Leurs femmes et enfants par contre seront épargnés et vendus comme esclaves. Sympa, non ? Ça me donne une envie irrésistible d’établir des relations d’affaires avec les croyants fondamentalistes.

    17.2.2017 von Dr. Shady Hekmat Nasser, Harvard University, Cambridge, USA - Wenige überlieferte Episoden aus dem Leben Mohammeds werden von Islamkritikern so sehr als Sinnbild für Brutalität und Antisemitismus im frühen Islam angesehen, wie der Fall der Banu Quraiza. Mit Billigung Mohammed wurden alle Männer dieses jüdischen Stammes in Medina getötet und alle Frauen und Kinder versklavt.

    „Gott ließ die von den Buchbesitzern, die jenen geholfen hatten, von ihren Festungsbauten herunterkommen und warf in ihre Herzen Furcht und Schrecken, so dass ihr einen Teil von ihnen getötet, den anderen jedoch gefangengenommen habt. Er gab euch ihr Land zum Erbe, ihre Häuser und ihr Gut […] Gott ist aller Dinge mächtig.“

    Im Jahr 627 bildeten die arabischen Stämme, die sich gegen den Propheten Mohammed gestellt hatten, ein Bündnis und belagerten die Stadt Medina, um Mohammed und seiner prophetischen Mission ein Ende zu setzen. Zu den Verbündeten gehörten die Quraisch, Mohammeds eigener Stamm, und die Al-Ahzâb. Während sie sich in Stellung brachten, schloss der jüdische Stamm der Banû Quraiza zunächst einen Vertrag mit Mohammed. Dann brachen sie ihn und schlossen sich dem gegnerischen Bündnis an.

    Mohammed blieb am Ende siegreich. Bald nach dem Erfolg wandte er sich den Banû Quraiza zu, um sie für ihren Verrat zu bestrafen. Er belagerte sie 25 Tage, bevor die Verhandlungen mit der Kapitulation des jüdischen Stammes endeten.

    Einer der Genossen des Propheten bestimmte, dass die Männer hingerichtet werden sollten. Die männlichen Jugendlichen, die das Erwachsenenalter noch nicht erreicht hatten, sollten derweil verschont und zusammen mit den Frauen und Mädchen in die Sklaverei verkauft werden. Mohammed segnete die Entscheidung ab. Darauf hin wurden, wie es heißt, zwischen 600 und 900 Männer getötet.

    Das islamische Recht nutzt den Fall der Banû Quraiza als Beispiel für Vertragsabschlüsse zwischen Muslimen und anderen Parteien. Werden die Bedingungen eines Pakts respektiert und eingehalten, darf seitens der Muslime weder vom Besitz der Vertragspartei etwas weggenommen noch irgendjemandem, der zu ihnen gehört, Schaden zugefügt werden. Sollte aber auf Seiten der Vertragspartner jemand die Übereinkunft brechen, sind die Muslime zum Überfall berechtigt. Der Fall der Banû Quraiza diente als Mahnung an alle Gruppen, die Verträge mit den Muslimen zu respektieren.

    Die Geschichte dieses jüdischen Stammes war und ist zugleich Gegenstand hitziger Diskussionen – vor allem im Westen, wo einige Mohammed für die Grausamkeit seiner Entscheidung kritisieren.

    Muslimische Gelehrte und Historiker bestreiten den Vorfall nicht. Seit kurzem bemühen sie sich jedoch darum, die Härte der Geschehnisse abzuschwächen. Sie argumentieren, nur die Stammesführer seien hingerichtet worden und die Zahlen der getöteten Männer, die die islamischen Quellen nennen, könnten nicht als historisch korrekte Angaben bewertet werden.

    Manche moderne Akademiker wie zum Beispiel Meir Kister beschreiben die Geschehnisse indes als Massaker oder Genozid, den Mohammed und die ersten Muslime an den Juden verübt hätten. Darüber hinaus ziehen manche Leute den Vorfall heran, um bereits im frühen Islam einen Antisemitismus zu verankern.

    Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass der Fall der Banû Quraiza nicht gegen Juden als eine ethnisch-religiöse Gruppe gerichtet war. Mohammed rief schließlich nicht zur Tötung der anderen jüdischen Stämme auf, obwohl diese seine neue religiöse Ordnung permanent herausgefordert hatten.

    Die Banû Quraiza waren allerdings der mächtigste jüdische Stamm in Medina neben den Banû Qanuqâ und den Banû al-Nadîr. Ihre Streitkraft und ihre Ressourcen zu verringern, war somit auch ein strategischer Zug des Propheten, um die Koalition gegen die Muslime im Allgemeinen und den Widerstand der Juden im Speziellen zu schwächen.

    Die beiden hier erläuterten Koranverse wurden schließlich offenbart, um Mohammeds Entscheidung zu rechtfertigen, die Banû Quraiza hinrichten zu lassen und Anspruch auf deren Eigentum und Besitz zu erheben.

    Shady Hekmat Nasser
    Dr. Shady Hekmat Nasser, in Kuwait geboren, im Libanon aufgewachsen, lehrt heute an der renommierten Cambridge University in England

    P.S. Pour être complètement clair, les textes qui ont inspiré nos ancêtres croisés sont toujours en vigueur, les mythes fondateurs de l’hindouisme batten en brutalité tout ce que vous trouvez sur vos chaînes netflix, le système politique basé sur le bouddhisme tibétain et mongole est l’enfer sur terre et dans les cieux à la fois, et les idéologues prétendument athées du juche coréen et stalinisme russe nous pondu de jolies idée à l’hauteur de leur prédécesseurs religieux. Pour terminer la liste il faut encore mentionner le libéralisme de nos pays soi disant démocratiques de l’Ouest a tué des millions pendant la deuxième moitié du vingtième siècle seulement, alors ... non, l’islam n’est pas l’idéologie meurtrière antisemite comme le veut nous faire croire la droite européenne. Ses fondamentalistes sont simplement aussi abjects que leurs confrères des autres bords. Merci pour votre attention.

    #religion #islam #coran #antisemitisme #politique

    • P.S. Pour être complètement clair, les textes qui ont inspiré nos ancêtres croisés sont toujours en vigueur, les mythes fondateurs (et la praxis modiiste) de l’hindouisme batten en brutalité tout ce que vous trouvez sur vos chaînes netflix, le système politique basé sur le bouddhisme tibétain et mongole est l’enfer sur terre et dans les cieux à la fois, et les idéologues prétendument athés du #juche coréen et #stalinisme russe nous pondu de jolies idée à hauteur de leurs prédécesseurs religieux.

      Pour compléter la liste il faut encore mentionner le libéralisme de nos pays soi disant démocratiques de l’Ouest qui a tué des millions pendant la deuxième moitié du vingtième siècle seulement, alors ... non, l’islam n’est pas l’idéologie meurtrière antisémite comme le veut nous faire croire la droite européenne. Ses fondamentalistes sont simplement aussi abjects que leurs confrères et les praticiens du pouvoir des autres bords.
      Merci pour votre attention.

      #idéologie #hécatombe #racisme #suprémacisme #génocide

  • Kein Helden im Klassenkampf -Vorgestellt von Michael Schmitt
    https://www.deutschlandfunk.de/kein-helden-im-klassenkampf-100.html

    15.09.2013 - Berlin, Nähe Savigny-Platz, kurz nach dem Mauerfall. Eine Gegend, die ein paar Jahre später als alter Westen bezeichnet werden wird, jetzt aber noch der selbstverständliche Mittelpunkt eines Biotops von in der Wolle gefärbten Linken, vage-linksgerichteten Bohemiens und intellektuell beschlagenen Lebenskünstlern ist. Auf der einen Seite der Straße liegt die Kneipe, in der ein Aushilfslektor sein Bier trinkt, auf der anderen liegt das etwas edlere Etablissement, in dem der Leiter eines kleinen Verlages die Welt erklärt.

    Bei Betriebsfeiern wird auf das alte Jahr angestoßen, und der Chef erläutert die absehbaren nationalen Konflikte in den auseinanderbrechenden Ländern des Ostens. Das Recht der DDR auf Fortbestehen wird verfochten – vermutlich auch, weil das den Status quo am Savigny-Platz sichert. Die kritischen Geister diskutieren über das Verhältnis von medial vermittelten Bildern zur Wirklichkeit hinter den Nachrichten. Ein Lebenslauf kann nun kurzgefasst und mit schönster Selbstverständlichkeit als Weg vom „radikalen Demokraten über den proletarischen Internationalisten zum libertären Europäer“ beschrieben werden – als nicht minder folgerichtig wie der Verlauf der Geschichte selbst.

    Und als Leser ahnt man aus der Distanz eines Vierteljahrhunderts: An diesem Ort und in solchen Gedanken kehrt der Hegel’sche Weltgeist zurück, hier vollzieht sich gerade die Revision von Karl Marx‘ einstigem Versuch, die Hegelsche Philosophie vom Kopf auf die Füße zu stellen. Es droht ein Umbruch mitten in Deutschland, gerade auch für eine Denkungsart, deren heroische Tage im Wendejahr schon zwei Jahrzehnte zurückliegen.

    Altersprozess einer Generation

    „Aus nächster Nähe“ heißt Jürgen Theobaldys aktueller Roman, der sich einige eingefleischte Mitglieder dieser Gesellschaft genauer anschaut und eine kleine Rückschau auf den Alterungsprozess einer Generation inszeniert, der er selbst, weil etwas früher geboren, zwar nahe steht, aber nicht wirklich angehört. Deren ideologische Koordinaten in seinen literarischen Werken, in Gedichten, Prosa, Erzählungen und Romanen auch niemals ungebrochenen Eingang gefunden haben. „Aus nächster Nähe“ ist dabei als Erzählhaltung wörtlich zu nehmen – es geht um eine teilnehmende Beobachtung, um die kleinen sprechenden Details, aus denen eine ganze Haltung zum Leben herausschauen kann, wenn sie in die richtigen Sätze gekleidet werden. Thesenhafte Zuspitzungen oder gar Urteile braucht Theobaldy dafür nicht.

    Im Nachwort zu einer programmatischen Lyrikanthologie, „Und ich bewege mich doch … Gedichte vor und nach 1968“ hat er 1977 erklärt, es gehe in den Gedichten, die er als Herausgeber von Freunden und Altersgenossen zusammengetragen hat, nicht um den Wunsch, „das eigene Innenleben als eine exotische Landschaft zu präsentieren“. Dieser Satz hat auch für den neuen Roman seine Gültigkeit.

    Als Lyriker wie auch als Erzähler hat Jürgen Theobaldy seit seinen literarischen Anfängen im Kreis um Walter Höllerer in den frühen siebziger Jahren das Alltägliche, das Unscheinbare aufgesucht, hat dafür geworben, zur Beschreibung eine einfache Sprache zu nutzen, das Pathos und den vornehmen hohen Ton aufzugeben. Er war ein Weggefährte und Freund von Nicolas Born, der ein vergleichbares literarisches Ziel verfolgte und auch eine vergleichbare Vita mit windungsreichem Bildungsweg hinter sich hatte. „Neue Subjektivität“ oder „neue Innerlichkeit“ waren seinerzeit Begriffe für diese Erzählhaltung – das Politische in der Literatur wurde nicht abgelehnt, Dichtung und Prosa aber sollten sich vom politisch-belehrenden Engagement der Mitglieder der Gruppe 47 genauso abgrenzen wie von der abstrakt-revolutionären Gestik der 68er. Die Welt sollte nicht mehr erklärt werden, Erlebnisse rangierten höher als Ideen, die Umgangssprache sollte die Chiffren ersetzen:

    Hinter den geschlossenen Augen wusste Richard das ungeheizte Zimmer, das seinen ersten Buden ähnelte, die Kleider verstreut auf dem Boden, Wäsche genau genommen, eine leere Tasse, die auf dem Schreibtisch angetrocknet war, zwischen Broschüren, Teilen von Zeitungen und beschriebenen Blättern Papier. Die beiden 2-Wege-Boxen, von einem bekannten, der auf größere umgestiegen war, fast geschenkt, waren auf das Bett ausgerichtet, die Regale standen eher behelfsmäßig da, unbehandelt und verstaubt, sie knarzten wie ein müdes Baugerüst, wenn Richard ihnen zu nahe kam. Eine Sitzecke gab es nicht, kein Polster oder so etwas, damit Richard oder eine Besucherin den Gemeinschaftsraum meiden konnten, kein Gar nichts, worauf er und sie zueinander rücken konnten, im rechten Moment.

    Richard blickt auf eine fast vierzigjährige Jugend zurück

    Dieser Richard ist die zentrale Gestalt in Theobaldys neuem Roman, ein Mann, der auf eine fast vierzigjährige Jugend zurückblicken kann, auch auf eine Liebschaft, die ihn im Innersten niemals losgelassen hat; weiterhin auf ein paar mehr oder weniger glücklose Beziehungen sowie auf eine perspektivlose Berufstätigkeit in einem kleinen Verlag, der unter anderem soziologisch-politische Bücher mit deutlichem Gegenwartsbezug veröffentlicht. Richard ist erschütterbar aber zäh in seiner Bindung an die erworbenen Lebensweisen und haust fast noch wie ein Student; in einem gewissen Sinne ist er seiner Sozialisation treu, aber er wirkt auch schon ein bisschen abgehängt und kultiviert eine Intensität der Selbstbespiegelung, die derjenigen in nichts nachsteht, die heute oft den Dreißigjährigen oder der ebenfalls nicht mehr ganz jungen Prenzlauer-Berg-Kultur nachgesagt wird. Unsympathisch macht ihn das nicht.

    Richard ist ein Antiheld, die liebevolle Ironisierung einer Spielart jener Geburtsjahrgänge, die sich und ihre glamouröse Rolle in der bundesrepublikanischen Geschichte bislang meist selbst und in eigener Sache beschreiben durften – mal als Literatur, mal als Autobiographie oder Biographie. Vor wenigen Monaten hat etwa Ulrike Edschmid mit viel Resonanz an die Anfänge des Terrorismus der RAF erinnert. Auch Bernd Cailloux, der erste erfolgreiche deutsche Hippie-Unternehmer, hat in bislang zwei Büchern, stets mit einiger Selbstgefälligkeit, seine Generation porträtiert. Und die Handlungsmächtigeren unter den Genossen haben spät aber nachhaltig den Weg von der Rebellion zum politischen Tagesgeschäft und beispielsweise unter Rot/Grün auch zum Umbau der Sozialsysteme und zum militärischen Engagement des wieder geeinten Deutschlands gefunden – und sich dafür feiern lassen.

    Jürgen Theobaldys Richard ist von ganz anderem Zuschnitt – er ist kein Held im Klassenkampf und allenfalls ein mittlerer Held der Liebe, er ist die unscheinbare Verkörperung einer moderaten Erneuerung der Lebensformen bei gleichzeitiger Verwirrung der Rollenmuster. Ein Mensch, durch den Geschichte hindurchfließt, wie es im Roman einmal heißt; die Inkarnation einer Erfahrung, die eigentlich jeder Mensch macht – ihn aber ganz anders trifft, weil die Jahrgänge, denen er angehört, die Geschichte nicht erleiden, sondern gestalten wollten. Und er erkennt das auch und trägt seine Zweifel an sich selbst recht offen vor sich her. Das ist immerhin eine Errungenschaft. Und es ist auch nicht untypisch, denn 1988 haben die 68er sich anlässlich ihres zwanzigjährigen Dienstjubiläums meist noch kollektiv als Generation im Wartestand und mit Durchsetzungsschwächen wahrgenommen:

    Richard sah seine Generation mit vielerlei Skrupeln vor der Führerschaft zögern, und das mochte etwas Lauteres haben, war letztlich aber kindisch, ein Verzagen statt ein Verweigern, war also ein Versagen, ein Verlust des Augenmaßes für das Kreative an dem, was sie (…) und Tausende um sie herum einmal begrenzte Regelverletzungen genannt hatten.

    Klima in der WG wird kritisch

    Richard ist vor allem, so scheint es, ein etwas antriebsloses Menschenkind, das seinen Lebensumkreis in einer Männer-WG mit dem ungefähr gleichaltrigen Freund Gunter kultiviert, weil ihm sonst wenig einfällt. Er passt zu Gunter, solange dieser noch einem Taxikollektiv angehört, das auf den ehemaligen Idealen aufbaut. Kritisch wird das Klima in der WG, als Gunter davon zu träumen beginnt, statt der Rundfahrten mit Touristen lieber eine kleinen Restaurantbetrieb aufzumachen, sich weiter zu entwickeln, womöglich hin zu mehr Geld und mehr Stil:

    Seit dem Besuch seines Vaters spürte Gunter Nudelmaschinen nach, ebenso Teigwaren in vielerlei Formen und Formaten. Ein ausgesuchter Imbissladen schwebte ihm vor, ein halb privater Tortelloni-Club, in dem er selbst kochen und nur Hausgemachtes anbieten würde, während an der nächsten Ecke die Schlange vor dem Discountladen langsam vorrückte und in den Eingängen der Häuser daneben gewiefte Handelspioniere ihre Kartons umpackten, damit sie, von ihren Lasten kaum behindert, zurück zu den Bussen unter der Hochbahn des zentralen Bahnhofs zwischen Minsk und Mailand fanden. Obwohl die Grenze löchrig bis zur Oder-Neiße geworden war, schien sich das östliche Ausland dahinter nur zu vergrößern und mehr und mehr irgend erleichterte Menschen freizugeben. Ihnen allen, die von dorther bei ihm vorbeikämen, würde Gunter mit seiner überschaubaren, so kleinen wie noblen Speisekarte die Stirn bieten: Sie würden lernen müssen, auf den Geschmack zu kommen, und dann wäre Gunter der Letzte, der nicht auch sie willkommen hieße.

    Hier – wie an vielen anderen Stellen des Romans auch – greifen das Private und das Politische in ganz neuer Weise ineinander. Die Erosion des real existierenden Sozialismus beflügelt den kapitalistischen Geist ehemaliger Rebellen. Gunter kann bei seinen Plänen sogar mit der Unterstützung seines Vaters rechnen, der in Bonn als Anwalt ein sehr auskömmliches Leben führt und seinem Sohn die früheren, meist nur verhalten geführten Debatten um die Schuld der Väter am nationalsozialistischen Terror nicht weiter nachzutragen scheint.

    Auch Richard hat nie allzu energisch mit seinem Erzeuger über dieses Thema gestritten – nur: Sein Vater hätte kein Geld, wenn Richard vergleichbare Pläne wie Gunter machen würde. Dem Umbruch, der sich im Kleinen in Gunters Idee von einer veredelten Imbissbude ausdrückt, begegnet Richard weniger handgreiflich, dafür aber soziologisch geschliffen stattdessen in den Manuskripten, die er im Verlag abholt, um sie zuhause zu bearbeiten:

    Die Arbeit versprach eine Art pulverisierten Sinn, Korrekturen sollte Richard sofort eintragen, sofort löslich und innerhalb eines Tags zum Abschluss bestimmt, sonst Geschmackseinbuße. In den Fahnen, die er im Verlag abgeholt hatte, ging es um den Wandel des Sozialcharakters, ein Prozess, der Osteuropa erst bevorstehe, den die Menschen dort schneller durchlaufen müssten, als alle im Westen es getan hatten, solange die Wirtschaft und mit ihr alle gewachsen waren oder umgekehrt. Heute übernahmen die Einzelnen nur noch schwach umrissene soziale Rollen und damit verbundene Werte, sie fühlten sich sich weniger krass und selten endgültig an einen bestimmten Platz in der Gesellschaft gestellt.
    (…)
    Scheitern und Erfolg wurden mehr und mehr aus aus den kollektiven Bindungen gelöst, das ganze machte beide Größen zum rein privaten Risiko, was dem Ganzen vorderhand nur zu bekommen schien, abzulesen am DAX, am Dow Jones oder am Konjunkturbarometer.
    (…)
    Authentizität, das war ein Rückstand aus einem vergangenen Jahrzehnt.

    Rückschau auf die 80er und frühen 90er Jahre

    Eine Rückschau auf die In diesen wenigen Zeilen verpackt Jürgen Theobaldy einen ganzen Abriss der Sozialgeschichte der Bundesrepublik. In der Rückschau auf die 80er und frühen 90er Jahre weiß der Leser heute, dass es nicht mehr weit ist bis zu Gerhard Schulzes Begriff von der „Erlebnisgesellschaft“, mit dem seit 1992 alle zeitgeist-soziologischen Debatten ein neues Koordinatensystem erhalten, weil der Konsum über die Kritik als dominierende Haltung zu obsiegen scheint. Und noch ein Jahr später wird auch Botho Strauß in seinem „anschwellenden Bocksgesang“ der alten Linken gewaltig die Leviten lesen. Mit diesem Vorwissen des Lesers spielt der Roman von Jürgen Theobaldy und bezieht daraus einen erheblichen Teil seines Reizes. Was Richard 1989/90 nur ahnen kann, ist mittlerweile selbst schon wieder zu „Geschichte“ geronnen. Der Roman schickt seinen Helden wie eine Sonde zurück an einen Wendepunkt deutscher Befindlichkeit, lädt den Leser ohne große Worte zu einer Pendelbewegung zwischen damals und heute ein, nimmt nichts allzu ernst, diffamiert aber auch nichts und niemanden.

