• „13 Prozent der deutschen Wähler haben ein rechtsextremes Weltbild“
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=101651


    Il est certain que les choses n’ont pas beaucoup changé depuis 1980. A l’époque treize pour cent des Allemands étaient de véritables nazis qui regrettaient la perte de l’unique Führer de la nation. Ces gens là aussi font des enfants, alors les scores de vingt pour cent aux élections de l’extrême droite ne sont pas surprenants.

    29.7.023 von Albrecht Müller - Das war das Ergebnis der sogenannten SINUS-Studie von 1980. Der NachDenkSeiten-Leser Claus Hübner hat uns auf diese alte, interessante Studie aufmerksam gemacht. Ich selbst war nicht auf die Idee gekommen, dieses Dokument in unserer Serie vorzustellen, obwohl ich damals als Leiter der Planungsabteilung des Bundeskanzleramtes für den Auftrag an das SINUS-Institut Heidelberg/München verantwortlich war.

    Le site Nachdenkseiten publie des scans de l’étude de 1980.

    #Allemagne #nazis #statistique

  • Erich Honecker trifft Udo Lindenberg in Wuppertal – 1987
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=93077

    En 1987 la guerre froide était terminée. Le chef d’état de la RDA Erich Honnecker visitait la RFA dans une ambiance si détendue que le musicien rock le plus populaire d’Allemagne Udo Lindenberg n’avait pas le moindre problème à passer les cordons de police pour remettre une guitare et un texte pacifiste au dignitaire en visite. Voici le récit de la rencontre par du chef de communication de l’événement.

    Udo kommt nach Wuppertal
    Größte Sicherheitsstufe. Unausdenkbar, dem Staatsratsvorsitzenden der Deutschen Demokratischen Republik und Generalsekretär der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, geschähe irgendein Leid, ausgerechnet während des nordrhein-westfälischen Teils seines offiziellen Staatsbesuches in der Bundesrepublik Deutschland. Der Langzeitbundeskanzler hatte nach Bonn eingeladen — Helmut Kohl. Der Langzeitministerpräsident, Johannes Rau, bestand schon in ersten blühenden Gerüchten und Planungen darauf: Honecker muss auch das größte Bundesland einen ganzen Tag lang besuchen. Wochen vorher: Sitzungen am laufenden Band. Abstimmung mit Protokollen, Sicherheit, allen Besuchspunkten. Sicherheit zuerst. Schutz vor Terroristen, Spinnern, Farbbeutelwerfern — nie zuvor wurde unsere Phantasie so durch oberste Polizeichefs in den dunklen Tunnel vielfältiger Albträume geschickt. Alles sollte bedacht, abgewogen, vorausgeahnt und sicher festgezurrt werden. Wirklich alles.
    Zwei Wochen, bevor Erich Honecker nordrhein-westfälischen Boden betrat, reisten zwanzig Chefredakteure aller DDR-Zeitungen an. Wir sollten ihnen die Besuchspunkte des Herrn Staatsratvorsitzenden vorab zeigen. Erichs Showtruppe — als ob die schreiben würden oder es je taten; jeder weiß doch: Die Meldungen machen ADN-Redakteure, und die Berichte kommen original immer identisch in jede DDR-Zeitung, überall gleich zwischen Wismar und Zwickau. Ich war in der Staatskanzlei stellvertretend und ziemlich plötzlich Chef vom Dienst und für den Presseservice des Honi-Besuches zuständig. So düsten wir mit den vermeintlichen Spitzenjournalisten per Puma-Hubschrauber von Hoesch in Dortmund, wo der „Arbeiterführer" ein große Rede halten sollte, über das Engels-Haus in Wuppertal (muss sein) und die Villa Hügel in Essen (Treffen mit der Cröme großer Unternehmen an Rhein und Ruhr in Essen), dann zum Schloss Benrath, der Perle Düsseldorfs für Staatsgäste, feudalistisch vom Edelsten für den Chef des einzigen Arbeiter- und Bauerstaates auf deutschem Boden. Für BILD war es immer noch die „DDR" in Anführungszeichen für eine kurze Reihe wirklich engagierter Deutschlandpolitiker (Rau, Bahr, Schmude, Schäuble) war die Zeit reif, noch mehr für die Menschen in der DDR zu erreichen: durch direkte Gespräche mit der Staatsführung. Niemand wusste, was nur zwei Jahre später klar wurde: Die Wirtschaft der DDR stand einen Schritt vor dem Abgrund. Honecker kam nicht in Frieden, er kam aus blanker Not. D-Mark war der Stern, der ihn an den Rhein leitete.
    Seine Delegation begleitete ihn seit Jahren — immer dieselben. Hemden aus New York, Schuhe aus Rom, Anzüge aus Paris. Fein sahen sie aus, die Herren, als wir nachmittags nach der Vorschau auf das Programm schließlich in den Rheinterrassen in Benrath mit wunderschönem Rheinblick letzte Details loswerden wollten. Die Herren zeigten gerade noch an der Grenze glatter Unhöflichkeit mäßiges Interesse an Hintergründen und Daten — auch der Flug an die Programmpunkte packte sie nicht wirklich. Pflicht, aber bitte hurtig. Da saßen sie nun bei Kaffee und Kuchen und fragten die Kellnerin, ob es hier auch Wodka gäbe, bitte drei Flaschen. Gerne, sagte die Bedienung — aber es dauert einen Moment. Später sagte sie mir: Natürlich haben wir hier keinen Wodka, wir sind ein familienfreundliches Cafö, und es ist früher Nachmittag. Schnell ging die Aushilfe zum Supermarkt — und kaufte eine Kiste finnischen Wodka. So kam dieser deutlich höher im Preis auf den Tisch und in ziemlich zügigen Schlücken reichlich in die Kehlen unserer Gäste. Sehr bald waren wir von der Westpresse nur noch im Nebel. So ließen wir die Herren in ihrem Suff; unser Fahrer mit dem Bus musste bleiben — noch weitere zwei Stunden.
    Dann fuhr er die Herren in der frühen Abendstunde zum Schloss Mickeln, die Herberge für die wichtigsten unter ihnen, ein kleines Lustschloss in Rheinnähe, nun genutzt von der Düsseldorfer Heine: Universität, nahe einer Platanen-Allee und Obstgärten — idyllisch, einsam, stadtfern, leicht zu überwachen durch unsere Sicherheit.
    Zwei Tage vor dem Honecker-Besuch in Nordrhein-Westfalen kamen zwei unscheinbare Redakteure von ADN, der DDR-Nachrichtenagentur, und installierten Telexgeräte in einem kleinen Besprechungsraum im Landeshaus am Rheinufer. Bescheidene Experten in grauen Anzügen und sehr gelben Hemden. Die Texte zu den einzelnen Scheiben des Honi-Programms waren rasch geschrieben — auf Knopfdruck gingen die Meldungen stückweise und zeitgenau per Knopfdruck an die Zentralredaktion in Ost-Berlin und von dort an alle Redaktionen der DDR-Zeitungen, ergänzt um Fotos. Exakt derselbe Aufguss in allen Blättern drüben.
    Der 9. September 1987, ein Mittwoch. Der Tag. Harte, lange Vorbereitungen wurden nun — Geschichte. Jetzt musste alles klappen,
    an diesem einen Tag. Die Pressebetreuung teilte ich der vielen Stationen des Programms wegen unter meinen Kollegen auf. Ich übernahm den Besuch des Engels-Hauses in Wuppertal und den Unternehmer-Empfang in der Villa Hügel in Essen.
    10.25 Uhr Ankunft Staatsratsvorsitzender am Haus MP in Düsseldorf; Gästebuch, erstes Gespräch in kleinem Kreis mit Johannes Rau. Dann Empfang im Schloss Benrath, die Wichtigsten aus dem Land im feudalen Kuppelsaal, Die Stimmung: angespannt, angestrengt fröhlich. Ein schöner sonniger Septembertag. Dieselbe Sprache, Fremde im Dialog.
    So gegen 12 Uhr fuhren Honecker und Rau direkt in die Straße am Engels-Haus. Polizei und Nichtuniformierte machten eine Gasse, und die letzten paar Meter zu Fuß zum Eingang. Wir hatten eine solide Holztribüne für 200 Fotoreporter drei Meter gegenüber dem Engels-Haus gebaut — mit dem ernst gemeinten Hinweis: Ihr bleibt alle nur auf dieser Tribüne. Keine Ausnahmen — wer sich nicht dran hält, wird von der Polizei unsanft abgedrängt und verliert die Akkreditierung für diesen Pool. Der Staatsgast und Rau, sie drehten sich auf Zuruf der Fotografen um nach den vier Stufen auf dem kleinen Trapezabsatz vor dem Eingang in das typisch bergische Haus, das Friedrich-Engels-Museum — tolles Licht, Hunderte Aufnahmen in wenigen Sekunden. Der Herr Staatsratsvorsitzender und der Ministerpräsident gingen in das Engels-Haus in die kleinen Zimmer, die schmale Treppe hoch. Ursula Kraus, die damalige Oberbürgermeisterin, erklärte sachkundig Räume, Bilder, Mobiliar. Der Hauch der Arbeitergeschichte wehte uns an — Honecker allerdings nicht: Selbst als Frau Kraus ihm einen alten Stich als Gastgeschenk überreichte, gab Honi diesen barsch und unverblümt eilig unbesehen an seinen Sicherheitsmann weiter.
    Rau hatte genug; er flüsterte mir zu: Ich bin unten und warte am Eingang. Was ich nicht mitbekam, hörte ich wenig später: Rau trat vor die Tür und stand vor 200 erneut schußbereiten Fotografen. Dauert noch was, sagte Rau. Dann begann Rau die Journalisten zu unterhalten —Kennen Sie den? Witze am laufenden Band. Als Honecker mit seinem ziemlich irritierten Sicherheitshünen zu Rau auf das kleine Eingangspodest trat, ich direkt hinter ihm, war die Stimmung auf der
    Pressetribüne blendend. Honi blieb neben Rau mit versteinertem Gesicht, er konnte sich keinen Reim auf diese Fröhlichkeit machen —manche Fotografen vergaßen fast, abzudrücken.
    Dann geschah alles in wenigen Sekunden. Wir blickten nach links, Jubel brandete auf. Die dichten Zuschauerreihen, fünfzig Meter weg, gehalten von einer geschlossenen Reihe Polizisten und etlichen Sicherheitskräf­ten in dunklen Anzügen mit deutlich dicken Innentaschen, öffneten eine Gasse wie von Zauberhand gelenkt wie einst das Meer dem Volke Israel zu beiden Seiten wich und heraus trat — Udo Lindenberg! Hut, weiße Jacke, schwarze Jeans, eine E-Gitarre im Arm. Das Original. Rau und Honecker waren schon unten auf der Straße und hatten keine Wahl: Die Sicherheitsleute, blass, entsetzt, ohne Plan, Adrenalin pur, schlugen einen Ring um die beiden Politiker, eng auch für mich wie im schlimmsten Ausverkauf. Uns Udo kam gemessenen Schrittes auf Honecker zu. Lassen sie ihn durch, befahl Rau den Stasi-Leuten. Honecker, eine einzige eisige Maske. Grußlos, aber breit grinsend, holte Udo einen 16seitigen Text aus seiner Innentasche (ich sah das Manuskript, eng getippt, später) — neben mir bekam ein DDR-Schützer fast einen Anfall. Als ob dieser Bruch aller Sicherheitsabsprachen nicht schon der Super-Gau gewesen wäre, brachen nun auch für die Fotografen alle Dämme: Das Foto war natürlich Honecker und Lindenberg. Also kamen sie alle, sprangen runter von der Tribüne (Sicherheitsstufe 1 mit Zusatz!) und machten unsere kleine Runde mit Udo noch intimer. Ein höllischer Aufruhr Fotoblitze, Auslösersym­phonien von beachtlicher Lautstärke.

    In all diesem Trubel wollte Lindenberg Herrn Honecker in aller Seelenruhe seinen ellenlangen Text vom Frieden und so vorlesen. Das müssen Sie verhindern, zischte ich Rau zu. Der hatte nun wieder eine normale Gesichtsfarbe, nahm uns Udo den Text einfach aus der Hand, das aber mit einem gewinnenden Lächeln nur für Udo bestimmt, reichte diesen dem DDR-Schützer (der schon den Stich hatte) und beschwichtigte Udo erfolgreich: Ich verspreche Ihnen, dass der Herr Staatsratvorsitzender Ihren Text zum Lesen bekommt. Die E-Gitarre von Lindenberg Honi angereicht als Friedensgeschenk, so das genuschelte Überreichungswort, faßte Honecker sichtlich angeekelt nicht an — klar: Der Sicherheitsbeamte musste sie nehmen, nun sichtbar mit Zorn im roten Gesicht.
    Rau zu Udo: Wir müssen nun weiter, Sie verstehen. Nun schoben die Polizisten Udo sanft vor uns her — und weg war der Panikfriedensfürst. Sein Manager wartete mit dem Taxi am Straßenrand. Mit dem hatte ich später ein denkwürdiges Telefonat..., unser letzter direkter Kontakt.
    Wir in die Autos. Wenige hundert Meter zum Hubschrauberlandeplatz —ein ehemaliges, jetzt plattes Fabrikgelände mit gewalztem festem Sandboden, extra präpariert für diesen Staatsgast und diesen Moment —aus Sicherheitsgründen so nah. Wie konnte der Udo-Gau geschehen? Der eigentliche Hintergrund war klar: Udo Lindenberg wollte Honecker schon in Bonn Text und Gitarre überreichen. Kohl lehnte angewidert ab. Rau konnten wir überzeugen: Etwas Liberalität schmückt unser Bundesland. Mit Honeckers Chefberater Stechow und der DDR-Sicherheit war Einvernehmen erzielt: Das geht klar, schöne Fotos, aber nur kurz beim Einstieg in die Hubschrauber auf dem Fabrikgelände in Wuppertal, ein kleiner Pool von Fotografen. Manager von Udo und der große Paniker wurden so eingewiesen und stimmten, was auch sonst, Was stattdessen Udo anrichtete, siehe oben. Er sagte mir viel später, sie seien einfach zu früh auf dem Landeplatz angekommen, noch keine Fotografen da. Da habe er einfach die Polizisten gefragt, wo denn Rau und Honecker in diesem Moment seien.
    Nie zuvor bei einem Staatsbesuch sind alle Einzelheiten und Abläufe sowohl mit der Polizei als auch mit der Presse so genau festgelegt und abgesprochen worden wie an diesem schönen Septembertag in Wuppertal. Trotzdem wichen Polizeikette und Zivile so servil vor Udo kurz vor dem Engels-Haus völlig bedenkenlos zurück und ließen ihn gegen alle Anweisung einfach mal so durch, als hätte er einen bezahlten Chip in den Schlitz vor einer Parkhausschranke geworfen. Unglaublich, aber wir haben es erlebt. Polizeiintern führte das zu Untersuchungen. Rau hat wohl Einfluss auf den Polizeichef in Wuppertal genommen —niedriger hängen, ist ja nichts passiert. Ein paar Stunden später konnte auch Honecker drüber lachen — erst dann auch seine Begleiter.
    Ich hatte als Pressemann Platz im Ersatzhubschrauber—ein Puma des Bundesgrenzschutzes, heute Bundespolizei, falls der Honecker-Hell technische Probleme bekäme. Zur Sicherheit, ein schillernder Begriff für mich seit ein paar Minuten. Bevor der Puma seine Motoren anließ und der Höllenlärm nur durch Kopfhörer als Ohrenschutz zu ertragen sein würde, sah ich — welch ein Zufall — den schwer bepackten Sicherheitsbe­amten der Stasi neben mir übel gelaunt in den Sessel fallen, die E-Gitarre zwischen seinen Beinen, das Bild aus dem Engels-Haus auf dem Sitz neben sich (unangeschnallt). Auf der teuren spanischen weißen E-Gitarre las ich nun in primitiven schwarzen Klebebuchstaben geschrieben: „Gitarren statt Knarren." Udos Credo. Ich fragte meinen Sitznachbarn: Was machen Sie denn nun mit dieser Gitarre? Der sah abschätzig und genervt auf mein Delegationenschild und antwortete denn doch im reinsten Sächsisch: „Gommt alles in’n Giftschrank, do is ooch schon ne Läderjacke drin."
    Honis Geschenke-Laden Unter den Linden — nach der Einheit war es eine Ausstellung wert; darunter auch Udo Lindenbergs Lederjacke und seine wertvolle Friedensgitarre und der große Rest von Edlem und Staatskitsch. Udos Text durfte ich im Flug lesen; er tauchte mit der Gitarre in der Ausstellung in Berlin als „MfS-Nachlass" wieder auf; gut gemeint, verworren in Logik und Sprache. So also kamen wir in Nordrhein-Westfalen fast zu einem diplomatischen Schlaganfall und im schlimmsten leicht vorstellbaren Fall zu weit mehr (falls sich nur ein Sicherheitsmensch, von welcher Seite auch immer, nicht kontrolliert hätte). So kamen wir noch mal mit dem Schrecken davon.

    Und Udo kam nach Wuppertal,. axel raulfs 2009

    #Allemage #histoire #détente #musique

  • Meinungsmache mit einem dubiosen „China-Experten“
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=56639

    25.11.2019 von Jens Berger - Adrian Zenz gehörte in den letzten Tagen zu den meistzitierten Quellen in den deutschen Medien. Angefangen bei der Tagesschau, über den SPIEGEL, die Süddeutsche Zeitung, die ZEIT bis hin zu amerikanischen Propagandasendern wie Radio Free Asia ist Zenz ein gerngesehener Interviewpartner und Zitatgeber. Die FAZ nennt ihn in einem der wenigen etwas ausgewogeneren Artikel zum Thema „Der Mann mit der Million“ (hinter einer Paywall) – dabei geht es um die Zahl von mehr als einer Million Uiguren, die angeblich in chinesischen Umerziehungslagern interniert sein sollen. Diese Zahl stammt von Zenz und wird als Steilvorlage in der aktuellen Kampagne gegen China oft und gerne aufgenommen. Über den Hintergrund von Adrian Zenz schweigt man lieber. Das ist verständlich, stammt der „Experte“ doch aus einem höchst dubiosen Umfeld mit kalten Kriegern aus der amerikanischen Think-Tank- und Geheimdienstgemeinde. Das lässt an der Seriosität seiner Aussagen zweifeln. Von Jens Berger.

    https://www.nachdenkseiten.de/upload/podcast/191125-Meinungsmache-mit-einem-dubiosen-China-Experten-NDS.mp3

    Wer ist Adrian Zenz? Die Tagesschau gibt sich bei der Vorstellung ihres „China-Experten“ recht wortkarg. Zenz „gilt weltweit als renommierter Experte für die Situation der Muslime in China. Zenz lebt und arbeitet in den Vereinigten Staaten von Amerika.“ Das hört sich natürlich seriös an. Doch wo arbeitete der „weltweit renommierte Experte“ eigentlich genau? Der Wissenschaftsdatenbank ORCID zufolge ist Zenz an der European School of Culture and Theology in Korntal, Baden-Württemberg, tätig. Von dieser Schule werden wohl die Allerwenigsten bislang etwas gehört haben und das ist verständlich. Die ESCT gehört zur Akademie für Weltmission, einer eher randseitigen evangelikalen Bildungseinrichtung, die eng mit der ebenfalls in Korntal niedergelassenen Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen assoziiert ist, zu der auch die evangelikale „Chinesische Missionsgemeinschaft“ gehört. Der FAZ gegenüber beschreibt sich Zenz als „tief religiös“ und spricht von einer „Berufung“ und davon, dass Gott ihn dorthin geleitet habe, auf einem „vorbereiteten Weg“.

    Seinem eigenen Eintrag bei „Academia“ zufolge ist Zenz zudem an der Columbia International University tätig und betreut dort die Doktoranden der Korntaler ESCT. Doktoranden einer evangelikalen Privatschule an der Columbia University? Ja, denn die Columbia International University ist nicht mit der renommierten New Yorker Columbia University zu verwechseln, sondern eine dubiose evangelikale Bibelschule in Columbia, South Carolina. Deren online zu erreichenden „Doktortitel“ sind wohl eher als Skurrilität denn als „renommierte Wissenschaft“ zu bewerten. Gegenüber der FAZ hat Zenz übrigens angegeben, dass er sein Geld gar nicht als Wissenschaftler, sondern als „Freiberufler in der IT-Branche“ verdient. Seine China-Studien sind demnach wohl eher ein Hobby, dem er in seiner Freizeit nachgeht. Sonderlich renommiert ist dieser wissenschaftliche Hintergrund nicht. Das klingt alles eher nach einem religiös geleiteten Hobbywissenschaftler.

    Zenz´ vermeintliches Renommee kommt aus einer ganz anderen Quelle. Adrian Zenz ist nämlich zusätzlich „Senior Fellow“ für China-Studien bei einem dubiosen Think Tank namens „Victims of Communism Memorial Foundation“. In dieser Funktion ist er dank seiner extremen Aussagen zur chinesischen Politik in ein Zitierkartell rechter und transatlantischer Think Tanks geraten. Das reicht für die Tagesschau dann offenbar aus, um als „weltweit renommierter Experte“ zu gelten.

    Wer oder was ist „Victims of Communism Memorial Foundation”? Hierbei handelt es sich um ein Think Tank, dass es sich selbst zur Aufgabe gesetzt hat, die „freie Welt“ von den „falschen Hoffnungen des Kommunismus“ zu befreien. Hervorgegangen ist VOC aus den anti-kommunistischen Gruppierungen im Umfeld von McCarthys Komitee für unamerikanische Umtriebe und den darauf aufbauenden reaktionären Gruppierungen, die im Umfeld der Geheimdienste in der Ära des Kalten Kriegs installiert wurden. Gegründet wurde VOC 1993 von den kalten Kriegern Lev Dobriansky, Lee Ewards, Grover Norquist und Zbignew Brzezinski. Der heutige Chairman Lee Edwards war früher unter anderem beim Chiang Kai-shek nahestehenden Committee for a Free China und Gründer der amerikanischen Abteilung der World Anti-Communist League, einer rechtsextremen internationalen – ebenfalls von Chiang Kai-shek initiierten – anti-kommunistischen Liga, der unter anderem auch so „illustre“ Personen wie Otto Skorzeny (Waffen-SS, Organisation der ehemaligen SS-Angehörigen), Ante Pavelić (Ustascha-Kroatien) und zahlreiche Befehlshaber der lateinamerikanischen Todesschwadronen angehörten.