    „Wie hatte es im Reich der Großen Proletarischen Kulturrevolution geheißen? Tunnel graben und Vorräte anlegen!“, an diese Parole kann sich Richard noch erinnern – aber welche K-Gruppe sie einmal ausgegeben hat, das weiß er nicht mehr. Ohnehin ist er auch in jüngeren Jahren niemals ein verlässlicher Revolutionär gewesen und hat sich bei Demonstrationen zuletzt stets dort am wohlsten gefühlt:

    (…) wo er dann auch an Gunter geraten war: bei einem spontan zusammengewürfelten, nahezu volkstümlichen Ensemble mit offenen Rändern, das mit Trommeln und Trompeten, mit Saxophonen und mit hausgemachten Instrumenten die Kundgebungen teils rhythmisch, teils melodisch untermalte, von Richards Chef neulich Spielmannszüge geheißen und ins Karnevalistische abgeschoben.
    (…)
    Überzeugen, das wusste schließlich jede und jeder, war unfruchtbar, es kam darauf an, sich selbst zu verändern und dies ohne Scheu nach außen zu zeigen.

    Im Politischen könne man nicht aufgehen, versichern sich Menschen wie Richard mittlerweile, man könne es zwar eine Weile aushalten, aber aber nach zwei, drei oder fünf Jahren schlage dann eben die „Stunde der Diktatoren“. Wem das nicht liegt, dem bleibt das Private – und daran leidet Richard gegen Ende seines vierten Lebensjahrzehnts erkennbar intensiver. Ist es milder Spott oder auch schon eine Diagnose, wie Jürgen Theobaldy seinen Richard nicht nur vor gesellschaftspolitischem Fragen, sondern auch vor den Forderungen der Liebe verzagen, manchmal auch versagen lässt? Es steht jedenfalls in der langen Tradition von Theobaldys früheren Romanen und Erzählungen, die ebenso wenig Sätze brauchen, wie dieser schmale neue Roman, wenn sie Milieus und Verhaltensweisen ausleuchten.

    Verwirklichung der emotionalen Selbstbestimmung

    In „Sonntags: Kino“ von 1978 beschreibt er beispielsweise die Welt seiner Jugend in Mannheim in den Fünfzigern, Stickigkeit, Aufmüpfigkeit und verklemmte Sexualität in einem Milieu, das man heute neudeutsch mit dem Wort „bildungsfern“ geißeln würde. Von solchen Verhältnissen, von unbeholfenen Knutschereien in Hausfluren oder Schlägereien unter Gleichaltrigen ist Richards Biotop weit entfernt – das immerhin ist ein Erfolg der angestrebten Befreiungen –, aber souverän ist er in Beziehungsfragen deswegen noch lange nicht.

    Die Verwirklichung der emotionalen Selbstbestimmung hinkt den Idealen und dem Verbrauch von Lebensabschnittspartnern deutlich hinterher, aus vielen guten Absichten und kräftigen Impulsen scheinen vor allem Liebesleid und eine gewisse Unverbindlichkeit im Alltagsleben hervorzugehen. In einem Roman von Michel Houellebecq würde das dramatisch zugespitzt – Jürgen Theobaldy skizziert das mit leichter Hand, in dem er einige der Formeln herbeizitiert, in denen diese Generation gelernt hat, sich selbst ihre Beziehungsmuster zu erklären.

    Als junger Mann hat Richard Mona kennengelernt, sich an ihrer Freizügigkeit berauscht und eine kurze Zeit intensiver Zweisamkeit mit ihr erlebt. Aber schon nach zwei Sommern droht das Interesse aneinander nachzulassen, die Phasen des Schweigens zwischen den beiden bedeuten nicht mehr, dass die Nähe wächst, sondern dass die Distanz zunimmt- und in seinem eigenen Notizbuch kann Richard Jahrzehnte später nachlesen, dass das wohl auch an ihm gelegen hat:

    Einmal wollte Mona wissen, was ich an ihr liebe, wenn ich schon nicht sagen könne, warum ich sie liebte, weil mir alles, was mit dazu einfiel, zu floskelhaft war. Und ich war erleichtert, dass sie sich von dem, was ich aufzählte, entzücken ließ.

    Richard verklärt Mona

    Sie gehen auseinander, Mona verlässt die Stadt und verschwindet im fernen Südamerika, Richard unternimmt keinen Versuch mehr, den Kontakt aufrechtzuerhalten. Mona wird ihm zur Ikone – er hat ein einziges Foto von ihr, achtzehn Jahre alt, mit offener Bluse, das steht auch 1989/90 noch immer neben seinem Bett. Andere Bilder von Mona hat er nicht – seine Verklärung, seine immer wieder mal aufflammenden inneren Dialoge mit ihr, mit der fernen Frau, ranken sich um eine Gestalt, die nur mehr in seiner Imagination zu bestehen scheint. Gunter erklärt ihm, er solle endlich loslassen, denn das führe zu nichts. Richard aber wahrt eine seltsame Art von Treue im Geist, wenn auch nicht im Körperlichen. Ganz im Reinen ist er dabei mit sich selbst aber nicht:

    Tatsächlich, räumte er ein, als er mit der Ofenklappe die schmauchende Luke schloss und Gunter hinten in der Küche die leere Tüte wegpackte, all die Jahre war er ohne sie, ich war, Mona, durchaus und ganz gut ohne dich ausgekommen. Jedes dieser Worte sprach er sich insgeheim vor, während er sich in sein Zimmer zurückzog und Gunter wohl eben die Reihe Gewürzdosen durchging. Aber es war dir nur scheinbar gut dabei gegangen, so flüsterte ihm die Gegenstimme zu, die auch nach seiner Stimme klang, und Richard kam sich überboten vor, ein verkannter Wohltäter, der im Keller eines Abbruchhauses hauste, sich selbst gut zuredete, solange er die Hände über dem Flämmchen einer mickrigen Kerze rieb. Dass sich die einmal mit Mona genossenen Freuden später mit anderen Frauen nicht bruchlos hatten fortsetzen, geschweige denn verfeinern lassen! So wenig hatte er gewusst von dem, worauf es ihm selbst vor allem ankam, er hatte nicht einmal erahnt, wie viel ihm damals schon zugekommen war. Dennoch hatte er, auch um seinen Empfindungen für Mona zu trotzen, nie an die eine einzige, ihm und allen vorbestimmte Liebe glauben wollen, die Liebe war nicht nur einmal zu durchleben, sie blieb das unwiederbringliche Abenteuer, das gegen alle soziologischen Erhebungen nicht in einer Zweckgemeinschaft mit erlöschenden Zwecken auslaufen musste.

    Die wahren Empfindungen und die Ansprüche an die Selbstverwirklichung fern von aller bürgerlichen Routine kollidieren. Erst weht Richard sich gegen die Gefühle für Mona, die ihn zu überwältigen drohen, und als es mit der Liebe dann vorbei ist, verklärt er Mona so sehr, dass keine andere Frau neben dem Bild von ihr bestehen kann. Die Liebe wird in der Theorie ins Übermenschliche erhöht, in der Praxis schrumpfen die nachfolgenden Paarbildungen zu befristeten Arrangements.

    Als er dann aber hört, Mona sei nach Jahren in die Stadt zurückgekehrt, läuft er durch die Stadt als könne an jeder Ecke seines Kiezes ihr Gesicht wieder auftauchen, als müsse er sie überall suchen, wo sie – so hofft er – auch nach ihm suchen wird. Er sucht sie in Kneipen und lässt andere Frauen umstandslos fallen, er hofft auf ein Lebenszeichen von der fernen Mona, wenn er anonym einen kurzen Brief mit der Aufforderung zu einem Date erhält – und weiß nicht, was er denken soll, als er merkt, dass diese Nachricht nicht von der ihr, sondern von der sehr nahe gerückten Johanna stammt, die er als Freundin seines WG-Genossen schon ziemlich gut kennt:

    Sicher war es romantischer Irrglaube, die Begehrte verspüre immer etwas von den Empfindungen, die sie im Begehrenden wecke, in sich selbst. Aber nicht nur darum hatte Richard fast nur dann einer Frau in die Augen geschaut, wenn er sich von ihr dazu ermuntert fühlte; er wollte niemanden belagern, nicht am Widerstand die eigene Lust an der Eroberung anstacheln und steigern (…). Er wollte weder verführen noch sich bestimmen lassen und suchte diese Spannung aufzulösen in einem Zusammensein mit gleichen Ansprüchen für beide, und so langsam schien das sogar mehrheitsfähig zu werden.

    Richard müsste erst einmal sich selbst etwas abfordern

    Klingt vernünftig, aber bestimmt nicht leidenschaftlich – und ist deshalb wohl als „Rationalisierung“ einzustufen. Richard ist schon zufrieden, wenn er das Gefühl hat, dass er und eine aktuelle Freundin sich nicht nur „als Ersatz“ für jemand anderen betrachten. Sein WG-Genosse Gunter überwirft sich dagegen meist schon im ersten Urlaub mit seinen Freundinnen, schimpft auf Frauen, die zu oft das Wort „Kind“ im Gespräch fallen lassen, geht aber, so scheint es Richard, durch sein Leben, wie einer, der nichts bedauert, sich nicht langweilt und jederzeit Verantwortung übernehmen kann, wenn das gefordert ist. Was lässt sich daraus lernen? Lässt sich daraus etwas lernen?

    Richard müsste erst einmal sich selbst etwas abfordern, auch wenn in ihm niemals ein Macher, sondern eher ein Künstler, ein Dichter, verborgen ist. Wie es dahin kommt, dass ihm das gelingt, soll nicht verraten werden – nur soviel: Es dauert. Und es sind viele kleine Schritte, die Jürgen Theobaldy schon in den Überschriften der kurzen Kapitel seines Romans in ihren Qualitäten deutlich macht. Sie reichen von „Winterlicht“ bis zur „Mittagssonne“ und setzen Richards Schicksal in ein freundliches Licht.

    Am Ende lässt er ihn sogar mit einer der vielen Frauen, die in dem Buch eine Rolle spielen, glücklich vereint auf der „stadtabgewandten Seite des Tages“ zurück. Wer will, darf darin einen Nachhall von Nicolas Borns hochgelobtem Roman von 1976, „Die erdabgewandte Seite der Geschichte“ erkennen, damals einer äußerst bitteren Bilanz der Liebesunfähigkeit und der neuen Freiheiten der jüngeren Generation. „Aus nächster Nähe“ wendet das gleiche Thema nun gnädig und sanft ins Positive und versöhnt den Helden mit all den Unzulänglichkeiten, die ihn ausmachen, und die er deshalb auch nie wird ablegen können:

    Schluss mit Ausflüchteleien! Richard würde sich schon durchschlagen bis zum Bleibtreu, er war vielleicht gar nicht verwundbar auf diesem Weg, und ein Termin, der sich nicht hätte aufschieben lassen, stand weder heute noch morgen an. Mochte die Person, diese Frau, auch pokern, Richard wollte ihre Karten offen auf dem Tisch sehen. Er war vogelfrei, ha, wenngleich kein Prinz.

    Jürgen Theobaldy: Aus nächster Nähe.
    Roman, Verlag Das Wunderhorn, Juni 2013, 184 Seiten, Hardcover, 19,80 Euro

    #Berlin #Taxikollektiv #Roman

  • Unsere imperiale Lebensweise ist nicht weniger destruktiv als ein p...
    https://diasp.eu/p/14290022

    Unsere imperiale Lebensweise ist nicht weniger destruktiv als ein permanenter Krieg. „Armut hat viele Gesichter. Ausbeutung auch. Und es gibt sie auch in einem reichen Land wie Deutschland. Betroffene schildern, wie ihnen grundlegende Rechte vorenthalten werden. Und wie im Ernstfall keiner etwas davon wissen will.“ https://www.deutschlandfunk.de/ausbeutung-wanderarbeiter-100.html

  • Damit wird die Kernfusion keinen Beitrag zur Lösung der Klimakrise ...
    https://diasp.eu/p/14113521

    Damit wird die Kernfusion keinen Beitrag zur Lösung der Klimakrise leisten können: Wenn die Technologie tatsächlich in den 2040er-Jahren großtechnisch zur Produktionsreife gelangt, müssen viele Staaten längst klimaneutral sein. (piqd) #Energie https://www.deutschlandfunk.de/auf-dem-weg-zum-fusionskraftwerk-100.html

  • 100 Tage Mindestlohn - Die Tricks der Taxi-Branche (Archiv)
    https://www.deutschlandfunk.de/100-tage-mindestlohn-die-tricks-der-taxi-branche.1766.de.html?dram:a

    9.4.2015, von Stefan Maas - Taxi-Unternehmen haben seit Einführung des Mindestlohns mit gestiegenen Kosten zu kämpfen. Fahrer wurden entlassen, zum Teil setzt sich der Chef nun wieder selbst ans Steuer. Es sei denn, das Unternehmen lässt sich kreative Abrechnungsmethoden einfallen, um die 8,50 Euro Stundenlohn zu umgehen.

    Der gesetzliche Mindestlohn hatte der Taxibranche schon im Vorfeld großes Kopfzerbrechen bereitet. Kundenschwund, Stellenabbau – das waren die Befürchtungen. Rund einhundert Tage nach Einführung des Mindestlohns gibt Michael Müller, der Präsident des Branchenverbandes BZP Entwarnung. Zumindest was die Fahrgastzahlen angeht. Die seien nicht dramatisch zurückgegangen, obwohl laut Statistischem Bundesamt das Taxifahren über das Bundesgebiet hinweg im Februar im Vergleich zum Vorjahr rund zehn Prozent teurer geworden sei.

    Doch viele Unternehmen hätten nun mit den gestiegenen Kosten zu kämpfen. Die Folge: In einigen Fällen säßen die Unternehmer wieder selber am Steuer, um Kosten zu sparen, teilt die Fachvereinigung Personenverkehr Nordrhein Taxi-Mietwagen mit. Es habe Entlassungen bei Minijobbern und Vollzeitkräften gegeben. Das ist auch aus anderen Bundesländern zu hören.

    8,50 Euro pro Stunde, trotz Mindestlohn ist das für viele angestellte Taxifahrer immer noch nicht Alltag, sagt Bernd Hoffmann. Oft sei nur die Abrechnungspraxis kreativer geworden. Eine Methode:

    „Ein Softwaremodul in den Taxametern, das automatisch in Pausenmodus springt, nach einer definierten Zeit. Also, programmierbaren Zeit.“

    Erzählt der Berliner Taxifahrer, der eigentlich anders heißt.

    Umfangreiche Dokumentationspflicht – nur nicht für die Pause
    Die Folge: umsatzlose Standzeiten – in Berlin, nicht selten eine Viertelstunde oder länger – werden als Pausen gerechnet.
    „Da die Arbeitszeit ja kontrolliert werden soll, acht Stunden fahren. Da aber in den acht Stunden das nicht reinkommt, was man braucht, damit es rundläuft, werden weiterhin zehn, zwölf Stunden gefahren. Das andere wird als Pause rausgerechnet.“

    Arbeitgeber müssen für den Einsatz Anfang, Ende und Gesamtdauer der Arbeitszeit dokumentieren. Der genaue Zeitpunkt für eine Pause muss dabei nicht notiert werden.

    Vielen Arbeitgebern aber gehen die Dokumentationspflichten zu weit. Holger Schwanneke etwa, der Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, plädiert für weitreichende Änderungen. Etwa bei der Höhe der Verdienstgrenze, bis zu der kontrolliert wird. Die liegt bislang noch bei 2.958 Euro.

    Verdi-Chef Frank Bsirske hingegen spricht sich gegen jegliche Aufweichung des gesetzlichen Mindestlohns aus. Er betonte, die Pflicht zur Dokumentation der Arbeitszeit sei unverzichtbar, um die Einhaltung des Mindestlohns kontrollieren zu können. Auch Arbeitsministerin Andrea Nahles hat sich gegen Änderungen am Mindestlohngesetz ausgesprochen. Sie zeigte sich aber gesprächsbereit, die Pflicht zur Dokumentation der Arbeitszeiten praxisnäher zu gestalten. Am 23. April wollen sich die Koalitionsspitzen zusammensetzen, um gemeinsam über mögliche Änderungen zu beraten.

    #Taxi #Mindestlohn

  • Mindestlohn - Taxibranche fürchtet zehntausende Kündigungen (Archiv)
    https://www.deutschlandfunk.de/mindestlohn-taxibranche-fuerchtet-zehntausende-kuendigungen.769.de.h
    https://www.deutschlandfunk.de/media/thumbs/d/d8d299c9f285d1cf249719385fa42e5bv1_max_755x566_b3535db83dc50e27c1bb1

    8.10.2014, von Michael Braun - Der ab Januar geltende Mindestlohn setzt den Taxiunternehmen zu. Denn von 8,50 Euro sind angestellte Fahrer derzeit noch weit entfernt. Die Branche rechnet damit, dass bis zu 70.000 Arbeitsplätze wegfallen. Denn die Unternehmen können die Kosten nicht einfach weitergeben, sie müssen sich ihre Preise von Behörden genehmigen lassen.

    In der Taxibranche gärt es. Da taucht der Internetfahrdienst Uber auf und unterbietet alle Preise, ohne dass die juristischen Mittel dagegen bisher greifen würden. Und da muss von Januar an der Mindestlohn von 8,50 Euro die Stunde gezahlt werden. Denn Verhandlungen, diese Pflicht zeitlich hinauszuzögern, hat die Gewerkschaft Verdi nach nur einem Tag scheitern lassen. Das mag verständlich sein, wenn man weiß, dass nach Branchenangaben der Stundenlohn wegen langer Warte- und Standzeiten oft bei nur fünf Euro liegt. Dennoch sind selbst angestellte Taxifahrer sauer, etwa dieser aus Offenbach:

    „Es wird wahrscheinlich den Schätzungen unserer Branche nach 50.000 bis 60.000 Arbeitslose mehr in Deutschland bedeuten. Und wird dann zu einer Marktbereinigung führen, die weniger im Kundeninteresse ist, aber was ohne Fachwissen am grünen Tisch beschlossen wird.“

    Das Thema Mindestlohn und die Folgen hatte auch den Taxitag im Sommer in Leipzig bestimmt. Wolfgang Schwuchow, Vorstand der Erfurter City Taxi AG, hatte sich dort beklagt:

    „Ich kann jetzt die Mindestlöhne nicht zahlen. Ich kann sie auch am 1. Januar nicht zahlen. Und das Schlimme ist, dass ich mich sozusagen von meinem Stamm als erstes verabschieden muss, von Leuten, die jahrelang zu mir gehalten haben. Also, es ist eine unmögliche Situation, in die uns die Politik hier gebracht hat.“

    Erhöhungen nicht in allen Tarifbezirken durchsetzbar
    Die Branche rechnet insgesamt damit, dass 50.000 bis 70.000 Arbeitsplätze wegfallen werden. Denn die Taxiunternehmen können die Kosten nicht einfach weitergeben. Sie müssen sich ihre Preise meist von kommunalen Behörden genehmigen lassen. 800 Tarifbezirke gibt es in Deutschland. Nur in etwa 200 könnten wohl höhere Preise durchgesetzt werden:

    „In den anderen 600 wird die Granate sofort einschlagen. Deshalb gehen wir davon aus, dass wir sicher jeden vierten Arbeitsplatz im Taxigewerbe verlieren werden. Und dann sind wir bei der Zahl von 50.000 bis 70.000“,

    schätzt Thomas Grätz, Geschäftsführer des Deutschen Taxi- und Mietwagenverbands.

    In Frankfurt am Main, wo gerade das Geschäft wegen der Buchmesse brummt, liefen die Geschäfte so gut, dass die Kosten ohne Preissteigerung aufgefangen werden könnten, sagt Grätz. Aber schon im benachbarten Offenbach sieht es anders aus: Dort sind die Preise gerade um 13 Prozent erhöht worden. In Bremen sind es 15 Prozent, in Dortmund 17, in Stuttgart 20, in Osnabrück 25 Prozent. In manchen dünn besiedelten Gegenden, so der Branchenverband, seien wohl 40 bis 60 Prozent höhere Preise gerechtfertigt, was aber nicht möglich sei.

    Was also wird passieren? Es werde weniger Betriebe mit mehreren Autos und mehreren Fahrern geben, auch wenn nur die eine 24-Stunden-Bereitschaft anbieten könnten, sagt Verbandsmanager Grätz:

    „Es wird sehr viele Einzelunternehmer geben, die selbst auf dem Fahrzeug sitzen und sich praktisch selbst ausbeuten.“

    Denn einen Mindestlohn für Unternehmer gibt es nicht. Gut kalkulierbare Aufträge wie Schüler- und Krankenfahrten dürften attraktiver, das breite Angebot schmaler werden. Das entspricht den Erfahrungen mit dem Mindestlohn in den Niederlanden.

  • Konjunkturforscher - »Mindestlohn entlastet Staat enorm« (Archiv)
    https://www.deutschlandfunk.de/konjunkturforscher-mindestlohn-entlastet-staat-enorm.694.de.html?dra
    https://www.deutschlandfunk.de/media/thumbs/e/eba2d4ab1e46a925fed6df11a96f544av1_max_755x424_b3535db83dc50e27c1bb1

    9.4.2015 - Wer kein Lohndumping in der Gesellschaft wolle, der müsse auch entsprechend dafür zahlen, sagte der Konjunkturforscher Gustav Horn von der Hans-Böckler-Stiftung im DLF. Durch die Einführung des Mindestlohnes profitiere aber auch der Staat: durch wenige Aufstocker und Mehreinnahmen in den Sozialkassen.

    Gustav Horn, Leiter des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung im Gespräch mit Thilko Grieß

    Thielko Grieß: Diese Bürste liegt besonders gut in der Hand, heißt es in der Anzeige, sie hat harte Borsten und reinigt Fugen im Badezimmer zum Beispiel, und sie kostet, online jedenfalls, genau 8,50 Euro. Das ist exakt der Wert, den eine Stunde Arbeit in Deutschland kosten soll. Seit dem ersten Januar also eine Stunde schrubben mit dieser Bürste zum Beispiel. Aber der Mindestlohn, der seit Anfang Januar in Deutschland gilt, hat Ausnahmen, und er bietet wohl auch Schlupflöcher, im Taxigewerbe zum Beispiel. Stefan Maas in Berlin hat sich dazu erkundigt.

    Stefan Maas war das über 99 Tage Mindestlohn, und der Beitrag hat es gezeigt, dass die Diskussion über den Mindestlohn weiter anhält. Und deshalb haben wir kurz vor dieser Sendung Gustav Horn angerufen, den Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung bei der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Meine erste Frage an Gustav Horn: Haben Sie mit der Kreativität der Arbeitgeber bei der Suche nach Schlupflöchern im Mindestlohn gerechnet?

    Gustav Horn: Ja, das überrascht nicht. Das war uns schon klar, dass man versuchen würde, mit vielen Mitteln – Ausdehnung der Stundenzahl ist sicherlich das gängigste Mittel – zu versuchen, den Mindestlohn zu umgehen und die Kosten zu senken. Aber das sind aus unserer Sicht eigentlich Übergangsschwierigkeiten. Hier findet auch ein Lernprozess statt, sowohl aufseiten der Arbeitgeber als auch aufseiten der Arbeitnehmer – was geht, und was geht nicht? Und es gibt dann ja auch noch Kontrollen, und das wird sich im Lauf der Zeit einpendeln, denke ich.

    Grieß: Also ist das erst einmal nur ein Problem mangelnder Kontrolle, dass in solchen Branchen wie dem Taxigewerbe zum Beispiel die Schlupflöcher noch genutzt werden können?

    Horn: Ja. Im Moment entdeckt man ja eben Schlupflöcher und versucht sie zu nutzen, und das wird sicherlich im Laufe der Zeit bewertet werden, ob dies ein legitimes Schlupfloch ist oder eben nicht. Und dann muss es eben auch geschlossen werden.

    Grieß: Die Folge wird allerdings sein – bleiben wir noch einmal kurz beim Taxi –, dass die Beförderungsentgelte weiter steigen werden.

    Horn: Ja, es ist klar. Wir wissen aus Studien zur Einführung von Mindestlöhnen, dass es zwei Effekte gibt: Einmal, die Einkommen von sehr niedrig entlohnten Beschäftigten steigen, und zum Zweiten, die Preise in diesen Branchen steigen. Wir werden also in Zukunft sicherlich auch mehr für das Taxifahren bezahlen müssen, ebenso wie wir mehr zahlen müssen dafür, dass wir zum Friseur gehen. Das ist sicherlich eine Folge der Einführung des Mindestlohns.

    Grieß: In welchen anderen Branchen wird es Preiserhöhungen geben oder hat es sie schon gegeben?

    „Einkommen der Einzelnen steigen im Schnitt“

    Horn: Wir sehen es zum Teil schon in der Gastronomie beispielsweise, dass es auch dort zu Preiserhöhungen kommt, in all den Branchen, die bislang eben sehr, sehr niedrige Löhne gezahlt haben, wo es auch teilweise Geschäftsmodelle gab, die einfach auf Lohndumping basierten. Und das ist ja die politische, oder, wenn man will, auch die ethische Entscheidung, dass wir kein Lohndumping mehr wollen in dieser Gesellschaft. Und das heißt umgekehrt, dass wir auch entsprechend zahlen müssen.

    Grieß: Steigen denn im Umkehrschluss tatsächlich auch die Einkommen derjenigen, die nun den Mindestlohn bekommen oder arbeiten die einzelnen Menschen tatsächlich weniger Stunden in der Woche und im Monat, und ihr Einkommen bleibt letztlich gleich?

    Horn: Wir wissen aus der Erfahrung in anderen Ländern, dass die Einkommen der dort Beschäftigten im Schnitt steigen. Das schließt im Einzelfall nicht aus, dass beispielsweise bei Minijobs die Zahl der Stunden reduziert wird. Aber dann fehlt ja auch die Arbeit des Beschäftigten dem Arbeitgeber, und die Frage ist, wie er diese Arbeit ersetzen will – kann er sie überhaupt ersetzen? Auch hier sehe ich eher einen Lernprozess, dass der Arbeitgeber das vielleicht versucht am Anfang und dann im Laufe der Zeit vielleicht feststellt, er benötigt diese Arbeit. Und dann wird er die Stundenzahlen auch wieder erhöhen.

    „Mindestlohn entlastet Staat enorm“

    Grieß: Und folglich gibt es weniger Aufstocker, die einen Teil ihres Einkommens aus der Staatskasse bislang bekommen haben?

    Horn: Einer der Hauptprofiteure der Einführung des Mindestlohns ist der Staat, und zwar in seiner ganzen Breite. Einmal, es gibt weniger Aufstocker, zum Zweiten, die Sozialkassen nehmen auch mehr ein, wenn die Einkommen steigen. Das entlastet den Staat enorm, und sicherlich ist das auch ein Punkt, warum man es eingeführt hat.

    Grieß: Gibt es denn auch Überlegungen oder Bestrebungen der Arbeitgeber, zum Beispiel auch die Effizienz zu erhöhen? Also, das ist beim Taxifahren vielleicht nur durch Geschwindigkeit noch zu erreichen, aber beim Friseur wird darauf geachtet, schneller zu schneiden, oder in der Gastwirtschaft muss man eben zehn Gläser Bier tragen statt vorher fünf?

    Horn: Das sehen wir auch. Natürlich werden die Arbeitgeber überprüfen, wie sie die Arbeit noch effizienter einsetzen können. Das ist eine übliche Reaktion auf steigende Löhne. Das ist aber ja noch nichts Schlimmes, wenn das –

    Grieß: Es erhöht den Stress.

    Horn: Es erhöht vielleicht den Stress, aber wenn Arbeit beispielsweise saisonal sehr stark schwankend abgefragt wird, dass man dann den Arbeitseinsatz vielleicht optimaler anpasst, als man das in der Vergangenheit getan hat, so ist dagegen nichts zu sagen, das erhöht die Produktivität. Das erhöht – dann können die Einkommen aller im Prinzip gleich bleiben, ohne dass in – und real steigen insgesamt sogar für die Beschäftigten, ohne dass wir in irgendwelche Probleme kommen.

    „Deutliche Beschleunigung des Konsums“

    Grieß: Ein Argument war stets für den Mindestlohn, dass eben durch die Einkommenssteigerungen, die wir jetzt ja skizziert haben, in welchen Branchen sie auftreten, auch der Konsum, der berühmte, gestärkt werde, der zwar berühmt ist, aber in Deutschland ja immer etwas schwachbrüstig dargestellt wird. Ist das so? Haben Sie darüber schon Daten, dass der Konsum in Deutschland davon profitiert?

    Horn: Ja, wir sehen hier schon auch aus anderen Gründen eine deutliche Beschleunigung des Konsums im Vergleich zu früheren Jahren, wo er in der Tat sehr mager war. Wir sehen ja generell etwas, höhere Lohnsteigerungen, die führen auch zu einem erhöhten Konsum, wir sehen aber insbesondere eben auch höhere Einkommenssteigerungen an den unteren Lohngrenzen der Beschäftigung, und das dürfte auch auf den Mindestlohn beziehungsweise auf die Tarifverträge zurückgehen, die im Vorfeld des Mindestlohns abgeschlossen worden sind. Und dieses Geld fließt in der Tat ungebremst in den Konsum, weil diese Menschen können einfach nicht sparen, sondern sie haben Mühe, einfach ihre Lebenserfordernisse zu bezahlen. Und das stärkt den Konsum in Deutschland.

    Grieß: Es fehlen aber noch die aussagekräftigen Daten dazu?

    Horn: Das ist richtig. Wenn man eine harte wissenschaftliche Arbeit über diese Thematik schreiben will, muss man einfach noch zuwarten. Daten von 100 Tagen können noch keine signifikante Datenbasis sein.

    „Minijobs werden unattraktiver“

    Grieß: Wie geht es denn den Regionen, ist das vielleicht schon zu sagen, die strukturschwach sind, die zum Beispiel im Erzgebirge liegen oder in Mecklenburg oder in Nordhessen oder wohin Sie schauen? Also den Regionen, die einen größeren Anteil schlecht bezahlter, niedrig bezahlter Jobs haben. Fallen dort Jobs weg?

    Horn: Das sehen wir insgesamt noch überhaupt nicht. Wir sehen zwar eine Umschichtung von Jobs. Minijobs werden unattraktiver, das scheint sich schon zu zeigen. Das ist aber noch nichts Schlimmes, wenn daraus dann normale, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse entstehen. Und in dem Bereich sehen wir einen deutlichen Zuwachs. Das heißt, es wird zu Umschichtungen in den Arbeitsverhältnissen sicherlich kommen, aber wir sehen generell gesehen überhaupt nicht, dass Arbeitsplätze wegfallen.

    Grieß: Also war das Klagen und das Lamentieren der Arbeitgeber vorher Ihrer Ansicht nach lediglich Propaganda?

    Horn: Das war auf jeden Fall überzogen. Vielleicht entsprang es berechtigter Sorge, aber diese Sorge hat sich als unberechtigt im Nachhinein erwiesen, wie übrigens in anderen Ländern auch, wo diese Klagen im Vorfeld ja auch gewesen sind.

    „Mindestlohn sollte flächendeckend sein“

    Grieß: Herr Horn, es gibt jetzt einige Gruppen, für die kein Mindestlohn gezahlt wird, zum Teil übergangsweise zunächst einmal nicht. Zeitungszusteller gehören dazu, aber auch in Vereinen, ehrenamtliche Übungsleiter oder durchreisende, transitfahrende Lkw-Fahrer zum Beispiel, die von Polen auf dem Weg nach Belgien sind, müssen in Deutschland während ihres Aufenthalts hier keinen Mindestlohn bekommen. Sind jetzt alle Gruppen versorgt, mit Ausnahmen, die welchen bekommen sollten?

    Horn: Nun ja, es gibt einige Löcher, sie haben ja die Zeitungszusteller beispielsweise genannt, die vielleicht auch noch geschlossen werden müssen im Laufe der Zeit. Denn wenn man einen gesetzlichen Mindestlohn einführt, möchte man das schon flächendeckend und lückenlos machen, sonst ist ja sozusagen die Ausweichmöglichkeit immer noch gegeben. Aber man muss schon sagen, dass durch die Einführung des Mindestlohns, so, wie er jetzt ist, schon viele Löcher geschlossen wurden und es nur begrenzt Möglichkeiten gibt, dem zu entgehen.

    Grieß: Also es gibt keine logischen Gruppen mehr, die noch hineingehörten?

    Horn: Nein. Dass man im Vorfeld Tarifverträge abschließen konnte und damit die Einführung des Mindestlohns in bestimmten Branchen verschieben konnte, das war ja auch bewusst gewollt, weil es ja auch keine Eingriffe in die Tarifhoheit geben sollte. Und immerhin hat man dann Tarifverträge, und das ist zumindest aus Sicht der Gewerkschaften schon ein Vorteil für sich.

    Grieß: 99 Tage Mindestlohn. Das war ein Gespräch mit Gustav Horn, dem Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, das wir kurz vor dieser Sendung aufgezeichnet haben.

  • Debatte um die Freiheit der Wissenschaft. Mit Widerspruch leben lernen

    Kann man an deutschen Universitäten noch frei forschen und lehren? Einige sehen die Wissenschaft durch eine wild gewordene Identitätspolitik bedroht. Stimmt nicht, sagt Kulturwissenschaftler Daniel Hornuff, man muss aber Gegenwind ertragen können.

    „Wir beobachten, dass die verfassungsrechtlich verbürgte Freiheit von Forschung und Lehre zunehmend unter moralischen und politischen Vorbehalt gestellt werden soll. Wir müssen vermehrt Versuche zur Kenntnis nehmen, der Freiheit von Forschung und Lehre wissenschaftsfremde Grenzen schon im Vorfeld der Schranken des geltenden Rechts zu setzen.“

    So heißt es in einem Manifest, das rund 70 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor einigen Wochen veröffentlichten. Zugleich schlossen sie sich zum sogenannten „Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“ zusammen. Denn die Wissenschaftsfreiheit sehen sie bedroht. Man sei inzwischen „erheblichem Druck ausgesetzt“, ja könne gar nicht mehr anders, als sich „moralischen, politischen und ideologischen Beschränkungen und Vorgaben zu unterwerfen.“ Fatal sei diese Entwicklung, da sie letztlich in die Selbstzensur führe.

    Mit dieser Einschätzung stehen die 70 offenbar nicht allein. Fast täglich melden sich Stimmen in diese Richtung. Erst vor wenigen Tagen ließ etwa Wolfgang Thierse wissen: „Menschen werden vom Diskurs ausgeschlossen an den Universitäten oder in den Medien, die unliebsame Ansichten haben, die einem nicht passen, die man ablehnt, und deswegen will man sie ausschließen.“
    Kein Eindruck der Grundrechteeinschränkung

    Mir stellen sich vor diesem Hintergrund einfache Fragen: Habe ich je in meinem Uni-Leben solche Erfahrungen gemacht? Gab es Situationen, in denen ich nicht sagen, lehren und forschen konnte, was ich aus inhaltlichen Erwägungen sagen, lehren und forschen wollte? Wer hat mich wann bei der Ausübung von Forschung und Lehre beschnitten?

    Tatsächlich hatte ich überhaupt noch nie den Eindruck, dass meine Grundrechte an Universitäten eingeschränkt worden seien. Seit meinem Studienbeginn im Jahr 2003 gab es nicht einen Versuch, mir gegenüber solche Einschränkungen durchzusetzen. Und das bis heute.

    Was ich allerdings erlebte und immer wieder erlebe – das ist Widerspruch. Selbst oft genug mit meinen Themen und Thesen aneckend, wird mitunter herzhaft kritisiert. Ich erinnere mich an ein Kolloquium, in dem ich erste Ansätze eines Habilitationsprojektes vorstellte. Die Reaktion der Teilnehmenden war verheerend – und keineswegs aus Ressentiments oder moralischen Reflexen. Sondern schlicht und einfach, weil ich mich methodisch völlig verrannt hatte.

    Der Moment war schmerzhaft – und er hätte dazu beitragen können, mich fortan mit dem Flair des Unterdrückten zu umgeben.
    Vieles ist heute begründungspflichtig

    Heute ist es nicht anders. Studierende fordern Begründungen ein. Sie wollen wissen, nach welchen Kriterien ich Literatur- und Lektürelisten zusammenstelle; warum sich meine Seminarthemen meist nur auf Kulturen des globalen Nordens konzentrieren; warum ich nicht offener für alternative Unterrichtsformate bin; und warum ich überhaupt zu so abseitigen Themen wie der politischen Ästhetik oder dem Design von Schönheitsoperationen forsche. Gäbe es nicht Wichtigeres, Entscheidenderes zu tun?

    Kolleginnen und Kollegen wiederum prüfen bei jedem Drittmittelantrag, bei jedem Vortrag, bei jedem Aufsatz, bei jedem Buch: Sind die Hornuff-Argumente stichhaltig? Lösen sie ein, was sie vorgeben? Gelingen ihnen neue Einsichten – oder reproduzieren sie nur Bekanntes? Die Ergebnisse, das ist kein Geheimnis, sind oft ernüchternd: Anträge werden abgelehnt, Bewerbungen versanden, Bücher werden nicht gelesen, und die Qualität meiner Vorträge wird gerne mal mit vorzeitigem Gehen quittiert.

    Wird meine Arbeit damit gecancelt oder gar unterdrückt? Nein. Würde ich das ernsthaft behaupten, wäre das ein höhnischer Kommentar gegenüber all jenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die unter tatsächlichen Repressalien leiden; die ihre Jobs verlieren, weil sie Forschungsgebiete vertreten, die einem autoritären Regime nicht passen; die im Gefängnis sitzen, weil sie zur falschen Zeit das Falsche veröffentlicht oder gesagt haben.

    Ja, Thesen sind begründungspflichtig, und es kann mächtigen Gegenwind geben. Aber wer nicht bereit ist, dies auszuhalten, überschätzt seine Bedeutsamkeit. Denn niemand hat Anspruch auf mangelnden Widerspruch. Auch nicht an der Uni.

    https://www.deutschlandfunkkultur.de/debatte-um-die-freiheit-der-wissenschaft-mit-widerspruch.1005.

    #Allemagne #liberté_académique #science #recherche #université #ESR

    • Genderforscherin Geier zu Identitätspolitik. „Wir müssen anerkennen, dass es Verschiedenheit in der Gesellschaft gibt“

      Die Genderforscherin Andrea Geier kritisiert eine Gleichsetzung von linker und rechter Identitätspolitik. Dadurch, sowie durch Begriffe wie „Cancel Culture“, „kommen Positionen in den Raum, die so tun, als ob Rassismus und Rassismuskritik irgendwie dasselbe seien“, sagte Geier im Dlf.

      Die Identitätspolitik von rechts führe zu Ausschließung, Hass und Gewalt, hatte Wolfgang Thierse am 25. Februar im Deutschlandfunk gesagt. Zugleich kritisierte der ehemalige Bundestagspräsident eine Cancel Culture in linker Identitätspolitik. „Das heißt, man will sich nicht mehr mit Leuten auseinandersetzen, diskutieren, den Diskurs führen, die Ansichten haben, die einem nicht passen. Das ist ziemlich demokratiefremd und wenn nicht sogar demokratiefeindlich“, so Thierse.

      Dieser Ansicht widerspricht Andrea Geier, Professorin an der Uni Trier für Literaturwissenschaft und Genderforschung. „Diese Art und Weise, über linke Identitätspolitik zu sprechen, die ist sehr alarmistisch geworden und die ist sehr problematisch geworden.“ Tatsächlich wolle linke Identitätspolitik eigentlich das, was Thierse ebenfalls wolle, sagte Geier – „nämlich eine Anerkennung von Vielfalt und Gleichheit“.

      Sie beobachte einen zunehmend alarmistischen Ton derer, die linke Identitätspolitik kritisieren und sich „selber zum Opfer machen einer Identitätspolitik anderer, die zum Beispiel rassismuskritisch ist – das müssen wir bearbeiten.“

      Um zu mehr gegenseitigem Verständnis in Diskursen zu gelangen, sei es wichtig, anzuerkennen, dass Erfahrungswelten anderer Menschen durchaus andere sein können als die eigenen, betonte Geier.