    Berater des VOC ist John K. Singlaub, ein 98-jähriger ehemaliger Generalmajor der US-Armee, der zu den Gründern der CIA gehört und die CIA-Operationen im chinesischen Bürgerkrieg geleitet hat. 1977 musste Singlaub zurücktreten, nachdem er öffentlich Präsident Carters angekündigten Abzug der US-Truppen aus Südkorea kritisiert hatte. Danach gründete er mit Gleichgesinnten die „Western Goals Foundation“, ein privater Geheimdienst, der bei der Iran-Contra-Affäre die Waffenlieferungen an die rechtsextremen Contras in Nicaragua organisiert hat. Die „Western Goals Foundation“ wurde von einem ehemaligen Mitglied als eine „Sammlung von Nazis, Faschisten, Antisemiten, bösartigen Rassisten und korrupten Egoisten“ bezeichnet. Singlaub war seinerzeit auch Chairman der World Anti-Communist League und deren US-Ableger United States Council for World Freedom. Das United States Council for World Freedom wurde übrigens mit finanzieller Starthilfe der reaktionären Regierung von Taiwan gegründet – mit an Bord war auch Lev Dobriansky, der Mitgründer des VOC.

    Wer das VOC heute finanziert, bleibt im Dunklen. Das rechtsgerichtete Think Tank lebt von anonymen Millionenzuwendungen und tritt vor allem als Stichwortgeber für die dem militärisch-industriellen Komplex nahestehenden Think Tanks in Erscheinung, wenn diese mal wieder Munition gegen die linksgerichteten Regierungen in Südamerika oder eben gegen China benötigen. Ist aus diesem Umfeld eine seriöse, wissenschaftliche Analyse der chinesischen Politik zu erwarten?

    Adrian Zenz war nach eigenen Angaben ein einziges Mal in der Provinz Xinjiang – 2007 als Tourist. Für seine Studien hat er frei zugängliche Internetquellen, wie beispielsweise Ausschreibungen und Jobangebote der chinesischen Regierung in der Provinz Xinjiang durchforstet und auf dieser Basis dann Schätzungen über den Umfang der in chinesischen Umerziehungslagern Internierten aufgestellt. Gegenüber der FAZ beschreibt er diese Schätzungen selbst als „spekulativ“.

    All diese Hintergrundinformationen besagen natürlich nicht, dass es in der Provinz Xinjiang keine Umerziehungslager gibt. Die Zahl von „einer Million Inhaftierten“, die über den „Experten“ Zenz durch unsere Medien gereicht wird, ist jedoch mehr als fraglich und wie ein Internetrechercheur wie Zenz, der seit 12 Jahren nicht mehr in der Region war, belastbare Aussagen zu Details treffen will, ist ebenfalls ein Rätsel.

    Natürlich sollen die Medien gerne auch kritisch über die Unterdrückung der Uiguren in der Provinz Xinjiang berichten. Ob es der Glaubwürdigkeit dient, sich dabei auf derart dubiose „Experten“ zu verlassen, ist jedoch fragwürdig. Alles andere als fragwürdig ist indes das Verschweigen des Hintergrunds des „Experten“ Zenz. Denn wenn die Zuschauer und Leser diesen Hintergrund nicht kennen, können sie sich auch nicht ihr eigenes Bild über die Seriosität der Aussagen und Informationen machen. Aber das sollen sie wohl auch gar nicht. So funktioniert Meinungsmache nun einmal.

    Schlagwörter:
    #China #Expertokratie #Lügen_mit_Zahlen #Think_Tanks #Uiguren #Adrian_Zenz

    #Chine #新疆维吾尔自治区 #xīn_jiāng_wéi_wú_ěr_zì_zhì_qū #Xinjiang #droits_de_l_homme #propagande #impérialisme #anticommunisme #USA

  • Spotify und Co. – die Streaming-Ökonomie forciert das Elend der kleinen Künstler
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=80395

    https://www.nachdenkseiten.de/upload/podcast/220203_Spotify_und_Co_die_Streaming_Oekonomie_forciert_das_Elend_der_

    3..2.2022 von: Jens Berger - Drohte der Musikbranche noch vor zwanzig Jahren durch CD-Brenner und MP3s der Ruin, feiert man heute Jahr für Jahr Rekordumsätze. Zwei Drittel der Umsätze werden dabei durch kommerzielle Audio-Streaming-Dienste erzielt. Doch nur weil sich mit Musik mehr Geld machen lässt als je zuvor, heißt das nicht, dass dieses Geld auch bei den Künstlern ankommt. Wenn Sie einen Song bei Spotify abspielen, bekommt der Rechteinhaber dafür lächerliche 0,003 Euro, wovon die Künstler selbst nur einen kleinen Teil bekommen. In Zeiten von Corona ist dies für viele Musiker der Todesstoß. Das Oligopol der Plattformen sorgt nicht nur für Umverteilung von den kleinen (armen) zu den großen (reichen) Künstlern, sondern setzt auch künstlerisch fragwürdige Anreize. Von Jens Berger

  • Probleme der Russlandpolitik als Friedenspolitik. Kritische Anmerku...
    https://diasp.eu/p/14065228

    Probleme der Russlandpolitik als Friedenspolitik. Kritische Anmerkungen zur Russland-Ukraine-Diskussion.

    Von Herwig Roggemann. – Redaktionelle Vorbemerkung: Der emeritierte Berliner Jurist und Osteuropaexperte skizziert in diesem Essay den eigenartigen und friedenspolitisch problematischen Umgang des Westens mit Russland nach 1990. Der Essay ist lang, aber ausgesprochen lehrreich. Die Lektüre lohnt sich. Nach dem Einstieg in den Essay wird auf das PDF verlinkt. Albrecht Müller.

    Treffende und unzutreffende Thesen „Wir sind in der gefährlichsten Situation, die wir seit Ende des Kalten Krieges erlebt haben“, warnt Johann Wadephul im Berliner Tagesspiegel. „Es droht nicht weniger als ein Krieg in Europa.“ Die Warnung ist begründet. Seine und die Ursachenerklärungen und Handlungsempfehlungen (...)

    • Gaspreis-Explosion – für die Medien kein Thema, außer man kann Putin dafür verantwortlich machen

      https://www.nachdenkseiten.de/?p=80121

      [...]

      Polen will schon im nächsten Jahr vollkommen unabhängig von russischem Gas sein. Das ist zwar Unsinn, aber so lautet die offizielle Sprachregelung der polnischen Regierung. Man hat die langfristigen Lieferverträge mit Russland gekündigt und bezieht sein Gas nun zu großen Teilen auf dem liberalisierten EU-Spotmarkt für Erdgas. Nun ist Gas aber keine Ware, die man per Mausklick virtuell transportieren kann. Ab 2023 will Polen einen großen Teil seines Gasbedarfs über die neu gebaute Baltic Pipe über Dänemark aus Norwegen beziehen. Der Rest soll durch Flüssiggasimporte aus den USA gedeckt werden und da das nicht reicht, wird Polen de facto einen großen Teil seines Gases aus einem Land beziehen, das selbst Gasimporteur ist: Deutschland. Und bis Baltic Pipe Gas liefert, bezieht Polen sogar den größten Teil seines Erdgases aus Deutschland. Deutsches Gas? Das von Deutschland nach Polen exportierte Gas stammt natürlich nicht aus Deutschland, sondern aus Russland. Deutsche Händler kaufen ganz einfach russisches Gas und verkaufen es dann an die Polen. Dies sei durch den Umweg über Deutschland für Polen aus der „Sicherheitsperspektive“ jedoch unproblematisch.

      Der polnische Wunsch nach einer energiepolitischen Unabhängigkeit von Russland ist dabei ein äußerst lukratives Geschäft für deutsche Gashändler. Die kaufen das Gas preiswert aus den in langfristigen Lieferverträgen vereinbarten Abnahmemengen aus Russland ein und verkaufen es dann zu den weitaus höheren Preisen auf dem Spotmarkt und den Futuremärkten an Polen weiter. Noch verrückter wird die ganze Geschichte, wenn man sich die physischen Lieferwege anschaut. Deutschland bezieht dieses Gas hauptsächlich aus Russland über die durch Polen verlaufende Jamal-Pipeline. Und über eben diese Pipeline liefern die Händler dann auch das Gas im Rückwärtsbetrieb an Polen weiter.

      Genau das passiert durchgängig seit nunmehr 36 Tagen. Nach Meldungen des deutschen Netzbetreibers Gascade liefert die Jamal-Pipeline seitdem nicht etwa russisches Gas in deutsche Speicher, sondern umgekehrt russisches Gas aus deutschen Speichern ostwärts nach Polen und von dort aus sogar in die Ukraine. Zurzeit beträgt das Liefervolumen sagenhafte 13 Millionen Kilowattstunden pro Stunde. Das ist, gemessen am derzeitigen Gaspreis an den Spotmärkten, Gas im Wert 1,3 Millionen Euro pro Stunde, 31,2 Millionen Euro pro Tag. Leider ist nicht bekannt, zu welchem Preis die Händler das Gas zuvor aus Russland eingekauft haben. Wenn der Preis sich jedoch an dem langfristigen Durchschnittspreis auf dem Future-Markt orientiert, so kann man davon ausgehen, dass sie zurzeit mindestens 400% Gewinn machen.

      Nun ist es aber nicht nur so, dass nur deutsche Spekulanten sich mit diesem Dreieckhandel die Taschen vollstopfen. Gas, das eigentlich für deutsche Kunden bestimmt ist, fließt nach Polen und in die Ukraine und gleichzeitig kommt kein neues Gas aus Russland durch die Jamal-Pipeline in die deutschen Gasspeicher, da diese ja im Rückwärtsbetrieb Gas aus den Speichern gen Osten transportieren muss. Die Folge: Die Speicher leeren sich und auf dem deutschen Gasmarkt treibt die Knappheit den Preis in die Höhe. Die Versorger geben diese Preissteigerungen an die Verbraucher weiter. Energieintensive Unternehmen gehen pleite und ein durchschnittlicher Haushalt muss mehr als 100 Euro pro Jahr mehr für die Heizkosten aufbringen. Somit zahlen letztlich auch deutsche Haushalte den Preis dafür, dass Länder wie Polen mit politischer Unterstützung Deutschlands ihre antirussischen Reflexe energiepolitisch umsetzen. Aber klar, Schuld daran ist natürlich Putin. Wer sonst?

      Warum liest man über diese Zusammenhänge nichts in den Zeitungen? Warum ist das politisch kein Thema?

      [...]

      pris du #gaz #Pologne #Ukraïne #Russie
      #entrepôts #spéculation

  • Julian Assanges juristische Odyssee geht weiter
    https://diasp.eu/p/14040037

    Julian Assanges juristische Odyssee geht weiter

    Am Montag ging das Tauziehen – oder man könnte auch sagen das (Kasperl-)Theater – um Julian Assanges Zukunft in eine weitere Runde. Seine Verlobte Stella Moris bezeichnet das Ergebnis als Sieg. Ich fand die kurze Verhandlung bzw. das Ergebnis eher undurchsichtig. Im britischen Justizsystem scheint es fast endlos verschiedene Routen zu geben. Im Endeffekt bleibt Julian Assange weiterhin im Hochsicherheitsgefängnis inhaftiert. Ein Bericht aus London von Moritz Müller.

    Am Londoner High Court geht es um einiges entspannter zu als im September 2020 am zentralen Strafgerichtshof Old Bailey. Man kann Tasche, Computer und Handy nach einem flughafenähnlichen Sicherheitscheck in den Gerichtssaal mitnehmen. Der Vorsitzende Richter Burnett ist der höchste (...)

  • Russland und China in Myanmar
    https://diasp.eu/p/12799970

    Russland und China in Myanmar

    Die Welt schaut entsetzt auf Myanmar: Ein Militärputsch, die Führer einer demokratisch gewählten Regierung wurden verhaftet. Suu Kyi, Staatspräsident Win Myint sowie viele andere Regierungsmitglieder sitzen seit dem 1. Februar im Gefängnis. Seit nun mehr drei Monaten gibt es landesweite Proteste und Streiks. Bereits 800 Menschen wurden erschossen, weil sie gegen den Militärputsch auf die Straße gegangen sind. Von Marco Wenzel.

    Eine Armee, die sich wie eine fremde Besatzungsmacht verhält, die mitscharfer Munition, und mit schweren Waffen, Maschinenpistolen und Granaten auf die Zivilbevölkerung schießt, ja sie sogar mit ihren Jagdflugzeugen bombardiert und in den Dschungel oder über die Landesgrenzen treibt hat in Myanmar die Macht ergriffen. Mehr als dreitausend (...)

    • L’article donne un bon aperçu des intérêts des grandes puissances à l’égard de la junte militaire, en mettant l’accent sur la Chine et la Russie.

      propre lien :

      https://www.nachdenkseiten.de/?p=71839

      [...]

      Warum aber blockieren China und Russland konkrete Maßnahmen gegen eine Militärdiktatur, die sich international als Paria geoutet hat und die bei der eigenen Bevölkerung so verhasst ist? Stimmen sie aus Prinzip gegen jede Resolution im Sicherheitsrat, wenn sie von den USA, Großbritannien oder Frankreich eingebracht wurde, sind sie von allen guten Geistern verlassen oder was steckt dahinter?

      [...]

      #Birmanie #Chine #Russie
      #jeu_d'echecs
      #ONU #États-unis #ANASE / #ASEAN #Europe
      #océan_Indien #géopolitique
      #route_de_la_soie

    • [...]

      China bezeichnete den Putsch als „Kabinettsumbildung”, während Russland ihn als „rein innenpolitische Angelegenheit” bezeichnete. China zusammen mit Russland als ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrates und als Vetomächte haben bisher alle Versuche westlicher Nationen im UN-Sicherheitsrat blockiert, kollektive Maßnahmen gegen Myanmars Militärputschisten und deren tödliches Vorgehen gegen unbewaffnete Demonstranten zu ergreifen. Bereits 2017 blockierte China zusammen mit Russland eine Resolution des UN-Sicherheitsrates, die Myanmar wegen der Rohingya-Krise kritisierte.

      Peking spielt den Militärputsch systematisch herunter. Chinas Interessenpolitik ist darauf ausgerichtet, sich mit jeder Regierung gut zu stellen, unabhängig von ideologischen und moralischen Fragen. Offiziell betreibt China eine Politik der Nichteinmischung. Wenn man sich aber die Geschichte der Beziehungen zwischen China und Burma anschaut, so gibt es darin keine Epoche, in der sich China, seit Gründung der Volksrepublik, nicht in Burma eingemischt hätte. Eine gute Zusammenfassung darüber hat Bertil Lintner hier veröffentlicht: China and Myanmar: No interference?[3]

      Was für Russland gilt, gilt im Großen und Ganzen auch für China. China ist der größte Lieferant von Militärgütern und Waffen an die Tatmadaw. Der burmesische Waffenimport aus China beträgt in etwa das Doppelte von dem aus Russland. Dass China die Militärs in Burma mit Waffen beliefert, dürfte unseren Lesern bereits bekannt sein. Wir wollen uns hier die Aufzählung der verschiedenen chinesischen Waffensysteme ersparen und verweisen auf den Link weiter unten, wo alle Waffen und Waffensysteme des burmesischen Militärs und deren Herkunft aufgelistet sind.[2] Die Rüstungsverkäufe, obwohl sie sehr umfangreich sind, spielen aber aus finanzieller Sicht nur eine untergeordnete Rolle für China. Viel wichtiger sind geostrategische Gesichtspunkte. Die riesigen Investitionen Chinas in Myanmar im Rahmen der neuen Seidenstraße übertreffen den Umsatz im Waffenverkauf um ein Vielfaches.

      Burma spielt eine strategisch wichtige Rolle im südostasiatischen Teilabschnitt von Chinas Projekt der neuen Seidenstraße. Der Landweg über Burma erlaubt China den direkten Zugang zum Golf von Bengalen und von dort in den Indischen Ozean.

      [...]

      (cf. la carte ci-dessus)

  • Schuldenbremse: Bankrotterklärung der Mainstream-Ökonomik
    https://diasp.eu/p/12791307

    Schuldenbremse: Bankrotterklärung der Mainstream-Ökonomik

    Wissenschaft, so haben wir das einst gelernt, ist der immerwährende Versuch, die Welt zu verstehen. Die große Mehrzahl der Ökonomen hat sich von diesem Konzept verabschiedet, was sich nirgendwo besser als an der Diskussion der Schuldenbremse zeigen lässt. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte: Der jüngste ifo-schnelldienst (ifo-schnelldienst 4/2021) hätte ihn erbracht: Das, was die große Mehrzahl der Ökonomen betreibt, hat nichts mit Wissenschaft zu tun. Der Vorgang ist leicht zu verstehen: Ein Institut, das weitgehend vom Staat finanziert wird und wissenschaftlichen Ansprüchen genügen sollte, lädt 13 Autoren zu einer Diskussion über die Schuldenbremse ein – und zwar unter dem Obertitel „Zur Diskussion gestellt“. Von Heiner Flassbeck mit (...)

    • Schuldenbremse: Bankrotterklärung der Mainstream-Ökonomik

      Von Heiner Flassbeck
      | 21. April 2021

      „Die Nachfrage der Unternehmer ist nicht eine Funktion ihres Einkommens, sondern ihr Einkommen ist eine Funktion ihrer Nachfrage“

      [...]

      Doch was wurde in Wirklichkeit zur Diskussion gestellt? Offenbar geht es bei der Schuldenbremse um die Frage, ob der Staat in einer bestimmten, uns durchaus bekannten deutschen Wirtschaft jenseits von Ausnahmesituationen wie dem Corona-Schock einen Einnahmeüberschuss (einen Überschuss der staatlichen Einnahmen über die Ausgaben erzielen soll, was wir meist „Sparen“ nennen oder Unter-den-Verhältnissen-leben), oder umgekehrt, einen Überschuss der staatlichen Ausgaben über die Einnahmen (was wir „Schulden machen“ nennen oder Über-den-Verhältnissen-leben).

      Was müsste einem Wissenschaftler in den Sinn kommen, der sich mit der Volkswirtschaft beschäftigt und zu den Schulden des Staates Stellung beziehen soll? Die Volkswirtschaft einzubeziehen, kann wohl nur bedeuten, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, auf welche Weise die Einnahmen und die Ausgaben des Staates sowie der Saldo mit den Ausgaben und Einnahmen der anderen Sektoren der Volkswirtschaft korrespondieren – oder auch nicht. Weder die Einnahmen des Staates noch seine Ausgaben lassen die anderen Sektoren unberührt.

      Hinzu kommt, in einer Marktwirtschaft gibt es einen Sektor, der kein festes Einkommen bezieht, weil er am Ende aller Anpassungsprozesse steht und das Einkommen erhält, das übrigbleibt, wenn alle vertraglich fixierten Einkommen abgegolten worden sind. Das ist der Unternehmenssektor. Sein Einkommen, der Gewinn, ist ein Residualeinkommen. Das, was der Staat in Sachen Schulden tut, schlägt sich folglich zumindest unmittelbar in den Unternehmensgewinnen nieder. Weiß man zudem als Volkswirt, dass das Nettogeldvermögen und die Nettoschulden der Welt immer genau gleich null sind (weil niemand über seinen Verhältnissen leben kann, wenn nicht gleichzeitig ein anderer unter seinen Verhältnissen lebt) ist die Aufgabe, die sich bei der Diskussion der Schuldenbremse stellt, klar umrissen.

      Das alles aber weiß offensichtlich keiner der vom ifo-Institut eingeladenen Volkswirte einschließlich der Volkswirte aus den eigenen Reihen, die das Institut zu Wort kommen lässt. Sucht man in den gesamten Texten nach „Finanzierungssalden“ ist das Ergebnis Null, bei „Unternehmensgewinnen“ ebenso und von „Leistungsbilanzüberschüssen“ hat scheinbar noch nie jemand etwas gehört. Ist das Nachlässigkeit, ein Versehen oder hat das System? Kann es sein, dass die Volkswirte ihr eigenes Untersuchungsobjekt aufgegeben haben und als Betriebswirte oder Haushaltsexperten herumdilettieren?
      Wilhelm Lautenbach hat es schon vor fast hundert Jahren erklärt

      Die Tatsache, dass das Geldvermögen einer geschlossenen Volkswirtschaft immer Null ist, liefert den Schlüssel zu einer eindeutigen und absolut unbestreitbaren Analyse. Alle Überschüsse und alle Defizite inklusive des Gewinns der Unternehmen, auf den es nach allgemein herrschender Auffassung für die gesamte Dynamik der Volkswirtschaft und damit letztlich auch für die staatlichen Schulden ankommt, ist nur in diesem logischen Korsett angemessen zu analysieren.

      Diese Erkenntnis haben im Gefolge der Weltwirtschaftskrise mehrere Ökonomen nahezu gleichzeitig entwickelt. Einer davon war Wilhelm Lautenbach, der hoher Beamter des Reichswirtschaftsministeriums während der großen Krise von 1929/30 und danach war. Er hatte in großer Klarheit erkannt, dass die damals und heute herrschende Lehre einen entscheidenden logischen Defekt aufwies: Sie analysierte die Wirtschaft auf eine Weise, die unterstellte, dass Angebot und Nachfrage nicht nur für das einzelne Unternehmen und den einzelnen Haushalt unabhängig voneinander gegeben sind, sondern auch für die Gesamtwirtschaft. Das aber konnte nicht stimmen, folgerte Lautenbach, weil man leicht zeigen kann, dass es für den Unternehmenssektor auf keinen Fall gilt.

      Lautenbach teilte das gesamte Einkommen (E) der Volkswirtschaft in Unternehmereinkommen (EU) auf der einen Seite und Nichtunternehmereinkommen (EN) auf der anderen auf. Da das gesamte Volkseinkommen (auf der Nachfrageseite) nur aus Konsum (V) und Investition (I) bestehen kann, schrieb er:

      EU + EN = E = I + V

      Lautenbach folgerte daraus: „Da aber das Einkommen der Nichtunternehmer pari passu mit der Produktion unmittelbar gegeben ist, eben durch die Höhe der Entschädigungen, die die Unternehmen an die Nichtunternehmer zahlen, während das Unternehmereinkommen gerade unbestimmt ist, erst auf dem Markt festgestellt wird, so hat es einen Sinn, diese Gleichung nach EU aufzulösen“. Nach einigen einfachen Umformungen entsteht:

      EU = I + VU – SN

      Das bedeutet, dass das Einkommen der Unternehmer immer gleich ist dem Wert der Investition zuzüglich des Verbrauchs der Unternehmer selbst, aber abzüglich der Ersparnisse aller Nichtunternehmer, also auch der des Staates. Staatliches Sparen schlägt sich unmittelbar als Verminderung des Gewinns der Unternehmen nieder und staatliche Ausgabenüberschüsse (Schulden) vergrößern die Gewinne der Unternehmen. Wer über staatliche Schulden redet, ohne diesen Zusammenhang zugrunde zu legen, bleibt vollkommen irrelevant.