      „Als weiße Wissenschaftlerin hab’ ich bestimmte Probleme im akademischen Raum definitiv nicht, die schwarze Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen haben. Und wenn ich dann als Weiße angesprochen werde, ist das einfach eine Tatsache. Dafür kann ich nichts, aber dazu muss ich mich verhalten. Und das ist das, was eigentlich wichtig ist, wenn jemand angesprochen wird als weiße Person oder als männliche Person, zu fragen: Was hat das gemacht mit mir, was bedeutet das für meine Positionierung, was gibt mir das möglicherweise auch für Chancen, was hat mir das eröffnet?“

      Das Interview in voller Länge:

      Stephanie Rohde: Gefährden Rechte wie Linke mit ihrer Identitätspolitik den Zusammenhalt in der Gesellschaft?

      Andrea Geier: Rechte Identitätspolitik zielt darauf ab, diesen Zusammenhalt zu gefährden – es geht tatsächlich darum, eine bestimmte Idee von Volk und von Nation herzustellen –, während linke Identitätspolitik was anderes will. Sie will eigentlich das, was zum Beispiel Herr Thierse möchte, nämlich eine Anerkennung von Vielfalt und Gleichheit. Insofern ist jetzt erst mal wichtig, dass man das auseinanderhält. Rechte und linke Identitätspolitik wollen nicht dasselbe, sondern sie haben unterschiedliche Ziele, und umstritten ist bei linker Identitätspolitik, so wie Herr Thierse sie dargestellt hat, mit welchen Mitteln das geschieht. Diese Art und Weise, über linke Identitätspolitik zu sprechen, die ist sehr alarmistisch geworden und die ist sehr problematisch geworden. Das zeigt gerade so ein Begriff wie Cancel Culture, dass der in diesem Kontext fällt, wo es sozusagen um gefühlte Einschränkungen geht und gefühlte Verbotskulturen.

      Rohde: Genau das beklagt Wolfgang Thierse ja auch in dem Ton, den wir eben gehört haben, zu sagen, da werden missliebige Meinungen ausgeschlossen aus dem Diskurs. Man muss sich ja tatsächlich fragen, wie soll eine Verständigung stattfinden, wenn man nur noch in getrennten Räumen reden kann und die andere Seite eigentlich gar nicht mehr gehört werden darf mit ihrer Meinung.

      Geier: An diese Problembeschreibung stelle ich immer die Rückfrage: Wer wird denn hier von wem nicht gehört? Wir haben ein ganz interessantes Phänomen, dass Menschen, die eine große Reichweite haben, sehr öffentlichkeitswirksam darüber klagen, dass man irgendetwas angeblich nicht mehr sagen könne. Die sind sehr prominent vertreten in der Öffentlichkeit damit, dass man angeblich etwas nicht sagen könne. Das ist ein Paradox, dem muss man sich erst mal stellen. Das heißt, man muss die Rückfrage auch stellen: Wer kann denn wo überhaupt seine Meinung äußern, wer kann denn wen kritisieren, auf welchem Weg? Und dann kann man anfangen, diese gefühlten Einschränkungen tatsächlich sich anzuschauen, also die Idee von: Wer verbietet wem etwas? Ich finde es wichtig, Unsicherheit ernst zu nehmen – woher kommt dieser Eindruck, dass angeblich man etwas nicht mehr sagen könne? Und die Formulierung, finde ich, weist eher darauf hin, dass es eben tatsächlich darum geht, es geht um Unsicherheiten, weil sich Dinge ändern. Das heißt, wir sind in dem, was eigentlich genau eingefordert wird, wir sind in einem Aushandlungsprozess, wo es auch mal kritisch werden kann, wo es sogar vielleicht unangenehm werden kann, wo Deutungsmacht infrage gestellt wird, wo Positionen infrage gestellt werden, und das empfinden Leute als Angriffe, die sozusagen für sich in Anspruch nehmen, unbehelligt bleiben zu wollen und sich keinen unangenehmen Situationen aussetzen zu müssen und einfach zu behaupten, na ja, wir wollen eben Gemeinsamkeit, das will ich doch auch, aber die wollen die Regeln festsetzen, nach denen diese Gleichheit und diese Anerkennung sich ausdrücken soll. Das heißt, eigentlich wird denen, die Kritik üben, denen wird der Raum abgesprochen, das zu tun, und nicht denen, die immer schon ihre Meinung sagen konnten.

      Auch nicht-eigene Erfahrungswelten anerkennen

      Rohde: Das kann man aber auch anders sehen, also jetzt wieder mit Herrn Thierse gedacht tatsächlich. Man kann ja auch sagen, Identitätspolitik wird dazu genutzt, dass Menschen eben in Täter und Opfer unterteilt werden, also dass dem Opfer per se niemand widersprechen darf und der Täter oder die Täterin darf nicht mehr sprechen. Sehen Sie diese Tendenz nicht auch, dass da ganz klar sozusagen ein Signal gesendet wird, bestimmte Leute dürfen sich aus einer bestimmten Position heraus nicht mehr zu Wort melden?

      Geier: Ich sehe das in dieser Radikalität nicht. Was ich sehe, ist, dass wenn so Begriffe wie „Betroffenheit“ ganz negativ verwendet werden, und das zeigt sich bei Herrn Thierse, auch wenn er über Opfersein spricht. Wenn wir über Identitätspolitik sprechen, dann geht es ja erst mal darum, zu sagen, ich anerkenne, dass es in deiner Erfahrungswelt etwas gibt, was es in meiner nicht gibt, zum Beispiel hautfarbenbezogenen Rassismus als weiße Person, das erlebe ich nicht. Das heißt, ich muss erst mal anerkennen, dass die Erfahrungswelt anderer Menschen anders ist als meine eigene. Und diese Anerkennung, die ist der Ausgangspunkt. Wenn die nicht da ist, wenn so getan wird, als wenn es reicht, zu sagen, wir wollen doch alle gleich sein und wir wollen doch alle Vielheit und die wollen wir auch alle anerkennen, dann sorgt das natürlich auch für eine gewisse Unduldsamkeit, weil zum Beispiel über Rassismus schon sehr, sehr lange gesprochen wird. Über diese Gleichsetzung von linker und rechter Identitätspolitik, über so Begriffe wie Cancel Culture, kommen Positionen in den Raum, die so tun, als ob Rassismus und Rassismuskritik irgendwie dasselbe seien, weil das eine ist links und das andere ist rechts, und dann haben wir plötzlich eine Gleichsetzung von etwas, was wir als pluralistische Gesellschaft auf gar keinen Fall gleichsetzen dürfen. Ich glaube, es ist ganz wichtig, das auszudifferenzieren und nicht so zu tun, auf der einen Seite sind die Opfer und die haben plötzlich eine große Macht, sondern wir müssen diese Machtfantasien uns anschauen: Wer kann tatsächlich wem irgendwas verbieten? Wer hat die Deutungsmacht momentan? Wer hat wie viel Sprechraum und wer wird immer noch nicht gehört? Wenn wir diese Dynamik tatsächlich anschauen, dann bin ich sofort bereit zu sagen, das kann im Einzelfall sicher auch unangenehm sein oder es kann auch mal sich in Formen ausdrücken, die nicht in Ordnung sind, ja, aber das heißt nicht, dass das grundsätzliche Anliegen diskussionswürdig oder gar diffamierbar wäre mit diesem Begriff „Identitätspolitik“. Es ist ganz wichtig, diese Ansprüche ernst zu nehmen und den alarmistischen Ton derer, die linke Identitätspolitik kritisieren, den zurückzunehmen und von diesem Alarmismus und von dem Reden über Zumutung und sich selber zum Opfer machen einer Identitätspolitik anderer, die zum Beispiel rassismuskritisch ist, das müssen wir bearbeiten. Ich finde hier diese Opferpose, also die Art und Weise, wie man sich darüber aufregt, dass jemand anders Ansprüche an einen stellt und einen Raum der Verhandlung fordert von bestimmter Deutungsmacht oder Sprechpositionen, das sind alles berechtigte Ansprüche.
      Sich die eigene Position in der Gesellschaft verdeutlichen

      Rohde: Lassen Sie uns ganz kurz noch bei dieser Opferposition bleiben oder die Frage, wer spricht da, weil die ist ja zunehmend relevant geworden in dem Diskurs, also dass es vielleicht nicht mehr so viel darum geht, was wird eigentlich gesagt, isoliert betrachtet, sondern auch die Frage, von wem wird das gesagt. Herr Thierse beklagt ja, dass er da reduziert wird quasi auf seine Identität, und dann gesagt wird, weil er diese Identität hat, darf er nichts mehr sagen, also dass man nur darauf schaut, wer spricht da.

      Geier: Man kann das ganz schön rumdrehen, sich mal in die anderen Schuhe setzen und sagen, was die Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft, also zum Beispiel Herr Thierse, gerade erfahren, ist, als Angehöriger einer Gruppe wahrgenommen zu werden – das ist eine klassische Minderheitenerfahrung. Das ist sozusagen etwas, was unserem Anspruch an Individualität, Menschen individuell wahrzunehmen, widerspricht. Insofern kann ich auch nachvollziehen, dass jemand sagt, wie kann man mich reduzieren auf solche Positionen. Aber das ist jetzt genau der Raum der Verhandlung, um zu sagen, schau her, was mit Minderheiten passiert, wie jemand zum Beispiel mit Rassismus konfrontiert wird aufgrund seiner Hautfarbe. Das hat nichts mit einer individuellen Einschätzung zu tun, sondern mit Projektionen und mit Stereotypisierungen und eben mit Diskriminierung. Erst wenn ich anerkenne, dass die Erfahrung, die eigene soziale Positionierung, etwas ausmacht in der Art und Weise, wie ich mich in der Gesellschaft bewege, aber auch wie ich Sprechräume gestalten kann, welche Möglichkeiten und Chancen mir eröffnet werden, erst wenn wir das anerkennen, dann können wir ja weitergehen einen Schritt und tatsächlich zu den Idealen kommen, die eingefordert werden, nämlich alle Menschen gleich zu behandeln und als Individuen anzusehen. Das heißt, ja, hier wird was spiegelbildlich gerade gemacht. Es wird gesagt, guck mal, was eigentlich mit uns als denen, die wir zu anderen gemacht werden – wie zum Beispiel People of Colour oder schwarze Deutsche –, was mit uns passiert, und wir spielen jetzt einfach mal zurück, dass das, was du dir erarbeitet hast, nicht alles auf individueller Leistung beruht, sondern erst mal auf einer Position.

      Als weiße Wissenschaftlerin hab ich bestimmte Probleme im akademischen Raum definitiv nicht, die schwarze Wissenschaftler*innen, und wenn ich dann als Weiße angesprochen werde, ist das einfach eine Tatsache. Dafür kann ich nichts, aber dazu muss ich mich verhalten. Und das ist das was eigentlich wichtig ist, wenn jemand angesprochen wird als weiße Person oder als männliche Person, zu fragen: Was hat das gemacht mit mir“ Was bedeutet das für meine Positionierung? Was gibt mir das möglicherweise auch für Chancen? Was hat mir das eröffnet? Und von da aus zu reflektieren und sozusagen den Sprung zu wagen, die Vorstellung zu wagen, wie es anders sein könnte und wie wir eigentlich in einer Gesellschaft zusammenleben wollen, in der nicht alle sozusagen dieselben Chancen qua bestimmter Merkmale haben.

      Rohde: Das heißt aber, Sie erwarten eigentlich von jemandem wie jetzt zum Beispiel Herrn Thierse, dass er sich auch positioniert und möglicherweise auch als Betroffenen empfindet, also tatsächlich auch seine Privilegien versteht, um dann die Betroffenheit der anderen Seite auch nachvollziehen zu können. Er äußert sich ja ein bisschen anders und sagt eben, die Betroffenheit sollte nicht entscheidend sein, also das subjektive Empfinden darf gar nicht entscheidend sein, sondern das vernünftig begründete Argument.

      Geier: Ich finde es falsch, das gegeneinander zu stellen. Die Tatsache, dass ich anerkenne, dass ich eine bestimmte Position in der Gesellschaft habe, widerspricht ja nicht der Tatsache, dass ich vernünftige Argumente vorbringen kann. Mir ist dieser Widerspruch, der hier aufgemacht wird, vollständig unklar. Worum es eigentlich zu gehen scheint, ist, dass eine Idee da ist von Erfahrungen machen – jemanden, irgendwie, emotional – und dann kann er nicht vernünftig sein. Das sind völlig falsche Überlagerungen. Worum es geht, ist, dass wir anerkennen, dass es Verschiedenheit gibt in der Gesellschaft und dass diese Verschiedenheit sozusagen zum Teil auch eben sich in die Diskriminierung und Privilegierung äußert und dass das eine Bedeutung hat. Das heißt ja nicht, dass wir uns nicht darüber verständigen können, das vernünftige Argument schließt das ja überhaupt nicht aus. Deswegen meinte ich vorhin, dass Betroffenheit so negativ konnotiert ist, ist selber ein Problem, denn es bedeutet ja nicht, dass ich keine vernünftige Beschreibung des Zustandes machen kann, es heißt nur, anzuerkennen, dass nicht alle von vornherein gleich sind, sondern Gleichheit das Ziel ist. Gleichheit kann nicht proklamiert werden, und einfach zu sagen, wir brauchen Gemeinschaft und deswegen haben wir sie jetzt, sondern daran muss gearbeitet werden. Die Voraussetzung dafür ist, anzuerkennen, was der Status quo ist, und das bedeutet eben zum Beispiel, sich bewusst zu machen, dass es Menschen gibt, die machen Rassismuserfahrungen, und andere, die machen keine.

      Rohde: Machen wir das mal konkret, und zwar am Beispiel von Blackfacing, also von Weißen, die sich zu Unterhaltungszwecken schwarz anmalen oder angemalt haben in Shows, im Theater. Wolfgang Thierse sieht dieses Blackfacing auch positiv, wir hören mal kurz rein:

      Thierse: Kulturelle Aneignung über Hautfarben und ethnische Grenzen hinweg muss möglich sein, das ist ein Wesenselement von Kultur. Grenzüberschreitung, Aneignung von anderem, von Fremdem, sich zueigen machen, dabei die Unterschiede zwar wahrzunehmen, das Eigene wahrzunehmen …

      Rohde: Frau Geier, übersieht man möglicherweise die positive Funktion von so etwas wie Blackfacing, wenn man es durchweg als rassistisch bezeichnet?

      Geier: Es gibt keine positive Kulturaneignung von Blackfacing, weil das ja voraussetzen würde, dass Blackfacing jemals Teil einer schwarzen Kultur war. Aneignen von einer anderen Kultur kann ich mir sowieso nur, was zu einer anderen Kultur gehört. Blackfacing ist immer schon ein Produkt einer weißen Fantasie. Es ist eine Darstellungspraxis, die kommt aus den sogenannten Minstrel Shows, also weiße Schauspieler*innen spielen für ein weißes Publikum, zur Belustigung eines weißen Publikums schwarz sein, führen das vor mit diskriminierenden stereotypisierenden Vorstellungen, und es macht es nicht besser, wenn man dann sozusagen so tut, als ob die individuelle Handlung in einem anderen Kontext – nehmen wir mal Theater – sozusagen das als eine andere Kulturpraxis bezeichnen würde. Das ist es nämlich genau nicht, denn da haben wir wieder eine weiße Tradition. Deswegen sind das alles Praktiken, die man wirklich in keiner Weise als positive Kulturaneignung beschreiben kann. Was Herrn Thierse fehlt, ist eine Idee von Macht.
      Die Haut anderer als Maske zu tragen? Eine Grenzüberschreitung

      Rohde: Wie meinen Sie das?

      Geier: Wenn ich Blackfacing als positive Kulturaneignung beschreibe, dann hab ich ja nicht nur eine Idee davon, dass ein Sichbefremdenlassen von anderem oder in andere Schuhe schlüpfen irgendwie eine nette spielerische Idee ist, sondern dieses Moment von Aneignung ist ja immer ein Moment von Macht. Und dann ist ja die Frage, wer eignet sich wessen Kultur an, und dann sind wir sofort auch in Räumen, wo klar ist, dass es hier Machtungleichheit gibt. Also die Kulturaneignung ist ja eine, die immer in einer Relation und in einer Beziehung funktioniert und nicht so unschuldig ist – jeder schlappt mal in irgend wessen anderen Schuhe, sondern die ist eine, die ist auch mit historischen Bedeutungen belegt, wer sich in wessen Schuhe und wessen Maskeraden sozusagen ausführen kann. Herr Thierse wischt das einfach mal beiseite und macht das zu einem lustigen, sozusagen befreienden oder bereichernden Spiel, und das ist es nicht. Jemand anderes Haut als Maske zu tragen, ist eine Aneignung, die auch eine Grenzüberschreitung ist.

      Rohde: Schauen wir noch auf die Gendersprache: Der Eindruck ist da bei einigen, auch bei Wolfgang Thierse, entstanden, dass gendersensible Sprache an Unis angeordnet wird. Stimmt das?

      Geier: Universitäten haben durchaus Leitfäden für geschlechtergerechte Sprache oder inklusiven Sprachgebrauch, aber wie das Wort schon sagt, das sind eben Leitfäden, und es gibt keinen Fall, in dem irgendwo klar gewesen wäre, dass einem Studierenden vorgeschrieben worden wäre, geschlechtergerechte Sprache zu nutzen und dann entweder eine Note verweigert oder schlechter bewertet worden wäre, weil nicht geschlechtergerechte Sprache benutzt worden ist. Herr Thierse behauptet das, und ich wüsste gerne mal, ob es irgendeinen Beleg dafür gibt. Ich kennen keinen.

      https://www.deutschlandfunk.de/genderforscherin-geier-zu-identitaetspolitik-wir-muessen.694.de.html

    • Message reçu via une liste sur le monde universitaire, reçu le 09.06.2021 :

      Dear colleagues, dear friends, dear companions,

      as you may have noticed, a debate about academic freedom has been
      initiated in the German-speaking academic landscape by the
      self-proclaimed »Netzwerk Wissenschaftsfreiheit/Network Academic
      Freedom«, that proposes an understanding of academic freedom with which
      we do not agree. We have devised a position with a different
      understanding of academic freedom, and we’re deliberately not focusing
      too much on this network but want to reclaim the term: academic freedom
      from discrimination, from exclusion and from precariousness. Please read
      for yourself:

      -----
      "We are a coalition of scientists who actively advocate for academic
      freedom. We understand academic freedom as a process to extend
      participation in science. Thus, it also means enabling: of research, of
      teaching and of spaces for critical debate about the system of science,
      whose functioning is also based on discrimination, precariousness and
      exclusion.

      Since its foundation the university is a place where power and knowledge
      meet in a particular way. The resulting responsibility cannot give
      grounds to a claim to academic freedom that defends the university as
      innocent or leaves it unquestioned, as academic freedom is primarily
      constrained by certain historically evolved relations of power whose
      structures and modes of operation favor only a few people, perspectives,
      and geographies. In many places, both scientists and entire disciplines
      struggle to literally survive. However, it is precisely science that has
      the tools and thus the task to highlight the limits of a freedom of
      knowledge production and to work on shifting these limits. From our
      understanding of academic freedom, we ask what concept of freedom is
      presupposed, if this freedom has never held true for everyone in the
      first place. In addition, we ask who claims and uses objectivity in what
      form to hold on to a discoursive sovereignty of a few. Academic freedom,
      we believe, can contribute to consistently more diverse and critical
      universities acting and standing in solidarity.

      Consequently, to us, academic freedom represents the basis for processes
      of negotiation. These processes can and must take place in science if
      science wants to satisfy its own claim to create valid knowledge -
      knowledge by and for many - and to constantly reflect on itself in these
      processes. The ideal of academic freedom can only be approached in this
      way and, at the same time, it can be ensured that science does not
      delink itself from current developments. In such a manner, it can work
      towards a participation in which the diversity of our society is
      reflected. We understand academic freedom as freedom from
      discrimination, exclusion and precariousness and thus as actively
      enabling of the production of knowledge, research and teaching of the
      many.“

      ------

      We don’t want to leave the concept of academic freedom to those who
      currently use it as a battle cry and would like to go online with our
      position very soon. We have created a website especially for this
      purpose with which we deliberately want to get involved in the debate:
      Netzwerk-Wissenschaftsfreiheit.org [1].

      Therefore, we are writing today with a call for initial signatures and
      would appreciate feedback with the respective names of people who would
      like to join us. Maybe the network as a whole would like to sign this as
      well.

      Please respond by June, 10th, so that we can go online with the first
      (as many as possible) names.

      We welcome signatures from all fields of work and academic career
      levels. Also, since we want to take advantage of the conventional
      signaling effect of academic titles, we invite you to use your titles.

      The next step on the website will be to not only publish this general
      statement, but to also publish various subject-specific statements that
      address the topic of academic freedom from the respective disciplines or
      broader perspectives (gender studies, critical race studies, etc.). We
      will issue a separate invitation to this effect. However, it is already
      possible to sign this short text as a group, association, etc..

      If you are interested, you can find more information about the discourse
      around the Academic Freedom Network under these two links:

      https://www.deutschlandfunkkultur.de/debatte-um-die-freiheit-der-wissenschaft-mit-widerspruch.1005.

      https://srv.deutschlandradio.de/dlf-audiothek-audio-teilen.3265.de.html?mdm:audio_id=906012

  • Die Union. Bollwerk gegen Fortschritt und für das Kapital. Nicht zu...
    https://diasp.eu/p/12923290

    Die Union. Bollwerk gegen Fortschritt und für das Kapital. Nicht zuletzt aufgrund von Bedenken der Union verzögert sich die Verabschiedung des #Lieferkettengesetze s durch den Bundestag. Stattdessen verbeißen sich CDU und CSU in ein Detail bei den Haftungsregeln. Das klingt nach dem berühmten Haar in der Suppe https://www.deutschlandfunk.de/lieferkettengesetz-verzoegert-gegen-die-christlichen-werte.720.de.ht

  • Seriell-hybrides Antriebskonzept - Institut für Automatisierung und Informatik
    https://www.iai-wr.de/seriell-hybrides-antriebskonzept

    Ein Fahrrad hat immer eine Kette? Nicht zwingend, das seriell-hybride Antriebskonzept zeigt, dass es auch ohne Kette funktioniert. Der Vorteil hierbei: kein Verschleiß und demzufolge sehr viel geringerer Wartungsaufwand

    Fahrgefühl und Dynamik wie bei einem aktuellen Pedelec ohne die Nachteile des mechanischen und elektrischen Antriebsstrangs – das bietet das seriell-hybride Antriebskonzept:

    Keine Einschränkungen in Design und Funktionalität gerade bei Lastenrädern oder Fahrzeugen mit speziellen Bauformen – die Verwendung rein elektrischer Komponenten ermöglicht Gestaltungsoptionen, die mit mechanischen Komponenten nicht möglich sind
    Kosten- und Aufwandsreduktion in der Produktion – durch den Entfall des mechanischen Teils des Antriebsstrangs wird die Produktion sehr viel einfacher als bei derzeitigen Pedelecs
    Kein Verschleiß und keine Wartung des Antriebsstrangs – die Nutzung von kompakten und robusten elektrischen Komponenten ermöglicht die Wartungsfreiheit des Systems
    Fahrgefühl und Dynamik besser als bei einem konventionellen Pedelec – der Einsatz leistungsstarker Motoren und Generatoren in Kombination mit einem Akku und speziellen Regelalgorithmen ermöglichen Fahrleistungen die über denen eines konventionellen Pedelecs liegen
    Einsatz in Pedelecs und S-Pedelecs – der Antriebsstrang ist so ausgelegt, dass er sowohl bei Pedelecs (bis 25 km/h) als auch bei S-Pedelecs (bis 45 km/h) eingesetzt werden kann
    Ersatz der mechanischen Schaltung durch eine elektronische Hand- oder Automatikschaltung
    Frei wählbarer und an die Fahrsituation angepasster Grad der Unterstützung einstellbar – die Verwendung eines Akkus ermöglicht die Unterstützung des Pedalantriebs durch elektrische Energie
    Rückgewinnung (Rekuperation) von Bremsenergie – die beim Bremsen entstehende Energie wird dem Akku zugeführt und ermöglicht so eine optimalere Energieausbeute
    Laden des Akkus während der Fahrt – erzeugt man durch den Pedalantrieb eine höhere Leistung als die die für das Fahren benötigt wird, kann man während der Fahrt den Akku laden und somit die Reichweite ausdehnen

    Der weltweit einmalige und mit dem 3. Platz beim Hugo-Junkers-Preis ausgezeichnete seriell-hybrid-Antrieb kam erstmalig bei dem 2015 auf der IAA und der Eurobike vorgestellten EE-Speedbike zum Einsatz.

    Demonstration des EE-Speedbike im Alltag

    https://www.iai-wr.de/wp-content/uploads/2020/03/Speedbike2015deutsch.mp4

    Presseartikel

    heise.de vom 06.04.2020 https://www.emtb-news.de/news/schaeffler-hybrid-e-bike-ohne-kette

    MDR Wissen https://www.mdr.de/wissen/kettenloses-fahrrad-hochschule-harz-100.html

    Beitrag im Deutschlandfunk https://www.deutschlandfunk.de/tolle-idee-was-wurde-daraus-das-kettenlose-fahrrad.676.de.html?dram:

    https://e.issuu.com/embed.html?identifier=ipx2i1kcw53q&embedType=script&u=extraenergy&d=magazin

    Weiterführende Informationen
    Kurzpräsentation EE-Speedbike / seriell-hybrider Antrieb https://www.iai-wr.de/wp-content/uploads/2020/03/Serieller_Hybridantrieb_01.pdf

    #technologie #vélo

  • Beim jüngsten Armutsbericht der Bundesregierung auch von einem Reic...
    https://diasp.eu/p/12803000

    Beim jüngsten Armutsbericht der Bundesregierung auch von einem Reichtumsbericht zu reden, sei verlogen, sagte der Sozialethiker und Wirtschaftswissenschaftler Friedhelm Hengsbach im DLF. Seit der Abschaffung der #Vermögenssteuer gebe es gar keine Daten mehr über Reichtum oberhalb von gewissen Vermögenslagen. https://www.deutschlandfunk.de/armuts-und-reichtumsbericht-mischung-aus-zutreffenden.694.de.html?dr

    • Publications de Friedhelm Hengsbach :
      https://www.perlentaucher.de/autor/friedhelm-hengsbach.html

      –---------------------

      45 Min., 2017 - Conversation sur la #justice_sociale et le rôle des #marchés_financiers #EU / #UE / #Europe et #Dublin_III

      https://www.br.de/fernsehen/ard-alpha/sendungen/alpha-forum/friedhelm-hengsbach-sendung-102.html
      https://cdn-storage.br.de/geo/b7/2017-10/26/b64f6e4aba7f11e7bca2984be109059a_X.mp4

      avec un script de pdf :
      https://www.br.de/fernsehen/ard-alpha/sendungen/alpha-forum/friedhelm-hengsbach-110.html

      [...]

      Es gibt verschiedene Vorstellungen über Gerechtigkeit. Der Dialogpartner von Sokrates, Thrasymachos, sagte: „Was ist schon Gerechtigkeit? Doch nur das, was die Mächtigen für gerecht halten.“ Es wird also seit Urzeiten über Gerechtigkeit und was sie ist gestritten. Es gab Anfang des Jahrtausends eine große Debatte unter den Parteien, in der es hieß, die Deutschen müssten sich verabschieden von den traditionellen Vorstellungen über Gerechtigkeit, Verteilungsgerechtigkeit sei „out“, ebenso Bedarfsgerechtigkeit. Stattdessen müssten wir in einer Leistungsgesellschaft darauf Wert legen, dass Leistung sich wieder lohnt. Das bedeutet, Gerechtigkeit wird als Leistungsgerechtigkeit definiert und am besten als Marktgerechtigkeit. Das ist meiner Meinung nach selbstverständlich eine Verkümmerung dessen, was Gerechtigkeit sein
      soll. Denn man kann ja auch fragen, ob Gerechtigkeit nicht etwas zu tun hat mit der Anerkennung eines jeden Menschen als Person. Und dann könnte man sagen, Gerechtigkeit hat in erster Linie etwas mit Gleichheit zu tun. Das heißt, in einer demokratischen Gesellschaft oder in einer egalitären Gesellschaft – das ist vielleicht ein Zirkelschluss – gestehen sich die Mitglieder wechselseitig zu, das gleiche Recht zu haben und als gleiche Personen anerkannt zu werden. Das ist etwa der Kantische Imperativ: Der andere Mensch darf nie nur als Instrument zum eigenen Vorteil benutzt werden, sondern er muss immer auch als Zweck in sich selbst wahrgenommen werden. Das wäre eine Form der Gerechtigkeit, denn man könnte das sehr wohl noch verschärfen. Gerechtigkeit in einer ungleichen Gesellschaft, also in einer Gesellschaft, die von sehr ungleichen Machtverhältnissen bestimmt ist, müsste eigentlich definiert werden als das Recht auf Rechtfertigung. Und wer hat dieses Recht? Nicht die, die die gesellschaftlichen Verhältnisse verursacht haben, also die Mächtigen, sondern diejenigen, die davon betroffen sind.

      [...]

      à min.11 : « Was ist los mit Dir, Europa ? » / Qu’est-ce qu’il va pas avec toi, Europe ?
      https://www.westendverlag.de/buch/was-ist-los-mit-dir-europa

      [...]

      Ich denke, die Krise in Griechenland und auch in anderen, von der Finanzkrise in besonderem Maße betroffenen Staaten ist nicht in erster Linie individualistisch zu deuten. Das, was da mit diesen Legenden betrieben wird, ist gleichsam ein individualistischer Fehlschluss, wenn es heißt, dieses oder jenes Land hätte schlecht gewirtschaftet. Der Europäische Rat hat einmal festgestellt, dass die Finanzkrise und die Verschuldungskrise dieser Peripheriestaaten nicht in erster Linie diesen Staaten zuzurechnen sind, sondern dass diese Krisen systemisch bedingt sind. Ich denke auch: Die Banken haben die Krise verursacht und haben dann nach dem Staat gerufen, der sie retten sollte. Der Staat hat sie gerettet und sich dabei selbst hoch verschuldet. Und hinterher sagen die Banken, der Staat müsse seine Verschuldung abbauen, und zwar schnell, indem er die Sozialleistungen kürzt und die schwächeren Staaten sanktioniert. Das hat man getan, aber ich denke, dass das der falsche Weg ist. Es muss in erster Linie dafür gesorgt werden, dass die Arbeitslosigkeit der Jugendlichen beseitigt wird und nicht in erster Linie, dass die Gläubiger-Schuldner-Verhältnisse neu geregelt werden. Das sieht selbst Herr Schäuble ein: dass irgendwas geschehen muss mit Griechenland, dass die Gläubiger beteiligt werden müssen am Überwinden der Krise, die einzelne Länder in besonderer Weise betrifft.

      [...]

  • Hellste Explosion vor 1.015 Jahren - Die Wolfs-Supernova in Sankt G...
    https://diasp.eu/p/12791986

    Hellste Explosion vor 1.015 Jahren - Die Wolfs-Supernova in Sankt Gallen

    Ende April des Jahres 1006 flammte im Sternbild Wolf die hellste bekannte Supernova am Himmel auf. Im Maximum muss sie etwa zehnmal intensiver als die Venus gestrahlt haben. Hellste Explosion vor 1.015 Jahren - Die Wolfs-Supernova in Sankt Gallen

    • lien propre :

      https://www.deutschlandfunk.de/hellste-explosion-vor-1-015-jahren-die-wolfs-supernova-in.732.de.htm

      –-----------

      Restes de la #supernova #SN_1006 observés dans les rayons X par Chandra.

      https://fr.wikipedia.org/wiki/SN_1006

      La supernova a été observée pendant deux ans.

      La supernova aurait été observée pour la première fois dans le sud-ouest de la péninsule Arabique (actuel Yémen) le 15 rajab 396 AH (17 ± 2 avril 1006 EC)6. Elle a surtout été observée à partir du 30 avril7.

      Selon les témoignages, pendant quelques jours, la brillance de la nouvelle étoile augmenta, devenant supérieure à celle de Vénus, et atteignant un éclat comparable « au quart de la pleine lune », donc visible en plein jour. Puis l’éclat se mit à diminuer, mais l’étoile resta observable pendant plus de deux ans.

      Une multitude de textes crédibles relatent l’apparition et l’observation de cette étoile nouvelle en l’an 1006. Or, curieusement, elle est n’est généralement attestée en Europe qu’en 1066, sauf dans le manuscrit Cod. Sang. 915 de l’abbaye de Saint-Gall, en Suisse8.

      La date de 1066 coïncide avec l’année de la conquête de l’Angleterre par Guillaume de Normandie ; une telle étoile figure d’ailleurs sur la tapisserie de Bayeux qui relate cet évènement historique. Les supernovae de 1006 et 1054 étant récentes, celle de 1066 fut peut-être inventée pour fournir — a posteriori ou pas — un signe divin à l’entreprise de Guillaume le Conquérant. Néanmoins, d’après les témoignages de l’époque, il semble plus vraisemblable que la tapisserie de Bayeux fait référence à la comète de Halley9.

      On en trouve également mention en Chine, au Japon, en Égypte, en Irak ou en Amérique du Nord, sur une pierre gravée par les Amérindiens Hohokams et découverte en 2006 dans le parc régional de White Tank Mountain (en) en Arizona

  • Todestag von John Maynard Keynes - Die Ära des Keynesianismus erleb...
    https://diasp.eu/p/12785969

    75. Todestag von John Maynard Keynes - Die Ära des Keynesianismus erlebte er nicht mehr

    John Maynard Keynes war der einflussreichste Wirtschaftswissenschaftler des 20. Jahrhunderts und zugleich ein Außenseiter in seiner Zunft. Mit undogmatischem Blick revolutionierte er in den 1930er-Jahren das ökonomische Denken. 75. Todestag von John Maynard Keynes - Die Ära des Keynesianismus erlebte er nicht mehr

  • Doku „The Dissident“ zum Fall Kashoggi - Journalistenmord als Macht...
    https://diasp.eu/p/12760038

    Doku „The Dissident“ zum Fall Kashoggi - Journalistenmord als Machtdemonstration

    Die Dokumentation „The Dissident“ rollt die Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Kashoggi auf. Der Film zeigt, wie die Machthaber in Saudi-Arabien die Pressefreiheit unterdrücken – und auch versuchen, die öffentliche Meinung im Ausland zu beei… Doku „The Dissident“ zum Fall Kashoggi - Journalistenmord als Machtdemonstration

    • Frankreichs Islam-Debatte - Die Laizität muss bleiben, die Liberalität muss gehen

      Im Angesicht des islamistischen Terrors wird in Frankreich erregt darüber diskutiert, wie sich das laizistische Prinzip durchsetzen lässt. Zur Debatten stehen neue Verbote von Kopftuch und Schleier, zudem wird die Linke schuldig gesprochen, weil sie zu vieles toleriert habe.

      Eine Podcast-Serie der katholischen Tageszeitung La Croix befasst sich mit dem „Platz der Religionen“. Darin kommt auch Marlène Schiappa zu Wort, rechte Hand des Innenministers und zuständig für das Thema „Staatsbürgerschaft“. Im – vor den jüngsten Attentaten aufgezeichneten – Interview äußert sich Schiappa zur „laicité“.

      „Ich bin seit langem davon überzeugt, dass die Laizität nichts ist, das spaltet oder trennt. Ich denke, sie ist genau das Gegenteil: Die Laizität ist der Zement der Staatsbürgerschaft. Das Laizitäts-Prinzip soll zusammenzuführen.“

      Schreckbild Kommunitarismus

      Ein hehrer Wunsch – vor allem angesichts der aktuellen Lage im Land: Die Frage, wie die Laizität durchgesetzt werden kann, sorgt für endlosen Streit. Befeuert wird der auch von Regierungsmitgliedern.

      Dass die strikte Neutralität des Staats gegenüber den Religionen eine Säule der Laicité ist, scheint der Pariser Innenminister, dem auch der Kultusbereich untersteht, übersehen zu haben. Gérald Darmanin erklärte, kurz nach der Ermordung des Geschichtslehrers Samuel Paty, im TV-Infokanal BFM die Stände mit Halal-Produkten zum Problem:

      „Es hat mich schon immer schockiert, zu sehen, dass in großen Supermärkten ein Regal mit kulinarischen Spezialitäten einer community steht und daneben die einer anderen. Ich meine: So fängt es doch an mit dem Kommunitarismus.“

      Kommunitarismus meint hier den Rückzug aus der Gesellschaft in die Gemeinschaft der Gleichgesinnten – ein Schreckbild. François Fillon, glückloser konservativer Kandidat im Präsidentschaftswahlkampf 2017, fordert ein Schleier – und Kopftuch-Verbot im öffentlichen Raum. Die Ganzkörperverschleierung ist seit 2010 untersagt. Und schon seit 2004 dürfen Kinder und Jugendliche auf dem Schulgelände nicht mehr sichtbar Merkmale religiöser Zugehörigkeit tragen.
      Streit um religiöse Symbole

      Fillon ist nun für eine Ausweitung der Verbotszone. So sollen – und das wünscht auch Bildungsminister Blanquer seit langem – verschleierte Mütter nicht mehr als ehrenamtliche Helferinnen an Schulausflügen teilnehmen dürfen. Auch in öffentlichen Einrichtungen mit Publikumsverkehr und an den Universitäten will Fillon keine religiösen Symbole mehr sehen. Ähnliches fordert auch François Baroin, der als potenzieller Kandidat der Konservativen bei der nächsten Präsidentschaftswahl gilt. Marine Le Pen, Chefin des rechtsextremen Rassemblement National, geht bei einer Pressekonferenz nach dem Paty-Attentat noch weiter.

      „Die Laizität, Grundpfeiler des zivilen Friedens, muss eingesetzt werden, um den öffentlichen Raum von der maßlosen religiösen Aneignung zu befreien, die ihren Ausdruck unter anderem in Kopftuch und Schleier findet, um nicht-akzeptablen Forderungen vorzubeugen, um kommunitaristischen Auswüchsen etwas entgegenzusetzen.“

      Und zum öffentlichen Raum zählt für Le Pen auch die Straße. Zudem fordert die rechtsextreme Politikerin Sondergesetze, für den „Krieg gegen den Islamismus“.

      Kampfbegriff „Islamo-Gauchisme“

      Für anhaltenden Wirbel allerdings sorgt Bildungsminister Jean-Michel Blanquer mit einem Interview im Privatradio Europe 1.

      „Unsere Gesellschaft war viel zu durchlässig für gewisse Geisteshaltungen.“

      Auf Bitte der Moderatorin wird Blanquer konkret.

      „Es geht um das, was man im allgemeinen ‚Islamo-Gauchisme‘ nennt. Der sorgt für verheerende Schäden, an den Hochschulen, beim Studierenden-Verband UNEF. Bei der linksextremen Partei La France insoumise, wo einige hervorkehren, dass sie diesen Geistes Kind sind.“

      Blanquer kritisiert die UNEF, den größten Studierenden-Verband, weil dessen Vize-Präsidentin kürzlich zu einer Anhörung im Parlament mit Kopftuch erschienen war. Jean-Luc Melenchon und den Seinen von La France insoumise unterstellt er, sie würden islamistische Umtriebe negieren. Und Dozenten und Forschern kreidet der Bildungsminister deren Arbeiten zum Thema Entkolonialisierung an. Per Communique widersprach die Hochschulrektoren-Konferenz aufs Energischste, vom „Islamo-Gauchisme“ unterlaufen zu sein. Letzten Samstag druckte die Tageszeitung Le Monde allerdings einen Text von 100 prominenten Akademikern – pro Blanquer.

      „Der Begriff ‚Islamo-Gauchisme‘ hat eine eigene Geschichte und stand anfangs für gewisse Realitäten.“

      Jean-Yves Pranchère ist Professor für Politik-Theorie an der Freien Universität Brüssel und beschäftigt sich seit langem mit dem Begriff „Islamo-Gauchisme“. Ein Wort mit eher verwirrender Aussage. „Gauchisme“ bedeutet Linksextremismus. Doch ob „Islamo“ für Islam steht oder für Islamismus, bleibt unklar.

      Öffentlich eingebracht wurde die Wortschöpfung 2002, von Politologe Pierre-André Taguieff. Der linke Denker meinte damit, dass Islamisten auch als Befreier gesehen werden könnten. Jean-Yves Pranchère:

      „Es gibt linke Splittergruppen, die anti-kapitalistisch, anti-imperialistisch, anti-israelisch sind und die einräumen, dass der Islamismus nicht immer der Hauptfeind ist, sondern dass man auch teils Seite an Seite gegen diktatorische Staaten kämpfen kann, gegen imperialistische Relais, die damals immer amerikanisch waren.“

      Sehr bald wurde das Wort zum Kampfbegriff in rechtsextremen Kreisen. Als „Islamo-Gauchiste“ gilt heute jedermann, dem eine zu laxe Haltung zu Menschenrechtsverletzungen in Namen des Islam vorgeworfen wird. Damit wird auch ein Laizitäts-Konzept kritisiert, das angeblich zu nachsichtig mit dem Kommunitarismus sei, weil kulturelle Eigenheiten geduldet werden. Jeder Bürgermeister, der in der Schulkantine neben Schweinebraten alternativ ein Halal-Menü anbieten lässt, macht sich aus Sicht der Rechten des „Islamo-Gauchisme“ verdächtig. Dass nun, nach den Attentaten im Oktober, auch Bildungsminister Blanquer sich, wie viele andere ebenso, des Begriffs bedient, sei, meint Politologe Pranchère, einfach zu erklären.