      Offensichtlich ist es so, dass jede Ausgabenkürzung, wo immer in der Volkswirtschaft sie vorgenommen wird, gleichartige negative Auswirkungen auf die Gewinne der Unternehmen hat. Ob es die privaten Haushalte sind, der Staat, die Unternehmen selbst oder die gleichen Akteure in den Ländern, die mit uns Handel treiben (das Ausland), immer führt eine Kürzung der Ausgaben einer dieser Gruppen bei gleichbleibenden Einnahmen dazu, dass die Gewinne der Unternehmen sinken.
      Die Unternehmen nutzen und schaden sich selbst

      Besonders eklatant ist das im Falle der Unternehmen. Reagieren die Unternehmen auf Ausgabekürzungen anderer Sektoren mit eigenen Ausgabekürzungen, was den Normalfall darstellen dürfte, verschlechtern sie unmittelbar die Situation aller Unternehmen weiter, weil ihre Kürzungen nichts anderes bedeuten als Einnahmeausfälle für andere Unternehmen.

      Dieses Phänomen kann man in seiner grundsätzlichen Bedeutung kaum überschätzen. Das heißt nämlich, dass es für das marktwirtschaftliche System ohne Intervention des Staates keine Möglichkeit der Selbststabilisierung im Falle eines negativen Nachfrageschocks gibt. Eine einmal ins Rollen gebrachte Lawine ist nicht mehr zu stoppen. Umgekehrt gilt, dass investierende und sich verschuldende Unternehmen die Situation aller Unternehmen ständig verbessern, ohne dass es dafür eine „natürliche“ Grenze gäbe. Der Zyklus der Konjunktur mit seiner offenkundigen Neigung, in beiden Richtungen zu „überschießen“, findet hier eine systematische Erklärung.

      Für die Interventionen der Wirtschaftspolitik in der Vergangenheit war diese Erkenntnis von enormer Bedeutung. Es bedurfte nicht unbedingt dauernder Eingriffe mit höherer staatlicher Verschuldung, sondern es genügte in der Regel, durch eine antizyklische Maßnahme die Richtung zu ändern, in der die Unternehmen die Anpassung an eine sich ändernde Einnahmesituation vornehmen. In der neuen Welt, wo die Unternehmen praktisch immer sparen (siehe Schaubild weiter unten), wie das in den meisten Ländern der Welt seit über zehn Jahren der Fall ist, ist der Staat allerdings permanent gefordert, neue Schulden zu machen, weil es sonst niemals aufwärts geht.

      Auch „das Ausland“ respektive die dort agierenden Gruppen können mit der Kürzung ihrer Ausgaben (mit vermehrtem „Sparen“) die Situation der inländischen Unternehmen verschlechtern und umgekehrt mit mehr Ausgaben für Importe die inländischen Unternehmen zu eigenen Investitionen anregen. Es zeigt sich an diesen schlichten Überlegungen, dass der repräsentative Haushalt, von dem die herrschende neoklassische Theorie glaubt, dass er mit seiner Entscheidung über mehr oder weniger Sparen aus einem gegebenen Einkommen, die Weltwirtschaft lenkt, eine geradezu lächerliche Figur ist. Das Gleichgewichtsdenken allgemein trägt in kaum zu überschätzender Weise zur allgemeinen Verwirrung bei. Für die Wirklichkeit komplexer arbeitsteiliger Wirtschaften, wo die Unternehmen sich an anonymisierte Signale über Einnahmen und Ausgaben anpassen müssen, ist das Gleichgewicht keine Annäherung an die relevanten Zusammenhänge, sondern eine Ablenkung.

      Alle staatlichen Handlungen, die ein Ausgabendefizit zur Folge haben, sind grundsätzlich nicht geeignet, eine Volkswirtschaft zu stabilisieren, weil die Nachfrage der Unternehmen, die Auslastung ihrer Produktionskapazitäten und ihre Gewinne sinken. Weil die Unternehmen daraufhin mit ihrer Anpassungsreaktion an sinkende Gewinne die Gewinne der Unternehmen insgesamt noch einmal verringern, besteht jederzeit die Gefahr einer kumulativen Verstärkung des Abschwungs.

      Umgekehrt gilt, dass jede bewusste Herbeiführung eines Ausgabenüberschusses, sei es von der Seite des Staates, des Auslands oder der Unternehmen selbst, die Nachfrage- und Gewinnsituation der Unternehmen unmittelbar verbessert. Das wiederum schafft die Möglichkeit, dass die Unternehmen die positiven Impulse zu einer weiteren Vergrößerung ihres Ausgabenüberschusses veranlassen, was dann zu einem kumulativen Aufschwungsprozess führen kann.

      Wir beobachten hier also eine starke Asymmetrie. Je nachdem, ob ein Ausgabenüberschuss oder ein Einnahmenüberschuss am Beginn eines dynamischen Prozesses steht, entwickelt sich die Wirtschaft in Richtung Einkommenssteigerung oder Einkommenssenkung. Die neoklassische Vermutung, man könne auch in einer komplexen Wirtschaft durch einen Einnahmenüberschuss, durch „Sparen“, durch Gürtel-enger-Schnallen mithilfe von „nichtkeynesianischen Effekten“ einen Wachstumsschub initiieren, ist von vorneherein vollkommen unsinnig und gefährlich.

      Wilhelm Lautenbach hat den Kern der Geschichte in seiner unnachahmlich knappen Art in die Worte gefasst: „Die Nachfrage der Unternehmer ist nicht eine Funktion ihres Einkommens, sondern ihr Einkommen ist eine Funktion ihrer Nachfrage“ (S.22). Bei John Maynard Keynes findet man diese bedeutende Einsicht in einer eher beiläufigen Bemerkung schon in der „Treatise on Money“ aus dem Jahre 1930. Wolfgang Stützel hat übrigens versucht, diesen (ihn offensichtlich schockierenden) Satz in einer Fußnote, die sich über mehrere Seiten zieht, zu erklären. Das ist ihm nicht gelungen, man kann aber klar herauslesen, dass auch er, der Herausgeber des Lautenbachschen Buches (Zins/Kredit und Produktion, Mohr Siebeck 1952), diesen zentralen Satz weder inhaltlich noch im Sinne seiner großen wirtschaftspolitischen Bedeutung verstanden hat.

      Anzumerken ist noch, dass die Tatsache, dass ex post, also nach dem Ende aller Anpassungsprozesse dennoch alle Ausgabendefizite durch Ausgabenüberschüsse genau ausgeglichen werden, keinerlei Bedeutung für die Frage hat, ob der Prozess, der zu dieser ex post-Gleichheit führte, effizient oder ineffizient war. Denn es ist entscheidend, ob der zwischen den ursprünglich getroffenen Entscheidungen liegende (ungleichgewichtige) Prozess und dem ex post Resultat ein Aufschwung oder ein Abschwung stattfand, ob also im Laufe des Prozesses die gesamtwirtschaftlichen Einkommen gestiegen oder gesunken sind und ob Arbeitsplätze geschaffen oder verloren wurden.

      Beeindruckend ist auch, dass die Unternehmensverbände dieser Welt nicht verstanden haben, in welcher Weise und in welchem Ausmaß ihre Mitglieder sich dadurch schaden, dass sie zu Netto-Sparern geworden sind. Wie die Finanzierungssalden für Deutschland in der Graphik zeigen, war das systematische Sparen der deutschen Unternehmen in den vergangenen zwanzig Jahren nur möglich, weil fast immer das Ausland die Rolle des Schuldners übernommen hat. Im Jahr 2020 musste allerdings wieder einmal der Staat die Lücke in der Nachfrage schließen, die von den Unternehmen und den privaten Haushalten mit dem Anstieg ihrer Sparquote geschaffen wurde.

      Abbildung 1

      Damit ist die Frage nach der Zukunft der Schuldenbremse für Deutschland abschließend und eindeutig geklärt. Wenn es dem Staat nicht gelingt, die Unternehmen wieder in die Rolle des Schuldners zurückzudrängen, muss er selbst diese Rolle übernehmen, es sei denn, er will Merkantilist bis ans Ende aller Tage bleiben und erwartet, dass die Handelspartner diesen massiven Verstoß gegen alle Handelsregeln klaglos und ohne Gegenwehr akzeptieren.
      Warum lernen die deutschen Volkswirte nicht?

      Ich muss noch eine kurze Anmerkung nachschieben. Es ist mehr als bemerkenswert (skandalös wäre vermutlich das richtige Wort), dass schon in dem 1952 posthum erschienenen einzigen Buch von Wilhelm Lautenbach (Lautenbach ist 1948 schon gestorben) die Ablenkungsmanöver der deutschen Ökonomen in vollem Gange waren. Wilhelm Röpke, einer der immer noch als bedeutend angesehenen Ordoliberalen schrieb im Vorwort zu dem Buch, er hätte gerne gewusst, ob Lautenbach (den er offensichtlich persönlich kannte) sich der „außerordentlichen Bedingtheit“ der keynesianischen Lehre, ihrer „engen Grenzen“ und „der schweren Gefahren ihres Missbrauchs“ bewusst gewesen sei. Schließlich habe sich die „einzigartige Situation der großen Depression, von der #Lautenbach und #Keynes ausgegangen waren, völlig umgekehrt…“.

      Was ist wohl an der obigen Aussage von Lautenbach über die Unternehmereinkommen „außerordentlich bedingt“? Es ist eine vollkommen unbedingte, immer und jederzeit geltende Gesetzmäßigkeit, die sich aus der Tatsache ergibt, dass die Ausgaben einer Gruppe in der Volkswirtschaft immer die Einnahmen der anderen Gruppen sind und die Unternehmen insgesamt in einer Marktwirtschaft das Residualeinkommen erzielen.

      Diese Erkenntnis ist, wie die vollständige Vernachlässigung der Finanzierungssalden zeigt, bis heute nicht in die herrschende liberal-neoklassische Ökonomik vorgedrungen und genau deswegen hat man die Dynamik einer Marktwirtschaft nicht einmal im Ansatz verstanden, obwohl man von nichts anderem als der Marktwirtschaft redet. Genau deswegen kann diese gesamte Denkschule keinen geeigneten wirtschaftspolitischen Vorschlag machen und richtet mit ihrer kleinteiligen und falschen Sichtweise großen Schaden an. Nach fast hundert Jahren des Missverstehens ist es an der Zeit, die zentralen Einsichten anzuerkennen oder offen zu sagen, dass es um Wissenschaft und objektive Erkenntnis gar nicht geht.

      Heiner Flassbeck ist Gründer und Spiritus Rector von MAKROSKOP. Er ist Honorarprofessor an der Universität Hamburg, war Chef-Volkswirt der UNCTAD und Staatssekretär im BMF. Seine Hauptarbeitsgebiete sind die Globalisierung, die Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung sowie Geld- und Währungstheorie.

      #endettement #théorie_monétaire #monnaie #valuta #économie #keynésianisme

  • Ein statistischer Blick auf die Übersterblichkeit in Zeiten von Corona
    https://diasp.eu/p/12430521

    Ein statistischer Blick auf die Übersterblichkeit in Zeiten von Corona

    Noch nie war das Interesse der Menschen für abstrakte statistische Kennzahlen so groß wie während des Coronageschehens im letzten Jahr. Meldungen über Kriege, Hungersnöte und Wirtschaftskrisen gerieten zu Randnotizen angesichts der sich weltweit ausbreitenden Coronaviren. In Nachrichtensendungen dominierten Graphiken und Statistiken zum Infektionsgeschehen und das Publikum verfolgte gebannt die Entwicklung der R-Werte, der Inzidenzen und der Übersterblichkeit. Das Statistische Bundesamt trug dem wachsenden Interesse Rechnung, indem es wöchentlich eine „Sonderauswertung zu Sterbefallzahlen“ veröffentlichte. Am 29. Januar 2021 hat die Statistikbehörde die noch ausstehenden letzten Sterbezahlen für das Jahr 2020 nachgereicht, so (...)

  • In der Corona-Krise wissen die Russen die Datschen noch mehr zu sch...
    https://diasp.eu/p/11981431

    In der Corona-Krise wissen die Russen die Datschen noch mehr zu schätzen

    Während der Corona-Krise entstanden vor den russischen Großstädten viele neue Datschen. Unser Autor ist selbst auf die Suche nach einer Datsche gegangen und erfuhr dabei so Manches über den russischen Immobilienmarkt. Eine Reportage von Ulrich Heyden, Moskau.

    „Was, schon so lange in Moskau und noch keine eigene Wohnung?“ Mitleidiges Staunen bei allen Russen, mit denen ich über mein Leben in Moskau spreche. Wer in den 2000er Jahren aus der russischen Provinz nach Moskau kam, um Geld zu verdienen und Karriere zu machen, handelte schnell. Nach ein paar Jahren war der Neuankömmling Besitzer einer mit Hilfe von Krediten erworbenen Wohnung.

    Ich erinnere mich auch an eine schlaue Journalisten-Kollegin aus den Niederlanden. Die (...)

  • Hinweise des Tages
    https://diasp.eu/p/11183198

    Hinweise des Tages

    Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

    Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

    Lasst Daimler sterben! Er macht Polizisten zu Kriegern Coronamythen mit Demeter-Siegel Varoufakis: Merkel “hat Eurobonds begraben” Altersheimbewohner in Madrid: „Wer Morphium bekam, war nach drei Tagen tot“ Corona beschleunigt die unausweichliche Deglobalisierung Corona: Die ignorierten Armen Wie sicher ist der Wohlstand im Alter? Asymptomatic spread of coronavirus is ‘very rare,’ WHO says Blackrock behält umstrittenen Beratungsauftrag der EU-Kommission Die “Impfstoff-Allianz” Sterben (...)

  • Das schweigende Gesundheitsministerium: Wie in Frankreich eine effektive Therapie gegen Covid-19 unterdrückt wird
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=60005

    07. April 2020 von Pierre Blanchaud

    Hinter Italien und Spanien gehört Frankreich mit zur Zeit fast 9.000 Todesfällen mit Covid-19-Zusammenhang zu den am stärksten vom neuen Coronavirus getroffenen Ländern Europas. Frankreich ist jedoch auch das Land, in dem die Studien mit dem ursprünglichen Malariamittel „Chloroquin“ als Therapeutikum gegen Covid-19 am weitesten sind. Lobby- und Wirtschaftsinteressen der Pharmaindustrie verhindern jedoch bis dato eine Anerkennung dieses preiswerten Therapieansatzes, wie Pierre Blanchaud exklusiv für die NachDenkSeiten zu berichten weiß.

    Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

    https://www.nachdenkseiten.de/upload/podcast/200407-Das-schweigende-Gesundheitsministerium-NDS.mp3

    Update: Zu diesem Beitrag erreichte uns eine kritische Leserzuschrift, die auf die Nebenwirkungen von „Chloroquin“ hinweist. Selbstverständlich wollen wir keine Werbung für dieses Medikament machen und schon gar nicht mögliche Nebenwirkungen verschweigen. Greifen Sie also – sofern Ihnen das möglich ist – auf keinen Fall aufgrund dieses Artikels zu einer Selbstmedikation, sondern wenden Sie sich an einen Arzt Ihres Vertrauens.

    Frankreich, das früher auf eines der weltweit besten Gesundheitswesen stolz war, ist von der Covid-19-Epidemie in einem unvorstellbaren Zustand der Desorganisierung überrascht worden. Nach vier Jahrzehnten neoliberaler Sparpolitik, die seit Macrons Amtsantritt noch verschärft worden ist, liegt das Gesundheitssystem in Trümmern. Es hat eine massive Schließung öffentlicher Krankenhäuser gegeben.[1] Stellvertretend für dieses Phänomen, von dem das ganze Land betroffen ist, sind die Geschehnisse in der Hauptstadt. Seit dem Anfang des Jahrhunderts sind in Paris mindestens vier staatliche Krankenhäuser, die flächendeckend die Bevölkerung versorgten, geschlossen worden. Wenn man jedes dieser Krankenhäuser mit den Zeitpunkten seiner allmählichen Zerschlagung bzw. Schließung versieht, kommt man auf die folgende Liste: Krankenhäuser Laënnec (2000), Broussais (2000-2007), Saint-Vincent-de-Paul (2011) und Val-de-Grâce (2016). Ein fünftes Krankenhaus, das Hôtel-Dieu in der Nähe von Notre-Dame, wird z. Z. vom Staat an private Investoren im Rahmen eines Projektes verkauft, das aus diesem geschichtsträchtigen Viertel ein Luxus- und Vergnügungszentrum machen wird.[2] Diese Schließungen haben erwartungsgemäß eine Migration der Patienten in die übrigbleibenden Krankenhäuser verursacht, die dann auch zur normalen Zeit am Rand ihrer Kapazitäten arbeiteten, jetzt aber, bei der Pandemie, total überfordert sind. Eigentlich sollte dies keine Überraschung sein, denn seit langem hatte das Pflegepersonal Alarm geschlagen, war sogar in den Streik getreten und hatte auf der Straße demonstriert – aber alles vergebens![3] Es hatte keine Chance, gehört zu werden, da seine Forderung nach einer besseren Ausstattung der Krankenhäuser frontal der von der Finanzelite betriebenen Politik widersprach. Eine Politik, deren Grundprinzip ist, dass alles, was nicht „rentabel“ ist – sprich: profitabel für diese Finanzelite – eingespart werden muss. Die Nicht-Vorbereitung, die zu der heutigen, miserablen Situation geführt hat, ist so extrem und systematisch gewesen, dass viele Franzosen inzwischen vermuten, all dies sei kein Zufall und die jetzige sanitäre Katastrophe sei bewusst und absichtlich herbeigeführt worden.

    In dieser desolaten Landschaft gab es trotzdem eine Hoffnung und sie kam aus China. Dort wurden verschiedene Studien[4] zu erfolgsversprechenden Therapien veröffentlicht. Eine dieser Therapien, um die es im Folgenden nun gehen soll, basiert auf Chloroquin. Bei Chloroquin und seiner besser verträglichen Tochtersubstanz Hydroxychloroquin handelt es sich um ein Antimalariamittel, das es bereits seit siebzig Jahren gibt und das mittlerweile auch bei Rheumatoider Arthritis sowie bei Systemischer Lupus Erythmatodes eingesetzt wird. Dieses ursprünglich von der IG Farben erfundene Medikament ist bewährt und sicher. Da der Patentschutz abgelaufen ist, ist es zudem kostengünstig.

    Die vielversprechenden chinesischen Forschungs- und Behandlungsergebnisse wurden in Frankreich zunächst von dem Institut Hospitalo-Universitaire (IHU) Méditerranée Infection (angesiedelt bei dem Hôpital de la Timone in Marseille) aufgegriffen. Dieses Institut wird von einem weltweit renommierten Virologen, Prof. Didier Raoult, geleitet.[5] Es gelang dem Team um Raoult in einer kleinen Studie über das Hydroxychloroquin und das Antibiotikum Azithromycin, die Ergebnisse der chinesischen Forscher zu bestätigen.[6] Diese Nachricht wurde zunächst „auf dem Dienstweg“ dem Gesundheitsministerium weitergeleitet, aber leider nur mit Schweigen quittiert. Daraufhin wandte sich Raoult mit einer Videobotschaft an die Öffentlichkeit, um darin die Ergebnisse seiner Forschung vorzustellen.[7] Dieses Video hat rasant schnell seinen Weg über alternative Onlinepublikationen gefunden und eine Art „Gegenöffentlichkeit“ hergestellt. Das war notwendig, denn nicht nur das Gesundheitsministerium, sondern auch die „Qualitätsmedien“ standen dieser Initiative ablehnend bis feindselig gegenüber. Laut Raoult hatte Le Monde seine Forschungsergebnisse sogar als Fake News abgetan und das Gesundheitsministerium war dieser Zeitung gefolgt: es ließ 36 Stunden lang die Anschuldigung auf seiner offiziellen Webseite stehen.[8]

    Dass Raoults Forschungsergebnisse auf eine solche negative Resonanz bei der Obrigkeit und den Mainstream-Medien trafen, lässt sich dadurch erklären, dass das Aufkommen eines effizienten und billigen Medikamentes auf dem französischen und europäischen Markt die Projekte von zwei Pharmafirmen, Gilead und Abbvie, durchkreuzen würde. Diese beiden Firmen stellen zwei ebenfalls gegen Covid-19 eingesetzte Medikamente her: Gilead stellt das sehr teure Anti-Ebola-Mittel Remdesivir her und Abbvie Kaletra ein Kombinationspräparat aus den Anti-HIV-Medikamenten Lopinavir und Ritonavir. Bekanntlich reicht der Arm der starken Pharmaindustrie bis in die hohen Sphären der französischen Gesundheitspolitik. Und aus diesen hohen Sphären haben die oben erwähnten Firmen drei Personen, die sich – was für eine Überraschung! – als prominenteste Gegner Raoults und des Hydroxychloroquins geoutet haben: Agnès Buzyn, ihr Ehemann Yves Lévy und ihr Mitarbeiter und Freund Jerôme Salomon. Zu diesen drei Musketieren gesellt sich die Virologin Karine Lacombe, Chefärztin im Pariser Krankenhaus Saint-Antoine.

    Agnès Buzyn war vom 17.05.2017 bis zum 16.02.2020 Gesundheitsministerin unter Macron gewesen. Im Oktober 2019 – also unmittelbar vor dem Ausbruch der Covid-19-Epidemie – initiierte sie in ihrem Ministerium ein Vorgehen, das dazu führte, dass das bis dahin seit Jahrzehnten freiverkäufliche Hydroxychloroquin (in Frankreich unter dem Namen Plaquenil) ab Januar 2020 rezeptpflichtig wurde.[9]

    Ihr Ehemann Yves Lévy war von 12.06.2014 bis zum 13.10.2019 Leiter der wichtigen staatlichen Behörde Institut national de la Santé et de la Recherche Médicale (INSERM) gewesen. Er ist selber Arzt und Epidemiologe und hatte am Aufbau des Virologie-Labors in Wuhan mitgewirkt,[10] welches während der letzten Wochen oft in den Medien als ein möglicher Ursprung der Pandemie – durch ein Leck – erwähnt worden ist. Während Lévys Amtszeit hat der INSERM auch eng mit der Firma Gilead zusammengearbeitet. Mit vereinten Kräften hatten Agnès Buzyn und Yves Lévy in den vergangenen Jahren aus ihren jeweiligen Machtfunktionen immer wieder versucht, den Aufbau des IHU von Raoult zu verhindern oder zumindest zu bremsen.[11] Sie haben dafür gesorgt, dass dieser IHU gewisse verwaltungstechnische Anerkennungen nicht bekommt, auf die er normalerweise einen Anspruch gehabt hätte.[12] Vor allem die 160 Millionen Euro, die Raoult von dem französischen Staat für den Aufbau des Marseiller Labors erhalten hatte, bleiben Buzyn und Lévy ein Dorn im Auge.[13] Sie sind der Meinung, dass sie dieses Geld ganz gut für ihre eigenen, konkurrierenden Projekte hätten gebrauchen können.[14]

    Während Raoults Videobotschaft ihren Weg in eine breite, digitale Öffentlichkeit fand, ging es im Gesundheitsministerium darum, zu entscheiden, welche Forschungsprojekte im Rahmen des von der EU finanzierten „Essai Clinique Européen Discovery contre le Covid-19“ (in Deutschland bekannt als „das europäische Projekt Discovery“) berücksichtigt werden sollten. Dieses Projekt, das am 21./22. März 2020 gestartet ist, wird europaweit vom INSERM, der ehemaligen Arbeitsstelle von Lévy, koordiniert.[15] Vor Frau Buzyn Rücktritt letzten Februar sollten nur die Projekte der Pharmafirmen Gilead (Remdesivir) und Abbvie (Lopinavir+ Ritonavir) gefördert werden, unter Ausschluss des von Raoult empfohlenen Hydroxychloroquins. Die breite digitale Öffentlichkeit, welche das Video auf den Plan gerufen hatte, machte es aber unmöglich, den Vorschlag Raoults weiter zu ignorieren. Frau Buzyn trat freiwillig zurück und ihr Nachfolger als Gesundheitsminister, Olivier Véran, nahm Hydroxychloroquin in die Liste der im Rahmen des europäischen Projektes zu erprobenden Therapien auf.[16] Das war ein erster Erfolg für Raoult und sein Team.

    Aber auch nach Ausscheiden von Frau Buzyn blieb ihre „rechte Hand“ im Amt: Jerôme Salomon, der seit dem 08.01.2018 Directeur général de la Santé, d.h der zweite Mann im Ministère de la Santé ist. Als solcher übt er weiter einen großen Einfluss unter dem neuen Gesundheitsminister Olivier Véran aus. Ist es also wirklich ein Zufall, dass am 26. März 2020 den niedergelassenen Ärzten in einem „Décret d’encadrement de la chloroquine“ , einem Erlass des Gesundheitsministeriums, verboten wurde, Hydroxychloroquin zu verschreiben? Von diesem Zeitpunkt an durften es nur noch die in der stationären Versorgung tätigen Klinikärzte anwenden – und auch lediglich in bereits fortgeschrittenen Fällen von Covid-19. Dieser letzte Punkt ist besonders perfide, weil bei solchen Fällen das Hydroxychloroquin nicht mehr wirken kann. Raoults Originalzitat:

    „Wenn es zu spät ist, dann ist es wirklich zu spät, wenn die Leute schon in Intensivbehandlung sind. Wenn die Leute Notsyndrome der Atemwege haben, wenn man gezwungen ist, sie zu intubieren, dann ist es wirklich nicht mehr die Stunde der Antiviren. (…) Wenn die Läsionen einmal vorhanden sind, sind sie unumkehrbar, und es gelingt uns nicht mehr, sie zu stoppen.“

    Das, was dann übrigbleibt, sind zerrissene Lungen und die Aussicht auf einen baldigen Tod. Man hatte also im Gesundheitsministerium beabsichtigt, negative Ergebnisse für die Anwendung des Hydroxychloroquins zu produzieren – Ergebnisse, die beweisen sollten, dass dieses Medikament unwirksam bleibt.

    Als medienaffine Gegnerin des Hydroxychloroquins profilierte sich Prof. Karine Lacombe, ehemalige Mitarbeiterin Lévys bei INSERM und jetzt Chefärztin im Fachbereich Infektionskrankheiten des Hôpital St. Antoine, Paris. In Frankreich erfüllt Professorin Lacombe eine ähnliche Funktion wie Christian Drosten in Deutschland oder Anthony Fauci in den U.S.A. Sie ist die „offizielle Fernseh-Virologin“, die die breite Öffentlichkeit über den wissenschaftlichen Sachverhalt auf eine Art und Weise „aufklärt“, die diese Öffentlichkeit in eine von gewissen wirtschaftlichen und politischen Interessen gewünschte Richtung lenkt. Es ist zudem publik geworden, dass Karine Lacombe seit 2013 insgesamt 25.000 Euro von der Firma Gilead für verschiedene Aktivitäten erhalten hat, und seit 2012 desgleichen 38.000 Euro von der Firma Abbvie.[17]

    Genau wie sich Karine Lacombe oder Christian Drosten[18] vorsichtig davor hüten, die Therapie mit Hydroxychloroquin + Azithromycin als unwirksam zu bezeichnen, sondern sich darauf beschränken, die Methodik der Marseiller Studien zu kritisieren, so ist es auch zu einem Umschwenken in der Strategie der Leitmedien gekommen. Während Le Monde z.B. weiter beharrlich über die therapeutischen Erfolge des Marseiller Teams schweigt, berichtet dieses neoliberale Blatt besonders gern über Einzelfälle von Selbstmedikation mit Chloroquin, die mit tödlichem Ausgang endeten. Im Gedächtnis der Leser bleiben dann nur die negativen Schlagzeilen.[19] Dabei wird es verschwiegen, dass Raoult und seine Mitarbeiter ständig vor Selbstmedikation gewarnt haben.

    Am 27. März publizierte Raoults Team die Ergebnisse einer weiteren, größeren Studie zu den mit Hydroxychloroquin + Azithromycin behandelten Patienten.[20] Und diese Ergebnisse sind vielversprechend: von 80 Fällen wurden 78 geheilt; ein 84-jähriger Patient starb und ein 76-Jähriger blieb in der Intensivpflege. Inzwischen werden in Frankreich die Befürworter des Chloroquins immer zahlreicher, auch wenn sie nur selten die Gelegenheit bekommen, sich in den „Qualitätsmedien“ auszudrücken. Einer dieser Unterstützer ist Prof. Med. Philippe Douste-Blazy (Schwerpunkt u.a. Epidemiologie), ehemaliger Gesundheitsminister und beigeordneter Generalsekretär der Vereinten Nationen. In einer Videobotschaft appellierte er am 3. April an die Regierung, den Erlass vom 26. März 2020 zurückzunehmen, und initiiert eine Petition,[21] die innerhalb von zwei Tage von zweihunderttausend Bürgern unterschrieben wurde. Da Douste-Blazy dem Marseiller Team sehr nahesteht, erlaubt er sich auch, in diesem Video Raoults Formel zu verraten: 600 Milligramm Hydroxychloroquin + 250 Milligramm Azithromycin täglich während zehn Tagen. Diese Formel muss aber jeweils nach individuellem Fall justiert werden – daher folgte auch von Douste-Blazy der dringende Aufruf, keine Selbstmedikation vorzunehmen.

    Übrigens hat diese Polemik inzwischen Frankreichs Grenzen überschritten, wie u.a. ein Artikel des international bekannten Journalisten Pepe Escobar es bezeugt: Why is France hiding a cheap and tested virus cure.[22]

    In Frankreich selbst hat übrigens die Behandlung mit Hydroxychloroquin + Azithromycin in der öffentlichen Meinung schon den Sieg davongetragen. Raoults Team hat inzwischen mehr als tausend Menschen getestet und mehrere Hunderte Patienten behandelt. Vor dem IHU in Marseille bilden sich unendliche Warteschlangen von Leuten, die diszipliniert darauf warten, von dem Pflegepersonal dieses Institutes aufgenommen, getestet und wenn nötig behandelt zu werden. Unter dem Druck der Ereignisse beziehen die Fachabteilungen für Infektionskrankheiten der verschiedenen französischen Krankenhäuser Stellung. Am 29.03.2020 waren es 44 in ganz Frankreich, die sich dafür entschieden haben, die Patienten nach dem Raoult-Protokoll zu testen und zu behandeln, und nur drei lehnten es kategorisch ab (darunter die Abteilung von Karine Lacombe im Pariser Saint-Antoine).[23]

    Inzwischen haben auch niedergelassene Ärzte aus ganz Frankreich ihre eigene Petition initiiert, die vor wenigen Tagen online gestellt wurde. Diese Mediziner beanspruchen auch für sich die Erlaubnis, ihre mit Covid-19 infizierten Patienten mit der Zusammensetzung Hydroxychloroquin + Azithromycin zu behandeln.[24]

    Die Hindernisse, die unter dem Vorwand protokollarischer Bedenken Raoults Therapie in den Weg gelegt werden, sind kriminell, denn es geht hier um Tausende, vielleicht sogar Zehntausende Menschenleben. Aber genau betrachtet sind sie auch lächerlich, wenn man bedenkt, dass bereits viele andere Länder das Chloroquin adaptiert haben. In Russland haben Forscher eine eigene Therapie ausgearbeitet, die sehr nah an Raoults Protokoll ist.[25] In den USA wurden große Mengen an Chloroquin vorsorglich bestellt.[26] In Algerien,[27] Marokko[28] und vielen anderen afrikanischen Ländern[29] soll diese Therapie nun in der Klinik eingesetzt werden. Und in dem am schlimmsten von Covid-19 betroffenen europäischen Land, Italien, schreibt Prof. Bartoletti, Vizepräsident des italienischen Verbandes der Allgemeinmediziner:

    „Die Ergebnisse, die wir zu zentralisieren beginnen, lassen vermuten, dass das Hydroxychloroquin, wenn es früh genug verabreicht wird, bei der Mehrheit der Patienten die Vermeidung einer schlimmen Entwicklung der Krankheit, und dadurch eine Entlastung der Intensivstationen ermöglicht.“[30]

    Mit ihrer Vollbremsung einer offensichtlich erfolgreichen Therapie ist die französische Regierung zunehmend isoliert. Und in Deutschland? Man scheint von der Effizienz des Chloroquins bzw. des Hydroxychloroquins insgeheim überzeugt zu sein. Anders ist es nicht zu erklären, dass Gesundheitsminister Jens Spahn große Mengen von diesem Stoff bei Bayer bestellt hatte.[31] Aber diese de-facto-Anerkennung lässt man im Halbdunkel, sie wird nicht der breiten Öffentlichkeit kommuniziert. Und die deutschen „Qualitätsmedien“ hüten sich sogar davor, diese beiden Produkte beim Namen zu nennen, als ob sie die Auseinandersetzung, die z.Z. in Frankreich stattfindet, gar nicht wahrnehmen wollten. Wenn sie manchmal das Thema anschneiden, sprechen sie wie beschämt nur von „einem Mittel gegen die Malaria“.[32] Warum das? Wäre es nicht wünschenswert, dass die Menschen in Deutschland erfahren, dass es schon ein erprobtes Medikament gegen Covid-19 gibt? Das würde den Behörden ermöglichen, Maßnahmen zurückzufahren, die tief in die Grundrechte und in die Grundfreiheiten eingreifen. Und das würde vor allem den Menschen die Angst wegnehmen. La peur est mauvaise conseillère, die Angst ist bekanntlich eine schlechte Beraterin. Und sie stellt eine Versklavung der Seelen dar.

    Pierre Blanchaud, Linguist, ehemaliger Lektor an der RWTH Aachen

    Titelbild: creativeneko/shutterstock.com

    [«1] francetvinfo.fr/sante/hopital/fermeture-des-hopitaux-quels-sont-les-chiffres_3187165.html; oder leparisien.fr/economie/hopital-17-500-lits-de-nuit-fermes-en-six-ans-17-10-2019-8174565.php

    [«2] lesechos.fr/pme-regions/actualite-pme/lhotel-dieu-le-plus-vieil-hopital-de-paris-souvre-aux-start-ups-et-aux-commerces-1131009

    [«3] leparisien.fr/societe/sante/greve-des-urgences-on-a-ferme-100-000-lits-en-20-ans-24-04-2019-8059401.php; s. auch lemonde.fr/sante/article/2018/03/17/ras-le-bol-decouragement-perte-de-sens-l-immense-malaise-de-l-ap-hp_5272382_1651302.html

    [«4] z.B.: Wang M, Cao R, Zhang L, et al. Remdesivir and chloroquine effectively inhibit the recently emerged novel coronavirus (2019-nCoV) in vitro. Cell Res. 2020;30(3):269–271. doi:10.1038/s41422-020-0282-0

    [«5] Wer sich über Prof. Raoults Leben und Werk in der deutsch- bzw. englischsprachigen Wikipedia informiert, der erfährt, dass er bereits mehrfach beratend für die französische Regierung und internationale Institutionen gearbeitet hatte. Aufgrund der Anzahl seiner Publikationen in den renommiertesten Fachzeitschriften wird er sogar auf der Internetseite Expertscape (expertscape.com) als DER weltweit führende Spezialist für „communicative diseases“ aufgeführt. Im Laufe seiner Karriere hat Raoult Tausende Patienten behandelt, die von viralen Krankheiten heimgesucht waren. Das von ihm gegründete IHU Méditerranée Infection ist heute eines der weltweit führenden Forschungslabore im Bereich der Virologie.

    [«6] S. Gautret P,Lagier J-C, Parola P, et al. Hydroxychloroquine and azithromycin as a treatment of COVID-19: results of an open-label non-randomized clinical trial Int J Antimicrob Agents. 2020 Mar 20 : 105949. doi: 10.1016/j.ijantimicag.2020.105949 [Epub ahead of print]

    [«7] monde.taibaweb.com/index.php/2020/03/03/hysterie-pourquoi-personne-necoute-lexpert-mondial-des-virus-qui-dit-quun-traitement-simple-contre-le-covid-19-existe-sante-et-bien-etre/

    [«8] Raoult hat die Aussage am Ende einer Pressekonferenz gemacht. S. mediterranee-infection.com/coronavirus-diagnostiquons-et-traitons-premiers-resultats-pour-la-chloroquine/ Da sowohl Le Monde wie auch das Gesundheitsministerium inzwischen die Anschuldigung von fake news aus ihren jeweiligen Webseiten weggenommen haben, ist es mir nicht gelungen, Links zu finden, die diese Aussage bestätigen. Dass Le Monde aber zweifelsohne eine feindliche Einstellung gegenüber Raoults Initiative hat, belegt der folgende Link: lemonde.fr/sciences/article/2020/02/26/un-antipaludeen-pourra-t-il-arreter-l-epidemie-de-covid-19_6030931_1650684.html

    [«9] legifrance.gouv.fr/affichTexte.do?cidTexte=JORFTEXT000041400024&categorieLien=id

    [«10] inserm.fr/en/news-and-events/news/yves-levy-presents-inserm-roadmap-for-2018

    [«11] asiatimes.com/2020/03/why-france-is-hiding-a-cheap-and-tested-virus-cure/

    [«12] geopolintel.fr/article2194.html

    [«13] geopolintel.fr/article2196.html

    [«14] presse.inserm.fr/en/launch-of-a-european-clinical-trial-against-covid-19/38737/

    [«15] geopolintel.fr/article2200.html

    [«16] legifrance.gouv.fr/affichTexte.do

    [«17] (1) Karine Lacombe, qui critique des méthodes de Didier Raoult, est-elle en «conflit d’intérêt» avec les laboratoires concurrents ? – Libération;oder auch Coronavirus : Karine Lacombe contre Didier Raoult – Geopolintel ;

    [«18] ndr.de/nachrichten/info/podcast4684.html

    [«19] lemonde.fr/sante/article/2020/03/27/la-surdose-mortelle-a-la-chloroquine-expliquee-en-sept-questions_6034694_1651302.html; lemonde.fr/sante/article/2020/03/30/alerte-contre-l-utilisation-de-l-hydroxychloroquine-en-automedication_6034881_1651302.html

    [«20] mediterranee-infection.com/pre-prints-ihu/

    [«21] change.org/p/ephilippepm-traitement-covid-19-ne-perdons-plus-de-temps-neperdonsplusdetemps?utm_source=grow_fr&utm_campaign=pss; youtube.com/watch?=v03TthAf7co youtube.com/watch?v=2EhNs0RGoQ0

    [«22] asiatimes.com/2020/03/why-france-is-hiding-a-cheap-and-tested-virus-cure/

    [«23] resistancisrael.com/liste-des-hopitaux-qui-suivent-les-consignes-du-dr-raoult/; S. auch twitter.com/LLP_Le_Vrai/status/1244357481251442689

    [«24] petition-mail@association-sante-naturelle.email petition-chloroquine.fr/texte-collectif-medecins

    [«25] fr.sputniknews.com/russie/202003281043417673-la-russie-devoile-son-medicament-pour-traiter-le-coronavirus/

    [«26] francais.rt.com/international/73344-don-du-ciel-si-ca-marchait-etats-unis-autorisent-usage-chloroquine

    [«27] tunisienumerique.com/coronavirus-lalgerie-commence-le-traitement-de-ses-malades-a-la-chloroquine/

    [«28] la-croix.com/Monde/Afrique/Coronavirus-Le-Maroc-mise-tout-chloroquine-2020-03-31-1201087121

    [«29] letemps.ch/monde/demunie-face-coronavirus-lafrique-se-jette-chloroquine

    [«30] petition-mail@association-sante-naturelle.email

    [«31] welt.de/vermischtes/article206630043/Coronavirus-Bundesregierung-hat-groessere-Mengen-von-moeglichem-Medikament-gesichert.html

    [«32] S. z.B. tagesspiegel.de/politik/malaria-medikamente-gegen-covid-19-jens-spahn-macht-hoffnung-was-bringt-das-medikament-resochin/25656826.html

  • Schluss mit Irreführung: „Wir brauchen harte, gesicherte Fakten statt nur scheinbar objektive“.
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=59903

    Neue Ansage durch die Bundeskanzlerin: Bis mindestens 19. April bleibt der Shutdown der Gesellschaft bestehen. Erst wenn sich der Anstieg der Infiziertenzahlen deutlich verlangsamt hat, sollen Lockerungen denkbar sein. Die Zielvorgabe ist so schwammig, wie sie mit immer mehr Tests praktisch unerreichbar wird. „Dann kann man noch Monate so weiter machen“, meint Statistikprofessor Gerd Bosbach. Im Interview mit den NachDenkSeiten appelliert er an die Bundesregierung, endlich belastbare Daten zur Verbreitung des Corona-Virus in der Gesamtbevölkerung zu liefern. Erst dann könne man sich ein Bild zur Gefährlichkeit der Krankheit machen und die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen auf ihre Sinnhaftigkeit prüfen. Das Gespräch führte Ralf Wurzbacher.

    https://www.nachdenkseiten.de/upload/podcast/200403_Schluss_mit_Irrefuehrung_Wir_brauchen_harte_gesicherte_Fakten_

    #science #politique #statistiques #covid-19 #Allemagne

  • Die neue Weltwirtschaftskrise, das Corona-Virus und ein kaputt gesparter Gesundheitssektor. Oder: Die Solidarität in den Zeiten von Corona. Von Winfried Wolf.
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=59459

    20. März 2020 - Die Ausweitung des Corona-Virus hat zur flächendeckenden Beseitigung von Grundrechten und Bewegungsfreiheit geführt. Vieles spricht dafür, dass dies in der gegebenen Situation angebracht, unvermeidlich, ist. Wobei es auch Mitte März noch ernst zu nehmende Stimmen – so vom Weltärztebund-Präsidenten Frank Ulrich Montgomery – gibt, die dies in Frage stellen. Unbestreitbar ist, dass die Zuspitzung der Corona-Pandemie dazu geführt hat, dass das Versagen der Behörden nicht thematisiert wird. Dass der aktive Beitrag, den die Bundesregierung und ausdrücklich auch CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn und der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach beim Kaputtsanieren der Krankenhäuser geleistet haben, kein Thema in der öffentlichen Debatte ist. Nicht zuletzt dienen die Corona-Epidemie und die panischen und widersprüchlichen Maßnahmen zu deren Eindämmung dazu, die im Hintergrund ablaufenden massiven weltwirtschaftlichen Verwerfungen – und die Gefahr einer neuen Weltwirtschaftskrise – als das von einem Virus ausgelöste Resultat zu präsentieren. Was grundfalsch ist.

    Von Winfried Wolf.

    Vorbemerkung: Das ist ein Artikel mit vielen guten Anregungen. Danke vielmals. Wir veröffentlichen ihn, auch wenn wir nicht alle Aussagen teilen. Die NachDenkSeiten-Redaktion.

    Einiges spricht dafür, dass das Elend und die Zahl der Getöteten, die mit der Wirtschaftskrise geschaffen werden, nochmals deutlich das übersteigt, was vom Corona-Virus erzeugt werden kann.

    Es ist soweit. Nein – nicht die Corona-Krise ist gemeint. Zunächst zumindest nicht. Es ist vielmehr seit einem Vierteljahr – seit Ende 2019 – soweit: Wir stehen inmitten einer neuen weltweiten Krise. Die vorausgegangene hatte, so heißt es, ihren „Schwarzen Schwan“ in Gestalt der Pleite des Finanzinstituts Lehman Brothers am 15. September 2008. Die gegenwärtige hat, so heißt es, ihren „Schwarzen Schwan“ in Gestalt des neuen Corona-Virus (Covid-19), über dessen Existenz zum ersten Mal am 7. Januar 2020 informiert wurde.

    Doch in beiden Fällen schwammen diese „Schwarzen Schwäne“ deutlich dem Ereignis Krise hinterher. Die letzte Weltwirtschaftskrise hatte im Sommer 2007 mit dem Platzen der Subprime-Kredite in den USA und dem Zusammenbruch der deutschen IKB-Bank am 29. Juli 2007 begonnen. Die aktuelle Krise begann 2019 in der Weltautoindustrie und in China. Die deutsche Industrie war im gesamten Jahr 2019 gegenüber dem Vorjahr um vier Prozent abgeschmiert. Und auch der industrielle Sektor der Weltwirtschaft hatte sich im Dezember 2019 der Null-Linie angenähert. Damit war die Krise Anfang 2020 bereits da. Und sie war vorhergesagt und damals bereits analysiert worden.[1] Die „Schwarzen Schwäne“ dienen nur im Nachhinein der falschen Etikettierung der jeweiligen Krise als „Lehman-Krise“ und als „Corona-Krise“.

    Krise Anfang 2020

    „Wirtschaft steht unter Corona-Schock“, so lautete bereits am 28. Februar die Überschrift über einem halbseitigen Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Am 1. März hatte Bild die Schlagzeile: „Wirtschaft schon jetzt in der Corona-Krise“. Am 12. März veröffentlichte das Kieler Institut für Weltwirtschaft eine Analyse, wonach die Weltwirtschaft und die deutsche Wirtschaft 2020 „einen harten Konjunktureinbruch“ erleben würden. Natürlich als „Ergebnis des Corona-Schocks“.

    Doch sehen wir uns zwei Grunddaten der Ökonomie mit verlässlichen Zahlen bis Ende 2019 an. Erstens diejenigen der industriellen Produktion auf Weltebene und in Deutschland. Zweitens diejenigen der Weltautoproduktion, untersetzt mit der Fertigung in den vier größten Autoproduktionsländern.