      „Im aktuellen Kontext wird der Begriff ganz klar als Ablenkungsmanöver eingesetzt, als Mittel, um nicht davon zu sprechen, was politisch, sozial, im Erziehungswesen, strukturell schief läuft, wie beim grauenhaften Attentat auf den Geschichtslehrer offensichtlich wurde. Der Begriff dient dazu, Sündenböcke zu bestimmen, er ist derzeit in inflationärer Weise im Umlauf.“

      Ideologisch statt liberal

      Philippe Portier, renommierter Religions-Soziologe und Laizitäts-Experte, sieht die derzeitige Stimmung im Land mit Sorge. Er fürchtet, dass die Liberalität einem ideologischen Laizismus weichen muss.

      „Die Laizitäts-Debatten sind viel schärfer, aggressiver als früher. Heute sind die Anhänger einer strikten Auslegung der Laizität sehr zahlreich und haben es geschafft, ihren Einflussbereich auszuweiten. Es ist sehr schwierig geworden, noch Anhänger eines liberalen Kurses zu finden. Ganz so, als sei ein Damm gebrochen.“

      La Gauche, Frankreichs linkes Parteienspektrum, seit Jahren heillos zersplittert, steht dieser Tage öffentlich am Pranger: Um Frankreichs Muslime nicht zu stigmatisieren, hätte sie Kommunitarismus bis hin zu islamistischen Umtrieben freien Lauf gelassen. Auch wenn der pauschale Vorwurf zu hart ist – die Linke schwankt nun zwischen Selbstzerfleischung und Umdenken. Portier:

      „Die Linke wollte immer den Muslimen nahestehen. Heute aber verlangt die öffentliche Meinung, dass die Linken den Muslimen nicht mehr nahe seien. Das erklärt, warum es für sie heute so schwierig ist, einen neuen Diskurs zu entwickeln. Finden tut sie den, indem sie massiv auf eine restriktive Laizitäts-Linie umschwenkt.“

      Und damit in gewissem Sinne ihr politisches Erbgut verrät: Das Gesetz, mit dem 1905 die strikte Trennung von Staat und Kirche eingeführt wurde, war ein Werk der Linken. Sie setzten auf den Geist des Konsenses – und nicht auf Unnachgiebigkeit. Hinzu kommt heute: Die große Mehrheit der einheimischen Muslime wählt links.

      Experte Philippe Portier spricht noch einmal die verschiedenen Laizitäts-Ansätze an.

      „Da geht es um sehr unterschiedliche Sichtweisen der Demokratie. Auf der einen Seite eine Demokratie, die Pluralität in all ihren Ausdrucksformen akzeptiert. Und auf der anderen Seite eine Demokratie, die im Rahmen einer gemeinsamen Verstandesnorm wesentlich mehr darauf besteht, Verhalten uniform zu gestalten.“

      Frankreich stehe derzeit an einem Wendepunkt, meint Portier. Am 9. Dezember, exakt 115 Jahre nachdem die strikte Trennung von Staat und Kirche eingeführt wurde, soll im Pariser Ministerrat ein Gesetzesprojekt zum Kampf gegen den islamistischen Separatismus präsentiert werden. Dessen Arbeitstitel: „Gesetzesprojekt zur Verstärkung der Laizität und der republikanischen Prinzipien.“

      „Ich hoffe sehr, dass Staatspräsident Macron den restriktiven Elan auszubremsen vermag. Dass er nichts entscheidet, solange die Emotionen so hoch gehen. Aber ich muss eines festhalten: Die Lage ist derzeit überaus heikel für die Verfechter eines liberalen Laizitäts-Modells.“

      https://www.deutschlandfunk.de/frankreichs-islam-debatte-die-laizitaet-muss-bleiben-die.886.de.html

    • Frédérique Vidal

      Frankreichs Ministerin für Hochschule und Forschung stürzt sich in ideologische Grabenkämpfe.

      „Islamo-Gauchisme“, Islamo-Linke - wer diesen Begriff verwendet, kann sich sicher sein, in Frankreich viel Aufmerksamkeit zu bekommen. Und so geht es nun auch der Ministerin für Hochschule und Forschung, Frédérique Vidal. Vergangene Woche sprach sie zunächst in einem Fernsehinterview davon, dass der „Islamo-Gauchisme“ die „Gesellschaft vergifte“ und damit auch die Universitäten. Vor der Nationalversammlung legte die Ministerin dann nach: Sie forderte eine Untersuchung, um zu klären, inwieweit der „Islamo-Gauchisme“ dazu führe, dass bestimmte Recherchen verhindert würden. Zudem solle untersucht werden, wo an den Universitäten „Meinungen und Aktivismus“ statt Wissenschaft gepflegt würden. Sie nannte auch direkt ein Forschungsfeld, dass ihr besonders untersuchungswürdig erschien - postkoloniale Studien.

      Mit ihrem Vorschlag hat Vidal nun große Teile derjenigen gegen sich aufgebracht, die sie als Hochschulministerin vertritt. 600 Forscher und Professoren, darunter auch der Ökonom Thomas Piketty, veröffentlichten am Freitag einen offenen Brief, in dem sie Vidals Rücktritt fordern. Vidal handele so wie „das Ungarn Orbáns, das Brasilien Bolsonaros oder das Polen Dudas“, also wie eine nationalistische Populistin. Sie greife diejenigen Institute an, in denen zu rassistischer Diskriminierung, zu Gender und zu den Folgen des Kolonialismus geforscht werde. Kritik an Vidal kam dabei nicht nur von Linken. Auch die französische Hochschulrektorenkonferenz sagte, sie sei „verblüfft“ über Vidals Idee. Das nationale Forschungsinstitut CNRS stellte klar, dass „Islamo-Gauchisme“ kein wissenschaftlicher Begriff sei und warnte davor, die Freiheit der Wissenschaft einzuschränken.

      Tatsächlich distanziert sich auch der Schöpfer des Begriffes, der Soziologe Pierre-André Taguieff, von seiner eigenen Wortfindung. Er habe 2002 mit „Islamo-Gauchisme“ eine Allianz zwischen einigen Linksextremen und muslimischen Fundamentalisten beschreiben wollen, durch die ein neuer Antisemitismus entstand. Seitdem hat sich das Wort zum Lieblingskampfbegriff der Rechten entwickelt, die Linken vorwirft, sich nur für die Diskriminierung von Muslimen zu interessieren, nicht jedoch für islamistischen Terror.

      Sonderlich präzise ist der Begriff des „Islamo-Gauchisme“ dabei nicht. Allein schon, weil er keine klare Grenze zwischen Muslimen und Islamisten zieht. In die Rhetorik der Regierung hat er dennoch Einzug gehalten. Vor Vidal verwendeten ihn bereits der Bildungs- und auch der Innenminister. Gerade Innenminister Gérald Darmanin gibt in Emmanuel Macrons Regierung die rechtskonservative Gallionsfigur. Die Angst vorm links-islamistischen Schulterschluss treibt vor allen Dingen konservative und rechte Wähler um. Laut einer aktuellen Ifop-Umfrage halten mehr als 70 Prozent der Le-Pen-Sympathisanten den „Islamo-Gauchisme“ für eine in Frankreich weit verbreitete Denkrichtung.

      Vidal reagiert auf die Kritik an ihren Äußerungen gelassen. In Interviews am Sonntag und Montag betonte sie jeweils zum einen, dass die „aktuelle Polemik“ den Blick auf die wirklichen Probleme, also auf die Not der Studenten in Corona-Zeiten, versperre. Zum anderen hielt sie daran fest, dass eine „Bestandsaufnahme“ zu linkem Aktivismus an den Universitäten nötig sei. Die 56-Jährige sieht sich dabei als Wissenschaftlerin, die „Rationalität zurückbringt“. Bevor Macron sie 2017 zur Wissenschaftsministerin machte, war die Biochemikerin Vidal Präsidentin der Universität von Nizza.

      Auch jenseits ideologischer Kämpfe stecken Frankreichs Universitäten in der Sinnkrise. Das Geburtsland des Impfpioniers Louis Pasteur hat bislang keinen Corona-Impfstoff entwickeln können. Wissenschaftler machen dafür auch die schlechte finanzielle Ausstattung der Labore verantwortlich. Diese Arbeitsbedingungen kennt Vidal gut. Vor ihrer Doktorarbeit forschte sie am Institut Pasteur.

      https://www.sueddeutsche.de/meinung/frankreich-islamismus-hochschulen-1.5214459

    • Debatte über „Islamo-Gauchismo“ in Frankreich: Der Feind steht in der Uni

      Frankreichs Hochschulministerin Frédérique Vidal wittert eine „giftige“ Allianz von Linken, Akademikern und Islamisten. La Grande Nation ist empört.

      Ein Gespenst geht um in Frankreich, in den derzeit wegen der Coronapandemie so stillen Korridoren der Universitäten. „Islamo-Gauchisme“ ist sein Name. Mit diesem zum Slogan verkürzten Wortpaar ist eine ­Allianz zwischen Islam, Islamisten und den „Gauchistes“ gemeint, als die in ­Frankreich Linksextremisten bezeichnet werden. Die französische Hochschulministerin Frédérique ­Vidal hatte vor der Gefahr einer solchen unheiligen Union gewarnt und hatte Linke und Wis­sen­schaft­le­r:in­nen als „nützliche Idioten der Dschihadisten“ bezeichnet und damit eine Riesendebatte ausgelöst.

      Begonnen hatte alles mit einem Auftritt von Vidal Mitte Februar in einer TV-Talkshow. Diskutiert wurde, inwiefern religiöse Eiferer die Laizität bedrohen. Der Gesprächsleiter Jean-Pierre Elkabbach (83) äußerte am Ende der Plauderei den Verdacht, in den Unis gebe es so etwas wie „eine Allianz zwischen Mao Tse-tung und dem Ajatollah Khomeini“. „Sie haben völlig recht“, meinte die Ministerin, die ankündigte, sie wünsche eine „Untersuchung“ über den „verheerenden“ Einfluss des „Islamo-Gauchisme“ in der Forschung und in den Universitäten. Das Nationale Forschungszentrum (CNRS) müsse „die Gesamtheit der Forschungsarbeiten überprüfen, damit man unterscheiden kann, was akademische Forschung ist und was in den Bereich des Aktivismus und der Gesinnung gehört“.

      Vidal, die vor ihrer überraschenden Berufung in die Regierung Biochemieprofessorin und Präsidentin der Universität Nizza Sophia-Antipolis war, begründete ihre Überprüfungsforderung so: „Gewisse Akademiker – sicherlich eine Minderheit – benutzen ihren Titel und ihre Aura, um radikale und militante Ideen des Islamo-Gauchisme zu fördern, indem sie alles so betrachten, wie es ihrem Wunsch entspricht: um zu spalten, zu fragmentieren und zur Benennung von Feinden.“

      Die Reaktionen auf ihre Tirade ließen nicht lange auf sich warten. Zuerst kamen sie von den attackierten Linken: Jean-Luc Mélenchon von der Bewegung La France insoumise (Unbeugsames Frankreich) sprach von einer „Gesinnungspolizei“ und einer Bedrohung der Meinungs- und Forschungsfreiheit an den Universitäten. Ungewöhnlich scharf im Tonfall war auch die Absage der Konferenz der Hochschulvorsitzenden. In ihrem Kommuniqué warf sie der Ministerin vor, mit ihrer Polemik für große Konfusion zu sorgen. „Islamo-Gauchisme ist kein Konzept, sondern ein Pseudobegriff, für den man vergeblich auch nur den Ansatz einer wissenschaftlichen Definition sucht.“ Die Ministerin verwende „populäre Schlagworte der extremen Rechten“, deren hinlänglich bekannte Absicht es sei, die intellektuelle Elite und die Universitäten zu diskreditieren. Politische Interessen der Regierung könnten eine solche Wortwahl nicht rechtfertigen: „Die politische Debatte ist gewiss keine wissenschaftliche Debatte. Das heißt aber nicht, dass man deswegen gleich Unsinn erzählt.“

      Die Debatte aber lief heißer und heißer. Vidal selber gab zu bedenken, an der Universität Paris (Sorbonne) sei eine „Black-Face“-Aufführung des Stücks „Die Schutzflehenden“ von Aischylos von Protestierenden verhindert worden. Abgeordnete der konservativen Partei Les Républicains verlangten in der Nationalversammlung einen Untersuchungsausschuss „zur Kulturverhinderung“ durch „Islamo-Gauchistes“. Konservative Tageszeitungen wie Le Figaro oder offen reaktionäre Blätter wie Valeurs actuelles schlugen sich auf die Seite von Vidal und erinnerten an die trotzkistische Nouveau Parti anticapitaliste (NPA), die 2010 bei Regionalwahlen eine Kandidatin mit Schleier auf ihrer Liste hatte oder an Linke, die an einer Kundgebung gegen die „Islamophobie“ teilgenommen hätten.

      Aber auch linke, feministische Publizistinnen wie die Chefredakteurin des Magazins Marianne, Natacha Polony, oder Caroline Fourest kritisierten Vidal zwar dafür, die Universität politisch kontrollieren zu wollen, gaben ihr aber in der inhaltlichen Bewertung des Phänomens recht. „Islamo-Gauchisme ist eine Realität, für die wir einen anderen Begriff finden können. Aber er bleibt eine Realität“, sagte auch Philippe Val, ehemaliger Redakteur von Charlie Hebdo. Auch in der linksliberalen Tageszeitung Libération warnte ein Kollektiv von Aka­de­mi­ke­r:in­nen, dass gewisse sozialwissenschaftliche Forschungen zu Rassen- und Genderfragen eine Tendenz hätten, dogmatisch zu werden und keine Widerrede zuzulassen. Dem zu begegnen, sei aber Sache der universitären Gemeinschaft selber – und nicht der Ministerin.

      Präsident Emmanuel Ma­cron hatte schon vor längerer Zeit die Befürchtung geäußert, dass in der Folge der „Black Lives Matter“-Demonstrationen und der Proteste gegen rassistische Polizeigewalt in Frankreich postkoloniale oder dekoloniale Studien samt der sogenannten „Cancel Culture“ aus den USA „importiert“ würden.

      In einer Grundsatzrede zum politischen Islamismus in Les Mureaux bei Paris warnte Macron, es gebe heute Kinder und Enkelkinder aus der Immigration, die ihre Identität im Licht postkolonialer und dekolonialer ­Theorien begreifen wollten. „Sie sind damit Opfer einer methodisch gelegten Falle seitens gewisser Leute, die mit solchen Theorien den Hass auf die ­Republik und sich selbst, aber damit auch den Separatismus nähren.“

      Gegen diesen „Separatismus“ hatte die Regierung erst kürzlich eine Gesetzesvorlage ins Parlament eingebracht.

      Chloé Morin von der Jean-Jaurès-Stiftung vermutet, dass Macron und seine Regierung damit der von Umfragen bestätigten Verschiebung ihrer Wählerbasis nach rechts Rechnung tragen wollen. „Nichts ist effizienter, um den Gegner zu diskreditieren als das Schreckgespenst des „Islamo-Gauchisme“, erklärte die Politologin der Zeitung New York Times, die sich ansonsten wie andere nichtfranzösische Medien über die Heftigkeit der französischen Debatte nur wundern konnte.

      Der von Beginn an anklagend gemeinte Begriff „Islamo-Gauchisme“ stammt von dem Soziologen Pierre-André Taguieff, der ihn vor 20 Jahren zum ersten Mal benutzte. Er sah sich während der von der Ministerin ausgelösten Debatte genötigt, sich von der heutigen Verwendung des Begriffs zu distanzieren. Er habe damals einen Teil der antiimperialistischen und antirassistischen Bewegung ansprechen wollen, in der sich neben weiten Teilen der Linken auch politisch aktive Muslime und radikale Islamisten in ihrer antizionistischen Kritik an Israel in vielen Punkten einig waren. Aus solchen punktuellen Begegnungen eine große Bewegung zu konstruieren, ist nach Ansicht des Soziologen Samuel Hayat ein typisches Beispiel für ein „Amalgam“.

      „Gerade weil der Begriff ständig an Präzision einbüßt, gewinnt er an Effizienz. Seine Wirksamkeit beruht auf der Zweideutigkeit. Das erlaubt es reaktionären Kreisen, Islamspezialisten, Ras­sis­mus­for­sche­r:innen und engagierte Intellektuelle mit aktivistischen Vereinigungen, die gegen Islamophobie kämpfen, in einen Topf zu werfen und eine vermeintliche Nähe zu dschihadistischen Gruppen und den mörderischen Attentaten zu suggerieren, wie jenem von Oktober 2020, als ein tschetschenischer Terrorist den Lehrer Samuel Paty ermordete.“

      „Das ist alles andere als harmlos“, meint Hayat. Etwas Ähnliches habe es in der Geschichte schon mit dem Schimpfwort „jüdisch-bolschewistisch“ gegeben. Dieser im zaristischen Russland verwendete Kampfbegriff habe es in den 1920er und 1930er Jahren ermöglicht, Antisemiten und Antikommunisten mit einem gemeinsamen Feindbild zu vereinen.

      Die ganze Debatte jedenfalls lief so aus dem Ruder, dass sich inzwischen mehrere Minister öffentlich von ihrer Kollegin Vidal distanzierten. Diese bedauerte schließlich, die Kontroverse ausgelöst zu haben. Ihre Äußerung nahm sie aber nicht zurück.

      https://taz.de/Debatte-ueber-Islamo-Gauchismo-in-Frankreich/!5752291

    • Frankreich: Kampf gegen Linke und Muslime | Die Freiheitsliebe

      Unter dem Namen „Islamo-Gauchisme“ hat die französische Rechte ein neues Kampffeld gefunden, welches zwei Feindbilder von ihnen vereint: Muslime und Linke. Die Debatte um einen vermeintlichen „Islamo-Gauchisme“ steht im Zusammenhang mit einem neuen Gesetz gegen Separatismus, welches vor allem gegen Muslime gerichtet ist.

      Die französische Regierung hat im Parlament das „Gesetze zur Stärkung des Respekts vor den Prinzipien der Republik“ durchgesetzt. Widerstand dagegen kam sowohl von Linken wie auch von Rechts. Während die faschistische Partei Rassemblement National kritisiert, dass der Gefahr des Islamismus nicht entschieden genug begegnet wird, kritisieren sowohl die kommunistische Partei als auch noch deutlicher La France insoumise, dass das Gesetz alle Muslime stigmatisiert, wie der Vorsitzende von La France insoumise, Jean-Luc Mélenchon erklärt.

      Bezeichnend ist in diesem Kontext, dass der französische Innenminister Darmanin selbst dem Rassemblement National „Weichheit“ vorwarf, weil dieser sagte, dass der Islam vereinbar sei mit dem französischen Staat. Dies zeigt sehr deutlich, welches Ziel das Gesetz hat: nämlich den Islam als antifranzösisch zu brandmarken.

      Islamo-Gauchisme

      Kurz nach der Verabschiedung des Gesetzes im Parlament äußerte die auf dem rechten Flügel der französischen Regierung stehende Wissenschaftsministerin Frédérique Vidal, dass „Links-Islamisten die französischen Universitäten vergiften“ würden. Sie forderte eine „Untersuchung“ über den „verheerenden“ Einfluss des „Islamo-Gauchisme“ und erklärte: „Gewisse Akademiker – sicherlich eine Minderheit – benutzen ihren Titel und ihre Aura, um radikale und militante Ideen des Islamo-Gauchisme zu fördern, indem sie alles so betrachten, wie es ihrem Wunsch entspricht: um zu spalten, zu fragmentieren und zur Benennung von Feinden.“ Darüber hinaus kritisierte sie auch den Einfluss von postkolonialen Wissenschaftlern, die ebenfalls die freie Meinung gefährden würden.