    Die Industrieproduktion stellt den Kern der kapitalistischen Wirtschaft dar. Sie entspricht am ehesten dem produktiven Sektor. Unter anderem sind hier der Dienstleistungssektor und die Finanzwirtschaft – Sektoren, die die Gesamtentwicklung teilweise relativieren, teilweise akzentuieren – nicht enthalten. Die US-Bank JP Morgan veröffentlicht regelmäßig einen Indikator mit der Bezeichnung Global Manufacturing PMI. Dazu schrieb das Finanzinstitut, der entsprechende Index sei im Dezember gegenüber dem Vormonat nochmals gefallen und zwar auf eine Linie, die „die Wasserscheide zwischen Expansion und Kontraktion“ darstellen würde.[2]

    Für die deutsche Industrie liegen bis einschließlich Dezember 2019 die Zahlen des Statistischen Bundesamts für die Zeit vor dem Ausbruch des Corona-Virus vor. Sie sind in Tabelle 1 für den gesamten Zeitraum seit der vorausgegangenen Krise zusammengefasst.

    Tabelle 1: Industrielle Produktion in Deutschland 2008-2019 (verarbeitendes Gewerbe einschl. Bergbau); Index 2015 = 100; Wachstum gegenüber dem Vorjahr in Prozent

    Deutlich ist der massive Einbruch, den es 2008/2009 gab. Ab 2010 bewegt sich das deutsche verarbeitende Gewerbe im Plus. Die Wachstumsraten nach der 2008/09er Krise waren – außer derjenigen 2011 – niedrig. 2012 gab es sogar einen leichten Einbruch. 2018 war ein Höhepunkt erreicht. Der Rückgang im gesamten Jahr 2019 mit knapp 5 Prozent ist erheblich.

    Tabelle 2 dokumentiert die Autoproduktion im gleichen Zeitraum – und zwar auf Weltebene (unterste Zeile) und die Pkw-Fertigungen in China, in den USA, in Japan und in Deutschland. Auf Weltebene und bei der Autoherstellung in China und in Deutschland gibt es seit 2018 einen absoluten Rückgang. In den USA trifft dies auf 2019 zu.

    Da die Autoindustrie weltweit die Funktion einer Leitbranche hat und da sie in den hier aufgeführten Ländern den jeweils wichtigsten Industriezweig darstellt, bestimmt dieser Rückgang auch in erheblichem Maß die jeweilige gesamte Industrie.

    Tabelle 2: Pkw-Produktion weltweit und in China, USA, Japan und Deutschland 2008-2019 (Angaben in Millionen Einheiten) [ 3]

    Es ergibt sich ein vergleichbares Bild wie im Fall der Industrieproduktion: Es gab den massiven Einbruch 2009. Danach ein fast ungestümes Wachstum bis 2016. 2017 wurde bereits der Höhepunkt erreicht. Seither gab es zwei Jahre mit einem absoluten Rückgang der Weltautofertigung, wobei bereits 2018 der Fahrzeugbau in Deutschland und dann 2019 die Autoindustrie in Deutschland und in der VR China eine wichtige Rolle spielten.

    Die Entwicklung in der aktuellen Weltwirtschaftskrise wird sich aber von der in den Jahren 2007 bis 2009 unterscheiden. Damals brach die Autofertigung in Japan, in den USA und in Deutschland addiert um 8,9 Millionen Einheiten ein. Im gleichen Zeitraum konnte jedoch die Autoproduktion in der VR China um 4 Millionen Einheiten gesteigert – ja bis 2010 sogar verdoppelt – werden. Dadurch wurde die Delle, die in den klassischen Autoherstellerländern entstand, nochmals massiv gemildert.

    2020 wird dies nicht mehr der Fall sein. Hier dürfte es zu einem sich selbst verstärkenden Effekt kommen: Alle Autoherstellerländer werden eine massive Branchenkrise erleben. Und diese Branchenkrise dürfte erneut einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, dass es eine umfassende und weltweite Krise gibt.

    Der Zyklus, der alte Schlawiner[4]

    Wir haben also – ohne jeden Einfluss von Corona & Co. – spätestens seit Anfang 2020 die Situation eines zu Ende gehenden Konjunkturzyklus, einer Stagnation der Weltindustrieproduktion und des industriellen Sektors in der Eurozone, eines Rückgangs der Industrie im wichtigen Industrieland Deutschland (und schon längst in Italien) und eines Einbruchs bei der führenden Industrie, im weltweiten Fahrzeugbau.

    Damit verblasst auch das „Besondere“, das für den vergangenen Zyklus immer wieder behauptet wurde. Jahrelang hieß es, wir erlebten einen „historisch einmalig langen Konjunkturaufschwung“. Zyklus? Den gäbe es – so eine Reihe von Feststellungen – so nicht mehr. Was irgendwie durch Nullzinspolitik und Helikoptergeld möglich geworden sei.

    Alles falsch. Die neue Krise begann im Herbst 2019 – nach einem neun Jahre währenden schwachen Wirtschaftswachstum. Die Länge des Zyklus 2009-2019 ist weitgehend identisch mit der Länge der Zyklen 1982-1990 und 1990-2000. Unsere Grundaussage, wonach die kapitalistische Weltwirtschaft spätestens seit 1974/75 ihren typisch zyklischen Verlauf nimmt, wonach es diese zyklische Bewegungsform seit Anfang des 19. Jahrhunderts – also nunmehr seit mehr als zweihundert Jahren – gibt und wonach es lediglich Kriege und große Krisen waren, die diesen zyklischen Verlauf abänderten, bestätigt sich ein weiteres Mal.

    Dennoch gibt es immer aufs Neue ein Verwirrspiel bei der Bezeichnung der Krise – und auf diesem Weg eine Infragestellung der Zyklizität. So auch in der neuen Krise, bei der nur noch von einer Corona-Krise die Rede ist. Doch Vergleichbares gab es allzu oft – beispielsweise 1974/75. Damals erlebten wir die erste große Weltrezession seit der Weltwirtschaftskrise 1929-33. Da nicht sein durfte, was tatsächlich stattfand, da eine Wiederkehr ordinärer kapitalistischer Krisen von den seit 1948 vorherrschenden Wirtschaftswissenschaften geleugnet wurde, war bald der Bösewicht identifiziert: Es waren der Ölpreis respektive die „Scheichs“, die die Welt ins Chaos gestürzt und die Arbeitslosenzahl allein in Westdeutschland von 250.000 im Jahresdurchschnitt 1973 auf mehr als eine Million 1975 hatte hochschnellen lassen. Tatsächlich hatte das OPEC-Kartell als Reaktion auf den Nahostkrieg die Öllieferungen an den Westen drastisch verknappt; der Ölpreis hatte sich verdreifacht. Doch bereits damals handelte es sich beim Ölpreis ebenso wie heute beim Corona-Virus in erster Linie um den Trigger-Effekt im ansonsten ordinären Wirtschaftsgeschehen. Für das Publikum aber war der Begriff „Ölkrise“ ideal. Später bemühten sich Wirtschaftswissenschaft und Medien bei buchstäblich jeder Krise, für diese eine jeweils spezifische Erklärung zu drechseln. Da gab es eine „Asien-Krise“, eine „Rubel-Krise“, eine „Tequila-Krise“, eine „IT-Krise“ und eine „Subprime-“ oder auch „Lehman-Krise“.

    Epidemien und Krise

    Nun also eine Krise, bei der eine Epidemie die Ursache sein soll. Eine Kombination, die es in der kapitalistischen Wirtschaftsgeschichte so noch nie gab.

    Tatsächlich kam es in den letzten einhundert Jahren zu einem Dutzend Epidemien und einigen Pandemien, die jedoch alle keine größeren Rückwirkungen auf die Ökonomie hatten. Die „Spanische Grippe“ 1918/19 mit mehr als 25 Millionen Toten und die „Asiatische Grippe“ 1957/58 mit bis zu zwei Millionen Toten richteten Verheerungen bei den Menschen an – hatten jedoch keine vergleichbaren Konsequenzen für die Weltwirtschaft. Tabelle 3 liefert einen Überblick.

    Tabelle 3: Einige (entsprechend der jeweils relativ hohen Zahl an Todesfällen ausgewählte) Epidemien im Abgleich mit dem Wirtschaftswachstum 1918 bis 2020[5]

    Die vorausgegangenen Epidemien bzw. Pandemien – die Schweinegrippe 2009/10 wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Pandemie eingestuft – waren trotz der sehr hohen Zahl an Todesfällen und trotz einer vergleichbar schnellen und weltweiten Verbreitung – auch nicht annähernd mit derart drastischen Maßnahmen begleitet wie wir sie aktuell im Fall der Corona-Epidemie erleben.

    Unterschiedliche Reaktionen auf Epidemien – was sind die Gründe?

    Fragt man nach den Gründen für die Vehemenz, mit der aktuell auf die Corona-Epidemie reagiert wird, dann erhält man die Antwort: Das Virus breite sich wesentlich schneller aus als die Erreger der vorausgegangenen Epidemien. In einigen Regionen verdoppelt sich die Zahl der Infizierten alle sechs bis sieben Tage, in Deutschland am 20. März alle 2,5 Tage. Die aktuellen Versuche laufen darauf hinaus, die Ausbreitung zu strecken. Dabei verläuft die Erkrankung in rund fünf Prozent der Fälle so heftig, dass die Betroffenen ins Krankenhaus müssen. Dabei muss mehr als ein Drittel aller Corona-Krankenhauspatienten beatmet werden. Die Krankenhäuser, die Betten in den Kliniken und dann insbesondere die Intensivbetten mit Beatmungsgeräten – das ist der Flaschenhals, der die Pandemie zu einer ernsten Gefahr hat heranreifen lassen.

    Das Corona-Virus kam zuerst nach Deutschland, weil der Autozulieferer Webasto Ende Januar 2020 eine Schulung mit einigen Dutzend Beschäftigten durchführte, zu der eine Chinesin – mehr als drei Wochen nach dem Ausbruch der Epidemie in China – eingeflogen wurde. Mehr als ein Dutzend Beschäftigte infizierten sich. Wurde der Ort, an dem die Schulung stattfand und die Infizierten lebten, Gauting, isoliert? Wurden Schulen geschlossen? Nichts von alledem. Seither gab es zwei Monate lang ein widersprüchliches Nebeneinander von grober Fahrlässigkeit (Fußballspiele mit Zehntausenden Zuschauern fanden bis Mitte März statt) und unverhältnismäßigen Maßnahmen (am 1., 4. und 6. März wurden drei ICE- Züge wegen eines einzelnen Corona-VERDACHTSFALLS gestoppt und teilweise evakuiert – es handelte sich jeweils um einen Fehlalarm). Als ein Höhepunkt der krass widersprüchlichen amtlichen Verhaltensweise muss empfunden werden, dass am 15. März in Bayern und in Frankreich Kommunalwahlen durchgeführt wurden, ein Akt, bei dem addiert mehr als 40 Millionen Menschen sich – dazu aufgerufen von staatlichen Behörden! – in Tausenden Wahllokalen, frequentiert immer von Dutzenden zusammengewürfelten Personen – zeitweilig versammelten. Die Sicherheitsmaßnahmen bestanden darin, dass dazu aufgefordert wurde, ein jeder möge „seinen eigenen Stift“ mitbringen. Tags darauf – tatsächlich am 16. März – wurde dann in Bayern der „Katastrophenalarm“ ausgerufen. Fast zeitgleich beschlossen die Behörden in Frankreich noch drastischere Einschränkungen der Bewegungsfreiheit. Und wie ist zu erklären, dass der Senat von Berlin am 17. März kundtat, man werde JETZT ein Notfallkrankenhaus für Corona-Fälle mit mehr als 1000 Betten auf dem Berliner Messegelände – „in Kooperation mit der Bundeswehr“ – errichten – zehn Wochen nach Ausbruch der Epidemie in Wuhan, neun Wochen, nachdem dort eine solche Spezialklinik errichtet worden war?

    Die drastischen Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus sind auch Folge einer Politik, die soziale Verantwortung an private Investoren verkauft hat und die zu keiner rechtzeitigen konsequenten Politik der Eindämmung der Epidemie in der Lage war.

    Nicht thematisiert und ABGELENKT wird vom Krankschrumpfen des Krankenhauswesens

    Die Corona-Epidemie stößt weltweit – und dabei auch in erheblichem Maß in Deutschland, wohl auch exponiert in Italien – auf einen ausgepowerten und kaputtgesparten Gesundheitssektor. Die hektischen Maßnahmen zur Eindämmung der Epidemie sind geeignet, über diese Tatsache hinwegzutäuschen. Das scheint durchaus auch auf China zuzutreffen, wo die medizinische Versorgung in den letzten zwei Jahrzehnten mit der sprunghaften wirtschaftlichen Entwicklung nicht Schritt gehalten zu haben scheint. So haben laut offizieller nationaler Schätzung nur 22 Prozent der Wanderarbeitskräfte eine grundlegende Krankenversicherung.[6] In der EU kam es in den vergangenen 15 Jahren zu massiven Prozessen der Privatisierung und Kommerzialisierung in der Gesundheitsversorgung und im Krankenhauswesen. Das Personal wurde flächendeckend um meist mehr als 30 Prozent abgebaut. In Deutschland wurde seit 1992 die Zahl der Krankenhausbetten um gut 30 Prozent reduziert. Es kam buchstäblich zu einem Krankenhaus-Sterben (siehe dazu weiter unten). Parallel erfolgte eine umfassende Kommerzialisierung des Krankenhauswesens, bei dem die Fallpauschalen-Orientierung im Zentrum steht. Laut Angaben der Gewerkschaft Verdi fehlen aktuell in Deutschland 162.000 Beschäftigte, um eine zufriedenstellende Versorgung der Patienten zu ermöglichen. 63.000 Fachkräfte müssten zusätzlich im Bereich der stationären Altenpflege eingestellt werden. Und wir reden hier von normalen Zeiten, noch nicht von Zeiten der Epidemie.[7] Die Ausbildungsstandards wurden aufgeweicht. Die Arbeitsintensität des Krankenhauspersonals nahm enorm zu – bei parallelem Abbau der Realeinkommen. Massenhaft werden Ärztinnen und Ärzte und Krankenhauspersonal aus Drittländern abgeworben und nach Deutschland gebracht. Warum? Weil sie dort nicht gebraucht werden? Nein! Im Gegenteil! Wehe, die Corona-Epidemie bricht in massivem Umfang dort – in Griechenland, in Kroatien, in Serbien, in Bosnien-Herzegowina, auf den Philippinen – aus, wo Tausende unserer Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte herkommen! Sie wurden abgeworben, weil sich unsere Gesellschaft auf diese Weise die Ausbildungskosten spart und weil die Arbeitskraft dieser Menschen so gut wie immer deutlich weniger kostet als die einheimischer Lohnabhängiger, weil sie also in diesem Umfang die Profite der privaten Krankenhausmaschinerie steigert.

    Der Flaschenhals in den Krankenhäusern selbst sind die mit ausgebildetem Pflegepersonal und Ärzten besetzten Intensivbetten. Dazu kommen auf der technischen Seite Beatmungsgeräte, die zu knapp sind. Die Kliniken in Deutschland verfügen über rund 28.000 Intensivbetten, wobei gleichzeitig 4.700 Intensivpflegekräfte fehlen. Tatsächlich dürften nur rund 27.000 der Betten ad hoc bereitstehen. Diese sind allerdings im Durchschnitt bereits zu 80 Prozent ausgelastet. Damit sind tatsächlich etwa 5.400 Betten frei.

    All das ist seit einem Vierteljahr bekannt – ohne dass es irgendwelche relevanten Aktivitäten gegeben hätte, die Bettenzahl aufzustocken, zusätzliches Pflegepersonal auszubilden und einzustellen und in den Ruhestand getretene Ärztinnen und Ärzte zu reaktivieren. Die Filmemacherin Leslie Franke und der Filmemacher Herdolor Lorenz fassten in einem Rundschreiben am 17. März 2020 unter Bezugnahme auf ihren Film zur dramatischen Lage in den Kliniken die Situation wie folgt zusammen:

    „Wir haben in dem Film „Der marktgerechte Patient“ gezeigt, dass schon im normalen Tagesgeschäft die Intensivstationen aus pflegerischer Sicht Tag für Tag bereits überfordert sind. Keine einzige im Film untersuchte Intensivstation konnte mehr als 60 Prozent ihrer Intensivbett-Kapazitäten betreuen auf Grund des Pflegemangels. Schuld daran ist eindeutig die Profit orientierte Finanzierung durch Fallpauschalen. Pflegekräfte sind dadurch vor allem lästige Kosten. Seit Einführung der sog. DRGs [Diagnosis Related Groups – Fallpauschalen; W.W] wurden 50.000 Pflegekräfte abgebaut!.“[8]

    Doch all das ist aktuell kein Thema. Mehr noch: Der Mit-Verantwortliche für dieses Desaster, Gesundheitsminister Jens Spahn, gebärdet sich aktuell als Corona-Krisen-Zampano. Dabei trug der Mann seit Übernahme des Amtes im März 2018 wesentlich zur fortgesetzten Aushöhlung des Gesundheitswesens bei. Noch im Juli 2019 legte die Bertelsmann-Stiftung eine Studie vor, wonach „jede zweite Klinik in Deutschland“ schließen sollte. Widersprach dem der Gesundheitsminister? Etwa mit Verweis auf Notzeiten und Epidemien? Mitnichten! Der Mann erklärte: „Nicht jedes Krankenhaus muss alles machen.“ Erforderlich sei ein „Mix“ aus Abbau von Klinken und Konzentration auf „das Notwendige“.[9]

    Notstandsübung anstelle der Beseitigung von Notstand

    Die staatlichen Instanzen haben wochenlang praktisch nicht gehandelt. Dabei zeichneten sie bereits Mitte Februar das Bild einer kommenden Epidemie und Pandemie – bei Beibehaltung der beschriebenen widersprüchlichen Praktiken. Dieses Nicht-Handeln hat erst zur aktuellen dramatischen Situation geführt – und dazu, dass nunmehr Notstandsmaßnahmen so gut wie unausweichlich wurden. Fast schlagartig werden jetzt eine ganze Reihe von Grundrechten und elementare Formen des sozialen Zusammenlebens außer Kraft gesetzt – Grundrechte für die Masse der Bevölkerung, wohlgemerkt, keineswegs für die Mächtigen in Wirtschaft und Staat und für diejenigen, die für das Desaster eines ausgehungerten Gesundheitssektors verantwortlich zeichnen. René Schlott schrieb dazu in der Süddeutschen Zeitung vom 17. März 2020 wie folgt: „Aristoteles definierte den Menschen als “zoon politikon” als ein gemeinschaftsbildendes, gemeinschaftssuchendes Wesen, das ohne sein Gegenüber nicht existieren könne. Gut 2300 Jahre später versuchen Regierungen weltweit unter Berufung auf Virologen, diese Grundtatsache außer Kraft zu setzen. Nicht anders ist der Aufruf der Bundeskanzlerin zu verstehen, jeder solle seine sozialen Kontakte ´weitestgehend einstellen´. Diese Empfehlung ist ungefähr so sinnvoll, wie die Fische zu bitten, das Wasser zu verlassen, um ihr Überleben zu sichern […] Mit atemberaubender Geschwindigkeit […] werden Rechte außer Kraft gesetzt, die in Jahrhunderten mühsam erkämpft worden sind. So etwa das Recht auf Versammlungsfreiheit, das Recht auf Bildung als auch die Reisefreiheit. Wer jetzt nichts absagt, gilt als asozial. […] Nicht das Virus ist jedoch für diese Entwicklungen verantwortlich, sie sind menschengemacht. Es sind Entscheidungen von Verantwortungsträgern im Umgang mit dem Virus, die zum Shutdown führen. Es ist alarmierend, wie rasch Wissenschaft, Kunst und Kultur, Sport, ja sogar die Bildung der Kinder für verzichtbar erklärt werden. Nichts offenbart das wahre Gesicht unseres Gemeinwesens besser als die Tatsache, dass einzig Wirtschaft, Konsum und Börsen aufrecht erhalten werden sollen. Als sei dies der einzige Daseinszweck unserer fortschrittlich geglaubten Gemeinschaft. […] Die Dinge sind ins Rutschen geraten. Denn viele der Maßnahmen sind nicht einmal zeitlich begrenzt. Was, wenn alle Einschränkungen nicht fruchten? …Dieses Gemeinwesen braucht einen Verständigungsprozess darüber, ob es wirklich jeden Preis um die Eindämmung eines Virus zu zahlen bereit ist.“

    Könnte es nicht sein, dass der Mensch als gemeinschaftssuchendes Wesen eher in der Lage wäre, selbständig und kreativ Wege zur Eindämmung des Virus zu beschreiten, als wenn diese als Zwang verordnet werden von denen, die ihre Unglaubwürdigkeit seit Jahren bewiesen haben und in der Krise weiter Tag für Tag unter Beweis stellen? Wenn in dieser Situation sich der Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery kritisch zu Notstandsmaßnahmen wie Schulschließungen und Ausgangsverboten äußert und darauf hinweist, dass diese Maßnahmen in Italien nichts bewirkt, eher im Gegenteil Panik produziert hätten, dann gehen solch mahnende Worte im allgemeinen Klima geschürter Panik eher unter.[10]

    Die neue Krise – und wie die „reinigenden Kräfte“ in der Krise vor dem Hintergrund der Epidemie im Sinne des Kapitals effizient wirken könnten

    Einiges spricht dafür, dass sich die aktuelle Krise zu einer neuen Weltwirtschaftskrise entwickelt. Alle wichtigen Börsenindizes liegen – Stand: 20. März 2020 – um knapp 50 Prozent unter ihrem Höchststand, auf den sie sich noch im Februar, Wochen nach Ausbruch der Corona-Epidemie, hochgeschwungen hatten. Gab es so etwas jemals zuvor? Es übersteigt zumindest das, was wir 2008/2009 erlebt haben. Es gab „so etwas“ nur in der großen Krise, die 1929 einsetzte, und die in gewaltige wirtschaftliche und soziale Verwerfungen, in Chaos, Gewalt und Krieg, mündete.

    Gleichzeitig könnten es jedoch ausgerechnet die Corona-Krise und die Art und Weise, wie diese Pandemie instrumentalisiert wird, sein, dass der normale Gang der Krise verkürzt und die Profitinteressen der ganz Großen in dieser Krise weniger als im Normalfall negativ beeinflusst werden. Was im Umkehrschluss aber auch heißen könnte, dass die Schwachen in der Gesellschaft noch weit mehr in dieser Krise leiden – und Zehntausende in den banalen Tod durch Hunger und ordinäre Krankheiten gestoßen werden.

    Zunächst ist festzuhalten: In dieser Krise lassen sich vier verschiedene Schauplätze identifizieren, die sich in Wechselwirkung zueinander befinden, und die die gesamte Weltwirtschaft in eine Abwärtsspirale treiben können. Da ist zunächst die zweitgrößte Ökonomie der Welt. Zum ersten Mal wird China in dieser weltweiten Krise nicht mehr als „Krisendämpfer“ wirken. Diese zweitgrößte kapitalistische Ökonomie – zugleich der weltweit größte Exporteur – ist dieses Mal selbst Zentrum der Krise. 2020 dürfte das erste Jahr sein, in dem das Wachstum der chinesischen Wirtschaft nahe Null absinkt. Wobei eine Wachstumsrate unter sechs Prozent bislang als brandgefährlich galt – unter anderem aufgrund des ständigen Zustroms neuer Arbeitskräfte vom Land in die städtischen und industriellen Zentren. Selbst wenn sich die Lage in China nicht zur offenen Krise mit dem Zusammenbruch großer Unternehmen und einer schnell ansteigenden Massenarbeitslosigkeit entwickelt, so wird es für die Weltwirtschaft nicht mehr, wie 2008/2009 der Fall, eine positive Rückwirkung Chinas auf die Weltwirtschaft und ein entsprechendes Einebnen der weltweiten Krise geben.

    Als zweites ist die Weltautobranche von der neuen Krise besonders betroffen. Führende Konzerne in dieser Weltindustrie waren bereits mit „Dieselgate“ belastet. Die Branche als Ganzes befindet sich als Resultat der Klimakrise und des Versuchs einer teilweisen Umstrukturierung hin zu Elektroautos in einer Umbruchphase. Es gab 2018 und 2019 den beschriebenen deutlichen Einbruch der Weltautofertigung. Für 2020 droht ein Rückgang um mehr als 15 Prozent. Das muss Folgen für die verbliebenen Konzerne haben. In Japan werden die sechs noch unabhängigen Autohersteller (Toyota, Honda, Mazda, Suzuki, Nissan und Subaru) einen Konsolidierungsprozess erleben. Im neuen gigantisch aufgeblähten Konglomerat PSA (mit Peugeot, Citroen, Opel, Fiat, Chrysler und Alfa Romeo) wird es einen Kahlschlag geben. Insgesamt sind allein in dieser Branche aktuell mehr als eine Million Arbeitsplätze bedroht.

    Drittens droht eine neue EU-Krise und eine neue Euro-Krise. Die Entwicklung in Italien dürfte hier entscheidend werden. Dieses Land befindet sich seit 20 Jahren im Krisenmodus; die Staatsschuld lag bereits 2019 mit 130 Prozent auf Rekordniveau. In der aktuellen Corona-Virus-Krise steigen die Staatsausgaben in Italien, während gleichzeitig das Bruttoinlandsprodukt rückläufig sein wird. Damit aber müssen – siehe die Entwicklung in Griechenland 2012-2018 – die Schulden gemessen am BIP nochmals massiv auf 150 und mehr Prozent ansteigen. Das wird die Ratingagenturen auf den Plan rufen und zu neuen Herabstufungen der Kreditwürdigkeit des Landes führen. Was wiederum die Bedienung der gigantischen Staatsschulden massiv verteuern muss. Wie wird dann die EU, wie wird die EZB reagieren, wenn Italien in einer Kombination von medizinischem und ökonomischem Notstand dringend der solidarischen Hilfe bedarf? Die EZB-Chefin Christine Lagarde antwortete am 13. März auf die Frage, wie man der italienischen Regierung helfen könne, deren Kreditzinsen im Vergleich zu Deutschland deutlich in die Höhe geschossen sind – der „spread“ sich also ausweitete: „Wir sind nicht dafür da, diese Zinsunterschiede einzuebnen.“[11]

    Und schließlich – viertens – spricht fast alles dafür, dass diese Krise auch den Finanzsektor erfassen und beuteln wird. Der Zusammenbruch von großen Finanzinstituten kann nicht mehr ausgeschlossen werden. Wobei im Fall einer solchen Bankenpleite erneut – wie 2007- 2009 – gelten dürfte: „too big to fail“; das heißt, die Steuerzahlenden werden zur Ader gelassen werden.

    Ein großer Finanzcrash kann seinen Ausgang nehmen bei der gewaltigen Immobilienblase in Indien. Oder bei dem aktuell ablaufenden libanesischen Staatsbankrott. Oder bei einer zu erwartenden argentinischen Staatspleite. Oder beim Zusammenbruch des Systems der chinesischen Schattenbanken. Oder im Rahmen einer neuen Russland-Krise, in der sich Öl- und Gaspreisverfall und Bankenkrise bündeln. Oder im Rahmen der umfassenden Insolvenzen-Welle, die noch 2020 als Folge der „Reduktion aller sozialen Kontakte“ und der Schließung hunderttausender Geschäfte zu erwarten ist und die sich in Deutschland im Bereich der Sparkassen und Genossenschaftsbanken zu kritischen Ausfällen in Höhe vieler Dutzend Milliarden Euro aufaddieren dürfte. Sicher ist, dass heute der Finanzsektor vergleichbar labil ist wie vor der letzten großen Krise. Staatliche Auffangprogramme in der Größenordnung, wie es solche 2008/2009 gab, sind im Rahmen der bestehenden Logik der Wirtschaftspolitiken und der politischen Strukturen kaum mehr zu stemmen. Und auch die Zentralbanken sind ihrer klassischen Waffen beraubt, senkte doch die US-Zentralbank Fed früher in Krisen den Leitzins gern um vier und fünf Prozent – doch heute, nur wenige Wochen nach Eintritt der Stunde X, liegen diese Leitzinsen in New York, Tokio, London und Frankfurt/M. nahe Null.

    Das Ensemble dieser Krisenherde kann dazu führen, dass sich diese durch die Weltwirtschaft fressen und dass es zu einer Kernschmelze der Weltökonomie kommt.

    Schlimm? Ja, schlimm für die Erwerbslosen, für die Noch-Beschäftigten, für Millionen Kleingewerbetreibende und für den Durchschnitt der Bevölkerung. Doch im Fall der großen Konzerne gibt es einerseits die Direktprofiteure und andererseits möglicherweise eine große Zahl von Langzeitprofiteuren. Direkt von der Krise profitieren die Pharmakonzerne, viele PC-und Softwarehersteller (die Umstellung des Schulunterrichts auf home-schools wird umfassend vorbereitet) und die Logistiker. Amazon kündigte am 16. März an, 100.000 neue Stellen zu schaffen – allein in den USA!

    Die Langfrist-Profiteure könnten führende Finanz- und Industriekonzerne sein. Dies hängt damit zusammen, dass aktuell eine Schockpolitik läuft, mit der der normale Gang einer Krise radikal verkürzt, wenn auch zugleich vertieft werden könnte. Normalerweise dauert eine Krise ein Jahr und mehr, bis die „reinigenden Kräfte“ der Krise ausreichend gewirkt, sprich: gewütet haben. 2008/2009 gab es eine fast zwei Jahre währende Kontraktion der wirtschaftlichen Tätigkeiten. In dieser Zeit mussten die Unternehmen die aufgebauten Überkapazitäten Schritt um Schritt reduzieren, Belegschaften abbauen – in Deutschland oft verbunden mit teuren Sozialplänen – die Preise senken und Rabattschlachten durchführen, abwarten, bis sich die Nachfrage wieder einpendelte und bis staatliche Unterstützungsmaßnahmen wieder griffen. Völlig undenkbar war damals, dass funktionierende Unternehmen ihre Produktion schlicht von heute auf morgen einstellen.

    Doch just das passiert in diesen Tagen. So im Fall des weltweit größten Autobauers: VW wird am 20. März alle seine Werke in Deutschland schließen. Und warum? Gibt es einen Abriss in den Lieferketten? Mitnichten! In China wird die Produktion von VW gerade hochgefahren. VW-Boss Herbert Diess erklärt, dass es „bislang keine Lieferketten-Unterbrechung“ gegeben hätte. Stattdessen verweist der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Bernd Osterloh auf „Infektionsketten“. Dieser Co-Manager erklärt, es gelte die „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ zwischen VW-Büroarbeit und VW-Produktionsarbeit zu beenden; schließlich arbeiteten die Kollegen „Schulter an Schulter“ in der Fertigung, was die Gefahr einer Infektion erhöhe. Tatsächlich gibt es in erster Linie einen massiven Einbruch der Nachfrage. Und der Volkswagenkonzern nutzt die Gunst der Stunde und schließt schlicht den größten Teil der Fertigungsstätten, um sich einen großen Teil der Löhne und Gehälter vom Staat bezahlen zu lassen. Vergleichbares machte Ford in der Weltwirtschaftskrise. Doch bislang hieß es: das war US-amerikanischer Manchester-Kapitalismus. Jetzt gibt es exakt dies im Land, das sich einst rühmte, mit einem „Rheinischen Kapitalismus“ einen anderen Weg zu gehen.

    Die Möglichkeit, auf Steuergelder-Kosten den Laden zu schließen, haben allerdings nur wenige große Unternehmen. Grundsätzlich gibt es in der gegenwärtigen Situation einen krassen Widerspruch, der da lautet: Die medizinisch optimale Reaktion auf die Krise – maximale Reduktion aller sozialen Kontakte, also auch Einstellung jeglicher nicht absolut lebensnotwendiger Produktion – hat mittelfristig äußerst negative Folgen für die Profite und kann bei Tausenden vor allem mittelständischen und kleineren Betrieben die Existenzfrage stellen. Und kaum jemand wird behaupten, das RKI sei mächtiger als der BDI: das Robert Koch-Institut ist letzten Endes eine Außenstelle des Gesundheitsministeriums und dessen Chef untergeordnet. Jens Spahn wiederum betrieb in den Jahren 2006 bis 2010 eine Lobbyagentur für Pharmaklienten (Politas) und forcierte die Liberalisierung des Apotheken-Markts ; sein Partner und Mann war für die Versandapotheke DocMorris und den Pharmagroßhändler Celesio, inzwischen McKesson, aktiv. Womit wir bereits im Umfeld des eigentlichen Zentrums von Politik und Wirtschaft angelangt sind: beim Bundesverband der Deutschen Industrie, dem BDI.

    Wofür bloß gibt es diese Vernetzungen von Politik, Macht und Profit? Doch just für Krisensituationen wie die aktuelle. In diesen werden sie in besonderer Weise aktiviert. Hier kann der Krisenschock zur Durchsetzung schockierend inhumaner Interessen führen. Naomi Klein schrieb über die aktuelle Krise: „Diese Kombination von Krisen-Kräften [ausgepowerter Gesundheitssektor und beginnende Wirtschaftskrise; W.W.] produziert den maximalen Schock. Dieser wird jetzt dazu ausgenutzt, um Branchen herauszuhauen, die im Zentrum der extremsten Krise stehen, die wir kennen – und das ist die Klimakrise: Herausgehauen werden die Branche der Airlines, die Gas- und Öl-Industrie, die Kreuzfahrtschiff-Branche. Die werden jetzt vollgestopft mit Dollars.“[12] Am 16. März verkündete US-Präsident Trump, er werde die ins Straucheln geratenen US-Airlines „zu 100 Prozent unterstützen“. Die Rede ist von einem 50-Milliarden-US-Dollar-Hilfsprogramm. Worauf die Aktienkurse von Delta und United und Southwest einen Freudensprung nach oben absolvierten.

    Erinnern wir uns: Im Juni 2009 ging General Motors in Folge der letzten Weltwirtschaftskrise pleite. Damals gab es zwei grundsätzliche Positionen, wie es weitergehen könnte. Die eine hatte der Filmemacher und politische Aktivist Michal Moore vertreten. Er forderte, GM umzubauen zu einem Konzern, der Busse und andere Produkte für den öffentlichen Verkehr herstellt. Diese umweltfreundliche und klimapolitisch sinnvolle Perspektive konkretisierte Mr. Moore in einem eindrucksvollen Manifest.[13] Die andere Perspektive wurde von US-Präsident Barack Obama vertreten – und letzten Endes durchgesetzt. Der US-Staat übernahm GM. Bis zu 50 Milliarden US-Dollar flossen in den Konzern. Zehntausende Beschäftigte wurden entlassen; die Löhne massiv gekürzt. Ausdrücklich erklärte Obama, die Regierung werde sich nicht in die Unternehmenspolitik einmischen. Er sei “absolut zuversichtlich”, dass GM bei gutem Management “einer neuen Generation von Amerikanern helfen wird, ihre Träume zu verwirklichen”.[14] Die Folge war: GM baute nochmals größere SUVs, die nochmals klimaschädigender waren. Und wenn GM nun in der neuen Krise erneut an den Rand einer Insolvenz gelangen sollte – die Hilfe von Mr. Trump dürfte den Klimasündern im GM-Top-Management sicher sein.

    Neue Solidarität, Corona-Krise und neue Klimabewegung

    Die Doppelkrise – ordinäre kapitalistische Krise und die Corona-Virus-Krise – die wir im Augenblick erleben, stellt eine außerordentliche politische Herausforderung für die Linke dar. Die Gefahr, dass wir von den sich überschlagenden Ereignissen in eine absolute Defensive gedrängt werden – zumal sich auch rein physisch die Bewegungsspielräume einengen – ist enorm. Gleichzeitig sind die aktuell großen Akteure keineswegs neutrale Instanzen, die das Wohl und Wehe der Gesellschaft im Auge haben. Ganz im Gegenteil. Die Akteure in Washington, Peking, Tokio, London, Brüssel, Berlin oder Wien – einschließlich des großen Teils der Gesundheitsbehörden und beratenden Institute – verfolgen einerseits überwiegend die Interessen, die sich aus der Bestimmung des Gesellschaftssystems durch Kapital und Profit ergeben. Andererseits sind sie ergänzend – was die Sache verschlimmert – von engstirnigen nationalen Interessen – denen des jeweiligen ideellen Gesamtkapitals auf nationaler Ebene – bestimmt.

    Ganz praktisch: Am 5. März erklärte die Regierung in Reykjavik den österreichischen Skiurlaubsort Ischgl zum „Risikogebiet“, weil sich mehrere Isländer, die dort Skifahren waren und die von dort bereits Ende Februar nach Island zurückgekehrt waren, mit dem Corona-Virus infiziert haben. Reykjavik informierte am gleichen Tag Wien. Nichts passierte. Zehntausende zusätzliche Skiurlauber fuhren mehr als zehn Tage lang weiter nach Ischgl – die Lifts liefen noch eineinhalb Wochen lang Tag für Tag. Hunderte Neuinfizierte aus Dutzenden europäischer Städte fuhren dort Ski, trafen sich abends beim „Ballermann in den Alpen“ zum Après-Ski und kamen – relativ schnell erkennbar – als Infizierte zurück. Das traf zum Beispiel zu auf mehr als 100 Däninnen und Dänen und auf gut 80 Personen mit Wohnsitz Hamburg. In Süddeutschland entwickelte sich so ein besonders krasser Corona-Hotspot: Am Samstag, dem 7. März, fuhren sechs Omnibusse mit 200 Skifahrern aus dem Ostalbkreis (Stadt Aalen) nach Ischgl. Am Sonntag, dem 8. März, kehrten sie abends bereits zurück. Eine Woche später gab es die ersten Verdachtsfälle. Bis 15. März wusste man, dass 50 Personen (!) im Landkreis sich infiziert haben. Am 16.3. waren es bereits 109 identifizierte infizierte Personen. Doch am 18.3. standen hunderte Testergebnisse noch aus. Laut Landesregierung in Stuttgart kämen die Labore „mit der Arbeit nicht hinterher“. Wurde eine Taskforce nach Aalen geschickt? Quarantäne verhängt? Gab es eine Abriegelung? Nichts dergleichen! Sechs Wochen nach den skandalösen Vorkommnissen in Gauting in Bayern, wo es auch primär um das Wohl und Wehe des Autozulieferers Webasto ging, nun exakt dasselbe Verhalten in den Nachbarländern Baden-Württemberg und Tirol.[15] In Ischgl selbst wurde die Saison am 16. März „vorzeitig beendet“. Tatsächlich hat man, so ein treffender Kommentar von Thomas Mayer in der österreichischen Tageszeitung Der Standard, die „letzte starke Ski-Woche mitnehmen wollen, auf dass die Kassen der Liftbetreiber und Hoteliers klingeln. […] Gier hat die Verantwortung für die Gesundheit der Bürger und Gäste besiegt.“[16]

    Es gibt triftige Gründe anzunehmen, dass es Vorfälle vergleichbarer Art zu Tausenden in ganz Europa gab – zehn Wochen nach dem Ausbruch der Epidemie in Wuhan, China. Sechs Wochen, nachdem die Weltgesundheitsbehörde WHO Corona als Epidemie erkannte. Vier Wochen, nachdem Corona als Pandemie identifiziert wurde. Und 12 Tage, nachdem eine europäische Regierung eine andere Regierung in Europa ausdrücklich warnte und den eigenen Bürgerinnen und Bürgern einen Ischgl-Besuch untersagte. Es ist ebenso skandalös aus medizinischer Sicht wie charakteristisch für die Grundaussage: Der Profit, nicht die Gesundheit, ist der Maßstab.

    Alles, was jetzt getan werden muss, sollte unter der Leitlinie laufen: raus aus der Profitorientierung im Allgemeinen und der Profitwirtschaft im Krankenhaus- und Gesundheitssektor im Besondern. Mensch statt Profit – Solidarität anstelle von Kapitallogik. Das mündet in ein 12-Punkte-Programm.

    Krankenhaussektor allgemein stärken: Stopp aller Privatisierungstendenzen in diesem Bereich
    Notwendig ist ein Sofortprogramm zur Stärkung des Gesundheitssektors. Das erfordert auch, dass jede Privatisierungstendenz auf diesem Gebiet gestoppt werden muss (siehe die zitierte jüngste Bertelsmann-Studie) und dass – analog zu der Kampagne „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ – als Ziel gelten sollte: Der gesamte Gesundheitssektor muss wieder unter öffentliche Kontrolle gestellt werden. Private Konzerne, die ein Geschäft mit Krankheit und Gesundheit machen, haben in diesem Sektor nichts zu suchen. Sie sind auf der Basis der Grundgesetzartikel 14 und 15 zu enteignen. Völlig inakzeptabel ist jede weitere Schließung eines Krankenhauses. Siehe dazu den Aufruf der Nichtregierungsorganisation Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB)[17]
    Krankenhausbetten um mindestens 50 Prozent ausbauen, Intensivbettenzahl verdoppeln – aufgelassene Krankenhäuser wieder „instandsetzen“ und in Betrieb nehmen
    Seit 1991 wurden mehr als 32 Prozent der Krankenhausbetten in Deutschland abgebaut. Die Zahl der Krankenhäuser wurde drastisch reduziert. Allein im Zeitraum 2003 bis 2012 wurden 74 Krankenhäuser mit 5200 Betten geschlossen. Die Große Koalition hat sich das Ziel von weiteren Krankenhäusern-Schließungen gesetzt – unterstützt von dem führenden SPD-Gesundheitspolitiker Lauterbach.[18] Diese Politik rächt sich seither Tag für Tag – siehe die „blutigen Entlassungen“. Das rächt sich jetzt in der Corona-Krise in besonderem Maß. Die Gesamtzahl der Betten muss wieder deutlich erhöht werden. Die Orientierung auf Fallpauschalen ist aufzugeben – womit davon auszugehen ist, dass die durchschnittliche Verweildauer der Patientinnen und Patienten in den Krankenhäusern erneut deutlich steigt. Insbesondere muss die Zahl der Intensivbetten mit entsprechender Notfallausrüstung massiv erhöht und damit auf mehr als 50.000 rund verdoppelt werden.

    Viele der in jüngerer Zeit geschlossenen Krankenhäuser gibt es noch; viele stehen leer. Andere werden für andere Zwecke genutzt. Es sollte geprüft werden, eine größere Zahl von ihnen wieder in ihre alte Funktion zu versetzen. Auswertungen der WHO im Zusammenhang mit Ebola haben gezeigt, dass zur Eindämmung einer Epidemie eine gute regionale Gesundheitsversorgung gehört. Die absolute Zahl der Betten allein reicht nicht aus, wenn etwa Kliniken zu weit entfernt liegen.
    Sonderfonds für Krankenhausbelegschaften, Gehälter aufstocken; Beschäftigtenzahl ausbauen.
    Die Belegschaften in den Krankenhäusern sind bereits beim Auftakt der Corona-Krise ausgebrannt und ausgepowert. Schuld daran hat die auf Kommerzialisierung ausgerichtete Gesundheitspolitik, die die Bundesregierungen seit mehr als eineinhalb Jahrzehnten betreiben. Notwendig ist eine Stärkung des bestehenden Personals u.a. durch eine Erhöhung der Löhne und Gehälter. Die Gesellschaft zollt diesen Menschen Anerkennung; sie wird in den nächsten Wochen auf die aufopferungsvolle Tätigkeit dieser Belegschaften angewiesen sein. Daher muss auch jetzt bereits alles getan werden, die Personalstärke deutlich erhöhen. Die von Spahn angekündigte „befristete Aussetzung“ der Personalschlüssel ist fragwürdig.
    Bundeswehrkapazitäten heranziehen und auf ziviler Basis im Kampf gegen Corona einsetzen; Bundeswehr entmilitarisieren
    Die Bundeswehr unterhält einen großen Sanitätsbereich, in dem nach Angaben der Bundeswehr aktuell 19.945 Soldatinnen und Soldaten aktiv sind. Diese sind als erstes in Gänze dem Kampf gegen Corona zur Verfügung zu stellen. Dies sollte umgehend und außerhalb der militärischen Strukturen – in der Form einer Zuordnung zum allgemeinen Gesundheitssektor – erfolgen. Auf alle Fälle muss es das Ziel sein, eine Entmilitarisierung des Bundeswehr-Sanitätswesens zu erreichen.

    Es ist zu prüfen, inwieweit die übrigen mehr als 150.000 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in den Kampf gegen die Corona-Krise eingesetzt werden können. Dies muss jedoch strikt auf Bereiche beschränkt sein, die zivilen Charakter haben.

    Es handelt sich bei der Bundeswehr um ein riesiges Potential von oft gut ausgebildeten Personen, deren Gehälter zu 100 Prozent von den Steuerzahlenden finanziert werden, die also ohne größere zusätzliche Kosten im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus eingesetzt werden können.