      Ihre Äußerungen sorgten berechtigterweise für Empörung, da sie die freie Wissenschaft gefährden würden, wenn von staatlicher Seite überprüft würde, welche Wissenschaft genehm ist. Dies führte zu scharfer Kritik aus den Universitäten. Unter anderem warnt der Präsident der Sorbonne, Jean Chambaz, dass Frankreich mit solchen Maßnahmen in eine Reihe mit Ungarn, Polen und Brasilien zu geraten drohe. Ähnlich vernichtend war eine Erklärung der Konferenz der Hochschulvorsitzenden: „Islamo-Gauchisme ist kein Konzept, sondern ein Pseudobegriff, für den man vergeblich auch nur den Ansatz einer wissenschaftlichen Definition sucht.“

      Auch von der politischen Linken wurde die Debatte als Angriff auf die Meinungs- und Forschungsfreiheit gewertet, wie auch als Mittel der Diffamierung von Linken und Muslimen.

      Linke Solidarität mit Muslimen ist notwendig

      Die Ablehnung des Gesetzes wie auch der Vorwürfe der Ministerin durch die französische Linke ist vollkommen richtig, wie auch der Einsatz von La France insoumise, die an verschiedenen Protesten gegen Islamfeindlichkeit und antimuslimischen Rassismus teilnahm. Im Jahr 2019 führte der antimuslimische Rassismus in Frankreich zu 798 gemeldeten Straftaten, die von Beleidigungen über Bedrohungen bis zu tätlichen Angriffen reichten. Die französische wie auch die deutsche Linke haben die Aufgabe, gemeinsam an der Seite der von Rassismus Betroffenen zu stehen, sowohl bei Angriffen von rechts wie auch bei Versuchen der Kriminalisierung durch die Regierungen. Unsere Aufgabe ist es, gemeinsam gegen antimuslimischen Rassismus vorzugehen und der zunehmenden Stimmungsmache gegen Minderheiten entschieden entgegenzutreten.

      Denn die wirkliche Gefahr für die Demokratie geht in Frankreich wie auch in Deutschland von Rechts aus, nicht von der religiösen Minderheit der Muslime.

      https://diefreiheitsliebe.de/politik/frankreich-kampf-gegen-linke-und-muslime

    • „Islamo-gauchisme“ ist auch ein deutsches Problem [sic]

      Die Satirezeitschrift Charlie Hebdo feierte diesen Montag ihren 50. Geburtstag, doch es darf bezweifelt werden, daß dem Redaktionsteam derzeit nach Feiern zu Laune ist. Vor einigen Wochen erst wurde der französische Lehrer Samuel Paty für das Zeigen der Mohammed-Karikaturen von Charlie Hebdo enthauptet. Doch ein übergreifender Aufschrei, gar eine Revolution, ist ausgeblieben und mehr als ein weiteres #Jesuis… und leeren Worthülsen ist nicht dabei rumgekommen.

      Ganz im Gegenteil! Samuel Paty ist nicht nur ein Opfer eines islamistischen Anschlags geworden, sondern war im Vorfeld schon dem vorauseilenden Gehorsam seiner Kollegen ausgesetzt, die, anstatt mit ihm zusammen die Werte der Republik zu verteidigen, Paty dafür intern anprangerten, daß er mit seinem Handeln bewußt nur Schaden anrichtete.

      Eben mit dieser falsch verstandenen Solidarität, die vor allem aus dem linken Teil der Gesellschaft kommt und in Frankreich als „Islamo-gauchisme“ bezeichnet wird, spielt man den Islamisten in die Hände. Niemandem ist damit geholfen, wenn Probleme nicht als solche benannt werden und eine Täter-Opfer Umkehr stattfindet, welche die Schuld nie bei den Moslems selbst sucht, sondern diese von jeglicher Schuld freispricht.
      Deutschland, das Zentrum des Islamismus in Europa

      Leider muß man bezweifeln, daß die Gefahr einer solch laschen Herangehensweise im Umgang mit dem Islam hierzulande vollständig erkannt worden ist und sich das Problem alleine auf Frankreich beschränkt. Wer weiterhin von der Idee eines „Euro-Islam“ oder „deutschen Islam“ fabuliert, und nicht sieht, daß die vom Innenminister Horst Seehofer (CSU) geleitete Islamkonferenz spätestens seit dem Austritt des Publizisten Hamed Abdel-Samad nichts weiter als eine staatlich subventionierte Schmierenkomödie ist, um die Öffentlichkeit zu beschwichtigen, tut nicht nur den integrierten Moslems Unrecht, sondern erweist den Radikalen einen Dienst.

      Umso überraschender ist es, daß ausgerechnet aus Seehofers Schwesterpartei, der CDU, die baden-württembergische Politikerin Birgül Akpina fordert, daß der deutsche Staat sein Appeasement gegenüber den Islamverbänden beendet und sie entmachtet. Akpinas Worte dürften den vielen „Islamo-gauchisten“ nicht gefallen, doch sie spricht aus, was viele nicht wahrhaben wollen oder sich nicht trauen, klar beim Namen zu nennen.

      Nämlich daß Deutschland sich immer mehr zum Zentrum des Islamismus in Europa wandelt, wenn es das nicht schon längst ist. Der Einfluß der Ditib, die direkt aus Ankara gesteuert wird, reicht bis in die Schulen und Kindergärten hinein und verweigert die Anerkennung von in Deutschland mit deutschen Steuergeldern finanzierten ausgebildeten Imamen.
      Falsche Toleranz kann in die „Unterwerfung“ führen

      Wem das noch immer nicht Beweis genug ist, der braucht seinen Blick nur an die Außenalster nach Hamburg zu richten, wo in bester Lage das Islamische Zentrum Hamburg (IZH), auch „blaue Moschee“ genannt, residiert und als Vorposten des iranischen Mullah-Regimes gilt. Es steht im Verdacht, in der Vergangenheit die jährlich zum Ende des Ramadans stattfindende „Al-Quds“ Demonstration mit zu organisieren, auf denen offen Antisemitismus zur Schau gestellt und „Tod Israel“ skandiert werden. Sowohl die Ditib als auch das IZH – letzteres ist sogar Mitglied im Hamburger Staatsvertrag – führen den deutschen Staat seit Jahren am Nasenring durch die Manege. Wohin ein solcher, von falscher Toleranz geleiteter „Islamo-gauchisme“ führen kann, ist in Michel Houellebecqs Roman „Unterwerfung“ geschildert.

      Um Marine Le Pen vom rechtspopulistischen Rassemblement National zu verhindern, wird eine islamische Partei zur Macht verholfen. Erst einmal dort angelangt, beweist diese Partei, daß es eine Trennung von Staat und Religion im Islam nicht gibt und ersetzt die französische Verfassung peu à peu durch die Scharia. Die zunächst noch aufgeklärten Franzosen lassen das alles widerstandslos mit sich ergehen. Damit das düstere Zukunftsszenario Houellebecqs nicht zum bitteren Alltag in Europa wird, müssen die „Islamo-gauchisten“ endlich ihre Augen aufmachen.

      https://jungefreiheit.de/debatte/kommentar/2020/islamo-gauchisme

      –-> The German right-wing weekly newspaper #Junge_Freiheit claims islamo-leftism also as a German problem

    • Flirt mit dem Fundamentalismus

      Ihre Rolle als Opfer islamistischen Terrors scheint Redakteuren und Zeichnern von Charlie Hebdo auch ein wenig über den Kopf gewachsen zu sein. Ihr mutiger und hartnäckiger Einsatz für Meinungsfreiheit kommt in der Öffentlichkeit oft nur noch als Routine, nicht mehr als wirklich erfrischende Botschaft an. Es scheint nicht gelungen zu sein, aus dem Schock ein weiter tragendes Anliegen zu machen.

      Das ist ganz anders, wenn ein Schullehrer nach einer Unterrichtsstunde zu eben jenen Karikaturen von einem 18-Jährigen getötet und enthauptet wird wie vorletzte Woche in der Pariser Vorstadt Conflans. Die Schule, seit der Dritten Republik ein Grundpfeiler politischer Gemeinschaftskultur in Frankreich, hat einen gewaltigen Resonanzraum, durch den allerdings auch obskure Begriffsfloskeln schwirren. Eine davon ist die des „Islamo-gauchisme“, gemeint ist eine angebliche Komplizenschaft mancher Linker mit dem islamistischen Fundamentalismus.

      Seit der Bildungsminister Jean-Michel Blanquer in einem Rundfunkinterview in der vergangenen Woche erklärte, die „Islam-Gauchisten“ richteten an französischen Universitäten Verheerungen an, ist das Wort in aller Munde. Der Minister hatte ein paar Dozenten und eine Studentengewerkschaft im Visier, die mit einem einseitigen Opferbegriff sehr unterschiedlich auf Gewaltakte reagieren, je nachdem, ob sie von Rechtsradikalen oder von Islamisten kommen. Mit dem seit 20 Jahren durch die Diskussion geisternden Ausdruck „Islamo-gauchisme“ ist diese Situation allerdings schlecht umrissen.

      Der Soziologe Pierre-André Taguieff hatte ihn 2002 in seinem Buch „La nouvelle judéophobie“, über einen neuen Judenhass von links, in die Runde geworfen. Im Namen der Toleranz und der Verteidigung von Minderheiten seien manche linke Kreise vor dem damals aktuellen Hintergrund der zweiten Intifada einen taktischen Schulterschluss mit dem politischen Islam eingegangen, argumentierte der Autor. Andere, etwa 2006 Pascal Bruckner mit seiner Polemik gegen den abendländischen „Schuldkomplex“, Alain Finkielkraut mit seiner Warnung vor einem geschichtsblinden neuen Antisemitismus oder Élisabeth Badinter mit ihrer Kritik an falsch verstandenen Toleranzvorstellungen, haben die These einer linken Verharmlosung des Islamismus aufgegriffen.

      Hauptziel ihrer Angriffe sind der ehemalige Le-Monde-Redaktionschef und heutige Direktor des Internetmediums „Mediapart“, Edwy Plenel, der Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon und die zu dessen Bewegung „La France Insoumise“ gehörende Abgeordnete Danièle Obono, die sich 2015 öffentlich der Solidaritätsbekundung „Je suis Charlie“ verweigert hatte. Bedeutet eine solche Verweigerung aber zwangsläufig Zustimmung für das andere Lager?

      Ein seltsames Echo fand das schnell zum Kampfbegriff umfunktionierte Wort vom „Islamo-gauchisme“ in dem aus der frühen Zwischenkriegszeit bekannten Ausdruck des „Judéo-bolchévisme“, der Wahnidee also, die bolschewistische Revolution sei ein jüdisch geprägtes Komplott gewesen. Zu Recht verwahrt sich Taguieff heute gegen einen solchen begrifflichen Kurzschluss. Anders als der „Judenbolschewismus“, erklärt er, unterstelle die These einer unterschwelligen Linkssympathie für die Bewegung des Islamismus keine Wesensidentität, sondern nur eine faktische Übereinstimmung der politischen Positionierung.

      Dennoch stiftet der Begriff mehr Verwirrung als Klärung. Abgesehen davon, dass er zwischen „Islam“ und „Islamismus“ keinen Unterschied macht, leuchtet er keinen der entscheidenden Aspekte wie die republikanische Religionsneutralität, die Respektierung kultureller Eigenheiten, das Recht auf kollektive Selbstdarstellung aus. Und er reiht auch Persönlichkeiten ins islamlastig-linke Spektrum ein, die sich nie dazu bekannten. Eher als einen Weg zum besseren Verständnis des Phänomens kann man in der Begriffskonstruktion „Islam-Gauchismus“ eine Art Schleimspur sehen, auf welcher Antirassismus, Toleranz, Gerechtigkeitssinn, humanistisches Engagement durch naives oder gezieltes Wegschauen in ihr Gegenteil abgleiten.

      Der deutsche Kolumnist Sascha Lobo sprach im Zusammenhang des Mordfalls jüngst in Dresden durch einen Islamisten von einem „Verniedlichungsrassismus“ und meinte damit die Bereitschaft mancher hierzulande, den Attentätern aus einer anderen Kultur oder Volkszugehörigkeit nicht die geringste Verantwortungsfähigkeit für ihre Akte zugestehen zu wollen. In Anlehnung an den Jusovorsitzenden Kevin Kühnert liest Lobo diese Haltung aus dem gequälten Schweigen mancher Linken. In Frankreich haben sie bisher nach den entsprechenden Attentaten nicht geschwiegen, sondern ihre jeweils nur bedingte Bestürzung zu erklären versucht. Noch vor einem Jahr marschierten bei einer vom „Kollektiv gegen Islamophobie in Frankreich“ veranstalteten Demonstration selbstgewisse Vertreter des linken, alternativen, grünen Lagers sowie der Linksgewerkschaft CGT unter den Protestierenden mit.

      Nach der Hinrichtung des Schullehrers in Conflans ist das anders geworden. Die Schule der Republik ist ein Kernanliegen gerade der Linken. Selbst die Ankündigung des Innenministers Gérald Darmanin, das „Kollektiv gegen Islamophobie in Frankreich“ als islamistische Kampforganisation gegen die Republik auflösen zu wollen, rief von ihrer Seite keine Protestrufe wach. Das braucht nicht als Indiz für eine endlich zur Vernunft gekommene „islamkompatible Linke“ verstanden zu werden, von der man nie genau wusste, was damit gemeint war. Als Zeichen, dass im Land sich etwas bewegt, darf man es aber nehmen.

      https://www.sueddeutsche.de/kultur/frankreich-flirt-mit-dem-fundamentalismus-1.5095162

    • Populismus und Islamismus: Sagten Sie „Islam-Linke“? [ includes doubtful and sic content]

      Führt ein falsch verstandener Antirassismus bei populistischen Linken zur Verbrüderung mit Islamisten? Es gibt deutliche Anzeichen dafür.

      Entgegen dem, was man zuletzt lesen konnte, kommt das Wort „Islam-Linke“ (frz. islamo-gauchisme) nicht von der extremen Rechten. In Frankreich wurde es von Pierre-André Taguieff geprägt, einem angesehenen Gelehrten , der sich insbesondere mit verschwörungstheoretischen und antisemitischen Bewegungen befasst.

      In seinem Verständnis bezeichnet dieser Begriff den während der zweiten Intifada geschlossenen Pakt zwischen Bewegungen der extremen Linken und solchen islamischer Fundamentalisten, als diese gemeinsam gegen die Politik Israels demonstrierten und dabei auch antisemitische Ausrufe und Sprüche in ihren Reihen duldeten.

      Dieses Bündnis machte sich zumal bei der UN-Konferenz in Durban im Jahr 2001 bemerkbar, als Aktivisten der extremen Linken und Islamisten gemeinsam revisionistische Flugblätter verteilten, auf denen Hitler nachgetrauert wurde. Das war ein Schock für andere linke Aktivisten, die gekommen waren, um jede Art von Rassismus anzuprangern.

      Denn das war das erste Mal, dass diese dubiosen Bündnisse offen in Erscheinung traten. In der islamischen Welt bestanden sie unter der Hand schon lange. Im Irak und in Ägypten kam es vor, dass progressive Bewegungen mit Fundamentalisten gemeinsame Sache machten, wenn es darum ging, ein Regime zu stürzen. Auch Khomeini wäre im Iran nicht an die Macht gekommen ohne die Hilfe der Intellektuellen und der radikalen Linken, sowohl der iranischen als auch der europäischen.

      Schockierende Bündnisse

      Noch schockierender ist es, festzustellen, dass es solche Bündnisse auch inmitten der Demokratien gibt, – und zwar gegen die Demokratie.

      So geschieht es, dass Bewegungen, die den Anspruch erheben, fortschrittlich zu sein, die Sache der Frauen oder die Redefreiheit verraten, um sich mit intoleranten Aktivisten zu verbünden, deren regressive Weltanschauung für Freiheit nichts übrig hat. Das müssen wir heute in Europa feststellen. Studenten der extremen Linken und militante Islamisten protestieren zuweilen Hand in Hand, manchmal auch gewalttäig, gegen Verfechter einer universalistischen, feministischen und säkularen Linken, denen sie Veranstaltungen an Universitäten verbieten wollen.

      Das passierte mir auch selbst vor einigen Jahren in Belgien. Etwa sechzig militante „Islam-Linke“ brachten es fertig, eine von mir einberufene Konferenz zu unterbrechen, und zwar eine über Rechtsextremismus und Rassismus…

      Sie warfen mir vor, dass ich als Feministin die „Burka“, die Verschleierung des gesamten Körpers, kritisierte. Das ist auch anderen schon passiert. In England wurde Maryam Namazie, eine säkulare iranische Aktivistin, von militanten Islamisten und Linksextremisten angegriffen. Sie warfen ihr vor, sie sei „islamophob“, weil sie den religiösen Fundamentalismus und das Regime der Mullahs kritisierte (derentwegen sie ins Exil gegangen war).

      Mit Islamisten gegen Charlie

      In Frankreich protestierten Vertreter studentischer Gewerkschaften und Islamisten gegen die (posthume) Lesung eines Textes von Charb, dem von Islamisten bei dem Anschlag vom 7. Januar 2015 ermordeten Chefredakteur von Charlie Hebdo. Dieser Text richtete sich gegen genau jene Verwirrung, die das Wort „Islamophobie“ stiftet, so es dazu benutzt wird, Säkulare zu Rassisten zu stempeln.

      Nun ist dieses Wort jedoch in eben dieser problematischen, die Freiheit bedrohenden Verwendung das Thema von gegenwärtig 120 Dissertationen an französischen Universitäten. Professoren und Forscher benutzen ihre Stellung, um diese Verwirrung zu fördern, so es etwa um die Frage der Dekolonisierung geht.

      Das Problem besteht nicht darin, dass sie diese Weltanschauung in die Universität hineintragen, sondern dass sie in den Sozialwissenschaften inzwischen eine so überwältigende Mehrheit bilden . Und, dass sie jeden anderen Zugang zu diesen Themen, der ihnen widerspricht oder auch nur stärker differenziert, unmöglich machen. Ein solches Sektierertum passt zu einer Generation, die dazu neigt, sich von allem beleidigt zu fühlen.

      Das geht mittlerweile so weit, dass der Streit um Ideen mit einem Zusammenstoß von Identitäten, das Recht auf Gotteslästerung mit Rassismus und beinahe jede Abweichung oder Schattierung mit einer „Mikroverletzung“ verwechselt wird. Was die Lehre und selbst jedes Gespräch an einer Universität immer heikler machen.

      Die Hetzkampgane gegen Paty

      Während die Aufstachelung zum Hass im Internet kaum jemals so enthemmt war wie heute, wird es immer schwieriger, schöpferisch tätig zu sein oder zu debattieren, ohne zur Ordnung gerufen, bedroht, beschimpft oder „annulliert“ zu werden. Wenn es denn nicht noch darüber hinausgeht. In Frankreich wurde Samuel Paty, der seine Schüler die Redefreiheit und das Recht auf Gotteslästerung zu lehren versuchte, von einem Dschihadisten enthauptet, infolge einer von Islamisten und „Islam-Linken“ geführten Hetzkampagne, in der man ihn der „Islamophobie“ bezichtigte.

      Danach trauten sich viele Lehrer , über die Schwierigkeiten zu sprechen, denen sie begegnen, sobald sie bestimmte Themen anschneiden.

      Daher die Besorgnis der Ministerin für Hochschulbildung Frédérique Vidal . Ihre Ungeschicklichkeit bestand darin, dass sie eine „Untersuchung“ zum Thema „Islam-Linke“ forderte, womit sie den Eindruck erweckte, die akademische Freiheit in Frage stellen zu wollen. Sie hätte besser nur einen Bericht bestellt oder eine große Diskussion über Pluralität und akademische Freiheit angeregt. Denn darum geht es im Grunde.

      Das Wort „Islam-Linke“ gibt die komplizierten Mechanismen kaum wieder, die am Werk sind, wo identitäre Vorstellungen gelehrt werden sollen, sei es in der Frage der Dekolonisierung oder selbst der der Geschlechter.

      Bisweilen verunglimpft die extreme Rechte alle, die ihren Vernebelungen widerstehen, als „Islam-Linke“. Doch das bedeutet nicht, dass es eine Islam-Linke nicht gäbe. Die ist leider eine ideologische und politische Realität.

      Das beste Mittel, die Vereinfachungen der extremen Rechten zu bekämpfen, ist nicht, sie zu leugnen, sondern im Gegenteil eine hellsichtige Linke zu verteidigen, die die Dinge genau benennt, den Verrat fortschrittlicher Ideen denunziert und einen anderen Weg einschlägt: einen egalitären und säkularen.

      https://taz.de/Populismus-und-Islamismus/!5754686

      ...this has been published by taz, green-left daily newspaper?! Written by Caroline Fourest...

    • Ein Gespenst geht um in Frankreich
      Rechter Haken abgeblockt

      Gegen Muslim:innen, Linke und freie Forschung – wenn man sich da nicht die Finger verbrenn...