    Alle Bundeswehr-Kontingente im Ausland sind unverzüglich abzuziehen. Die damit freiwerdenden Mittel sind den Gesundheitssektoren der Länder (Mali, Afghanistan, Bosnien, Kosovo usw.), in denen die Einheiten stationiert waren, als Schenkung zur Verfügung zu stellen.
    Umstellung der Produktion in unterschiedlichen Sektoren auf die Herstellung von Materialien, Geräten usw. für Gesundheitsschutz und für die Corona-Krisen-Vorsorge. Insbesondere Konversion der Autoindustrie. Jetzt gilt: „Autos zu Atemgeräten“
    Unser hochindustrialisiertes Land verfügt über gewaltige Produktionskapazitäten, die unterschiedliche Produkte für unterschiedliche Zwecke herstellen können und die aufgrund des hohen Automatisierungsgrads und vielfachen Robotereinsatzes auch enorm flexibel sind. Aktuell liegen riesige dieser Produktionskapazitäten brach – selten wegen Corona-Infizierten, in der Regel, weil die Unternehmenszentralen keine ausreichende Nachfrage für ihre Produkte sehen oder weil Lieferketten unterbrochen wurden. Inzwischen haben die Autokonzerne ihre Produktion fast komplett eingestellt. Diese Kapazitäten liegen also brach – das kostet riesige Summen, nicht zuletzt solche, die die Steuerzahlenden aufzubringen haben (Kurzarbeitergeld).

    Notwendig ist, dass ein großer Teil des produktiven Kapitals – insbesondere die brachliegenden Kapazitäten – dafür eingesetzt werden, Produkte des dringenden Bedarfs im Kampf gegen die Corona-Epidemie herzustellen. Viele dieser Unternehmen beziehen bereits im Produktionsalltag große Summen an Subventionen – also an Steuergeldern – beispielsweise für „Elektromobilität“. Es ist also auch aus diesem Grund nachvollziehbar, dass diese Kapazitäten im Kampf gegen Corona einzusetzen sind. Da die Autoindustrie ohnehin unter anderem aufgrund der Klimakrise eine ungewisse Zukunft vor sich hat, ist dies der richtige Zeitpunkt, um eine Konversion der Autoindustrie-Produktionskapazitäten in Angriff zu nehmen – weg vom Auto, hin zu Produkten der Verkehrswende und der Gesundheitsvorsorge. Analog zu dem Slogan „Schwerter zu Pflugscharen“ sollte gelten: „Autos zu Atemgeräten“.

    Dass eine solche Zielsetzung zügig umsetzbar ist, zeigte sich in der VR China im Januar und Februar 2020. Nachdem dort der Verkauf von GM-Autos um bis zu 90 Prozent sank, stellte der Konzern – auf Anforderung der Zentralregierung in Peking – die Produktion in seinen chinesischen Werken zum größten Teil auf die Fertigung von Mund-Nase-Masken um.[19] In Frankreich hat der Luxuskonzern LVMH Mitte März damit begonnen, seine Parfüm-Produktion auf die Herstellung von Desinfektionsmitteln umzustellen. Auch deutsche Chemieunternehmen kündigten an, ihre Kapazitäten in eine vergleichbare Richtung neu auszurichten.
    Konversion der Rüstungsindustrie
    Die Rüstungsproduktion gehört zu den hochindustrialisierten Bereichen des Landes. Sie finanziert sich zu 98 Prozent aus Steuergeldern – darunter zu rund zwei Drittel aus deutschen Steuergeldern Rüstungsexporte unterliegen zu 100 Prozent staatlicher Kontrolle. Das Ergebnis von Rüstungsproduktion und Rüstungsexporten sind Vernichtung, Zerstörung, Kriege, Flüchtlinge und nicht zuletzt auch Freisetzung riesiger CO-2-Emissionen und damit ein massiver Beitrag zur Klimaerwärmung.

    Die gesamte Rüstungsproduktion (und damit auch alle Rüstungsexporte) ist einzustellen; die gesamte Fertigung auf sinnvolle Produkte im Kampf gegen Corona und für andere sinnvolle Produkte und Dienstleistungen z.B. auf den Gebieten der Energiewende und Verkehrswende umzustellen.
    Sonderprogramm für Hilfs- und Schutzbedürftige in Deutschland: Wohnungslose und Behinderte schützen
    In Deutschland leben Millionen Menschen von Hartz IV und Sozialhilfe. 2018 hatten laut Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe 678.000 Menschen keine Wohnung – das war Nachkriegsrekord.[20] Corona macht nicht vor den Zelten und übrigen Schlafstätten der Wohnungslosen Halt. Natürlich gebieten bereits Menschlichkeit und christliche Nächstenliebe, diesen Gestrandeten und vom kapitalistischen Betrieb Ausgestoßenen Hilfe zukommen zu lassen. In der gegebenen Situation der Corona-Krise bildet diese große Gruppe von Menschen darüber hinaus ein erhebliches Risikopotential für die Ausbreitung der Epidemie.

    Ein Sonderprogramm mit den Zielen Schaffung menschenwürdiger Unterkünfte und Garantien für ein menschenwürdiges Leben ist für diese Gruppe in Zusammenarbeit mit den in diesem Bereich aktiven sozialen Verbänden aufzulegen.
    Hilfsprogramm für die osteuropäischen Hilfsarbeiter in den Fleischfabriken, in der Landwirtschaft und bei den Zustelldiensten
    In Deutschland leben zwischen drei und vier Millionen Arbeitskräfte aus osteuropäischen Ländern – vor allem aus Rumänien, Bulgarien und Polen – die auf der Basis von Werksverträgen beschäftigt sind. Sie bilden das Subproletariat unserer Gesellschaft. Sie sind in den Bereichen der Fleischindustrie („System Tönnies“), der Landwirtschaft, der häuslichen Pflege und der Zustelldienste beschäftigt. Diese Menschen arbeiten unter unmenschlichen Bedingungen. Und vor allem leben sie in extrem prekären Wohnverhältnissen, was die Ausbreitung des Corona-Virus enorm begünstigt. Pfarrer Peter Kossen, der seit Jahren auf die Situation dieser Menschengruppe aufmerksam macht und – soweit dies in seinen Kräften steht – viele von ihnen betreut, erklärte in einem aktuellen Appell: „Wenn jetzt die Pandemie auf diese ausgelaugten, angeschlagenen und gedemütigten Menschen aus Ost- und Südeuropa trifft, dann wird dies zahlreiche Opfer fordern. […] Die Totalerschöpfung dieser Menschen ist der Normalzustand. Hinzu kommen [insbesondere im Fleischgewerbe; W.W.] zahlreiche Schnittverletzungen, aber auch wiederholte und hartnäckige Infekte durch mangelhafte hygienische Zustände in den Unterkünften und durch gesundheitswidrige Bedingungen an den Arbeitsplätzen.[…] Wenn nicht wirklich schnell gehandelt wird, ist eine massenhafte Ansteckung mit zahlreichen schweren und auch tödlichen Verläufen nicht mehr aufzuhalten.“[21] Zu fordern sind von den Unternehmen und den Behörden umfassende und wirksame Maßnahmen zum Schutz der Arbeitsmigranten in der aktuellen Corona-Krise.
    Hilfsprogramm für das kleine Gewerbe, für Künstlerinnen und Künstler und Projekte solidarischer Hilfe
    In den Bereichen Kunst und Kultur sind laut Angaben des Verbands deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS) in Verdi 1,4 Millionen Menschen, darunter rund 500.000 „Soloselbständige“ beschäftigt. 90 Prozent dieser Menschen leben von Einkommen, die deutlich unterhalb des Durchschnitts und bei netto 1000 Euro monatlich liegen. Einem großen Teil dieser Menschen bricht mit der Corona-Epidemie die Existenzgrundlage zusammen, da Veranstaltungen nicht mehr stattfinden und der Kulturbetrieb faktisch für Monate einen kompletten Shutdown erlebt. Der VS hat einen Forderungskatalog entwickelt (u.a. zur Bildung einer Notfallkasse für existentiell bedrohte Kulturschaffende und -betriebe; die kurzfristige und bezüglich Beitragszahlungen prozentual an das Einkommen geknüpfte Einrichtung einer Arbeitslosenversicherung für selbständige Künstlerinnen und Künstler), dem die öffentliche Hand gerecht werden muss.[22]
    Hilfsprogramm für die Flüchtlinge auf den griechischen Inseln und an der türkisch-griechischen Grenze
    Die Lage auf den griechischen Inseln mit großen Ansammlungen von Geflüchteten hatte sich in den ersten Wochen des Jahres 2020 bereits enorm zugespitzt. Mit der Corona-Epidemie werden die Verhältnisse dort nochmals kritischer. Es ist verantwortungslos, in genau dieser Situation die nationalen Grenzen hochzuziehen und die Menschen dort – und nicht zuletzt das EU-Mitgliedsland und Euroland Griechenland – im Corona-Regen stehen zu lassen. Die Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel: „Die Bundesregierung und die Europäische Union sind hier in der Pflicht, gemeinsam mit internationalen Hilfsorganisationen sofort Abhilfe zu schaffen. Durch die katastrophale Situation der Menschen in dem Lager gehören viele zu einer Risikogruppe. Eine massive Verbreitung des Corona-Virus auf den griechischen Inseln muss verhindert werden. DIE LINKE teilt den dringenden Appell von ‚Ärzte ohne Grenzen‘, die EU-Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln zu evakuieren, sobald es die Corona-Eindämmung zulässt, damit es nicht zu noch mehr Opfern unter den 42.000 Asylsuchenden auf den griechischen Inseln kommt. Darüber hinaus muss endlich eine gesamteuropäische humane Flüchtlingspolitik umgesetzt werden, die großzügige Resettlement-Programme, rechtsstaatliche Asylverfahren und humanitäre Lösungen beinhaltet.“[23]
    Direkthilfe für Italien
    Es war überraschenderweise der langjährige, ehemalige Chef des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, der am 19. März in einem Interview mit dem Deutschlandfunk, mehrmals von einem überraschten Interviewer unterbrochen, forderte: Deutschland möge eine Soforthilfe „als Geschenk“ in Höhe von zunächst 20 Milliarden Euro an Italien gewähren. Das Land befinde sich „in großer Not“. Auf die Zwischenfrage des Interviewers, ob denn so etwas „für die Steuerzahler vermittelbar“ wäre, antwortete Sinn: „Das ist sehr wohl vermittelbar und jetzt dringend notwendig.“[24]

    Es ist hier nicht der Ort, über die zersetzenden neoliberalen Politikvorschläge zu debattieren, die derselbe Mann viele Jahre lang vorgetragen hat. In der aktuellen Stunde hat er mit seinen zitierten Forderungen absolut Recht. Wobei es sicherlich noch weit mehr Möglichkeiten für eine direkte Hilfe für Italien gibt. Frankreich nahm beispielsweise bereits Patienten aus Italien in eigene Krankenhäuser auf. Noch haben wir in Deutschland freie Bettenkapazitäten. Wenn diese bei uns knapp sind, könnte es sein, dass wir froh sind, wenn andere Länder uns zu Hilfe kommen.

    Eine deutsche Soforthilfe für Italien ist auch in finanzieller Hinsicht angebracht – und der von Sinn genannte Betrag wäre nur eine bescheidene Rücküberweisung angesichts der Gewinne, die die deutsche Wirtschaft im Rahmen des Euro-Regimes und als Resultat der Exportüberschüsse aus Italien bezogen hat.

    Im Übrigen kann sich im Rahmen der sich weiter zuspitzenden Krise auch die Frage stellen, ob Italien auf eigenen Wunsch die Eurozone verlässt. Kommt es zu einer solchen Entscheidung der italienischen Regierung, dann darf sich die erpresserische Politik der EU und der Berliner Regierung, wie sie 2015 gegenüber Griechenland praktiziert wurde, nicht wiederholen. Vielmehr muss dann eine einvernehmliche, gemeinsam getragene Lösung für einen solchen Eurozonen-Austritt geschaffen werden. Das mag zum aktuellen Zeitpunkt überraschend erscheinen. Doch eine solche Thematik kann sich bereits in kurzer Zeit konkret stellen. Schließlich gab es die Euro-Krise 2012 bis 2015 in einer Zeit mit wirtschaftlichem Wachstum. Wir befinden uns aktuell am Rand einer neuen Euro-Krise. Und diese findet in der Zeit einer neuen schweren Wirtschaftskrise statt.[25]
    Finanzierung eines Teils Wirtschafts- und Corona-Krise durch ein 250-Milliarden-Programm mit Sondersteuern auf hohe Einkommen, auf Gewinne und auf Vermögen – Aufhebung der „Schuldenbremse“
    Die neue Krise, die wir in Deutschland auf wirtschaftlichem und medizinischem, gesundheitspolitischem Gebiet erleben, ist mit erheblichen finanziellen Kosten verbunden. Dass in diesem Rahmen bereits nach wenigen Wochen die „Schuldenbremse“ von den Regierenden grundsätzlich in Frage gestellt wurde, ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Es dokumentiert natürlich auch, dass es sich bei der Schuldenbremse und der „schwarzen Null“, wie dies unter anderem auf den NachDenkSeiten wiederholt ausgeführt wurde, um ein rein ideologisch begründetes Konstrukt handelt. Immerhin wurde die Schuldenbremse in die Verfassung aufgenommen; sie sollte ja gerade für Krisenzeiten gelten. Nun wird sie ausgerechnet am Beginn einer Krise zur Verhandlungsmasse erklärt. Bislang wirkte die Schuldenbremse als Mittel, um den Sozialstaat weiter zu demontieren. Jetzt wird sie quasi über Nacht in Frage gestellt, um massive Unterstützungsprogramme für die Konzerne und Banken zu ermöglichen.

    Aktuell besteht die große Gefahr, dass die Kosten der neuen Krise erneut, wie 2008/2009, zu einem großen Teil von den kleinen Leuten bezahlt werden sollen – in Form schnell steigender Arbeitslosigkeit, Einkommenseinbußen und Sozialabbau und vermittelt über höhere Staatsschulden. Tatsächlich muss alles getan werden, damit die Krisenkosten von denen gestemmt werden, die in den vergangenen Jahrzehnten auf Kosten der Allgemeinheit riesige Gewinne gemacht und Reichtum angehäuft haben.

    Notwendig sind in diesen Zeiten der Wirtschafts- und Corona-Krise Sondersteuergesetze auf Vermögen, hohe Einkommen und Gewinne in einem Volumen von 250 Milliarden Euro. Angesichts der Tatsache, dass allein die Gewinne der 100 größten börsennotierten deutschen Unternehmen 2019 bei 81 Milliarden Euro (bei einem addierten Umsatz von 1.300 Milliarden Euro) lagen und dass sich die Zahl der Euro-Millionäre im Zeitraum 2000 bis 2018 auf eine Million verdoppelt hat, erscheint ein Programm einer 250-Milliarden-Euro-Corona-Krisen-Steuer für diejenigen, die die Profiteure der Steuerreformen seit Ende der 1990er Jahre sind, mehr als angebracht.[26]

    *

    Die neue Wirtschaftskrise und die Corona-Epidemie stellen einen tiefen Einschnitt in unserer Geschichte dar – vielleicht ist es der tiefste seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Damals waren sich die Parteien der bürgerlichen Mitte und alle Parteien auf der Linken, SPD und KPD, einig: Nur ein Wirtschaftsmodell, das auf Demokratie und Planung basiert, hat Zukunft und verhindert eine Wiederholung des Gangs in Weltwirtschaftskrise, Faschismus, Krieg und Elend. Oder, in den Worten des CDU-Programms von Ahlen: „Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den […] sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden.[…] Durch eine gemeinwirtschaftliche Ordnung soll das deutsche Volk eine Wirtschafts- und Sozialverfassung erhalten, die dem Recht und der Würde des Menschen entspricht.“[27] Diese Feststellungen im Programm der Partei der bürgerlichen Mitte – also im Gründungsprogramm der Partei von Angela Merkel – trugen erheblich dazu bei, dass es im Grundgesetz die zitierten Artikel 14 und 15 gibt, die eine Enteignung großer Unternehmen und deren Überführung in Gemeineigentum als Möglichkeit vorsehen.

    Aktuell erleben wir ein weiteres Mal, wie die kapitalistische Grundordnung versagt – auf ökonomischem Gebiet und auf dem Gebiet des Kampfes gegen die Epidemie. Die einzig wirksamen Maßnahmen, die in diesen Wochen ergriffen werden, sind fast ausschließlich solche, die in Widerspruch zum „Wirken der freien Kräfte des Marktes“ stehen – es sind planwirtschaftliche. Diejenigen, die den freien Markt zum Götzen erklärt hatten, betteln bereits nach wenigen Wochen Krise um Staatshilfen. Aktuell werden diese planwirtschaftlichen Maßnahmen von einer Regierung ergriffen, die sich bislang den neoliberalen Gesetzen, also dem „freien Wirken des Marktes“ verschrieben hat. Und zweifellos werden sie von diesen Personen nicht aus innerer Überzeugung ergriffen, sondern als Resultat von Not und äußerem Zwang, wobei diese Personen aufs Engste mit den Kapitalinteressen und den Privatisierungsprojekten verbunden sind. Wenn es also einen wirksamen Kampf gegen den Strudel der neuen Krise und gegen die Corona-Epidemie geben soll, dann wird es darauf ankommen, dass solche Maßnahmen auf demokratischer Grundlage, getragen von einer breiten Mehrheit in der Bevölkerung, durchgesetzt werden.

    Das würde im Übrigen durchaus der Grundstimmung in der deutschen Bevölkerung entsprechen. Am 25. Februar 2020 – von Corona-Krise war damals noch kaum die Rede – konnte man in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf einer kompletten Seite unter der Überschrift „Kapitalismus am Pranger“ lesen: „Die Löhne sind hoch, die Arbeitslosigkeit ist niedrig, der Sozialstaat wächst. Trotzdem glaubt mehr als jeder zweite Deutsche, dass der Kapitalismus mehr schadet als nutzt.“

    Titelbild: ffikretow@hotmail.com/shutterstock.com

    Winfried Wolf ist verantwortlicher Redakteur von Lunapark21 – Zeitschrift zur Kritik der globalen Ökonomie. Jüngste Publikationen: „Abgefahren. Warum wir eine neue Bahnpolitik brauchen“ (Köln 2019, PapyRossa; zusammen mit Bernhard Knierim) und „Verkehrswende. Das Manifest“ (Köln April 2020; PapyRossa; zusammen mit Carl Waßmuth).

    [«1] Siehe z.B. das Interview mit Robert Shiller „Die Rezession wird kommen“, in: Handelsblatt vom 4. Dezember 2019. Siehe Lunapark21, Heft 44, Dezember 2018, „Warten auf den großen Knall – Die Weltwirtschaft Anfang 2019 – ein gewaltiges Krisenpotential“, Seiten 28-35; und Heft 47, Herbst 2019, „Die Weltwirtschaft vor der Krise. China wird es nicht nochmals richten“, Seiten 20-33.

    [«2] „The JP Morgan Global Manufacturing PMI […] fell to 50,1 in December, from 50,3 in November, to remain only marginally above the 50.0 waterline that separates expansion from contraction. PMI reading signalled contractions in the intermediate and investment good sectors, with rates of deterioration accelerating in both cases. This reflected ongoing downturns in output and new orders in these industries.“ Nach: JP Morgan, 2 January 2020.

    [«3] Quellen: Organisation International des Constructeurs d´Automobiles (OICA); für 2019 = aktuelle Berichte (Stand: 18.3.2020). Es wurden die Angaben für die Pkw-Produktion – anstelle der Kfz-Fertigung – gewählt (in den USA = „Light Vehicles Production“ (was die SUV, die dort als Lkw gewertet werden, einschließt). Bei Einschluss der Nutzfahrzeuge ist die zyklische Bewegung – nach oben und unten – abgeschwächt. In China stieg z.B. der Absatz von Nutzfahrzeugen 2019 nochmals an, was den zyklischen Abschwung des gesamten Fahrzeugbaus abmildert.

    [«4] Im Nachgang zur letzten Weltwirtschaftskrise gab es im Kulturbetrieb ein kleines Aufblitzen von radikaler Kapitalismuskritik, als der „gesichtslose“ Sänger und Liedermacher Peter Licht durch Talkshows geisterte – unter anderem mit dem „Lied vom Ende des Kapitalismus“. Darin heißt es: „Der Kapitalismus / Der alte Schlawiner / is uns lange genug auf der Tasche gelegen / Vorbei vorhorbei vorbei vorbei / Jetzt isser endlich vorbei […] Is auch lang genug gewesen / Is auch lang genug gewesen / Hast du schon gehört jetzt isser / endlich vorbei.“ CD „Ende des Kapitalismus“.

    [«5] Angaben zu den Epidemien zusammenfassend nach Wikipedia; Angaben zu 1918-1920: Die Welt vom 6.6.2018 und Jürgen Kuczynski, Die Lage der Arbeiterklasse 1917-1933, Berlin (Akademie-Verlag) 1966, S.4ff. Angaben zu 1957/58: swr Archiv-Radio Sendung vom 16.10.1957. Angaben zur wirtschaftlichen Entwicklung nach den Statistischen Jahrbüchern der Bundesrepublik Deutschland.

    [«6] In einem aktuellen, interessanten und faktenreichen, aus dem Chinesischen übersetzten Text werden die Erfolge in China u.a. auf Basis eines Heeres von „Barfußärzten“ und auf den Gebieten der Gesundheitsversorgung und Entwicklung der Lebenserwartung bis Ende der 1990er Jahre hervorgehoben. Um dann fortzufahren wie folgt: „Seitdem haben Nachlässigkeit und Privatisierung dieses System erheblich verschlechtert, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, als die rasche Verstädterung und die unregulierte industrielle Produktion von Lebensmitteln eine umfassende Gesundheitsfürsorge erst recht notwendig gemacht hätten. […] Heute gibt China nach Angaben der WHO 323 USD pro Kopf für öffentliche Gesundheitsversorgung aus. Diese Zahl ist selbst im Vergleich zu anderen Ländern mit »oberem mittlerem Einkommen« niedrig: ungefähr die Hälfte von dem, was Brasilien, Belarus und Bulgarien ausgeben. […] Die Folgen bekommen dabei vor allem die Hunderte von Millionen von WanderarbeiterInnen zu spüren, die jedes Recht auf eine medizinische Grundversorgung verwirken, wenn sie ihr Heimatdorf verlassen.“ Siehe: Soziale Ansteckung. Mikrobiologischer Klassenkampf in China, in: wildcat-www.de/aktuell/a112_socialcontagion.html

    [«7] Lunapark21 widmete ein komplettes Heft diesem Thema (LP21 Heft 22, Sommer 2013) mit wichtigen Beiträgen von Daniel Behruzi. In Heft 40 gingen Patrick Schreiner und Kai Eicker-Wolf im Rahmen des „Märchen des Neoliberalismus“ auf diesen zerstörerischen Prozess mit den „blutigen Entlassungen (aus dem Krankenhaus)“ ein. D. Behruzi ging in einem weiteren Beitrag in Heft 43 (Herbst 2018) auf die Misere im Gesundheitssektor ein. Volker Lösch inszenierte zusammen mit Beschäftigten der Berliner Charité am 13. September 2018 ein „Gesundheitstribunal“. Hierüber berichtete Urs-Bonifaz Kohler in LP21 Heft 43, Herbst 2018.

    [«8] Rundschreiben der beiden genannten Filmemacher vom 17. März 2020. Siehe: der-marktgerechte-patient.org | kernfilm.de

    [«9] Mehr als jede zweite Klinik sollte schließen, Bericht in: Manager Magazin vom 15. Juli 2019. manager-magazin.de/unternehmen/artikel/bertelsmann-jedes-zweite-krankenhaus-sollte-schliessen-a-1277356.html Antwort Spahn nach: Ärzteblatt vom 16. Juli 2019. Siehe: aerzteblatt.de/nachrichten/104668/Debatte-um-Studie-zu-Krankenhausschliessungen-geht-weiter

    [«10] “Ich bin kein Freund des Lockdown. Wer so etwas verhängt, muss auch sagen, wann und wie er es wieder aufhebt”, sagte Montgomery im Interview mit der Düsseldorfer “Rheinischen Post” am 18. März 2020. Weiter: „Da wir ja davon ausgehen müssen, dass uns das Virus noch lange begleiten wird, frage ich mich, wann wir zur Normalität zurückkehren?” Man könne doch nicht Schulen und Kitas bis Jahresende geschlossen halten. Denn so lange werde es mindestens dauern, bis man über einen Impfstoff verfüge, betonte Montgomery. Italien habe ein Lockdown verhängt und habe einen gegenteiligen Effekt erzielt. “Die waren ganz schnell an ihren Kapazitätsgrenzen, haben aber die Virusausbreitung innerhalb des Lockdowns überhaupt nicht verlangsamt.” Ein Lockdown sei eine politische Verzweiflungsmaßnahme, weil man mit Zwangsmaßnahmen meint, weiter zu kommen, als man mit der Erzeugung von Vernunft käme. Kritisch äußerte sich Montgomery zu den von der Bundesregierung angeordneten Grenzschließungen. “Ich glaube nicht, dass die Grenzschließungen das Virus aufhalten können. Das ist politischer Aktionismus.”

    [«11] Zitiert in: Süddeutsche Zeitung vom 14. März 2020. Die EZB hat am 19. März ein neues „Notkaufprogramm“ in Höhe von 750 Milliarden Euro zum Aufkauf von staatlichen und kommerziellen Papieren angekündigt und aufgelegt. Sie scheint damit ihren Kurs zu revidieren. Explizit sollen „auch griechische Papiere“ aufgekauft werden – was natürlich vor allem heißt, dass nun auch Stützungskäufe für italienische Anleihen stattfinden. Diese Korrektur erfolgt sehr spät. Man wird sehen, ob die EZB diesen neuen Kurs dann durchhält, wenn es zum Sturm der Finanzmärkte auf die Papiere einzelner „schwacher“ Länder, vor allem zur Spekulation gegen Italien, kommt.

    [«12] Naomi Klein, Coronavirus is the perfect disaster for „disaster capitalism“, 13. März 2020 (vice.com…)

    [«13] Michael Moore damals, 2009: „Die Produkte, die in den Fabriken von GM, Ford und Chrysler hergestellt werden, gehören zu den größten Massenvernichtungswaffen. Sie sind verantwortlich für die globale Erwärmung und das Abschmelzen der Polkappen. Was wir „Autos“ nennen, macht sicher Spaß beim Fahren, aber sie sind wie eine Million Dolche ins Herz von Mutter Natur. Sie weiter zu bauen, bedeutet den Untergang unserer Art und eines großen Teils dieses Planeten.“ Hier nach: Die Welt vom 3. Juni 2009.

    [«14] Der Spiegel vom 1. Juni 2009. spiegel.de/wirtschaft/gm-insolvenz-obama-verteidigt-den-massiven-staatseingriff-a-627965.html

    [«15] Das zuständige baden-württembergische Sozialministerium räumt ein, dass die Laboruntersuchungen ´teilweise mehrere Tage in Anspruch nehmen´. Viele Labore im Land seien ´an der Kapazitätsgrenze angelangt´“. Bericht Süddeutsche Zeitung vom 19. März 2020.

    [«16] Der Standard vom 16. März 2020. derstandard.de/story/2000115776404/hotspot-ischgl-gier-und-versagen-in-tirol

    [«17] gemeingut.org/gib-aufruf-keine-krankenhausschliessungen/

    [«18] „Prof. Lauterbach, Gesundheitsökonom und späterer SPD-Sprecher im Gesundheitsausschuss des Bundestags, hat bereits 2003 in seinem Buch ´DRG in deutschen Krankenhäusern´ vorgerechnet, dass 1410 der damals 2242 Krankenhäuser und 194.000 der damals 523.114 Betten in allgemeinen Krankenhäusern überflüssig seien.“ Nadja Rakjowitz, Zur Frage der Schließung von kleinen Krankenhäusern, in: Krankenhaus statt Krankenfabrik, März 2018.

    [«19] GM: „We produce about 1,7 million masks daily“; gmauthority.com vom 7. Februar 2020.

    [«20] Bericht in: ARD-Tagesschau vom 11. November 2019. tagesschau.de/inland/wohnungslose-anstieg-deutschland-101.html

    [«21] Das Werksvertragssystem – das im Übrigen Basis der Billigstfleischangebote ist – ist einzustellen. Siehe die Erklärung Peter Kossen vom 17. März 2020; labournet.de/interventionen/asyl/arbeitsmigration/migrationsarbeit/pfarrer-peter-kossen-arbeitsmigranten-sind-hochrisikogruppe/

    [«22] vs.verdi.de/themen/nachrichten/++co++4e085142-660f-11ea-9bec-001a4a160100

    [«23] Erklärung von Heike Hänsel, MdB DIE LINKE vom 16. März 2020; heike-haensel.de/2020/03/16/griechische-fluechtlingslager-medizinisch-gegen-corona-ausbreitung-schuetzen-und-mittelfristig-evakuieren/

    [«24] Sinn: „Die Italiener brauchen sicher Unterstützung. Ich habe auch vorgeschlagen, dass Deutschland zum Beispiel unilateral […] ein Geschenk von 20 Milliarden Euro für Italien auf den Tisch legt, um ihnen unsere Solidarität zu zeigen.[…] Das bisschen Geld, was diese medizinischen Maßnahmen kosten, ist doch ein Klacks. Da […] darf man an gar nichts sparen. Bevor wir jetzt Banken retten mit riesigen Geldsummen, können wir mit Bruchteilen erst mal in die Medizintechnik investieren, damit wir wirklich die Krise bekämpfen, die Corona-Krise, […] Die Prioritäten muss man einfach richtig setzen.“ Interview im Deutschlandfunk am 19. März 2020. deutschlandfunk.de/notkaufprogramm-der-ezb-sinn-ueberhaupt-keine-massnahme.694.de.html?dram:article_id=472876

    [«25] Siehe zu den Exportüberschüssen im Rahmen der Eurozone ausführlich: Nikos Chilas / Winfried Wolf, Die griechische Tragödie. Rebellion. Kapitulation. Ausverkauf, Wien, 3. erw. Aufl. 2019, Seiten 96ff.

    [«26] Angaben zu den Unternehmensgewinnen 2019: Bericht auf ntv vom 3. Januar 2020 auf Basis von Berechnungen des Bewertungs- und Prüfungsunternehmens EY; nach: n-tv.de/wirtschaft/Deutsche-Top-Konzerne-duempeln-durch-2019-article21487478.html Würde die gut eine Million Euro-Millionäre in Deutschland im Durchschnitt mit 100.000 Euro Soli-Steuer belastet, erbrächte dies bereits 100 Milliarden Euro.

    [«27] Das Ahlener Wirtschafts- und Sozialprogramm der CDU, 1. und 3. Februar 1949.

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    #Allemagne #crise #covid-19 #économie

  • DIY Cardboard Whistle Head
    https://www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/190524-WH_Manual-V1.pdf

    Debunking All The Assange Smears – Caitlin Johnstone
    https://caitlinjohnstone.com/2019/04/20/debunking-all-the-assange-smears

    Have you ever noticed how whenever someone inconveniences the dominant western power structure, the entire political/media class rapidly becomes very, very interested in letting us know how evil and disgusting that person is? It’s true of the leader of every nation which refuses to allow itself to be absorbed into the blob of the US-centralized power alliance, it’s true of anti-establishment political candidates, and it’s true of WikiLeaks founder Julian Assange.

    Corrupt and unaccountable power uses its political and media influence to smear Assange because, as far as the interests of corrupt and unaccountable power are concerned, killing his reputation is as good as killing him. If everyone can be paced into viewing him with hatred and revulsion, they’ll be far less likely to take WikiLeaks publications seriously, and they’ll be far more likely to consent to Assange’s imprisonment, thereby establishing a precedent for the future prosecution of leak-publishing journalists around the world. Someone can be speaking 100 percent truth to you, but if you’re suspicious of him you won’t believe anything he’s saying. If they can manufacture that suspicion with total or near-total credence, then as far as our rulers are concerned it’s as good as putting a bullet in his head.

    Those of us who value truth and light need to fight this smear campaign in order to keep our fellow man from signing off on a major leap in the direction of Orwellian dystopia, and a big part of that means being able to argue against those smears and disinformation wherever they appear. Unfortunately I haven’t been able to find any kind of centralized source of information which comprehensively debunks all the smears in a thorough and engaging way, so with the help of hundreds of tips from my readers and social media followers I’m going to attempt to make one here. What follows is my attempt at creating a tool kit people can use to fight against Assange smears wherever they encounter them, by refuting the disinformation with truth and solid argumentation.

  • Dumm, dümmer, Deutschland – wir sanktionieren und die USA lachen si...
    https://diasp.eu/p/9088390

    Dumm, dümmer, Deutschland – wir sanktionieren und die USA lachen sich ins Fäustchen

    Die USA wollen die Ostseepipelinie Nord Stream 2 verhindern, so dass Europa weniger Erdgas aus Russland kauft. Gegen Russland musste die EU ja ohnehin auf Bestreben Washingtons Sanktionen verhängen. Gleichzeitig haben USA und EU ihre Sanktionen gegen Venezuela verschärft. Den größeren „Zusammenhang“ dieser Vorgänge versteht mal wohl nur, wenn man sich folgende Meldung auf Bloomberg durchliest: „Russische Ölverkäufe an die USA durch Venezuela-Sanktionen auf Steroiden“. Während die EU auf russisches Gas verzichten soll, haben die Amerikaner in den ersten fünf Monaten dieses Jahres mehr Öl aus Russland importiert als 2016 und 2017 zusammen. US-Raffinerien bereiten sich derweil auf eine Verdreifachung der russischen (...)

  • Beutezug Ost - Die Treuhand und die Abwicklung der DDR - Teil 1
    https://www.youtube.com/watch?v=1YmxTojrls0

    En 1990 Wolfgang Schäuble fut le maître de la privatisation totale des biens appartenant jusque là à la collectivité. Les maneouvres de la droite ouest-allemande menaient à un putsch contre le renouveau démocratique en RDA, afin de préparer le terrain pour l’alignement du droit, de l’économie et de la société au exigences du capital ouest-allemand. Après la prise de pouvoir politique par les forces capitalistes il fallait distribuer le butin.

    Le même docteur Schäuble prit en mains le rafle de la Grèce et la vente de ses biens collectifs sous prétexte de remboursement de sa dette nationale. Son principe de management : il fallait un corps dôté de pouvoirs absolus dont les membres étaient exemptés de toute responsabilité personnelle. Ce corps était composé de spécialistes de la gestion économique capitaliste afin de garantir une distribution efficace du butin.

    Pour l’ancienne RDA ce fut la Treuhandanstalt nationale alors qu’en Grèce pour des raisons juridiques il faillait un corps international appellé la troïka . Ce film sur la Treuhand explique une méthode de prise de pouvoir économique qui a fait ses preuve.

    Les auteurs : Herbert Klar, Ulrich Stoll

    Beutezug Ost - Die Treuhand und die Abwicklung der DDR - Teil 2
    https://www.youtube.com/watch?v=NDR6Y4h8Px4

    Beutezug Ost - Die Treuhand und die Abwicklung der DDR - Teil 3
    https://www.youtube.com/watch?v=BUrDE4XbUUo

    #DDR #BRD #socialisme #capitalisme #politique #économie #putsch

    • „Beutezug Ost – Die Treuhand und die Abwicklung der DDR“
      https://www.nachdenkseiten.de/?p=6735

      14. September 2010 um 16:44
      Ein Artikel von: Albrecht Müller
      Endlich kommen die Zweifel an der Arbeit der Treuhand und an der Weisheit der Währungsunion breiter zur Sprache. Heute Abend um 21:00 h setzt Frontal 21 seine Aufarbeitung der Vorgänge um die Treuhand und um die Währungsunion mit einer Dokumentation fort. Die Vorschau auf diese Sendung „Beutezug Ost – Die Treuhand und die Abwicklung der DDR“ finden Sie hier und als Anlage 1. In der Vorschau finden Sie auch weitere Links zu Teilen der Sendung. Albrecht Müller

      Wenn diese Versuche der Aufarbeitung einer düsteren Geschichte auch spät kommen, es ist besser als gar nicht. Nach meinem Eindruck liegt so viel im Dunkel, dass es dringend geboten wäre, die Vorgänge um die Abwicklung der fast 8000 Betriebe der DDR, um den Verkauf der ostdeutschen Banken an die westdeutschen Banken und um die Währungsunion vom 1.7.1990 neu aufzuarbeiten. Ein neuer Untersuchungsausschuss zur Abwicklung von Betrieben durch die Treuhand wäre dringend geboten. Den Historikern allein kann man diese Untersuchung des Raubs am Vermögen der Mehrheit der Menschen in Mittel- und Ostdeutschland nicht überlassen.

      Zur Abwicklung der Betriebe

      frontal 21 hatte am 31.8.2010 einen Bericht über die Abwicklung eines Berliner Betriebes gebracht. Hier der Link und der Titel: „Die Treuhand und die Abwicklung der DDR“ DDR-Betriebe: Abgewickelt und betrogen Den Einführungstext finden Sie in Anlage 2.
      Wie dort geschildert wird, sind in der ehemaligen DDR Betriebe reihenweise unter Wert verkauft worden – an westdeutsche Geschäftsleute wie im konkreten Fall der WBB in der Dokumentation vom 31. August, an westdeutsche „Anleger“ und an Bürger der ehemaligen DDR, so weit sie gut im Geschäft waren.
      Einem weiteren Kreis bekannt und dokumentiert sind nach meiner Kenntnis nur wenige Fälle. Frühere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Betriebe können sich aber noch (!) gut an die Abwicklung erinnern. Dieses Wissen müsste systematischer gesammelt und aufbereitet werden.
      Es sollte auch selbstverständlich sein, dass die Verantwortlichen, solange sie noch leben und rüstig sind, mit den Vorgängen im einzelnen konfrontiert werden. Das gilt zum Beispiel für Birgit Breuel, die der Treuhand vorstand, aber auch zum Beispiel für Hans Olaf Henkel und Klaus von Dohnanyi, die in Leipzig bei Abwicklungsvorgängen „beraten“ haben.
      In die Aufarbeitung gehören auch Untersuchungen darüber, ob die Betriebe mehrheitlich wirklich so marode waren, wie das öffentlich dargestellt wurde und immer noch wird.
      Welche Rolle spielten die Filialen westdeutscher Banken in Mittel- und Ostdeutschland? Ein Leser meines Buches „Machtwahn“ hatte mir nach Lektüre der Passagen über die politische Korruption den Hinweis gegeben, dass er als westdeutscher Angestellter einer Bank in Dresden sich ständig darüber wundern musste, dass in diesen Kreisen die Erhaltung von Betrieben der ehemaligen DDR keine Priorität hatte. Im Gegenteil.

      Wo sind die Vermögen geblieben? Wer und wie wurde „geschmiert“?
      Wenn wie im konkreten Fall der Abwicklung des Berliner Wärmebaus WBB der offizielle Substanzwert bei 160 Millionen D-Mark lag und die Treuhand den Betrieb klein rechnet und ihn für ganze zwei Millionen D-Mark an einen westdeutschen Geschäftsmann verkauft, dann kann dies nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass in vielen dieser Fälle Schmiergeld im Spiel war, ist groß. Dieses landete in der Regel in den Steueroasen. Dafür braucht man sie. Auch deshalb der Widerstand gegen ihren Abbau auch von deutscher Seite.

      Währungsunion und Umrechnungskurs
      Wer wie ich 1990 als Mitglied des Deutschen Bundestags der Währungsunion mit den damals beschlossenen Umtauschrelationen nicht zugestimmt hat, wurde scheel angesehen und – wie auch Oskar Lafontaine zum Beispiel – verdächtigt, gegen die Vereinigung der beiden deutschen Staaten zu sein. Ich war vor allem wegen der Belastung der ostdeutschen Betriebe durch den dann installierten Umrechnungskurs von 2:1 dagegen. Das beraubte sie ihrer Wettbewerbsfähigkeit und belastete sie mit überhöhten Schulden gerechnet in DM-West.
      Es wäre jedenfalls gut, wenn endlich auch dieses Kapitel aufgearbeitet würde.

      Verschleuderung der ostdeutschen Banken an die westdeutschen Banken
      Dieses Thema haben wir in den NachDenkSeiten wie auch in „Machtwahn“schon oft angesprochen. Wir verwiesen auf einen verdienstvollen Artikel im Berliner Tagesspiegel vom 1.7.2005. Frontal 21 greift diese Geschichte jetzt auf: Download (Frontal21 exklusiv: Banken verdienten Milliarden an der Wiedervereinigung) Es hat lange gedauert und exklusiv ist die Nachricht auch nicht. Aber immerhin: der Vorgang wird nicht weiter totgeschwiegen, wie es mit dem Tagesspiegel-Artikel und unseren Beiträgen bisher geschehen ist.

      Anlage 1:

      Vorschau: Frontal21 am 14.09.2010
      Frontal 21-Dokumentation
      Beutezug Ost
      Die Treuhand und die Abwicklung der DDR
      “Das gesamte Industriekapital der DDR wurde mit einem Schlag vernichtet. Im Grunde genommen ist es eigentlich das größte Betrugskapitel in der Wirtschaftsgeschichte Deutschlands”. Der grüne Europaabgeordnete Werner Schulz findet deutliche Worte für die Arbeit der Treuhand.

      20 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung geht die ZDF-Dokumentation “Beutezug Ost” der Frage nach: Wie konnte aus dem Wert der DDR-Betriebe, den der erste Treuhandpräsident Detlev Rohwedder auf 600 Milliarden D-Mark schätzte, ein Milliardendefizit werden? Die Treuhandanstalt, zuständig für die Privatisierung der DDR-Betriebe, hinterließ einen Schuldenberg von 250 Milliarden D-Mark (zirka 125 Milliarden Euro).

      Als am 1. Juli 1990 die DDR-Mark im Verhältnis 1:1 und 1:2 in D-Mark umgetauscht wurde, vervielfachten sich die Lohn- und Herstellungskosten für die DDR-Betriebe. Mit der Währungsunion brach der Absatz selbst lukrativer Betriebe schlagartig ein. Edgar Most, der ehemalige Vizepräsident der DDR-Staatsbank, sieht in der D-Mark-Umstellung die Hauptursache für den Untergang der DDR-Industrie. Most und Bundesbankpräsident Pöhl warnten Kanzler Kohl vergeblich vor den Folgen der Währungsunion. Most weist die Behauptung zurück, die DDR-Wirtschaft sei ohnehin am Ende gewesen: “Erst mit der D-Mark-Einführung mit diesem falschen Umrechnungskurs waren wir endgültig pleite”, so der ehemalige Staatsbankier.

      “Alternativlos” nennen die Treuhand-Verantwortlichen wie Ex-Bundesfinanzminister Theo Waigel das Vorgehen der Treuhandanstalt noch heute. Die Schwachstellen bei der Abwicklung der DDR-Wirtschaft zeigen Beispiele wie das Kühlschrankwerk DKK Scharfenstein. Obwohl DKK wettbewerbsfähige Produkte wie den ersten FCKW-freien Kühlschrank herstellte, gelang es der westdeutschen Konkurrenz, DKK zu zerschlagen.

      Als Birgit Breuel, Präsidentin der Treuhandanstalt, am 31. Dezember 1994 das Schild von der Fassade des Treuhandgebäudes in der Berliner Wilhelmstraße abschraubte, waren 8000 Staatsbetriebe an private Investoren oft unter Wert verkauft oder geschlossen. 2,5 Millionen DDR-Bürger hatten ihren Arbeitsplatz verloren.

      Film von Herbert Klar und Ulrich Stoll
      Quelle: Frontal21

      Anlage 2:

      Die Treuhand und die Abwicklung der DDR
      Frontal21 vom 31.08.2010
      DDR-Betriebe: Abgewickelt und betrogen
      von Herbert Klar und Ulrich Stoll
      Rückblick: Im Sommer 1990 bekommen 16 Millionen DDR-Bürger neues Geld: Der Freude über die harte D-Mark folgt schnell Ernüchterung. Denn die Volkseigenen Betriebe müssen nun ihre Belegschaft in D-Mark bezahlen und sich über Nacht dem Weltmarkt stellen. Privatisieren oder dichtmachen – das ist die Aufgabe der Treuhandanstalt, der größten Staatsholding der Welt. Der Ausverkauf der DDR-Wirtschaft beginnt. 8000 Betriebe sollen marktfähig gemacht werden oder untergehen.
      Quelle: Frontal21

  • ♲ NachDenkSeiten – Die kritische Website (): Michael Hartmann: „Die...
    https://diasp.eu/p/7754042

    ♲ NachDenkSeiten – Die kritische Website ():

    Michael Hartmann: „Die Medien sind Teil des Problems geworden“

    „Über drei Viertel der Herausgeber und Chefredakteure in den großen privaten Medien kommen aus den oberen vier Prozent der Bevölkerung“, sagt Michael Hartmann. Der Eliteforscher, der die These vertritt, dass die Eliten in Deutschland „abgehoben“ sind, also sich weit von der Lebenswirklichkeit der breiten Bevölkerung entfernt haben, verweist im NachDenkSeiten-Interview darauf, dass dieses Abgehoben-Sein genauso auf die journalistische Elite zutrifft. „Ihr Spitzenpersonal“, so der Soziologe weiter, „nimmt die gesellschaftliche Realität mindestens genauso verzerrt wahr, wie es bei der Politik-Elite der Fall ist“. Ein Interview über die Filterblase der Medien, die Spaltung in unserer Gesellschaft (...)