      Islamo-gauchisme. Um ihren islamfeindlichen Kurs voranzutreiben, legt sich die Macron-Regierung mit dem Hochschulwesen an – und stößt auf heftigen Widerstand.

      In Frankreich geistert ein Wort durch Medien und Politik: „Islamo-gauchisme“, gerne mit „Links-Islamismus“ übersetzt, bedeutet er eigentlich „Islamo-Linksextremismus“. Er geht auf den neokonservativen Soziologen Pierre-André Taguieff zurück, der ihn Anfang der 2000er prägte, um eine angebliche Allianz aus sogenannten Islamist:innen und „Linksextremist:innen“ zu beschreiben, die eine vermeintliche Allianz eines israelbezogenen Antisemitismus eingingen.

      Spätestens seit dem Mord an dem Lehrer Samuel Paty im vergangenen Jahr ist die Wortkreation zum Lieblingsslogan von konservativen Politiker:innen, bürgerlichen Feminist:innen und radikalen Rechten geworden. Denn nach dem Mord hatte sich die seit Jahren in Frankreich angefachte Islamfeindlichkeit in Angriffen auf Muslim:innen und Moscheen entladen. Weil sie sich vor die von Rassismus betroffenen gestellt hatten, trafen dieser Hass und diese Gewalt auch linke Kräfte, vor allem die Kommunistische Partei Frankreichs. Die antirassistische Solidarität, die mäßigenden Worte und die Erklärungsversuche, die islamistische Gewalt in den Kontext von neokolonialen Kriegen, globalen Ausbeutungsverhältnissen und virulentem Rassismus einbetteten, wurden sowohl von der Regierung als auch der politischen Rechten zu einer angeblichen Verteidigung dieser Gewalt durch die Linke umgedeutet. Der Vorwurf traf neben der Kommunistischen Partei und weiteren kleineren linken und linksradikalen vor allem auch migrantische Organisationen.

      Mittlerweile greift die Kampagne auch auf die Unis über: Macrons Wissenschaftsministerin, Frédérique Vidal, behauptete kürzlich in einem Interview, der „Islamo-gauchisme“ habe die Universitäten und die Gesellschaft „vergiftet“. Sie kündigte eine Untersuchung in der staatlichen Wissenschaftsorganisation Centre national de la recherche scientifique (CNRS) und an den Universitäten an. In einer weiteren Stellungnahme hatte sie neben dem „Islamo-gauchisme“ zudem die Thematisierung von Rassismus an den Universitäten und die Auseinandersetzung mit den Post Colonial Studies als problematisch bezeichnet. Als Beispiel für die Einschränkung von Meinungsfreiheit durch „militante Linke“ verwies sie auf eine Theateraufführung an der Sorbonne Université, die wegen Black Facings von Aktivist:innen gestört und verhindert worden sei.

      Dieser Vorstoß scheint ihr jetzt auf die Füße zu fallen. Heftige Kritik kam nämlich nicht nur von der linken Partei La France insoumise, , deren Abgeordnete Bénédicte Taurine die Ankündigung als „Hexenjagd“ bezeichnete, während der Parteiführer Jean-Luc Mélenchon Vidal vorwarf, eine „Gesinnungspolizei“ einrichten zu wollen, sondern auch von der Konferenz der Hochschulvorsitzenden: „Islamo-gauchisme“ sei „kein Konzept, sondern ein Pseudobegriff“ und zähle zu den „Schlagworten der extremen Rechten“, hieß es in einer offiziellen Stellungnahme.

      Vidal hatte das betreffende Interview, in dem sie den Schritt ankündigte, passenderweise auch dem Fernsehsender CNews gegeben, der als Sprachrohr der Rechtskonservativen bis extremen Rechten gilt. Der zunehmende Widerstand sowohl von Linken als auch von Akademiker:innen hat die Regierung Macron mittlerweile dazu gezwungen, sich von Vidals Äußerungen zu distanzieren: Man erklärte die „Verbundenheit“ mit den „Prinzipien der freien Wissenschaften und der Unabhängigkeit der Forscher“. Vidal gilt als Vertreterin von der rechtsaußen Position in Macrons Kabinett. Ihr Auftritt wird von Beobachter:innen als Zugeständnis an die rechte Wählerschaft verstanden, die zu Marine Le Pens Rassemblement National tendiert.

      https://www.bszonline.de/artikel/rechter-haken-abgeblockt

  • Reform des Beförderungsgesetzes - Gelbhaar (Grüne): ″Taxi-Gewerbe muss Kopf nicht in den Sand stecken″
    https://www.deutschlandfunk.de/reform-des-befoerderungsgesetzes-gelbhaar-gruene-taxi.694.de.html?dr

    https://www.deutschlandfunk.de/media/thumbs/f/feb50a816dca35b6b11b882ab03b68d0v1_abs_555x312_b3535db83dc50e27c1bb1

    5.3.2021 Stefan Gelbhaar im Gespräch mit Christoph Heinemann - Durch die Reform des Personenbeförderungsgesetzes könnten Uber und Co nicht mehr mit Kampfpreisen operieren, sagt der Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar im Dlf. Das Taxigewerbe könne sich deshalb trotz Kritik mit der Reform arrangieren. Wichtig sei aber, dass man die Effekte „vom ersten Tag an“ genau beobachte.

    Der Verkehrssektor in Deutschland ist vielfältiger geworden. Am bekanntesten ist dabei wohl Uber, aber auch andere Anbieter probieren sich am Markt aus. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat deshalb eine Reform des Taxi- und Fahrdienstmarktes vorgeschlagen, die der Bundestag am Freitag (05.03.2021) mit den Stimmen der großen Koalition und den Grünen beschlossen hat.

    Dadurch habe man nun eine neue Kategorie der Beförderung geschaffen, sagt Stefan Gelbhaar, Sprecher für Verkehrspolitik bei den Grünen. Mit dem sogenannten Pooling-Gewerbe hätten Anbieter wie CleverShuttle, Berlkönig, Moia nun jetzt Planungssicherheit. Diese Modelle, bei denen kleinen Bussen oder Vans Gäste an mehrere Orten einsammelten, sind bisher nur mit einer Ausnahmeregelung unterwegs gewesen.

    Auch das Taxigewerbe könne sich mit dem Gesetz arrangieren. Denn Anbietern wie Uber und Co werde es schwerer gemacht, mit Kampfpreisen zu operieren. Dafür habe man auch fairen Rahmen geschaffen. ″Wir haben eine Anti-Dumping-Klausel mit aufgenommen. Das heißt, wenn vor Ort im Unterbietungswettbewerb die Branche kaputt gemacht wird, dann kann das jetzt die Kommune unterbinden″, so Gelbhaar.

    Insgesamt könnte Uber nun stärker kontrolliert werden ″und deswegen ist da diese Unwucht, die es bis jetzt gab – so ist zumindest die Hoffnung –, nicht mehr so vorhanden″, so Gelbhaar. Die Effekte des Gesetzes auf die Branche müsse man nun ″vom ersten Tag″ beobachten und ″und gegebenenfalls dann noch mal nachsteuern, wenn das nicht wirkt.″

    Das Interview in ganzer Länge

    Christoph Heinemann: Was bedeutet das neue Gesetz für Bürgerinnen und Bürger?

    Stefan Gelbhaar: Tatsächlicherweise ist es so: Wir schaffen im Personenbeförderungsrecht eine neue Kategorie. Manche kennen das schon: CleverShuttle, Berlkönig, Moia. Die hatten bis jetzt keine echte Rechtsgrundlage. Die bekommen jetzt Planungssicherheit. Und das wird auch gebraucht, weil alle wissen um die Defizite am Stadtrand, in den ländlichen Räumen, im Nachtverkehr, am Wochenende. Das müssen wir angehen und da können diese Pooling-Verkehre, aber auch die Mietwagen auf einer anderen Rechtsgrundlage eine Ergänzung zum ÖPNV, zum Taxi darstellen. Das ist der Vorteil, den wir für die Fahrgäste rausholen wollen. Deswegen ist es auch wichtig, da dieses Gesetz jetzt zu modernisieren.

    Pooling-Gewerbe schließt Lücke im Angebot

    Heinemann: Pooling-Verkehr bedeutet genau was?

    Gelbhaar: Das sind im Prinzip Kleinbusse. Da gibt es nicht die eine Haltestelle, wo sich alle an einer Haltestelle versammeln, sondern da wird Mensch A am Punkt B aufgenommen und Mensch C am Punkt D und auch wieder verschieden rausgelassen. Das wird mit einer Software koordiniert. Das ist quasi kein Linienverkehr, sondern, wenn man so will, Bedarfsverkehr, und das ist ein Vorteil, gerade wenn der Bedarf nach Bus und Bahn vielleicht noch nicht ganz so groß ist und deswegen häufig kein Bus und keine Bahn da ist, dass man dann vielleicht mit solch einem Angebot diese Lücke schließen kann. Das ist der Gedanke dahinter und deswegen wird das jetzt versucht.

    Heinemann: Dann gibt es noch die anderen. Die klassischen Taxiunternehmer werfen den neuen privaten Anbietern vor, etwa Uber, sie beanspruchten deren Rechte, ohne sich um die Pflichten zu kümmern. Schafft das Gesetz da einen Ausgleich?

    Gelbhaar: Das Gesetz macht zweierlei. Für das Taxigewerbe ist das auch ein Kompromiss, klar. Die Taxitarife werden ein Stück weit flexibler. Ein Nachteil, den das Taxigewerbe bis jetzt hatte, war, dass sie nicht vorher sagen konnten, wieviel kostet die Fahrt. Das ist jetzt unter bestimmten Bedingungen möglich.
    Für die Mietwagen mit Fahrer – das ist die Thematik Uber – bleibt die Rückkehrpflicht bestehen. Das war eine ganz große Forderung aus dem Taxigewerbe. Da wird es darauf ankommen, das auch umzusetzen.

    Heinemann: Rückkehrpflicht – das müssen wir kurz erklären. Das heißt, wenn Mietwagen eine Person befördert haben, müssen sie leer zurückfahren.

    Gelbhaar: Oder einen Anschlussauftrag haben. Sie können sich aber nicht quasi auf der Straße wie ein Taxi bewegen und sich rauswinken lassen und dann Fahrgäste aufnehmen, oder am Straßenrand irgendwo hinstellen und warten, sondern das ist etwas anderes, eine andere Kategorie. Ein Mietwagen-Betreiber kann auch sagen, ich will jetzt eine Taxikonzession, dann kann ich rausgewunken werden. Aber wenn man das nicht will, dann ist das die Regel, um diese voneinander abzugrenzen.

    Kommune kann Unterbietungswettbewerb verhindern

    Heinemann: Nur sind Leerfahrten natürlich ökologisch gesehen Quatsch.

    Gelbhaar: Ja, Leerfahrten sind immer Quatsch. Das gilt aber auch fürs Taxigewerbe und auch fürs Pooling-Gewerbe und auch für den Bus. Am schlimmsten ist der Bus, der leer übers Land fährt. Das heißt, es geht darum, das zu optimieren, vollkommen klar. Auch bei den Mietwagen mit Fahrern ist natürlich die Anforderung: Leute, schafft euch eine Auftragskette, damit ihr nicht leer zurückfahren müsst. Das geht aber sogar jetzt schon mit der Rechtslage. Da ändert sich gar nichts. Wenn man so ein Gewerbe irgendwie sortieren will, so eine Branche, ist das eine notwendige Bedingung, damit das funktioniert.

    Heinemann: Herr Gelbhaar, die Taxiunternehmerinnen und Unternehmer protestieren. Wieso geraten deren Interessen unter die Räder?

    Gelbhaar: Bis jetzt war es so, dass Uber und andere mit Kampfpreisen hier operieren konnten, und das mit größter Wahrscheinlichkeit zu Lasten der Fahrerinnen und Fahrer. Das konnte das Taxigewerbe teilweise nicht. Die haben Vorgaben. Die müssen immer befördern. Die müssen bedienen. Die haben Tarifpflichten. Da war die Konkurrenz nicht fair und da haben wir jetzt geschaut, dass wir einen fairen Rahmen schaffen. Wir haben eine Anti-Dumping-Klausel mit aufgenommen. Das heißt, wenn vor Ort im Unterbietungswettbewerb die Branche kaputt gemacht wird, dann kann das jetzt die Kommune unterbinden, kann dem einen Riegel vorschieben, und davon profitiert übrigens nicht nur die Taxifahrerin, sondern auch der Uber-Fahrer.

    ″Dieser Kompromiss geht in die richtige Richtung″

    Heinemann: Die Kommune! Kann die das überhaupt durchsetzen?

    Gelbhaar: Das Recht hat sie jetzt. Das ist vielleicht ganz wesentlich.

    Heinemann: Papier ist geduldig.

    Gelbhaar: Papier ist geduldig. Genau! Das Recht hat sie jetzt. Die Kommunen haben künftig mehr Spielraum, deutlich mehr Spielraum, aber die haben auch eine verdammt hohe Verantwortung. Das muss man ganz klar sagen. Gerade bei den Sozialstandards, auch bei Klima, Barrierefreiheit muss da jetzt viel vor Ort mit den Mobilitätsdiensten durchgesetzt werden. Das ist die Aufgabe. Und ja, da sind häufig Kann-Regelungen im Gesetz drin. Das heißt, da müssen die Städte wirklich auch sagen, okay, wir machen das auch. Das ist ein Manko. Es ist ein Kompromiss, das sage ich auch ganz klar, aber jeder Kompromiss hat immer ein Für und Wider. Ich glaube aber, dass dieser Kompromiss in die richtige Richtung geht. Was wichtig ist: Die Regierung muss von Anfang an das Gesetz evaluieren. Der Staatssekretär hat im Ausschuss gesagt, sie gucken sich das in fünf Jahren mal an, in einem halben Jahrzehnt. Das geht natürlich gar nicht. Wir müssen hier vom ersten Tag an schauen, wie wirkt dieses Gesetz, und gegebenenfalls dann noch mal nachsteuern, wenn das nicht wirkt.

    Heinemann: Das heißt, zwischen den Zeilen geben Sie schon zu, für Taxiunternehmen ist das kein gutes Gesetz?

    Gelbhaar: Nee! Ich glaube, das Taxigewerbe wird sich damit arrangieren können, weil die wesentlichen Punkte, die sie wollten, haben sie durchgesetzt bekommen. Es kam jetzt noch ein Punkt dazu mit Vorbestellfrist. Wir haben das mit angesprochen, aber das kam jetzt nicht. Tatsächlicher Weise glaube ich aber, dass das Taxigewerbe findig genug ist, um mit dem Rechtsrahmen, den sie jetzt bekommen – und da sind auch fürs Taxigewerbe einige Erleichterungen drin –, klarzukommen. Und wie gesagt: Uber und Co müssen jetzt sich genehmigen lassen. Die können strenger reguliert werden und deswegen ist da diese Unwucht, die es bis jetzt gab – so ist zumindest die Hoffnung –, nicht mehr so vorhanden. Ob das dann wirkt, ob das auf der Straße sich durchsetzt, darum geht es jetzt. Da ist im Gesetz eine Grundlage da und das werden wir schauen, ob die reicht. Ansonsten müssen wir noch mal nachsteuern. Aber ich finde nicht, dass das Taxigewerbe jetzt den Kopf in den Sand stecken muss. Überhaupt nicht.

    ″Es braucht den ÖPNV morgen genauso wie heute″

    Heinemann:, Sie sagten gerade „auf die Schnelle“. Man hätte sich doch Zeit lassen können.

    Gelbhaar: Na ja. Wir verhandeln hier seit über zwei Jahren. Es gab eine Findungskommission. Es gab einen ersten Entwurf aus dem Hause Scheuer, wo dann die Taxifahrer selbstverständlich auf die Barrikaden gegangen sind. Das hätte einfach nur geheißen, Uber wird legalisiert und das Taxi hat keine Chance mehr. Da sind wir jetzt wirklich sehr weit entfernt von. Das hat jetzt aber zwei Jahre gedauert. Da gab es eine Findungskommission, dazwischen ein Eckpunktepapier, dann den Gesetzentwurf, der mit den Eckpunkten nicht übereingestimmt hat, jetzt einen Änderungsantrag, und da haben wir jetzt eine Einigung erzielen können. Es ist wirklich einiges Wasser die Spree runtergeflossen.

    Heinemann: Herr Gelbhaar, wegen Corona meiden viele Menschen zurzeit zumindest Bahnen und Busse. Was bedeutet das insgesamt für die künftige Verkehrsplanung?

    Gelbhaar: Ja, das ist wirklich ein großes Problem. Wir haben als Bündnis-Grüne darauf hingewirkt, dass hier auch die Bundesebene sagt, ÖPNV ist nicht nur Länder- und kommunale Sache, sondern da gibt es auch eine Bundesverantwortung in der Corona-Krise. Deswegen ist da ziemlich viel Geld bereitgestellt worden, zweieinhalb Milliarden im letzten Jahr und in diesem Jahr wird auch noch was dazukommen mit größter Wahrscheinlichkeit. Am Ende des Tages müssen wir einen harten Blick darauf haben, weil ÖPNV, Bus und Bahn ist Daseinsvorsorge. Daran können wir nicht sparen. Wenn wir Alternativen zum eigenen Auto schaffen wollen, wenn wir die Menschen auf dem Land, aber auch in der Stadt technologieoffen mit Mobilität versorgen wollen, dann braucht es den ÖPNV morgen genauso wie heute. Ich hoffe, dass das Vertrauen in den ÖPNV sehr schnell wieder steigt, weil gerade in den Städten der einfach zumeist das schnellste Angebot ist. Wir werden das aber genau im Blick behalten müssen, kommunal, auf Länderebene und auf Bundesebene. Das darf uns nicht abkippen, das ist vollkommen klar. Das ist jetzt eine Krise. Die Corona-Krise trifft Bus und Bahn, trifft auch die Taxibranche. Man wird das nicht alles mit Geld lösen können, das ist auch klar. Ich glaube aber nicht, dass wir beim ÖPNV jetzt einen Schritt zurückgehen dürfen, sondern wir müssen ihn sogar noch weiter ausbauen, weil Corona-Krise ist eine Krise, Klimakrise ist die andere Krise und beide müssen bearbeitet werden. Wir werden der Klimakrise nur beikommen, indem wir unsere Mobilität ein Stück weit umstellen, und dazu gehört der ÖPNV.

    Heinemann: Sie haben den ländlichen Raum gerade erwähnt. Wenn der Bus nur zweimal am Tag fährt, dann werden Berufstätige gerade im ländlichen Raum oder Jugendliche am Wochenende weiterhin mit dem Auto in die Stadt fahren. Wie schafft man für diese Bürgerinnen und Bürger eine bezahlbare und gut getaktete Alternative, vielleicht sogar unter Einbeziehung von Taxis?

    Gelbhaar: Genau das ist der Anspruch, den das Personenbeförderungsrecht jetzt endlich haben sollte, weil bis jetzt ist da der ländliche Raum, wenn wir ehrlich sind, nicht hinreichend betrachtet worden. Da kommt jetzt dieses Tool Pooling, das heißt der Kleinbus, der Überlandbus, meinetwegen das Land-Shuttle, der bedarfsgerecht dort anfährt, der nicht zweimal am Tag oder alle drei Stunden oder alle zwei Stunden irgendwie über die Dörfer fährt und das dann für die Leute vor Ort nicht passt, sondern man zieht seine App und sagt, okay, ich brauche jetzt ein Shuttle von A nach B. Dann wird das geroutet und dann wird man mit mehreren in einem kleineren Bus transportiert. Das wäre die Zielvorstellung. Das kostet aber Geld. Die Rechtsgrundlage haben wir jetzt. Jetzt müssen wir noch ums Geld kämpfen, damit das dann auch im ländlichen Raum und in den Stadtrandlagen endlich umgesetzt wird. Das wäre wirklich ein Mobilitätssprung, tatsächlicher Weise nicht nur für Jugendliche oder für Leute ohne Führerschein, sondern auch für ältere Menschen, die nicht mehr mit dem Auto fahren wollen, für Leute, die eine Mobilitätseinschränkung haben. Da gibt es wirklich ganz, ganz viele Anwendungsfälle. Da habe ich eine große Hoffnung, dass wir durch den technischen Schritt, Stichwort Plattform, und jetzt den rechtlichen Schritt dort endlich eine Grundlage dafür schaffen, dass wir da eine Mobilitätsexplosion hinbekommen. Ob das passiert, hängt allerdings wirklich davon ab, ob die Bundesregierung, die jetzige oder eine künftige, dafür das Geld in die Hand nimmt.

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    #Taxi #Uber #recht #ÖPNV